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The race is over

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Ich habe mit meiner Geschichte „The race is on“ wohl vielen Lesern eine Freude gemacht. Die Resonanz war für mich vollkommen überwältigend. Es war meine erste Geschichte überhaupt und ich hatte viel Spaß beim Schreiben. Jetzt sind einige Wochen vergangen und ich muss gestehen, mir fehlten die Charaktere Marc, Mick, Lukas und Leif. Ich habe nicht gedacht, dass ich das so schnell vermissen würde. Ich habe deshalb nun begonnen, das neue Leben nach dem Rennfahren von Marc niederzuschreiben. Ich hoffe, es wird auch wieder den Lesern gefallen. Allerdings habe ich ein wenig Angst, die hohen Erwartungen nicht erfüllen zu können. Die Geschichte beginnt nun ungefähr ein halbes Jahr nach dem Einzug in das neue Haus in der Schweiz.

Ich habe ganz bewusst die Teile kürzer gehalten. Das war immer wieder ein Teil der Kritik der Leser.

Marc:

Nachdem wir uns mittlerweile in unserem neuen Heim in der Schweiz gut eingelebt hatten und ich viel Zeit hatte, um mit meinen Kindern Mick, Lukas und Leif ein neues Leben als Familie zu beginnen, möchte ich eine kurze Lagebeschreibung machen.

Ich war jetzt seit fast sechs Monaten „Rentner“. Also ich hatte meine Karriere als aktiver Rennfahrer aufgegeben und meine schweren Verletzungen waren so gut wie vollständig verheilt. Ich hatte die Zeit genutzt, mich mit harter Physiotherapie wieder in Form zu bringen. Ich ging dreimal in der Woche laufen, um meinen Körper langsam von dem Profisport zu entwöhnen. Was mich dabei besonders freute, meine drei Söhne hatten ebenfalls Spaß am Laufen gefunden und immer wieder begleitete mich einer von ihnen oder manchmal auch alle drei.

Ich hatte endlich Zeit für meine alte Leidenschaft an alten Autos zu schrauben und sie auch zu fahren. Also an Oldtimerveranstaltungen teilzunehmen. Lukas und Mick hatten mittlerweile ihren PKW-Führerschein begonnen. Allerdings hatte Mick nicht so das technische Interesse wie Leif und Lukas. Lukas half oft auch schon beim Schrauben oder Herrichten der Autos für die Veranstaltungen. Leif war mittlerweile 14 und er hatte sich wirklich toll entwickelt. Seine Unsicherheiten waren fast vollständig verschwunden. Er hatte sicherlich am meisten von meiner Anwesenheit profitiert. Wir haben wirklich viel Zeit zusammen verbracht und viel nachgeholt. Allerdings war er, was seine Freunde betraf, immer noch sehr schüchtern. Außer Tommy, Nico und Lucien hatte er kaum weitere Freundschaften. Er verstand sich natürlich auch weiterhin mit Tim und Manuel sehr gut, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, er traute sich nicht neue Freunde kennenzulernen.

Alle drei gingen weiterhin auf ihre alte Schule im Internat, nur wohnten sie bei uns im Haus. Lukas und Mick hatten ihre eigene Wohnung unter dem Dach und sie hatten sich diese auch selbst eingerichtet. Modern aber nicht ungemütlich. Sie waren auch eigenverantwortlich für die Ordnung und das Putzen. Ich hatte jedem von ihnen einen monatlichen Betrag zur Verfügung gestellt, mit dem sie klarkommen mussten. Sicherlich, wenn eine besondere Situation eintrat, sprachen wir darüber, ob ich sie unterstützen würde. Das für mich Schöne war aber, dass sie beide dennoch sehr oft bei mir waren und wir viel Zeit gemeinsam verbrachten. Ihr Freundeskreis hatte sich immer weiter vergrößert und ihre Beziehung war nahezu perfekt. Ich war mir sicher, dass beide, sobald sie volljährig sind, über eine „Heirat“ nachdenken würden. Auch in der Schule waren sie weiterhin voll akzeptiert und hatten dort jeder eine Aufgabe mit viel Verantwortung übernommen. Mick war mittlerweile zum Schülersprecher gewählt worden, weil Marco sich auf sein Abitur konzentrieren wollte. Lukas war weiterhin Pate einer mittlerweile 7. Klasse und hatte auch dort bereits einige schwierige Situationen überstanden.

Ich saß nun, an einem gewöhnlichen Mittwoch, morgens beim Frühstück und las die Tageszeitung. Das war für mich so etwas wie ein Ritual. Ohne Frühstück mit Zeitung lesen war mein Tag nicht gut gestartet. Meine Jungs waren alle in der Schule und ich studierte gerade die Anzeigen. Ich suchte nämlich nach einer Möglichkeit eine kleine Halle zu finden, um dort an den Autos schrauben zu können. Ich konnte mir auch vorstellen, mir etwas in einer bereits bestehenden Werkstatt anzumieten. Ich hatte nämlich leider eine etwas unangenehme Angewohnheit. Ich hatte konkrete Vorstellungen von meinem Fuhrpark. Leider wurde dieser im Laufe der Zeit immer größer. Ich konnte mich nämlich nicht wieder von den Autos trennen, wenn ich sie hergerichtet hatte. Mittlerweile war ich stolzer Besitzer von vier Oldtimern und drei modernen Fahrzeugen. Das ging in unserer Tiefgarage noch so gerade. Aber ich plante gerade ein neues Projekt und jetzt musste mehr Platz her. Ich hatte auch Tims Vater wieder mal gebeten, für mich auf die Suche zu gehen, aber ich wollte mich nun auch selbst darum kümmern.

Plötzlich klingelte mein Handy und ich zuckte überrascht etwas zusammen. Ich meldete mich mit „Marc Steevens“ und vernahm eine weibliche Stimme, die sich mit Sabine Maergener meldete. Es war Luciens Mutter. Lucien war ein Freund von Leif, Nico und Tommy. Er hatte eine schwere Leukämieerkrankung überstanden und war mittlerweile wieder fast vollständig genesen. Er ging wieder in Nicos Klasse. Ich hatte zu beiden einen guten Kontakt. Lucien war auch oft bei uns zu Besuch. Seine Mutter holte ihn ab und zu auch bei uns ab. So waren wir mittlerweile gut befreundet.

„Hallo Marc, ich hoffe, ich störe dich nicht?“

„Hallo Sabine, nein ich sitze noch beim Frühstück und lese die Zeitung, was kann ich für dich tun?“

„Also ich habe mal eine Frage. Lucien soll ja wieder mit Sport anfangen, um sich körperlich wieder richtig fit zu machen. Aber ich weiß nicht so recht was er schon alles machen kann. Ich wollte dich mal fragen, ob du nicht jemanden kennst, der ihn mal testen kann und ihm dann hilft, körperlich wieder besser zu werden.“

Ich überlegte nicht lange und dachte mir, das wäre doch eine gute Gelegenheit Leif damit zu beschäftigen. Ich würde Lucien testen und dann mit ihm mal klären was er denn gerne machen würde. Ich wusste ja, dass er gerne mit dem Mountainbike unterwegs war. Das machte Leif auch immer viel Spaß, nur traute er sich nicht allein ins Gelände loszufahren. Ich war zwar öfter mit ihm dann unterwegs, aber er sollte das auch ohne mich können.

Ich antwortete also: „Klar kenne ich da jemanden, der das übernehmen könnte. Weißt du denn schon zufällig, was er gerne machen möchte?“

„Er würde gerne wieder mit dem Mountainbike fahren. Das hatte er ja auch schon vor der Krankheit gemacht. Aber ich möchte sicher sein, dass es für ihn noch nicht zu früh ist. Er drängelt ja in letzter Zeit immer mehr. Aber manchmal ist er abends so kaputt, dass er schon um 20 Uhr völlig erschöpft ins Bett fällt.“

Ich musste nun etwas schmunzeln. Lucien war sehr ehrgeizig was seine Gesundheit betraf. Er wollte immer das Maximum erreichen. Das hatte ihm auch geholfen gesund zu werden. Er hatte niemals aufgegeben.

„Also hör mal Sabine, ich schlage dir folgendes vor: Ich werde mit ihm einige Belastungstests machen und dann mal mit Leif sprechen. Er soll ihn auf seinen Touren einfach mitnehmen. Ich denke, das wird für beide gut sein. Ich werde ja auch hin und wieder mitfahren. Am Anfang werde ich Lucien aufbauen und dann kann er bald allein trainieren. Was hältst du davon?“

„Also das würde ihm bestimmt gefallen. Er mag dich wirklich sehr und er freut sich immer, wenn er sich mit Leif verabredet hat, dich auch zu sehen. Aber ist dir das nicht zu viel dann?“

„Nein, warum das denn? Ich habe ja jetzt viel mehr Zeit und außerdem mache ich selbst ja gerne Sport. Wann soll das denn losgehen? Hat sein Arzt dafür sein ok gegeben?“

„Ja Marc, von ihm kommt ja diese Idee. Wann hättest du denn Zeit?“

„Sag Lucien doch einfach, er soll mich heute Nachmittag mal nach der Schule anrufen. Dann mache ich direkt mit ihm einen Termin aus.“

„Das hört sich wirklich richtig gut an. Aber du musst mir dann auch etwas versprechen.“

„Soo, jetzt bin ich aber neugierig.“ Ich war schon früher immer wieder Sabine auf den Leim gegangen. Sie hatte wirklich immer den Schalk im Nacken. Mal sehen, was nun kommen würde.

„Du musst endlich mal bei mir zum Kaffee vorbeikommen. Seit der ersten Begegnung damals beim Fleischer hast du dein Versprechen nicht eingelöst.“

Ups, das war ja jetzt aber peinlich. Hatte sie etwas recht? Wir hatten ja einige Dinge schon gemeinsam gemacht aber immer entweder bei uns oder bei Tim. Hmm, das musste ich dann wohl endlich mal machen.

„Klar, das ist versprochen. Ich melde mich bei dir, wenn ich mit Lucien gesprochen habe. Dann können wir das ja verbinden.“

„Ok, aber wehe, du vergisst das wieder. Dann komme ich persönlich vorbei und hole dich ab.“

Jetzt mussten wir beide herzlich lachen und ich versprach ihr erneut, das endlich mal zu machen. Ich beendete das Gespräch und wollte mich wieder der Zeitung widmen. Allerdings gingen mir seltsame Gedanken durch den Kopf. Warum war ich denn eigentlich dort noch nicht zum Kaffee gewesen? Ich hatte immer wieder daran gedacht und dann doch nicht den Mut gehabt. Ich fand sie schon damals bei der ersten Begegnung sehr sympathisch. Ich mochte sie eigentlich gern. Diesmal wollte ich aber nicht wieder kneifen. Das hatte ich mir vorgenommen.

Nachdem ich den Tisch abgeräumt hatte und die Küche wieder ordentlich war, zog ich mir meine Arbeitssachen an und ging in die Garage. Dort wollte ich an meinem aktuellen Projekt weiterarbeiten. Heute wollte ich endlich den Kabelbaum bei der alten Cobra fertig stellen. Das war eins meiner Traumautos gewesen, schon als kleiner Junge fand ich dieses Auto faszinierend. Ich durfte mal eine bei einer Präsentation fahren und da war mir klar, so ein Gerät wollte ich mal besitzen. Sie hatte einen 7,4 l Achtzylindermotor mit fast 600 PS bei nicht mal eintausend Kilo Gewicht. Ein Monster halt, schwer zu fahren, aber macht unheimlich viel Spaß. Es gab davon immer auch sogenannte Replicas, ich hatte mir allerdings vor einigen Wochen eine Originale gekauft und sie aus den USA importieren lassen. Jetzt wollte ich sie für Europa straßentauglich machen. Ich ging also hinunter und begann mit den Arbeiten. Ich konnte bei diesen Dingen wirklich komplett abschalten. Besonders schön war es immer, wenn Leif mir half. Er hatte viel Spaß beim Schrauben. Nun musste ich aber allein ran. Meine Jungs würden ja frühestens in drei Stunden wieder zu Hause sein. Ich kam aber gut voran und nach zwei Stunden Kabel verlegen kam ich in die Endphase. Die letzten Kabel wurden angeschlossen und dann wollte ich es ausprobieren. Hoffentlich funktionierte nun alles auch so, wie es sollte. Ich setzte mich hinter das Steuer, drehte den Schlüssel um und alle Kontrolllampen leuchteten. Dann probierte ich alle Funktionen und ich hörte die Benzinpumpe arbeiten. Also legte ich nun den Finger auf den Startknopf und dann ratterte der Anlasser und der Motor nahm grollend seinen Dienst auf. Innerlich war ich sehr euphorisch. Ein weiterer Schritt zum TÜV war erfolgreich gemeistert.

Mit einem Blick auf die Uhr sah ich, dass es Zeit würde für meine Jungs das Essen zu richten. Mittwochs hatte meine gute Seele, Frau Ruthy, frei. Ich war also heute fürs Essen zuständig und sprang schnell unter die Dusche und dann gings in die Küche. Ich hatte damit keinerlei Probleme. Ich hatte sogar Spaß am Kochen. Ich war sicher kein Gourmet Koch, aber für den Hausgebrauch reichte es gut. Meinen Jungs schien es jedenfalls immer zu schmecken. Manchmal kochten auch Lukas und Mick für uns. Vor allem in den Ferien mal oder abends.

Ich stand also nun in der Küche und schmeckte meine Sauce ab. Es gab Frikadellen und Bratkartoffeln und dazu einen frischen Salat. Das mochte insbesondere Leif sehr gerne. Ich rührte gerade etwas Pfeffer ein, als ich hörte, wie unsere Haustür geschlossen wurde. Ich vernahm Schritte und dann ein fröhliches „Hallo Papa, hmmm, riecht schon gut hier. Kann ich noch was helfen?“ Leif stand nun neben mir und ich nahm ihn erst mal herzlich in den Arm.

„Nein Leif, ist schon alles so gut wie fertig. Wäre aber schön, wenn du schnell den Tisch für uns decken könntest. Lukas und Mick müssten auch bald kommen. Ich denke, wir sollten gemeinsam essen, oder was meinst du?“

„Klar mache ich. Ja ich wäre auch dafür. Aber ich wollte noch gleich zu Nico. Dort wollen wir etwas mit den anderen Kickern.“

„Wer ist denn mit den anderen?“, wollte ich nun wissen.

Leif war wieder gleich etwas genervt und meinte: „Ach Papa, Nico, Tommy, zwei aus Nicos Klasse und Lucien. Vielleicht kommt Stefanie auch mit ihrer Freundin, wenn sie Zeit haben.“

„Holla, da ist ja volles Haus. Wann willst du dort sein?“

„Ich dachte so um halb vier. Geht das?“

„Klar, macht euch einen schönen Nachmittag. Aber bitte erst die Hausaufgaben.“

Leif machte nun eine Grimasse und verdrehte die Augen. Er mochte es überhaupt nicht an die Hausaufgaben erinnert zu werden. Allerdings hatte es in letzter Zeit immer wieder mal Nachlässigkeiten gegeben. Einmal bekam ich sogar eine schriftliche Mitteilung, dass Leif zum wiederholten Mal seine Aufgaben nicht gemacht hatte. Ich fand das nicht gut, allerdings wusste ich aus meiner Zeit, dass das dazugehörte. Er war mitten in der Pubertät und da will man sich nicht immer von Papa bevormunden lassen. Also ließ ich es dabei bewenden und widmete mich wieder dem Essen. Leif hatte mittlerweile den Tisch gedeckt und saß nun bei mir in der Küche. Er sah mir die ganze Zeit zu. Ich spürte, irgendwas war anders heute. Ich hatte das Gefühl, Leif würde über etwas nachdenken. Ich wusste aber auch, es machte keinen Sinn ihn danach zu fragen. Er würde entweder mit mir reden oder eben nicht. Also sagte ich nichts und wir warteten nun auf die anderen beiden. Plötzlich klingelte mein Handy. Ich konnte aber nicht selber herangehen, weil ich mich ja ums Essen kümmern musste. Also nahm Leif das Gespräch an und es war Lukas, der wissen wollte, ob sie einen Freund zum Essen mitbringen könnten. Ich war überrascht, das kam noch nicht oft vor, dass sie Besuch zum Essen mitbrachten, den ich noch nicht kannte. Ich stimmte natürlich sofort zu und fragte gleichzeitig nach, wann sie denn kommen würden. Lukas erklärte Leif, dass sie in 15 Minuten hier wären. Ich ließ dann von Leif noch einen Teller mehr decken und dann setzte ich mich zu Leif.

Leif war immer noch etwas nachdenklich und ich nahm ihn nun in den Arm und er kuschelte sich an mich. Das war für mich immer wieder schön. Noch fand er das auch noch schön. Manchmal wollte er das aber auch nicht mehr so. Heute aber schmiegte er sich ganz eng an mich und ich spürte, wie sehr er das genoss.

Nach wenigen Momenten holte er tief Luft.

„Papa, ich habe mal eine Frage. Aber du musst mir versprechen, dass Mick und Lukas davon noch nichts erfahren.“

Ich war zwar verwundert aber ich freute mich auch darüber, dass er mir nun doch etwas erzählen möchte. „Leif, du weißt doch genau, wenn du mir etwas erzählen willst, erzählst du es mir und niemandem anderes. Also warum sollte ich das nun anders machen?“

„Also gut. Ich weiß irgendwie nicht, wie ich das anfangen soll. Ich habe im Internat jemanden kennengelernt und ich habe mich mit der Person auch sogar etwas angefreundet und ich lerne auch für die Schule mit der Person. Ich wollte einfach mal fragen, kann ich diesen Freund auch mal mitbringen und hier lernen?“

„Was für eine Frage, natürlich aber warum sagst du mir nicht einfach wer es denn ist?“ Jetzt sah ich, dass er rot wurde und sich förmlich aus meiner Umarmung löste. Es war ihm sichtlich unangenehm. Er druckste herum und dann kam er mit der Wahrheit heraus.

„Also sie heißt Stefanie und geht in meine Klasse. Wir lernen schon seit einigen Monaten zusammen. Sie hat mir in Englisch geholfen und ich ihr in Chemie und Physik. Ich hoffe du hast nichts dagegen?“

Jetzt war ich aber verwundert, warum sollte ich etwas dagegen haben? Plötzlich dämmerte es mir. Ich hatte eine Ahnung, aber das wollte ich besser nicht erwähnen. Ich beließ es also nur bei der Zustimmung, erklärte ihm, dass ich mich über jeden Besuch seiner Freunde freuen würde. Er war nun sichtlich erleichtert und ich konnte direkt spüren, wie er sich entspannte und wieder der lockere Junge war, wie ich ihn so sehr mochte.

Einige Zeit später kamen auch Mick und Lukas nach Hause, sie hatten einen Jungen dabei, den ich noch nicht kannte. Sie stellten ihn mir als Benny vor und dann konnten wir gemeinsam zu Mittag essen. Lukas erzählte von den Dingen aus der Schule und Mick saß neben ihm und hörte zu. Sie wollten sich heute Nachmittag zusammen ein wenig nach einem Auto umsehen. Wenn sie 18 werden, sollten sie ein eigenes Auto bekommen. Ich wollte nicht so gerne, dass sie mit einem von meinen Schätzen fahren. Sie sollten erst mal mit einem normalen Auto anfangen Erfahrungen zu sammeln. Die Fahrerlehrgänge haben zwar schon viel gebracht, aber für mich war da ein Unterschied, ob ich daneben sitzen würde oder sie alleine unterwegs waren.

Lukas fragte mich: „Papa, bist du eigentlich mit deiner Cobra vorangekommen?“

„Ja, ich habe sie vorhin das erste Mal gestartet! Hört sich schon geil an. Denke es wird nicht mehr so lange dauern, bis ich sie dem TÜV vorstellen kann.“

„Wie geil, ich finde das Teil einfach nur scharf. Ein richtig böses Biest“, meinte nun Mick dazu. Leif lachte sich tot über diese Aussage und meinte dann: „Du wirst das Ding jedenfalls bestimmt nicht fahren dürfen. Das ist nur was für Talente hinter dem Steuer.“ Dabei grinste er richtig fies und Mick wollte schon zum Angriff übergehen, da fiel ihm Lukas ins Wort: „Schatz, lass es gut sein. Er hat ja irgendwo recht. Außerdem möchte ich auch nicht, dass du damit fährst. Ich brauche dich nämlich noch in einem Stück.“ Damit brachen wir alle in ein lautes Gekicher aus. Damit war das Thema erledigt. Mick kam nun auf das Thema Autosuche.

„Papa, wenn wir auf die Suche gehen, was dürfen wir denn überhaupt fahren? Und was würdest du uns denn erlauben zu kaufen? Ich weiß da nicht so wirklich Bescheid.“

Ich hatte da allerdings schon konkrete Vorstellungen. Vor allem, was es nicht werden sollte. Allerdings wollte ich sie erst mal suchen lassen und dann mit ihnen darüber reden, was sie sich ausgesucht hatten.

„Also Jungs, ich denke ihr solltet Manuel mal mitnehmen, wenn er hier ist. Schaut doch einfach erst mal was ihr euch so vorstellt. Danach reden wir mal darüber und dann sehen wir weiter. Ich vertraue euch da schon, dass ihr nicht gleich einen Porsche oder Lamborghini möchtet.“ Dabei zwinkerte ich ihnen zu, damit merkten sie, dass ich das nicht so ganz ernst gemeint hatte. Also beendeten wir nun unser Mittagsgespräch. Leif wollte duschen und dann sich mit den anderen zum Lernen und Kickern bei Nico treffen. Die großen Jungs wollten nach oben, aber ich wollte Benny noch ein wenig mehr kennen lernen. Deshalb bat ich die drei noch etwas zu bleiben. Benny war noch 16 und zu Besuch hier. Er blieb für sechs Wochen in der Schweiz und sollte im Internat wohnen und für die Zeit bei Mick in die Jahrgangsstufe gehen. Er war ohne Eltern hier und ich war erfreut, dass meine Jungs sich seiner einfach annahmen und er dadurch nicht so alleine war. Nachdem das geklärt war, ging ich wieder in den Keller.

Unten konnte ich schnell wieder in die Materie eintauchen. Ich begann die Karosserie für den Lackierer vorzubereiten. Ich hatte für die nächste Woche einen Termin bei einer Lackiererei. Die machte eine hervorragende Arbeit, wie ich schon aus vorherigen Projekten wusste.

Ich war gerade dabei einen Schluck Wasser zu trinken, als die Tür zur Garage aufging und die drei großen Jungs hereinkamen. Mick teilte mir mit, dass Leif bereits weg war und sie jetzt auch gehen wollten. Benny sah nun meine Spielzeuge und war sichtlich beeindruckt. Insbesondere der Ford GT und der R 8 Spyder hatten es ihm angetan. Er schien die Autos förmlich zu verschlingen. Kurze Zeit später stand Mick bei mir und der Cobra, er flüsterte mit mir, so dass Benny nicht hören konnte, was wir sprachen.

„Papa, Benny ist allein hier. Irgendwas scheint bei ihm vorgefallen zu sein. Er will aber nicht darüber reden. Dr. Steyrer hat uns gebeten, sich etwas um ihn zu kümmern. Ich hoffe, du bist damit einverstanden?“

„Ja natürlich, ich freue mich, dass ihr euch für ihn einsetzt. Er scheint ganz nett zu sein, also bringt ihn ruhig mit, wenn er es denn möchte. Vielleicht solltest du ihm die Autos mal erklären. Nicht, dass er sie versehentlich verschluckt.“ Dann mussten wir lachen. Benny zuckte zusammen und wurde rot. Er kam zu uns und wollte schnell gehen. Mick ließ das aber erst gar nicht zu und fragte Benny: „Hast du Lust, dass ich dir die Autos zeige und erkläre?“ Benny war sich sichtlich unschlüssig, allerdings spürte ich sein großes Interesse. Ich meinte dann: „Benny, Mick kennt meine Autos wirklich gut. Er kann es dir gut erklären. Es muss dir nicht unangenehm sein. Lasst euch Zeit. Wenn ihr etwas wissen möchtet, meldet euch. Ich ging wieder an die Arbeit. Allerdings klingelte nach kurzer Zeit wieder mein Handy. So kam ich natürlich nicht wirklich voran.

„Steevens“, meldete ich mich. Ich hörte eine klare aber leise Jungenstimme. „Hallo Marc, hier ist Lucien. Ich wollte dich mal fragen, ob du vielleicht Zeit für hast, mit mir ein bisschen für meine Fitness zu trainieren. Ich möchte wieder mountainbiken. Aber ich darf erst wieder fahren hat Mama gesagt, wenn ich körperlich trainiert habe.“

„Hallo Lucien, schön dass du dich meldest. Können wir gerne machen. Ich habe mir auch schon etwas überlegt dazu. Wann hast du denn mal Zeit in den nächsten Tagen?“

„Ich muss morgen nach der Schule zum Arzt und danach hätte ich Zeit. Sagen wir um vier Uhr?“

„Ja, das geht in Ordnung. Um vier bei uns zu Hause, weil ich hier einige Geräte habe, um deine Fitness zu testen.“

„Cool, ich bin um vier bei euch. Und vielen Dank für deine Hilfe.“

„Geht schon in Ordnung. Mache ich gerne. Ich freue mich, dass du wieder mitten im Leben stehst.“ Jetzt spürte ich allerdings bei Lucien eine gewisse Melancholie und ich musste auch an seinen Kampf ums Überleben denken. Er hatte eine ganz harte und schmerzhafte Zeit gehabt.

„Lucien, denk nicht an die Vergangenheit, schau nach vorne. Wir sind alle für dich da. Versprochen. Du schaffst das ganz schnell wieder richtig fit zu werden.“ Das hob seine Stimmung wieder und er lachte fröhlich ins Telefon: „Danke Marc, ich freu mich auch. Bis morgen dann.“ Damit war das Gespräch beendet. Jetzt kam Lukas zu mir, er hatte das Gespräch verfolgt.

„Papa, was wollte denn Lucien von dir? Geht es ihm gut?“

„Er hat mich gefragt, ob ich ihn auf seine Fitness testen kann. Er möchte wieder mit dem Mountainbiken anfangen. Aber dafür soll er erst wieder aufgebaut werden. Das werde ich mit ihm und Leifs Hilfe übernehmen.“

„Tolle Idee Papa“, dann ging Lukas wieder zu den anderen beiden, die am Spyder standen. Mick hatte die Fahrertür geöffnet und Benny saß total schüchtern hinter dem Lenkrad. Er war sichtlich verunsichert. Ich nahm nun einige Autoschlüssel vom Board. Ich hatte immer alle Schlüssel unten in der Garage hängen. Dann konnte jeder sich den passenden Schlüssel nehmen und ich brauchte nicht immer alle Schlüssel mit mir schleppen.

Ich ging zu den drei Jungs und meinte zu Mick: „Hier nimm und fahr doch mal das Auto auf den Hof, da könnt ihr besser schauen.“ Mick nahm nun den Schlüssel und Benny sah mich mit großen Augen an. Er sagte aber nichts. Sie tauschten die Plätze und Mick startete den Motor. Grollend erwachte der Zehnzylinder und Mick fuhr den Wagen souverän mit Benny auf dem Beifahrersitz aus der Tiefgarage. Lukas stand noch neben mir. Ich konnte spüren, dass er sich mit Benny beschäftigte. Ich nahm ihn kurz in den Arm und fragte: „ Was geht dir gerade durch den Kopf? Du bist so abwesend.“ Er zuckte etwas zusammen und meinte: „Ja, Papa du hast Recht. Ich denke darüber nach, was er wohl schon erlebt hat. Irgendwie erinnert er mich an mich damals. Als ich in das Internat kam nach dem Tod meiner Eltern. Wenn ich nicht bei Mick ins Zimmer gekommen wäre und er mich aufgefangen hätte, wer weiß, was aus mir geworden wäre. Ob ich heute noch leben würde?“

Ich konnte ihn verstehen, aber er sollte nicht an die Vergangenheit denken. Wir hatten uns als neue Familie zusammengefunden und ich versprach ihm: „Lukas, eines verspreche ich dir. Sollte es tatsächlich so sein, dass Benny Hilfe benötigt und er euch irgendwann erzählen wird, was bei ihm los ist, dann werde ich genauso für euch da sein, wie damals bei dir. Dann werden wir für ihn eine Lösung finden. Ganz sicher.“ Lukas schaute mich an und er begriff nun, was das bedeutete. Er umarmte mich und flüsterte: „Danke Papa, ich bin so froh hier zu sein und so eine Familie zu haben.“

„Komm, lass uns zu den beiden hinaus gehen. Vielleicht können wir ja Benny ein wenig seine Angst nehmen.“ Wir gingen nun auch mit nach draußen, wo Benny nun wieder hinter dem Steuer saß und sich die Bedienung von Mick erklären ließ. Er war fasziniert. Allerdings als er sah, dass ich nun mit Lukas hinzu kam, stieg er aus und meinte dann: „Oh, Herr Steevens, ich hoffe es war nicht schlimm, dass ich mich hineingesetzt habe.“ Dabei sah er richtig ängstlich aus.

Ich war verwundert, warum war er so verunsichert? „Ist schon in Ordnung, sagt mal, was habt ihr denn eigentlich heute noch vor? Wolltet ihr nicht nach Autos schauen? Wenn ihr noch länger hier meine Autos anschaut, schafft ihr das nicht mehr. Lukas und Mick haben doch noch Training später. Meine Autos laufen nicht weg. Ihr könnt jederzeit wieder kommen, damit meine ich vor allem dich, Benny. Du bist hier jederzeit willkommen. Ich mache euch jetzt einen Vorschlag. Ich gehe mich schnell umziehen, Mick zeigt dir so lange noch hier ein paar schöne Sachen und dann machen wir uns gemeinsam mal auf den Weg für euch ein passendes Fahrzeug zu finden. Was meint ihr?“ Meine Jungs strahlten, aber Benny sah mich an wie ein Gespenst. Ich spürte bei ihm eine Art von Starre. Es schien so, dass er so etwas überhaupt nicht kannte. Ich musste wirklich mehr wissen von dem Jungen. Irgendetwas hatte diesen Jungen so verstört.

„Papa, das wäre ja echt cool. Darf Benny dann mitkommen?“, fragte Lukas.

„Natürlich, wenn er möchte. Mick fährst du bitte den Spyder wieder rein und dann überlegt euch, ob wir den S8 nehmen oder das Eldorado Cabrio.“ Das war eines meiner verrücktesten Autos überhaupt. Ein ´59er Cadillac Cabrio. Ich hatte es bei einer Oldtimer Auktion erstanden und völlig restaurieren lassen. Er hatte einen 8,2 Liter V8 Motor den ich ein wenig überarbeiten ließ. Ein wahres Schlachtschiff aber bildschön.

Ich ging also ins Haus und ließ die Jungs allein. Nach etwa zehn Minuten kam ich wieder auf den Hof und sah die Drei im Cadillac sitzen und sie grinsten mich an. Natürlich war das Dach offen und ich stieg ein. Dann rollten wir fast geräuschlos, nur das blubbern des Achtzylinders war zu hören, vom Hof.

„Wo wollt ihr denn zuerst hin? Habt ihr schon mal was herausgesucht?“

„Ja“, sagte Mick und nannte mir eine Adresse. Es war ein Autohändler, der mir irgendwie bekannt vorkam. Ich überlegte und dann fiel es mir wieder ein. Es war das Autohaus, in dem Manuel seine Ausbildung gemacht hatte.

„Sagt mal Jungs, ihr wisst wo wir jetzt hinfahren?“ Mick grinste mich vom Beifahrersitz an, da wusste ich Bescheid. Also dauerte es nicht sehr lange und ich bog auf den Hof des Autohauses. Einen Parkplatz mit einem Sechs-Meter-Monster zu finden ist nie ganz einfach, aber das gelang dann doch recht gut. Wir stiegen aus und Lukas und Mick machten sich direkt auf den Weg zu ihrem Objekt der Begierde. Benny blieb bei mir ein wenig zurück. Ich nutzte die Gelegenheit und fragte ihn, wo er herkommen würde. Er war wirklich sehr schüchtern und ich musste ernsthaft jede Kleinigkeit aus ihm heraus fragen. Er kam aus Ostwestfalen in Deutschland und seine Eltern hatten sehr wenig Zeit für ihn. Er sollte hier in der Schweiz zur Probe auf das Internat gehen. Er erzählte mir nur, dass er insbesondere seinen Vater vermissen würde. Was mich irritierte war, dass er nur von seinem Vater sprach. Weder von seinen Geschwistern noch von seiner Mutter. Ich erfuhr, dass er der Jüngste von fünf Geschwistern war und sein Vater einen guten Job im Finanzwesen hatte. Von seiner Mutter erzählte er gar nichts. Allerdings hatten wir ja auch nur ein paar Minuten Zeit, bis wir dann auch bei den anderen beiden ankamen. Sie standen an einem älteren Audi 80 Cabrio in dunkelblau. Es war bereits 18 Jahre alt, war aber optisch in einem guten Zustand. Ich war überrascht über diese Auswahl. Ein so altes Auto hatte ich nicht erwartet. Preislich war es im vorgegebenen Rahmen. Es sollte 9000 SFr kosten. Allerdings fand ich das etwas viel für ein so altes Auto. Aber das würde sicher noch zu verhandeln sein.

Lukas stand vor dem Auto und schaute schon an den kritischen Stellen nach möglichem Rost. Er hatte sich scheinbar gut vorbereitet auf dieses Modell. Mick stand neben Benny und erklärte ihm, warum sie sich genau dieses Modell ausgesucht hatten. Es war erst 75 000 km in 1. Hand gelaufen. Also das war für das Alter sehr wenig. Ich meinte dann: „Das soll es also sein, ein Cabrio?“

Mick strahlte mich an und erwiderte: „Ja Papa, im Winter fahren wir ja eh nicht wirklich viel und ich liebe es offen zu fahren. Außerdem ist die Karosserie ja verzinkt. Und dieser hier hat den 2,3 l Fünfzylinder und nicht den durstigen V6.“

Er hatte sich wirklich ausgezeichnet vorbereitet. Ich war erstaunt. Jetzt ging Lukas zu ihm und sie standen Arm in Arm vor dem Auto und schauten mich erwartungsvoll an. Ich musste schmunzeln. Benny schaute auch etwas irritiert. Ich fragte dann direkt: „Sagt mal Jungs, habt ihr Benny eigentlich erzählt, dass ihr ein Paar seid? Er sieht nämlich so aus, als ob er grade verwirrt ist.“ Dabei musste ich lachen. Meine Jungs lachten ebenfalls und Mick meinte: „Nein, gesagt haben wir es noch nicht aber ich denke, er würde es sehr schnell merken. In der Schule weiß es ja auch jeder.“

Benny sah mich nun fragend an. Ich wollte ihm die Situation erleichtern und meinte dann: „Benny, die beiden sind zwar jetzt Brüder, aber Lukas ist Micks Stiefbruder. Ich habe ihn adoptiert und deshalb können sie ohne Probleme ein Paar sein. Also alles in Ordnung. Hier weiß es wirklich mittlerweile jeder in unserem Freundeskreis, dass die beiden schwul sind. Wenn du unsere Freunde noch kennen lernen wirst, wirst du merken, dass es hier noch mehr davon gibt. Also ich hoffe, das wird für dich kein Problem sein?“

Er war nun wirklich etwas sprachlos und sagte dann etwas Überraschendes: „Nein, ich habe keine Probleme damit, aber ich würde mir auch so eine Familie wünschen, wo das kein Problem ist. Ich bin so froh hier Gleichgesinnte zu finden.“ Nun war es an Mick und Lukas blöd aus der Wäsche zu schauen. Mick fand als Erster seine Worte wieder. „Du bist auch schwul? Ich fasse es ja nicht. Willkommen im Club der 10 %.“ Dann ging er auf Benny zu und umarmte ihn. Benny war überwältigt und ich konnte sogar ein paar feuchte Augen sehen. Dann begann mir Mick von dem Auto zu berichten. Ich fand diesen Sprung etwas heftig und wollte Benny noch etwas sagen: „Du musst dich hier bei uns nicht verstellen. Ich denke, alle unsere Freunde werden dich so akzeptieren und dich unterstützen. Wenn du Fragen hast, kannst du immer zu mir kommen. Du bist ja hier ohne deine Familie und ich würde mich freuen, wenn du in dieser Zeit zu unserer Familie gehörst. Wir werden dich unterstützen, wo wir können. Ich denke, wir werden später noch mehr Gelegenheit haben, uns besser kennenzulernen.“ Jetzt bekam er große Augen und ich spürte seine Verlegenheit, ich ging auf ihn zu und umarmte ihn. Er war sichtlich gerührt.

Ich widmete mich nun wieder dem Auto. Ich schlug Lukas vor, er sollte doch mal nach einem Verkäufer schauen und ihn bitten, uns das Auto etwas näher zu zeigen. Mir war das Auto entschieden zu alt für meine Jungs. Sie sollten lieber ein sicheres Auto bekommen. Der Audi hatte zwar schon zwei Airbags und war für damalige Verhältnisse sicher ein sehr sicheres Auto. Benny ging nun zu Mick und er fing sogar an, sich mit ihm etwas lockerer zu unterhalten. Kurze Zeit später kam Lukas mit einem jungen Verkäufer zurück. Als beide dann bei uns ankamen, stutzte der Verkäufer kurz. Ich hatte das Gefühl, er überlegte einen Moment, woher er mich kennen würde, dann sagte er plötzlich: „Guten Tag Herr Steevens, mein Name ist Michael Meier, ich freue mich, sie mal wieder hier zu begrüßen. Seit Manuel hier nicht mehr arbeitet, habe ich sie nicht mehr gesehen.“

„Hallo Herr Meier, sie kannten Manuel noch?“

„Ja, ich habe mit ihm gleichzeitig hier gelernt, er in der Werkstatt, ich als Verkäufer.“

„Das ist schön, dann sind wir hier, glaube ich, genau richtig. Meine Jungs werden bald 18 und sollen ein eigenes Auto bekommen. Sie haben bereits den Führerschein begonnen und interessieren sich nun für diesen Audi. Ich würde sie bitten uns etwas über dieses Fahrzeug zu erklären.“

Das tat er dann auch und ich war wirklich sehr angetan, er wusste gut Bescheid und konnte alle Fragen beantworten. Dann kam er zum Thema Probefahrt. Er fragte, ob wir nicht eine Probefahrt machen möchten. Ich schaute etwas irritiert, weil Mick und Lukas ja noch nicht fahren durften. Ich klärte Herrn Meyer darüber auf und bekam dann eine etwas überraschende Antwort: „Sie können doch fahren und die Jungs sind dabei.“

So machten wir es dann auch. Das Auto war wirklich in einem exzellenten Zustand. Es hatte eine Lederausstattung und auch sonst eine komplette Ausstattung. Wir kamen nach einigen Minuten zurück und Herr Meier hatte mittlerweile meinen Caddie entdeckt. Wir stellten den Audi vor ein Hallentor, ich wollte ihn gerne auch von unten sehen. Dann gingen wir zu den anderen drei. Herr Meier war begeistert von meinem Kunstwerk. Lukas hatte mittlerweile den Motor gestartet und das Blubbern und Bollern war schon deutlich vernehmbar. Herr Meier bekam richtig glänzende Augen. Wir vereinbarten, dass wir, nachdem wir den Audi auf der Bühne hatten, eine Runde mit dem Caddie fahren würden. Herr Meier freute sich sichtlich. Nach einer halben Stunde waren wir wieder auf dem Hof und verblieben so, dass wir uns melden würden bzgl. des Audis. Ich wollte lieber ein jüngeres Auto haben. Das mussten wir also noch mal diskutieren.

Als wir wieder zu Hause ankamen, war Benny sichtlich beeindruckt von diesem Erlebnis. Die drei Jungs wollten noch gemeinsam zum Training und ich konnte nun endlich doch noch etwas an meiner Cobra arbeiten.

Der Abend verlief ohne weitere Vorkommnisse und ich ging dann irgendwann um kurz nach Mitternacht ins Bett. Ich hatte die Hälfte der Karosserie nun soweit für die Lackierung. Leif kam so gegen halb zehn von Nico nach Hause und ging dann auch recht zeitig schlafen. Die großen Jungs hatte ich nicht mehr gesehen. Das war aber für mich völlig in Ordnung. Sie hatten ja ihre eigene Wohnung und ich wollte das auch genauso haben. Sie sollten nicht mehr ständig Bescheid sagen müssen. Und ich vertraute ihnen, wenn etwas wäre, würden sie zu mir kommen.

Am nächsten Morgen hatten Leif und ich gemeinsam gefrühstückt. Die großen Jungs waren schon früher aus dem Haus gegangen. Leif konnte etwas länger schlafen. Danach machte ich mich wieder an die Cobra und so gegen elf kam unsere gute Seele Frau Ruthy. Ich besprach kurz, was heute ansteht und dass ich um vier mit Lucien in den Fitnessraum wollte. Wir verabredeten uns für halb drei zum Essen mit allen. Sie wollte das so vorbereiten. Ich hatte endlich mal einen ruhigen Vormittag und hatte viel geschafft. Ich hatte ein wenig die Zeit vergessen, denn plötzlich kam Mick zu mir in die Halle und sagte ich sollte doch mal zum Essen kommen.

„Nanu, wie spät ist es denn?“

„Hihi, es ist schon fast 15 Uhr“, meinte Mick belustigt. Ich hatte die Zeit vollkommen aus den Augen verloren. Durch das Schleifen und Spachteln sah ich nun nicht grade essenstauglich aus. Also doch noch schnell unter die Dusche und dann ab zum Essen.

Als ich dann endlich in die Küche kam, zeigt Mick mir ganz demonstrativ seine Armbanduhr. Ich wusste, was das zu bedeuten hatte. Ich war nämlich immer der Pünktlichkeitsfanatiker. Also musste ich mir nun auch mal den Spott anhören, den ich sonst immer austeilte.

Wir saßen nun gemeinsam am Tisch und die Jungs erzählten von der Schule und natürlich war auch das Auto von gestern wieder Thema. Ich sagte deutlich, dass ich mit einem solchen Auto eigentlich nicht einverstanden war. Allein aus Sicherheitsgründen. Mick und Lukas sahen das natürlich völlig anders. Es entstand eine recht lebhafte Diskussion, plötzlich haute Leif auf den Tisch und rief: „Könnt ihr vielleicht mal aufhören, immer nur von diesem Scheiß Auto zu reden. Das nervt. Klärt das woanders und nicht am Esstisch.“

Wir sahen uns erschrocken an und es herrschte Stille. Ich war erstaunt über diese Reaktion.

„Leif, kannst du mir mal sagen, warum du hier so aggressiv bist?“

„Man, es nervt einfach. Seit zwanzig Minuten streitet ihr über dieses blöde Auto. Das könnt ihr doch auch allein und woanders machen. Ich möchte hier in Ruhe essen. Außerdem dauert es doch noch etwas, bis sie das Auto brauchen.“ Dabei machte Leif einen etwas nachdenklichen Eindruck. Ich hatte ihn ganz selten so bestimmt auftreten erlebt. Mal sehen, was er da ausbrütete.

„Ok Jungs, ihr habt gehört was Leif gesagt hat, also lasst uns das auf später verschieben. Ich treffe mich gleich mit Lucien zum Fitnesstest. Was habt ihr vor?“ Jetzt sah mich Leif wieder mit großen Augen an, allerdings viel freundlicher.

„Wie, du machst mit Lucien einen Fitnesstest? Kann er wieder mit Sport anfangen? Dann kann ich ja wieder mit ihm biken gehen.“ Dabei bekam er ein echtes Leuchten in die Augen.

„Naja“, sagte ich, „bis dahin wird es wohl noch etwas dauern, aber das ist jedenfalls der Plan. Wenn du magst, kannst du gleich mitmachen.“

„Mist, ich bin mit Stefanie zum Lernen verabredet. Aber in einer Stunde bin ich wieder da, seid ihr dann noch hier?“

„Ich denke schon, wir müssen ja dann noch den Plan ausarbeiten.“

Jetzt meldeten sich Lukas und Mick zu Wort. Sie erklärten mir, dass sie heute mal wieder mit Tim etwas unternehmen wollten. Abends wollten sie sich bei Tim treffen. Allerdings wollte Mick nochmal mit mir über Benny sprechen. Jedenfalls hatten sie Benny heute Abend auch eingeladen.

„Mick, lass uns doch morgen mal in Ruhe darüber reden. Jetzt muss jeden Moment Lucien hier sein. Ist das ok oder ist es etwas sehr Dringendes?“

„Nein, das ist schon ok. Aber ich glaube, es gibt da ein echtes Problem mit dem Jungen.“

„Ok“, meinte ich dann, „lass uns da morgen mal in Ruhe reden. Wann passt es euch?“

„Sagen wir direkt nach dem Mittagessen? Danach wollten wir mit Benny mal was anderes machen. Er wollte mit uns unbedingt mal auf eine Skaterbahn. Mal sehen, ob wir das lebend überstehen.“

Ich musste nun lachen, meine großen Jungs auf einer Skaterbahn. Sie waren meines Wissens noch nie Skateboard gefahren. Deshalb merkte ich an: „Soll ich dann schon mal ein Rettungsteam für euch ordern?“ Daraufhin zeigten mir beide den berühmten Mittelfinger und sie verabschiedeten sich bis später. In diesem Moment klingelte es auch bereits an der Tür. Leif ging zum Öffnen und wollte sich dann mit Stefanie zum Lernen treffen. Er begrüßte noch Lucien und fuhr dann mit dem Rad los. Ich bat Lucien herein und schickte ihn schon mal zum Umziehen nach unten. Er kannte sich ja bei uns schon ganz gut aus. Als ich dann auch nach unten kam, hatte er sich gerade seine Jeans ausgezogen und stand nur noch in Boxershorts vor mir. Er sah wirklich noch sehr hager aus. Auch sein Körper war noch nicht so entwickelt wie der von Leif. Ich dachte so für mich, dass durch die Medikamente seine körperliche Entwicklung etwas verzögert wurde. Jedenfalls konnte ich noch keine Haare auf seiner Haut erkennen. Es schien ihm auch etwas unangenehm zu sein, so halb nackt vor mir zu stehen. Ich nahm ihm die Anspannung etwas, in dem ich direkt in den Fitnessraum ging. Er sollte dann nachkommen, wenn er soweit wäre.

Ich erklärte ihm, was ich vorhatte und dann arbeiteten wir über eine dreiviertel Stunde an den verschiedensten Geräten. Lucien wurde immer erschöpfter, aber er biss sich durch. Am Schluss sagte ich dann noch: „So, genug für heute. Du hast wirklich gut mitgemacht. Wir gehen jetzt erst mal duschen und dann besprechen wir, wie es weitergeht, ok?“

Er sah mich traurig an und sagte: „Ich habe keine Duschsachen dabei. Ich hatte nicht gedacht, dass wir gleich so heftig trainieren würden.“

„Kein Problem, ich gebe dir ein Handtuch und ein paar Sachen von Leif. Du brauchst ja nur eine Boxer und ein paar frische Socken oder?“

„Ein frisches T-Shirt wäre noch gut.“

„Alles klar, ich hole dir gerade mal die Sachen. Du kannst schon in die Dusche gehen, ich bringe dir die Sachen gleich.“ Dann ging Lucien nach nebenan in die Dusche und ich kurz nach oben, um von Leif die Sachen zu holen. Als ich wenige Minuten später wieder nach unten kam, hörte ich wie das Wasser rauschte und ich legte die Sachen für Lucien bereit. Einige Augenblicke später hörte ich ein dumpfes Geräusch. So als ob jemand stark aufgetreten war oder so ähnlich. Ich rief nach Lucien, ob alles in Ordnung sei. Als ich keine Antwort erhielt, klopfte ich mehrfach, immer noch keine Antwort. Ich öffnete vorsichtig die Tür und betrat die Dusche. Ich erschrak. Lucien saß auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Er zitterte am ganzen Körper. Ich drehte sofort das Wasser ab und hockte mich vor ihn. Er war kaum in der Lage etwas zu sprechen. Ich hob ihn hoch und trug ihn nach nebenan, legte ihn erst mal auf die Massageliege und deckte ihn mit einer Decke zu. Ich holte eine Flasche Wasser und gab ihm in kleinen Schlucken zu trinken. Er beruhigte sich dann wieder und ich fragte ihn: „Lucien, was ist passiert?“

„Ich weiß auch nicht, plötzlich ist mir unter der Dusche schwindelig geworden. Danach weiß ich erst wieder was passiert ist, als du kamst.“ Er war sichtlich niedergeschlagen und seine Augen füllten sich mit Tränen. Ich strich ihm ganz vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht und sagte dann nur noch: „Du musst nicht traurig sein. Es ist vermutlich meine Schuld. Ich habe zu viel von dir verlangt. Dein Körper ist noch nicht so fit wie wir glauben. Mach dir keine Sorgen, wir bekommen das aber hin.“ Dann gab ich ihm das Handtuch und er stand dann ganz langsam auf und zog sich dann wieder an.

„Ich gehe jetzt grad unter die Dusche. Wenn es dir wieder schwindelig wird, komm bitte sofort zu mir in die Dusche, ok?“ Er nickte wortlos und dann ging ich duschen. Sein Körper war wirklich noch sehr kindlich. Also musste ich wirklich noch vorsichtiger mit ihm arbeiten. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich hätte vorher doch noch mehr mit ihm reden sollen. Nach wenigen Minuten kam ich aus der Dusche und Lucien saß bereits angezogen auf einem Stuhl und wartete auf mich. Die Wasserflasche hatte er mittlerweile komplett ausgetrunken. Das war schon mal ein gutes Zeichen.

„Wann kommt eigentlich deine Mutter um dich abzuholen?“, fragte ich ihn nun.

„Ich soll sie anrufen, wenn wir fertig sind.“

„Das ist ja gut. Komm, dann lass uns nach oben gehen. Möchtest du eine Cola trinken oder lieber was anderes?“

„Wenn es geht, wäre Cola gut. Zu Hause soll ich immer keine Cola trinken. Mama meint immer, ich wäre noch zu jung für Cola.“ Ich musste lachen. Da musste Sabine aber mal langsam anders mit umgehen. Der Junge war immerhin schon 13.

Also gingen wir mit einer großen Flasche Cola nach oben und setzten uns an meinen Computer. Dort werteten wir seine Ergebnisse aus und ich erstellte mit ihm einen Trainingsplan. Nach einer weiteren halben Stunde waren wir soweit fertig. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Leif mittlerweile zu uns in den Raum gekommen war. Er begrüßte dann Lucien und ich staunte nicht schlecht. In der Tür stand ein Mädchen, das ich vorher noch nie gesehen hatte. Sie hatte dunkelblonde schulterlange Haare und sah wirklich nett aus. Ein hübsches Mädchen, wie ich fand. Ich stand nun auf und ging zu ihr hin und begrüßte sie. Ich gab ihr die Hand und sagte: „Hallo, ich bin Marc Steevens und Leifs Vater. Darf ich fragen, wer du bist? Leif hat es ja nicht nötig seinem Vater seine Gäste vorzustellen.“ Jetzt wurde sie rot und Leif ärgerlich.

„Papa, was soll das? Ich hatte ja noch gar keine Zeit dir Stefanie vorzustellen.“

„Ist schon gut, Kleiner. Ich denke, wir werden es überleben.“ Dann drehte ich mich wieder dem Mädchen zu und fragte sie: „Also du bist die Stefanie, die immer mit Leif für die Schule lernt?“

„Ja, Herr Steevens, das stimmt. Ich hoffe wir stören grade nicht.“

„Freut mich dich mal kennenzulernen. Was habt ihr heute noch so vor?“ Jetzt wurde sie wieder etwas verlegen und Leif übernahm das Reden.

„Wir wollten nur meine Schulsachen gerade hier ablegen und dann noch ein Eis essen gehen. Wir haben schon viel gelernt und ich will uns mal belohnen bei dem schönen Wetter.“

„Macht das mal und viel Spaß“, dabei zwinkerte ich Leif zu. Er wurde dabei sofort rot. Innerlich musste ich schmunzeln. Mein kleiner Leif war also dabei sich ein nettes Mädchen zu angeln. Schau an. Lucien hatte das auch sofort bemerkt. Er meinte dann: „Ich glaube, Leif scheint Stefanie zu mögen.“ Ich grinste ihn an und dann rief er seine Mutter an.

„Wenn du mit deiner Mutter gesprochen hast, frag sie doch mal, ob sie noch Zeit für ein Eis hat. Dann könnten wir noch zusammen ein Eis essen.“ Lucien lachte und meinte dann: „Du bist aber auch gemein, du willst doch nur gucken, was Leif dort mit Stefanie macht.“

„Kann gar nicht sein, ich weiß doch gar nicht, wo sie Eis essen sind.“ Musste aber grinsen nachdem Lucien das gesagt hatte. Er meinte dann nur, dass seine Mutter nichts dagegen hätte und sie würde gleich bei uns sein. Wenige Minuten später saßen wir in unserer Stamm-Eisdiele und natürlich war Leif mit Stefanie auch hierhin gegangen. Ich konnte sie an einem der hinteren Tische sitzen sehen. Sie hatten uns noch nicht bemerkt und ich bat Sabine unsere Bestellung aufzugeben. Ich wollte draußen sitzen bleiben, damit Leif mich nicht bemerkte. Beide saßen sich gegenüber und es schien so, als ob sie sich sehr angeregt unterhielten. Mittlerweile waren Sabine und Lucien auch wieder an meinen Tisch zurückgekehrt. Als wir unsere Bestellung bekamen, standen Leif und Stefanie von ihrem Tisch auf und Stefanie nahm ihn kurz in den Arm und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. Ich staunte nicht schlecht, Leif schien sie eingeladen zu haben. Ich stand nun schnell von unserem Tisch auf und ging Richtung Auto, damit sie mich nicht erkannten. Sie verließen das Cafe und grüßten noch Lucien und seine Mutter. Mich hatten sie nicht bemerkt. Ich ging also wieder zurück an unseren Tisch. Ich erklärte den beiden nun, warum ich nicht wollte, dass mich Leif entdeckte. Sabine schmunzelte und fragte dann: „Sag mal Marc, könnte es sein, dass dein Jüngster vielleicht aus der Art geschlagen ist und sich tatsächlich für die Mädels interessiert?“ Dabei musste ich unwillkürlich lachen.

„Ja, es sieht wohl so aus. Ich habe allerdings offiziell noch keine Ahnung von einer Freundin. Wobei Mick schon mal vor längerer Zeit so etwas in der Art erwähnt hatte. Ich lasse mich mal überraschen, was da so kommt.“

„Wie sieht es denn mit Luciens Fitness aus? Seid ihr gut zurechtgekommen oder war dir Lucien zu anstrengend?“

„Also aus meiner Sicht sind wir gut klargekommen. Ich denke, wir werden das hinbekommen, dass er in ein paar Wochen wieder richtig biken kann. Oder was meinst du, Lucien?“

Er lächelte mich an und sagte zu seiner Mutter: „Mama, ich bin zwar jetzt total erschöpft, aber Marc hat tolle Übungen mit mir gemacht und ich würde gerne wieder mit Marc trainieren. Allerdings weiß ich nicht, ob das einfach so geht. Marc, du hast doch immer so wenig Zeit.“

Ich sah nun in Sabines Gesicht und konnte ein Lächeln erkennen. Sie war sichtlich glücklich über diese Aussage. Deshalb unterstützte ich Lucien und meinte dann Folgendes:

„Also ich kann mir das gut vorstellen. Leif würde auch gerne wieder mit dir biken und hat sich schon sehr auf dich gefreut. Er würde bestimmt auch das eine oder andere Training übernehmen. Ich schlage also vor, wir machen übermorgen weiter mit dem Training und wir können auch mal aufs Rad steigen und ein paar Kilometer fahren. Was meinst du, hast du Lust Lucien?“

„Klar, das wäre echt toll. Ich würde so gerne wieder biken können. Mama, darf ich denn mit Marc so trainieren?“

Seine Mutter freute sich sichtlich und gab uns grünes Licht. Ich schlug nun vor, übermorgen mit Lucien und Leif gemeinsam zu trainieren und dann anschließend bei ihnen abends zum Essen vorbeikommen. Das fand Sabine eine tolle Idee. Also verabredeten wir uns und dann brachte mich Sabine nach Hause. Meine großen Jungs waren ja unterwegs und Leif war auch noch nicht wieder zu Hause. Ich ging nun also mal wieder an meinen PC, um meine E-Mails zu lesen. Seitdem ich nicht mehr so viel unterwegs war, hatte ich auch viel weniger Terminanfragen. Ab und zu mal eine PR-Aktion oder einen Lehrgang mit Nachwuchsfahrern, aber nichts Stressiges. Allerdings hatte ich auch eine E-Mail von Dr. Steyrer bekommen. Dort bat er mich um ein Gespräch in der Schule. Ich war doch etwas verwundert. Meine Jungs hatten mir nichts erzählt, dass es irgendwo Probleme geben würde. Also nahm ich das Telefon und rief direkt in der Schule an. Natürlich war dort niemand mehr anzutreffen. Ich sprach auf den AB und bat um Rückruf.

Ich ging nun in den Keller und betrachtete meine Cobra. Ich war schon ganz zufrieden damit. Ich begann mir auch Gedanken über das Auto für meine Jungs zu machen. Ich wollte, dass sie ein modernes Auto bekommen würden. Der Preis war eigentlich nicht so wichtig, ich wollte erst mal sehen, was sich meine Jungs denn so vorstellten. Also sie waren ja sehr zurückhaltend und das fand ich positiv. Das andere Thema war für mich Benny. Ich konnte diesen Jungen überhaupt nicht einschätzen. Allerdings sagte mir mein Gefühl, der Junge hatte mehr zu verbergen, als wir bisher wussten. Er war sehr schüchtern und in sich gekehrt. Ich wollte mehr über den Jungen erfahren. Mal sehen, was Mick und Lukas mir noch zu ihm erzählen würden. Ich ging wieder nach oben und schaute im Internet nach einigen interessanten Angeboten für Lukas und Micks Auto. Plötzlich klingelte es an der Haustür. Ich war überrascht, ich erwartete keinen Besuch und die Kids waren auch alle unterwegs. Wer konnte das denn sein? Ich ging zur Tür und als ich öffnete, war ich sichtlich überrascht. Tims Vater stand vor mir. Wir begrüßten uns ganz herzlich, ich bat ihn herein und wir gingen in den Garten. Ich nahm noch zwei Gläser und etwas zu trinken mit hinaus und dann unterhielten wir uns über dieses und jenes und irgendwann kamen wir auf eine mögliche neue Halle zum Schrauben. Er hatte eine Werkstatt ausgemacht, in der zwei Hobbyschrauber wirkten. Sie hatten genug Platz und suchten noch einen Teilhaber, der sich an den Kosten für die Miete beteiligen würde. Tims Vater meinte, dass die beiden Studenten wären und sehr nett seien. Sie würden kleine Reparaturen machen und sich damit zu ihrem Studium etwas hinzuverdienen. So etwas gefiel mir immer schon gut. Ich vereinbarte, einen Termin vor Ort zu machen, um die beiden kennenzulernen. Dann sprach er mich auf Benny an. Er hatte den Jungen vorhin kennengelernt, als sie sich bei Tim getroffen haben. Er fand ihn auch sehr nett aber auch sehr still und schüchtern. Sehr in sich gekehrt und unsicher. Wir waren beide der Meinung, dass wir versuchen sollten, mehr von ihm zu erfahren. Außerdem erfuhr ich, dass Tommy sich beim Schulsport einen Arm gebrochen hatte. Nico war nun viel bei Tommy im Krankenhaus. Die beiden waren immer noch ein Paar und sie verstanden sich weiterhin gut. Auch mit Leif ging das sehr gut. Sie hatten sich wirklich gut aufeinander eingespielt. Ich erzählte ihm nun von der Entwicklung mit Leif und Stefanie. Da mussten wir beide lachen. Ob plötzlich ein Mädchen in die schwule Gesellschaft passen würde? Leif wäre ja der erste Hetero-Junge in der Clique. Also verkehrte Welt sozusagen. Aber ich wollte das mal in Ruhe abwarten.

Leif: Nach dem Eis essen

Ich war heute das erste Mal mit Stefanie Eis essen. Wir waren in unsere Lieblingseisdiele gegangen. Was mich wunderte, Lucien saß mit seiner Mutter ebenfalls dort. Irgendwie hatte ich das Gefühl sie würden uns beobachten. Wir begrüßten sie kurz, als wir das Cafe verließen. Vorhin als wir bei uns zu Hause die Schulsachen wegbrachten, hatte Papa uns schon so eigenartig behandelt. Ob er wohl komische Gedanken hat? Jedenfalls gingen wir nun ein wenig durch unseren kleinen Park und wir unterhielten uns über Tommys Unfall. Er wurde operiert und musste noch ein paar Tage in der Klinik bleiben. Wir wollten ihn mit Nico gemeinsam mal besuchen. Als wir darüber sprachen, fragte mich Stefanie plötzlich: „Du Leif, wie ist das eigentlich, wenn man zwei schwule Brüder und eigentlich nur schwule Freunde hat?“ Ich war etwas verblüfft über diese Frage, denn darüber hatte ich noch nie nachgedacht. Umso weniger konnte ich ihr darauf antworten.

„Ehrlich gesagt habe ich darüber noch nie nachgedacht. Mir ist es eigentlich egal ob meine Freunde schwul sind oder nicht. Warum fragst du?“

Jetzt wurde sie doch etwas rot und sie druckste ein wenig herum.

„Also ich wollte mal wissen, ... also wie ist das denn bei dir? Stehst du auch auf Jungs oder mehr auf Mädchen?“

Ich dachte, mich trifft der Schlag. Wieso fragte sie das ausgerechnet jetzt. Gut, sie hatte vor ein paar Monaten schon mal ein paar Versuche gemacht, sich mir zu nähern aber das hatte ich ihr damals untersagt.

„Also ganz ehrlich, ich glaube, ich mag beides. Ich mag dich sehr gerne aber Tommy und Nico auch. Wenn wir lernen, fühle ich mich immer sehr wohl. Ich weiß, dass ich ohne deine Hilfe niemals so gut in Englisch geworden wäre.“

Sie sah mich nun erwartungsvoll an und stellte mir die Frage, vor der ich mich so gefürchtet hatte.

„Leif, ich mag dich wirklich sehr und ich möchte dich fragen, ob du mein Freund sein möchtest. Also wirklich Freund. Ich würde gerne deine Freundin sein.“ Jetzt bekam ich Schweißausbrüche und mein Herz begann zu rasen. Am liebsten wäre ich weggelaufen.

„Ich ... ich weiß nicht. Ich habe ... ein wenig Angst davor. Ich habe noch nie so etwas gehabt, eine Freundin. Irgendwie ... Also.“ Ich war völlig panisch, dann kam sie auf mich zu und sie nahm mich vorsichtig in den Arm. Es war ein schönes Gefühl. Ich ließ sie gewähren und dann passierte es. Sie gab mir einen Kuss auf den Mund, wir umarmten uns. Es war unbeschreiblich, ich bekam ein Gefühl im Magen wie noch nie zuvor. Nach einer gefühlten Ewigkeit löste sie sich von mir und sagte zu mir:

„Leif, bitte. Lass es uns versuchen. Ich mag dich so. Und bitte habe keine Angst. Ich werde ganz vorsichtig sein. Wenn du etwas noch nicht möchtest, sag es mir bitte. Ich möchte dich nicht noch einmal so bedrängen.“ Dabei sah sie mich mit ihren leuchtenden Augen an und ich konnte nicht mehr widerstehen. Ich gab ihr einen Kuss und dann war es eigentlich auch schon passiert. Wir gingen danach Hand in Hand durch den Park. Mir schossen tausend Gedanken durch den Kopf, was würde Papa sagen und vor allem die anderen? Ich meine, ich war erst 14 und schon eine Freundin. Irgendwie hatte ich Angst, aber es war auch einfach schön sie in der Nähe zu haben. Wortlos spazierten wir noch etwa zwanzig Minuten durch die laue Luft. Dann sah ich auf die Uhr. Ich musste langsam nach Hause.

„Stefanie, ich muss jetzt nach Hause. Ich hoffe, du bist nicht böse, aber ich glaube, das war noch etwas viel für mich auf einmal. Aber ich mag dich auch sehr. Bitte lass uns das ganz langsam angehen, ok?“ Sie lächelte mich an und dann gab sie mir einen weiteren Kuss auf die Wange und sagte mir ganz liebevoll: „Leif, mach dir keinen Stress, ich will mit dir zusammen sein und du sollst alle Zeit der Welt bekommen. Ich werde den Fehler nicht noch einmal machen.“ Ich nickte und verabschiedete mich von ihr und ging dann nach Hause. Wir würden uns morgen in der Schule wiedersehen.

Mick: Mit Lukas abends in unserer Wohnung.

Wir waren mittlerweile von Tim zurück und hatten bereits beide geduscht und wollten uns bettfertig machen. Ich hatte weiterhin den Eindruck, dass Benny uns etwas verschwieg. Ansonsten hatten wir uns bei Tim wirklich gut verstanden. Tim hatte auch von Manuel berichtet und das es ihm immer noch sehr gut gefiel in dem ehemaligen Rennteam von Papa.

Ich war gerade dabei mich bei Lukas anzukuscheln und Lukas schien die gleichen Gedanken zu haben. Es wurde gerade so richtig gemütlich, als es klingelte. Wir sahen uns verwundert an, denn um diese Zeit hatten wir eigentlich selten noch unangemeldeten Besuch, vor allem in der Woche.

„Wer geht aufmachen?“, fragte ich. Lukas sah mich an und stand dann auf.

„Lass mal. Ich geh schon. Mal sehen, wer das sein könnte.“ Lukas ging nun Richtung Wohnungstür. Ich konnte hören, wie er die Tür öffnete und Stimmen herüberdrangen. Wenige Augenblicke später stand Lukas wieder im Wohnzimmer, ich lag noch auf der Couch, als ich hinter ihm Leif stehen sah. Ich war wirklich überrascht. Was hatte das nun zu bedeuten?

„Hallo Leif, was machst du denn hier? Ist etwas passiert?“, fragte ich sehr überrascht.

Leif sah uns an und ich spürte sofort, hier war etwas passiert. Ich bot ihm an, sich zu mir auf die Couch zu setzen. Warum kam er zu uns? Papa war doch auch da. Er setzte sich wortlos neben mich und Lukas nahm wiederum auf meiner anderen Seite Platz.

Leif schien sich unsicher zu sein, was er tun sollte. Aber dann fasste er sich ein Herz.

„Mick, ich möchte euch etwas fragen und euch etwas erzählen. Ich hoffe, ihr habt für mich Zeit und ich habe euch nicht gestört?“

Lukas reagierte sofort: „Quatsch, für dich haben wir immer Zeit. Was hast du auf dem Herzen?“

„Also es geht um Stefanie. Wir haben uns vorhin zum Eis essen getroffen und dann ist etwas passiert, was ich so nicht gedacht hatte.“ Es entstand eine Pause und ich wollte grade etwas dazu sagen, als er fortfuhr. „Stefanie hat mich gefragt, ob ich auch auf Jungs stehen würde oder eventuell auf Mädchen. Ich konnte ihr das nicht beantworten, da ich das für mich noch nie geklärt hatte. Ich wollte mich da nie auf ein Geschlecht festlegen. Es ging mir immer um den Charakter. Aber sie hat mich dann einfach umarmt und dann ist es passiert. Ich weiß nicht warum, aber es war irgendwie schön spannend.“

Ich musste nun Lukas ansehen und wir schienen das Gleiche zu denken, denn Lukas sagte spontan: „Hey, ist es endlich soweit. Du hast es begriffen, dass Stefanie dich sehr mag? Hat ja lange gedauert.“ Dabei zeigte er ihm den Daumen nach oben und wir mussten grinsen. Leif hingegen war das sichtlich unangenehm. Er wollte schon aufstehen aber ich hielt ihn fest.

„Hey, ist doch alles gut, Kleiner. Komm erzähl uns doch was dich bewegt. Wir wollten uns nicht lustig machen. Wir freuen uns nur für dich“, meinte ich zu ihm. Daraufhin erzählte er uns die ganze Geschichte und dann kam eine Frage, die mich doch sehr irritierte.

„Ist das schlimm für euch, dass ich doch vielleicht Mädchen mag? Ich meine, ich bin ja dann der Einzige der hetero ist in unserer Clique.“ Nun konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich nahm meinen kleinen Bruder in den Arm und dann liefen ihm doch einige Tränchen übers Gesicht. Ich sagte: „Quatsch, wir freuen uns, dass du nun auch jemanden hast, den du sehr magst und mit dem du glücklich bist. Lass es einfach auf dich zukommen. Ich glaube, sie mag dich wirklich. Auch das sie damals verstanden und akzeptiert hatte, dass du noch nicht soweit warst, war für mich ein untrügliches Zeichen, dass sie dich sehr mag und dich respektiert.“

Lukas fragte nur noch: „Weiß Papa schon von deinem Glück?“ Leif schüttelte den Kopf und meinte: „Ich wollte erst sicher sein, dass es für euch ok ist, dass ich wohl in Zukunft ein Mädchen mitbringen werde.“ Nun mussten wir alle lachen und ich versprach ihm Papa nichts zu sagen. Das sollte er selbst machen. Leif schien sehr erleichtert und er verabschiedete sich von uns mit dem für ihn typischen Unterton: „Euch einen schönen Abend noch und viel Spaß.“ Dann verließ er unsere Wohnung wieder und ging gelöst wieder nach unten. Lukas und ich sahen uns an und wir kuschelten uns aneinander und redeten noch einige Zeit über diese Entwicklung. Aber wir waren uns absolut einig. Stefanie war ein nettes Mädchen und wir hatten ein gutes Gefühl dabei. Mal sehen was Papa dazu sagen würde, dass sein jüngster nun auch die Liebe entdeckt hatte.

Marc: Abends im Wohnzimmer

Ich saß gerade gemütlich auf der Terrasse und hatte mir einen schönen alkoholfreien Cocktail gemacht, als ich unsere Wohnungstür hörte. Das konnte nur Leif sein. Ich sah auf die Uhr und war etwas erstaunt, es war schon zehn Uhr und morgen war doch Schule. So spät kam er sonst nie nach Hause.

„Hallo Papa, bist du zu Hause?“, hörte ich ihn rufen. „Ich bin auf der Terrasse“, rief ich zurück. Einen Moment später stand er bei mir auf der Terrasse.

„Hallo mein Schatz, ich staune grade. Wo kommst du denn jetzt her? Es ist schon zehn Uhr, ein wenig spät oder nicht?“ Er stand immer noch vor meinem Platz und sah mich etwas verlegen an.

„Ich war oben bei Mick und Lukas. Ich bin schon länger zu Hause, wir hatten noch etwas zu besprechen.“

Ich sah ihm in die Augen und wusste sofort, da war irgendwas vorgefallen. Er ging doch sonst auch nicht zuerst zu den beiden Jungs. Ich wollte ihn aber nicht unter Druck setzen, ich vermutete nämlich, dass es mit mir zu tun hatte.

„Willst du dich noch ein wenig zu mir setzen? Hol dir einen Sessel und ich mach dir was zu trinken.“ Jetzt schaute er verwirrt, er hatte wohl gedacht, ich würde ihn direkt schlafen schicken. Er nickte aber und ich stand dann auf und ging in die Küche um zwei Caipis ohne Alkohol zu machen. Er holte sich einen der Korbsessel und setzte sich zu mir auf die Terrasse. Ich setzte mich wieder in meinen Sessel und gab ihm ein Glas. Für einen Moment schwiegen wir beide vor uns hin. Dann durchbrach er die Stille: „Papa, ich muss dir etwas sagen. Ich glaube, ich war nicht ehrlich zu dir. Es geht um Stefanie.“ Nun sah er mich mit großen Augen an und ich spürte seine Anspannung.

„Leif, du musst keine Angst haben. Sag mir, was dich so belastet. Ich sehe es dir doch an, dass du unter Spannung stehst.“ Ich konnte mir natürlich jetzt denken, um was es gehen würde, aber er sollte es selbst sagen. Er holte nun einmal tief Luft und dann kamen die großen Worte:

„Papa, ich glaube, ich habe mich in Stefanie verliebt und wir sind seit heute zusammen.“ Er zögerte nun etwas und dann folgte noch: „Ich hoffe, du bist nicht böse, dass ich es dir nicht schon eher gesagt habe. Aber ich war so unsicher, ich bin eigentlich immer noch unsicher. Ich mag sie sehr, aber ich bin erst vierzehn. Ist das richtig was ich mache?“ Er musste nun schwer schlucken. Ich gab ihm zu verstehen, er könne sich bei mir auf den Schoß setzen. Das tat er auch und er ließ sich an mich fallen. Ich legte ihm meine Arme um seine Brust und ich spürte, wie er sich ein wenig entspannte.

„Weißt du Leif, diese Frage, ob das richtig ist oder nicht, kann man nicht vorher beantworten. Wenn es sich für dich gut anfühlt, dann ist es erst mal richtig. Denn dein Gefühl zählt hier erst mal. Ich freue mich jedenfalls für dich. Du musst kein schlechtes Gewissen haben, ich habe es mir schon gedacht. Ich freue mich sehr, dass du mir vertraust und es mir erzählst. Hast du deshalb eben noch Mick und Lukas besucht?“ Er nickte wortlos. Er war sichtlich angeschlagen. Ich ließ ihn einfach gewähren. Er sollte spüren, dass ich ihm Zeit lassen wollte etwas zu erzählen. Dann berichtete er mir von dem Nachmittag in der Eisdiele und was danach passierte. Ich konnte mit jedem Satz spüren, wie er sich entspannte und nach einigen Minuten war er fertig und ich wusste nun Bescheid.

Ich wollte jetzt keine weiteren Dinge mehr besprechen. Dafür wäre auch morgen noch Zeit gewesen. Ich sagte nur noch: „Leif, Stefanie ist hier genauso willkommen, wie alle anderen unserer Freunde. Du brauchst hier nichts heimlich zu machen. Wenn du Fragen hast, komm bitte zu mir oder geh zu den beiden Großen. Ich würde sagen, für heute ist es genug, oder? Du solltest jetzt einfach ins Bett gehen und versuchen zu schlafen. Es war nun schon elf Uhr durch und er musste ja morgen wieder früh raus. Er stand nun auf und wollte grade gehen, da dreht er sich noch mal um und fiel mir förmlich in die Arme.

„Danke Papa, ich bin wirklich froh es dir gesagt zu haben. Ich hoffe, die anderen haben kein Problem damit, dass ich Stefanie mag.“

Ich musste jetzt doch lachen, aber er hatte ja recht. Er war der Einzige in dieser Clique, der eine Freundin hatte und keinen Freund.

„Klar, sie wurden von uns doch auch akzeptiert, also mach dir da bloß keinen Kopf drüber. Aber jetzt gehst du bitte ins Bett.“ So taten wir es dann auch und ich war erleichtert, dass mein Kleiner mir alles erzählt hatte.

Marc: Am nächsten Morgen um kurz vor sieben.

Ich wollte Leif heute mal eine kleine Überraschung zum Frühstück machen. Ich hatte mir überlegt, ihn mit dem Caddie zu fahren. Er sollte Stefanie fragen, ob sie mittags mit zu uns zum Essen kommen würde. Ich würde sie dann von der Schule abholen. Die beiden Großen wollten ja nachmittags mit Benny zum Skaten fahren. Vielleicht würde ich sie dann da mal beobachten. Den Spaß wollte ich mir eigentlich nicht entgehen lassen. Ich hatte also den Frühstückstisch vorbereitet, Lukas und Mick kamen auch bereits hinunter, als Leif plötzlich in die Küche kam und völlig verblüfft sagte: „Papa, was machst du denn schon so früh hier?“

„Wonach sieht das denn aus? Frühstück? Ich hatte mal gedacht, dich zur Feier des Tages in die Schule zu bringen. Was hältst du davon?“

Leif war sichtlich irritiert, denn das machte ich eigentlich nur selten. Aber weil die Jungs es so wollten, nicht weil ich nicht so früh aufstehen wollte. Die beiden Großen jedenfalls meinten dann unisono: „Cool, wir wollen auch mit.“ Da mussten wir dann alle lachen. Ich erklärte Leif, was ich geplant hatte, und er war wirklich erfreut. Er wollte Stefanie fragen, ob sie mitkommen würde am Mittag. Wir frühstückten gut gelaunt und dann sagte ich zu Lukas: „Fährst du den Caddie schon mal auf den Hof? Wir kommen dann auch gleich raus. Du kannst auch schon mal das Dach aufmachen. Aber denk bitte daran, das Dach erst draußen zu öffnen.“

Lukas sah mich verwirrt an, denn bislang hatte ich Mick das immer machen lassen. Lukas traute sich nicht so recht, obwohl er ja auch schon mit dem Führerschein begonnen hatte, aber der Caddie war ihm nicht geheuer.

„Was ist Lukas? Los, du kannst das auch. Ich vertrau dir da absolut.“ Dann stand er auf und ging nach unten in die Garage. Mick sah mich erstaunt an und meinte dann: „Wow, Papa, ich glaube, du hast ihm endlich die Angst genommen. Ich hatte es schon fast aufgegeben.“ Ich schmunzelte und antwortete: „Manchmal muss man Kinder zu ihrem Glück zwingen.“ Danach lachten wir alle laut und begannen den Tisch abzuräumen. Leif holte seine Schultasche und ich konnte sehen, dass er sich extra noch einmal ins Bad verabschiedete. Wenige Momente später kam er wieder raus und ich konnte es riechen. Er hatte sich etwas von meinem Aftershave genommen. Ich musste schmunzeln, aber ich fand es auch wirklich niedlich. Sagte dazu aber natürlich nichts. Es wäre einfach für ihn nur peinlich gewesen. Dann gingen wir nach draußen und Lukas saß schon im offenen Caddie und strahlte mich an. Er hatte es tatsächlich gemacht. Ich war sehr froh und wir stiegen ein und rollten langsam vom Hof.

Die Stimmung war gut, die Musik klang gut und wir cruisten nun Richtung Schule. Leif saß hinten und grinste sich eins. Nach guten 20 Minuten Fahrzeit bogen wir auf den Parkplatz des Internats. Wir wurden ziemlich genau beobachtet. Gerade von den jüngeren Schülern. Sie kannten ja so einen Straßenkreuzer in der Regel nicht. Bei den älteren Schülern bekamen wir große Zustimmung. Als Lukas und Mick erkannt wurden, bekamen sie offen Jubel. Das war schon gut. Ich hatte wieder eine Bestätigung, dass sie mittlerweile ein großes Ansehen hier genossen. Alle drei stiegen aus und ich bat Leif noch einmal mir die Zeit zu schreiben, wann ich die beiden denn abholen sollte. Dann fuhr ich wieder vom Hof, allerdings nicht ohne die tolle Hupe zu betätigen. Das war eine Viertonfanfare. Danach waren sicherlich alle wach. Ich winkte noch einmal und dann gings wieder nach Hause. Ich musste dummerweise noch tanken fahren. Der Motor hatte einen unheimlichen Durst. Aber nun ja, bei dem Hubraum und eben ein Amerikaner. Nachdem die 90 Liter im Tank waren, ging ich zum Bezahlen in den Shop. Ich ging zur Theke und gab meine Nummer an. Der Mitarbeiter schaute mich an und meinte dann nur trocken: Also Herr Steevens, mit dem Auto dürfen sie ruhig häufiger kommen.“ Ich grinste ihn an und meinte dann: „Da wird sich der Chef freuen und für Sie eine gute Umsatzprovision oder?“ Dabei mussten wir dann beide lachen. Ich verließ die Tankstelle und fuhr gemütlich und gut gelaunt nach Hause. Ich stellte den Caddie wieder in die Garage und machte mich direkt wieder an die Karosserie der Cobra. Ich hatte jetzt ein paar Stunden Zeit und wollte die auch nutzen.

Mick: Nach der Schule mit Lukas und Benny beim Skaten

Mein Schatz und ich hatten uns ein paar sportliche Klamotten angezogen und warteten nun vor dem Internat auf Benny. Wir hatten ja beide kein eigenes Board. Er wollte uns eins leihen. Wir standen also vor der Schule, als Lukas zu mir meinte:

„Ob wir uns das heute gut überlegt haben? Ich meine, ich habe erst einmal auf so einem Ding gestanden und ich habe Schiss, dass ich mir was breche. Benny wird sich über uns totlachen.“

Ich musste darüber lachen, denn mir ging es genauso. Aber ich hatte das Gefühl, dass uns Benny nicht auslachen würde. Dafür war er mir nicht der Typ:

„Ich glaube nicht, dass er sich über uns lustig macht. Ich denke, er ist froh darüber, mit jemandem etwas zu machen. Er macht manchmal einen traurigen Eindruck auf mich. Hoffentlich erzählt er mal etwas.“ Lukas sah mich an und umarmte mich und sagte: „Mick, du hast wie so oft wohl Recht, aber genau deshalb liebe ich dich auch so. Du hast mir damals auch so aus meiner Isolation geholfen.“ Dabei gab er mir dann einen leidenschaftlichen Kuss, so dass wir beide nicht bemerkten, dass Benny nun schon zu uns gekommen war. Er hatte den Kuss natürlich mitbekommen und war sichtlich unsicher, was er machen sollte. Deshalb sagte er erst mal gar nichts und ich erschrak etwas, weil ich ihn nicht bemerkt hatte.

„Hallo Benny, hast du mich erschreckt. Ich habe dich gar nicht bemerkt.“ Er lächelte und meinte dann überraschend schlagfertig: „Hätte ich vermutlich auch nicht, du warst ja mit deinem Lukas schwer beschäftigt.“ Wir wurden nun sogar etwas rot.

„Sag mal, wo willst du denn eigentlich mit uns hin?“, wollte ich nun wissen. Er gab nun jedem von uns eins seiner Boards und meinte dann: „Zuerst gehen wir mal in den Park. Da gibt es einen kleinen Skaterpark. Da versuchen wir erst mal ein wenig zu fahren. Ich will euch ja nicht überfordern. Ich zeige euch etwas und dann mal sehen.“

Also gut, ich dachte, das hörte sich ja gar nicht so schlecht an. So machten wir drei uns auf den Weg. Wir liefen, er fuhr auf seinem Board. Das sah schon ziemlich elegant bei ihm aus. Ich konnte sehen, dass er wohl schon einige Jahre fahren würde. Nach wenigen Minuten kamen wir an dem Park an. Er fuhr direkt in die Halfpipe und testete ein paar Dinge. Lukas und ich setzten uns erst mal auf eine Bank. Das gefiel Benny aber gar nicht.

„Hey, nicht rumsitzen. Davon lernt ihr es nicht. Los stellt euch auf die Boards und versucht mal ein wenig zu fahren.“ Dabei machte er ein todernstes Gesicht. Irgendwie war mir grade gar nicht wohl dabei. Aber dann kam er zu uns gefahren und sprang von seinem Board. Er nahm meinen Arm und hielt mich fest, während ich auf dem Board stand und ein paar Meter rollte. Er gab uns Tipps und motivierte uns immer wieder nicht aufzugeben. Er hatte nicht einmal gemeckert, uns immer nur gelobt und angestachelt. Nach einer Stunde konnten wir zumindest ohne Sturz ein wenig in der Halfpipe hin und her rollen. Wir waren allerdings beide schon total verschwitzt, weil locker fahren war etwas anderes. Benny merkte das aber auch wieder und meinte dann:

„Pause Jungs. Ihr seid ja schon total durch. Aber ich hoffe, es ist nicht zu schlimm für euch?“ Dabei sah er uns dann wieder genauso unsicher an, wie schon die Male zuvor, wenn wir mit ihm zusammen waren.

„Klar, ich finde das toll, wie du uns anleitest und uns nicht auslachst über unsere Unfähigkeiten“, sagte Lukas dann flapsig zu ihm. Er wurde rot und wiegelte direkt ab: „Quatsch Lukas, ihr seid gar nicht so unfähig. Ich habe doch schon mit sechs damit angefangen. Also dafür, dass ihr zum ersten Mal auf so einem Board steht, Respekt.“

„Kannst du uns nicht vielleicht auch mal was von deinem Können zeigen. Damit wir auch wirklich wissen, wie schlecht wir so sind.“ Dabei zwinkerte ich ihm zu. Ich wollte auf gar keinen Fall, dass er das als Provokation oder irgendwie negativ aufnahm. Für Benny war das nun das Signal. Er fing an, wirklich unglaubliche Stunts zu machen. Meine Güte war der Junge gut. Im Park fuhren auch noch einige andere Skater, die meisten waren allerdings deutlich jünger, so im Schnitt schätzte ich 13 bis 14. Nach kurzer Zeit stand Benny absolut im Mittelpunkt. Er bemerkte es allerdings nicht, dass nun alle Augen auf ihn gerichtet waren. Er war total versunken in sein Fahren und mit den Sprüngen. Zwischenzeitlich hatte er sich das T-Shirt ausgezogen und ich konnte seinen wirklich gut gebauten Oberkörper erkennen. Benny war topfit, allerdings konnte ich auch ein paar dunkle Flecken und Schürfwunden erkennen. Sie waren bereits verkrustet aber noch deutlich sichtbar. Ich dachte mir nichts dabei, wer so riskant fährt, würde vermutlich auch mal stürzen. Lukas sah mich allerdings auch genauso fragend an. Er flüsterte mir ins Ohr, so dass Benny nichts mitbekam: „Hast du die Flecken und Wunden auf seinem Rücken gesehen? Das sieht aber nicht so schön aus. Meinst du, das kommt vom Skaten?“ Ich wusste erst gar nicht, wie Lukas das gemeint hatte, deshalb musste ich wohl etwas komisch geschaut haben. Er fuhr dann fort: „Ich meine, das sieht nicht nach einem Sturz aus. Ich glaube, das sieht eher nach einer Schlägerei aus.“ Dabei kamen mir ganz komische Gedanken. Benny machte überhaupt nicht den Eindruck, dass er der Schlägertyp wäre. Hoffentlich hatte Lukas unrecht mit seinen Vermutungen. Benny fuhr noch einige Minuten weiter, bis er irgendwann doch bemerkte, dass fast zehn Jungs ihm staunend zusahen. Erst da stoppte er und kam ganz verlegen zu uns gefahren. Dabei bekam er sogar etwas Applaus von den anderen Jungs. Das war Benny sichtlich peinlich. Wir saßen nun auf unserer Bank und da kam ein Junge von den anderen Skatern zu uns. Ich schätzte ihn auf höchstens zwölf. Er stellte sich als Mark vor und fragte Benny, wo er denn so gut fahren gelernt hätte. Und ob er ihnen etwas beibringen würde. Benny war sichtlich verlegen und wollte uns eigentlich nicht allein sitzen lassen. Ich spürte seine Unsicherheit, also meinte ich dann:

„Kommt, lasst uns noch ein wenig fahren. Benny du kannst ja Mark und den anderen die schweren Sachen zeigen, Lukas und ich fahren noch etwas üben.“ Das gefiel ihm nicht besonders und er meinte: „Seid ihr euch sicher? Ich meine, wir wollten doch was zusammen machen.“

„Klar, das passt schon. Mach du erst mal mit den Jungs was und wir machen dann gleich noch was zusammen.“ Dann nahm ich Lukas in den Arm und wir fuhren rüber zum Anfängerbereich. Dabei küsste mich Lukas ziemlich heftig. Ich war darauf gar nicht so vorbereitet und so passierte es, ich verlor das Gleichgewicht und fiel auf die Nase. Lukas erschrak und ich stöhnte kurz auf. Ich war etwas unglücklich gefallen, weil ich versucht hatte, mich bei Lukas festzuhalten. Ich bekam einen kurzen Moment keine Luft und blieb einen Moment etwas benommen liegen. Lukas bekam sofort Panik und kniete neben mir.

„Mick, mach kein Scheiß hier. Hast du dir wehgetan? Bitte sag doch was.“ Dabei legte er seine Hand auf meinen Kopf und ich spürte seine zittrige Hand. Ich hatte immer noch Schmerzen in der Brust, denn ich war unglücklich auf einen größeren Stein geknallt. Außerdem bekam ich schlecht Luft. Mittlerweile hatte Benny das bemerkt und war sofort zu uns geeilt. Er war sichtlich aufgeregt.

„Lukas, was ist passiert? Hat sich Mick verletzt?“ Er stand nun neben Lukas und ich lag immer noch schwer japsend am Boden. Lukas war total panisch, da nahm ihn Benny an die Seite und sagte zu einem der kleineren Jungs: „Hier, du kümmerst dich um Lukas, ich helfe Mick.“ Dabei drehte er mich vorsichtig auf den Rücken und ich hatte jetzt einen Moment echte Schmerzen dabei. Ich stöhnte kurz auf und dann wurde es wieder besser. Ich konnte sehen, wie bei Lukas ein paar Tränen liefen. Benny legte mir seinen Arm hinter meinen Rücken und half mir hoch. Er hatte viel Kraft aber er war sehr behutsam dabei. Er wusste ziemlich genau, was er da tat. Er setzte mich dann erst mal auf die Bank und setzte sich neben mich. Er half mir mit ein paar guten Tipps wieder zu Atem zu kommen. Er fragte mich dann, wo ich genau Schmerzen hatte, dann legte er mir seine Hand auf genau die Stelle auf meiner Brust. Er war ganz zärtlich und fühlte dabei meinen Brustkorb ab. Wenn ich nicht so Schmerzen gehabt hätte, wäre das dermaßen geil gewesen. Mann, hatte der zärtliche Hände. Dann tastete er mich ab und an einer Stelle zuckte er zurück. Er verzog sein Gesicht und meinte dann leider: „ Mick, ich fürchte, du hast dir doch etwas mehr getan. Wir sollten ins Krankenhaus fahren. Du hast dir vermutlich eine Rippe gebrochen.“ Ich sah ihn sehr erstaunt an, woher konnte er das wissen? Es hatte mir kaum wehgetan, als er mich dort abgetastet hatte. Außerdem tat es mir jetzt auch nicht so stark weh. Ich wollte grade dagegen protestieren, aber als ich aufstehen wollte durchzuckte mich ein stechender Schmerz und mir blieb die Luft weg. Benny schimpfte wie ein Rohrspatz mit mir: „Du sollst dich nicht bewegen verdammt noch mal. Mach bitte was ich sage, das wird sonst nur noch schlimmer. Lukas, komm bitte mal her. Wir müssen euren Vater anrufen, der soll Mick ins Krankenhaus fahren.“ Lukas nahm sein Handy und rief bei Papa an. Benny stützte mich sehr gut ab und so hatte ich kaum mehr Schmerzen. Es schien so, dass er sehr genau wusste was er tat. Lukas sprach kurz mit Papa und dann kam er wieder zu mir.

„Papa kommt sofort. Er ist in 15 Minuten hier. Schatz, hast du starke Schmerzen?“ Lukas sah sehr traurig aus. Da meinte Benny dann: „Lukas, komm setz dich mal genauso hin wie ich. Dann kannst du deinem Mick am besten helfen. Er setzte dann Lukas genauso hin und ich spürte seine Nähe. Lukas gab mir einen Kuss und meine Schmerzen waren nur noch halb so schlimm. Benny kümmerte sich währenddessen um mein rechtes Knie. Das schien wohl auch etwas mitbekommen zu haben. Benny war äußerlich total ruhig, aber in seinen Augen konnte ich große Angst erkennen. Er zitterte jetzt auch leicht, als er mein Knie säuberte. Ich wollte ihm etwas Druck nehmen.

„Danke Benny, du machst das richtig gut. Und mach dir keine Gedanken, du hast keine Schuld daran.“ Dabei legte ich ihm eine Hand auf die Schulter. In seinen Augen konnte ich nun ein paar Tränen sehen. Plötzlich hörten wir eine Sirene und ein Rettungswagen fuhr in den Park. Wo kam der denn jetzt her? Es stiegen zwei Sanitäter aus und sie kamen zu uns an die Bank. Sie erkundigten sich, was passiert war, und dann nahmen sie mich einfach mit zu dem RTW und Lukas sollte auch mitkommen. Benny wollte zurückbleiben und sich um unsere Sachen kümmern. Er war sichtlich geschockt. Ich wollte aber, dass er auf jeden Fall auf Papa warten sollte und mit ihm ins Krankenhaus kommen. Das sagte ich ihm auch sehr deutlich: „Benny, du bleibst jetzt so lange hier bis Papa kommt. Dann fährst du mit ihm mit. Ist das klar?“ Er sah mich ängstlich an, nickte aber wortlos. Tränen liefen aus seinen Augen. Ich versuchte ihn zu beruhigen, aber wir wollten auch losfahren ins Krankenhaus. Also ließen wir Benny nun alleine zurück. Hoffentlich würde Papa schnell hier sein. Benny tat mir leid. Er machte sich Vorwürfe, aber er konnte absolut nichts dafür. Nach wenigen Minuten kamen wir in der Klinik an und ich wurde direkt in Empfang genommen. Lukas durfte nicht mit zur Behandlung mitkommen. Er wollte daher auf Papa warten.

Ich wurde von einem sehr jungen und netten Arzt empfangen, er erkundigte sich nach dem Verlauf und dann untersuchte er mich. Ein paar Minuten später saß ich beim Röntgen.

Marc: Mein Schrauben an der Cobra steht unter keinem guten Stern

Nachdem ich die Jungs morgens in der Schule abgesetzt hatte, konnte ich den Vormittag in Ruhe an der Cobra arbeiten. Mittags hatte ich Leif und Stefanie abgeholt und beide zum Essen eingeladen. Dabei lernte ich das Mädchen besser kennen. Sie machte einen sehr netten Eindruck und ich hatte das Gefühl, dass sie für Leif ein großer Gewinn sein würde. Sie war schon sehr selbständig und auch zielorientiert. Sie wusste bereits, was sie nach der Schule machen wollte, nämlich Sprachen studieren. Das war für Leif natürlich absoluter Horror. Ich sah das sehr positiv. Sie konnte ihm vielleicht das Lernen einer Sprache versüßen. Allerdings musste ich wohl mit Leif dann auch bald ein Gespräch über die Dinge einer Beziehung führen. Aber das wollte ich nicht sofort machen. Sie sollten ihre Beziehung erst mal stabilisieren. Ich vertraute auf Leif, dass er nicht gleich mit ihr schlafen würde.

Mittags gegen halb drei kam ich dann wieder nach Hause zurück, Leif war mit Steffi noch in der Stadt geblieben. Sie wollten dort noch etwas shoppen gehen. Das gab mir die Ruhe wieder an der Cobra zu arbeiten. Ich hatte am Vormittag viel geschafft und wollte jetzt die letzten Vorbereitungen für den Lackierer machen. Ich hatte mir gerade meinen Arbeitsoverall angezogen, als mein Handy klingelte. Es war Lukas, der sehr aufgeregt schien:

„Hallo Papa, kannst du bitte sofort in den Skaterpark kommen? Mick ist gestürzt und Benny meint, es wäre wohl doch ernster und er soll ins Krankenhaus.“

Ich konnte an seiner Stimme erkennen, dass er sehr aufgeregt war. Ich versuchte ihn zu beruhigen: „Lukas, bitte reg dich nicht so auf. Ist Benny auch bei euch? Ja, alles klar - ich mache mich sofort auf den Weg. Ich bin in fünfzehn Minuten bei euch.“ Dann legte ich auf. Ich überlegte einen Moment und dann rief ich aber doch die Rettungsleitstelle an und bat um einen Krankenwagen. Ich erklärte kurz, wo der Einsatzort sei und dann machte ich mich auf den Weg. Ich lief schnell nach oben, zog mir meine anderen Sachen wieder an und fuhr mit dem S8 sofort Richtung Skaterpark. Ich traf dort nur wenige Minuten nach dem der RTW mit Mick und Lukas ins Krankenhaus gefahren war ein. Ich hielt vor dem Park und dann sah ich auch schon die Gruppe der Skater, die um eine Bank herum standen. Benny saß sehr niedergeschlagen mit freiem Oberkörper auf der Bank und einige jüngere Kids standen bei ihm. Ich ging sehr zielstrebig auf die Gruppe zu und stand dann direkt vor Benny. Er sah sehr mitgenommen aus. Er hatte wohl geweint. Ein etwa zwölfjähriger Junge stand neben ihm. Ich sah Benny an und er wollte direkt aufstehen. Ich bat ihn sitzen zu bleiben. Ich setzte mich neben ihn und bat ihn zuerst mir zu berichten. Ich wusste ja, dass die beiden im RTW gut aufgehoben waren, also konnte ich mir die nötige Zeit nehmen mit Benny zu reden. Als er fertig war mit dem Bericht, nahm ich ihn vorsichtig in den Arm und meinte dann: „Komm, wir fahren jetzt mal ins Krankenhaus. Du kommst bitte mit mir mit.“ Er sah mich sehr ängstlich aber auch dankbar an und flüsterte fast: „Es tut mir leid, ich habe nicht genug aufgepasst. Ich hätte sie nicht alleine fahren lassen sollen.“ Ich sah ihn an und schüttelte mit dem Kopf: „Blödsinn, die beide sind fast erwachsen. Da musst du nicht neben ihnen stehen. Sie sind selbst für sich verantwortlich. Ich bin nur froh, dass du hier warst und helfen konntest. Dafür vielen Dank. Und jetzt komm. Wir wollen doch mal sehen, was nun genau bei Mick passiert ist.“

Er sah mich an und erklärte mir, dass er sich sicher sei, dass mindestens eine Rippe durch sei. Ich war echt erstaunt über seine so präzise Aussage. „Woher weißt du das so genau? Hast du einen Röntgenblick?“ Jetzt mussten wir beide lachen und er erklärte mir, dass er bei der Jugendfeuerwehr war und sich sehr für die Erste Hilfe interessiere. Er könnte das fühlen. Ich war wirklich erstaunt. Mittlerweile saßen wir beide in meinem Auto und fuhren Richtung Klinik. Benny saß immer noch mit nacktem Oberkörper neben mir. Ich meinte, er solle sich doch für das Krankenhaus sein T-Shirt wieder anziehen. Als wir an der Klinik ankamen und ausstiegen, zog er sich das Hemd wieder über. Dabei konnte ich allerdings auch etliche Blutergüsse und verkrustete Wunden erkennen. Ich erschrak etwas. Ließ mir aber nichts anmerken. Das musste ich später noch mal ansprechen. Vielleicht wussten ja meine Jungs auch schon etwas darüber. Wir gingen nun zur Anmeldung und ich fragte nach Mick. Die junge Dame am Empfang schaute schon verwundert und meinte dann: „Herr Steevens, ihr Sohn wird gerade in der Unfallchirurgie behandelt. Gehen sie doch bitte dorthin und melden sie sich dort.“

Ich nickte und nahm mit Benny den Weg dorthin auf. Ich wurde auf dem Weg immer wieder von staunenden Blicken getroffen. Meine Bekanntheit war wohl immer noch sehr hoch. In der Chirurgischen Ambulanz wurden wir von Lukas bereits erwartet.

„Hallo Papa, gottseidank bist du jetzt da. Ich mache mir Sorgen. Mick ist schon über eine halbe Stunde da drin zur Untersuchung. Die Rettungssanitäter meinten, es wäre wohl gut möglich, dass Benny Recht haben könnte und eine Rippe wohl durch wäre.“ Er sah dabei wirklich sehr besorgt aus und ich nahm ihn erst mal in den Arm und tröstete ihn. Benny stand dabei etwas abseits und schaute uns sehr traurig dabei zu. Ich gab ihm zu verstehen, er solle sich doch einfach zu uns setzen. Ich nahm ihn dann ebenfalls kurz in den Arm und ich spürte, wie sehr er sich erst dabei verspannte und sich dann doch fallen ließ. Einige Zeit saßen wir dort und ich hatte nun von Lukas auch eine genaue Beschreibung erhalten, was wohl genau passiert war. Dann ging eine Tür auf und ein sehr junger Arzt trat zu uns.

„Hallo, sie sind der Vater von Mick? Ich bin Doktor Merk. Ich bin der diensthabende Unfallarzt. Ich habe ihren Sohn untersucht und würde sie bitten mit mir mitzukommen.“

Ich nickte, gab ihm die Hand und dann folgten wir ihm in die Station hinein. Nach einigen Metern kamen wir an einer Art Wartebereich an. Dort saß Mick und hatte einige Schrammen im Gesicht. Sein Knie hatte einen Verband und er sah nicht sehr glücklich aus. Er schien auch Schmerzen zu haben. Ich ging zu ihm und dann fiel er mir vorsichtig um den Hals. Er war sichtlich sehr froh, dass ich da war.

„Hallo Mick, na du kleiner Skater. Da scheint wohl was schiefgegangen zu sein oder?“ Ich lächelte und er wurde etwas entspannter. Ich wollte nun wissen, was für Verletzungen er hatte. Da half dann der Doktor und erklärte uns genau, was alles kaputt war. Es war wirklich eine Rippe gebrochen und das Knie war stark geprellt. Ansonsten hatte er wohl Glück gehabt. Ich durfte ihn jedenfalls wieder mit nach Hause nehmen. Das gefiel natürlich Lukas auch sehr. Benny war auch erleichtert, allerdings meinte er nun zu Mick: „Es tut mir wirklich leid, dass du dich jetzt verletzt hast. Ich hätte es wohl nicht tun sollen, mit euch zum Skaten zu gehen.“

„Blödsinn, ich war einfach zu blöd. Du kannst gar nichts dafür, ich muss mich bei dir bedanken für deine tolle Hilfe und versprich mir, dass du dir keine Vorwürfe mehr machst.“ Mick machte ein sehr ernstes Gesicht und Lukas ergänzte: „Mick hat Recht. Wenn du nicht so toll geholfen hättest, würde es viel schlimmer sein. Wir müssen uns bei dir bedanken und nicht anders.“

Wir gingen alle gemeinsam zum Auto. Mick stieg vorne ein und die anderen beiden hinten. Ich fragte Benny: „Sag mal wo sollen wir dich jetzt hinbringen? Kommst du noch mit zu uns oder möchtest du ins Internat? Du kannst also gerne noch mit zu uns, dann hast du nicht so viel Zeit zum darüber Nachdenken. Ich würde dich gerne einladen. Was meint ihr Jungs?“

„Auf jeden Fall eine gute Idee. Fänd ich auch gut, wenn du mitkommen würdest“, meinte Mick nun sehr freundlich. Benny zögerte nun, er fragte mich dann: „Herr Steevens, ich komme aber nur mit, wenn es ihnen keine Umstände macht.“ Ich musste lachen, Lukas sah mich auch sehr belustigt an und meinte nur trocken: „Also da wir ja alle männlich sind, kann keiner in Umständen sein.“ Diese Doppeldeutigkeit brachte Benny nun auch zum Lachen. Also fuhren wir nun alle zu uns nach Hause. Die Jungs verstanden sich wirklich gut und ich fand auch, dass Benny immer lockerer wurde. Wir gingen, nachdem Lukas Mick beim Baden geholfen hatte, abends noch alle bei uns in den Garten. Wir unterhielten uns wirklich sehr gut und zwischendurch war auch Leif wieder nach Hause gekommen. Er kam allerdings ohne Stefanie zurück, sie musste ins Internat zurück. Irgendwann fragte ich dann, wie es mit Essen aussehen würde. Meine Jungs hatten Lust auf Grillen. Ich hatte nichts dagegen, aber dann mussten die Jungs noch schnell Fleisch und Würstchen holen. Lukas wollte das übernehmen, wenn dafür Leif das Feuer anmachen würde. Ich fragte Mick, ob er mit mir in die Küche kommen würde, einen Salat zu machen. Da meldete sich Benny etwas überraschend: „Wenn es Ihnen Recht ist, würde ich gerne den Salat übernehmen. Kann ich dafür ihre Küche benutzen?“ Ich sah wohl etwas verdattert aus, aber gab natürlich meine Zustimmung und dann gingen wir beide in die Küche und Mick blieb mit Leif am Grill. Ich zeigte Benny wo in der Küche alles lag und er begann sofort mit den Vorbereitungen. Das sah alles sehr routiniert aus. Es schien so, als ob er genau wusste was er tat. Es sollte einen gemischten Salat zum Fleisch geben. Benny wirbelte wirklich sehr geschickt in der Küche. Ich nutzte die Gelegenheit mich ein wenig mit ihm zu unterhalten. Er erzählte mir, dass er noch vier ältere Brüder hatte. Die älteren Brüder wohnten bereits alle nicht mehr zu Hause und dadurch war er gezwungen in das Internat zu gehen. Sein Vater arbeitete in einer großen Bank als Personalchef und seine Mutter war wohl ein schwieriges Thema, denn er wich mir aus. Er gab zu seiner Mutter keinerlei Kommentare ab. Nur so viel, dass sie wohl ein paar Männergeschichten hatte und er sie nicht sonderlich akzeptierte. Für seinen Vater empfand er allerdings großen Respekt und dieser unterstütze ihn auch mit seiner Homosexualität. Leider hatte sein Vater viel zu wenig Zeit für ihn. Irgendwie kam mir das bekannt vor. Zu wenig Zeit hatte ich früher eigentlich immer. Das machte mir auch heute noch zu schaffen, über Jahre hinweg nur an meine Karriere gedacht zu haben und nicht an das Wohl meiner Kinder. Ich sagte ihm das auch sehr offen, das allerdings führte zu einer für mich überraschenden Reaktion seinerseits. Er sah mich an, schüttelte den Kopf und meinte:

„Herr Steevens, ihre Kinder können sich glücklich schätzen so einen tollen Vater zu haben. Sie waren da, wenn es notwendig war. Sie haben Lukas einfach so adoptiert. Ihm eine neue Familie gegeben. Das ist viel mehr als die meisten normalen Väter tun würden. Dann haben sie die Homosexualität von Mick und Lukas einfach nur zur Kenntnis genommen und beide total unterstützt. Da kann jeder nur neidisch drauf sein.“

„Benny, ich glaube, ich würde jederzeit dieselbe Entscheidung treffen, wenn ich noch mal so eine Situation hätte. Ich bin übrigens auch froh, dass meine Jungs sich so toll entwickeln. Ich habe selten Grund mir Sorgen machen zu müssen.“

Er zögerte nun und holte tief Luft: „Wissen sie, ich habe immer meine Entscheidungen allein treffen müssen seit ich zwölf war. Mein Vater hatte eigentlich nie wirklich Zeit für mich und meine Mutter war entweder nicht da oder ...“ jetzt wurde er sehr emotional und hatte Probleme den Satz zu vollenden, er schluckte und dann sagte er, „sie war betrunken.“ Dabei traten dann doch ein paar Tränen hervor. Er drehte sich verschämt von mir weg und wollte nicht, dass ich das bemerke. Ich blieb einen Moment stehen und wartete. Dann ging ich einen Schritt zu ihm und stand nun hinter ihm und legte eine Hand auf seine Schulter. Er zuckte zusammen und wollte fliehen.

„Benny, keine Panik. Ich verstehe dich und du musst dich nicht deiner Tränen schämen. Hier kann jeder seine Gefühle zeigen, wie sie gerade sind. Wenn du mir mehr erzählen möchtest oder mit Mick oder Lukas reden willst, du bist hier immer willkommen. Versprich mir bitte eines: Bevor du etwas Unüberlegtes tust, komm bitte zu uns. Wir werden versuchen dir zu helfen, wo wir können.“ Dann drehte er sich zu mir und er legte seinen Kopf an meine Schulter und weinte. Ich nahm ihn in den Arm und streichelte über seinen Rücken. Wir standen nun in der Küche und wollten eigentlich den Salat zubereiten, aber das hier hatte absoluten Vorrang. Unglücklicherweise kam Lukas in die Küche und sah uns so zusammen stehen. Er konnte sehen, wie schlecht es Benny ging. Lukas war sehr besorgt. Ich gab ihm allerdings ein Zeichen, dass er einfach wieder gehen sollte.

Wenige Minuten später hatte sich Benny wieder beruhigt und wir vollendeten unsere Zubereitung. Benny hatte wirklich Talent für die Küche. Draußen hatten die anderen Jungs bereits den Grill angefeuert und Mick hatte sich ein wenig hingesetzt, um sich zu schonen. Lukas hatte das Fleisch und die Würstchen schon am Grill abgelegt und so konnte es losgehen. Ich ging in den Keller um einige Getränke zu holen. Lukas kam mir kurze Zeit später hinterher und ich hatte damit gerechnet. Ich stand vor dem Getränke Regal, als er hereinkam.

„Hallo Lukas, lass mich raten, du möchtest wissen, was vorhin mit Benny war, richtig?“ Er sah mich lächelnd an und: „Du kennst mich schon gut. Also was war denn los?“

„Ich glaube, er muss viel erlebt haben zu Hause. Seine Eltern waren nicht oft für ihn da, außerdem scheint seine Mutter wohl oft betrunken zu sein. Ich glaube, wir werden noch mehr von ihm hören. Lukas, seid bitte vorsichtig, wenn ihr mit ihm über Familie sprecht. Er beneidet euch sehr. Ich glaube, wir sollten ihn so oft wie möglich in unsere Familie einladen. Er sollte nicht so oft allein im Internat sein.“ Lukas schien sehr nachdenklich und dann kam eine für ihn typische Reaktion:

„Papa, du solltest Psychologe werden. Ich gehe davon aus, dass du Recht haben wirst. Genau wie bei mir damals. Ich werde es mit Mick besprechen und wir werden auf ihn aufpassen.“

„Das habe ich von euch nicht anders erwartet. Ich glaube, Benny wird sehr froh darüber sein. Ich werde mir noch etwas überlegen. Lasst euch mal überraschen.“ Damit gingen wir mit jeweils einem Korb voller Getränke wieder nach oben. Die anderen warteten am Grill auf uns. Ich stellte die Getränke auf der Terrasse ab und dann machten wir uns einen wirklich gemütlichen Abend. Benny wollte wissen, wie sich Lukas und Mick kennengelernt hatten und wie sich das mit ihrem Schwulsein entwickelte. Da hatten wir ein abendfüllendes Thema. Sogar Benny erzählte dann ein wenig von sich. Allerdings nicht wirklich sehr Persönliches. Er berichtete, dass er schon mit dreizehn für sich wusste schwul zu sein und er sich nur seinem Vater anvertraut hatte. Seine Mutter wisse bis heute nichts davon und das wollte er auch so belassen. Er hatte bislang noch keinen Freund nur ein paar „Bekanntschaften“ wie er das nannte. Er wollte das auch nicht unbedingt näher erläutern. Lukas und Mick fragten immer sehr vorsichtig und so, dass er jederzeit eine Frage auch nicht beantworten musste. Mir wurde immer deutlicher, dass hier noch einiges auf uns zukommen würde. Dann schauten wir irgendwann auf die Uhr und erschraken. Es war bereits nach 23 Uhr und Benny hätte schon längst wieder im Internat sein müssen. Er wurde nun etwas panisch und wusste nicht, wie er wieder ins Haus zurück käme.

„Benny, nun beruhige dich mal wieder, ich werde das in die Hand nehmen. Ich rufe jetzt bei der Nachtwache an und werde ihr mitteilen, dass du bei uns bist. Und auch heute hier bleiben wirst. Du wirst morgen mit Lukas und Mick pünktlich zum Unterricht sein. Also mach dir keinen Kopf. Das bekommen wir hin.“ Ich gab Lukas und Leif dann den Auftrag für Benny das Gästezimmer herzurichten und ihm noch ein paar Sachen für die Nacht herauszulegen. Benny hingegen schaute uns immer wieder staunend an und meinte dann: „Also ich weiß gar nicht was hier grade passiert. Wir kennen uns noch keine drei Tage und ich kann hier einfach übernachten. Also wie soll ich das nur wieder gut machen?“

„Gar nicht du Depp, du bist unser Freund und da ist das normal. Merk dir das bitte“, war der trockene Kommentar von Mick. Ich musste lachen. Benny bekam große Augen, aber er bekam dann auch ein leichtes Lächeln im Gesicht. Leif zeigt ihm dann das Gästezimmer und wo er duschen konnte. Lukas sollte Mick noch ein wenig die Brust mit der Salbe einreiben. Ich bereitete für morgens schon einmal die Küche vor und dann bereiteten wir uns auf die Nacht vor. Ich zeigte Benny noch mein Schlafzimmer, falls nachts etwas sein sollte. Dann wünschten wir uns eine gute Nacht und Mick und Lukas gingen in ihre Wohnung und Leif und Benny in ihre Zimmer. Bevor ich zu Bett ging, schaute ich noch mal bei Leif vorbei. Ich klopfte an seine Tür und ging leise hinein.

„Hallo Kleiner, alles gut bei dir? Ich wollte dir dann eine gute Nacht wünschen.“

„Ja eigentlich schon alles ok, aber mir ist bei Benny etwas aufgefallen. Er hat sich manchmal komisch verhalten. Ich habe Angst, dass ich ihm zu nahe gekommen bin oder er sich nicht wohl fühlt“. Dabei sah mich Leif wirklich besorgt an. Ich setzte mich auf sein Bett und erklärte ihm:

„Ja, ich habe es auch bemerkt. Er hat schon viel erlebt. Ich denke, er wird uns das erst erzählen, wenn er dazu bereit ist. Er hat ja auch vorhin immer wieder ausweichend geantwortet. Er braucht noch etwas Zeit uns zu vertrauen. Ich weiß auch schon ein wenig mehr von ihm. Wir müssen sehr aufpassen. Aber ich freu mich, dass du auch für sowas ein Auge hast. Weißt du, wenn du so etwas bei einem anderen Jungen mal sehen solltest, komm bitte zu mir und erzähl mir davon. Diese Kinder brauchen Hilfe, da dürfen wir nicht wegsehen!“ Dann nahm ich meinen Kleinen noch mal in den Arm und wir wünschten uns eine gute Nacht. Ich verließ sein Zimmer und machte mich doch noch mal auf den Weg zu Benny. Ich klopfte leise an und ich hörte ein „Herein“. Ich öffnete die Tür und fragte: „Darf ich noch hereinkommen, Benny. Ich wollte nur mal sehen, ob du alles hast und alles in Ordnung ist.“ Er lag bereits im Bett und schaute mich irritiert an. Er nickte nur und sprach: „Danke Herr Steevens. Ich glaube, es ist alles in Ordnung. Danke, dass sie sich so um mich kümmern. Ich weiß gar nicht, womit ich das verdient habe.“

„Ach Benny, alles gar kein Problem. Ich finde das völlig normal und freue mich, dass du dich bei uns wohl fühlst und mit Mick und Lukas gut klarkommst. Wenn was sein sollte, du weißt ja wo mein Schlafzimmer ist. Komm einfach rein.“

„Danke aber ich glaube das wird nicht nötig sein.“

„Dann wünsche ich dir eine gute Nacht und schlaf gut.“ Damit verließ ich das Zimmer und begab mich in mein Schlafzimmer. Ich legte mich ins Bett und schlief ziemlich schnell ein.

Leif: Was für eine Nacht mit Benny

Ich hatte einen tollen Nachmittag mit Stefanie. Ich war einfach glücklich. Wir haben nur gemeinsam Zeit verbracht. Waren spazieren und dann noch etwas shoppen. Papa hatte uns mit dem Caddie aus der Schule abgeholt und ich war sehr erstaunt, wie locker Papa mit Stefanie umging. Ich bekam keinerlei Verhaltensregeln von ihm. Ich hatte erwartet, er würde mit uns über Verhütung und solche Dinge reden, aber gar nichts davon war Thema. Allerdings wollte ich auch noch nicht solche Dinge machen. Ich hatte es ihr auch schon gesagt, dass ich noch nicht bereit war für sexuelle Dinge. Ich mag sie einfach als Freund. Gut, wir haben uns geküsst, nicht nur einmal aber mehr halt nicht. Ich wollte das auch nicht. Sie hatte mir versprochen, dass sie nichts tun würde, was ich nicht wollte. Sie gab sich wirklich große Mühe mir das Gefühl zu geben, dass sie mich verstanden hatte.

Ich war einfach zufrieden, auch dass Papa mir vertraute war ein tolles Gefühl. Ich wusste jetzt, ich konnte wirklich mit ihm über alles reden.

Leider hatte ich auch unruhige Gedanken. Benny ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Was war mit dem Jungen, er war für mich ein Rätsel. Ich konnte seine Verletzungen nicht vergessen. Er musste einiges erlebt haben. Papa bestätigte mir das ja auch noch, als er mir gute Nacht sagte. Ich wollte eigentlich schon längst eingeschlafen sein, aber diese Gedanken gingen mir doch mehr durch den Kopf, als ich wollte. Irgendwann war ich dann aber so müde, dass ich einschlief.

Aber ich wachte irgendwann in der Nacht auf, weil ich auf die Toilette musste. Ich stand also auf und ging ins Bad. Auf dem Flur hörte ich allerdings Geräusche aus dem Gästezimmer. Ich war überrascht, immerhin war es drei Uhr morgens. Ich ging zur Toilette und auf dem Rückweg blieb ich kurz vor der Tür zum Gästezimmer stehen. Ich hörte Geräusche, die klangen so, als ob jemand weinen würde. Leise aber deutlich zu hören. Ich erschrak etwas. Was ließ Benny dazu veranlassen nachts im Bett zu liegen und zu weinen? Er war immerhin schon sechzehn, dachte ich. Ich überlegte nun, was ich tun sollte. Er tat mir leid und ich erinnerte mich an Papas Worte heute Abend. Ich war jetzt total unsicher, durfte ich jetzt einfach so zu ihm gehen? Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und klopfte ganz leise an die Tür. Es wurde sofort still. Ich klopfte erneut und ich hörte ein leises „Ja“. Ich öffnete die Tür und trat vorsichtig ein. Das Zimmer war dunkel und ich konnte Benny nur als Schatten erkennen, wie er vor dem Fenster stand. Ich war jetzt sehr aufgeregt, was würde er machen? Was sollte ich tun?

„Benny, was ist denn los? Ich habe Geräusche gehört.“ Sagte ich ganz vorsichtig. Er drehte sich um und sah mich an. Ich konnte immer noch nicht sein Gesicht erkennen. Deshalb fragte ich: „Darf ich etwas Licht anmachen?“

Er ging zu dem Nachttisch und machte die Leselampe an. Jetzt konnte ich ihn erkennen. Er stand nur mit Boxershort bekleidet an seinem Bett und starrte mich an:

„Was machst du hier? Warum schläfst du nicht?“, fragte er mich nun mit verweinter Stimme. Ich wusste nicht so genau, wie ich darauf antworten sollte, und sagte deshalb wahrheitsgemäß:

„Ich musste mal für kleine Jungs und da habe ich bei dir Geräusche gehört. Ich mache mir Sorgen, ob es dir gut geht.“ Er sah mich nun sehr traurig an und er setzte sich auf sein Bett.

„Ach es ist nichts. Nicht so wichtig, ich konnte nicht schlafen und da habe ich mich ans Fenster gestellt und mir die Sterne angesehen.“ Dabei senkte er seinen Kopf. Ich ging auf ihn zu und fragte: „Darf ich mich zu dir aufs Bett setzen? Ich glaube, wir sollten mal miteinander reden.“

Er nickte nun und ich setzte mich neben ihm aufs Bett. Er schaute mich mit seinen verweinten Augen an und ich wusste jetzt ganz bestimmt, dieser Junge brauchte Hilfe und es ging ihm überhaupt nicht gut.

„Benny, du musst dich hier bei uns nicht verstecken. Lukas hat damals auch ganz schlechte Zeiten gehabt und ich bin so froh, dass unser Papa damals einfach auf Lukas zugegangen war und ihm geholfen hat. Er ist mittlerweile für mich ein echter Bruder geworden. Er bedeutet mir sehr viel. Also Benny, was macht dich so traurig? Und erzähl mir jetzt nicht, dass du nicht traurig bist. Du hast geweint und zwar sehr stark. Also, willst du mir nicht erzählen, was wirklich bei dir los ist?“

Er schaute mich nun fast verzweifelt an, er wusste nicht, was er machen sollte. Dann legte er seinen Kopf auf meine Schulter und seufzte. Ich nahm ihn jetzt einfach in den Arm. Es war mir egal, ob das jetzt richtig oder falsch sein würde. Ich hatte einfach das Bedürfnis ihm nahe zu sein.

„Ach Leif, ich möchte dich nicht damit belasten, es tut einfach nur weh. Meine Mutter trinkt immer mehr und dann wird sie unausstehlich. Mein Vater ist beruflich viel unterwegs und kann mir eigentlich nicht helfen. Niemand kann mir wirklich helfen. Ich hatte gehofft, hier im Internat könnte ich davon abschalten, aber ich muss immer wieder von dem Ganzen träumen. Leif, ich kann einfach nicht mehr.“ Dann brach er wieder in einen Weinkrampf aus. Ich hielt ihn ganz fest und hoffte er würde sich beruhigen. Nach einigen Minuten, in denen er sich überhaupt nicht beruhigen wollte, beschloss ich Papa zu wecken. Ich sagte Benny, er möge nicht weglaufen und ich würde sofort wieder da sein. Dann stand ich auf und ging zu Papas Schlafzimmer. Ich ging hinein und weckte ihn. Er war total verschlafen und verwundert.

„Kleiner, was ist los? Warum weckst du mich? Brennt es?“

„Papa, komm bitte schnell mit zu Benny. Er sitzt schon seit Stunden im Zimmer und weint immer wieder. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.“ Da schnellte Papa hoch und stand sofort hellwach neben mir.

„Los, komm mit. Mensch Junge, warum hast du mich nicht eher geweckt.“ Dann gingen wir beide zu Benny ins Gästezimmer, er saß immer noch weinend auf dem Bett. Es sah einfach schrecklich aus und ich fühlte mich auch nicht unbedingt viel besser. Papa setzte sich neben ihn und nahm ihn in den Arm. Benny ließ sich einfach in seine Arme fallen und ließ allen Gefühlen freien Lauf. Es tat unheimlich weh, das mit ansehen zu müssen. Papa gab mir ein Zeichen, dass ich besser gehen sollte. Aber ich wollte Benny nicht allein lassen. Dann sagte Papa zu mir:

„Kannst du mal in der Küche nach etwas zu trinken schauen. Oder noch besser, kannst du uns einen grünen Tee machen? Ich glaube, das wird hier noch etwas dauern.“

„Klar, mache ich. Soll ich sonst noch etwas machen?“

„Nein, ich denke erst mal nicht.“ Dann ging ich in Richtung Küche. Mir gingen tausend Dinge durch den Kopf. Was hatte Benny erlebt, dass er so schlimme Ängste hatte?

Marc: Bennys Trauma

Ich saß nun also mit Benny auf dem Bett, hielt den hemmungslos weinenden Jungen im Arm und versuchte ihm Halt zu geben. Es war unmöglich in diesem Zustand mit ihm zu sprechen, deshalb schickte ich Leif erst mal hinaus etwas zu trinken holen. Er sollte einen Tee machen. Die Nacht war mittlerweile eh gelaufen. Nach einigen Minuten bitterlichen Weinens beruhigte sich Benny in meinen Armen ein wenig. Er lag an mich geklammert mit dem Kopf auf meiner Schulter. Ich streichelte mit der Hand seinen Rücken. Als er irgendwann aufgehört hatte zu weinen, versuchte ich ihn zu bewegen mit mir in die Küche zu kommen.

„Benny, lass uns in die Küche gehen. Leif hat uns einen Tee gekocht. Das tut uns jetzt bestimmt gut.“ Dabei stand ich auf und hielt ihn weiter im Arm. Er weigerte sich nicht mitzukommen. Ich wusste allerdings nicht, ob es an seiner Erschöpfung lag oder daran, dass er mir vertraute. Jedenfalls gingen wir nahezu wortlos Richtung Küche. Leif stand dort und hatte bereits drei Becher mit grünem Tee hingestellt und die Kanne auf ein Stövchen gestellt. Er sah mich mit fragenden Augen an. Ich schüttelte nur leicht meinen Kopf, damit er verstand, keine Fragen zu stellen. Ich setzte mich mit Benny im Arm an den Tisch.

„Nimm erst mal einen Becher Tee. Dann geht’s dir wieder besser.“

Er sah mich aus seinen verweinten und traurigen Augen an und nickte. Dann nahm er sich den Becher und trank einige kleine Schlucke Tee. Ich saß immer noch neben ihm und streichelte seinen Rücken. Er wollte mir etwas sagen, aber seine Stimme versagte ihm. Er fing direkt an wieder unruhig zu werden. Ich nahm ihm den Druck.

„Nicht aufregen, Benny. Du musst jetzt gar nichts erklären. Wir haben alle Zeit der Welt. Ich werde so lange bei dir bleiben, bis du wieder stabil bist. Du kannst auch bei mir im Schlafzimmer schlafen, wenn du möchtest. Dann bist du nicht allein.“ Leif sah mich auch an und wollte sich auch anbieten bei Benny zu bleiben, aber das wollte ich Leif nicht zumuten. Ich sagte dann zu Leif:

„Geh du jetzt mal wieder ins Bett. Du brauchst nicht aufstehen zur Schule. Ich werde dort anrufen und euch beide für den Tag entschuldigen. Mick soll im Sekretariat Bescheid sagen, dass ich mich melde.“ Dann stand Leif auf und wollte gehen, als Benny plötzlich aufstand und auf Leif zu ging. Ich war jetzt sehr gespannt was passieren würde. Benny umarmte Leif und sagte mit brüchiger Stimme:

„Vielen Dank, ich weiß nicht, was ohne dich passiert wäre. Bitte verzeih mir, ich werde es dir später erklären. Ich kann es jetzt noch nicht.“ Leif legte beide Arme um ihn und gab ihm zu verstehen, dass alles in Ordnung sei. Ich war wirklich stolz auf Leif. Er hatte hier Verantwortung übernommen und sich sofort um Benny gekümmert. Das gab mir ein richtig gutes Gefühl. Leif ging dann hinaus und wieder in sein Zimmer. Ich saß nun allein mit Benny in der Küche. Ich sagte nichts und wir tranken unseren Tee. Mittlerweile wurde es sogar wieder langsam hell draußen.

„Kommst du mit zu mir oder soll ich mit dir im Gästezimmer bleiben? Jedenfalls lasse ich dich nicht allein schlafen.“ Er schaute mich an und ich konnte seine Gefühle erkennen.

„Herr Steevens, sie müssen mich doch jetzt für verrückt halten. Ich bin sechzehn und heule hier rum wie ein kleiner Junge. Ich würde ihnen so gerne alles erklären, aber es geht einfach noch nicht.“

„Du musst mir gar nichts erklären. Es macht auch gar keinen Sinn, wenn du es noch nicht kannst. Lass dir Zeit. Du musst nur wissen, hier wird dir jeder zuhören. Du kannst hier auch weinen und einfach nur bei uns bleiben. Wir werden für dich da sein. Wenn du bereit bist zu erzählen, dann komm zu mir oder zu den Jungs und rede es dir von der Seele. Erst dann wird es dir besser gehen. Also wo willst du jetzt zur Ruhe kommen?“

„Würde es ihnen etwas ausmachen, wenn ich zu ihnen komme?“ Er sah mich dabei schüchtern an und ich musste schmunzeln. Er war so verletzlich wie ein kleines Rehkitz.

„Gut, dann komm mit. Wir sollten versuchen noch ein wenig Ruhe zu finden und uns ausruhen.“ Dann standen wir auf und gingen gemeinsam in mein Schlafzimmer. Wir legten uns ins Bett und er beruhigte sich. Nach wenigen Minuten wurde ich wieder schläfrig, Benny hingegen lag ein wenig unruhig neben mir. Plötzlich begann er zu erzählen. Er berichtete von einer Zeit, wo er zwölf war. Seine Mutter begann in dieser Zeit zu trinken und Tabletten zu nehmen. Sie kam nicht mit der Situation klar, immer allein zu sein. Sein Vater war sehr viel unterwegs und verdiente auch sehr viel Geld. Allerdings war er eben nie zu Hause. Benny hatte niemanden, mit dem er reden konnte. Seine Geschwister waren mittlerweile alle ausgezogen und er war das Nesthäkchen. Jetzt war er eben der Einzige, der noch zu Hause wohnte. Seine Mutter vernachlässigte ihn immer mehr. Er bekam nur viel Geld und musste sich damit selbst versorgen und sich alles selbst organisieren. Seine Mutter war sogar oft tagelang verschwunden und sie drohte ihm mit Prügel, wenn er seinem Vater davon etwas erzählen würde. Manchmal kam sie abends volltrunken nach Hause, und wenn er irgendetwas nicht genau nach den Wünschen seiner Mutter tat, wurde er von ihr geschlagen. Je älter er wurde, desto schlimmer wurde es. Erst vor zwei Wochen, nachdem er von ihr ganz böse mit einem Metallstock verprügelt wurde, hatte sein Vater es bemerkt. Daraufhin hatte er den Jungen sofort hier auf das Internat geschickt. Der Vater wollte sich dann in der Zeit um die Situation kümmern.

Ich war geschockt. Benny hatte vier Jahre Martyrium hinter sich. Und niemand wusste davon. Er war damit vollkommen allein. Jetzt weinte er wieder und ich nahm ihn einfach wortlos in den Arm. Erst als er sich wieder beruhigt hatte, sagte ich zu ihm:

„Ich verspreche dir jetzt hier, du wirst niemals wieder allein sein müssen mit deinen Sorgen und Ängsten. Wir werden dir helfen. Ich bin sehr bestürzt und sehr traurig über das, was du erleben musstest. Aber das wird sich ab heute ändern, das verspreche ich dir.“ Dann schmiegte er sich ganz eng an mich und er schlief tatsächlich wieder ein.

Mick kam um kurz nach sieben in mein Schlafzimmer, weil er sich gewundert hatte, dass Benny nicht im Gästezimmer war. Als er sah, dass Benny bei mir war, weckte er mich ganz leise und ich gab ihm nur ganz kurz einen Überblick. Er wollte in der Schule Bescheid sagen und dann verließ er mit Lukas das Haus und sie fuhren mit dem Rad zur Schule.

Leif kam irgendwann gegen zehn in mein Schlafzimmer und weckte uns. Ich sah neben mir liegend einen sichtlich gezeichneten Benny, der noch tief und fest schlief. Er war in den letzten Stunden immer wieder kurz wach gewesen. Wir wollten ihn schlafen lassen. Ich stand also ganz vorsichtig auf und Leif und ich gingen leise hinaus. Ich ließ allerdings die Tür offen. Falls er aufwachen würde, sollte er sich nicht zu sehr erschrecken.

Ich ging zuerst ins Bad und Leif wieder in die Küche. Er hatte bereits Brötchen geholt und frischen Tee gekocht. Als ich in die Küche kam, war der Tisch bereits fix und fertig vorbereitet. Ich war wirklich sehr erfreut über meinen Sohn.

„Mensch Kleiner, was ist denn nun passiert? Toll, wie das hier aussieht. Ich bin stolz auf dich.“ Dann nahm ich meinen Jüngsten liebevoll in den Arm und er sagte dann etwas, was mich sehr nachdenklich werden ließ:

„Papa, ich habe gestern erst wirklich gemerkt, wie gut ich es hier habe. Ich bin so glücklich eine richtige Familie zu haben. Es geht uns wirklich so gut. Das, was Benny erlebt haben muss, muss schrecklich sein. Ich hoffe, wir können ihm helfen.“ Ich sah ihn dabei an und musste ihn drücken.

„Leif, Benny hat mir einiges erzählt und ich verspreche dir, ich werde ihm helfen. Ich denke, wir werden ihm helfen, oder?“

„Ja, auf jeden Fall. Ich bin mir sicher, Lukas und Mick werden genauso denken. Wir schaffen das ganz bestimmt.“

Plötzlich hörten wir ein Geräusch aus dem Schlafzimmer. Ich ging sofort hinüber und Benny stand bereits im Schlafzimmer und sah sich etwas irritiert um. Ich begrüßte ihn:

„Hallo Benny, wie geht es dir heute Morgen? Hast du dich etwas erholt?“

„Ich weiß nicht, irgendwie fehlen mir etwas die Erinnerungen. Habe ich irgendwas angestellt?“ Dabei sah er mich schüchtern, fast ängstlich an.

„Ja, Benny du hast etwas angestellt. Du hast mir viel von dir erzählt und ich bin froh, dass du zu uns Vertrauen hast. Ich verspreche dir, du bist nicht mehr alleine. Wir bekommen das gemeinsam wieder hin. Und du musst nicht denken, dass es dir unangenehm sein muss. Ich bin stolz auf dich, dass du den Mut hattest, uns das zu erzählen.“

Er war nun etwas verunsichert und begann sich zu erinnern.

„Habe ich Leif wehgetan oder ihn zu sehr belastet? Ich wollte das nicht, aber ich konnte einfach nicht mehr.“ Seine Augen wurden leider nun wieder traurig. Ich ging auf ihn zu und nahm ihn in den Arm.

„Mach dir keine Sorgen. Leif ist in Ordnung und er freut sich genauso wie ich, dass es dir nun besser geht. Komm lass uns frühstücken gehen. Leif hat uns ein tolles Frühstück gemacht.“ Jetzt staunte Benny aber sehr. Das hatte er nicht erwartet. Ich schickte ihn erst mal ins Bad. Ich ging derweil wieder in die Küche. Wenige Minuten später kam Benny auch zu uns. Er sah Leif sehr unsicher an und wollte sich bei ihm entschuldigen. Leif kam ihm zuvor, indem er ihn einfach nur umarmte und sagte:

„Ich freu mich sehr, dass es dir wieder besser geht. Wir werden dir helfen, mach dir keine Sorgen.“ Dann nahm er Benny bei der Hand und sie setzen sich nebeneinander an den Tisch. Ich erklärte Benny noch, dass er für heute von der Schule beurlaubt sei und ich mit Herrn Dr. Steyrer noch ein Gespräch haben würde.

Am Tisch sitzend fragte ich Benny dann:

„Was möchtest du denn heute so machen? Ich habe nachher mit Lucien einen Termin und Leif auch. Mick und Lukas haben Training und abends habe ich noch einen Termin mit Mick und Lukas, von dem sie noch nichts wissen. Du kannst dir aussuchen, was du machen möchtest. Allerdings möchte ich nicht, dass du eine längere Zeit allein irgendwo bist.“

„Herr Steevens, ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll. Ich komme hier einfach als Fremder her und sie nehmen mich auf, als sei ich schon lange ein Freund der Familie. Ich muss auf jeden Fall ins Internat und mir Sachen holen und meine Schulsachen machen. Danach würde ich gerne mit ihnen, Leif und Lucien dabei sein. Sie wollten trainieren oder wie war das?“

„Ja genau, wir wollen vielleicht mal eine kleine Strecke mit dem Mountainbike fahren. Du kannst gerne mitkommen. Ein Bike haben wir sicher auch für dich. Dann begleite ich dich ins Internat, ich habe ja noch den Termin mit Herrn Steyrer. Willst du vielleicht sogar bei dem Gespräch dabei sein oder lieber noch nicht?“

„Also ich weiß nicht. Lieber nicht. Ich habe ein wenig Angst davor. Aber wenn sie meinen es sei besser, dann mache ich das aber.“

„Überleg es dir einfach noch ein wenig. Jetzt wird erst mal in Ruhe gefrühstückt. Übrigens, du kannst auch erst mal bei uns im Gästezimmer bleiben und musst nicht allein im Internat wohnen. Und ich schlage dir vor, dass du mich Marc nennst.“ Er sah mich völlig entgeistert an und dann sah ich endlich wieder sein Lächeln im Gesicht. Er stand auf, umarmte mich und sagte nur ein ganz zaghaftes „Danke, du weißt ja gar nicht, was das hier für mich bedeutet.“

„Doch“, sagte ich sehr bestimmt, „das weiß ich ganz genau. Das habe ich nämlich mit Lukas damals schon einmal erlebt. Und ich mache das sehr gerne für dich. Also lass uns nach vorne schauen und ich möchte dich fragen, ob ich deinen Vater anrufen darf und ihn einladen darf herzukommen? Du musst das nicht sofort entscheiden, aber denk mal drüber nach.“

Benny nickte und versprach mir darüber nachzudenken.

Nach dem Frühstück rief ich Mick in der Schule an und teilte ihm die neue Lage mit. Ich bat ihn, sich um Benny zu kümmern, während ich bei Dr. Steyrer war. Er wollte sich mit Lukas darum kümmern. Ich hatte in der Mittagszeit einen Termin dort. Es würde für die Jungs also kein Unterricht ausfallen. Wir würden uns dann um halb eins vor dem Internat treffen und dann würden die Jungs Benny übernehmen.

Den Vormittag verbrachten wir gemeinsam unten in der Garage an der Cobra. Benny stellte sich als sehr geschickt im Umgang mit Werkzeug heraus. Wir hatten außerdem viel Spaß. Nach kurzer Zeit war Benny komplett ausgewechselt. Er konnte wieder lachen und Leif und er waren ein gutes Team. Benny fragte Leif sogar nach Stefanie und ich spürte, wie Benny immer sicherer bei uns wurde. Er genoss die Anbindung an unsere Familie. Um kurz nach halb zwölf beendeten wir unsere Arbeit und gingen duschen. Wir wollten anschließend darüber sprechen, wie wir das mit dem Essen machen wollten. Ich saß bereits mit Frau Ruthy zusammen in der Küche und wir hatten schon geklärt, dass ich mit Leif und Benny essen gehen würde und Frau Ruthy dann später für Lukas und Mick das Essen machen würde. Ich saß also am Küchentisch, als Benny hinzukam und sich an den Türrahmen lehnte. Ich stellte ihm Frau Ruthy vor und als Leif auch kam, bat ich Benny sich zu uns zu setzen.

„So Jungs, folgende Lage: Wir werden jetzt erst mal was essen fahren. Dann bringe ich Benny zu Mick und Lukas ins Internat. Dort werden sich die beiden dann um dich kümmern, Benny. Ich werde dann mich mit Dr. Steyrer treffen. Nur zur Beruhigung, ich hatte eh einen Termin mit ihm, also nicht nur wegen dir jetzt. Leif wird sich mit Stefanie nach der Schule kurz treffen und wir werden dann um halb vier mit Lucien unsere Tour mit dem Bike machen. Gibt es Fragen von euch zu diesem Plan?“ Ich sah beide Jungs an und Leif nickte nur einverstanden mit dem Kopf. Benny hingegen sah mich mit großen Augen an und meinte:

„Marc, bitte sei jetzt nicht sauer, aber so einen Umgang kenne ich nicht. Ich musste immer alles selber organisieren und planen. Ich bin jetzt verunsichert, was ich machen soll.“

Ich lächelte ihn an und meinte nur: „Am besten einfach nur zustimmen und mir vertrauen. Dann läuft das schon. Aber wenn du etwas wissen willst oder mit irgendetwas nicht einverstanden bist, sag es mir bitte. Ich will nichts gegen deinen Willen tun.“

Er staunte einfach nur und gab mir zu verstehen, dass er erst mal das so machen würde, wie ich es vorgeschlagen hatte.

„Ach ja“, meinte ich dann noch, „wenn du mal mit deinem Vater telefonieren möchtest, dann mach das hier vom Festnetz aus. Du musst das nicht von deinem Handy machen. Und bitte leg mir deine Handynummer raus. Damit wir dich immer schnell erreichen können.“

Er gab mir und Leif seine Nummer und ich bat Leif, diese auch an Mick und Lukas weiterzugeben. Dann stiegen wir ins Auto und fuhren zu Salvatore zum Essen. Wir hatten leider nicht so viel Zeit, dass wir uns dort länger aufhalten konnten. Denn wir wollten ja pünktlich an der Schule mit den beiden Jungs zusammentreffen. Dort warteten die Beiden bereits auf uns. Sie begrüßten Benny und Leif und ich gab ihnen eine kurze Lageeinweisung. Dann verabschiedete ich mich in Richtung Sekretariat und Leif wollte sich mit Stefanie treffen.

Ich klopfte am Sekretariat an und Frau Schnyder bat mich herein. Sie begrüßte mich sehr herzlich. Wir hatten uns schon eine längere Zeit nicht mehr gesehen und sie freute sich sichtlich über mein Erscheinen. Sie berichtete mir von den guten Dingen, die Lukas und Mick hier schon bewegt hatten. Ich berichtete kurz, wie es uns im neuen Haus so geht und dass sich die Jungs mittlerweile gut eingelebt hatten. Dann öffnete sich die Tür zum Direktorzimmer und Dr. Steyrer trat ins Sekretariat.

„Guten Tag Herr Steevens, schön sie wieder mal bei uns begrüßen zu können. Wie geht es ihnen hier in der Schweiz? Mittlerweile gut eingelebt?“

„Hallo Dr. Steyrer, ja danke. Ich glaube meinen Jungs gefällt das sehr gut. Ich muss sagen, für mich sind einige Dinge noch etwas ungewohnt. Aber ich genieße auch sehr oft meine Freizeit. Momentan fühle ich es noch so wie Urlaub. Mal sehen, wie es sich entwickelt. Momentan halten mich meine Jungs gut auf Trab. Ich will aber nicht meckern. Im Gegenteil, ich bin einfach glücklich, dass meine Jungs die letzten Jahre so gut überstanden haben und wir jetzt wieder eine richtige Familie sind.“

„Ich glaube ihnen das gerne. Leif hatte sich ja bis kurz vor dem Unfall doch sehr zurückgezogen und immer wieder darunter leiden müssen, dass sie nicht bei ihm waren. Kommen sie doch mit hinüber in mein Büro. Da kann ich ihnen mein Anliegen dann besser erläutern.“

Wir gingen also in sein Büro und er setzte sich zu meinem Erstaunen nicht an seinen Schreibtisch, sondern in die kleine Sitzgruppe. Ich nahm in einem Sessel Platz und war nun doch recht gespannt was mich erwarten würde.

„Also Herr Steevens, ich habe ein kleines Problem mit ihrem Jüngsten. Zum einen vernachlässigt er in letzter Zeit seine schulischen Aufgaben und zum anderen ist er einige Male aufgefallen, als er unerlaubterweise auf dem Mädchentrakt gesehen wurde außerhalb der normalen Zeiten. Ich meine das ist jetzt noch kein Drama, aber ich habe momentan das Gefühl, dass er seine Freundschaft zu Stefanie über die Schule und die Regeln stellt. Das möchte ich gerne wieder anders haben.“

Ich war nun doch etwas überrascht, dass es wohl größere Schwierigkeiten gab. Ich versuchte erst mal mir das Ganze anzuhören und dann hatte ich eine Idee.

„Sagen sie Dr Steyrer, gibt es sonst noch Auffälligkeiten bei Leif? Ich weiß mittlerweile seit kurzem von der Beziehung zu Stefanie und ich denke, er wird sich nicht mehr heimlich mit ihr hier treffen müssen. Er hat mir erzählt, dass sie sich sehr mögen und er wird sich nun häufiger bei uns mit seiner Freundin treffen. Allerdings, dass seine schulischen Verpflichtungen leiden, gefällt mir nicht. Ich habe allerdings einen ähnlichen Eindruck zu Hause. Er hat im Moment viel mit sich selber zu tun und er lässt sich auch nicht mehr immer etwas von mir sagen. Also eigentlich ein normales pubertäres Verhalten. Ich habe bislang immer die Konfrontation vermieden, weil seine Leistungen bislang immer ok waren und weil er bislang irgendwann doch von sich aus zu mir gekommen ist, wenn er Probleme hatte. Soll ich meine Toleranz ihrer Meinung nach aufgeben? Oder was schlagen sie vor?“

„Ich glaube, dass sie bislang einen tollen Vater abgegeben haben und ich will auf keinen Fall, dass Leif das Vertrauen in sie verliert, aber wir sollten versuchen ihm zu sagen, dass es Prioritäten gibt. Er kann sich nicht immer nur die Rosinen nehmen und dann alles andere hinten anstellen. Ich würde mir wünschen, er würde wieder mehr für die Schule tun.“

„Also ich verstehe. Ich glaube, ich habe da auch schon eine Idee. Wissen sie, im Moment ist ja der Benny aus Deutschland hier zu Besuch. Lukas und Mick haben ja sowas wie eine Patenschaft übernommen.“

„Ja richtig, und da muss ich mal sagen, dass machen sie wirklich großartig. Ich habe nämlich das Gefühl, dass es dem Benny nicht besonders gut ergangen ist in den letzten Monaten.“

„Allerdings, das möchte ich aber gleich noch zum Thema machen. Bleiben wir erst mal bei Leif. Was halten sie von der Idee, Leif mit Stefanie gemeinsam ein Projekt machen zu lassen. Denken sie sich eine Aufgabe aus, die sinnvoll ist. Vielleicht sogar mit einer sechsten oder siebten Klasse. Ich denke, dann lernen sie Verantwortung zu übernehmen und ich werde mit ihm über seine Arbeitsmoral mal sprechen. Ich denke nämlich, dass er einfach nur verwirrt ist. Er braucht klare Strukturen und dann kommt er auch wieder besser zurecht. Ich werde mit ihm daran arbeiten und mich stärker um seinen Tagesablauf kümmern. Ich habe nämlich das Gefühl, dass ich ihm vielleicht zu viel Eigenverantwortung gegeben habe. Das werde ich mit ihm besprechen. Was denken sie darüber?“

„Ein interessanter Aspekt. Ich freue mich, dass Sie sich so kritisch damit auseinandersetzen. Ich bin der Meinung, wir sollten das versuchen. Ich werde mit dem Klassenlehrer über ein Projekt mit den unteren Klassen sprechen. Vielleicht kann Leif ja ein Physik- oder Chemie-Projekt machen oder ein Technik-Projekt. Stefanie ist ja technisch auch sehr interessiert.“

„Ja, ich finde, das ist eine gute Idee. Sollte das nicht funktionieren, müssen wir uns noch mal zusammensetzen. Ich habe jetzt aber noch ein anderes Anliegen. Es betrifft Benny und die Patenschaft meiner beiden großen Jungs.“

Ich klärte nun Dr. Steyrer über die neuesten Entwicklungen auf und bat ihn darum, Benny im Unterricht besonders zu beobachten. Auch im Umgang mit den anderen Schülern. Ich wollte auf jeden Fall vermeiden, dass er sich überfordert fühlte. Dr Steyrer konnte mir meine Beobachtungen nur bestätigen und er sah das Ganze auch mit Sorge, was bei Benny zu Haue wohl passiert sein musste. Wir verständigten uns darauf, dass ich sozusagen sein „Betreuer“ hier sein würde. Er sollte zwar weiterhin im Internat wohnen, damit er den Kontakt zu seinen Mitschülern verbessern konnte, aber ich sollte ihm jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Auch das er mal bei uns schlafen könnte, wäre in Ordnung. Insbesondere an den Wochenenden, wo die anderen Schüler nach Hause fahren. Ich war damit sehr einverstanden und ich bat Dr. Steyrer um einen Gefallen.

„Dr. Steyrer, ich würde sie gerne darum bitten, den Vater von Benny offiziell hier her zu bestellen. Ich denke es ist sinnvoller, wenn sie das offiziell machen und ich mich dann anschließend einschalten kann. Wenn ich den Vater direkt bitten würde, bekommt das einen anderen Charakter. Was denken sie darüber? Denn der Vater sollte herkommen, ich finde, wir müssen die Situation für Benny grundlegend verändern. So wird das ein böses Ende nehmen.“

„Ja, ich stimme darüber mit ihnen überein. Allerdings wundere ich mich, dass Benny sich so gut mit Lukas und Mick angefreundet hat. Mit keinem anderen Schüler hat er bisher richtigen Kontakt. Er vermeidet sogar den näheren Kontakt zu den anderen. Selbst Einladungen auf eine Party oder so hat er immer abgelehnt.“ Ich musste nun schmunzeln. Ich konnte mir schon denken, warum das wohl so sein würde.

„Nun ja, wissen sie Dr. Steyrer, ich habe dafür eine Erklärung aber ich möchte sie um Verschwiegenheit bitten.“

„Ja natürlich.“

„Mick und Lukas sind schwul und ein Paar. Benny hat damit zum ersten Mal Gleichgesinnte gefunden. Damit dürfte es für ihn wichtig sein, sich mit Gleichgesinnten zu beschäftigen.“

„Ist Benny auch homosexuell? Und ist das vielleicht der Grund für die Probleme zu Hause?“

„Ja, er ist auch schwul, ob das ein Grund für seine Probleme ist, kann ich noch nicht sagen. Ich weiß nur, dass seine Mutter es nicht erfahren darf. Sein Vater weiß wohl darüber Bescheid.“

„Vielen Dank für diese Information. Ich werde sie selbstverständlich vertraulich behandeln. Aber das erklärt einiges.“

Ich sah auf die Uhr und die Pause für Mick und Lukas neigte sich dem Ende zu. Ich musste nun Benny wieder abholen, damit meine Jungs wieder in den Unterricht konnten. Ich verabredete mit Dr. Steyrer ein weiteres Gespräch in den nächsten Tagen. Er wollte sich um die Einladung des Vaters kümmern. Damit verabschiedete ich mich und verließ das Büro. Ich wünschte Frau Schnyder noch einen schönen Tag und verließ das Gebäude in Richtung Parkplatz. Ich sah die Drei schon am Auto auf mich warten und musste überrascht feststellen, dass sich dort noch ein weiterer Junge befand, den ich noch nicht kannte. Ich schätzte ihn so auf 15.

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