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David und Tobias

Teil 8

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Inhaltsverzeichnis

28

»Ich liebe dich«, flüstert Tobi und ich bekomme eine Gänsehaut. Ich liebe ihn auch, ich kann ohne ihn nicht leben. Deshalb sage ich ihm, dass er mit ihr Schluss machen muss, ihr sagen soll, dass er mir gehört, dass wir zusammen sind. Mann, der ist vielleicht überrascht aber, hey, das bin ich auch. Ich bin nicht nur überrascht, ich bin absolut überwältigt, wie stark meine Gefühle für ihn sind. Sicher, ich bin schon lange in ihn verknallt. Ich mag es, ihn zu küssen und schlafe wahnsinnig gerne mit ihm. Ich finde ihn süß und bezaubernd und sexy aber jetzt gerade merke ich, dass ich Tobi liebe. Wirklich und wahrhaftig und für immer.

Dieses Gefühl kommt so gewaltig über mich, dass ich beinahe den Verstand verliere und nicht weiß, wie ich es aushalten soll. In einem irrsinnigen Anfall klammere ich mich an ihn und flenne doch tatsächlich los wie eine verdammte Heulsuse.

»Was...was hast du denn?« fragt er besorgt und ein wenig ängstlich.

»Ich lieb dich so«, schluchze ich.

»Mann«, stöhnt er, »und ich dachte schon, es wär was Schlimmes.« Er umarmt mich und streicht mir beruhigend über die Haare.

»Versprich...versprich mir, dass du mich niemals allein lässt.«

»Versprochen«, flüstert er und knabbert sanft meinen Hals.

Oh mann, er ist so warm, so unglaublich warm und weich und er riecht so verdammt gut. Seine Hände legen sich an meine Wangen und zwingen mich so, ihn anzusehen. Ganz leicht leckt er mir über die Lippen, bevor er mich küsst, seine Zunge samtig meine berührt. Ich sehe Sterne und Pünktchen und ich glaube, es fliegen sogar kleine fette Engel um meinen Kopf herum. Seine Hände streichen meinen Rücken runter und wieder rauf und wieder runter.

Ok, jetzt könnte ich sterben, wenn es sein müsste. Genau in diesem Augenblick bin ich so glücklich wie noch niemals zuvor in meinem Leben.

Die nächsten Stunden verbringen wir damit, unsere Körper zu erkunden...mit Händen, Lippen, Zungen. Und das ist eine ziemlich neue Erfahrung. Ich kenne Tobis Körper, ich habe ihn unzählige Male geküsst und dergleichen aber aufeinmal ist ALLES anders. Dass er eigentlich nach Hause muss haben wir beide schnell vergessen. Es ist, als wären wir zum erstenmal zusammen, das erstemal allein.

Ich küsse seine Knöchel, lasse meine Lippen über seine Beine flattern, meine Zungenspitze wandert die Innenseiten seiner Schenkel entlang, ich will jeden Millimeter seiner wundervollen Sahnehaut schmecken. Mache mich auf den Weg zu seinen schmalen Hüften und knabbere ein bisschen herum, während seine Finger mit meinen Haaren spielen und er wohlig seufzt. Meine Zunge umkreist seinen niedlichen Bauchnabel, gleitet höher und höher, über seine Rippen. Ich spüre, wie sich sein Brustkorb hebt und senkt, immer stärker. Sein Atem wird schneller, er stöhnt leise. Mein Gott, der ist soooo sexy, ich kann es nicht in Worte fassen.

Inzwischen hat meine Zunge seine kleine Brustwarze gefunden, die so hart ist, dass ich Angst habe, sie zerspringt als ich sie mit der Zungenspitze vorsichtig antippe. Tobi atmet angestrengt. Meine Lippen umschließen seine Brustwarze, ich nuckel sanft daran, so dass ein heiserer Schrei aus Tobis Kehle dringt. Sein Becken hebt sich, drängt sich mir entgegen, sein harter Schwanz reibt sich an meinem, ich schiebe meine Hand zwischen seine Schenkel, die er aufreizend spreizt. Meine Hand legt sich um seinen Schwanz und ich beginne langsam, ihm einen runterzuholen. Tobis Hände haben sich ins Laken gekrallt, seine Augen sind geschlossen, seine Lippen geöffnet, meine Zunge gleitet in seinen Mund, wo sie augenblicklich von seiner umschlungen wird. Das alles reicht schon aus, dass ich kurz davor bin zu kommen. Und er hat mich noch nicht einmal berührt! Ich spüre, dass auch er fast soweit ist und ziehe meine Hand weg.

»Oh Gott... David«, stöhnt er. Sein Becken zuckt wie wild. Ich kann mich überhaupt nicht entscheiden, was ich mit ihm machen soll – vögeln, blasen, ihm einen runterholen, ich wünschte, ich könnte alles gleichzeitig tun. Tobi nimmt mir die Entscheidung ab, indem er sich lasziv auf den Bauch dreht. Ganz langsam fange ich an, mich in ihm zu bewegen, beiße ihm sanft in den Nacken. Tobi dreht seinen Kopf und beißt in meine Hand...allerdings alles andere als sanft, sondern so fest, dass es fast wehtut. Ich kann mich nicht mehr zurückhalten und der Orgasmus fegt mit orkanartiger Stärke über mich hinweg, schüttelt meinen gesamten Körper und scheint kein Ende zu nehmen. Tobi geht es genauso, sein Körper zittert, er stöhnt und schreit heiser, was mich nur heftiger kommen lässt.

Als es vorbei ist, lasse ich mich völlig erschöpft auf ihn fallen, reibe mein Gesicht an seiner heißen Wange, knabbere an seinem Ohrläppchen.

Nach einigen Sekunden bewegt sich Tobi unter mir, schiebt mich weg und kuschelt sich in meinen Arm.

»Das...war...UNGLAUBLICH«, flüstert er überwältigt und küsst mich. »Sind wir noch allein?«

Ich lausche kurz, sehe auf meinen Wecker und nicke. »Al und Peg sind wohl noch unterwegs.«

»Ich muss duschen.«

»Okay, dann komm ich mit«, antworte ich.

»Was? Du spinnst wohl. Dann komme ich heute gar nicht mehr nach Hause. Ich krieg doch eh schon Ärger. Kuck mal, wie spät es ist und morgen ist Schule.«

»Spielverderber«, zische ich beleidigt und ziehe einen Schmollmund.

»Lass das gefälligst. Du weißt genau, dass mich das anmacht.«

Wir duschen dann doch zusammen und außer ein paar Küssen sind wir ganz brav und anständig, auch wenn es uns beiden schwer fällt.

Danach liege ich bequem auf meinem Bett und sehe ihm beim Anziehen zu. Hose und Schuhe trägt er bereits, als er in seinen schwarzen Pullover schlüpfen will, halte ich es nicht mehr aus, springe hoch und umarme ihn.

»Noch nicht«, murmle ich in sein Haar. »Ich will dich nochmal anfassen.« Meine Hände berühren seine samtweiche Haut, streicheln seinen Bauch, er atmet heftig.Vorsichtig schiebe ich eine Hand in seine Hose, worauf er nach Luft schnappt.

»Und ich will dir einen blasen und dich vögeln und dich küssen küssen küssen...« Tobi gibt einen Moment nach und presst sich an mich, küsst mich auf den Mund, bevor er mich endgültig wegschiebt.

»Aber nicht mehr heute. Ich muss echt los.«

Schwer lasse ich mich aufs Bett fallen. »Dann sterbe ich und du bist Schuld.«

Tobi setzt sich neben mich, grinst und wuselt mir durch die Haare.

»Dann komme ich morgen zu dir und erwecke dich mit meinem Kuss.«

Sogleich werfe ich mich auf den Rücken und schließe meine Augen. Um es wirkungsvoller zu machen, halte ich für einen Augenblick den Atem an.

»Morgen«, flüstert er mir ins Ohr.

Ich stoße die Luft aus, gebe mich geschlagen und bringe ihn zur Tür, wo wir uns zum Abschied küssen. Minuten, Stunden oder Tage, ich hab jegliches Zeitgefühl verloren. Hab ich schon erwähnt, dass plötzlich alles anders ist? Tobi ist gerade mal zehn Minuten weg und schon hab ich wahnsinnige Sehnsucht nach ihm. Mein Bett, das Laken, die Decke... alles hat seinen Geruch angenommen, selbst meine Haut riecht nach ihm. Mann, ich möchte so gerne neben ihm einschlafen, ihn festhalten...die ganze Nacht.

Den nächsten Schultag zu überstehen ist schon eine Meisterleistung von mir. Ok, ich hab ihn gebeten, mit Sandra zu sprechen, doch das heißt nicht, dass wir nun in aller Öffentlichkeit unsere Liebe demonstrieren. Auf das blöde Gelächter, die dummen Sprüche, die obszönen Gesten der anderen kann ich immer noch gut und gerne verzichten. Also spielen wir schön brav nette Kumpel, bis Sandra sich zu uns gesellt. Uns heißt in diesem Fall zu Tobi, Dette, Lara, Patrick, Martin und mir. Sie gibt Tobi einen flüchtigen Kuss auf die Wange, wirft mir einen sehr eigentümlichen Blick zu und schmeißt sich an seinen Hals. Dann knutscht sie ihn so, als wolle sie ihn verspeisen. Der arme Tobi weiß vermutlich gar nicht, wie ihm geschieht. Man merkt ihm deutlich an, wie unangenehm ihm das ist. Den Blicken der anderen nach zu urteilen, finden die Sandras Verhalten auch total daneben.

Als sie endlich meinen Freund aus der Mangel lässt, sieht sie sich um und deutet auf einen Typen aus der Parallelklasse. »Mann, der sieht ja heute wieder tuntig aus.«

Ich schaue mir den Knaben an und kann das nicht finden.

»Ehrlich, ich schwöre euch, der ist schwul. Wie der schon mit dem Arsch wackelt. Hey, David, vielleicht kannste ja bei dem landen, der kuckt dich immer so verliebt an.«

»Na, wie schön für mich.«

Meine Güte, ist das eine Scheißkuh.

»Wie kommst du denn darauf, dass der ein Schwanzlutscher ist?« will Patrick wissen, worauf Lara ihm in die Rippen boxt. »Au, bist du irre?«

»Schwule sind keine Schwanzlutscher.«

Ich muß ein bisschen kichern. Sie wollte bestimmt das Richtige sagen, hat sich nur ein wenig unglücklich ausgedrückt.

Patricks Augen funkeln. »Ach ja? Was glaubst'n, was die machen, wenn nicht Schwänze lutschen? Sich gegenseitig an den Titten spielen können die schlecht.«

»Was meint denn David, was Schwuchteln so machen?« fragt Sandra giftig. Die ist doch nicht mehr ganz dicht. Was soll'n der Scheiß? Ich versuche, cool zu bleiben.

»Essen, schlafen, atmen, zur Schule gehen, arbeiten, Geburtstag feiern und so weiter.«

»Ich meine im Bett.«

»Such doch einen und frag ihn.«

»Ich frage dich.«

»Mensch, Sandra, was soll das Generve?« mischt sich Dette ein, die sofort einen Stein bei mir im Brett hat...auch wenn sie scharf auf mich ist.

»Man wird sich ja wohl noch Gedanken machen dürfen.«

»Aber nicht um solche lächerlichen Sachen.«

»Du findest Schwuchteln also auch lächerlich?«

»Nee, hab ich nicht gesagt. Mir ist es egal, ob einer homo oder hetero ist, solange ich gut mit ihm auskomme.«

»Ey, jetzt hört doch mal damit auf. Ich meine, kennt vielleicht jemand von euch Pappnasen einen Schwulen?« fragt Martin.

Die anderen schütteln den Kopf, Sandra blickt zu Tobi, dann zu mir. »Also, ich schon.«

»Ja, dann kannste dich ja mit dem unterhalten und deine Fragen stellen. Und wir haben endlich Ruhe vor dir«, entgegnet Patrick.

»Ihr seid doch Schwachköpfe«, keift Sandra.

»Na wenigstens sind wir keine schwulen Schwachköpfe«, lachen Martin und Patrick.

Tobi schaut genauso hilf - und ratlos aus wie ich.

»Was meinen überhaupt unsere beiden siamesischen Zwillinge hier?« höre ich Patrick.

»Jeder soll den vögeln, der ihn glücklich macht«, antwortet Tobi.

»Wow, welch weiser Spruch«, grinst Patrick und haut Lara auf den Hintern.

»Blödmann«, zischt diese.

Ich fühle mich irgendwie kotzig.

Nachmittags sitze ich bei Tobi.

»Sag mal, hat deine Freundin den Blödsinn, oder was?«

»Keine Ahnung. Die ist ja schon seit Tagen so komisch drauf.«

»Ich glaube, die ahnt etwas, hast du bemerkt, wie die uns immer angeglotzt hat?«

»Allerdings«, sagt er nachdenklich.

»Ich dachte schon, du hättest es ihr bereits gesagt.«

»Nee, hab ich noch nicht. Ist ‘ne fiese Angelegenheit, das kann man nicht mal so nebenbei machen. Und jetzt fällt es mir noch schwerer.«

»Willst du einen Rückzieher machen? Weiter mit ihr zusammen sein und so tun als ob...?«

Er lächelt mich an...ich schmelze, wie Eis in der Sonne. »Nee.«

Erleichtert lasse ich mich in seine Arme fallen, er verwuschelt mein Haar.

»Das was du da heute gesagt hast, das mit dem Vögeln und glücklich machen...Tobi, weißt du...du machst mich glücklich.«

Autsch, seit wann bin ich denn so verkitscht? Bestimmt lacht er gleich über mich.

»Weil du mich vögeln darfst?«

»Nee, Blödmann. Ich...glaube, du...du vervollständigst mich, verstehst du, was ich meine?«

»Ab...so...lut.«

»Wenn du bei mir bist, das ist so...ich weiß nicht, es fühlt sich so gut an, so richtig. So als ob wir füreinander bestimmt wären.«

Tobi blickt mich grinsend an. »Machst du mir gerade einen Heiratsantrag?«

Ich knuffe ihm in die Seite. »Mann, ich meine es ernst.«

»Ich auch. Meine Antwort ist.. .Ja, ich will« , haucht er theatralisch.

»Du machst dich lustig über meine Gefühle«, maule ich.

»Niemals, David. Hey«, er streicht mir über die Wange, »es geht mir doch genauso.«

»Denkst du, die anderen werden das verstehen?«

»Zur Hölle mit den anderen.«

»Ist das echt so easy für dich?«

»Nur wenn ich weiß, dass du bei mir bist und mich liebst, egal was passiert.«

»Oh Gott, ich schwöre dir, Tobias, wenn du mich zum Heulen bringst, kannst du was erleben.«

»Du überfällst mich ja auch einfach so mit deinen Liebeserklärungen.«

»Oh, Verzeihung«, entgegne ich ironisch. »Ich dachte, es würde dich vielleicht interessieren, was in mir vor geht.«

»Willst du dich mit mir streiten?«

»Nein«, flüstere ich in sein Ohr, »ich will dich lieben.«

Nach einer unglaublichen Knutsch-Kuschel-Orgie mache ich mich langsam auf den Weg nach Hause. Ich ziehe gerade meinen Mantel an, greife gewohnheitsmäßig in meine Taschen und bin irritiert. Es ist nichts drin. Es müsste aber was drin sein und das macht mich nervös.

»Was ist denn?«

Ich krame wie ein Irrer, doch die Taschen bleiben leer. »Scheiße...das Foto, ich hatte das Foto in meiner Tasche und jetzt ist es weg.«

»Welches Foto?« fragt Tobi debil.

»Das von uns beiden. Das mit deinem fiesen Spruch hintendrauf.«

Er springt auf. »Was? Du schleppst das immer mit dir rum?«

»Naja, ja, ich meine...jetzt wohl nicht mehr. Verdammt, wo hab ich das denn bloß?«

»Ist das so wichtig? Ich kann dir ein anderes geben. Sind ja noch genug da.«

Ich bin plötzlich total panisch. Irgendwie fügt sich alles wie ein Puzzle zusammen.

»Mensch, wenn ich das Foto verloren habe und...ach du Scheiße, stell dir mal vor, das hat jemand gefunden, mit dem Spruch und so weiter, mann und Sandra fängt plötzlich an, über Schwule herzuziehen, oh verdammt.«

»Du meinst...sie hat es gefunden? Das wäre allerdings ein ganz unglaublicher Zufall. Wo soll sie es denn herhaben?«

»Was weiß ich? Vielleicht aus der Schule oder...keine Ahnung.«

»Bleib mal locker. Vielleicht hat nur ein einsamer Typ ein bisschen Spaß damit.«

»Und wir leben auf einmal im Wunderland, ja?«

»Und wenn schon, ich wollte ihr doch sowieso die Wahrheit sagen. Wenn sie es jetzt schon weiß, umso besser.«

»Ich denke nicht, dass es so einfach ist. Die wird uns nicht so davon kommen lassen.«

»Was kann sie schon großartig tun? Warten wir mal ab, möglicherweise hast du es bei dir zu Hause.«

29

David ist echt paranoid. Verschlampt das Foto von uns beiden und ist sich sicher, dass ausgerechnet Sandra es gefunden hat. Ich gebe zu, das würde zumindest ihr eigenartiges Verhalten erklären. Ansonsten bliebe nur die Vermutung, dass sie schwachsinnig geworden ist. Ich weiß nicht, welche Vorstellung mir lieber ist.

Im Augenblick ist mir eh alles egal. Ich könnte Tag und Nacht mit einem breiten Grinsen durch die Gegend laufen und bin mir sicher, ich tue es auch.

Jaja, ich bin seit Monaten in David verknallt aber jetzt bin ich mir im Klaren darüber, dass ich den Rest meines Lebens mit ihm verbringen will. Mann, das hört sich wohl ziemlich bescheuert an, ich meine, schließlich bin ich gerade mal sechzehn aber was soll's?!

Oh mann und der schmeißt mir solche Hammersätze um die Ohren wie Du vervollständigst mich. Hahaha, das hat der doch schamlos aus Jerry Maguire geklaut, der kleine Schleicher.

Egal, aus seinem Mund hat es sich wundervoll angehört. Abgedroschen hin, abgegriffen her. Ich weiß nicht, wir haben uns eigentlich oft gesagt, dass wir uns lieben aber ich glaube nicht, dass wir die Bedeutung schon richtig begriffen hatten. Es scheint, als hätten wir ein anderes Level erreicht. Keine Ahnung, wie ich es nennen soll und es spielt auch eigentlich keine Rolle. Ich weiß, was ich fühle und ich weiß, was er fühlt. Und wenn ich mit ihm zusammen bin ist es einfach vollkommen. Da ist keine Unsicherheit mehr, kein schmerzhaftes Was-ist-wenn-er-mich-nicht-mehr-gern-hat. Kann man sich jemals der Liebe eines anderen absolut sicher sein? Auch wenn das überheblich klingt...ich bin es.


Gott, wie ich es hasse, im Dunkeln zur Schule gehen zu müssen, noch dazu, wenn es so schweinekalt draußen ist. Und wenn Sandra wieder anfängt zu nerven, drehe ich durch. Als ich mich durch die Teenagerhorden kämpfe, hier und da einige Leute begrüße, kommt Dette auf mich zu.

»Hör mal«, raunt sie mir zu, »egal was heute noch so passiert, ich hab nichts damit zu tun, ok.«

»Wovon redest du?«

»Sag das auch David, es ist mir wichtig, dass er‘s weiß.«

»Was soll denn die Geheimnistuerei?«

Sie blickt mich kurz an und ist im nächsten Moment auch schon wieder verschwunden. Weiber sind doch alle komplett irrsinnig.

Nach der zweiten Stunde schlendere ich gemächlich in die Pause. Auf dem Weg nach draußen hab ich auf einmal so ein eigenartiges Gefühl. Irgendwie, als würden mich alle anstarren oder sowas. Hat mir vielleicht jemand einen Idiotenzettel auf den Rücken geklebt?

So einen, wo ein Arschlochspruch draufsteht? Ich taste meinen Rücken ab, kann aber nichts feststellen. Einige Mädchen kichern, als sie mich sehen, ein paar Typen lecken sich blödobszön die Lippen, andere machen reichlich bescheuerte Oralsexgesten...so mit der Zunge gegen die Innenwände der Wangen stoßen und dergleichen. Sind die vielleicht von außerirdischen Blöd-mach-Strahlen beschossen worden? Von irgendwoher höre ich jemanden rufen. Und zwar SCHWUCHTEL. Dann Gekicher, Gestöhne. Ich will hier weg, die Schule hat sich in eine Klapse verwandelt, wo sind die Wärter?

Endlich kommt David, der die ersten beiden Stunden blaugemacht hat. Als er bei mir stehen bleibt, fangen einige Typen an zu johlen.

»Sag mal, weißt du, was hier abgeht? Die Kiddies starren mich alle so dämlich an.«

»Nicht nur dich«, entgegne ich finster, »und, nein, ich hab keinen blassen Schimmer. Aber, hey, moment mal, Dette hat damit nichts zu tun.«

»Hä?«

Ich erzähle ihm, von meiner kurzen Unterhaltung mit ihr. »Ich schätze, sie hat genau das hier gemeint. Wir sollten sie mal fragen.«

»Ich glaube, das ist nicht nötig«, grinst Martin, der sich angeschlichen hat und mir einen Zettel unter die Nase hält. »Ihr seid echt ein Traumpaar.«

Ich muß kotzen. Besagter Zettel ist eine A4-große Kopie von dem verschwunden Foto und unten drunter steht, um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, mein Spruch...von wegen, wichsen und dass David ein Feigling ist.

»Deine Freundin verteilt die hier in der gesamten Schule«, erklärt Martin und tippt auf den Zettel. »Die ist ganz schön geladen, was man ihr wohl nicht verübeln kann. Ich meine, da findet die heraus, dass ihr Hetero-Freund mit seinem besten Freund in die Kiste springt. Fiese Sache das. Mal unter uns Männern...was hat'n der Spruch mit dem Wichsen auf sich?«

David ist kreidebleich geworden und anscheinend auch noch stumm, er sagt nämlich keinen Ton.

»Das geht dich einen verdammten Dreck an, kapiert.«

»Hey, mach dich locker. Ich bin nicht dein Feind. Womit ich nicht sagen will, dass ich jetzt dein Freund sein will...also Freund schon aber nicht so ein Freund wie dein Freund hier.« Er klopft David auf die Schulter, der noch immer in Lethargie versunken ist.

Martin kichert. »Hey, mir ist es egal, was ihr beiden Schnuckelmäuse daheim unter der Bettdecke treibt. Jeder soll den vögeln, der ihn glücklich macht, ja? Echt, ich hab kein Problem damit.«

»Wo...ist...die...Drecks...«

»Nanana«, unterbricht mich Martin, »immer hübsch Gentleman bleiben.«

»Ich hacke ihr die Rübe ab.«

»Eben war sie noch draußen. Ok, ich muss mal los. Man sieht sich später im Unterricht.«

David lehnt sich gegen die Wand. »Oh nein. Alle wissen verdammt noch mal Bescheid. ALLE hier wissen, dass ich eine Schwuchtel bin.«

Toll, der denkt nur an sich, oder was? Hallo...ich bin auch auf dem Bild!!

»Jetzt fang bloß nicht an zu flennen, du Memme.«

»Ach ja? Kuck sie dir doch an. Hör mal, wie sie kichern und tuscheln, bestimmt kommt gleich einer und schlägt uns die Fresse ein. Mann, Tobi, wir sind die absolute Lachnummer.«

»Martin findet's ok.«

Er lacht bitter. »Na damit sind wir natürlich gerettet. Scheiße, ich hab genau das vorausgesehen. Ich wusste, dass diese Schnepfe irgendeine Superaktion durchzieht wenn sie erstmal weiß, was los ist. Und damit hat sie sich echt selber übertoffen.« Er blickt mich an.

»Deine Freundin ist die Inkarnation des Bösen.«

»EX-Freundin und sei um Himmelswillen nicht so dramatisch.«

»Oh, ihr habt es schon gesehen.«

Dette.

»Wirklich, es tut mir Leid. Sandra hat mir das Foto gezeigt aber davon hier hatte ich keine Ahnung.« Sie legt einen Arm um Davids Schulter. »Ich hab dich gern und...naja, bin ein bisschen enttäuscht aber Sandra ist zu weit gegangen.«

»Ich werde mal nach meiner kleinen Inkarnation suchen. Von dir kann ich ja wohl keine Unterstützung erwarten, oder?« frage ich.

»Was willst du denn?« fragt David. »Einen Zungenkuss vor der gesamten Schule, um zu zeigen, was für coole Schwuchteln wir sind?«

»Wir sollten das Beste aus der Situation machen.«

Ein schrilles Klingeln bescherte uns das Ende der Pause.

»Ich verpiss mich«, erklärt David matt. »Ich kann jetzt nicht still im Unterricht sitzen und so tun, als sei alles in Ordnung.«

»Oh, na klar, lass mich das allein durchstehen. Ich dachte, du hättest gemeint, was du gestern gesagt hast.«

»Tobi, das hier ist eine Ecke zu heftig für mich, okay.«

»Schlappschwanz«, zische ich und gehe an ihm vorbei.

»Wo ist denn der Herr Freier geblieben?« fragt die Lorenz, worauf die Hälfte der Klasse zu kichern beginnt, die andere schweigt peinlich berührt.

»Fragen Sie Tobi, der weiß das bestimmt«, tönt es aus der letzten Reihe. Chris, der Klassenpenner. »Wo ist denn dein Süßer?«

»Das geht dich einen Dreck an, Arschloch«, brülle ich nach hinten.

Die Lorenz klopft energisch auf ihr Pult. »Meine Herren, ich muss doch sehr bitten.«

Ich hasse David. Macht sich einfach aus dem Staub...nach den ganzen Liebesbeteuerungen. Ich fasse es nicht. Und ich fasse Sandra nicht. Die sitzt da mit einem fetten Grinsen in der Visage. Was für ein Miststück und in sowas war ich mal verliebt.

»Also, weiß nun jemand, was mit David los ist?«

Die Tür wird aufgerissen und er kommt herein. »Sorry, war noch kurz auf'm Klo.«

»Hatten Sie in der Pause keine Zeit dafür?«

»Nee«, antwortet er knapp und setzt sich neben mich.

Oh, ich liebe David doch noch.

Ein Raunen geht durch die Reihen, Pfeifen, Klatschen. Irgendjemand macht schmatzende Knutschgeräusche.

»Bitte...Ruhe jetzt«, ruft die Lorenz. »Bücher raus, Seite dreinundfünfzig.«

David lächelt mich an, ich grinse zurück und hab mit den Schmetterlingen in meinem Magen zu kämpfen.

Als nach dem Unterricht alle in die Pause stürmen bleibt Patrick an unserem Tisch stehen.

»Und, wann ist Hochzeit?«

»Keine Angst, wir schicken dir ‘ne Einladung«, antwortet David.

»Na, das hoffe ich doch, hab irgendwo noch einen alten Toaster, den ich loswerden will«, grinst er und zwinkert uns zu.

»Lass uns gehen«, sagt David.

»Warte, hab noch was zu erledigen.«

Sandra will sich an mir vorbeidrängen, doch ich halte sie am Arm fest.

»Bist du jetzt zufrieden?«

»Lass mich los, du verdammte Schwuchtel«, zischt sie. »Hast du überhaupt eine Ahnung, wie ich mich fühle? Mein Freund vögelt einen Typen...hinter meinem Rücken.«

»Kann man sich aussuchen, wen man liebt? Es tut mir wirklich Leid. Ich hab's mir doch nicht ausgesucht.«

»Ihr ekelt mich an. Beide.« Mit diesen Worten rauscht sie davon.

»Vergiss sie.« David greift nach meiner Hand. »Na komm schon.«

»Mann, ich kann nicht glauben, dass die so scheiße ist. Ich kann nicht glauben, dass ich mit ihr im Bett war.«

David steckt sich eine Zigarette an.

»Wieso bist du überhaupt noch hier? Ich dachte, das ist dir zu heftig.«

Er tastet wieder nach meiner Hand. »Wenn du bei mir bist kann mir doch gar nichts passieren. Ich will dich haben, alles andere ist mir egal. Du und ich, das ist alles, was zählt und mir wichtig ist.«

Seine Hand gleitet aus meiner, allerdings nur um mir durch die Haare zu wuseln, ich lasse meinen Kopf auf seine Schulter fallen.

»Ich hatte Angst, dass du wieder kneifst.«

»Hey, ich lass dich nicht mehr allein«, flüstert er, dann wirft er seine Zigarette weg.

»Na gut«, seufzt er, »wenn schon, dann auch richtig.«

»Hä?«

»Damit es auch der letzte Trottel begreift«, flüstert er lächelnd.

Bevor ich noch weiß, wie mir geschieht, legt er Daumen und Zeigefinger an mein Kinn und küsst mich.

30

Tja, nun ist es also raus! Tobi und ich sind ein Paar. Seine...HAHAHAHA...Ex-Freundin hat dafür gesorgt, dass die ganze Schule Bescheid weiß. Ich wußte doch, dass sie das blöde Foto gefunden hat. Mann, aber was für ein beschissener Zufall.

Wie auch immer, jetzt bin ich es, der mit Tobi im Fahrradkeller knutscht, obwohl das ja jetzt gar nicht mehr nötig wäre aber es ist halt ziemlich geil und schließlich will man beim Knutschen nicht von tausend kichernden Schülern begafft werden.

Dette ist immer noch ein kleines bißchen unglücklich in mich verliebt aber sie versucht tapfer zu sein. Vielleicht sollte ich sie mit meinem Ex-Tintenfischchen bekannt machen, die kommt ja auch nicht von mir Lichtgestalt los.

Fühle mich ein klitzekleines bisschen schuldig, weil ich meinen Süßen ständig zum Schule schwänzen animiere. Hey, was soll ich sagen? Ich halte es eben manchmal nicht aus, im Unterricht neben ihm zu sitzen und mich auf Mathe, Englisch oder Bio konzentrieren zu müssen, wenn ich doch nur an Tobis fantastischen, perfekten weichen Lippen nuckeln will, an seinem Hals knabbern und...mhhhhhhh!!

Der kleine Schleicher tut immer so, als fühle er sich unwohl, wenn wir nach der zweiten Stunde abhauen aber ich weiß, dass er genauso scharf drauf ist mit mir allein zu sein. Wenn mir irgendjemand vor einem Dreivierteljahr erzählt hätte, dass ich die Liebe meines Lebens finden würde...ich hätte ihn für schwachsinnig erklärt.

Egal. Ich hab meinen Tobias und ich werde ihn nie nie mehr hergeben.

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