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Emotional Hardcore

Teil 2

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Emotional Hardcore

Leslie hat sich geirrt. Mein Referat ist keine Zwei Plus geworden, sondern eine glatte Eins. Papa war relativ zufrieden, hielt mir allerdings gleich einen Vortrag, dass ich mich in Mathe anstrengen soll. Und zwar richtig. Und zwar sofort. Eigentlich wollte ich Merle und ihren kleinen Königspython besuchen, hab mich nämlich zwischendurch mit meiner Exfreundin ausgesprochen. Natürlich sagte ich ihr nicht die ganze Wahrheit. Nur, dass ich halt auch nicht so wirklich in sie verliebt gewesen bin, sie aber trotzdem gern habe. Na ja, der Besuch fällt aus, dafür taucht Leslie auf.

„Ich geb dir Mathe-Nachhilfe“, behauptet er.

„Gib dir doch lieber die Kugel“, schlage ich vor.

„Jo-Jo, ich ertrag’s nicht, wenn du sauer auf mich bist, also hör auf damit, ja?“

„Okay, wenn du aufhörst, Typen anzuschleppen, die du auf Außenklos gebumst hast.“

„Cool, du bist noch nicht mal mit Kim zusammen, aber schon eifersüchtig. Übrigens ist zwischen ihm und mir nichts gelaufen. Schon gar nicht auf einem Außenklo“, lacht er sich kaputt.

„Meinetwegen. Würdest du bitte trotzdem aufhören, mich an irgendwen zu verschachern?!“

„Keine schlechte Idee. Würde sicher jede Menge Kohle für dich kriegen. Du siehst süß aus und du hast noch nie. Es gibt Kerle, die stehen auf so was.“

„LESLIE!“

Er hebt abwehrend die Hände. „Das war ein Witz, Kleiner.“

Ich hasse es, wenn er „Kleiner“ sagt. Er ist grad mal knapp zwei Jahre älter als ich!

„Also, wie läuft’s mit deinem Internetfreund? Irgendwas Spannendes passiert?“

„Er will ein Foto haben. Von mir.“

„Und?“, zuckt er die Schultern. „Schick ihm halt eins.“

„Ich bin doch nicht lebensmüde. Flo meldet sich nie wieder bei mir.“

„Jo-Jo“, verdreht er die Augen, „hast du dich in letzter Zeit mal im Spiegel angekuckt?“

„Allerdings.“

„Okay, du schickst dem Typen jetzt ein Foto. Ich wette, der holt sich sofort einen runter.“

„Kannst du nicht noch etwas lauter sprechen?“, zische ich und suche ein halbwegs vernünftiges Foto raus.

„Ich weiß eh nicht, wie du es hier aushältst. Ehrlich, ich fühle mich schon total von deinem Vater umzingelt, wenn ich bei dir bin. Glücklicherweise hält er mich nur für einen normalen Bekloppten, der abends auf Friedhöfen rumhängt und Leichen ausbuddelt. Nicht auszudenken, wenn er wüsste, dass du und ich … aber lassen wir das. Hast du nix, wo du obenrum nackig bist?“

„Entweder das oder gar keins“, bestimme ich.

„Wenn du dich bei ihm für einen Zahnpastawerbespot bewerben willst, bitte.“

Na ja, ein bisschen drüber ist meine Grinsefresse schon. „Was ist damit?“, frage ich.

Leslie scheint zu überlegen. „Sucht Flo noch jemanden für seine Boyband?“

Langsam kriege ich schlechte Laune.

„Das ist gut“, lächelt er. „Das wird ihn umhauen.“

„Das wollte ich löschen.“ Auf dem Foto hab ich nämlich aus Versehen einen derartigen Schlafzimmerblick, als würd ich sagen: Nimm mich, ich koste auch nicht viel!

„Mach!“, drängelt Leslie.

Ich tippe eine kurze Nachricht, wobei ich darüber nachdenke, wie ich aus der Sache wieder rauskomme, da griffelt Leslie nach der Maus und klickt auf ’senden’. Oh, du lieber Himmel!

„So, das hätten wir“, nickt er zufrieden.

Genau. Flo wird meinen, dass ich mich ihm an den Hals werfen will und den Kontakt abbrechen.

Zwei Tage warte ich. Zwei Tage lang bin ich hypernervös, knibble mir an den Fingernägeln rum und knabbere mir die Lippen blutig.

Du hast gelogen, meldet sich Flo endlich.

Meine Finger zittern, dass ich kaum geradeaus tippen kann.

Äh…??

Von wegen rotes, pickliges Gesicht … Du bist süß *schwärm*

Ich bin was? Ob der sich vertippt hat?

Okay, jetzt ist mein Gesicht grad rot geworden ;-)

Ich würd mal gerne wissen, für wen du so verführermäßig in die Kamera gekuckt hast.

Leslie. Und ich wollte gar nicht, aber er hat mich betrunken gemacht.

Kurze Notiz: unbedingt Alkohol im Haus haben, wenn dich Jo-Jo demnächst besucht!!

Ach du Scheiße. War das eine Einladung? Keinen Schimmer, welcher Dämon in mich gefahren ist, aber er übernimmt das Schreiben.

So leicht zu haben bin ich nun auch wieder nicht.

Das trifft sich gut … ich stehe auf Jungs, die schwer zu erobern sind.

Na dann … lass dir was einfallen!

Mh, wie wäre es mit roten Rosen und einem romantischen Candle-Light-Diner?

Viel zu unoriginell.

Das Ganze findet in Paris statt, wohin ich dich in meinem Privatjet entführe.

Viel zu abgedroschen.

Dann schnapp ich dich einfach, sobald du einen Fuß in meine Wohnung gesetzt hast, werfe dich aufs Bett und ficke dir den Verstand raus.

Mir wird heiß … und unangenehm eng in der Jeans. Der Dämon scheint mich verlassen zu haben, ich weiß überhaupt nicht, was ich antworten soll.

Dachte mir, dass dir das gefällt. Musst grad einhändig tippen, oder warum dauert die Antwort so lange?

Entschuldige, ich wollte eben kurz vom Stuhl fallen.

Du wolltest dir keinen runterholen? Mann, ich muss mich wirklich mehr anstrengen!

Auf meiner Stirn bilden sich Schweißperlen. Das hier ist eindeutig eine Nummer zu groß für mich.

Also entweder machst du doch unanständige Sachen … oder ich bin ein bisschen zu weit gegangen. Hey, wir können uns auch wieder ganz normal und zivilisiert unterhalten.

Ja, tippe ich irgendwie erleichtert.

Ja, was?

Äh … Ja, Sir?!

Hahahahahahahaaha, der war gut :-)

Yeah, ich gehöre eher zu der albernen Generation.

… und eine bunte Holzpuppe, auch bekannt als Pinocchio …

Twin Peaks-Fan?

Aber so was von!! Fällt eigentlich nur mir auf, wie viele Gemeinsamkeiten wir haben?

Irgendwann nach tausend Stunden verabschieden wir uns und ich … fuck, ich bin verliebt!

Und das fühlt sich alles andere als theoretisch an!


„Ich glaub das nicht“, zische ich völlig fassungslos.

„Ja“, zischt Kim neben mir und wahrscheinlich mindestens genauso fassungslos, „ich auch nicht.“

„Leslie hat sich mit dieser Aktion jedenfalls total von meiner Sympathieskala gebeamt.“

„Auf meine Skala hatte er es eh noch nicht geschafft.“

„Was hat sich der Vollpfosten überhaupt dabei gedacht?“

Kim sieht mich schräg von der Seite an. „Das war eine rhetorische Frage, oder?“

„Na ja … es geht. Doch, irgendwie schon.“

Mal eben zum besseren Verständnis … Leslie hat mich aus fadenscheinigen Gründen in seine Wohnung bestellt und mit Kim offenbar Selbiges abgezogen, als wir dann hier waren, bekam er plötzlich einen Anruf und musste ganz dringend kurz weg. Deshalb hocke ich jetzt mit einem völlig fremden Menschen auf Leslies Sofa und frage mich in Gedanken, warum nicht einer von uns beiden aufsteht und geht?! Wieso ich nicht derjenige bin, dürfte relativ klar sein. Ich muss warten, bis Leslie zurückkommt, damit ich ihn umbringen kann. Vielleicht hat Kim Ähnliches vor.

„Hat der Idiot Alkohol im Haus? Wenn ich schon meine Zeit vertrödeln muss, will ich mich wenigstens anständig besaufen.“

„Gegen wen geht’n das?“, frage ich ärgerlich.

„Hä?“

„Ich meine, du musst deine Zeit ja nicht unbedingt hier vertrödeln … mit mir. Ich hab ja wohl auch Besseres zu tun, als mit dir rumzuhängen.“

Schon wieder glotzt der mich so schief an. „Zum Beispiel?“

„Alles ist besser als das hier.“

Kim schnauft kurz, steht auf und latscht durch die Wohnung.

„Was tust du da?“, rufe ich.

„Nachforschen, ob dein schwachmatischer Freund peinliche Sachen versteckt.“

Ich folge ihm ins Schlafzimmer. „Ey, das kannst du nicht machen … äh, was soll das?“

Er wälzt sich auf dem Bett hin und her und zerwühlt noch zusätzlich das Laken.

„Wahrscheinlich erwartet er das.“

„Leslie erwartet, dass du sein Bett in Unordnung bringst?“

„Das eben war doch keine rhetorische Frage, mh?“, grinst er. „Dein Freund hat sich höchstwahrscheinlich dazu entschlossen, Amor zu spielen. Der hat mich fast schwindelig gefaselt, von wegen, wie süß du bist und so.“ Er mustert mich aufdringlich. „Als hätte ich keine Augen im Kopf.“

„Leslie ist manchmal nicht ganz dicht.“

„Er hat auch gemeint, du hättest noch nie was mit ’nem Jungen gehabt … außer einmal mit ihm.“

Leider hab ich auch keine Schaufel, um mir ein Loch zu buddeln, in das ich springen kann … oder um ihm damit mehrfach auf den Schädel zu schlagen!

„Ist doch interessant, was dein angeblicher Freund so alles von dir ausplaudert. Er scheint zu denken, dass du’s alleine nicht hinkriegst und total auf seine Hilfe angewiesen bist.“

„Das kommt, weil er zwei Jahre älter ist. Und natürlich liegt es auch viel an seinem ausgeprägten Dachschaden. Und dass ich noch nie was mit einem Jungen hatte, liegt daran, dass ich gar nicht auf Jungs stehe.“

Kim nickt. „Ja, er hat gesagt, dass du so was behaupten würdest.“

„Meine Güte … wie oft trefft ihr euch denn, um meine Angelegenheiten zu bequatschen?“, entgegne ich angepisst.

„Treffen eigentlich nicht. Er ruft mich nur andauernd an. Erst dachte ich, er will was von mir, aber dass er immer mehr über dich erzählt hat, fand ich dann schon etwas seltsam.“

„Ich werde ihn töten“, bemerke ich finster.

„Cool. Wie denn?“

„Kennst du ’Friedhof der Kuscheltiere’? So, wie das untote Rotzgör den Opa ausschaltet. Und danach stülpe ich mir einen Freddy Krueger-Handschuh über und spiel ein bisschen ’Nightmare on Elm Street’ mit ihm.“

„Magst du Horrorfilme?“

„Nicht besonders“, zucke ich die Schultern und werfe mich neben ihn aufs Bett. Und zwar mit Straßenschuhen. Schade, dass da nicht noch etwas Hundescheiße dran klebt.

„Dafür, dass du gar nicht auf Jungs stehst, bist du aber ziemlich leicht rumzukriegen.“

„Was?“

„Unser erstes Date und ich hab dich schon im Bett“, lächelt er irgendwie … sexy?!

„Vollständig angezogen. Läuft das bei dir für gewöhnlich so ab?“

„Nee“, schüttelt er den Kopf, „ich ziehe die Jungs vorher aus.“

„Ich meinte …“

„Ich weiß, was du meintest“, unterbricht er mich.

Hui, mir wird ein wenig trudelig, weil Kim immer noch lächelt und seine Finger über die Bettdecke krabbeln und schließlich meine Finger streicheln. Eigentlich hab ich vor, meine Hand wegzunehmen, aber sie bewegt sich nicht. Es wird sogar noch schlimmer. Meine Finger umschlingen Kims. Ja, hab ich den Verstand verloren? Offensichtlich, denn für einen kurzen Moment ziehe ich es in Erwägung, von Kim geküsst werden zu wollen. Panikartig springe ich auf.

„Ich … äh … ich gehe jetzt.“

„So plötzlich?“

„Ich hab noch … einen Termin“, fasele ich blödsinnig und ergreife die Flucht.

Leslie wird mir die Hölle heiß machen, weil ich einen fremden Typen allein in seiner Wohnung gelassen habe, aber das kümmert mich einen Dreck.

„Du hast den Typen allein in meiner Wohnung gelassen“, poltert Leslie am nächsten Tag durchs Telefon. „Der hätte mir die ganze Bude ausräumen können.“

„Der Abend war deine schwachsinnige Idee.“

„Ich wollte euch nur auf die Sprünge helfen. Und außerdem … hättest du Kim lieber bei dir zu Hause empfangen?“

„Leslie“, seufze ich verzweifelt, „ich will nix von dem. Würdest du das bitte, bitte begreifen?“

„Wieso eigentlich nicht?“

„Die gestrige Nummer war wohl das Peinlichste, was ich bis jetzt erlebt habe.“

„Noch peinlicher, als die Sache in der Grundschule?“, fragt er kichernd.

„Ich rede heute nicht mehr mit dir. Mach’s gut.“

„Bis morgen, Jo-Jo“, verabschiedet er sich.

Am übernächsten Tag bin ich fest davon überzeugt, dass mich irgendwer klammheimlich in eine Witzshow katapultiert hat. Nichts Böses ahnend besuche ich Merle und den kleinen Königspython, als Leslie auf einmal in den Keller gestiefelt kommt. Zusammen mit … Kim.

Wusste ich’s doch, dass es ein Fehler war, ihm zu sagen, wo ich den Nachmittag verbringe.

Und ihm es ist ja wohl gar nicht unangenehm, bei Merle aufzukreuzen, die er gebumst hat, während sie noch meine Freundin war. Manchmal glaube ich, Leslie ist nicht von dieser Welt!!

„Kim möchte sich Schlangen ankucken“, erklärt der Verrückte.

„Eigentlich hast du mich einfach mitgeschleppt“, stellt Kim die Sache richtig. „Mir gefallen Hunde und Katzen als Haustiere besser.“

Merle verzieht erwartungsgemäß das Gesicht. „Die lecken sich mit Vorliebe ihre eigenen Geschlechtsteile.“

„Wenn ich akrobatisch genug wäre, würde ich das auch“, giggelt Leslie.

Mir ist so ziemlich das Lachen vergangen. Kim sieht ultra niedlich aus. Er trägt dieses Reißverschluss-Shirt (diesmal ohne Cola-Fleck), schwarze Jeans, eine knielange Jacke und einen hübschen schwarz-weiß-rot geringelten Schal. Seine Augen sind schwarz umrandet … wie bei dem Green Day-Sänger. Während ich ihn heimlich bewundere, zeigt Merle stolz ihre sämtlichen Tiere.

„Und das ist eine Lampropeltis triangulum, eine Dreiecksnatter.“

„Geil, die sieht aus wie Kims Schal“, findet Leslie.

„Sieht sie nicht“, widerspreche ich. „Königsnattern sind rot-schwarz-weiß. Kims Schal hingegen wäre eher eine Korallenotter und somit giftig. Allerdings haben die meisten Korallenottern keine weißen Bänder, sondern gelbe.“

„He“, Merle stupst mir in die Seite, „du hast ja doch aufgepasst, wenn ich Vorträge gehalten habe.“

„Immer“, nicke ich.

„Du stehst nicht auf Horrorfilme, fühlst dich aber zwischen diesen ganzen gefährlichen Dingern hier wohl?“, fragt Kim.

„Die sind doch nicht gefährlich … hinter Glas.“

Leider entdeckt er dann den Lebendfutterkäfig. Da tummeln sich ein paar junge Ratten.

„Die sind bitte nicht zum Verzehr gedacht“, hofft er.

„Das geht nicht anders“, erläutert Merle, „die Dreiecksnatter beispielsweise mag nur Lebendiges.“

„Ich will hier raus!“

„Meine Güte“, stöhnt sie, „das ist nun mal in der Tierwelt so. Soll die Schlange verhungern? Wäre auch nicht nett, oder?“

„Ich will hier raus. Und ich will die Ratten mitnehmen“, beharrt Kim.

„Die haben ein schönes Leben … bis sie dran glauben müssen“, versichert Merle. „Genau wie freilaufende Hühner, Kühe, Schweine, die irgendwann geschlachtet werden.“

„Für mich muss niemand geschlachtet werden“, diskutiert Kim weiter, „ich esse keine Tiere.“

„Aber du magst sicher gerne Süßigkeiten. Weingummi, Schokoküsse und so, da ist überall Gelatine drin. Und woraus wird die gemacht?“

„Bindegewebe von Schweinen, Rindern, Fisch oder Geflügel. Da kämpfe ich natürlich täglich mit mir, weil ich auf Süßigkeiten echt nicht verzichten kann“, gibt er zu.

„Aber Süßkram ist nicht lebensnotwendig für dich. Sieh mal, mein Papa hat ziemlich viel Ahnung und er ist bestimmt daran interessiert, dass die Ratten oder Mäuse nicht gequält werden. Einige Tiere spielen nämlich noch vorher mit ihrer Beute. Solche Kollegen würde er aber nie halten, weil es ihm nämlich selber leidtut, wenn er Lebendes füttern muss, auch wenn das Töten bei Schlangen schnell geht.“

„Ist es überhaupt erlaubt, lebende Tiere zu verfüttern?“

„Sagen wir mal so … es ist laut Tierschutzgesetz nicht ausdrücklich verboten.“

„Können wir bitte das Thema wechseln? Das ist irgendwie unschön“, mischt sich Leslie ein, wofür ich ihm sehr dankbar bin.

Oben in Merles Zimmer geht die Diskussion zwischen ihr und Kim allerdings trotzdem weiter. Ich bin etwas … genervt.

„Ich hab mich verliebt“, wispert Leslie mir plötzlich ins Ohr.

„Wie bitte?“, wispere ich zurück.

„Ich hab m …“

„Ja, in wen?“

„Jule.“

„Kenne ich die?“

„Noch nicht, aber ich stelle sie dir bald vor.“

„Das ist aber nicht so’ne Geschichte, wie mit … äh … dem da?“, frage ich skeptisch und deute verstohlen auf Kim.

„Jo-Jo, ich würde dir doch kein Mädchen andrehen“, zwinkert er. „Nee, Jule ist echt meine Freundin. Also … wir haben zwar noch nicht drüber gesprochen aber …“

„Ihr hattet schon Sex“, vermute ich.

„Und wie“, bestätigt er verträumt. „Jule ist toll, du wirst sie lieben und sie wird dich lieben und … ich lieb sie“, faselt er blödsinnig.

„Hat sie große Brüste?“

„Was zum Arsch geht dich das an?“

„Bläst sie gut?“

Leslies Blick wird düster. „Ich hau dir gleich eine rein!“

Okay, es ist also tatsächlich was Ernstes.

„Könnt ihr jetzt mal über was anderes reden als Tiere schlachten und artgerechte Haltung von was auch immer?“, zischt Leslie. „Das ist ja nicht auszuhalten, verflucht.“

„Entschuldigung“, entschuldigt sich Merle, „geh doch nach Hause, wenn’s dir nicht passt.“

„Eine ausgezeichnete Idee“, findet er und steht auf. „Wir telefonieren, Jo-Jo.“

Ich sollte ebenfalls verschwinden, aber Merle ist grad los, um was zu trinken zu holen und Kim ist irgendwie … immer noch so verdammt niedlich. Kacke, ey!

„Das ist also deine Exfreundin, mh?“

„Hm-hm.“

„Von der hätte ich mich auch getrennt. Die mag Vogelspinnen.“

„Das war einer der Gründe.“

„Was noch?“

„Keine Ahnung. Passte halt nicht so.“

„Weil sie ein Mädchen ist.“

„Nein“, rege ich mich auf, „weil es halt nicht so passte.“

Kim schüttelt seufzend den Kopf und greift nach meiner Hand. „Du bist echt kompliziert.“

Mhhh … seine Finger sind viel zu weich. Und mir wird viel zu kribblig.

Als Merle mit Orangensaft und Cola zurück kommt, ziehe ich schnell meine Flosse weg.

„Soll ich noch was zu essen holen?“, fragt sie dämlich grinsend.

„Für mich nicht“, antworte ich.

Kim zuckt bloß die Schultern.

„Okay … sagt mir, wenn ich störe.“

Mann, hat die sich in der Küche heimlich besoffen?! Wahrscheinlich nicht. Ich nehme an, dass Leslie sie in seinen Verkupplungsplan eingeweiht hat, als die zusammen runter gegangen sind. Gott, wie peinlich. Und diese Stille ist genauso ätzend.

„Die Rhododendren blühen schön“, bemerkt Merle.

„Äh …?“, machen Kim und ich etwa zeitgleich.

„Ich finde, so was kann man immer mal sagen, wenn grad keiner weiß, was er sagen soll“, kichert sie.

„Cooles Wort“, lächelt Kim.

„Ach ja?“

„Ich mag Wörter, die gut klingen.“

„Rhododendren klingt gut?“

„Nee, überhaupt nicht. Wollte bloß ein neues Thema anschneiden.“

„Dann sag mal was, das gut klingt.“

„Straight. Und necessary und possession.“

„Hast du keine deutschen Wörter?“

„Na ja, nicht wirklich deutsch, aber eines meiner absoluten Lieblingswörter ist Eucharistie.“

„Ähem … du weißt aber schon, was das bedeutet, oder?“, frage ich vorsichtig. Hauptsache, der ist nicht total auf ’nem Kirchentrip oder so.

„Klar, allerdings geht es nicht um die Bedeutung, sondern nur um den Klang. Küssen find ich schön.“

„Wer nicht?“, lacht Merle.

„Küssen, knutschen, Knutschfleck … alles tolle Wörter.“

Mein Gesicht steht in Flammen. In der Phantasie bin ich nämlich schon längst dabei, ihn zu küssen, knutschen und einen Knutschfleck will ich ihm auch verpassen.

„Manchmal macht mich schon die Art, wie jemand solche Wörter ausspricht, irre an.“

„Küssen“, murmele ich abwesend. Eine Sekunde später spüre ich Kims Lippen auf meinen. What the fuck …?! Ich schließe meine Augen und stipse ganz leicht mit meiner Zungenspitze gegen seine. Das ist wahrscheinlich der Moment, in dem mir klar wird … richtig klar wird …, dass ich mich vom theoretischen Auf-Jungs-stehen für immer verabschieden kann. Bei Merle hat es niemals so dermaßen gekribbelt. Verdammt! Merle sitzt uns gegenüber!! Ich verpasse Kim einen kräftigen Schubser.

„Bist du bescheuert?“, brülle ich schrill.

„Sorry“, entgegnet er, „ich hatte dich gewarnt.“

Meine Exfreundin starrt uns irritiert an. „Soll ich euch vielleicht für ’ne Stunde mein Zimmer überlassen?“

„Nein, danke“, fauche ich, „ich muss nach Hause.“


Und wenn ich aus Versehen Eucharistie gesagt hätte … wäre er dann über mich hergefallen, oder was?

Haha! Auf so was muss man erstmal kommen, antwortet Flo. Ich meine … Wörter … okay, wenn man grad mit wem im Bett ist und sich gegenseitig Schweinkram erzählt, das verstehe ich ja noch. Der Typ scheint echt … eigenartig zu sein.

Allerdings! Ey, küsst der mich doch einfach.

Hat’s dir gefallen?

Das spielt ja wohl keine Rolle!!

Wenn du das sagst ... ich hätte dich jedenfalls vorher gefragt. So viel Höflichkeit muss sein ;-)

Findest du nicht übrigens auch, wir sollten mal Telefonnummern austauschen?

Fuck!

Weiß nich …

Wow, das nenn ich Begeisterung! Es ist ja nur, weil mir das Tippen langsam lästig wird.

Vielen Dank :-(

Das Tippen, Kleiner, nicht du!!!!

Komischerweise macht es mir total nichts aus, wenn Flo mich ’Kleiner’ nennt. Im Gegenteil!

Ich überleg’s mir.

Du bist echt kompliziert.

Supi, noch einer, der mir das sagt.

Okay, bis dann …

Kein Grund, sauer zu werden.

Bin ich nicht!

Dann verabschiede dich gefälligst vernünftig von mir!!

Der hat einen Knall. Gott, ist der süß.

Schlaf schön *knutsch*

:-)

Am Wochenende lerne ich endlich Jule kennen. Leslie hat mich ins Subway geschleppt, obwohl ich nicht wollte, weil ich Angst habe, Kim zu begegnen. Was, wenn der auftaucht und mich wieder ungefragt knutscht?! Zum Glück ist er momentan noch nirgends zu entdecken.

„Und?“, strahlt Leslie, als Jule kurz aufs Klo verschwindet.

„Hübsch.“

„Ist das alles?“

„Na ja, ich kenne sie grad drei Sekunden. Aber irgendwie scheint sie ein bisschen gestört zu sein … wenn sie sich mit dir einlässt.“

„Arschloch.“

„Nur Spaß“, grinse ich. „Sie ist toll.“

„Mir ist halt wichtig, dass ihr euch mögt. Du bist mein bester Freund. Nicht auszudenken, wenn du meine Freundin für eine ätzende Schnalle halten würdest.“

„Oder deine Freundin mich.“

„Ziemlich ausgeschlossen, Jo-Jo. Dich lieben immer alle, du bist nur meistens zu dämlich, um das zu bemerken.“

„Aha.“

Als Jule zurückkommt, liebt Leslie jedenfalls bloß noch sie. Es ist fast ein bisschen ekelhaft, wie verträumt er sie anglotzt, sie andauernd küsst. Ich fühle mich reichlich überflüssig. Stehe dumm daneben, während die beiden sich abschlecken.

Das geht ungefähr zwei Stunden so und mir extrem auf den Sack! Nicht, dass ich eifersüchtig bin, aber es ist doch unhöflich, derart rumzumachen, wenn noch jemand dabei ist, oder?

Ich meine, da hätte ich den Abend auch zu Hause mit einem spannenden Buch verbringen können. Oder vorm Computer. Oder im Koma.

„Ich gehe nach Hause“, erkläre ich, als Leslie mal kurz die Lippen von seiner Freundin nimmt.

„Schon?“

„Yep. Ich konnte mich zwei Stunden lang davon überzeugen, dass du verknallt bist. Das muss reichen.“

„Tut mir leid“, giggelt er behämmert.

„Was immer du sagst. Bis irgendwann.“


„Man könnte fast denken …“

„Was?“, zische ich.

„Nichts weiter“, schüttelt Nora den Kopf und rührt in ihrem Kakao herum.

Vor einer halben Stunde trafen wir uns zufällig in der Stadt und beschlossen spontan, was trinken zu gehen. Gerade eben hab ich sie auf den neuesten Stand in Sachen Leslie gebracht. Der meldet sich nämlich kaum noch bei mir. Ist andauernd mit Jule zugange.

„Ich war jedenfalls nicht so gedankenlos, als ich eine Freundin hatte.“

Nora beißt in ihren Karamellkeks. „Na ja, das liegt vielleicht daran, dass du in Merle nicht wirklich verliebt gewesen bist, oder?“

„Kann sein. Wieso weißt du das überhaupt?“

„Wenn man euch ausnahmsweise mal zusammen gesehen hat, wirkte das halt nicht besonders verliebt. Eher freundschaftlich.“

„Na und? Das ist noch lange kein Grund, dass er sich jetzt so völlig aus meinem Leben verpisst.“

„Bist du eifersüchtig?“, fragt sie ernst.

„Nein. Ich bin sauer.“

„Kann ich verstehen“, grinst sie. „Leslie ist ein verdammter Schwachkopf.“

„Warst du eigentlich jemals scharf auf ihn?“

„Absolut nicht. Aber ich weiß natürlich, dass er das gerne behauptet. Was ist mit dir?“

„Ich hab so was nie gesagt.“

„Das meinte ich nicht.“

„Äh … nee, oder? Du denkst, dass ich eifersüchtig bin, weil ich Leslie toll finde?!“

„Na ja, Kai und Fritte reden heute noch von der legendären Nacht auf meinem Dachboden.“

„Das ist drei Jahre her“, stöhne ich. „Wird mich das jetzt bis ans Ende aller Tage verfolgen?“

„Du kennst die beiden doch“, lacht sie, „jedes Mal, wenn sie davon erzählen, wird ein bisschen mehr dazugedichtet.“

„Es ist fast gar nichts passiert. Und ich bin nicht in Leslie verliebt.“

„Er war es, das ist dir schon klar, ja?“

„Wie bitte?“

„Leslie war am Anfang schrecklich in dich verschossen.“

„Blödsinn“, kiekse ich entgeistert.

„Das musst du doch gemerkt haben. Ich meine, komm schon, Jo-Jo, wir wussten das alle.“

Da habe ich offensichtlich auf einem total anderen Planeten gelebt. Und Leslie hat nie was gesagt … oder angedeutet … oder irgendwas.

„Mach dir nix draus. Das scheint ja nun vorbei zu sein.“

Während Nora bereits fröhlich über alles Mögliche tratscht, ist mein Hirn immer noch dabei, die Leslie-Info zu verarbeiten. Es kramt sämtliche Situationen durch, in denen wir zusammen rumhingen, aneinander gekuschelt vor der Glotze saßen, uns umarmten … ich hab da nie etwas gespürt. Also nichts Verliebtes.

„Wie lange?“

„Hä?“

„Wie lange war Leslie in mich verknallt?“

„Keine Ahnung“, zuckt sie die Schultern, „ein paar Wochen vielleicht. Er hat nicht unbedingt besonders viel darüber gequatscht. Ist doch auch egal, oder?“

„Wie kann es mir egal sein, dass mein bester Freund …“ Ein wildes Klopfen an der Fensterscheibe lässt mich mitten im Satz stoppen. Draußen steht Kim und winkt, worauf Nora ihm ein ’Komm rein’-Zeichen gibt. Mir bleibt heute wohl nichts erspart.

Kim zieht seine Jacke aus und setzt sich auf den freien Stuhl. Kann der nicht wenigstens vorher fragen, ob das in Ordnung ist? Vielleicht möchte ich ja lieber mit Nora allein sein. Blöder Doofmann. Warum mussten wir uns auch wie auf dem Präsentierteller vors Fenster hocken? Da hinten in der Nische wär’s mindestens genauso nett gewesen. Da hätte uns niemand von draußen aus gesehen. Kim trägt schon wieder den hübschen Schal und seine Lippen schimmern. Oh, Mann!!

„Einen Sahne-Karamell-Tee“, bestellt er bei der Kellnerin.

Den trinke ich auch grad, weil das meine Lieblingssorte ist. Wieso zum Arsch trinkt er so was und wieso zum Arsch taucht Kim neuerdings wirklich überall auf, wo ich gehe und stehe?! Da will mich doch einer veräppeln.

„Wir waren gerade bei Leslie“, weiht Nora ihn ein.

„Toll, wie geht’s ihm denn?“

„Nein“, giggelt sie, „Jo-Jo wollte gerade irgendwas über Leslie sagen.“

„Hat sich inzwischen erledigt“, murmele ich schwächlich, weil Kims Knie meins berührt. Die Tische hier sind für mehr als zwei Leute echt zu klein.

„He, wo haste denn den her?“ Nora grapscht über den Tisch nach Kims Hand und befummelt seinen silbernen Ring. Es sind Sternchen drauf. „Selber gekauft oder ein Geschenk von einem deiner tausend Verehrer?“

„Selber gekauft“, antwortet er und zieht seine Hand zurück.

Tausend Verehrer, mh? Und warum hat er dann ausgerechnet mich geküsst? Oh Gott, er hat mich geküsst. Ich bekomme augenblicklich einen roten Schädel, als mir diese Ungeheuerlichkeit wieder einfällt. Leider begeht er einige Sekunden später eine weitere. Ich lasse meinen Arm neben meinen Körper herumbaumeln und Kim nutzt diese Gelegenheit, um seine Hand in meine zu schieben und auf seinen Oberschenkel zu legen. Es ist übrigens die Hand mit dem Finger, an dem er den Sternchenring trägt … aber das tut gar nix zur Sache.

„Alles in Ordnung, Jo-Jo?“, fragt Nora kritisch. „Du siehst aus, als hättest du Fieber.“

Vielen Dank, ich fühle mich auch so!

„Vielleicht krieg ich ’ne Erkältung“, überlege ich.

„Steck mich bloß nicht an!“, warnt sie ein bisschen angeekelt.

Kim grinst die ganze Zeit vor sich hin. Ist das zu fassen? Er hält heimlich meine Hand und grinst. Sogar während er seinen Tee schlürft, grinst er.

„Moment mal … weshalb grinst ihr beiden so komisch?“

Hä?? Das kann nicht sein. ICH grinse sicher nicht. Gibt doch gar keinen Grund.

„Okay, also …“, beginnt sie melodisch und steht auf, „ich werde jetzt kurz meinen Lidstrich nachziehen und ihr … könnt euch in der Zwischenzeit eine Ausrede einfallen lassen, weshalb ihr unterm Tisch Händchen haltet.“

„Na toll, jetzt denkt Nora, dass ich … darf ich bitte meine Hand zurück haben?“

„Ungern … aber meinetwegen“, seufzt Kim und lässt endlich meine schwitzige Flosse los.

„Du hast sie nicht mehr alle beisammen, oder?“

„Fandst du das jetzt echt so schlimm?“

„Willst du darauf eine ehrliche Antwort?“, grummele ich.

„Schon, aber ich glaube nicht, dass ich eine kriegen werde.“

Und was soll das wieder heißen, hä?? Bevor Nora zurückkommt und unangenehme Fragen stellt, lege ich Geld auf den Tisch und ziehe meine Jacke an.

„Kannst du Nora sagen, dass ich los musste und sie anrufe? Danke.“

Bloß raus hier!!

„Warte mal!“

Fuck!

„Was denn?“

Kim sieht mich an. „Krieg ich deine Telefonnummer?“

„Wozu?“

„Äh …um dich anrufen zu können?“, schlägt er vor.

„Ja“, verdrehe ich die Augen, „warum willst du mich anrufen?“

„Okay, vergiss es.“

„Du tauchst doch eh schon immer auf, wo ich gerade bin. Reicht das nicht?“

„Okay, Jo-Jo, vergiss es!“

Werde ich auch. Und jetzt: bloß raus hier!


Aus lauter Frust, weil momentan alles so kotzig ist, habe ich Flo meine Telefonnummer gegeben. Das bereute ich eine Sekunde später, aber ich konnte ihm ja schlecht schreiben: Verarscht, das war gar nicht die richtige! Jetzt sitze ich auf meinem Bett, das Telefon liegt vor mir und ich warte angespannt. Um neun Uhr wollte er anrufen. Es ist zwei Minuten nach. Wahrscheinlich hat er es sich doch … ach du lieber Himmel … es klingelt.

Ich nehme den Hörer und bringe ein krächziges „Ha-Hallo?“ zustande.

„Hey, hallo“, säuselt eine fremde Stimme.

Mein Kopf ist wie leergefegt. Wenn das Flo ist, dann hat der eine gottverdammte Sexhotline-Stimme … also jedenfalls so, wie man sich in einer erotischen Phantasie eine solche vorstellt.

„Jo-Jo?“

„Ähem … ja?“

„Hier ist Flo.“

„Hab ich mir gedacht.“

„Cool, dann hätten wir das schon mal geklärt“, lacht er.

Au weia, selbst das klingt bei ihm so unanständig, dass ich rot werde.

„Und“, redet er weiter, „was machste grad?“

„Nichts weiter. Telefonieren“, brabbele ich und möchte mir selber gegen den Kopf treten. Mann, was für ein lahmarschiger Scherz.

„Haha“, sagt er.

Dann kommt auf einmal mein Vater ins Zimmer. Ohne anzuklopfen. Das bedeutet, er hat schlechte Laune.

„Mit wem telefonierst du schon wieder?“, brüllt er auch gleich los.

Peinlich berührt lege ich meine Hand über die Sprechmuschel. „Jemand aus der Schule“, phantasiere ich mir zusammen. „Wir besprechen Hausaufgaben.“

„Aha. Und seit wann braucht man dafür weder Hefte noch Bücher?“

„Die wollte ich eben holen“, erkläre ich und angele nach meiner Tasche.

„Nicht mehr so lange, Freundchen“, brummelt er und knallt die Tür hinter sich zu.

Ich überlege ernsthaft einen Augenblick, einfach aufzulegen und mich niemals mehr bei Flo zu melden, entscheide mich jedoch dagegen.

„Entschuldige“, murmele ich.

„Dein Vater, mh? Gehört wohl eher zu der etwas strengeren Sorte?“

„Allerdings.“

„He, mach dir nix draus. Als ich noch bei meinen Eltern wohnte … na ja, sagen wir, so eine Szene ist mir nicht vollkommen unbekannt.“

„Ich … ähem … ich glaub, ich kann nicht mehr so lange … der kommt sicher noch mal wieder, wenn ich …“

„Okay, dann lass uns kurz besprechen, wann du mich besuchst. Hast du übernächstes Wochenende Zeit?“

„Du meinst, ich soll … zu dir …?“

„Klar. Ich würd dich gerne kennen lernen und am Telefon ist das ja ungünstig, wie wir grad gesehen haben.“

In meinem Kopf schwumselt es gewaltig. Ein ganzes Wochenende mit Flo … oh, du meine Güte!! Aber das geht natürlich auf keinen Fall. Aus mehreren Gründen geht das nicht. Erstens müsste ich mir für meinen Vater eine Ausrede einfallen lassen. Zweitens schaffe ich es nicht mal am Telefon, vernünftig mit Flo zu reden, wie soll das werden, wenn ich ihn vor mir sehe?! Der wird mich für den langweiligsten Menschen auf der Welt halten. Und drittens müsste ich ja quasi mit ihm, also bei ihm übernachten.

„Ich … äh … ich weiß noch nicht genau, ob ich … äh …“, stottere ich.

„Ausreden werden nicht akzeptiert“, behauptet er fröhlich. „Such dir eine Zugverbindung, sag mir, wann du ankommst und ich hol dich vom Bahnhof ab. Alles klar?“

„Okay“, nuschele ich völlig fertig.

„Schön. Ich freu mich auf dich.“

„Danke“, sage ich, „bis dann.“

„Bis dann, Jo-Jo“, lacht er und legt auf.

Stunden später fühle ich mich noch immer schwindlig und schwitzig. Jetzt könnte ich ganz gut Leslies Rat gebrauchen, aber der Penner bumst wahrscheinlich gerade seine neue Freundin. Na ja, eigentlich ist es mir fast lieber, dass ich momentan so wenig mit ihm zu tun habe. Schließlich muss ich erstmal noch verarbeiten, dass er in mich verliebt gewesen ist. Wieso hat der verdammte Schwachkopf aber auch niemals was gesagt?! Überhaupt klingt das alles total nicht nach dem Leslie, den ich kenne. Der verliebt sich nämlich nicht in Jungs. Er schläft zwar ab und an mit Typen, aber verliebt war er bis jetzt in keinen. Leslie sagt, er kann sich nicht vorstellen, mit einem Jungen romantisch Händchen zu halten oder rumzuschmusen. So was funktioniert nur mit Mädchen. Oh Mann, ob er sich vielleicht mal heimlich gewünscht hat, das alles mit mir zu tun? Und ich war vollkommen ahnungslos. Aber selbst wenn ich es gewusst hätte … ich hätte nichts mit ihm angefangen. Nicht einmal, wenn ich nicht so ein Problem mit meiner vermutlich vorhandenen Homosexualität hätte. Leslie ist toll, ich liebe ihn wirklich mehr als sonst was, doch mit ihm zusammen sein … nee, vielen Dank. Das würde absolut null klappen. Schon allein, weil ich seine Auffassung von Beziehung kenne. Bis jetzt hat er noch jedes Mädel, in das er verschossen war, betrogen. Natürlich mit irgendwelchen Jungs. Und zwar mit solchen, die man ihm nicht unbedingt zutrauen würde. Die Wahrheit ist, er nimmt eigentlich alle, die er kriegen kann, und seltsamerweise kriegt er alle, die er will. Skater, Punks, Hip-Hop-Blödmänner, Metal-Freaks … einmal hat er es sogar fertig gebracht, mit einer Springerstiefel und Bomberjacke tragenden Fascho-Glatze zu schlafen. Wie es dazu kommen konnte, weiß ich nicht und ehrlich gesagt möchte ich das auch gar nicht wissen. Manche Grenzen sind eben nicht dazu da, überschritten zu werden.

Das Unglaubliche ist: er findet sein Treiben relativ in Ordnung. Es geht dabei ja nur um Sex und er meint, wenn seine Freundin davon nichts weiß, tut es ihr auch nicht weh. Außerdem läuft das mit den Jungs bei ihm sowieso nicht unter „fremdgehen“, weil’s eben Jungs sind. Er würde beispielsweise seine Freundin niemals mit einem anderen Mädchen betrügen.

Ich finde: Fremdgehen ist fremdgehen und gehört sich nicht … egal mit wem!


Meine Tasche ist gepackt, mein Magen schmerzt vor Aufregung, gleich muss ich los, damit ich den Zug nicht verpasse, und … eigentlich will ich gar nicht weg. Das heißt, ich will schon zu Flo, ich hab bloß so schreckliche Panik. Paps war übrigens noch die leichteste Hürde. Hab nämlich eine Drei Plus in Mathe geschafft, was logischerweise nicht besonders toll ist, aber halt immer noch besser als die letzte Vier Minus. Also fragte ich, ob ich das Wochenende bei Leslie verbringen dürfte und … ja, Paps hatte offenbar gute Laune. Leslie weihte ich nur kurz per SMS ein, miteinander reden fällt ja zur Zeit ein wenig aus. Deswegen weihte ich Nora ebenfalls ein. In alles. Eigenartigerweise war sie nicht sehr überrascht, als ich ihr erzählte, dass ich wahrscheinlich auf Jungs stehe. Jedenfalls hat sie mir ein bisschen Mut zugesprochen, der allerdings jetzt grad leider nicht mehr aufzutreiben ist. Und auf die Frage, wie ich das mit dem Ausziehen machen soll, sagte sie: „Na, du gehst dafür ins Bad … wie jeder normale Mensch, der irgendwo fremd übernachtet.“

Leslie hingegen hätte mir mit Sicherheit den Tipp gegeben, mich möglichst langsam und erotisch direkt vor Flos Nase auszuziehen. Von daher war es ganz gut, dass ich das mit Nora bequatscht habe. Normalerweise würde ich da nicht so’n Aufstand drum machen und ich schäme mich auch nicht für meinen Körper oder so, aber vor Flo möchte ich eben nicht gerne nackig herumspazieren.

Okay, jetzt hab ich noch zweieinhalb Zugstunden Zeit, mir zu überlegen, wie ich mich ihm gegenüber verhalte, worüber ich mit ihm rede und zu hoffen, dass er mich nach dem Wochenende immer noch einigermaßen mögen wird.

Als der Zug langsam einfährt, verrenke ich mir sicherheitshalber schon mal den Hals und suche den Bahnsteig ab. Was, wenn er da ist und ich erkenne ihn nicht gleich? Dann stehe ich blödsinnig herum, werde von ihm beim Warten beobachtet und … argh, wie peinlich. Allerdings steht am Bahnsteig keiner, der irgendwie nach Flo aussieht. Das ist mindestens genauso kackig. Soll ich hier warten? Oder doch lieber die Treppe runter? Vielleicht hat er auch vergessen, dass er mich abholen wollte. Was für ein verdammter Stress!

Nach fünf Minuten schnappe ich meine Tasche und gehe die Treppe runter. Ein kurzer Blick nach rechts, da scheint der Ausgang zu sein. Jedenfalls laufen die tausend Leute alle in diese Richtung. Ich laufe mit. Bis zum Bücherladen. Da warte ich und wühle mich alibihalber durch die Bücher auf einem der Ramschtische, damit ich nicht so schrecklich wie bestellt und nicht abgeholt wirke. Nachdem ich damit fertig bin, glotze ich verstohlen in sämtliche Richtungen und bleibe an einem Blondschopf hängen, der plötzlich heller als die Sonne strahlt.

„Jo-Jo?“, brüllt er und stürmt auf mich zu.

„Hallo“, sage ich leise.

„Sorry, hab ewig keinen Parkplatz gefunden. Wartest du schon lange?“

„Es geht. So ein, zwei Stunden“, versuche ich witzig zu sein.

„Dann lass uns mal nach Hause fahren“, lächelt er und strubbelt kurz durch meine Haare.

Flo sieht in echt noch viel, viel besser aus als auf dem Foto und er ist super hübsch angezogen. Jeans, Chucks, Kapuzenjacke, schwarzer Schal. Meine Beine sind wie Gummi und mein Hirn hat sich komplett verabschiedet. Es bleibt auch während der zwanzigminütigen Autofahrt abwesend, was hier jedoch eindeutig von Vorteil ist, weil es sonst sofort schreckliche Bilder von schlimmen Unfällen mit zugedeckten Leichen auf der Straße produzieren würde. Flo fährt wie eine Sau! Total unberechenbar ruckelt und rumpelt er drauflos, dass mein Kopf umherschlackert und der arme Wackel-Elvis, der mit einem Saugnapf an der Windschutzscheibe befestigt ist, wirkt, als würde er von heftigen epileptischen Anfällen geschüttelt.

„Das liegt am Vergaser“, erklärt Flo und tritt kräftig aufs Gaspedal, „der ist nicht richtig eingestellt oder so. Hoffentlich säuft mir die Karre nicht noch ab. Das passiert nämlich öfter mal und die Leute denken dann immer, ich könnte nicht richtig fahren.“

„Aha“, sage ich, während mein Hinterkopf gegen die Nackenstütze prallt.

„Na ja, vielleicht ist der auch komplett im Arsch, wer weiß das schon.“

„Ist das nicht gefährlich?“

Er zuckt die Schultern und schaltet in irgendeinen Gang. „Ich hätte das schon längst reparieren lassen, aber das ist halt schweineteuer bei so einem alten Schätzchen. Ich meine, wenn da was Neues eingebaut werden muss. Die Lichtmaschine letztes Jahr hat mich schon fast in den Ruin getrieben.“

„Tja“, sage ich und finde, ich muss das alles nicht verstehen, weil ich schließlich kein KFZ- Mechaniker bin. Allerdings finde ich Flo gnadenlos niedlich, weil er zum Autofahren eine Brille trägt.

Flos Wohnung ist relativ überschaubar. Ein quadratischer Mini-Flur, links geht’s ins kleine Badezimmer, geradeaus in die riesige Küche und nach der Küche kommt ein Wohn-Schlafzimmer. Ich stelle meine Tasche ab und weiß erstmal nicht weiter.

„Bin irgendwie noch gar nicht zum Aufräumen gekommen“, behauptet er, schiebt mit dem Fuß eine Kondompackung unters Bett, klaubt eine aufgerissene Folie vom Laminat und verschwindet kurz in der Küche, um sie wegzuwerfen, nehme ich an. Mir ist ein wenig unangenehm, ich hab halt nicht damit gerechnet, dass mir seine Sexabenteuer quasi unter die Nase gerieben werden. Ich meine, er wird ja wohl höchstwahrscheinlich vor nicht allzu langer Zeit mit irgendeinem Typen … hoffentlich hat er wenigstens das Bett frisch bezogen, sollte ich darin schlafen müssen. Viel zu abgewichst, dem geht es nur um Sex, höre ich Leslies Stimme in meinem Kopf.

„Magst du was trinken?“, ruft Flo aus der Küche. „Tee, Saft oder ich könnte dir auch Kakao machen.“

„Tee ist gut“, murmele ich, „der entspannt.“

„Jo-Jo?“

„Tee ist gut“, sage ich laut.

„Gebrannte Mandel, Sahne-Karamell, Pflaume-Zimt oder Apfelstrudel?“

„Weiß nicht … äh … überrasch mich einfach“, fasele ich blöde.

Nach einer Weile kommt er mit zwei Tassen zurück, stellt sie auf den Boden und wirft sich aufs Bett. Da das die einzige bequeme Sitzmöglichkeit im Zimmer ist, setze ich mich neben ihn. Gegenüber befinden sich Fernseher und DVD-Player. In der anderen Hälfte des Raumes steht sein Schreibtisch. An den Wänden sind ein paar weiße Billigregale aus dem Baumarkt angebracht, in denen er Klamotten, Bücher und CDs untergebracht hat.

„Der totale Witz die Wohnung“, lächelt er und nippt an seinem Heißgetränk, das süß nach Weihnachtsmarkt und/oder Kirmes riecht. „Sollte eigentlich nur für den Übergang sein, aber find erstmal was Größeres, das irgendwie bezahlbar ist.“

Ich würde die Wohnung mit Kusshand nehmen, wenn ich so meinem Vater entrinnen könnte!

„Wie lange wohnst du denn schon hier?“

„Vier Jahre. Seit ich von meinen Eltern weg bin.“

„Vier Jahre Übergang?“, grinse ich.

„Na ja, ich hab mich nicht gerade überschlagen mit der Wohnungssuche. Muss ja nebenbei noch studieren und so. Aber in Wirklichkeit bin ich ein faules Stück, das sich nicht gern mit so’nem Kram abgibt.“

Der Tee ist nach fünf Minuten immer noch so heiß, dass ich mir die Zunge verbrenne. Danach habe ich keinen Geschmack mehr, aber vermutlich schmeckt er so, wie er riecht. Süß und nach Weihnachtsmarkt. Und weil Flo auf einmal nach dem Wohnungsthema ziemlich schweigsam ist, bekomme ich einen regelrechten Laberflash. Vermutlich um die peinliche Stille zu überbrücken. Dabei rede ich natürlich hauptsächlich sehr großen Blödsinn und nur über Leute, die Flo gar nicht kennt, was mir allerdings erst auffällt, als er fragt, ob Nora meine Exfreundin ist.

„Meine Ex heißt Merle.“

„Das ist die mit den Spinnen.“

„Schlangen. Spinnen darf sie nicht haben.“

„Und wer ist Nora?“

„So was wie eine beste Freundin.“

„Die jeder brave schwule Junge hat“, lächelt er.

Verflixt, muss der mich jetzt dran erinnern, dass ich wahrscheinlich auf Jungs stehe?!

„Ich habe aber auch Freunde.“

„Mit denen du rummachst“, zwinkert er.

„Nur mit Leslie“, stöhne ich genervt. „Und nur ein einziges Mal.“

„Und das war so schlecht, dass du’s lieber mit einem Mädchen probiert hast?“

„Nee. Keine Ahnung. Nee, eigentlich …“

„Ja?“, fragt er.

„Kann ich noch Tee haben, bitte?“

Nach der zweiten oder dritten Tasse Tee verstehen wir uns richtig gut. Kein peinliches Schweigen und keine peinlichen Fragen über Jungs und Sex. Kann natürlich auch daran liegen, dass wir Circus Contraption hören und wenn man die hört, ist man eh immer in einer anderen Welt.

„Ich hab bei MySpace gesehen, dass sich der Dings, der mit dem unaussprechlichen Namen, dicke Käfer über den Arm krauchen lässt“, erzählt Flo.

„Hab ich auch gesehen“, nicke ich und schüttele mich ein wenig. „Und einen Nagel hat er sich in die Nase gebohrt. Ich verstehe einfach nicht, warum Leute so etwas machen.“

„Der Typ ist irre?“, schlägt er vor. „Ich meine, der trägt einen langen Bart … das sagt doch wohl alles.“

„Die sehen aber doch alle ziemlich strange aus.“

„Absolut.“

„Sag mal“, beginne ich unsicher, „wo kann ich eigentlich nachher schlafen?“

„Bist du müde?“

„Nee, ich wollte es bloß schon mal wissen.“

„Okay“, lächelt er, „ich will ehrlich sein. Wir müssen zusammen in meinem Bett schlafen. Wenn du das für einen plumpen Anmachversuch halten würdest, könnte ich das verstehen, aber … es gibt hier sonst echt keine andere Möglichkeit. Es sei denn, du zwingst mich dazu, auf dem Boden zu schlafen.“

Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich zu Hause geblieben! Ey, mit dem Traumtypen in einem Bett, wie soll das denn bitte funktionieren? Das wird mich töten!!

„Kein Problem“, behaupte ich tapfer.


Sonnenstrahlen blitzen durch die halb heruntergelassenen Jalousien in Flos Zimmer. Ich liege regungslos auf dem Rücken und traue mich kaum zu atmen. Flos Kopf hat sich an meine Schulter gekuschelt, sein einer Arm liegt auf meiner Brust und ich müsste dringend mal pinkeln.

Die gestrige Nacht war … anstrengend. Sein Bett ist halt für zwei Personen ziemlich schmal, wir berührten uns also andauernd. Dazu noch Flos leise Säuselstimme, die mir irgendwas erzählte, und meine Reaktion untenrum war so eindeutig, dass ich am liebsten Reißaus genommen hätte. Hab mich dann einfach umgedreht und so getan, als würde ich schlafen.

Übrigens zog ich mich tatsächlich im Bad aus, worüber Flo sich ein bisschen kaputt lachte.

Ihm war es nicht unangenehm, mir seinen nackigen Oberkörper und so weiter zu präsentieren.

„Shit“, murmelt er träge, „ich bin dir total auf die Pelle gerückt.“

„Das … ähem … ist nicht schlimm.“

„Fein“, seufzt er und kuschelt sich noch enger an mich. „Hast du gut geschlafen?“

HAHAHAHAHA!!!

„Ja“, antworte ich.

„Ich hab echt wilde Sachen geträumt. Von dir und mir und … irgendwas mit Käfern.“

Oh mein Gott!! Sind das etwa seine Lippen an meinem Hals? Seine Hand setzt sich langsam in Bewegung, streichelt sich über meinen Bauch, unter mein T-Shirt.

„Mhhhh …“, macht er mit geschlossenen Augen und küsst mich eindeutig am Hals.

Uiuiui, das fühlt sich gut an, aber …

„Ich … äh … ich muss aufs Klo.“

Flo klappt die Augen auf. „Ernsthaft?“

Ich nicke und stakse über das kalte Laminat ins Bad.

Als ich zurückkomme, klopft Flo auf die Matratze.

„Sollen wir nicht mal aufstehen, oder so?“

„Viel zu früh.“

„Es ist halb zwölf“, bemerke ich.

„Sag ich doch … viel zu früh.“

Zittrig lege ich mich wieder zu ihm ins Bett. Flo beginnt augenblicklich zu kuscheln. Diesmal küsst er allerdings nicht meinen Hals, sondern meine Wange, dreht mein Gesicht in seine Richtung und küsst mich auf den Mund. Mein Herz bollert mir bis wer weiß wohin. Flos Hand will übrigens gerade auch wer weiß wohin. Ich halte sie fest.

„Das geht mir alles zu schnell“, gebe ich zu.

„Okay?!“

„Außerdem hast du gesagt, dass du vorher fragen würdest, ob du mich küssen darfst.“

„Stimmt“, lächelt er, „wegen der Höflichkeit. Darf ich dich küssen?“

Oh, ich möchte, dass er mich küsst, wirklich. Aber wenn man erstmal anfängt, Jungs zu küssen, will man sicher bald mehr, dann ist man plötzlich total schwul und wenn das der Vater mitkriegt, bringt er einen um. Das kann ich mir nicht leisten.

„Also, wenn du schon so lange überlegen musst, sollten wir die ganze Sache vergessen.

Magst du frühstücken?“, fragt er und angelt sich aus dem Bett.

Mh, wo ist der Fehler in diesem Bild? Genau. Hat er etwa erwartet, dass ich es sofort mit ihm treibe? Und jetzt ist er beleidigt, weil ich nicht so einer bin, mit dem er gleich Sex haben kann?

„Ich hab Cornflakes, Brötchen zum Aufbacken, Nutella und Himbeermarmelade. Wir könnten aber auch erst einkaufen, wenn du möchtest.“

Vielleicht ist schmusen einfach nicht sein Ding. Oder er kuschelt generell nur für fünf Minuten nach dem Aufwachen.

„Cornflakes sind okay“, sage ich.

Am Nachmittag ist Flo wie ausgewechselt. Nachmittags gehen wir nämlich im Park spazieren und er hält die ganze Zeit über meine Hand. Süß lächeln tut er ebenfalls. Und mich hin und wieder küssen auch. Glücklicherweise befinde ich mich in einer fremden Stadt, weswegen ich mir kaum Gedanken mache. Hab nämlich beschlossen, das Wochenende mit Flo zu genießen und mich zu Hause wieder in den Jo-Jo zu verwandeln, der in echt niemals was mit Jungs anfangen würde.

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