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Achterbahn

Teil 2

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Mom hat mir einen Einlauf verpasst … also verbal. Wo bist du gewesen? Ruf das nächste Mal gefälligst an, wenn du dich nachts rumtreibst. Wenn du nochmal die Schule schwänzt, kannst du was erleben. Mir egal, ob du neunzehn oder neunundvierzig bist, ich bin deine Mutter, du wohnst unter meinem Dach und hast dich an meine Regeln zu halten. Fängst du etwa an, wie dein Vater zu werden? Und so weiter.

Das mit meinem Vater ist, ehrlich gesagt, ungerecht, denn ich weiß von Mom, dass er sich eigentlich nie rumgetrieben hat. Er ist gleich ganz abgehauen. Hatte offenbar keine Lust, Verantwortung zu übernehmen, wollte sein Ding durchziehen und es war ihm scheißegal, was aus Frau und Kind wird. Mom hasst ihn, keine Frage. Trotzdem hat sie mir seine Geburtstags- und Weihnachtskarten nie vorenthalten. Auch den Brief nicht, den er geschickt hat, als ich fünfzehn war. Darin erläuterte er die Gründe seines Weggangs, die ich bis heute nicht kapiere, entschuldigte sich, nicht für mich dagewesen zu sein und stellte mir frei, ihn kennenzulernen. Da wohnte er grad in London und hat mich zu sich eingeladen, aber mein Interesse an diesem Mann hielt sich stark in Grenzen. Seit zwei Jahren ist er wieder in der Stadt, allerdings hatte ich bisher immer noch kaum ein Bedürfnis, ihn zu sehen. Dass er sich jetzt von einer anderen Seite unbewusst in mein Leben schleicht, passt mir gar nicht.

Was mir ebenfalls nicht passt, ist mein Verhalten. Dass ich so völlig andauernd an mein fremdgängerisches Treiben denke, obwohl ich mich zutiefst schämen und geißeln sollte. Tu ich ja, also schämen, aber ich muss mir dabei halt zwanghaft Dantes unglaublich perfekten Körper vorstellen, der sich unglaublich perfekt anfühlt und überhaupt nicht wie ein Insekt.

Zum Glück ist Marcel grad für ein paar Tage weg, das heißt, ich kann mir noch überlegen, ob ich ihm die Wahrheit sage … oder wann … oder nicht. Am besten ich sag’s ihm nicht. Ich meine, es war eine einmalige Sache, ich bilde mir keineswegs ein, plötzlich Dantes fester Freund zu sein und Marcel würde sofort Schluss machen, was ich aber auch irgendwie nicht möchte. Schließlich mag ich ihn und wir sind seit drei Jahren zusammen … das wirft man nicht mal so weg.

Wenn ich irgendwen hätte, mit dem ich über alles reden könnte. Tine fällt aus, die haut mich kaputt. Meine anderen Bekannten sind Marcel Freunde, da wüsste er dann gleich bescheid. Ansonsten hab ich bloß noch ein paar Ausgeh-Freunde, mit denen ich nie private Dinge bequatsche. Dante … eher weniger. Der würde sich schön bedanken, wenn ich ihm mit meinen Beziehungsproblemen auf den Zeiger gehen würde. Andererseits geht er mir ja auch mit seinen Tattoo-Geschichten und Sexstorys auf die Nerven und er weiß, dass ich einen Freund habe. Er hätte also nein sagen können. Hat er aber nicht, deswegen hängt er jetzt mit drin.

Ich krame nach der Crazy-Karte und wähle die Nummer, die hintendrauf steht.

„Ja?“, bollert es reichlich unfreundlich in mein Ohr.

„Hi, hier ist Elias.“

„Was gibt’s?“

„Ähem … ich würde gerne … wenn du vielleicht … also …“

„Eli, ich arbeite, also hör bitte auf zu stottern, das kostet mich nämlich grad Zeit, die ich nicht habe. Sag halt, was du willst.“

„Entschuldige, ich wusste nicht …“

„Pass auf, ich bin am Samstag in der Villa. Möglicherweise sieht man sich da, okay? Bis dann.“

Na, das ist doch prima gelaufen.

Zur Entspannung höre ich Boa in voller Lautstärke, weil Mom und Leo nicht da sind und mich somit nicht nerven können. Ich liebe Phillip Boa & The Voodooclub, seit ich vor Jahren die „Hair“ im Keller unserer alten Wohnung gefunden habe. Ehrlich, Boa hilft immer und wird nie langweilig! Überhaupt ist Musik total super wichtig, oder? Marcel und ich hatten anfangs einen sehr ähnlichen Geschmack … düster, krachig, punkig, abgefahren, anders eben … heute tendiert er zu Trance und keine Ahnung, ich kenne mich da nicht aus, aber es klingt scheiße. Deshalb ist ausgehen in einen Club ja auch zum Problem geworden. Okay, die Beatles mögen wir beide noch, allerdings werden die selten irgendwo gespielt und für Oldie-Partys fühlen wir uns noch ein bisschen zu jung.

Leo hört ganz schlimmes Zeugs wie Pink Floyd und Led Zeppelin. Tja, und Mom schießt mit dem Wendler den Vogel des unterirdischen Geschmacks ab. Die Boa-CD hat sie sicher aus Versehen mal von jemandem geschenkt gekriegt.

Bücher sind mindestens genauso wichtig. Ohne lesen würde ich eingehen. Und mir sind Leute, die nicht lesen, prinzipiell und generell zuwider. Gott sei Dank liest Dante. Sogar viele Bücher, die ich auch mag. A Clockwork Orange, logischerweise, und die phantastische Poppy Z. Brite und die noch phantastischere Christine Wunnicke. Die Elfen von New York hab ich bei ihm ebenfalls rumliegen sehen … neben tausend langweiligen Tattoo-Magazinen selbstverständlich.

Samstagabend will ich so gut wie möglich aussehen, was sich schwierig gestaltet, wenn man ich ist. Meine schwarzen Haare wirken viel zu gewollt unordentlich, es ist zum Kotzen. Ehrlich, ich frage mich, wie andere Leute, deren Haare lustig verstrubbelt sind, das  hinkriegen. Klamotten hab ich irgendwie auch keine gescheiten, also gehe ich heute unspektakulär in schwarzen Jeans und einem Phillip-Boa-Shirt. Dazu ein Regenbogengürtel, fertig. Marcel wäre begeistert. Der mag es nämlich nicht, wenn ich super gruftig oder punkig oder emo-mäßig rumlaufe, mir die Nägel schwarz lackiere und schwarzen Kajal an die Augen mache. Es gab Zeiten, da hat’s ihm gefallen.

Wie gewöhnlich ist es in der Villa um kurz nach zehn schon reichlich voll. Das liegt an den Kiddies, die vermutlich bereits um acht auf der Matte stehen, weil sie um zwölf raus müssen. Die älteren Leute kommen alle erst nach zwölf. Keine Ahnung, warum ich heut so früh dran bin. Ach so, ja … ich bin schrecklich nervös, weil ich mit Dante über meine Fremdgeherei sprechen will. Erst mal muss ich aber tanzen. Black-Crosser … eines meiner absoluten Boa-Lieblingslieder. Danach kauf ich mir ’ne Cola und warte.

Um kurz nach halb zwölf erscheint Dante endlich und mir bleibt fast die Luft weg. Er trägt eine Bondagehose, schwarz mit rotem Karomuster an den Seiten und weißen Totenköpfen,  ein schwarzes, ärmelloses Kapuzenjäckchen mit rot-weißem Druck, dazu seine schwarz-roten Haare … der Mann ist ein verdammtes Kunstwerk! Und offensichtlich Stylingexperte. Mir schwirrt sofort gehörig der Schädel bei so einer geballten Ladung Schönheit. Man hat auch den Eindruck, dass es gleich ein bisschen heller wird, als er die düster-neblige Location betritt. Und er wird ziemlich angestarrt. Angesabbert. Wahrscheinlich möchten viele hier nachher mit ihm nach Hause gehen.

HAHA … aber ICH bin derjenige, auf den er schnurstracks zuschlendert.

„Hey, Eli.“

„Ha-hallo“, räuspere ich, weil mein Mund ekelhaft trocken ist.

„Oh nein“, stöhnt er und stupst mit seinem Zeigefinger in meinen Bauch, „noch so ’n Boa-Freak. Bist du schon länger hier?“

„Na ja …“

„Coole Musik bis jetzt?“

„Ja, ganz ordentlich.“

„Dann bis später mal“, sagt er und lässt mich einfach sitzen.

Was zum Arsch war das denn bitte??

Fein, ich werde ihm nicht hinterherlaufen. Ich meine, wie sieht ’n das aus, oder? Er hat ja auch nur gesagt, dass man sich möglicherweise trifft. Wir haben uns getroffen. Trotzdem finde ich sein Verhalten irgendwie … scheiße. Immerhin hat er vor ein paar Tagen noch in mir gesteckt, da sollte man doch eigentlich mehr erwarten dürfen als „Coole Musik bis jetzt.“ Blöder Arsch.

Gegen drei Uhr hab ich es satt, ständig Ausschau nach ihm halten zu müssen. Zumal er eh bereits einen Typen im Schlepptau hat. Ich schleiche Richtung Ausgang.

„Willst du schon gehen?“

Dante steht hinter mir, mit einem dämlichen Grinsen, das man ihm sofort aus seiner hübschen Visage prügeln möchte.

„Ja. Eigentlich wollte ich kurz was mit dir besprechen, aber … egal. Viel Spaß mit deinem kleinen Freund da hinten“, erkläre ich und muss mich ärgern, weil ich wie eine eifersüchtige Ehefrau klinge. Ekelhaft.

„Was besprechen … ungünstig bei der lauten Musik. Wir könnten zu mir, aber ich will ehrlich sein, Eli … wenn ich dich mitnehme, dann sicher nicht, um zu reden.“

Nach diesem Satz fühle ich mich sehr geschmeichelt und grinse vermutlich wie bekifft. Allerdings werde ich auf überhaupt gar keinen Fall noch einmal mit ihm seitenspringen!

Erstens hab ich einen Freund und zweitens ist Dante sich seiner Sache ein wenig zu sicher für meinen Geschmack.

Leider tut er etwas, das mich irgendwie aus dem Konzept bringt. Er schiebt seine Hand in meine und zieht mich raus auf die Straße. Den ganzen Weg über halten wir Händchen, sogar noch, als wir die Treppen zu seiner Wohnung raufstiefeln. Kaum ist die Tür ins Schloss gefallen, knutschen wir wie die Irren. In seinem Zimmer knutschen wir weiter und Dante wirft meinen guten Vorsatz heftig über Bord.

Verdammt noch mal, ich hab’s schon wieder getan! Einmal, das hätte man vielleicht beichten und erklären können, tränenreich um Verzeihung bitten … ein zweites Mal ist unentschuldbar.

Dummerweise war das zweite Mal genauso gut wie das erste und ich fürchte, ein drittes Mal wäre nicht wesentlich schlechter. Du lieber Gott, warum schützt mich denn keiner vor diesem …

„Wolltest du wirklich was besprechen?“, fragt Dante, dessen Hand träge durch meine Haare wuselt.

„Wieso? Dachtest du, das wär ein Scherz gewesen?“

„Kein Scherz, aber … weiß nicht, dein Codesatz oder so für: Lass uns ficken!“

„Das war doch nicht geplant.“

„Nee?“

Erbost rücke ich von ihm weg.

„Natürlich nicht. Ich habe einen Freund, du erinnerst dich? Ihn zu betrügen stand bestimmt nicht ganz oben auf meiner Dringlichkeitsliste.“

„Fremdgehen, ich meine heimlich, bedeutet immer, dass man sich in seiner Beziehung langweilt. Dass man irgendwas vermisst. Wenn man jemanden liebt, will man keinen anderen Sexpartner. Das ist einfach so.“

„Vielen Dank. Noch mehr Weisheiten auf Lager?“

„Klar. Lass dein schlechtes Gewissen nicht an mir aus. Ich kann nix dafür.“

Das ist gelogen! Er kann wohl was dafür. Seine ganze Erscheinung, was er macht und sagt, seine widerwärtig schönen Arme mit den fucking Flügeln … da kann ich mich doch überhaupt nicht gegen wehren. Niemand könnte das.

„Willst du jetzt weiter zicken oder kommst du wieder her und kuschelst ’n bisschen mit mir?“

Da! Egal, was er sagt … ich kann mich nicht wehren. Er hat kaum zu Ende gesprochen, da lieg ich schon in seinen Armen.

Am nächsten Morgen gibt es eine unangenehme Begegnung mit dem beknackten Mitbewohner beim Frühstück. Unangenehm deshalb, weil Torben mich aus irgendwelchen Gründen zu hassen scheint, denn er kuckt mich an, als sei ich ein ekelhaftes Tier mit mindestens sechs Beinen. Ob der immer noch sauer wegen dieser einen Probe ist? Als ich gesagt hab, dass mir das bekloppte Britney-Lied gefällt? Das wäre in der Tat lachhaft. Aber was anderes würde mir jetzt nicht einfallen. Na ja, was soll’s. Ich kann ihn schließlich auch nicht leiden.


Mir ist aufgefallen, dass man von Leuten nichts erwarten darf. Wenn man das einigermaßen begriffen hat, erspart man sich eine Menge Heulerei und Enttäuschung, weil Leute halt nie so handeln wie man denkt oder möchte. Andererseits kann man manchmal durchaus positiv überrascht werden. Dante ist ein relativ gutes Beispiel dafür. Erwarte ich ein bisschen Aufmerksamkeit, schenkt er sie anderen Jungs, nur um beim nächsten Mal, wenn ich auf gar nichts hoffend ins Jugendzentrum gehe, zu fragen, ob ich nachher noch mit ihm abhängen will.

Ich hab keine Ahnung, wie ich mein Verhältnis zu ihm nennen soll. So was wie Freundschaft ist es schon, glaube ich. Er erzählt viel Privates und möchte auch von mir viel wissen, aber … was weiß ich, ob er nicht mit anderen Jungs genauso umgeht. Ich bin mir fast sicher, er tut es. Die Erkenntnis ist natürlich niederschmetternd, weil ich was Besonderes sein will, ein Vertrauter, der ihn besser kennt als jeder andere Mensch. Oft meine ich, ihn ganz gut einschätzen zu können, um dann festzustellen, dass ich absolut nicht weiß, was so in seinem Kopf vorgeht. Alles, was er sagt, muss hinterher analysiert werden, was total nervig ist, denn eigentlich bringt’s ja nix. Und es kostet, um es mit Dantes Worten zu sagen, Zeit, die ich nicht habe. Weil es nebenbei noch meinen Freund gibt, der mir ein Linus-Kissen geschenkt hat und sich bestimmt wundert, weshalb ich mich ihm dauernd zu entziehen versuche. Okay, Kuscheln geht, aber wenn er mit mir schlafen will, blocke ich ab. Nicht, weil ich lieber mit Dante schlafen würde, sondern … weil ich fremdgegangen bin und es schändlich und unpassend finde, fünf Sekunden später mit Marcel in die Kiste zu springen. Lange kann ich das logischerweise nicht mehr so durchziehen, mein Freund ist nicht blöde, der merkt schon, dass was nicht stimmt. Aber anstatt sauer oder genervt zu sein, reagiert er lieb und verständnisvoll. Das macht die Angelegenheit noch tausendmal schlimmer. Marcels Ahnungslosigkeit und dass er mir überhaupt nichts Schlechtes zutrauen würde. Bisher hatte er damit ja auch Recht, inzwischen sieht’s ein wenig anders aus.

Jetzt könnte man meinen: Der Elias ist doch ein Arschloch … will sich den einen warm halten, falls es mit dem anderen nicht klappt! Das stimmt so nicht. Denn wie ich bereits bemerkte, weiß ich, dass man von Leuten nichts erwarten darf, also male ich mir in meiner Freizeit kein Happy End mit Dante aus. Im Gegenteil. Ich bin mir völlig im Klaren darüber, dass jemand wie er keine normale Beziehung führen kann, weil er das halt gar nicht will. Und ebenso klar ist es, dass Marcel und ich auf einer Wellenlänge sind, was Beziehung betrifft. Oh Gott, und er ist so verdammt … er hat versprochen, seine Fitnesscenter-Besuche einzuschränken, damit wir wieder mehr Zeit für uns haben und weil ich ja eh nicht so viel Wert auf einen gestählten Körper lege. Er ist einfach süß und wenn ich die Dante-Phase überstanden habe, werde ich Marcel wieder richtig lieben und nie mehr damit aufhören! Ich hoffe nur, er hält es so lange noch mit mir aus.

Heute ist Dienstag und ich bin ganz bewusst nicht ins Jugendzentrum gegangen, weil ich meinen Freund sehen wollte. Wir hatten zwar immer noch keinen Sex, aber es war trotzdem sehr schön und schmusig und grad ist er nach Hause gefahren, weil er morgen früh raus muss, ich zur Schule und … als ich fast schon im Bett bin, schellt’s bei mir. Hab ja meine eigene Klingel, weil Mom und Leo keinen Bock haben, jedes Mal zur Tür zu stiefeln, wenn Marcel oder Tine aufkreuzen. Also gehe ich die Treppe runter, öffne und mich trifft der Schlag.

„Was machst’n du hier?“

Fuck, eine halbe Stunde früher hätte echt böse ausgehen können!

„Ich … war eigentlich nicht in deiner Gegend, wollte aber mal kucken, wie du so lebst“, lächelt Dante umwerfend.

„Äh …“

Ah, mein Gehirn ist gleich wieder außer Haus. Großartig.

„Was?“, fragt er. „Ist dein Freund etwa da?“

„Nee.“

Ungeduldig tritt er von einem Fuß auf den anderen.

„Willst du vielleicht reinkommen?“

„Ich will in jeder Beziehung kommen“, antwortet er, als er an mir vorbei geht.

„Die Treppe rauf, da wohne ich. Aber sei leise, meine Eltern sind da.“

Kaum hab ich sie erwähnt, öffnet ein Elternteil, nämlich Mom, die Wohnzimmertür.

„Is für mich“, erkläre ich.

Sie wirft einen Blick auf Dante, der bereits raufgeht, starrt mich eigenartig an und schließt die Tür. Fein, der werde ich morgen sicher was erzählen dürfen. Egal. Oben an der Treppe geht’s durch eine Tür direkt in mein riesiges, in Rumhäng-, Arbeits- und Schlafbereich abgeteiltes Zimmer.

„Wow … gar nicht mal so übel“, findet Dante. „Das Boa-Poster ist vielleicht etwas drüber, aber ansonsten … chic.“

„Ja, schön, dass es dir gefällt. Also ich war eigentlich schon im Bett und … hör auf zu grinsen.“

Dante denkt nicht dran und zieht seine Jacke aus. Ein ärmelloses Shirt kommt zum Vorschein.

Oh nein, ich werde heute nicht schwach!

„Willst du irgendwas trinken oder so?“

Er schüttelt den Kopf. „Ich hab ein bisschen geschwindelt, Eli. Ich wollte nicht sehen, wie du wohnst … nicht nur. Eigentlich …“ Dante kommt ein paar Schritte auf mich zu und fummelt an meinen Hüften rum.

„Okay, ich muss morgen zur Schule, ich bin müde …“

„Ich weck dich, keine Angst. Hab einen sehr leichten Schlaf.“

„Du schläfst wie ein Toter“, stelle ich klar.

Er zuckt die Schultern und fängt an, meinen Hals zu küssen.

„Dante … ich … kann das nicht.“

„Das Thema hatten wir schon“, flüstert er, schubst mich aufs Bett, setzt sich auf meinen Schoß und knutscht drauflos.

Die ersten Kleidungsstücke sind schnell ausgezogen, eng umschlungen räkeln wir uns auf dem Bett, in dem ich vorhin noch mit Marcel geschmust habe. Scheint so, als hätte ich das letzte bisschen Anstand an der Garderobe abgegeben.

Plötzlich stoppt Dantes Knutschattacke.

„Was’n das?“

„Das gehört Marcel“, stöhne ich peinlich berührt und werfe das T-Shirt auf den Boden.

Dante hat offenbar kein Problem mit den Schlaf-Klamotten meines Freundes konfrontiert zu werden, denn er macht weiter, als wäre nichts passiert. Jedenfalls bis … ähem, ich muss jetzt mal kurz ins Detail gehen … Dante hat nämlich eine Vorliebe, die ich nicht unbedingt teile, mir aber auch nicht viel ausmacht, obwohl ich einige Varianten durchaus als eher unappetitlich … okay, also Dante steht auf Sperma. Überall. So richtig pornomäßig, irgendwie. Je mehr man kommt, desto geiler ist es für ihn. Fragt mich nicht, woher er das hat … und ich werde mich hier bestimmt nicht abwertend über komische Vorlieben äußern.

Jedenfalls versuche ich gerade, nach der Packung Taschentücher zu angeln, da schnappt sich Dante einfach Marcels T-Shirt, wischt die letzten Reste von meinem Bauch und wirft es anschließend auf den Boden zurück. Ehrlich gesagt finde ich das sehr interessant. Wenn man bedenkt, dass es hauptsächlich sein Sperma war, denn meins ist vor allem in seinem Gesicht … ich sag’s ja: Unappetitlich!

„Was?“, fragt er, weil ich ihn, zugegeben ein bisschen amüsiert, anstarre.

„Da liegen Taschentücher.“

„Der Lappen hat’s auch getan.“

„Aha. Wolltest du dein Revier markieren, oder so was? Ey, fang bloß nicht noch an, in die Ecken zu pinkeln.“

„Möchtest du in angetrockneter Wichse pennen? Ich nicht. Außerdem zwingt ihn keiner, das hässliche Teil so anzuziehen. Wasch es halt.“

Es ist zwar eine gewagte Theorie, aber mich beschleicht der dringende Verdacht, dass er eifersüchtig ist und das ist ein sehr berauschendes Gefühl.

„Sag mal, das mit dem Lecken …“, beginnt Dante nach einer Weile, „ist das ein Fetisch?“

„Hm?“, tue ich so, als wüsste ich von nix.

„Dass du meine Arme leckst und dass dich das so heiß macht.“

„Nein.“

„Aber?“

„Ich mag deine Arme eben. Und deine Flügel.“

„Ich hab das Crazy erzählt und …“

„WAS hast du?“, unterbreche ich ihn schrill.

„Na ja, weil’s lustig ist und weil die Flügel von ihm sind. Er ist jetzt mächtig stolz auf seine Arbeit“, zwinkert er.

„Setz es in die Zeitung, Blödmann.“

„Eli, das ist doch nicht schlimm. Ehrlich, ich hab schon eine Menge eigenartiges Zeug erlebt, aber das ist mit Abstand das … niedlichste.“

Großartig, jetzt hält Crazy mich für einen dämlichen Armlecker. Ich hoffe, Dante war bei aller Indiskretion wenigstens so diskret, keinen Namen zu nennen.

„Ich hoffe, du hast wenigstens keinen Namen genannt.“

„Natürlich nicht.“

Immerhin. Trotzdem … es ist, wie es ist … Dante plaudert gerne jeden Scheiß aus und ich sollte zukünftig drüber nachdenken, was ich ihm erzähle. Und was ich mit ihm mache.


Tine benimmt sich komisch. Die sitzt jetzt schon eine halbe Stunde in meinem Zimmer und schweigt. Stiert mich allerdings völlig psycho an, dass ich langsam Angst kriege. Vielleicht ist bei ihr eine Geisteskrankheit ausgebrochen. Oder sie schwelgt grad in einer Tötungsphantasie. Oder sie sieht mir an der Nasenspitze an, dass ich mehrmals mit Dante geschlafen habe. Meine Paranoia tippt auf Letzteres. Möglicherweise sollte ich es endlich hinter mich bringen und mit der schrecklichen Wahrheit rausrücken.

„Eli, seit wann reden wir nicht mehr über alles?“

Okay, sie weiß es!

„Äh …?“, mache ich hilflos.

„Ich will eigentlich gar nicht auf deine Affäre hinaus … du kennst mich und weißt, dass ich so was absolut, vollkommen und auf jeden Fall beschissen finde.“

„Ich hab doch keine Affäre.“

„Ach, nicht? Als was würdest du den Sex, den du nicht mit deinem Freund hast, sondern mit einem anderen Kerl, denn bezeichnen?“

Woher zum Teufel weiß die davon?

„Also … wenn man schon heimlich fremdgeht, sollte man es mit einem tun, der das nicht fünf Sekunden später jedem Hans und Franz erzählt. Das erspart mir die Peinlichkeit, meinem Freund erklären zu müssen, warum ich so überrascht bin, weil mein bester Freund nicht ein verdammtes, fucking Wort darüber verloren hat.“

Patti weiß es auch … ich geh kaputt.

„Wenn du übrigens gedacht hast, Dante wäre irgendwie verknallt in dich, dann hast du falsch gedacht. Der ist nur begeistert von deiner Fickfreudigkeit.“

„Was?“, frage ich belämmert.

„Das erzählt er über dich. Süßer Junge, der auf harmlos und unschuldig macht, aber total fickfreudig ist und im Bett niedlich versaut. Ey, kannst du dir vorstellen, wie ich mich gefühlt hab, als Patti das vom Stapel gelassen hat, kannst du das, Eli? Ich hätte kotzen können, echt.“

Mir schwirrt der Kopf.

„Woher …“

„Patti das weiß? Keine Ahnung. Er sagt, dass das halt so die Runde macht. Erst dachte ich, das kann überhaupt nicht sein. Dass du Marcel niemals fremdgehen würdest. Aber die Armleckerei hat mich dann leider überzeugt.“

Fuck, das muss mir bei ihr während einem meiner gefürchteten Schwärm-Monologe aus Versehen rausgerutscht sein.

Ich bringe Dante um! Ich werde ihn überfallen, entführen, foltern, grausam quälen und dann umbringen! Wie kann der solche Sachen über mich sagen? Wie kann der so eine Meinung von mir haben? Soll ich jetzt vielleicht auch rumerzählen, dass ihm einer abgeht, wenn man ihm ins Gesicht spritzt? Aber ich werde mich ganz sicher nicht auf ein derart unterirdisches Niveau begeben. Ich hab es nicht nötig, Sexgeschichten über andere Leute zu erzählen. Nicht mal aus Rache.

Tine zündet sich eine Zigarette an, raucht sie schweigend, drückt die Kippe anschließend aus und glotzt mich an.

„Okay, ich hab mich etwas beruhigt. Eli, was ist los mit dir?“

„Ich hab mich verliebt“, gestehe ich.

„Aber doch nicht in einen Typen, der … lassen wir das. Was ist mit Marcel?“

Unglücklich zucke ich die Schultern.

„Du kannst nicht zweigleisig fahren. Du musst es ihm sagen. Alles andere ist ekelhaft und unfair. Und … Patti und ich hängen da jetzt auch irgendwie mit drin. Wie sollen wir uns Marcel gegenüber verhalten, mh? Ich will mir gar nicht vorstellen, wer sonst noch über deine Fickbereitschaft Bescheid weiß.“

„Freudig.“

„Hä?“

„Du sagtest fickfreudig.“

„Eli, du kannst dich nicht in diesen Möchtegern-Tätowierer verliebt haben. Du liebst Marcel. Seit immer. Für immer. Marcel ist perfekt.“

„Glaubst du, ich hab mir das ausgesucht? Aber wenn er da ist, dann …“

„Vielleicht ist es nur der Sex?“, schlägt sie vor.

„Nein, es ist alles. Und zwar so heftig wie überhaupt noch nie.“

„Scheiße.“

„Ja.“

„Aber nach allem, was ich über ihn gehört habe, wird er mit dir nicht in den Sonnenuntergang spazieren.“

„Ich weiß. Trotzdem bin ich verliebt.“

Tine reibt sich angestrengt die Schläfen. „Bitte, sag das doch nicht immer wieder.“

„Entschuldige.“

„Und hör auf, dich zu entschuldigen.“ Schnaufend läuft sie in meinem Zimmer umher. „Fuck, ey, hätte ich mich nur nicht von ihm inken lassen. Hätte ich dich bloß nicht mitgeschleppt. Hey, wenn du ihn nicht mehr triffst, geht das Verliebtsein bestimmt weg und du kannst mit Marcel …“

„Tine“, unterbreche ich sie.

Langsam setzt sie sich wieder zu mir aufs Bett.

„Überleg dir gut, ob du Marcel für einen Typen aufgeben willst, der nur mit dir ins Bett geht und hinterher damit angibt.“


Ich muss mit Dante reden. Zum Glück ist er zu Hause, denn ich hab vorher nicht angerufen, weil ich viel zu sauer auf ihn bin. Ich hab auch echt keine Ahnung, was ich mache, wenn ich ihn sehe und auch nur ein falsches Wort aus seinem Mund kommt.

Na fein! Wieso ist es nötig, obenrum nackig die verfickte Tür zu öffnen? Hat er vielleicht vor, in seiner Freizeit Nudist zu werden und übt schon mal ein bisschen?!

„Hey …“, säuselt er und will mir einen Kuss geben, wovon ich ihn jedoch abhalte. „Komm doch rein. Äh … Küche, ich koche grad. Oder versuche es.“

Fast bekloppt vor Wut stampfe ich in die Küche. Offenbar gibt’s Spaghetti Bolognese. Mehr kann er wahrscheinlich nicht.

„Und seit wann bist du Nacktkocher?“

„Wollte mir die Klamotten nicht versauen“, entgegnet er und rührt engagiert im Soßentopf herum.

Versauen … versaut … niedlich versaut. Es kam soeben ein falsches Wort aus seinem Mund.

„Geh mal weg, Idiot“, zische ich und schubse ihn kräftig zur Seite. Danach probiere ich die rote Hackfleischplörre, die er zusammengeschustert hat. „Das schmeckt wie … hast du da reingewichst, oder was?“

Dante hustet pikiert, ist aber ansonsten still. Ich reiße alle Schränke auf und suche, was die Soße retten könnte. Ein bisschen Tomatenmark, Pfeffer, Oregano, Majoran und eine Prise Zucker.

„Hier“, sage ich und stopfe ihm einen Löffel voll ins Maul.

„Au, das ist heiß.“

„Weichei.“

„Elias, was ist los? Du bist so …“

„Fickfreudig?“

„Äh … völlig durchgedreht passt grad besser.“

„Wem hast’n noch alles erzählt, wie niedlich versaut ich bin, hä?“

Dante stiert mich irritiert an. „Eigentlich … nur Torben.“

„Und was geht den das an? Und warum muss ich von meiner besten Freundin erfahren, dass das inzwischen wahrscheinlich schon die ganze verdammte Stadt weiß? Und warum erzählst du so’ne Scheiße?“

„Eli, jetzt komm mal wieder runter, ja?“

„Leck mich.“

„Nee, das ist dein Part.“

Ey, ich bin kurz davor, ihm die Soße über den Schädel zu kippen. Allerdings erscheinen der beknackte Mitbewohner und seine Gothic-Pia auf der Bildfläche und wollen essen.

„Guten Appetit“, wünsche ich und verschwinde.

Zwei Tage später steht Dante bei mir auf der Matte.

„Kann ich kurz mit dir reden?“, fragt er und macht immerhin einen etwas zerknirschten Eindruck. In meinem Zimmer zieht er die Jacke aus, den Ärmel seines T-Shirts nach oben und hält mir seinen Arm vors Gesicht. „Kuck mal, du hast mich so heftig geschubst, dass ich ’nen blauen Fleck hab.“

„Und? Soll ich jetzt drüberlecken oder wie?“

„Ich find’s geil, wenn du das machst“, grinst er, „ganz ehrlich.“

„Sonst noch was?“

„Ja, ich hab Torben gesagt, er soll gefälligst seine dämliche Fresse halten. Und … was ich ihm über dich … Eli, der Sex mit dir ist halt irre gut und …“

„Du musst aber nicht immer alles aussprechen, was du denkst.“

„Ich werd’s versuchen. Hey, sei nicht mehr sauer, ja?“

„Na ja, ist vielleicht ganz gut … sonst würde ich mich in hundert Jahren nicht trauen, Marcel die Wahrheit zu sagen.“

Dante reißt geschockt seine Bambi-Augen auf. „Du willst … äh … also meinetwegen musst du das nicht.“

„Wie bitte?“

„Für mich ist es total in Ordnung, deine Affäre zu sein.“

Na, wie schön für ihn.

„Äh … für mich aber nicht?“, schlage ich vor. „Möglich, dass ich im Bett niedlich versaut bin, in anderen Bereichen verhalte ich mich ungern wie ein Schwein.“

„Was glaubst du, wie er reagiert?“

„Er macht Schluss“, entgegne ich knapp.

„Du solltest dir das echt überlegen, Eli.“

„Hab ich.“

„Okay, das ist deine Sache. Ich wollte nur, dass du weißt, dass es für mich in Ordnung ist, wie es grad läuft.“

„Das hast du jetzt zum zweiten Mal erklärt und ich hab’s schon beim ersten Mal verstanden.“

„Ja, es ist auch nur, weil … also … ich stehe nicht auf Beziehungen.“

Ach so. Er hat Angst, dass ich mich sofort an ihn klette, wenn ich keinen Freund mehr habe.

„Das hast du mir ebenfalls schon mehrfach erzählt.“

„Tja, ich muss dann mal los.“

„Bitte, du kennst den Weg.“


Einige Tage hab ich mit mir gerungen, Dantes Verhalten insgesamt Revue passieren lassen, über Marcel und mich nachgedacht … ich habe sogar dämliche Pro-und-Kontra-Listen gemacht. Um ehrlich zu sein hat mein Freund dabei wesentlich besser abgeschnitten. Bei ihm weiß ich, wo ich dran bin, er liebt mich, wir haben viel zusammen erlebt und so weiter. In Dante bin ich zwar momentan schrecklich verliebt, aber er hat seinen Standpunkt klargemacht. Es wäre nicht fair, Marcel nur als eine Art Ersatz zu behalten. Deshalb habe ich beschlossen, meiner Beziehung eine Chance zu geben und Dante nicht mehr zu treffen. Gar nicht mehr. Nie mehr.

Tine begrüßt diese Entscheidung natürlich aufs Heftigste und hat versprochen, den Mund zu halten. Patti wird ebenfalls nichts erzählen. Und da Marcel einen anderen Bekanntenkreis hat als ich, wird die Geschichte, die über mich und Dante im Umlauf ist, hoffentlich nicht bis zu ihm dringen. Trotzdem, auch wenn ich mich für meinen Freund und gegen Dante entschieden habe, brauche ich von beiden etwas Abstand. Marcel erzähle ich, dass es mir im Augenblick nicht so gut geht und dass er sich bitte nicht um mich kümmern soll. Dante sage ich gar nichts. Wozu auch?!


Die erste Woche war übel. Die zweite war schlimm. Weil … die Begeisterung hat ja nicht von selbst nachgelassen, sondern wurde zwangsweise niedergekämpft. Am Anfang der dritten Woche hab ich gedacht, ich würde es langsam überstehen … bis Dante anfing, mich mit Anrufen zu bombardieren. Da hab ich mein Handy irgendwann einfach ausgeschaltet.

Marcel treffe ich jetzt wieder. Es läuft einigermaßen. Ich versuche zu vergessen, dass ich ihn betrogen habe. Er wollte aber natürlich wissen, was mit mir los war, also faselte ich was vom Erzeuger, dass ich überlegt hab, ihn zu sehen und so. Marcel findet ja eh, dass es an der Zeit ist, ein paar Dinge mit ihm zu klären … ich finde das noch immer nicht. Egal. Hauptsache, er hat meine Notlüge geschluckt.

Eines Abends, ich ahne nichts Böses, steht auf einmal Dante vor der Tür.

„Oh, gut, du lebst“, freut er sich und stiefelt ohne zu fragen die Treppe rauf.

„Du kannst nicht einfach immer so auftauchen, wenn’s dir grad passt“, erkläre ich.

„Entschuldige, wenn du mal an dein beschissenes Handy gehen würdest, müsste ich auch nicht einfach so auftauchen.“

„Ich dachte, du hättest das verstanden.“

„Was denn?“

„Wir können uns nicht mehr treffen, Dante. Es geht nicht.“

„Okay, und das geht wieso genau nicht?“

„Ich bin mit Marcel zusammen.“

„Das warst du vor ’n paar Wochen auch.“

„Mann, kapierst du’s nicht?“, rege ich mich auf.

„Nee. Wir sind schließlich befreundet … oder verbietet er dir sowas?“

„Nein, aber … wenn ich dich sehe, will ich …“

„Ja?“

„Deine Arme lecken.“

„Wenn ich dich sehe, will ich auch, dass du meine Arme leckst“, grinst er.

„Das muss aber aufhören, weil mein Freund keinerlei Verständnis dafür hätte.“

„Dann müssen wir uns eben zusammenreißen“, zuckt er die Schultern.

Ich nehme an, er kriegt das ohne Probleme hin. Bei mir bin ich mir nicht sicher. Andererseits mag ich ihn, auch wenn wir keinen Sex haben, und gegen diese Art von Freundschaft ist doch eigentlich nix einzuwenden. Vielleicht wäre es sogar ganz gut, ihn wieder öfters zu treffen, weil man nur so Normalität trainieren kann. Ansonsten bleibt Dante in der Phantasie nämlich die angehimmelte Lichtgestalt, von der man nicht loskommt.

„Und, irgendwas Tolles passiert in den letzten Wochen?“

„Weiß nicht genau“, antwortet er, zieht seine Jacke aus und setzt sich auf mein Bett. „Crazy hat mir angeboten, fest im Studio zu arbeiten. Weil Mike nach irgendwohin zieht und der Laden so gut läuft, dass er halt unbedingt noch jemanden braucht und er findet, dass ich soweit bin.“

„Ist doch cool.“

„Schon, ja. Aber ich müsste dann jeden Tag arbeiten. Bisher konnte ich mir aussuchen, wann ich wen stechen wollte. Außerdem müsste ich das Proben dann auf montags oder sonntags legen, weil Crazy da zu hat.“

„Wäre das ein großes Problem?“

„Nein, eigentlich nicht. Trotzdem. Jeden Tag von zwölf bis sieben … man ist dann irgendwie  so gebunden.“

„Immer noch besser als ein langweiliger Bürojob“, gebe ich zu bedenken.

„Auf jeden Fall. Und ich wäre nicht mehr auf Marlene angewiesen. Das geht mir nämlich doch langsam auf den Sack. Na ja, und Crazy ist halt wirklich total cool und kümmert sich und so.“

Kümmert sich … klar, um alle, nur niemals um seine Familie. Gott, ich hasse diesen Penner!

„Ich sollte das machen, oder?“

„Wahrscheinlich.“

„Bevor er sich einen anderen Tätowierer sucht und ich dann vielleicht gar nichts mehr im Studio machen kann. Und … es ist natürlich eine unglaubliche Referenz, wenn man bei Crazy arbeiten darf. Schließlich gehört er zu den Besten.“

Meine Güte, bau dir doch einen Crazy-Schrein und bete sein Foto an! Ist ja ekelhaft. Ob er weiß, dass sein verrückter Schwarm und Chef im wirklichen Leben auf den unspektakulären Namen Thomas Wieland hört? Egal. Was geht’s mich an?!

Was mich sehr wohl etwas angeht, ist die Tatsache, dass Dante bei seinen Überlegungen reichlich nah an mich herangerückt ist. Zu nah. Ich kann riechen, dass er Fruchtshampoo benutzt. Mhhh… und ich weiß, dass seine Haare total weich sind, obwohl sie ein bisschen spiky abstehen und somit aussehen, als hätte er viele verschiedene Stylingprodukte reingeknallt. Und seine Haut ist auch weich und seine Lippen … oh Mann, vielleicht sollte ich mir einen Dante-Schrein basteln, verdammte Scheiße. Ich bin so was von absolut nicht über ihn hinweg.

„Hey“, er stupst mir in die Seite, „ich hab dich was gefragt.“

„Sorry, hab nicht zugehört. Was’n?“

„Nicht so wichtig. Wo waren deine Gedanken denn?“

„Bei deinen Lippen“, fasele ich aus Versehen.

„Ah ja? Was ist damit?“

„Ich will dich küssen“, sage ich und küsse ihn.

Dante unternimmt nichts, um das irgendwie zu unterbinden. Deshalb muss ich mein Hirn wieder einschalten und die Knutscherei unterbrechen.

„Ich hab Hunger. Lass uns was essen.“

„Dafür bin ich immer zu haben“, lächelt er. „Wollen wir was bestellen? Chinesisch?“

„Nee, hier gibt’s was Besseres.“

„Besser als chinesisch?“

„Vertrau mir.“

Leo ist nämlich auch einer der Besten. Und er hat heute ein vegetarisches Curry mit Kokosmilch gekocht, das super lecker ist.

„Ich komm ab jetzt immer zum Essen zu euch“, behauptet Dante eine Weile später und ist kurz davor, den Teller abzuschlecken.

„Ich geb das Kompliment an den Koch weiter.“

„So, dein Vater ist also Koch.“

„Hör auf damit, Dante.“

„Hä?“

„Hör auf, mich so anzukucken.“

„Ich würde gerne wissen …“, beginnt er, stellt den Teller beiseite und rückt wieder näher, „ob du immer noch meine Arme lecken willst.“

Diesmal küsst er mich … und unterbricht den Kuss nach einigen Sekunden.

„Ich sollte nach Hause, mh?“

„Gute Idee“, nicke ich schwächlich.

Na ja, niemand hat behauptet, dass es einfach werden würde. Aber für den Anfang lief’s nicht so schlecht, oder?!


Marcel wird langsam misstrauisch. Obwohl ich mir super viel Mühe gebe, wenn wir zusammen sind, und ich Dante zwischendurch auch nicht mehr geküsst habe. Aber vor ein paar Tagen gab’s eine unschöne Begegnung, weil Dante mal wieder unangemeldet auftauchte, in mein Zimmer spazierte, bevor ich was sagen konnte, und … da lag halt Marcel auf meinem Bett. Okay, Dante hat sich ziemlich schnell verpisst, aber Marcel wollte logischerweise wissen, was das für ein Typ war und so. Weil meine Ausgeh-Freunde normalerweise nicht zu mir nach Hause kommen und Tine und Patti kennt er ja. Also hab ich einen Teil der Wahrheit erzählt … dass Dante Tines Wadenbein tätowiert hat und ich seitdem mit ihm so was wie befreundet bin. Marcel mag ihn nicht, das war sehr deutlich an seinem Blick zu erkennen. Dantes Blick war ebenfalls deutlich. Der ging ungefähr: DAS ist der Grund, weswegen ich dir meine Flügel nicht zeigen darf und du meine Arme nicht mehr lecken willst?! Na und? Ist Marcel eben nicht so eine auffallende Erscheinung wie Dante. Hübsch ist er trotzdem. Außerdem muss ich mich wohl kaum dafür rechtfertigen, mit wem ich zusammen bin. Schon gar nicht vor Dante Engels!

Der hat übrigens ein neues Tattoo. Wenn ich’s vorher gewusst hätte, dann hätte ich bestimmt nicht so arglos gefragt, wo. Seitlich am Bauch und runter bis über den Oberschenkel. Irgendeine Schlangendrachengeschichte, der obere Teil ist schon bunt und morgen werden die schwarzen Outlines am Oberschenkel grün, orange und was weiß ich ausgefüllt. Jedenfalls fragte ich arglos, er zog sein Shirt rauf, die Buxe runter und ich bekam spontan Probleme beim Atmen. Ach ja, und er wird tatsächlich ab nächsten Monat fest bei Crazy im Studio arbeiten. Keine Ahnung, wie ich das finde. Toll sicher nicht.

Alles andere als toll ist auch, dass mein Körper immer noch so heftig auf Dante reagiert. Abgesehen davon verstehen wir uns aber supi. Wenn er jetzt noch die Flirterei einstellen würde, wäre das fabelhaft. Also theoretisch. Denn eigentlich kickt es ungemein und das ist das Gefährliche an der Sache. Weil, wenn er anfängt zu flirten, kann ich ja gar nicht anders, als zurückzuflirten und … das ist doch alles nicht zum Aushalten.

 


„Ich möchte mit dir schlafen“, wispert Marcel und küsst meinen Nacken.

Shit, da ist mir ja grad gar nicht nach. Echt, wir hatten letzte Woche Sex, das langt doch erst mal.

„Nee … ich hab Kopfschmerzen“, entgegne ich lahmarschig.

„Wow, so weit sind wir also schon?“

„Hä?“

„Ausreden erfinden. Eli, wenn du keine Lust hast, dann sag’s einfach. Ist doch in Ordnung.“

„Also schön, ich hab keine Lust. Zufrieden?“

Marcel rückt schnaufend von mir weg. Zufrieden wirkt er nicht.

„Vielleicht sollte ich mir ein paar Tätowierungen zulegen, damit ich wieder interessant für dich bin.“

„Wie bitte?“, frage ich etwas geschockt.

„Darauf scheinst du doch momentan zu stehen. Oder haben die Magazine einen anderen Grund?“

„Die hat Dante vergessen. Er wollte mir da drin irgendwas zeigen.“

„Ah, der. Ist er jetzt dein neuer bester Freund? Was sagt’n Tine dazu?“

„Mann“, stöhne ich genervt, „wir sind doch nicht mehr im Kindergarten.“

„Ich glaub auch nicht, dass er mit dir im Sandkasten spielen will.“

„Ey, du hast ihn ein einziges Mal gesehen, da kannst du wohl kaum beurteilen, wo er mit wem spielen will.“

„Okay, dann frag ich ganz direkt … muss ich eifersüchtig sein?“

„Nein“, lüge ich. „Können wir jetzt bitte das Thema wechseln? Danke.“

„Es ist ja nur, weil … ich hab nichts dagegen, dass du irgendwelche Jungs hübsch findest, aber verlieben darfst du dich nicht.“

Bevor ich irgendwas Blödes sage und die Diskussion endlos weitergeht, umarme ich ihn lieber und halte die Klappe.

Eine Stunde später ist Marcel weg und mein Handy klingelt.

„Dante … was gibt’s?“

„Äh, ich bin grad so halb in deiner Nähe. Kann ich vorbeikommen?“

„Meinetwegen.“

Es vergehen kaum fünfzehn Minuten, da hängt Dantes Hose schon auf halb acht. Ey, wieso hat der immer diesen eigenartigen Drang, sich vor mir ausziehen zu müssen? Na ja, okay, er wollte mir die untere Hälfte seines Tattoos zeigen, das inzwischen halbwegs bunt ist.

„Sehr schön“, behaupte ich, „kannst deine Hose wieder anziehen.“

Glücklicherweise macht er das sofort.

„Also verstehe ich das richtig? Du bist nur deswegen mitten in der Nacht hier? Weil du mir unbedingt deinen farbigen Schenkel zeigen wolltest?“

„Nee.“

Bevor ich noch weiter fragen kann, zieht er sein Shirt aus.

„Dante, ich kenne deine Flügel, die sind nicht neu.“

„Ich will dich ficken.“

Es ist normal, dass es anfängt im Magen zu kribbeln, wenn man von jemandem, den man leider immer noch zum Niederknien toll findet, so einen Satz gesagt bekommt, oder?! Vor allem, wenn einen dieser Jemand dabei auch noch SO ansieht. Eli, lass dein Hirn eingeschaltet, nur dieses eine Mal!

„Nein.“

„Äh … doch“, lächelt er gefährlich.

„Es ist eine Sache, etwas zu wollen, aber eine andere, ob man dich lässt.“

„Ich weiß, dass du mich wahnsinnig, wahnsinnig gerne lassen möchtest“, lächelt er noch gefährlicher.

„Darum geht’s doch gar nicht.“

„Dein Freund mit dem hässlichen T-Shirt, mh?“, vermutet Dante und zieht seins wieder an. „Darf ich trotzdem noch bleiben?“

„Nur wenn du dich benimmst.“

„Tu ich doch immer“, seufzt er und lässt sich auf mein Bett fallen. „Hast du vielleicht was zu essen?“

In der Küche krame ich ein paar Reste zusammen und wärme sie auf.

„Kannst du dich nicht mal an die Mahlzeiten in diesem Haus gewöhnen?“, fragt Mom, die grad reinkommt.

„Das ist nicht für mich.“

„Ist Marcel nicht schon vor einer Weile gefahren?“

„Spionierst du mir nach?“

„Ich werde ja wohl noch wissen dürfen, wer dich mitten in der Nacht besucht.“

„Dante.“

„Ist das der mit den bunten Haaren?“ Etwas müde und angestrengt setzt sie sich an den Tisch. „Weiß dein Freund, dass du …“

„Mom“, unterbreche ich sie.

„Dieser Dante …  glaub mir, der ist nichts für dich. Klar gefällt er dir mit seinen bunten Haaren, den Piercings und Tattoos und ich bin mir sicher, er ist super charmant und aufregend … aber er gehört zu der Sorte Männer, auf die man sich besser nicht einlässt.“

„Ich weiß schon, was ich tue, Mom, und du hast ihn einmal kurz gesehen …“

„Er ist wie dein Vater. Der gleiche Typ, es ist fast beängstigend. Und ich will nicht, dass du irgendwann genauso enttäuscht wirst wie ich damals.“

„Dante wird mich sicher nicht mit seinem Kind sitzen lassen.“

„Versuch einfach, meine Fehler nicht zu wiederholen. Egal ob mit Kind oder ohne. Und räum die Sachen bitte nachher in die Spülmaschine, ja?“, sagt sie und geht.

„Mann, das hat ja ewig gedauert“, sagt Dante als ich ihm den Teller gebe.

Ich bin total … ey, Dante ist absolut nicht wie mein dämlicher Erzeuger. Oh Mann, der würde das sicherlich als Kompliment auffassen.

„Ich finde, du kannst froh sein, dass sich dein Erzeuger aus dem Staub gemacht hat. Jetzt hast du wenigstens einen neuen Papi, der gigantomanisch gut kochen kann.“

„Allerdings.“

„Weißt du, was aus deinem Erzeuger geworden ist?“

„Geht so“, weiche ich aus.

„Also hast du Kontakt zu ihm.“

„Nicht wirklich.“

„Wenn Crazy ein paar Jahre älter wäre, würde ich glatt glauben, dass er Marlene damals geschwängert hat“, zwinkert er. „Jedenfalls fänd ich das gut.“

„Hat er aber nicht“, murmle ich.

„Nee. Obwohl Marlene jetzt Typen hat, die vom Alter her meine Freunde sein könnten, stand sie zu der Zeit noch auf ältere Männer. Reiche Männer, von denen sie sich hat aushalten lassen. Dabei hatte sie selbst eigentlich immer schon genug Kohle. Ich glaub, sie fand das einfach … na ja, zu ihrer Person passend oder so. Momentan hat sie einen Kerl, der drei Jahre jünger ist als ich. Das ist vielleicht unheimlich, wenn ich sie besuche und dieser Teenager da rumrennt und sie abknutscht. Ich bin sicher, sie würde es heutzutage sogar bei Torben versuchen. Bei dir wahrscheinlich auch, wenn du hetero wärst. Oh Gott, Marlene wäre auf der Stelle verknallt in dich. Jung, hübsch und schwul.“

„Warum stört dich bei deiner Mutter, was du selbst tust?“

„Hm?“

„Na ja, du stehst offenbar auch auf jüngere Typen.“

„Ach so?“

„Ich bin jünger.“

„Nicht fünfundzwanzig Jahre. Außerdem war das mit dir möglicherweise bloß … eine Ausnahme.“

„So oft?“

„So oft war das gar nicht“, lächelt er. „Oder sagen wir … nicht oft genug.“

„Ich schlage vor, wir wechseln das Thema.“

„Genau. Sonst kannst du dich wieder nicht beherrschen und fällst über … meine Arme her.“

„Das mit dem ins Gesicht spritzen und so … mochtest du das schon immer?“, frage ich beiläufig.

Dante wird zum allerersten Mal überhaupt ein bisschen rot.

„Allerdings, du kleiner Armlecker.“

„Schön, dass wir das geklärt haben.“

„Man kann sich eben nicht aussuchen, was man geil findet“, behauptet er schmollend.

„Aber man muss andere nicht mit harmlosen Sachen aufziehen, wenn man selbst …“

„Wir wollten das Thema wechseln.“

„Das ist echt lustig“, lache ich mich kaputt. „Du bist derart freizügig, dass ich dachte, es gibt nichts, was dir peinlich ist.“

„Es gibt sicher tausend Sachen, die mir peinlich sind.“

„Was’n?“

„Meine ersten Tattoos, zum Beispiel.“

„Du hast gesagt, die Leute wären immer alle zufrieden gewesen.“

„Die hatten ja auch keine Ahnung. Und kein Geld. Die waren froh, dass ich’s denen umsonst gemacht habe … also gestochen … dass ich umsonst gestochen habe. Was?“

„Du bist süß“, grinse ich.

„Wenn du nicht vorhast, mit mir ins Bett zu gehen, solltest du aufhören zu flirten, Eli.“

„Das war doch nicht flirten.“

„Nee?“

Ich rücke ein Stück näher und kratze mit den Fingernägeln leicht über seinen Schenkel.

„Das ist flirten.“

Ratzfatz nimmt er meine Hand weg und verzieht das Gesicht. „Das ist vor allem mein relativ frisches Tattoo, das noch ein bisschen schmerzt.“

Das passiert also, wenn Eli mal den Verführer spielen will. Typisch.

„Tut mir leid … ich hab nicht … dran gedacht“, entschuldige ich mich und trete mir gedanklich den Kopf von den Schultern.

„Kein Problem. Musst halt heute ein wenig sanfter mit mir umgehen.“

Ich schiebe sein Shirt nach oben und verteile kleine Küsse auf seiner Brust.

„So?“

„Eli, du weißt, wohin das führen wird.“

Ja, zum Ende meiner Beziehung. Aber ich kann einfach nicht anders.


Wir hatten keinen Sex. Also Dante und ich, vorgestern. Die ganze Nacht haben wir geknutscht, uns angefasst und so. Na ja, streng genommen hatten wir schon Sex … ein bisschen … jedenfalls sind wir beide gekommen. Keine Ahnung, die Nacht war einfach unglaublich schön und ich hab wohl nicht richtig aufgepasst und jetzt einen verdammten Knutschfleck, den Marcel grad entdeckt hat, und nun will er wissen, von wem der ist.

Ich schätze, rausreden steht nicht zur Debatte.

„Von dir“, behaupte ich. Versuchen kann man’s ja mal.

Marcel schüttelt sofort den Kopf.

„Jutta hatte Recht.“

„Wie bitte?“, frage ich belämmert.

„Dass ich deine Freundschaft zu diesem … Typen im Auge behalten soll.“

„Und seit wann bequatschst du unsere Angelegenheiten erst mal mit meiner Mutter?“

„Seit du nicht mehr ehrlich zu mir bist?“, schlägt er vor.

„Du willst, dass ich ehrlich bin? Okay. Ich hab mit Dante geschlafen. Mehrmals.“

Marcel wird reichlich blass und wirkt völlig fassungslos. Überrascht. Enttäuscht. Verletzt.

Das ist meistens so, oder? Leute schreien lauthals nach der Wahrheit, obwohl sie überhaupt nicht damit umgehen können.

„Und … und wenn dieser Knutschfleck nicht aufgetaucht wäre … hättest du’s mir jemals erzählt?“

„Vermutlich nicht.“

„Weil es dir nichts bedeutet hat?“, hofft er vorsichtig. „Ich meine, wenn es bloß Sex war … das wäre zwar schlimm genug, aber …“

„Nein“, unterbreche ich ihn.

„Was nein?“

„Es war nicht bloß Sex.“

Oh gut, er wird wütend.

„Sag mal, macht dir das Spaß? Nicht nur, dass du fremdgegangen bist … du willst mir das auch noch so ätzend wie möglich mitteilen, ja? Bedeute ich dir gar nichts mehr?“

„Es tut mir leid. Aber wäre es denn leichter, wenn ich’s dir irgendwie netter sagen würde?“

„Das würde mir wenigstens zeigen, dass ich dir nicht völlig scheißegal geworden bin“, entgegnet er bitter. „Wie lange geht’n das schon?“

„Eigentlich … ein paar Monate.“

„Ey, du bist dermaßen abgewichst“, schnauft er, „ich kenne dich gar nicht mehr.“

„Mann, ich hab doch nicht geplant, dich zu betrügen. Es ist halt passiert und …“

„Dann nochmal und nochmal und das über Monate.“

„So ungefähr.“

„Das heißt ja wohl, dass du an unserer Beziehung keinerlei Interesse mehr hast.“ Er springt auf und latscht kopfschüttelnd durchs Zimmer. „Das ist echt unglaublich … du verarschst mich, fickst mit diesem Tattoo-Heini und hast nicht mal genug Anstand, vernünftig mit mir Schluss zu machen, sondern wartest ganz gemütlich darauf, dass ich das jetzt übernehme, oder wie sehe ich das?“

„Ich weiß doch verdammt nochmal auch nicht, was ich jetzt machen soll.“

„Erwartest du etwa so was wie Verständnis? Oder Mitleid? Möchtest du dich vielleicht noch an meiner Schulter ausheulen, weil du verdammt nochmal nicht weißt, was du machen sollst?“, schreit er.

„Natürlich nicht. Aber du könntest versuchen …“

„Ich muss hier raus“, zischt er und rast die Treppe runter. Drei Sekunden später fällt die Haustür ins Schloss und ich höre den Motor von Marcels Auto. Dann ist es still. Nur mein Herz bollert so laut, dass mir fast der Schädel zerspringt.

Die nächsten Tage verbringe ich am Telefon, um Marcel einige Dinge zu erklären, mich zu entschuldigen, ihm zu sagen, dass ich ihn immer noch gern hab und ihn sicher niemals verletzen wollte … aber er drückt mich ständig weg. Logisch. Ich hätte an seiner Stelle wahrscheinlich auch keine Lust, mit mir zu reden. Dafür hat Tine sehr große Lust, mir alles Mögliche an den Kopf zu knallen. Hauptsächlich sind es Vorwürfe.

„Dein Freund ruft mich an und fragt, ob ich von deiner Fremdfickerei wusste. Eli, in was für eine Lage hast du mich da gebracht? Denkst du überhaupt nicht mehr nach, seitdem Dante aufgetaucht ist? Du wolltest die Sache mit Marcel auf die Reihe kriegen und diesen Möchtegern-Tätowierer nicht wiedersehen … bist du dem hörig, oder was? Du hast dich so verändert, ich weiß nicht mal, ob ich unter den ganzen Umständen noch deine beste Freundin sein möchte.“

Die tut so, als hätte ich sie betrogen! Und wie oft hab ich mir ihre Geschichten über irgendwelche Jungs angehört … vor Patti? Hab ich da vielleicht gesagt, dass ich nicht mehr ihr bester Freund sein will? Nein, ich hab versucht, ihr zu helfen. Ich war für sie da, wenn’s mal wieder mit einem nicht geklappt hat. Aber kaum brauche ich so was von ihr … hab ich mich plötzlich so sehr verändert. Als hätte ich mich nur in Dante verliebt, um sie zu ärgern. Als könnte man sich aussuchen, in wen man sich verliebt.

Mom ist übrigens genauso beleidigt, dass ich den tollen Marcel vergrault habe. Und Dante ist ihr Lieblings-Hassobjekt. Neben dem Erzeuger, was allerdings wohl irgendwie aufs Selbe rauskommt.

Um dem Wahnsinn für ein paar Stunden zu entfliehen, gehe ich am Samstag in die Villa und tanze mir die Seele aus dem Leib. Auch wenn die Musik nicht unbedingt mein Fall ist … egal, ich muss mich einfach bewegen und den Kopf freikriegen. Danach kippe ich zwei Flaschen Bier runter, obwohl ich das Zeug eigentlich verabscheue, aber es macht mich schnell breit und das passt mir ganz gut.

„Hi, Eli.“

„Hey, Dante“, rülpse ich beduselt.

„Was’n los?“

„Gar nichts. Mir geht’s fabeldings … haft.“

„Das sehe ich“, nickt er und setzt mich aufs plüschige Sofa.

Ich sehe zwei wunderschöne Arme mit bunten Flügeln, die ich sofort streicheln muss.

Dante lächelt niedlich. „Dir ist schon klar, dass ich inzwischen nur noch deinetwegen andauernd ärmellos rumlaufe, ja?“

„Willst du mich immer noch stechen?“

„Klar. Hast du dir was überlegt?“

„Nee. Ich meinte eigentlich ficken.“

„Du bist betrunken, Eli.“

„Na und?“

„Du bist betrunken, Eli“, wiederholt er.

„Das hat dich beim ersten Mal knutschen auch nicht gestört.“

„Ja, aber wenn du dich erinnerst, hab ich die Situation nicht noch weiter ausgenutzt.“

„Ahhh… wie ritterlich. Dabei behaupten alle, dass du jede Situation total ausnutzt.“

„Du weißt es jetzt besser.“

Unkoordiniert schlinge ich meine Arme um ihn und lutsche ein bisschen an seinem Hals, knabbere mich über seine Schulter und lecke an einem Flügel herum.

„Bloß keine Zeit verlieren, was?“

Ich blicke nach oben und bin mit einem Schlag nüchtern. Vor uns steht …

„Marcel.“

„Ich wollte … nicht mehr wichtig“, sagt er und geht.

„Fuck“, zische ich und gehe ebenfalls. Aufs Klo und kotze das dämliche Bier aus.

Mein Exfreund ist inzwischen natürlich über alle Berge, aber Dante hockt noch auf dem Sofa.

Er drückt mir ein Glas Wasser in die Hand.

„Das war übel“, murmle ich. „Das hätte nicht sein müssen.“

Dann fällt mir ein, dass Dante noch nicht weiß, was vor einigen Tagen passiert ist, also erzähle ich es ihm.

„Hattest du denn vor, dich wieder mit ihm zu vertragen?“

„Nein … keine Ahnung. Ich möchte nur, dass er versteht, warum …“

„Du fremdgevögelt hast? Eli, das kannst du doch jetzt nicht von ihm verlangen. Wärst du mein Freund, hätte ich dir vermutlich aufs Maul gehauen.“

„Marcel ist nicht gewalttätig.“

„Jedenfalls kannst du nicht erwarten, dass er irgendwas macht oder sagt, damit du dich nicht schlecht fühlen musst. Du bist nun mal der Böse in der Geschichte, ob dir das gefällt oder nicht.“

„Stand das heute auf deinem Kluge-Sprüche-Kalender?“

„Na ja, deine Beziehung oder Ex-Beziehung, ist ja auch echt nicht meine Angelegenheit.“

„Du bist der Grund für meine Ex-Beziehung.“

„Nee, Kleiner, versuch nicht, mir die Schuld zu geben, okay? Ich hab dich nicht gezwungen, mit mir zu schlafen.“

Wahrscheinlich glaubt er das tatsächlich. Klar, hat er mich nicht gezwungen. Aber eine Wahl gelassen hat er mir auch nicht.

Komm schon, Eli, das ist Bullshit! Du wolltest es, er hat’s dir gegeben.

Er hätte aber nein sagen können, weil er wusste, dass ich einen Freund habe … hatte.

Und wer ist für dein Handeln verantwortlich, wer bestimmt über dich? Du oder Dante?

„Mir ist schlecht.“

„Ich bin mit Torbens Karre da … soll ich dich nach Hause fahren?“

„Meinetwegen.“


Dante ist Samstagnacht nicht bei mir geblieben. Erwähnte ich mal, dass man von Leuten nichts erwarten darf?! Ich bin krank und keiner sieht nach mir. Na ja, Leo hat mir immerhin eine Suppe raufgebracht, die mich an die sprichwörtliche Suppe erinnert, die man sich eingebrockt hat und auslöffeln muss. Dass Marcel mir dabei nicht helfen will, verstehe ich total. Dass Tine offensichtlich wirklich nicht mehr mit mir befreundet sein möchte, ist ein harter Schlag. Und absolut unbegreiflich. Tja, und Dante … wer weiß schon, was bei dem im Kopf los ist? Mich beschleicht ein sehr ekelhafter Verdacht. Nämlich, dass ich ohne Freund uninteressant geworden bin. Ist bestimmt so’ne Ego-Kiste. Vielleicht findet er es aufregend, wenn sich jemand gegen ihn wehrt, gleichzeitig aber unbedingt will und sich irgendwann nur noch ergeben kann. Dante ist vielleicht ein bisschen wie Valmont. Ich liebe John Malkovich. Der schönste Kuss der Filmgeschichte ist der von ihm und Keanu Reeves in „Gefährliche Liebschaften“. Auch wenn’s eigentlich nur ein Begrüßungsküsschenküsschen ist. Jedenfalls hatte ich auch ’ne gefährliche Liebschaft und jetzt ist alles den Bach runtergegangen. Bleibt noch, mich ins Bett zu legen und zu sterben. Dann können sich Dante und Marcel von mir aus duellieren. Aber Dante liebt mich leider nicht mal annähernd genug, dass er sich freiwillig ins Schwert stürzen würde. Dante liebt mich überhaupt nicht. Der mag lediglich meine Fickfreudigkeit. Aber wahrscheinlich nicht einmal mehr die.

Ich finde es übrigens reichlich schwachsinnig, dass ich andauernd über Jungs nachdenke. Echt, als hätte ich keine anderen Probleme. Andererseits … hab ich ansonsten tatsächlich ein eher leichtes Leben. Wenn man davon absieht, dass ich nicht unbedingt Hier gebrüllt habe, als verschiedene Talente verteilt wurden. Und wenn man davon absieht, dass ich einen Erzeuger habe, den ich nicht persönlich kenne. Da! Schon wieder ein Kerl! Immer Schwierigkeiten mit Kerlen. Ob das irgendeine Strafe ist?

Nach einer Woche mit Schule, aber ohne anderweitige soziale Kontakte, bin ich’s leid, krank zu spielen. Marcel ist weg, also kann ich endlich machen, was ich will. Ich weiß auch schon, was. Einer meiner Villa-Ausgeh-Freunde macht ’ne Friseurlehre, den rufe ich an, zwecks farblicher Veränderung auf meinem Schädel.

Tausend Jahre, viele Blondier- und Tönungsvorgänge später hab ich hellblaue, dunkelblaue und blonde Strähnen. Beim anschließenden Blick in den Spiegel erkenne ich mich fast selbst nicht mehr und Mom kriegt eine Herzattacke. Mir doch egal, Hauptsache, ich sehe nicht mehr so langweilig aus.

„Das sieht voll doof aus“, ist Tines Kommentar, als sie zwei Tage später unerwartet zu Besuch kommt.

„Ist das alles, was du zu sagen hast? Dann kannst du dich gleich wieder verpissen“, ist meine Antwort auf ihr dämliches Gefasel.

„Du musst das verstehen“, behauptet sie, „ich hab Marcel gern und … es geht ihm echt schlecht seit eurer Trennung.“

„Ja, ich bin auch nicht grad in Partystimmung.“

„Warum hast du dann mit ihm Schluss gemacht?“

„Weil er Dantes Knutschfleck gesehen hat und irgendwie führte dann eins zum anderen.“

„Kannst du’s vielleicht noch ein bisschen ätzender und kühler ausdrücken?“

„Tine, ich kann nicht mit Marcel zusammenbleiben, nur weil du uns für ein absolutes Traumpaar hältst.“

„Bist du jetzt mit dem Möchtegern-Tätowierer zusammen?“, fragt sie und zieht eine Fresse, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt.

„Als er deine Würfelkirschen gestochen hat, war er gut genug, mh? Und, nein, wir sind nicht zusammen. Dante steht nämlich nicht auf Beziehungen und deswegen kann er mich am Arsch lecken. Dein hoffnungsvolles Lächeln kannst du dir sparen, denn ich will auch nicht wieder mit Marcel zusammen sein. Ich nehme an, er würde das eh auf gar keinen Fall wollen, nachdem ich fremdgefickt habe.“

Tine überlegt kurz. „Ich glaube, wenn du ihm erklärst … also, er mag dich ja immer noch und …“

„Lass es“, unterbreche ich sie. „Drei Jahre Beziehung reichen. Jetzt ist Spaß haben angesagt.“

„Du redest doch Müll. Eli, du bist überhaupt nicht der Typ, der bloß auf Spaß aus ist. Hast du vor, einen auf Dante zu machen, oder was? Ich kauf dir dein seltsames Getue jedenfalls keine Sekunde ab.“

Ich mir eigentlich auch nicht.

„Das, was ich für Marcel empfinde, langt nicht mehr. Selbst wenn er mich zurücknehmen würde.“

„Ich weiß“, entgegnet sie leise. „Aber Dante wird dich nicht glücklich machen.“

„Du kennst ihn doch gar nicht.“

„Ich kenne die Geschichten über ihn. Glaubst du, die sind alle bloß ausgedacht?“

In meiner romantischen Vorstellung glaube ich das tatsächlich. Die Realität hingegen ist anders.

„Du fehlst mir.“

Tine sieht mich an und schlingt ihre Arme um mich.

„Tut mir leid, ich war wohl in der letzten Zeit keine besonders gute Freundin.“

„Na ja, hab dich schon wesentlich netter erlebt.“

„So doof finde ich deine Haare gar nicht“, flüstert sie und wuselt durch meinen Schopf.


„Du siehst aus wie ein Meermädchen“, behauptet Dante müde. „Süß.“

„Verwandelst du dich in einen Vampir? Das würde zumindest erklären, weshalb du immer bloß abends auftauchst.“

„Dann bitte mich rein und du bist mir vollkommen ausgeliefert.“

Wir gehen nach oben, wo Dante sich augenblicklich auf mein Bett fallen lässt.

„Hat dein Besuch einen bestimmten Grund?“

„Hatten deine Besuche bei mir oder im Jugendzentrum einen?“

Allerdings.

„Klar. Ich wollte deine Arme lecken.“

Dante blinzelt mich an. „Das weiß ich doch.“

Ich setze mich neben ihn und bin irgendwie enttäuscht, weil er lange Ärmel trägt. Das bedeutet, dass es heute keine Einladung zum Sex geben wird, was wiederum meine Theorie bestätigt, dass ich ohne Freund uninteressant geworden bin. Ich finde trotzdem, er hätte das nicht ganz so demonstrativ klar machen müssen. Da ich mich ohne Freund und mit bunten Haaren allerdings praktisch wie ein neuer Mensch fühle, kenne ich keine Hemmungen mehr, schmiege mich an ihn und knutsche ihn einfach auf den Mund. Es besteht immerhin die winzige Möglichkeit, dass ich mich irre. Leider kann ich Dante offenbar doch ganz gut einschätzen. Er küsst zwar für ein paar Sekunden zurück, schiebt mich dann aber weg.

„Mir ist grad nicht danach.“

Na ja, wenigstens hat er nicht behauptet, Kopfschmerzen oder so was zu haben. Mann, jetzt weiß ich, wie Marcel sich gefühlt haben muss, als ich ihn tausendmal hab abblitzen lassen.

Ich kucke so bedröppelt, wie es geht.

„Eli, das hat echt nichts mit dir zu tun.“

Ah, natürlich nicht. Mit wem denn sonst?

„Du weißt, dass ich normalerweise immer geil auf dich bin, aber …“

So als frischgebackener Single machst du mich halt nicht mehr scharf. Sag’s doch einfach!

„… heute war einfach ein Scheiß-Tag. Erst Marlene mit ihrem Teenagerfreund und dann hab ich mich tierisch mit Torben gestresst, der Ärger mit Pia hat und keinen Bock mehr auf die Band, und Crazy … egal. Ist es okay, wenn ich hier penne oder so? Ich hab echt keine Lust auf Zuhause und mag aber auch nicht alleine sein.“

„Sicher“, zucke ich die Schultern.

„Du bist irgendwie der einzige, dessen Anwesenheit mich momentan nicht nervt.“

Wow, das war ja schon fast eine Liebeserklärung!

„Was war denn mit deiner Mutter und … Crazy?“

„Na ja, eigentlich sollte ich ab dem nächsten Ersten bei ihm anfangen, aber wie’s aussieht, bleibt Mike jetzt doch noch und … keine Ahnung. In meiner Welt der Unsicherheiten und Befürchtungen, glaube ich, dass Crazy mich vielleicht doch nicht für gut genug hält.“

„Seit wann hast du Probleme mit deinem Selbstbewusstsein?“

„Immer schon. Allerdings bequatsche ich so was nicht gerne mit anderen Leuten“, seufzt er.

„Hat Crazy gesagt, dass er dich nicht haben will?“

„Nee. Also nicht direkt. Offiziell klappt es für Mike in dem anderen Studio erst in ein paar Wochen. Aber wer weiß schon, ob das tatsächlich die Wahrheit ist. Außerdem musste ich Marlene wegen Geld anhauen, obwohl ich ihr Tage vorher gesagt hab, dass ich nichts mehr brauche.“

„Ich denke, sie finanziert dich gerne.“

„Nicht, wenn ich mich darüber aufrege, dass sie von ihrem Freund, der fast noch in der Pubertät steckt, ein Kind will. Ey, die Frau ist fünfzig … was soll der Scheiß? Die hat’s doch nicht mal geschafft, sich vernünftig um mich zu kümmern und auf einmal will sie auf Familie machen?! Total lächerlich.“

„Äh … geht’n das überhaupt noch?“, frage ich vorsichtig.

„Bei Marlene ist der Zug schon abgefahren. Nein, sie hat sich den feinen Plan ausgedacht, dass Gabor irgendeine Tussi schwängert und sie dann mit ihm das Balg aufzieht.“

„Und wenn die leibliche Mutter das Kind hinterher nicht rausrücken will, treffen sich alle bei Frau Kallwass?“, schlage ich vor.

„Wahrscheinlich. Manchmal wäre es mir lieber, ich wüsste auch nicht, wer meine Mutter ist. Die gute Nachricht ist … Marlene denkt sich gerne mal Schwachsinnigkeiten aus und sieht zwei Wochen später ihren Irrsinn ein. Die schlechte ist … man kann nicht unbedingt auf die gute Nachricht vertrauen. Marlene ist unberechenbar. Vor ein paar Jahren wollte sie sich beispielsweise in Indien einen Guru suchen, der sie erleuchtet. Und als die Sache mit Gabor anfing, wollte sie sich unbedingt seinen Namen tätowieren lassen, weil er doch ihre große Liebe ist und so. Da musste ich sie mal eben an ihre anderen großen Lieben erinnern und schwupps warf sie die super tolle Idee über den Haufen.“

„Klingt nach ständiger Anstrengung.“

„Allerdings.“

„Und was war mit deinem verblödeten Mitbewohner?“

„Komisch, Torben kann dich irgendwie auch nicht leiden.“

Hat der das etwa gesagt? Ey, ich schlag den sofort zusammen!

„Bestimmt, weil du beim Proben auf meiner Seite warst“, überlegt er. „Torben ist irre nachtragend. Der hat sich mal wieder mit Pia gestritten und dabei ist rausgekommen, dass ich wusste, dass sie was mit irgendwelchen Frauen hatte. Jetzt ist er beleidigt, weil er meint, ich als sein bester Freund hätte ihm das sofort sagen müssen, obwohl Pia mich gebeten hat, das eben nicht zu tun. Ey, die beiden gehen mir dermaßen auf den Sack. Jedenfalls stellt Torben plötzlich unsere gesamte Freundschaft infrage und findet, er kann mit mir nicht mehr in einer Band sein. Hätten die zwei von Anfang an mit offenen Karten gespielt, wäre das natürlich alles nicht so eskaliert, aber die mussten es ja hinterm Rücken machen.“

Supi, seit ich es nicht mehr hinter Marcels Rücken machen muss … na ja, lassen wir das.

Wenigstens darf ich später in Dantes Armen einschlafen. Oder besser gesagt, er schläft in meinen Armen ein. Und am nächsten Morgen ist er verschwunden. Weg. Hat sich aus dem Staub gemacht, wie seinerzeit der Erzeuger. Ob so ein Verhalten abfährt, wenn man lange genug miteinander zu tun hat?

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