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Lucien

Teil 11

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Inhaltsverzeichnis

Luc: Eine besondere Feier nimmt seinen Lauf

Es war Samstagmorgen, kurz nach zehn und ich lag gerade aufgewacht in meinem Bett, mein Freund Stef noch schlafend neben mir. Es gingen mir einige Dinge durch den Kopf. Heute Abend hatte ich zur Geburtstagsfeier eingeladen. Es gab nur ein Problem. Wie bei solchen Feiern in der Familie Steevens üblich, hatte der Gastgeber nur eine Gästeliste zu erstellen und alles andere übernahm die Familie in strenger Geheimhaltung. Bislang war ich immer in der guten Lage gewesen, die Planungen machen zu dürfen und war damit über die Ausgestaltung und den Ablauf immer im Bilde. Diesmal ging es anders herum. Nun ja, ändern konnte ich das ja eh nicht, also versuchte ich, mich damit abzufinden und das Beste daraus zu machen.

Zuerst einmal beschloss ich, meinen Freund sehr liebevoll zu wecken und streichelte ihm über sein Gesicht. Er schien noch tief und fest zu schlafen, denn es kam noch keine Reaktion. Aber als ich ihm einen Kuss gab, reagierte er. Die Folge war, dass unser aufwachen deutlich länger dauerte und anschließend ein Austausch unserer Schlafanzüge erforderlich war. Egal, dafür gab es ja Waschmaschinen. Gemeinsam ging es dann unter die Dusche.

Irgendwie waren wir beide heute in außergewöhnlicher Laune. Auch unter der Dusche alberten wir herum und kitzelten uns gegenseitig durch. So wurde es recht lebhaft im Bad. Entsprechend komisch schaute uns Leif an, als wir geraume Zeit später in der Küche zum Frühstück eintrafen. Er saß bereits mit der Zeitung in der Hand am Tisch und schaute in den Anzeigen nach etwas. Stef und ich nahmen uns Teller und Besteck und setzten uns an den Tisch.

„Weißt du, wo Mama und Papa sind?“

Leif schaute über seine Zeitung und grinste.

„Na, wo wohl. Sie sind die Feier vorbereiten, aber wo und was verrate ich nicht. Nur so viel, wir sollen uns um 14 Uhr bei Salvatori einfinden. Bis dahin können wir uns frei beschäftigen.“

„Ok, das bekommen wir hin. Sind Mick und Lukas schon wach oder pennen die noch?“

In diesem Moment kamen die beiden schon zur Tür herein. Sie begrüßten uns herzlich und damit wurde das Frühstück gleich viel interessanter. Sie erzählten die neuesten Geschichten aus dem Studium und Mick fragte mich dann:

„Was habt ihr heute Vormittag so vor? Wir könnten ein bisschen Unterstützung gebrauchen. Du bist doch jetzt der Autoexperte, wir wollen uns ein neues Auto kaufen, der TT hat mittlerweile so viele Kilometer auf der Uhr, da haben wir Sorge, dass bald teure Reparaturen kommen.“

Stef schaute mich zweifelnd an, allerdings hatte ich schon Lust, mit den beiden den Vormittag zu verbringen. So oft sahen wir uns ja nicht. Nach kurzer Diskussion mit Stef einigten wir uns auf einen gemeinsamen Vormittag, unter anderem mit dem Besuch bei einigen Autohäusern. Die Küche wurde schnell in Ordnung gebracht und dann ging es auch schon los. Mick holte den Caddie aus der Garage und Stef und ich machten es uns auf der Rückbank richtig gemütlich.

„Sag mal, hast du eigentlich eine Ahnung, was heute Abend alles passiert?“, wollte Stef wissen.

„Nein, Schatz. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, aber ich habe mittlerweile verstanden, dass es keine gute Idee ist, unseren Eltern da die falschen Fragen zu stellen. Wir werden es wohl abwarten müssen.“

Lukas hatte das mitbekommen und begann laut zu lachen.

„Du hast wirklich viel dazu gelernt. Papa hat, wie immer bei solchen Dingen, alles im Griff. Die Gästeliste ist seine Baustelle, während Mama sich um die Feier kümmert. Und seid euch sicher, es wird eine tolle Feier.“

Wir fuhren über die kleine Straße durch unseren Ort. Plötzlich begann Mick zu hupen und zu winken. Wir erschraken, denn die Hupe war ein gigantisches Horn und entsprechend laut. Mick lenkte den Caddie an den Straßenrand und stieg aus. Lukas war einen Moment genauso ratlos wie wir, denn Mick ging bereits auf einen jungen Mann zu, den er wohl aus dem Auto heraus erkannt hatte. Sie umarmten sich und scherzten herum. Lukas schaute erneut genau hin, dann begann er ebenfalls zu lachen.

„Sag mal, wer ist das? Kennst du die Person auch?“

„Ja, und ich bin genauso überrascht wie Mick. Das ist Stephen, einer unserer besten Freunde aus der Zeit im Internat. Wir haben uns schon über ein Jahr nicht mehr gesehen.“

Jetzt stieg Lukas ebenfalls aus und ging den beiden entgegen. Mick hatte sich nämlich bereits in Richtung Auto mit dem Mann aufgemacht. Auch Lukas wurde herzlich begrüßt. Mick stellte uns Stephen vor und so erfuhren wir, warum Stephen wieder hier war. Er besuchte einen Freund aus dem Ort. Somit war klar, Stephen würde ebenfalls heute Abend eingeladen sein. Mick fragte mich zwar noch, aber mir war klar, dass Stephen eingeladen sein würde. Es war für mich total in Ordnung. Nach einem kurzen Gespräch machten wir uns wieder auf den Weg.

„Mensch Lukas, das ist echt eine Überraschung gewesen. Stephen ist hier im Ort und wir auch. Damit hätte ich echt nicht gerechnet.“

„Das stimmt. Aber umso schöner, denn du hast ja früher viel mit ihm gemacht. Was macht er eigentlich heute? Studiert er noch?“

„Soweit ich weiß ist er auch bald fertig und wird dann in dem Betrieb seines Vaters einsteigen. Ich denke, er wird uns heute Abend sicher einiges erzählen.“

Währenddessen rollten wir durch den Verkehr und ich hatte eine Vorahnung, wo es hingehen würde. Das ehemalige Autohaus von Manuel würde sicher das Ziel werden. Dort hatte ja der Besitzer gewechselt und mittlerweile auch die Marke. Es war nun ein Porschezentrum geworden.

„Sagt mal, ist bei euch der Wahnsinn ausgebrochen? Soll es ein Porsche werden?“, fragte ich etwas ungläubig, denn immerhin waren sie noch Studenten.

Es wurde ein interessanter Vormittag. Wir hatten insgesamt vier verschiedene Händler besucht und insgesamt sechs Autos angeschaut. Allerdings war keine wirkliche Entscheidung gefallen. Stef wurde es irgendwann zu viel und ich spürte das auch. Er hatte einfach nicht so die Lust, sich noch länger mit dem Thema zu beschäftigen. Ich fragte Mick:

„Sagt mal, habt ihr immer noch nicht genug von Autos? Stef langweilt sich ein wenig und ich würde jetzt auch langsam gern etwas anderes machen wollen. Ihr könnt euch ja eh noch nicht entscheiden.“ Dabei grinste ich Mick etwas provozierend an.

Die beiden schauten sich an und Lukas ließ sich hören:

„Ihr könnt ja noch ein wenig durch den Ort bummeln und wir treffen uns dann später bei Salvatori. Wir wollen noch zwei Autos anschauen.“

Darauf einigten wir uns. Stef und ich verabschiedeten uns von den beiden und machten uns zu Fuß auf den Weg. Immer wieder blieben wir vor dem einen oder anderen Geschäft stehen und schauten uns die Auslagen an.

Es war einfach schön, Stef neben mir zu haben und nur seine Nähe zu spüren. Ihm schien es ähnlich zu gehen, denn wir mussten gar nicht viel reden. Wir nahmen uns immer wieder mal in den Arm und dabei kam bei mir immer wieder ein Gefühl von Wärme und Sicherheit auf.

„Freust du dich eigentlich auf heute Abend?“

Wir schlenderten gerade über eine Rasenfläche mit Bänken und sehr alten Bäumen.

„Klar, vor allem auf ein paar Leute, die ich jetzt durch die Ferien schon einige Zeit nicht mehr gesehen habe. Ich denke auch, Papa wird ein paar Überraschungen geplant haben. Also wird das bestimmt lustig und auch spannend.“

„Wie ist das eigentlich mit Geschenken? Bekommst du von den Gästen auch welche?“

„Also ich habe Papa gebeten, auf die Einladungen zu schreiben, dass ich keine Geschenke möchte. Ich möchte heute Abend ein neues Projekt vorstellen. Dafür kann jeder anstelle eines Geschenkes Geld spenden. Ich habe ja bereits wirklich alles, was ich brauche.“

„Oh, was für ein Projekt ist das denn? Davon hast du noch gar nichts erzählt.“

„Komm, lass uns doch erst einmal ein leckeres Eis kaufen und dann setzen wir uns ein wenig in die Sonne. Da erkläre ich dir das Ganze.“

Jeder mit einer großen Waffel Eis in der Hand, setzten wir uns ein paar Minuten später auf eine Bank. Eine große Kastanie spendete Schatten und dadurch war es sehr angenehm.

„Also, das ist ganz einfach, und der Auslöser und die Idee für dieses Projekt bist eigentlich du. Ich möchte, dass unsere Schule sich für Schüler einsetzen kann, denen es ähnlich ergeht, wie es dir ergangen ist. Dafür sind natürlich finanzielle Mittel erforderlich und einige unserer Eltern haben bereits zugesagt, für dieses Projekt Geld zu spenden, das in eine Art Stiftung gehen soll. Dann kann unsere Schule auch anderen Kindern helfen, wenn es notwendig werden sollte.“

Stef wurde sehr nachdenklich und ich konnte mir sehr gut vorstellen, was gerade in seinem Kopf vorging.

„Was ist los? Warum bist du so nachdenklich?“

„Nichts. Ist schon gut. Manchmal kommen halt Erinnerungen hoch. Es geht schon wieder.“

Ich drehte meinen Freund zu mir und schaute ihm in die Augen.

„Du hast wieder Schuldgefühle, ich spüre es. Du meinst wieder, dass du nur durch mich aus diesem Horrortrip herausgekommen bist. Das musst du endlich mal ablegen. Du hast hart dafür gekämpft und es geschafft. Für uns bist du mein Freund, du bist ein Teil unserer Familie geworden, weil du ein toller Mensch bist. Du bist gesund und kannst frei entscheiden, was du machen möchtest. Also lass uns das genießen.“

Ich zog ihn an mich heran und küsste meinen Stef. Niemand sollte ihm jemals wieder Schmerzen zufügen. Es dauerte auch nur Sekunden, bis er sich in meinen Armen entspannte. Minuten später saßen wir immer noch auf der Bank und sprachen über das Projekt. Ich hatte ihm erklärt, wie wichtig es für mich sein würde, unserer Schule auch solche Möglichkeiten zu eröffnen, wie das Internat sie hatte. Stef hatte sich immer mehr von meinen Vorstellungen anstecken lassen und genau das hatte ich erhofft. Er war für mich derjenige, der den anderen Schülern am besten erklären konnte, wie sehr Unterstützung helfen kann und zu welchem Ziel das führen kann.

„Weißt du Luc, ich möchte bei diesem Projekt dabei sein. Ich glaube, es wird mir helfen, mit meiner Situation besser umgehen zu können. Ich habe eine Aufgabe und diese Aufgabe hilft anderen Schülern. Das ist gut. Aber warum haben wir noch nie vorher darüber miteinander gesprochen. Das Ganze überrascht mich total.“

„Ich hatte Sorge, dass du dich wieder zu sehr mit deiner Vergangenheit beschäftigst und vielleicht Zweifel hast, ob es richtig ist, dieses Projekt zu machen. Ich habe es daher nur mit Papa und der Schulleitung besprochen. Es soll heute Abend offiziell vorgestellt werden.“

„Ehrlich gesagt, ich bin schon ein wenig enttäuscht, dass du mich nicht eingeweiht hast. Allerdings kann ich das auch irgendwo verstehen. Ich weiß nicht, ob ich zu einem früheren Zeitpunkt so ruhig geblieben wäre. Jetzt finde ich es aber nur toll und freue mich darauf, das mit dir angehen zu können.“

„Wenn du dir das zutraust, dann freue ich mich sehr über deine Hilfe. Lass es uns anpacken.“

„Genau.“

Wir schlugen uns gegenseitig in die Hände und damit war das Thema erledigt. Stef war wieder der fröhliche Junge und wir gingen gut gelaunt zu Salvatori. Unsere ganze Sippschaft war bereits vor Ort und wir waren die Letzten.

„Ahh, da sind ja die beiden Herrschaften. Na. Habt ihr euch gut amüsiert im Ort?“

Lukas schien bester Laune zu sein und auch Papa grinste uns fast schon provozierend an. Irgendetwas hatten sie ausgeheckt. Das war mir sofort klar geworden. Wir setzten uns zu den anderen an den Tisch und Papa erklärte uns den weiteren Verlauf. Leider erfuhr ich immer noch nichts über den heutigen Abend. Lediglich, dass Papa auch die anderen Eltern meiner Klassenkameraden eingeladen hatte, beim Abholen ihrer Kinder doch noch etwas zu bleiben. Diese Gewohnheit hatte mich beim Geburtstag eines Freundes aus meiner Klasse so überrascht und erfreut, dass ich das auch übernehmen wollte. Auf diese Weise lernten sich auch die Eltern immer besser kennen und es entstand eine angenehme Atmosphäre.

Über die weitere Gästeliste erfuhr ich allerdings gar nichts. Also ich wusste, dass einige Freunde aus meiner Klasse und aus dem Internat kommen würden, aber mehr eben auch nicht.

Mick und Lukas berichteten noch von ihrer Suche nach einem neuen Auto und Papa meinte zum Schluss, dass ihre Überlegungen schon in Ordnung seien, bis auf die verrückte Idee, sich einen Porsche kaufen zu wollen. Das wäre doch etwas übertrieben. Vielleicht nach dem Studium. Papa war eher der Meinung, sie sollten sich ein schönes alltagstaugliches Cabrio kaufen. Dafür würde er auch Unterstützung geben. Den Porsche müssten sie jedoch allein finanzieren. Da das nicht möglich war, war das Thema gestorben. Für Mick und Lukas sank die Stimmung für einen Moment deutlich nach unten, denn sie hatten gehofft, dass Papa sich darauf einlassen würde.

Allerdings wurde das Thema nun recht schnell auf uns gewechselt. Es ging um die Wohnungssituation. Mick und Lukas würden nach dem Ende ihres Studiums in Deutschland bleiben und sich dort eine Wohnung nehmen. Damit sollten Stef und ich in ihre Wohnung bei uns im Haus ziehen. Mick und Lukas fanden das absolut richtig, jedoch Stef war es ein wenig unangenehm.

„Also ihr seid euch sicher, dass es so in Ordnung ist, wenn ich mit Luc nach oben ziehe? Immerhin ist es euer Haus.“

„Ja, mach dir mal keine Gedanken. Und damit ihr eine baldmögliche Verbesserung eurer Situation bekommt, werden wir das mal für die kommende Woche in Angriff nehmen.“

Stef und ich schauten etwas verdutzt. Wie sollte das gehen, denn ihre Sachen standen ja noch in der Wohnung. Papa griff jetzt in die Situation ein und erklärte es uns.

„Also - das, was die beiden noch behalten wollen, kommt zu mir in die Werkstatt und wird dort eingelagert. Das Wohnzimmer wolltet ihr ja behalten, also ist das schon mal keine Arbeit. Wenn die Möbel ausgelagert sind, könnt ihr anfangen zu streichen. Wenn ihr alles fertig habt, gehen wir gemeinsam euer Schlafzimmer besorgen. Und bevor Stef auch nur einen Moment auf komische Ideen kommt, ich habe das so mit Mick und Lukas gemacht und mache das also auch mit euch so. Sollte Leif irgendwann auch soweit sein, eine eigene Wohnung haben zu müssen, dann wird das genauso so sein. Also Stef, du bekommst keinen Sonderstatus.“

Dabei musste er schmunzeln. Es war so typisch für Papa. Er kannte meinen Freund mittlerweile sehr gut und wusste, dass es ihm ein schlechtes Gewissen machen würde.

Ich legte meinen Arm um meinen Freund und gab ihm einen Kuss. Dafür gab es von Mick und Lukas sogar Applaus. Mit roten Köpfen schauten wir die beiden an. Sie grinsten über das ganze Gesicht.

„Ich sagte doch, Papa, die beiden sind die richtigen Bewohner für unsere Wohnung. Sie werden gute Nachfolger werden.“

Marc: Ein toller Abend

Wir saßen seit langer Zeit alle gemeinsam an einem Tisch und ich hatte mit Sabine besprochen, heute die Details unserer Hochzeit bekanntzugeben. Die Jungs sollten wissen, was wir geplant hatten und wo wir auf ihre Hilfe zählten.

„So, nach dem wie immer sehr üppigen und guten Essen, wollen eure Mutter und ich etwas bekanntgeben.“

Es war eigentlich nicht meine Art, Spannung aufzubauen, zumal ich wusste, wie sensibel meine Jüngsten mit dieser Sache umgingen. Entsprechend angespannt waren die Gesichter von Leif, Luc und Stef.

„Regt euch nicht auf, Marc muss es mal wieder spannend machen.“

Sabine hatte es sofort gesehen und musste diesen Kommentar abgeben.

„Schon gut, schon gut. Du hast ja Recht. Also, ich mache es kurz. Der Termin steht fest, wir heiraten in drei Wochen und haben bereits am Genfer See eine Location gefunden, wo das Ganze stattfinden soll. Ich habe mich diesmal von Sabine überreden lassen, die Organisation einer Agentur zu überlassen. Ich möchte, dass niemand von uns mit Arbeit belastet wird. Ich, äh, sorry, wir möchten mit euch dieses Ereignis feiern. Niemand von euch soll dafür mit Arbeit belastet werden. Das Einzige, was ihr mitbringen müsst, ist Spaß und gute Laune.“

„Cool, und wo geht die Reise dann hin?“, fragte Leif sofort.

Stef und Luc schauten etwas irritiert, aber Mick und Lukas halfen ihnen dabei.

„Schaut nicht so verwirrt, zu einer Hochzeit gehört eine Hochzeitsreise. Also wo geht es hin und wie lange? Schließlich müssen wir ja wissen, wie lange wir hier den Aufpasser spielen müssen.“

Es brach großes Gelächter aus und ich hatte nicht damit gerechnet, dass meine beiden großen Jungs das so locker sehen würden. Denn es stimmte, ich wollte sie bitten, ein wenig nach dem Rechten zu schauen, wenn Sabine und ich nicht anwesend waren.

„Ok, ok, ihr habt Recht. Wir würden euch schon gerne bitten, hier mal nach dem Rechten zu schauen. Aber ihr müsst nicht die ganze Zeit euer Studium vernachlässigen. Das klären wir noch, zuerst einmal möchte ich sagen, dass wir nach Neuseeland fliegen werden. Drei Wochen lang möchten wir uns die Natur dort ansehen und abschalten.“

Die Jungs waren verblüfft. Damit hatten sie nicht gerechnet. Ich hingegen wollte immer schon auf den fünften Kontinent fliegen. Leider hatte ich bislang nie die Gelegenheit dafür. Sabine war anfangs gar nicht einverstanden, unsere Jungs allein zu lassen und so weit weg zu sein. Ich fand, es war an der Zeit, ihnen diese Verantwortung zuzutrauen. Stef hatte sich soweit stabilisiert und mit Luc einen Partner an seiner Seite, der auf ihn aufpassen würde. Das Einzige, was mir Gedanken machte, war, dass Luc sich vielleicht zu viel Verantwortung aufladen würde. Dafür sollten die beiden Großen einspringen. Das sollte für alle ein gutes Erlebnis werden. Es würde die Jungs noch mehr zusammenbringen. Auch Leif hatte mittlerweile eine feste Freundin, die ihm die wilde Zeit ausgetrieben hatte. Also auch da konnten wir mittlerweile etwas entspannen.

Wir besprachen noch ein paar Kleinigkeiten und dann noch den Ablauf des heutigen Abends. Stef und Luc sollten um halb sieben bereit sein. Sie würden dann von zu Hause abgeholt werden.

Dafür hatte ich mir natürlich etwas Besonderes ausgedacht. Karl und Barbara sollten das übernehmen und damit würde ich sicherlich bei beiden Jungs große Freude auslösen.

Nachdem wir unser Treffen bei Salvatori aufgelöst hatten, schickte ich Luc und Stef nach Hause. Dort wollten sie sich umziehen und sich schon langsam auf den Abend vorbereiten. Ich wollte mit den anderen zur Werkstatt fahren, weil dort die Feier stattfinden sollte. Die Autos mussten noch aus der Halle und ein wenig Platz geschaffen werden. Das Essen würde teilweise geliefert und teilweise frisch auf dem Grill zubereitet werden. Das sollten Mick und Lukas übernehmen. Sie hatten sich auch durch ihre Freunde Verstärkung dafür organisiert. Die Theke würden Benny und Manuel übernehmen. Das hatte ich bereits alles geklärt und ihnen auch freigestellt, wer noch alles mithelfen würde. Die Gästeliste war doch recht umfangreich geworden und bestand aus unterschiedlichen Bereichen. Für mich eine ganz besondere Freude war, dass sich Tom mit Familie angekündigt hatte. Das fand ich eine ganz tolle Sache. Sie würden auch noch ein paar Tage länger bleiben. Mika war mittlerweile auch 14 und ich wusste, dass sich Leif sehr über diesen Besuch freute. Ich hatte also noch einiges zu tun. Sabine wollte sich um die Dinge vor Ort kümmern und ich sollte die auswärtigen Gäste empfangen bzw. vom Flughafen abholen.

Es wurde langsam Zeit für mich, Tom und seine Familie abzuholen. Ich besprach mich gerade mit Sabine, Lukas und Mick über die nächsten Dinge, als Karl und Barbara den Hof betraten. Ich war etwas erstaunt, denn ich hatte gar nicht mitbekommen, dass sie schon angekommen waren. Sabine erklärte mir, dass sie die beiden bereits am Vormittag vom Flughafen abgeholt hatte. Die beiden sollten im alten Caddie den Fahrdienst für Stef und Luc übernehmen und ihnen damit die erste Überraschung präsentieren.

Es erklangen die ersten Töne aus der Musikanlage auf einer kleinen Bühne. Die Funktion des DJs übernahmen Freunde aus Lucs Klasse. Sie hatten damit bereits einige Erfahrungen und machten das wirklich sehr professionell. Sie hatten auch einige Lichteffekte aufgebaut und waren gerade dabei, die Nebelmaschinen zu testen. Das sah alles bereits richtig gut aus. Sie hatten sich große Mühe gegeben. Ich wollte mich zumindest bei ihnen mal erkundigen, ob es noch irgendwo Probleme gab oder sie Unterstützung brauchten.

„Na, ihr Technik Experten. Wie schaut es denn aus mit euren Vorbereitungen? Kommt ihr klar?“

Einer der Jungs schaute hinter einem großen Monitor hervor und schien etwas verwundert zu sein.

„Oh, Herr Steevens. Danke der Nachfrage, aber bislang sieht alles gut aus. Wir haben nur ein Problem, wir bräuchten noch ein paar Tische, um unseren Bereich hier etwas abzusperren. Hier soll eigentlich niemand rein laufen können, damit wir in Ruhe arbeiten können.“

Ich schaute mir das an und hatte eine Idee. Ich wusste, dass dort eigentlich ein paar Stellwände viel besser sein würden. Im Internat gab es davon reichlich.

„Ok, Jungs, kein Problem. Darum kümmere ich mich. Ich habe eine bessere Idee dafür.“

Ich sagte ihnen, dass in einer halben Stunde das Problem gelöst sein würde und ging wieder zu Mick und Lukas. Ich erklärte ihnen das Problem und sagte ihnen, sie sollten mit Tommy ins Internat fahren. Herrn Steyrer hatte ich bereits angerufen und es war kein Problem, die Wände zu bekommen. Etwas später war alles fertig aufgebaut und der Sound war beeindruckend. Die Jungs hatten tatsächlich die Halle in eine Disco verwandelt.

Immer wieder kamen Jungs zu mir oder Sabine und wollten etwas wissen. Es war toll zu sehen, dass unsere Jungs so viele Freunde hatten, die hier richtig was an den Start brachten. Ich war mir sicher, diese Feier würde ein tolles Erlebnis werden. Jetzt wollte ich mir aber die Zeit nehmen, mit Sabine die weiteren Abläufe zu klären.

„So Schatz, du hast wieder mal alles im Griff. Soweit ich das überblicken kann, läuft es perfekt. Die Freunde von unseren Jungs sind schon klasse, oder?“

„Ja, das stimmt. Ich muss gar nicht viel tun. Das meiste machen Mick und Lukas. Vor allem Benny ist toll. Wie der sich entwickelt hat und hier richtig Gas gibt, das ist beeindruckend.“

Dabei gab sie mir einen Kuss und ich wusste wieder einmal, ich hatte großes Glück, so eine Familie zu haben. Das war mit keinem Geld der Welt aufzuwiegen. Jetzt kam Karl zu mir und wir begrüßten uns endlich richtig.

„Hattet ihr eine gute Anreise?“

„Wie immer hat deine Frau alles perfekt organisiert. Ich habe schon überlegt, ob ich sie nicht bei mir in der Firma als Managerin einstellen sollte. Dann würden sicher einige meiner Leute nicht mehr so viel Unsinn machen.“

Das löste bei uns große Heiterkeit aus. Meine Antwort war allerdings ein klares Nein. Sabine würde ich freiwillig nicht nach München gehen lassen und für diese Äußerung hatte ich bei Barbara jetzt einen Freifahrtschein. Also die Stimmung war grandios.

„Schatz, du musst zum Flughafen fahren und Tom abholen. Sonst kommst du wieder, wie meistens, zu spät.“

„Ok, ok, du hast ja Recht. Darf ich dein Auto nehmen? Da ist am meisten Platz drin. Den Caddie brauchen ja Karl und Barbara gleich. Bis dahin werde ich nicht zurück sein. Ich muss ja Tom noch ins Hotel bringen.“

Sie gab mir die Schlüssel und ich verabschiedete mich von den anderen und machte mich auf den Weg zum Flughafen. Unterwegs rief ich noch bei Luc an und vergewisserte mich, dass bei ihnen alles in Ordnung war. Ich spürte allerdings, dass er bereits sehr aufgeregt war. Er konnte noch nie besonders gut abwarten.

Eine halbe Stunde später stand ich in der Ankunftshalle des Flughafens und schaute auf das große Anzeigentableau. Der Flieger war bereits gelandet und die Passagiere mussten jeden Moment durch das Gate kommen. Da bekam ich von Mick eine Nachricht. Sie hatten Stromausfall auf dem Gelände. Das war ein ernsthaftes Problem. Ich nahm das Handy und rief bei ihm an.

„Hallo Papa, bist du schon am Flughafen?“

„Ja, gerade angekommen, was ist Stand der Dinge bei euch?“

„Der Strom ist immer noch weg. Ich habe bereits alle Sicherungen geprüft. Daran liegt es nicht. Es scheint ein allgemeiner Stromausfall zu sein. Was machen wir denn jetzt?“

„Ruhig bleiben, wir müssen abwarten. Wenn es ein Stromausfall ist, dann können wir nicht viel tun. Aber ruf doch mal beim Versorger an und frag nach, ob dort bereits etwas bekannt ist. Halt mich auf dem Laufenden, Tom kommt gerade mit seiner Familie durch das Gate.“

„Alles klar, bestell schöne Grüße und wir freuen uns auf das Wiedersehen. Also bis gleich dann.“

Ich verabschiedete mich und hoffte natürlich, dass der Strom bald wieder da sein würde. Mika hatte mich bereits entdeckt und lief auf mich zu. Freudestrahlend umarmte er mich. Tom und seine Frau Kristina kamen hinterher und grinsten beide über die Freude ihres Sohnes. Wir begrüßten uns sehr herzlich und holten noch die Taschen aus der Gepäckausgabe. Auffallend war dabei eine Tasche, in der ein großes Geschenk war.

„Was habt ihr denn da mitgebracht? Es sollten doch keine Geschenke mitgebracht werden.“

„Keine Panik, Marc. Ich habe auch etwas für die Schule dabei, aber dieses Geschenk musste einfach sein. Ich finde, das hat sich Luc einfach verdient. Er hat so viel für seinen Freund getan in den letzten Monaten.“

Tom hatte immer wieder die ganze Geschichte verfolgt, da wir regelmäßig telefonierten. Also war ich nun sehr gespannt, was dort in dem Geschenk sein würde. Ich musste mich allerdings noch etwas gedulden, denn verraten wollte er es mir nicht. Wir fuhren zuerst in das Hotel, um ihre Sachen dort abzustellen. Außerdem wollten sie sich ein wenig frisch machen. Dort angekommen vereinbarte ich mit ihnen, dass sie jemand rechtzeitig abholen würde. Ich wollte mich noch um das Stromproblem kümmern.

Zurück an der Werkstatt war ich noch nicht ganz aus dem Auto gestiegen, als ich schon hören konnte, dass Hektik auf dem Gelände war. Benny rief etwas über den Hof, was ich nicht genau verstehen konnte, allerdings kam mir Tommy entgegen.

„Marc, gut, dass du zurück bist. Wir müssen unbedingt die Kühlung in Gang bekommen.“

Ich war erstaunt, dass ausgerechnet Tommy wegen der Kühlung sich Gedanken machte. Er war eh nicht so der Biertrinker.

„Nanu, seit wann denkst du an die Biertrinker?“

„Es ist doch gar nicht die Biertheke, die ich meine. Ich meine die Kühlung für das Fleisch. Da muss schnell eine Lösung her.“

Ach du sch…, da hatte ich ja gar nicht dran gedacht. Stimmt, das würde ein Desaster geben.

„Mensch, Tommy. Danke, daran hätte ich jetzt überhaupt nicht gedacht. Wie viele Truhen sind denn betroffen? Eine oder zwei?“

„Beide Fleischtruhen. Noch halten sie die Kälte, aber in zwanzig Minuten müssen wir Strom haben.“

Ich überlegte und schaute, ob ich meine Mechaniker irgendwo finden konnte. Ich stellte mich auf die kleine Bühne, von dort konnte ich das Ganze besser überblicken. Stephan war gerade mit den DJs dabei, die Laptops zu verkabeln. Ich ging zu ihm hin und fragte ihn:

„Sag mal, ist unser Notstromgenerator für den Service bei den Rallyes eigentlich einsatzbereit und wie viel Leistung hat der?“

Er schaute mich etwas irritiert an, aber schaltete dann sehr schnell.

„Mensch, da hab ich gar nicht dran gedacht. Da können wir ohne Probleme die Kühltruhen anschließen. Das macht der mit Links. Da hätte ich auch drauf kommen können. Ich kümmere mich sofort darum.“

„Nein, bleib du hier bei der Technik. Ich mache das schon. Ich nehm mir zwei von den Jungs und dann erledige ich das.“

Nach wenigen Augenblicken hatte ich mit zwei von den Jungs aus Lucs Klasse den Generator geholt, aufgetankt und in Stellung gebracht. Die Kühlung des Fleisches war gesichert. Jetzt konnte ich mich mit Mick abstimmen, was der Stromlieferant gesagt hatte.

„Hast du bei den Stadtwerken etwas erreicht? Wissen die schon, wie lange das dauern wird?“

„Sie meinten, es würde noch bis ungefähr sechs Uhr dauern. Sie haben eine Störung im Umspannwerk.“

Ich schaute auf die Uhr, das war noch eine halbe Stunde. Hoffentlich behielten sie recht, denn mit dem Generator war nicht viel mehr auszurichten. Es würde sehr schade sein, wenn deshalb diese Feier ausfallen würde. Ich klärte mit Mick, dass sie alles weiter ganz normal vorbereiten sollten und bat ihn, Tom um halb sieben aus dem Hotel abzuholen.

Manchmal hatte ich das Gefühl, mitten in einem Ameisenhaufen gelandet zu sein. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Feier so viel Vorbereitungen und Leute erfordern würde. Allerdings freute ich mich, dass es kein Problem war, die Freunde von Luc dafür zu gewinnen. Karl hatte sich mittlerweile meinen Caddie geschnappt und war auf dem Weg, Luc und Stef abzuholen.

Langsam wurde es ernst. Die ersten Gäste waren bereits gekommen und ich hatte die Begrüßung übernommen. Jens und Heiko waren die ersten Gäste und ich hatte jetzt die Gelegenheit, auch die Großeltern von Jens kennenzulernen. Die Gelegenheit, die Jungs herzubringen, nutzten sie dafür. Sie wollten sich unbedingt bei mir bedanken und haben mich zu sich eingeladen. Ich war sehr angetan von den beiden, deshalb sagte ich das auch sofort zu.

Plötzlich gab es Geräusche aus den Lautsprechern und die Lichtanlage flackerte kurz auf. Es dauerte noch einen Augenblick und dann war der Strom wieder da. Ich atmete auf, die Party konnte beginnen. Entspannt nutzte ich nun die Gelegenheit, ein paar der Gäste etwas ausführlicher zu begrüßen.

Benny stand mit Marcel bei Mick und Lukas. Sie unterhielten sich sehr angeregt und Benny war sehr glücklich, mal wieder bei uns zu sein. Es ging ihm gut und auch sein Freund war sehr zufrieden mit ihm. Manuel und Tim waren auch bereits angekommen und Nico und Tommy hatten sich mit Heiko und Jens auf den Weg gemacht, das Gelände zu erkunden.

Leif hatte sich abgemeldet, er wollte Chrissie abholen. Somit war alles im grünen Bereich und es fehlte nur noch der Gastgeber. Die ersten Lieder kamen aus den Boxen und Sabine stand an der Sektbar und unterhielt sich mit einem jungen Mann. Ich war mir nicht sicher, aber irgendwo hatte ich ihn schon gesehen.

„Hallo Schatz, ich glaube die Party kann beginnen. Kennst du noch Stephen, das ist einer von Micks Freunden aus dem Internat.“

Ich wusste doch, ich kannte dieses Gesicht.

„Hallo Stephen, das ist ja eine Überraschung. Wir haben dich schon lange nicht mehr gesehen. Wie geht es dir?“

Er berichtete mir aus seinem Studium und dass er zufällig hier war. Er hatte nicht geplant gehabt, heute hier zu sein, aber er hatte Mick am Morgen getroffen und der hätte ihn spontan eingeladen. Ich fand das richtig gut.

So trafen immer mehr Gäste ein und ich war der Meinung, so langsam könnte der Gastgeber erscheinen.

Luc: Eine Feier, die noch lange in Erinnerung bleiben wird

Stef und ich hatten uns gerade fertig umgezogen und wir saßen auf der Terrasse, als es an der Tür klingelte.

„Erwartest du noch jemanden?“, fragte Stef.

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, eigentlich nur Papa, dass er uns abholt.“

Stef bestand darauf, dass er zur Tür gehen würde. Ich ließ ihn gewähren und wartete auf seine Rückkehr. Plötzlich hörte ich eine Stimme, die mir bekannt vorkam. Allerdings wunderte ich mich sehr, denn eigentlich hätte diese Stimme jetzt in München sein müssen. Bevor ich noch länger überlegen konnte, betraten drei Personen die Terrasse.

„Hallo Luc, alles Gute zum Geburtstag.“

Karl und Barbara Geiger!

Das war eine riesige Überraschung. Ich sprang auf und umarmte beide sehr herzlich. Barbara übernahm, wie immer, gleich die Regie:

„Mein lieber Luc, wir haben keine Zeit, lange zu quatschen, denn du wirst bereits erwartet. Also kommst du besser gleich mit und lässt dich von uns zur Party bringen.“

Stef und ich waren völlig sprachlos. Damit hatten wir beide im Traum nicht gerechnet und entsprechend euphorisch waren wir. Karl ging vorweg, und nachdem ich das Haus abgeschlossen hatte, öffnete Barbara uns die Tür des Caddie wie bei einem Staatsbesuch.

„Wenn die Herrschaften bitte einsteigen möchten.“

Barbara blieb total ernst dabei und auch Karl nahm Haltung an. Ich musste mich ernsthaft konzentrieren, um nicht einen Lachanfall zu bekommen. Es war herrlich. Als die Tür geschlossen war, fuhr Karl direkt los. Stef und ich saßen auf der Rückbank und Stef genoss das Schauspiel. Er hatte ein Leuchten in den Augen, wie ich es nur in ganz besonderen Momenten erlebt hatte. Auch für mich war das heute ein ganz außergewöhnliches Erlebnis.

„Sagt mal, seid ihr extra meinetwegen aus München angereist?“

Karl drehte sich kurz mit einem breiten Grinsen um und gab eine typische Antwort:

„Klar, das wollen wir uns doch nicht entgehen lassen, wenn einer unserer zukünftigen Mitarbeiter feiert. Vor allem nicht, wenn man weiß, was dein Vater alles organisiert hat.“

„Du wirst es mir sicher nicht verraten, oder?“

Er schüttelte nur wortlos grinsend den Kopf. Und eigentlich war auch klar, Papa hatte sich das alles ausgedacht und würde um nichts in der Welt davon etwas verraten. Also nahm ich Stef in den Arm und wir genossen die Fahrt bei herrlichem Wetter. Als wir an einer Ampel warten mussten, ahnte ich bereits, wo die Fahrt hingehen würde.

„Stef, ich glaube, ich weiß, wo wir hinfahren. Das ist der Weg zu Papas Werkstatt. Ich glaube, dort wird die Feier stattfinden.“

Stef gab mir einen Kuss und meinte: „Mit dir fahre ich bis an das Ende der Welt, wenn es sein muss.“

Da drehte sich Barbara um und lachte.

„Na, wenn das keine Liebeserklärung ist. Luc, du solltest das ausnutzen und deinen Freund ganz festhalten. Das ist heute eine Seltenheit.“

Obwohl es eher als lustige Bemerkung gemeint war, bekam ich ein warmes Gefühl im Bauch. Stef küsste mich erneut, als wir wieder anfuhren und mir wurde sehr bewusst, dass diese Freundschaft zu und mit ihm etwas ganz Außergewöhnliches war. Und noch ein Gedanke ging mir durch den Kopf: Was für Freunde ich hatte, selbst die Geigers, die in München viel zu tun hatten, kamen extra meinetwegen her, um mir zum Geburtstag zu gratulieren. Womit hatte ich das bloß verdient?

Stef hatte wieder einmal meine Gedanken gelesen und gab mir seine Sichtweise dazu.

„Hör auf darüber nachzudenken, warum. Heute will ich mit dir diesen Tag nur genießen und mit unseren Freunden Spaß haben.“

Da konnte ich nicht widersprechen. Es dauerte auch nur noch Minuten, bis wir auf den Hof der Werkstatt fuhren. Allerdings, was ich dort zu sehen bekam, überstieg meine Vorstellungskraft. Eine große Menschenansammlung wartete auf uns und Musik war bereits zu hören und auch eine kleine Bühne war aufgebaut. Unfassbar!

„Was ist denn hier los? Sind denn hier alle völlig verrückt geworden?“

Stef grinste nur und Barbara stieg aus, um mir die Tür zu öffnen, so dass wir aussteigen konnten. Viele der Gäste hatten uns natürlich bemerkt und klatschten und jubelten. Bevor wir auch nur einen Schritt auf die Bühne zu machen konnten, ertönte bereits das „Happy Birthday“ und alle Gäste sangen lautstark mit. Papa erwartete mich auf der Bühne und hatte ein Mikrofon in der Hand. Er begrüßte mich offiziell und bat mich zu ihm auf die Bühne. Damit wurde die Party offiziell eröffnet. Er hielt eine kurze Rede und zum Schluss meinte er dann:

„... und bevor ich die Bühne und die Tanzfläche gleich frei gebe, möchte ich nun Tom einmal auf die Bühne bitten. Er hat da noch etwas, was er übergeben möchte.“

Damit gab er das Mikro an Tom weiter, der mittlerweile mit Mika auf die Bühne gekommen war.

„So, lieber Luc. Du hast in den letzten Wochen eine Menge erlebt und dich immer für andere Menschen und Freunde eingesetzt. Das ist vermutlich ein Gen, welches in der Familie Steevens vererbt wird. Ich finde es wunderbar, wie du dich entwickelt hast. Als ich dich das allererste Mal kennengelernt habe, warst du so schüchtern und unsicher. Heute sehe ich einen anderen jungen Mann vor mir. Da du ja ebenfalls ein Autovirus in dir trägst, habe ich dir etwas mitgebracht, was dir Freude bereiten könnte.“

Mika ging kurz von der Bühne und kam mit einer großen Reisetasche wieder zurück. Ich hatte keine Ahnung, was nun passieren würde. Tom öffnete die Tasche und holte einen Rennoverall heraus.

„Ich habe für dich und deinen Freund folgendes mitgebracht. Du bekommst eine Reise zu uns nach Dänemark und einen Lehrgang in der Formel 3. Danach hast du eine Lizenz und kannst, wenn du möchtest, jederzeit auch selbst mal auf allen Rennstrecken der Welt fahren. Du bist bei uns zu einem Urlaub eingeladen zusammen mit deinem Freund. Ich wünsche Dir und Stef alles Gute für die Zukunft und bleibe so, wie du bist.“

Dann umarmten mich die beiden und auch Stef wurde nicht vergessen. Es fühlte sich wunderbar an, wenn auch Freunde von Papa mittlerweile meine Freunde geworden waren. Stef gab mir auf der Bühne einen liebevollen Kuss und die Menge fing an zu toben. Es wurden immer wieder kleine Geschichten erzählt, entweder von Mama oder Papa und irgendwann war es endlich soweit.

„Liebe Leute, ich bin momentan ein wenig sprachlos und deshalb möchte ich endlich diese Feier offiziell eröffnen. Viel Spaß und vielen Dank, dass ihr gekommen seid.“

Endlich war ich erlöst und der DJ begann mit der Musik. Papa hatte sich natürlich sofort mit Karl, Barbara und Toms Familie etwas an die Seite gestellt und überließ uns das Feld. Die Feier nahm richtig Fahrt auf, und als die meisten gegessen hatten, kam Papa zu mir und nahm mich an die Seite.

„Luc, ich sehe, dass die Feier gut läuft. Ab jetzt bist du als Gastgeber hier vor Ort verantwortlich. Wir werden mit Karl, Barbara, Tom und seiner Frau zu uns fahren und euch hier in Ruhe feiern lassen. Sollte etwas sein, ich bin immer über Handy erreichbar. Mick und Lukas wissen auch Bescheid. Also habt viel Spaß und feiert schön. Wir kommen dann später wieder, wenn die anderen Eltern auch kommen. Bis dahin habt Spaß.“

Dann umarmte er mich und ließ mich mit Stef mit einem Augenzwinkern allein zurück.

„Tja, Stef, damit sind wir wohl ab jetzt allein verantwortlich. Dann lass uns mal loslegen.“

„Klar, aber ich möchte, dass du Spaß hast. Mach dir nicht so viele Gedanken über den Verlauf. Kommst du mit tanzen?“

Bevor ich nein sagen konnte, hatte er mich bereits am Arm gepackt und zog mich auf die Tanzfläche. Ich war kein guter Tänzer und entsprechend verkrampft war ich zu Beginn. Allerdings sah ich, dass viele meiner Freunde bereits auf der Tanzfläche waren und je länger mich Stef dort hielt, desto mehr Spaß bekam ich dabei. Die Musik war toll und immer wieder traf ich auf der Tanzfläche Freunde aus der Schule und sogar Jens war auf der Tanzfläche. Das war eine ganz besondere Freude, das zu sehen. Er lachte und tobte herum. Einfach schön. Das Wetter war ebenfalls perfekt und somit konnten wir auch die meiste Zeit draußen verbringen.

Es war mittlerweile dunkel geworden und die Stimmung war absolut grandios, als ich mit Stef etwas abseits stand und Mick und Lukas mit jeweils zwei Gläsern Sekt in der Hand zu uns kamen.

„So, ihr beiden. Jetzt wollen wir aber endlich einmal mit euch anstoßen.“

Sie gaben uns jeweils ein Glas und Lukas begann zu sprechen:

„Alles Gute, kleiner Bruder. Ich wünsche dir und Stef eine tolle Zukunft. Hoffentlich beginnt nun ein schöner neuer Abschnitt für euch. Die schlimmen Zeiten lassen wir hinter uns. Prost!“

Dann stießen wir gemeinsam an und Stef gab mir einen Kuss und flüsterte mir ins Ohr: „Ich finde, Lukas hat so Recht. Lass uns nach vorne schauen. Ich liebe dich!“

Mir wurde ganz heiß nach diesen Worten. Ich nahm meinen Freund in die Arme und merkte gar nicht, dass uns Mick und Lukas bereits allein gelassen hatten. Erst, als Tommy und Nico zu uns kamen, wurden wir wieder in die Realität geholt.

„Hey, ihr sollt euch nicht immer verstecken. Los, wir wollen mit euch Spaß haben. Auf die Bühne mit euch. Es gibt was zu tun.“

Dann zogen uns die beiden zur Bühne, wo bereits ein paar Partyspielchen aufgebaut waren. Bevor ich realisieren konnte, was uns dort erwartete, war es zu spät. Wir konnten nicht mehr flüchten.

Eine Stunde und ein paar Glas Bier später, spürte ich mittlerweile die Wirkung des Alkohols. Ich beschloss, ab sofort keinen Alkohol mehr zu trinken. Hochprozentiges gab es eh nicht auf meiner Feier. Die Stimmung war weiterhin sehr lustig und fröhlich. Niemand hatte zu viel getrunken und war negativ aufgefallen. Allerdings bekam ich auch mit, dass Mick und Lukas immer wieder über das Gelände streiften und alles unter Beobachtung hatten. Es fiel eigentlich gar nicht auf, nur hin und wieder sprachen sie den einen oder anderen aus meiner Klasse an. Wie ich später erfuhr, konnten sie sich dadurch immer einen Überblick über den Zustand der Leute machen. Sehr clever, wie ich fand. Das würde ich mir für spätere Feiern merken.

Stef und ich waren bereits total verschwitzt vom Tanzen und Herumtoben. Immer wieder mussten wir lustige Spielchen machen.

Gegen halb zwölf hatte ich wieder Hunger bekommen und mir ging es nicht allein so. Also erklärten sich Manuel und Tim bereit, den Grill erneut anzumachen. Außerdem würden die Eltern ja auch bald eintrudeln. Da war es sicher gut, wenn wir noch etwas zu Essen anbieten konnten.

Marc: Zeit für Gespräche

Wir saßen bei uns im Garten und genossen die Ruhe. Nun ja, sagen wir es so, ich konnte es genießen, Sabine war eher unruhig. Ihre Gedanken waren auf der Feier und sie hatte Sorge, es könnte dort etwas passieren und sie fühlte sich verantwortlich. Insofern hatte es einen großen Vorteil, dass Barbara sich mit ihr sehr intensiv über die Zeit und die Entwicklung von Luc in München unterhielt.

Tom, Karl und ich standen etwas weiter unten im Garten und schauten uns den sternenklaren Himmel an.

„Sag mal Marc, vermisst du eigentlich nicht manchmal das Fahren? Es hat dir doch auch immer sehr viel Spaß gemacht.“

„Ganz ehrlich, manchmal schon. Ich liebe es immer noch, hin und wieder über eine Rennstrecke zu fahren, aber die ständige Reiserei und der Stress dabei, das muss ich nicht mehr haben. Außerdem, die Zeit mit meiner Familie, die kann mir niemand mehr nehmen. Es gab hier viel Trubel, und wenn ich da noch unterwegs gewesen wäre, hätte hier einiges anders stattgefunden. Also von daher bin ich sehr zufrieden mit dem, wie es jetzt ist.“

Karl bestätigte mich und erinnerte nur an die erste Begegnung von Luc und Stef. Für Tom war diese Geschichte neu und er wurde sehr nachdenklich dabei.

„Ich weiß nicht einmal, wie Mika damit umgehen würde. Ich glaube, ich wäre total überfordert damit. Momentan habe ich schon genug Probleme mit seinen Flausen im Kopf.“

Ich musste lachen, denn bislang war Mika immer der liebe, nette Junge für ihn.

„Tja, auch du wirst eben die Pubertät deines Sohnes aushalten müssen. Wenn ich dir einen Rat geben darf, sei wachsam und höre gut zu, was er dir erzählt. Lies zwischen den Zeilen. Dann wirst du die Möglichkeit haben, immer im rechten Moment da zu sein.“

Tom wurde sehr still. Er wusste, dass ich damit auf seine Karriere anspielte. Er war immer noch sehr viel unterwegs auf allen Strecken der Welt. Seine Frau war oft allein mit dem Sohn und musste alle Entscheidungen allein treffen.

Karl wechselte sehr geschickt das Thema und wir redeten über das Camaro Projekt und er hatte auch eine Bitte an mich.

„Marc, wir haben immer am Ende des Sommers eine große Veranstaltung bei uns auf dem Gelände. Dort werden die neuen Modelle vorgestellt und wir machen ein Sommerfest. Der Erlös kommt jedes Jahr einem guten Zweck zugute. Wir würden es begrüßen, wenn die beiden Jungs uns dabei unterstützen könnten. Da brauchen wir immer jede helfende Hand.“

„Klar, wenn sie Lust haben, und ich denke, die werden sie haben, können sie gern zu euch kommen. Allerdings möchte ich dazu sagen, dass ich selbst auch dabei sein möchte. Ich werde euch ebenfalls unterstützen. Aber nur, wenn euch das recht ist.“

„Meinst du das ernst? Du würdest zu unserem Sommerfest kommen und helfen?“

„Klar, das ist wohl schon lange fällig, dass ich auch mal etwas für euch mache. Lass uns in Ruhe darüber sprechen, was genau da gemacht werden kann. Vielleicht kann man ein paar Showrunden fahren oder Fahrertraining für Fahranfänger.“

„Cool, das ist eigentlich eine geniale Idee. Das werde ich mir notieren und wir reden darüber noch einmal. Merk dir nur erst einmal den Termin. Der findet am letzten Wochenende im September statt.“

„Das ist ok. Da sind wir von unserer Reise zurück. Übrigens, da fällt mir noch etwas ein. Wir brauchen Trauzeugen für unsere Hochzeit. Ich möchte hiermit fragen, ob ihr beide bereit wäret, unsere Trauzeugen zu sein?“

Was nun kam, war für mich verwunderlich. Karl runzelte seine Stirn und ich hatte fast das Gefühl, er wollte mein Anliegen ablehnen. Dann holte er Luft und fing an zu grinsen.

„Was für eine Frage. Selbstverständlich werden wir das gerne übernehmen. Es wird uns eine Ehre sein, bei euch diese besondere Aufgabe zu erfüllen.“

„Toll, vielen Dank. Das wissen Sabine und ich sehr zu schätzen.“

Das war ein gutes Stichwort, denn Sabine kam mit Barbara und Kristina zu uns hinunter. Wir standen alle im dunklen Garten und genossen die laue Sommerluft.

„Wie sieht das mit euch aus? Kommt ihr noch mit zur Feier, die Jungs abholen und mit den anderen Eltern noch etwas feiern.“

„Aber hallo, ich denke Luc wäre enttäuscht, wenn wir nicht mitkommen würden. Oder meinst du nicht?“

Ich musste lachen. Er hatte Recht. Es war eigentlich eine dumme Frage, aber nun gut. Es war geklärt und außerdem würden sie dann auch mitbekommen, wie das Projekt konkret aussehen soll.

„Ja du hast natürlich Recht, Karl. Und Tom, Mika freut sich bestimmt, wenn du auch mitkommst.“

„Natürlich kommen wir mit. Nur, wie sieht das mit dem Platz aus?“

„Kein Problem, wir nehmen das Auto von Sabine und den Caddie, da sollten alle Platz haben.“

Damit brachen wir auf zum Werkstattgelände und schon von weitem konnten wir die Musik hören. Es war gut, dass es keine Nachbarn gab, die sich gestört fühlen könnten. Als wir um kurz vor Mitternacht ankamen, war die Stimmung richtig gut. Sogar die Tanzfläche war immer noch voll. Wir bewegten uns gemeinsam auf den Eingang zu und wurden von Manuel und Tim empfangen.

„Hi, ihr kommt aber früh. Wollt ihr schon Schluss machen?“, fragte mich Tim.

„Nein, keine Sorge, aber die anderen Eltern kommen auch gleich. Da sollten wir anwesend sein. Wie läuft es bisher?“

„Klasse Party, würde ich sagen“, meinte Manuel, „bislang ist noch keiner negativ aufgefallen.“

Sabine musste einmal tief durchatmen und ich grinste. Sie hatte die größten Bedenken zu dieser Feier gehabt. Ich sah das relativ entspannt.

Als wir am Grillstand vorbei kamen, waren Mick und Lukas bereits mit Hilfe von Jens, Heiko und Benny dabei, den Grill erneut anzuwerfen. Die Salate wurden noch einmal aufgebaut und für die Eltern gab es noch genug zu essen.

„Hallo, Herr Steevens“, begrüßten mich Heiko und Jens. Nachdem sie auch die anderen begrüßt hatten, realisierte Jens erst jetzt, dass Tom ja auch ein berühmter Rennfahrer ist und war etwas irritiert.

In diesem Moment hatte Mika uns entdeckt und kam auf seine Eltern zugelaufen. Jens schien jetzt zu begreifen, dass Mika der Sohn von Tom war. Das hatte er bei der Begrüßung zu Beginn der Feier nicht so realisiert.

„Mika, das hättest du uns aber auch sagen können, dass du auch so einen berühmten Papa hast.“

Wir Erwachsenen mussten laut lachen, denn das Gesicht von Jens sah wirklich sehr lustig aus. Wir scherzten noch einen Moment und dann machte ich erst einmal einen Rundgang über das Gelände. Überall gab es kleine Grüppchen, die sich unterhielten. Aber ich sah niemanden, der betrunken war. Auf der Tanzfläche war immer noch richtig was los, und als ich am Rande stand, hatte mich der DJ erkannt und bat mich, doch einmal zu ihm zu kommen. Natürlich waren jetzt alle Augen auf mich gerichtet, als ich mich zu ihm auf den Weg machte. Luc saß bereits neben ihm hinter dem Pult und grinste mich an.

„Hallo Papa, schön, dass ihr gekommen seid. Ist Mama auch da?“

„Hallo Luc, natürlich ist Mama auch mitgekommen. Wo ist Stef?“

„Er ist mit den anderen die Salate aufbauen gegangen. Es war ihm hier zu voll.“

„Ok, ich habe ihn eben gar nicht gesehen. Vielleicht ist er aber auch gerade etwas holen gewesen.“

Luc nickte, aber ich wusste sofort, für ihn war das nicht in Ordnung. Es musste etwas vorgefallen sein. Er stand auf und ging Richtung Werkstatt.

Der DJ begann wieder Musik aufzulegen und ich sollte doch einmal mit auf die Tanzfläche. Das tat ich auch mit Sabine. Wir rockten richtig ab. Bei dem Lied Thunderstruck von AC/DC ging richtig die Post ab. Die Gäste tobten und innerhalb weniger Minuten waren wir komplett durchgeschwitzt.

Immer wieder suchte ich nach Mick und Lukas. Sie standen am Grill, aber von Stef war nichts zu sehen. Ich verzog mich von der Tanzfläche und begann mit Sabine nach den beiden zu suchen. Sabine ging in die Werkstatt, während ich mich zu Mick und Lukas bewegte. Sie berichteten mir von kleineren Problemen mit Stef. Er hatte immer wieder Schwierigkeiten mit der Menge der Leute. Er fühlte sich nicht wohl dabei.

„Warum habt ihr nichts gesagt? Er hätte doch jederzeit zu uns kommen können. Er muss sich hier nicht quälen.“

„Papa, wir haben es ihm mehrfach angeboten, aber er wollte auf keinen Fall Luc allein lassen.“

Ich atmete tief durch und fragte die beiden: „Wisst ihr, wo er jetzt ist?“

„Nein, seit einer halben Stunde haben wir ihn nicht mehr gesehen. Er wird wohl in der Werkstatt sein, da ist nicht so viel los.“

Ich hatte eine andere Idee, wo er sein würde. Es gab auf dem Gelände noch eine kleine Sitzgruppe unter einer alten Kastanie. Die war vom Festgelände nicht zu sehen. Dort hatten wir bereits schon einige Male gesessen und uns unterhalten. Ich ging zu dem Baum um die Werkstatt herum und tatsächlich fand ich dort eine Person sitzend vor. Ich näherte mich und erkannte Stef. Er saß ziemlich in sich zusammengesunken auf der Bank. Ich setzte mich wortlos neben ihn und konnte sehen, dass er geweint hatte.

„Was ist passiert? Warum geht es dir nicht gut?“

Er seufzte tief. „Ach Marc. Ich weiß auch nicht warum, aber ich komme mit diesen vielen Leuten nicht gut klar. Ich habe einfach Angst in dieser Masse. Manchmal denke ich, was mache ich hier eigentlich? Warum bin ich hier? Mick hatte mir angeboten, mich nach Hause zu bringen, aber ich kann Luc doch nicht hier allein lassen.“

„Stef, du kannst ihn natürlich auch allein lassen. Vor allem, wenn es dir nicht gut geht. Du musst es nur sagen. Ich möchte, dass du zu Luc gehst. Er sucht schon nach dir. Ich finde das überhaupt nicht schlimm, wenn dir das hier zu viel wird.“

Jetzt schaute er mich an und ich konnte wieder sein Leuchten in den Augen erkennen. Es hatte bei ihm Klick gemacht und er stand auf und sagte:

„Du hast wie immer recht. Ich werde jetzt mit Luc sprechen und dann noch ein wenig Spaß haben. Vielleicht kann ich ja beim Grill helfen, da sind nicht so viele Leute.“

Ich klopfte ihm auf die Schulter und er ging ins Haus, während ich zurück zu den anderen am Grill ging.

„Hast du Stef gefunden?“, fragte mich Lukas.

„Ja, alles gut. Er hat sich wieder beruhigt. Er kommt gleich und möchte euch hier helfen. Die anderen Eltern werden bestimmt auch noch etwas essen mögen.“

„Alles klar. Ja, er kann uns hier gerne helfen.“

Ich besprach mit ihnen den weiteren Verlauf und begab mich zu den anderen bereits eingetroffenen Eltern. Plötzlich gab mir Luc ein Zeichen. Ich sollte ihm zum Eingang folgen.

„Was ist los? Gibt es ein Problem?“

„Nein, Papa, aber Herr Heidler, unser Schulleiter ist gerade angekommen. Ich finde, du solltest bei der Begrüßung dabei sein.

Wir gingen zum Eingangsbereich und dort begrüßte ich seinen Schulleiter. Wir kannten uns bereits aus einigen Gesprächen. Er war auch sofort bereit gewesen, heute zu so später Stunde noch herzukommen und den anderen Eltern und Gästen das neue Projekt mit vorzustellen. Die offizielle Präsentation sollte zu Beginn des neuen Schuljahres stattfinden. Auch mit einem Bericht in der Presse.

Wir betraten mit dem Schulleiter die Feier und einige Eltern erkannten ihn natürlich und auch einige von Lucs Freunden. Wir warteten noch einige Minuten, damit auch die meisten Eltern anwesend waren. Es war soweit, Luc und ich betraten mit Herrn Heidler die kleine Bühne. Ich nahm mir das Mikro.

„Hallo und willkommen jetzt auch an alle Eltern auf Lucs Geburtstagsfeier. Sie werden sich sicherlich fragen, was macht Herr Heidler denn in den Ferien auf einer Geburtstagsfeier eines Schülers. Ich kann alle anwesenden Schüler von Lucs Schule beruhigen, er ist heute hierhergekommen, um etwas bekanntzugeben. Bevor er das tut, möchte Luc euch etwas erklären.“

Ich gab das Mikro an Luc und ich konnte deutlich erkennen, dass er sehr angespannt war. Stef stand neben ihm und hätte ihm vermutlich gerne die Hand gehalten, aber das traute er sich dann doch nicht auf der Bühne vor den Eltern der Freunde.

„Hallo und ich freue mich, so viele Eltern begrüßen zu können. Sicher wird sich der ein oder andere fragen, warum jetzt mitten in der Nacht dieses Szenario. Es ist halt die beste Gelegenheit, euch gemeinsam an einem Fleck zu haben.“

Ein leises Gelächter kam auf und die Stimmung schien weiterhin sehr gelöst zu sein, aber auch Neugier machte sich breit.

„Ich möchte euch kurz eine Geschichte erzählen und dann werdet ihr sicher auch den Anlass besser verstehen.“

Luc begann nun von der ersten Begegnung mit Stef zu berichten und wie viele Probleme er in seiner Familie hatte. Er ließ die persönlichen Dinge außen vor, aber er stellte sehr deutlich klar, dass sie nur ein Paar geworden sind, weil es in München gelang, Stef zu unterstützen und ihn aufzufangen. Als Luc mit dieser Erzählung geendet hatte, herrschte für einen Moment absolute Stille. Er fuhr deshalb recht zügig fort.

„Bevor hier nun die gute Stimmung leidet, möchte ich etwas vorstellen, was ich mir mit meinem Papa gemeinsam überlegt habe. Da wir das aber nicht allein auf die Beine stellen können, haben wir mit Herrn Heidler eine große Hilfe bekommen. Ich möchte kurz erläutern, was wir tun möchten. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass für eine gute Unterstützung solcher Kinder auch Geld notwendig ist. Es dauert immer längere Zeit, bis Gelder der Behörden bewilligt sind und genau diese Zeit ist in diesen Fällen oft nicht vorhanden. Deshalb haben wir überlegt, dass unsere Schule einen Fonds gründet, der mit Mitteln ausgestattet wird, um solchen Kindern unbürokratisch und schnell helfen zu können. Alles Weitere wird gleich Herr Heidler erläutern. Ich möchte an dieser Stelle meiner Familie und insbesondere auch der Familie Geiger aus München danken für die tolle Unterstützung.“

Luc schien sehr erleichtert zu sein, als lauter Applaus aufbrandete und er das Mikro an seinen Direktor weitergeben konnte. Herr Heidler erklärte den schulischen und auch den finanziellen Teil dieses Projektes. Die Reaktion der Eltern war durchweg positiv und nach etwa zwanzig Minuten beendete Herr Heidler seine Ansprache mit einer auch für mich großen Überraschung.

„Bevor wir noch ein gutes Stück Fleisch am Grill zu uns nehmen, möchte ich an dieser Stelle noch bekanntgeben, dass der Grundstock für diesen Fonds mittlerweile gelegt wurde. Herr Steevens hat mir vorhin bereits mitgeteilt, dass er und seine Freunde Tom Kristensen und Karl Geiger je 5000 SFr gespendet haben. An dieser Stelle möchte ich diesen drei Personen ganz herzlich danken. Mit diesen 15 000 Franken als Basis lässt sich gut beginnen. Viele Dank dafür.“

Großer Jubel brandete auf und Herr Heidler bat nun Luc noch einmal zu sich auf die kleine Bühne.

„Damit möchte ich auch dir danken, Lucien. Du hast mit dieser großartigen Idee gezeigt, dass Schüler heute sich sehr wohl auch für die Allgemeinheit einsetzen. Vielen Dank dafür und ich wünsche Stefan einen sehr guten Start bei uns an der Schule. Außerdem möchte ich sagen, ich bin wirklich begeistert von dieser Idee und habe auch bereits einige der Lehrerkollegen dafür gewinnen und begeistern können.“

Erneut brandete Applaus auf, der sogar noch etwas lauter wurde. Ich konnte in den Gesichtern vieler Eltern Erstaunen und auch Bewunderung erkennen. Hier würde bestimmt noch einiges an Diskussionen stattfinden.

Dann beendete Luc den offiziellen Teil der Feier und wir luden noch alle Anwesenden zum Essen an den Grill ein. Dort entstanden viele Gespräche zu diesem Projekt und ich hatte ein gutes Gefühl, dass es richtig war, dieses ins Leben zu rufen und sowohl Karl, als auch Tom dafür begeistern zu können.

Es wurde ein lustiges Ende der Feier. Allerdings dauerte es doch noch bis halb drei, bis alle Gäste gegangen waren. Aber es war eine absolut gelungene Geburtstagsfeier, wie mir alle Gäste immer wieder bestätigt hatten. Bevor wir uns auf den Heimweg machten, standen wir alle um den Grill herum und tranken noch etwas zum Abschluss. Stef hatte sich wieder gefangen und Luc machte einen entspannten Eindruck. Sie hatten vermutlich alles geklärt und somit schloss ich diese Feier.

„So Leute, genug für heute. Aufräumen machen wir später. Jetzt geht es erst einmal nach Hause und ins Bett.“

Die Zustimmung war groß, aber Luc kam auf mich zu.

„Papa, ich möchte noch einmal danke sagen. Es war eine wunderbare Feier und ich bin sehr glücklich, dass ihr mich so unterstützt habt. Und dass du Karl und auch du, Tom, ihr euch ebenfalls für dieses Projekt mit dieser großzügigen Spende begeistern konntet, ist einfach riesig.“

Dabei umarmte er mich sehr fest, was mir ein tolles Gefühl gab, dass er immer noch seine Gefühle so offen zeigen konnte. Und er vergaß auch nicht, sich bei Tom und Karl ebenso herzlich zu bedanken.

Mit guter Laune, allerdings ziemlich müde, fuhren wir alle nach Hause.

Auf dem Heimweg berichtete mir Lukas noch von einem Problem mit Jens. Er wollte immer überall helfen, vergaß dabei aber manchmal, dass er sich nicht zu nah am Feuer aufhalten sollte. Dadurch bekam er doch etwas Probleme mit seinen Narben.

Ich versprach Luc, dass ich das mit Jens und Heiko noch einmal besprechen würde.

„Papa“, fragte Mick mich schließlich noch, „kann Benny eigentlich heute Abend zu uns zum Essen kommen? Er wollte uns einiges erzählen, wie es so bei ihm läuft und er wollte gern, dass du auch dabei bist.“

„Oh, das ist eine gute Idee. Klar, er kann gerne kommen, bis dahin sind wir sicher mit dem Aufräumen fertig.“

Das war das Letzte, was jetzt noch geklärt werden musste und wir waren innerhalb weniger Minuten in unseren Schlafzimmern verschwunden, als wir zu Hause ankamen.

Mick: Benny und Marcel

Der Geburtstag von Luc war ein toller Erfolg. Das Beste allerdings war, dass auch ich mal ein paar alte Freunde wiedergesehen habe. Insbesondere Benny, der auf dem besten Wege war, ein normales Leben zu führen und seine Berufslaufbahn vorzubereiten.

Eine weitere positive Erscheinung war Leif auf der Feier. Er hatte sich sehr zurückgehalten mit dem Alkohol und hatte fleißig geholfen. So kannte ich meinen kleinen Bruder eigentlich gar nicht.

Lukas hatte mich noch einen Moment länger schlafen lassen und war bereits im Bad, als ich mich aus dem Bett bewegte. Es fiel mir an dem Tag richtig schwer aufzustehen, die Nacht war etwas kürzer als sonst. Im Bad begegnete mir ein bestens gelaunter Lukas. Ich war verblüfft, dass er schon so gute Laune hatte. Waren wir beide doch nicht die Morgenmenschen.

„Hallo Schatz, gut geschlafen?“

„Wie kannst du schon so gute Laune haben, es ist noch früher Morgen.“

„Falsch, es ist bereits halb elf, nichts mit früher Morgen.“

Ups, damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Schnell war ich unter der Dusche verschwunden und wenige Minuten später traf ich auf den Rest der Familie, die im Garten auf der Terrasse saßen. Sie waren in einer intensiven Diskussion vertieft. Worum es ging, konnte ich noch nicht sagen. Erst nachdem ich mir ein Brötchen genommen hatte, wurde es ersichtlich. Thema war die Situation mit Stef und warum er sich nicht meldet, wenn er ein Problem hat.

Allerdings war dieses Gespräch dann recht schnell beendet und es ging in die Tagesplanung. Es musst ja noch aufgeräumt werden und die Werkstatt wieder eingerichtet werden. Das sollte unsere Aufgabe werden. Papa und Mama wollten Karl und Barbara zum Flughafen bringen. Tom blieb noch ein paar Tage und Mika freute sich wie verrückt, endlich hier die Umgebung kennenzulernen. Ob wir dafür allerdings viel Zeit haben würden, keine Ahnung.

Eine schöne Überraschung erlebten wir dann auf dem Werkstattgelände. Es waren viele unserer Freunde zum Aufräumen gekommen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Somit waren wir bereits am späten Nachmittag fertig. Auch viele Freunde von Stef und Luc waren gekommen. Das war toll. Ich musste wieder einmal feststellen, dass ich richtig stolz auf unsere Familie war.

Als wir alles wiederhergestellt hatten und die meisten unserer Freunde bereits gegangen waren, kam Papa mit Tom. Stef freute sich sehr, dass alles gut geklappt hatte. Luc hingegen war anscheinend der Meinung, Papa hätte ruhig beim Aufräumen mithelfen können.

„Also Papa, du hättest auch gerne früher kommen können. Jetzt sind wir fertig mit aufräumen. Du kommst, wenn die Arbeit getan ist.“

Es war nicht wirklich ernst gemeint, aber Stef schien das anders verstanden zu haben. Er reagierte recht gereizt auf diese vermeintliche Provokation.

„Sag mal, wessen Feier war das denn bitte schön? Deine oder die deines Vaters? Er hat gestern schon so viel für uns gemacht. Ich …“

Weiter kam er nicht, denn Papa unterbrach ihn. „Lass gut sein, Stef. Er meint das nicht so. Es ist alles gut. Das ist bei uns einfach so. Wir ziehen uns gegenseitig ein wenig auf. Aber sei beruhigt, Luc ist nicht sauer auf mich.“

Luc hatte während des Ganzen mit großen Augen Stef angeschaut und schien ein wenig überrascht über die Reaktion seines Freundes. Luc ging auf ihn zu und nahm ihn in den Arm und gab ihm einen Kuss. Schnell war die Lage geklärt und Papa ging mit uns einmal über das Gelände und er war sehr erfreut, dass bereits alles wieder in einem korrekten Zustand war.

„So, ihr habt hier gute Arbeit geleistet und jetzt wollen wir uns mal ein gutes Abendessen gönnen. Also alle Mann mitkommen. Sabine hat von gestern noch Fleisch über und frische Salate gemacht. Wir essen bei uns im Garten und Benny und Marcel kommen am besten gleich mit.“

Damit war geklärt, wie unser Abend aussehen würde. Aber ich fand es toll, dass Papa sich immer noch für die beiden Zeit nahm. Ich hatte sogar das Gefühl, er würde sich freuen, dass die beiden mal wieder zu Gast waren.

Zwei Stunden später saßen wir in großer Runde in unserem Garten. Mika, Luc und Stef tobten mit einem Frisbee im Garten und wir hörten Benny zu, wie er Mama und Papa über seinen Werdegang berichtete. Es war einfach toll, wie er sein Leben in den Griff bekommen hatte. Sein Abitur würde sehr gut werden und er hatte vor, mit Marcel gemeinsam zu studieren. Marcel wollte ein Maschinenbaustudium machen und Benny Informatik. Wer hätte das damals gedacht?

Tom ließ sich die Geschichte in Kurzform berichten und war auch sehr beeindruckt. Er war es dann auch, der zwischendurch eine bemerkenswerte Äußerung machte.

„Marc, wie machst du das alles nur? Ich bin schwer beeindruckt und du kannst stolz auf deine Familie sein. Je mehr ich mitbekomme, desto klarer wird mir, wie richtig es war, dass du deine Karriere beendet hattest. Ich sollte vielleicht auch bei mir mal darüber nachdenken.“

Das führte zu einem breiten Grinsen bei seiner Frau. Sie war es auch, die dann kommentierte:

„Ach, Tom. Das glaubst du doch nicht im Ernst. Du willst noch immer gewinnen und Rennen fahren. Frag mal deinen Sohn, was er davon halten würde. Aber du fragst ihn ja nicht.“

Oh, oh. Die letzten beiden Sätze hatten gesessen. Das war schon ein sehr direkter Angriff. Schnell reagierte Mama darauf und wechselte das Thema. Es ging, wie sollte es anders sein, um den Umzug von Stef und Luc. Wir sollten unsere Sachen aus der Wohnung räumen, die wir behalten wollten. Papa würde sich um ein Transportmittel kümmern, denn zur Werkstatt war es doch ein gutes Stück. Dafür brauchten wir einen LKW. Morgen sollten wir damit beginnen, damit Stef und Luc sich die Wohnung einrichten konnten. Lukas war einverstanden und somit war das geklärt.

Benny und Marcel waren doch ein wenig kaputt vom gestrigen Abend und verabschiedeten sich dann von uns. Wir vereinbarten, dass wir uns noch einmal hier treffen, bevor wir wieder nach Deutschland zurückfahren würden.

Luc: Mika, Heiko und Jens

Nun war dieses Wochenende also schon wieder vorbei und jetzt begann eine Zeit der Veränderungen. Ich hatte noch ein paar Tage Zeit mit Mika, um ihm hier die Gegend zu zeigen. Außerdem wollten wir mit dem Umräumen beginnen. Bevor das alles starten konnte, sollten die Möbel von Mick und Lukas aus der Wohnung gebracht werden. Da auch Heiko und Jens heute noch vorbeikommen wollten, mussten wir klären, wann wir helfen sollten. Mick und Lukas wollten alles vorbereiten, so dass wir nur beim heraustragen und wieder einlagern helfen sollten. Den Rest des Tages konnten wir uns mit Mika, Jens und Heiko beschäftigen.

Mika war schon etwas aufgeregt, denn er war das erste Mal in der Schweiz und wir wollten mit dem Rad auf Erkundungstour gehen. Tom war mit Papa unterwegs. Ich hatte allerdings keine Ahnung, was sie vorhatten. Toms Frau wollte mit Mama eine kleine Shopping Runde machen, während wir mit den Rädern unterwegs sein würden. Stef hatte schon begonnen, unsere Rucksäcke zu packen. Genug Getränke und ein wenig Obst wollten wir mitnehmen. Es war schon morgens recht warm. Also kamen auch ein großes Handtuch und Sonnencreme mit in den Rucksack.

„Luc, wie weit bist du? Können wir bald losfahren?“

Ich verabschiedete mich noch von Mama und dann ging es auch endlich los. Im Kopf hatte ich allerdings immer noch die Ereignisse des Wochenendes. Dass Karl und Barbara extra aus München gekommen waren, hatte ich immer noch nicht richtig begriffen. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Ein weiterer Beweis für mich, auf jeden Fall dort eine Ausbildung und ein Studium zu machen. Sie hatten mich ja gebeten, im September zu helfen. Das war für mich eine Selbstverständlichkeit. Ich freute mich sogar auf diese Veranstaltung, auch wenn das mit viel Arbeit verbunden war.

„Luc, wo fahren wir denn jetzt eigentlich hin?“, fragte mich Mika.

„Zuerst zu Heiko und Jens auf den Campingplatz. Von dort geht’s dann aus der Sonne in den schattigen Wald.“

Wir fuhren zu dritt nebeneinander auf dem Radweg und bogen dann in die Zufahrt zum Campingplatz ein. Mika war etwas erstaunt, als wir ihm erklärten, dass Jens hier die meiste Zeit bei seinen Großeltern verbrachte. Aber er stellte auch keine weiteren Fragen nach dem Warum. Als wir zu dem Platz der Großeltern kamen, wurden wir bereits erwartet. Jens stand vor dem Vorzelt und begrüßte uns.

„Hi, schön, dass ihr da seid. Hallo Mika, ich freue mich, dass du auch mitgekommen bist. Heiko ist noch nicht da. Er bleibt die Woche hier bei uns. Dafür musste er noch einige Sachen von zu Hause holen. Er wird aber auch gleich hier sein.“

Wir umarmten uns kurz zur Begrüßung und Jens hatte schon für uns etwas zu trinken vorbereitet. Wir saßen also auf dem Rasen und unterhielten uns noch über die Feier. Jens war richtig gut gelaunt und er freute sich auf diesen Ausflug mit uns. In diesem Moment bog Heiko um die Ecke und kam mit Rad auf dem Rasen zum Stehen.

„Hi, ihr seid ja schon alle da. Sorry, aber ich musste noch Sachen von zu Hause haben. Wir können aber sofort los.“

„Alles kein Problem. Mach in Ruhe. Wir warten auf dich.“

Mika schaute sich auf der Parzelle um und Jens bot ihm an, auch einmal den Wohnwagen zu besichtigen. Das stieß bei Mika auf Begeisterung. Somit ging Jens mit ihm und Heiko nach innen und wir blieben auf dem Rasen sitzen.

„Schatz, was denkst du, wird das für Jens nicht zu viel mit der Sonne und der Anstrengung?“

„Nein, ich bin sicher, er wird uns Bescheid sagen, wenn er eine Pause braucht. Außerdem fahren wir ja die meiste Zeit durch den Wald und da ist Schatten.“

Typisch für Stef, er war immer bemüht, sich zuerst um die anderen zu kümmern.

„Außerdem haben wir jetzt mal Zeit nur für uns. Stef, heute möchte ich, dass du nur an dein Vergnügen denkst. Es sind Ferien und wir haben Zeit für uns.“

Was dann passierte, überraschte mich total. Stef umarmte mich ganz fest und er begann mich intensiv zu küssen. Bald rollten wir eng umarmt über den Rasen und mussten lachen. Wir bemerkten gar nicht, dass die anderen drei mittlerweile wieder zurück waren und uns belustigt beobachteten. Da wir ja alle sehr sommerlich gekleidet waren, ließ sich unsere Erregung auch nicht verstecken. Mika und Jens schien das peinlich zu sein, aber Heiko fand genau die richtigen Worte dafür.

„Na, das macht euch wohl Spaß. Sollen wir noch ein wenig reingehen?“

Dabei grinste er uns fies an. Ich fand es lustig und auch Stef war es nicht sonderlich peinlich. Meine Antwort war entsprechend locker.

„Nein, ihr dürft ruhig hier bleiben, aber ich bin der Meinung, wir sollten uns jetzt mal auf dem Weg machen. Außerdem bist du doch nur neidisch. Es macht nämlich viel Spaß mit seinem Freund auch mal draußen zu kuscheln und zu knutschen.“

„Das glaube ich sofort“, kam es von Heiko, würde ich auch gern mal machen wollen.

Jens reagierte mit einem fragenden Blick, aber glücklicherweise hatte Mika die rettende Idee.

„Wenn sich die Herren genug verlustiert haben, würde ich gern die Gegend kennenlernen.“

Wir fingen alle an zu lachen und das war eine gute Gelegenheit, dass unsere Erektionen recht schnell wieder verschwanden. Es war doch ein wenig komisch gewesen, aber auch sehr schön. Allerdings konnte ich bei Jens auch so etwas wie eine kleine Reaktion in der Hose erkennen. Naja, warum auch nicht, sie waren beide mitten in der Pubertät, aber wir hatten noch nie über so ein Thema gesprochen.

Wir schwangen uns auf unsere Räder und es dauerte auch nicht sehr lange, bis wir in den schattigen Wald abbogen. Wir ließen Jens und Heiko vorne fahren, damit Jens das Tempo bestimmen konnte. Mika fuhr links neben mir und Stef bildete den Schluss. Als wir auf unserer bekannten Lichtung ankamen, blieben Heiko und Jens stehen, stellten die Räder an einen Baum und nahmen sich ihre Getränkeflaschen. Hier gab es einfach eine tolle Aussicht. Mika staunte und war sichtlich beeindruckt über dieses Panorama. Nachdem wir ihm erklärt hatten, was er wo sehen konnte, kam Jens zu uns.

„Luc, könntest du mir bitte den Rücken mit meiner Salbe einreiben? Heiko hat eine kleine Wunde am Finger und möchte nicht so gerne damit die Salbe auf die Finger nehmen.“

Für mich natürlich eine Selbstverständlichkeit und somit gingen wir ein wenig abseits in den Schatten. Jens zog sich das T-Shirt aus und ich begann, ihn mit der Salbe einzureiben.

„Sag mal, was für eine Salbe ist das eigentlich?“

„Diese Salbe verhindert das Austrocknen der Haut. Die Narben würden sonst aufreißen und es würde sehr weh tun.“

„Wenn ich zu stark reibe, sag bitte Bescheid.“

Ich verteilte immer wieder kleine Mengen auf seinem Rücken und rieb es ganz leicht ein. Ich spürte die Narben und konnte mir vorstellen, wie schwierig das alles für ihn sein musste.

„Nein, das ist toll, wie du das machst. Heiko ist oft sehr ungeduldig und nicht so vorsichtig wie du. Mach weiter.“

Dabei konnte ich erkennen, dass er auf den Armen eine Gänsehaut bekam. Stef kam zu uns und erkundigte sich, wie weit ich sei und ob wir gleich weiterfahren konnten.

„Noch einen Moment, Schatz. Wir sind sofort fertig. Wo wollen wir denn als nächstes hin?“

„Ich dachte eigentlich, wie fahren bei Salvatori vorbei Eis essen. Was meinst du?“

„Au ja, das ist ne coole Idee. Was meinen Heiko und Mika?“

„Sind dabei.“

Allerdings spürte ich bei Jens eine gewisse Unbehaglichkeit und fragte nach.

„Magst du kein Eis oder warum bist du nicht so begeistert?“

Er druckste ein wenig herum und Stef schaute mich an. Wir nickten uns unmerklich zu und dann ging Stef zurück zu den anderen.

„Weißt du Luc, ich habe mein Taschengeld von meiner Mutter noch nicht bekommen. Ich habe nicht mehr so viel Geld dabei. Daher ist die Eisdiele heute nicht so gut für mich.“

Ich hatte es mir gedacht. Es war ihm unangenehm, dass zu sagen, aber Stef und ich waren uns eh einig. Heute würden es meine Gäste sein. Sie waren zu meinem Geburtstag gekommen und sie hatten sich alle an dem Spendenprojekt beteiligt. Es war eine ordentliche Summe zusammengekommen und darauf war ich sehr stolz. Da sollte es für mich kein Problem sein, meine Freunde heute einzuladen.

„Alles kein Problem. Ihr seid eh alle meinte Gäste heute. Also mach dir keine Gedanken darüber.“

Ich machte die Tube mit der Salbe zu und gab sie ihm wieder zurück. Jens lächelte mich an und bedankte sich für die Hilfe. Anschließend fuhren wir wieder aus dem Wald heraus und waren nach etwa zwanzig Minuten bei Salvatori.

Dort nahmen wir an einem schattigen Tisch unter einem Sonnenschirm Platz. Salvatori brachte uns persönlich die Eiskarte und begrüßte uns wie immer sehr freundlich und herzlich. Es war für uns immer wieder eine Freude hier zu essen oder eben auch nur einen Latte oder Cappuccino zu trinken. Das Eis schmeckte wie immer vorzüglich und wir unterhielten uns über alltägliches.

Dann aber hatte Stef eine Frage an Mika:

„Sag mal, hast du eigentlich nie Angst, wenn dein Papa irgendwo ein Rennen fährt und er immer so wenig zu Hause ist?“

Er holte tief Luft und es kam eine Antwort, die ich nur zu gut verstehen konnte.

„Ach Stef, was spielt das für eine Rolle, ob wir Angst haben oder nicht. Wenn Papa fahren will, dann fährt er eben. Klar habe ich Angst und klar nervt es, dass er fast nie zu Hause ist, aber was sollen wir machen?“

Ich spürte diese Resignation, die ich selbst zu gut kannte. Mick und Lukas hatten es immer wieder mal erzählt, wie oft sie enttäuscht waren, dass Papa nicht da war.

„Du hast es ihm vermutlich schon oft genug gesagt, ich weiß es von Mick und Lukas, dass sie oft enttäuscht waren.“

Er nickte nur und wirkte zum ersten Mal sehr bedrückt.

„Kannst du dich noch an das Wochenende in Spa erinnern? Dort, wo wir gemeinsam viel Zeit verbracht hatten. Das war das letzte Mal, dass ich das Gefühl hatte, Freunde zu haben, die ich verstehe. Die anderen aus meiner Klasse sehen immer nur den berühmten Rennfahrer und den Wohlstand. Aber niemand bemerkt, dass ich oft einsam bin.“

Auch Jens und Heiko hörten sehr aufmerksam zu und ich wusste sehr genau, was er damit meinte. Ich bezahlte unsere Eisbecher und wollte wieder aufbrechen, um irgendwo ungestört reden zu können. Da meldete sich mein Handy. Papa!

„Hallo Papa, was gibt es denn?“

„Wo seid ihr gerade? Wir bräuchten an der Werkstatt ein paar starke Hände zum Abladen der Möbel. Dann sind wir schnell fertig hier und ich kann den LKW wieder zurückbringen.“

Ok, das war zwar nicht mein Plan gewesen, aber das jetzt war auch wichtig, denn es ging ja um unsere Wohnung. Ich erklärte den anderen die Lage, sagte ihnen aber auch, sie müssten nicht mitkommen. Dennoch war es für sie klar, dass sie mithelfen würden. Somit war das wirklich sehr schnell erledigt. Fünf zusätzliche Personen halfen doch enorm.

„Jungs, vielen Dank. Was macht ihr jetzt noch? Ab morgen müssen Luc und Stef ja in der Wohnung ein wenig was tun. Heute könntet ihr noch frei etwas machen.“

Wir zuckten mit den Schultern. Darüber hatten wir uns noch keine Gedanken gemacht.

„Jens, hast du heute schon deine Übungen gemacht? Du weißt doch, wie wichtig das ist.“

Etwas peinlich berührt schüttelte er den Kopf. Da wusste ich, was wir machten.

„Ich weiß, was wir nun machen. Ich schlage vor, wir fahren zu Jens auf den Campingplatz. Dort kann er seine Übungen machen und wir können ins Wasser gehen. Was meint ihr?“

Die anderen waren sofort begeistert, nur Jens nicht so unbedingt, denn er wusste schließlich, dass die Übungen anstrengend und auch teilweise schmerzhaft waren. Dennoch wurde es so gemacht und wir begaben uns von dort direkt auf den Weg zum Campingplatz.

Die Großeltern freuten sich immer sehr, wenn Jens seine Freunde mitbrachte und wir bekamen gleich etwas Kaltes zu trinken angeboten und Heiko und Stef waren mit Mika bereits auf dem Sprung in Richtung Wasser, als Jens mich fragte:

„Kannst du mir vielleicht bei den Übungen behilflich sein? Ich weiß, ich kann sie auch allein machen, aber zu zweit geht es besser und ist einfacher.“

Ich wollte zwar auch gern mit den anderen ins Wasser, aber wenn Jens mich schon bat, dann wollte ich nicht nein sagen. Allerdings wunderte ich mich schon, dass er mich und nicht Heiko gefragt hatte.

„Wenn du das möchtest, helfe ich dir gerne. Ich sage den anderen Bescheid, dass wir später nachkommen.“

Er nickte und ich gab den anderen Bescheid. Stef fand das gut, während Heiko sich ein wenig abfällig äußerte.

„Man, Luc. Er muss das auch allein können. Du sollst dir hier mal etwas Spaß gönnen.“

Das passte Stef nun gar nicht. „Sag mal, merkst du es noch? Jens hat ihn gebeten, ihm zu helfen. Er wird schon wissen, warum er das tut und warum fragt er dich eigentlich nicht? Ihr seid doch schon viel länger befreundet? Vielleicht fragst du dich das mal.“

Heiko wollte noch etwas darauf erwidern, aber Stef ließ keinen Widerspruch zu, denn er bewegte sich zu seinem Rad und stieg auf. Heiko schwieg und folgte ihm zusammen mit Mika. Ich hatte Stef verstanden. Für ihn war das in Ordnung und ich wusste, dass Stef sich Heiko am Wasser noch einmal vornehmen würde. Ich ging zurück zu Jens in den Wohnwagen. Er hatte bereits seine Isomatte auf dem Boden ausgebreitet und wartete mit freiem Oberkörper auf mich. Sein gesamter Oberkörper war mit Brandnarben übersät. Ich hatte das zwar schon mehrfach gesehen, aber ich war immer wieder betroffen und konnte mir ungefähr vorstellen, wie sehr ihn das behinderte und auch schmerzte, wenn es zu heiß wurde oder er beim Sport war.

Er erklärte mir die Übungen und bei welchen Teilen ich ihn unterstützen sollte. Wir machten Greif- und Tastübungen, Dehnübungen für die Haut und einige Kraftaufgaben. Jens hatte schon einiges dazugelernt und ich fand, dass er auch schon mehr Beweglichkeit hinzu bekommen hatte. Wir streuten immer wieder kleine Pausen ein, denn es strengte ihn gewaltig an.

„Luc, darf ich dich mal etwas fragen?“

„Klar.“

„Woran merkt man, dass man schwul ist? Ich habe irgendwie überhaupt keine Ahnung davon. Also klar, ich weiß, dass sich zwei Jungs lieben, aber wie hast du gemerkt, dass du auf Jungs stehst?“

Ich war erstaunt. Allerdings freute es mich, dass sich Jens bereits mit diesem Thema ernsthaft beschäftigte.

„Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich hatte mir eigentlich nie Gedanken darüber gemacht, sondern es war einfach so. Ich bin meinen Gefühlen gefolgt, als ich Stef kennengelernt hatte. Es war eine schwierige Situation und ich musste ihm beistehen. Dabei habe ich irgendwann bemerkt, dass ich mehr als nur Freundschaft für ihn empfand.“

„Also, du hast nie vorher etwas bemerkt? Also, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber … nun ja, Heiko schaut sich in letzter Zeit im Internet immer häufiger Filme an, wo man Sex sehen kann. Er sagt immer, das würde ihn geil machen und dann könnte er besser, naja …“

Er wurde richtig verlegen. Ich musste schmunzeln.

„Ja? Was könnte er dann besser?“

Er traute sich aber nicht, das offen auszusprechen.

„Naja, du weißt schon. Also er rubbelt sich dann immer einen, sagt er.“

„Und du? Was ist mit dir? Hast du keine Lust dazu?“

Er wurde rot und ich beließ es dabei, ihn nicht weiter zu provozieren. Ich wollte aber, dass er weiß, er könnte immer mit mir darüber reden.

„Du musst nichts erklären. Es ist ok für mich. Aber wenn du dazu Lust hast, mach es einfach. Es ist völlig in Ordnung. Und wenn es so ist, dass du etwas wissen möchtest oder Fragen hast, kannst du mich oder Stef ruhig fragen. Für uns ist das kein Tabu.“

Er entspannte sich zusehends und bedankte sich erleichtert.

„Danke, Luc. Es tut mir leid, aber ich habe darüber noch nie mit jemandem gesprochen. Es ist mir etwas unangenehm. Aber ich werde auf dein Angebot bestimmt später noch einmal zurückkommen. Was meinst du, gehen wir jetzt zu den anderen an den Strand?“

„Ja, gerne. Lass uns unsere Sachen nehmen und dann machen wir uns einen schönen Tag.“

Jens und ich waren innerhalb weniger Minuten am Strand. Ich rieb ihn noch einmal mit seiner Salbe ein und dann ging es ins Wasser.

Stef: Warten auf Luc

Heiko, Mika und ich machten uns auf den Weg zum See. Ich war ein wenig ärgerlich. Heiko hatte erneut nur seine Bedürfnisse in den Vordergrund gestellt. Jens hatte es schon schwer genug und brauchte jetzt Heiko als Freund mehr denn je. Als wir am See ankamen und unsere Sachen in einem schattigen Flecken niedergelegt hatten, wollte er direkt ins Wasser. Ich hielt die beiden aus zwei Gründen zurück.

„Warte! Lass uns erst einmal etwas abkühlen, bevor wir ins Wasser gehen. Außerdem möchte ich dich etwas fragen.“

Heiko war verblüfft und Mika grinste. Heiko war es anscheinend nicht gewohnt, dass ihm jemand so klare Ansagen machte. Dennoch blieb er bei mir und wartete.

„Das hab ich immer so gemacht. Es ist noch nie etwas passiert. Aber wenn du meinst, dann warten wir noch. Was möchtest du denn wissen?“

„Ich habe mich eben echt über dich geärgert. Jens muss diese Übungen machen und es fällt ihm deutlich leichter, wenn er sie mit jemandem gemeinsam macht. Du weißt ganz genau, wie sehr ihn das anstrengt und ihm Schmerzen macht. Du denkst aber nur an dein Vergnügen und Jens fragt lieber Luc. Und das, obwohl du sein bester Freund bist. Findest du das gut?“

Für einen Moment dachte ich, Heiko würde böse werden und mich attackieren, aber er blieb stumm und schaute mich mit großen Augen an. Er drehte sich stumm von mir weg und setzte sich auf den Rasen, mit dem Gesicht von mir weg.

„Du hast ja eigentlich Recht, ich weiß das auch. Nur …“, er musste Luft holen, bevor er weitersprechen konnte. Er deutete mit seiner Hand, dass wir uns setzen sollten, was wir auch taten. Er legte sich auf den Bauch und stützte seinen Kopf in die Hände.

„Stef, ich kann es oft einfach nicht. Es tut mir echt unheimlich weh, ihn anzusehen und ihn zu berühren. Ich habe Angst und tue ihm dabei mehr weh, als ich sollte. Auch vorhin, ich wollte ihm nicht wehtun, aber ich kann es einfach nicht. Was soll ich machen? Wenn ich es ihm sage, verletze ich ihn genauso, als wenn ich es nicht tue.“

Mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Ich konnte ihn sogar ein wenig verstehen. Allerdings waren sie doch sehr gute Freunde, warum sprachen sie nicht offen darüber?

„Hast du Angst, mit ihm darüber zu reden? Warum? Es sind doch deine Gefühle, die dir da einen Streich spielen. Du musst es ihm sagen, dann kann er es auch verstehen und ihr könnt vielleicht gemeinsam an dieser Sache arbeiten. Er hat doch bereits gemerkt, dass es dir schwerfällt. Sonst würde er nicht Luc fragen, ob er ihm mit der Salbe hilft oder jetzt bei den Übungen. Meinst du nicht, er braucht jede Unterstützung? In der Schule wird er es garantiert auch nicht leicht haben. Er wird dort bestimmt wegen der Narben gehänselt. Das macht ihn nicht selbstsicherer. Er braucht jeden Freund, der ihn unterstützt.“

Heiko schwieg und hatte seine Augen geschlossen. Er nickte leicht und ich konnte spüren, wie sehr es ihn aufwühlte. Er kämpfte mit sich und seinen Gefühlen. Ich ließ ihn jetzt in Ruhe und blieb neben ihm liegen.

„Danke, du hast mir die Augen geöffnet, ich habe mich schon so lange damit gequält und mich geschämt, dass ich ihm nicht so helfen kann. Aber du hast Recht, vielleicht können wir es gemeinsam.“

„Das ist schon mal ein guter Anfang. Wenn Jens und Luc gleich kommen, sollten wir uns gemeinsam darüber mal unterhalten. Was meinst du?“

„Heißt das, du denkst nicht, dass ich ein egoistisches Arschloch bin?“

„Warum sollte ich das? Nur weil ich gemerkt habe, dass du dich nicht so verhältst, wie es Freunde eigentlich tun? Nein, bestimmt nicht. Außerdem, glaub nicht, dass Luc und ich keinen Streit haben. Aber ich habe gelernt, nur wenn ich sage, was mich stört oder was ich nicht hinbekomme, kann ich Hilfe und Veränderung erreichen.“

„Danke, es tut mir wirklich leid. Ich will Jens nicht weh tun. Er ist wirklich mein bester Freund, aber an dieser Stelle habe ich einfach Angst, es falsch zu machen.“

„Und bevor du etwas falsch machst, tust du lieber gar nichts und verletzt ihn dabei genauso. Ganz schon bescheuert, oder?“

Jetzt musste er lächeln und stand auf.

„Ja, du hast Recht. Das ist echt bescheuert. Warum bin ich da nur nicht von allein drauf gekommen?“

„Weil man selbst manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Marc, also Lucs Papa, hat mir schon häufiger, auf ähnliche Weise, die Augen geöffnet. Ich kann dich gut verstehen, aber es wird Zeit, das zu ändern.“

Wir standen beide mittlerweile wieder und er umarmte mich und sagte nur noch:

„Danke, das hilft mir wirklich. Es stimmt. In einer Freundschaft sollte es keine Geheimnisse geben. Er vertraut mir und ich habe es verbockt. Das werde ich ändern.“

„Gut, sehr gut. So, und jetzt haben wir uns eine Abkühlung verdient.“

Mika hatte während dieses Gespräches sehr still neben uns gelegen und ich hatte das Gefühl, auch dort würde sich etwas ankündigen.

Wir zogen unsere Shirts aus und gingen uns im Wasser abkühlen. Das tat richtig gut bei der Wärme. Wir planschten im Wasser und spritzten uns gegenseitig an. Da relativ viel los war am See, mussten wir ein wenig aufpassen, dass sich niemand belästigt fühlte. Es dauerte auch nicht mehr lange und ich konnte sehen, dass Luc und Jens auch am See angekommen waren. Sie suchten nach uns.

„Komm, Heiko. Luc und Jens sind da und suchen nach uns.“

Wir verließen das kühle Nass und trafen die beiden am Strand. Wir zeigten ihnen, wo wir unsere Sachen abgelegt hatten und dann ging es zu fünft wieder ins Wasser. Wir tobten ein wenig herum und ich konnte merken, Heiko war sehr gelöst und immer wieder tat er sich mit Jens zusammen, um Luc und mich nass zu spritzen. Wir hatten viel Spaß.

Einige Zeit später wollten wir uns etwas ausruhen und hatten uns zu unseren Sachen gelegt. Luc lag neben mir und döste vor sich hin. Heiko stand plötzlich auf und verkündete:

„Leute, ich habe Bock auf ein Eis. Was ist mit euch? Jens und ich wollten uns was holen.“

Ich war sehr erstaunt und hatte dann aber die Erleuchtung. Er wollte mit Jens allein reden. Luc wollte hingegen schon aufstehen und mit ihnen gehen. Also stimmte ich zu:

„Cool, das wäre nett, wenn ihr uns etwas mitbringen würdet.“

Luc schaute mich fragend an, aber ich blieb einfach liegen.

„Kommst du nicht mit?“, fragte er mich.

„Nein, ich glaube, die beiden sind alt genug. Da müssen wir nicht den Aufpasser spielen.“

Luc stutzte einen Augenblick, aber dann schien er verstanden zu haben. Er wollte Heiko noch Geld geben, aber der lehnte es ab und erklärte, dass er heute mal dran wäre. Dann legte sich mein Schatz wieder zu mir und die beiden anderen zogen von dannen.

Mika bekam dieses natürlich auch mit, aber er beobachtete uns nur schweigend. Irgendetwas arbeitete in ihm.

„Sag mal Schatz, warum wolltest du nicht, dass wir mitgehen?“, fragte mich Luc, als die beiden bereits einen Moment gegangen waren.

„Weil ich glaube, dass Heiko mit Jens etwas zu besprechen hat. Ich habe hier eben mit Heiko ein gutes Gespräch gehabt.“

Ich erklärte Luc, was sich hier ereignet hatte, und er war sehr überrascht, aber auch zufrieden.

„Das hast du sicher richtig gemacht. Danke. Es war gut, nicht mitzugehen. Mal sehen, vielleicht hast du ja etwas in Bewegung gebracht. Ich glaube nämlich, dass Jens auch etwas zu erzählen hat.“

Wir schauten uns an und mussten beide lächeln. Luc kam immer näher und dann gab er mir einen zärtlichen Kuss. Es war, als ob ein Stromstoß durch meinen Körper drang. Es fühlte sich einfach großartig an. Wir umarmten uns und kuschelten uns eng aneinander. Mittlerweile war es mir egal, ob wir in der Öffentlichkeit waren oder nicht. Mit Luc an meiner Seite fühlte ich mich sicher. Allerdings hatte ich auch Mika nicht mehr im Kopf. Irgendwann schien es ihm ein wenig unangenehm zu werden, denn er machte sich bemerkbar.

Einige Zeit später kamen die beiden gut gelaunt mit fünf großen Eisbechern. Sie lachten und scherzten herum und setzten sich zu uns in den Sand.

„So, ihr drei. Ich glaube, diese Eisbecher habt ihr euch verdient“, meinte Heiko vielsagend.

Jens lachte und verteilte die Becher an Stef, Mika und mich. Das Eis war lecker und tat bei den hohen Temperaturen richtig gut.

„Stef“, begann Jens, „ich muss mich bei dir auch bedanken. Heiko hat mir eben berichtet, was ihr besprochen habt. Wir haben das geklärt und jetzt können wir das offen angehen. Luc hatte mit mir auch ein paar Dinge besprochen. Also ehrlich, ich hätte mich nicht getraut, das Thema anzusprechen.“

Ich zwinkerte ihm zu und auch Luc freute sich sichtlich. Damit war alles gesagt und wir ließen es uns nun nicht nehmen, den Tag noch sehr ausgiebig zu genießen. Abends waren wir bei Jens Großeltern zum Essen eingeladen und was mich besonders gefreut hat, auch Papa kam mit Mama und Mikas Eltern auf ihren Rädern vorbei und somit lernten die sich auch besser kennen. Papa gab den Großeltern noch ein paar Hinweise, wie sie Jens besser unterstützen konnten bei seinen Bemühungen, sich mehr Beweglichkeit zu erarbeiten. Gegen elf verabschiedeten wir uns von ihnen und fuhren gemeinsam nach Hause. Ein für mich sehr gelungener Tag ging damit für mich zu Ende. Ab Morgen wollten wir die Wohnung renovieren.

Luc: Renovieren mit Hindernissen

Die folgende Woche wurde eine sehr anstrengende Ferienwoche. Papas Plan sah vor, dass wir zum Wochenende mit dem Einzug fertig sein würden. Mick und Lukas hatten sich mittlerweile wieder nach Deutschland verabschiedet und Stef und ich standen gerade in der fast leeren Wohnung.

„Was denkst du über die Wände? Tapezieren oder nur streichen?“, fragte ich Stef.

Er schaute sich die drei Bereiche an, Schlafzimmer Flur und Arbeitszimmer. Küche und Wohnzimmer blieben ja so wie sie waren.

„Ich würde nur streichen. Tapezieren ist sehr aufwendig und ich habe das noch nie gemacht.“

„Das ist kein Argument. Ich möchte, dass dies unsere Wohnung wird. Da soll es so sein, wie wir es gern hätten. Ich würde das Schlafzimmer gern in Sandtönen mit blauen Bereichen haben wollen und das Arbeitszimmer kann ruhig etwas flippiger sein.“

Über diese Bemerkung musste Stef lachen. Er schaute mich an und grinste über das ganze Gesicht.

Es klopfte an der Tür und ich rief:

„Herein“

Die Tür öffnete sich und Mika kam herein. „Hallo, störe ich?“

„Nein, komm rein. Wir beraten gerade, wie wir uns das hier einrichten wollen.“

„Cool, Mama und Papa sind mit euren Eltern gerade weggefahren. Sie wollten sich irgendwas ansehen. Ich wollte aber nicht mit. Kann ich bei euch bleiben?“

„Klar, wir wollen gleich in den Baumarkt und die Sachen zusammenstellen, die wir brauchen. Da kannst du gern mitkommen.“

„Und wie bekommen wir die Sachen dann hierher? Ohne Auto.“

Ich musste schmunzeln, Mika hatte natürlich sofort erkannt, dass niemand mehr da war, der das transportieren konnte.

„Kein Problem, entweder holt Papa das später ab, oder wir lassen es uns liefern.“

Wir hatten sehr schnell eine Liste beisammen, was wir noch kaufen mussten. Ich wollte auch gleich noch in ein Möbelhaus und dort nach den Möbeln schauen. Dann würden wir die Ideen Mama und Papa zeigen und sie konnten dann entscheiden, ob sie damit einverstanden waren.

Eine halbe Stunde später liefen wir durch den Baumarkt und unsere beiden großen Wagen füllten sich immer mehr. Mika hatte auch ein paar gute Ideen und somit waren wir nach einer Stunde mit allem durch. Ich ließ die Sachen zurückstellen, damit Papa die später abholen und bezahlen konnte.

„Puh, ich bin froh, dass wir das hinter uns haben.“ Stef schien erleichtert, als wir wieder zu unseren Rädern kamen.

„Warum? Gehst du nicht gern einkaufen?“ Die Frage kam von Mika.

„Doch, aber ich kann mich immer nicht entscheiden, was richtig ist.“

Darüber mussten wir zwei dann doch herzlich lachen und Stef grinste uns an.

„So, als nächstes geht es ins Möbelhaus.“

Ich schaute auf die Uhr und überlegte.

„Mika, haben unsere Eltern was gesagt, wann sie zurück sein wollten?“

Mika schüttelte den Kopf. Ich entschloss mich, Papa anzurufen und mit ihm den weiteren Ablauf zu besprechen. Es stellte sich heraus, dass sie erst gegen Nachmittag zurück sein und wir abends Essen gehen würden. Also hatten wir freie Planung.

„Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt Möbel aussuchen fahren und anschließend gemeinsam was essen?“

Es kam kein Widerspruch und da Leif mit seiner Chrissie unterwegs war, brauchten wir darauf auch keine Rücksicht zu nehmen. Also machten wir uns auf den Weg.

Im Möbelhaus waren wir uns über Flur, Bad und Arbeitszimmer sehr schnell einig. Beim Schlafzimmer schien Stef allerdings andere Vorstellungen zu haben als ich. Mein jetziges Zimmer sollte als Gästezimmer so bleiben. Also brauchten wir ein komplettes Schlafzimmer mit Bett.

Ich wollte es lieber modern und hell, während Stef es ein wenig rustikaler mochte. Während wir noch in einem ausgestellten Schlafzimmer heftig diskutierten, war Mika plötzlich verschwunden. Als wir das bemerkten, schauten wir uns fragend an. Wir waren so in unsere Diskussion vertieft, dass es uns nicht aufgefallen war. Wir schauten uns um, konnten ihn aber nirgends sehen.

Plötzlich kam er um die Ecke und grinste.

„Wenn die beiden Streithähne mal mitkommen würden, ich glaube, ich habe da etwas gefunden, was euch beiden gefallen könnte.“

„Na, da bin ich jetzt aber neugierig.“

Mika ging vorweg und Stef und ich folgten ihm gespannt in einen anderen Bereich. Dort waren Einzelstücke ausgestellt und wir kamen in ein modernes Schlafzimmer, aber aus rustikalem Holz. Ich war verblüfft.

„Boah, ist das geil.“ Stef war sofort begeistert. Er schaute sich um und öffnete den großen Kleiderschrank. Ich musste zugeben, das gefiel mir auch.

„Cool, Mika. Ich glaube, wir sollten dich als Berater einstellen. Dann brauchen wir uns nicht mehr zu streiten.“

Kaum hatte Stef das gehört, kam er auch schon mit empörtem Gesicht zu mir.

„Willst du damit sagen, es hat dir keinen Spaß gemacht, mit mir zu streiten?“

Er versuchte weiterhin ein ernstes Gesicht zu machen, aber es klappte nicht ganz und so brachen wir in lautes Gelächter aus. Ich zog ihn an mich heran und küsste ihn.

„Mika, hast du irgendwo einen Verkäufer gesehen? Ich glaube, Stef und ich sind uns einig. Das soll unser Schlafzimmer werden.“

Mika zeigte uns einen kleinen Stand, wo ein Berater hinter einem Computerterminal stand. Wir erklärten unser Anliegen und innerhalb weniger Minuten waren wir in einer heftigen Diskussion über den Preis. Stef schien das sehr unangenehm zu sein, aber ich war der Meinung, es handele sich um ein Ausstellungszimmer. Es hatte bereits einige kleine oberflächliche Macken und da sollte noch etwas im Preis gehen. Nach einigem hin und her wurden wir uns einig. Er bot mir noch einmal zehn Prozent Rabatt an.

Daraufhin ließ ich das Zimmer so wie es war reservieren, denn ich musste erst mit Mama und Papa darüber sprechen, denn so viel Geld wollte ich nicht ungefragt ausgeben, auch wenn Papa uns gesagt hatte, wir sollten uns das kaufen, was uns gefällt.

Einige Minuten später standen wir vor dem Möbelhaus bei unseren Rädern. Ich verspürte ein Hungergefühl und fragte:

„So, die Einkaufstour ist beendet. Wie sieht das bei euch mit Hunger aus? Ich könnte jetzt etwas zu Essen vertragen.“

Mika nickte und meinte: „Au ja, das ist eine gute Idee. Ich könnte ein halbes Schwein auf Toast essen.“

Stef und ich schauten uns an und begannen laut zu lachen. Mika hatte das so trocken gesagt, dass wir uns kaum wieder beruhigen konnten.

„Mika, hast du schon mal selbst gekocht?“

Er schüttelte den Kopf.

„Mama will das nicht. Sie sagt, ich würde mich dabei nur verletzen und die Küche ramponieren. Ich würde gern mal selbst etwas versuchen, aber ich darf halt nicht.“

„So ein Blödsinn.“

Stef war richtig ungehalten. „Wie sollst du denn dann selbständig werden. Luc, ich bin dafür, wir fahren nach Hause und machen gemeinsam ein schönes kleines Mahl.“

Dabei nahm er mich in den Arm und gab mir einen zärtlichen Kuss. Wenn man so liebevoll gefragt wird, kann man ja schlecht nein sagen. Also fuhren wir auf direktem Weg nach Hause und machten uns in der Küche zu schaffen. Da wir abends gemeinsam essen gehen wollten, waren wir uns einig, nur eine Kleinigkeit zu machen. Stef wollte einen frischen Salat und ich ein paar Spaghetti mit einer Soße. Also legten wir die Salatzutaten heraus und ich ließ Mika schon mal Wasser für die Nudeln aufsetzen. Stef verteilte die Messer und dann ging es an das Schneiden der Salatzutaten. Mika staunte über unser schnelles Vorgehen. Er hatte Mühe mit dem Tempo und wollte schon resignieren.

„So werden wir nie fertig, ich bin zu langsam für euch.“

„Das macht doch nichts. Wir haben auch mal so angefangen. Also mach einfach weiter und wir helfen dir dabei.“

Stef nahm ein paar Gurken und schälte diese von der Blüte zum Stil, damit sie nicht bitter wurden und ich sie dann in Scheiben schneiden konnte. Als wir fast fertig waren, begann ich mit Mika das Dressing zu machen. Ich erklärte ihm die Zutaten und ließ ihn abschmecken. Wir hatten sehr viel Spaß beim Zubereiten der Sachen. Als es an die Soße für die Nudeln ging, entwickelte Mika richtige Kreativität. Er hatte einige neue Ideen für uns und so wurde es mehr eine neue Kreation. Und, ganz wichtig, sie schmeckte äußerst lecker, so dass ich ihn fragte:

„Sag mal, hast du ein Rezept für diese Soße? Ich würde es gerne aufschreiben. Ich finde sie sehr gut.“

„Nein, ich habe das spontan probiert. Mama würde das ja nicht zulassen.“

Stef hatte sich schon einen Block und einen Kugelschreiber geholt und ließ sich von Mika die Zutaten diktieren. Ich schmeckte die Soße währenddessen ab und goss die Nudeln ab.

Das Essen wurde sehr lustig, denn Stef und ich erzählten Mika ein paar nette Geschichten von unseren anfänglichen Kochexperimenten.

„Oh man, wenn ich das bei uns so gemacht hätte, wäre Mama ausgeflippt. Ich hätte nie wieder die Küche betreten dürfen. Haben eure Eltern nicht geflucht?“

„Klar, sie waren nicht begeistert, aber Mama hat immer gesagt, dass ich es ja sonst nicht lernen würde. Also hat sie es mit Fassung getragen. Als ich Stef kennengelernt hatte, da konnte ich schon ganz gut kochen. Oder Stef?“

Dieser lachte: „Oh ja, aber wie schon erzählt, musste ich dann noch viel lernen und so einiges ist dabei auch schiefgegangen.“

Wir mussten wieder lachen und so bemerkten wir gar nicht, wie schnell die Zeit verging. Wir räumten irgendwann die Küche auf und die schmutzigen Teile in die Spülmaschine. Als wir fertig waren, konnte man von unserem Küchenexperiment nichts mehr erkennen.

„Danke Luc, das hat echt Spaß gemacht. Ich würde das zu Hause auch gern mal machen.“

Jetzt hatte Stef die zündende Idee.

„Wie wäre es denn, wenn wir drei morgen für das Essen für alle sorgen würden. Dann könnten wir deinen Eltern gegenüber den Beweis antreten, dass du sehr wohl Talent in der Küche hast.“

Mika war begeistert und so wollten wir das auch machen. Wir setzten uns in den Garten und besprachen, was wir zubereiten wollten. Es wurde eine Liste erstellt und die würde ich heute Abend mit Mama durchsprechen. Dann könnten wir am nächsten Tag die noch fehlenden Dinge einkaufen.

Wir saßen gerade gemütlich bei uns im Garten, als mein Handy klingelte. Nico war am Apparat. Er fragte uns, ob wir Lust hätten, vorbeizukommen. Ich fragte, ob wir Mika mitbringen könnten und somit fuhren wir zu dritt zu Nico. Tommy war natürlich auch da und wir spielten seit langer Zeit mal wieder am Tischkicker. Es wurde sehr lustig und Mika war richtig gut dabei. Ich hatte große Probleme, mit ihm mitzuhalten. Er hatte unglaubliche Reflexe. Wir spielten ein kleines Turnier aus und hatten sehr viel Spaß. Wir bekamen aber bald Durst, machten deshalb eine Pause und gingen nach oben, um etwas zu trinken. Nicos Mutter hatte Mika noch nicht gesehen und somit stellte er sich dort zuerst mal vor. Es entstand ein Gespräch und Nicos Mutter schien ihn ebenfalls sehr zu mögen, denn die Stimmung war gelöst. Als wir wieder allein im Garten saßen, fragte Mika für mich etwas überraschend:

„Habt ihr eigentlich nie in der Schule Probleme bekommen? Bei uns wäre das noch ein großes Problem, wenn sich da jemand offen als schwul bekennen würde. Unsere Lehrer sind nicht offen. Sie reden ja nicht mal über Sexualität allgemein. Das müssen wir uns mehr oder weniger selbst aneignen. Aber es gibt ja das Internet.“

Dabei grinste er ein wenig verlegen. Ich konnte sogar eine leichte Gesichtsverfärbung in Richtung Rot erkennen. Es fiel mir schwer nicht zu lachen, denn eigentlich war das ja ein ernstes Thema und Nico war auch so clever, das als ernste Frage aufzufassen.

„Aber du glaubst hoffentlich nicht alles, was du im Internet sehen kannst.“

Jetzt wurde die Gesichtsfarbe von Mika noch deutlicher. Wir spürten, er war noch nicht soweit, dass er mit uns darüber reden wollte. Deshalb nahm Nico die Frage auf, ob wir in der Schule Schwierigkeiten hatten.

„Es war bei uns nicht immer so einfach. Luc hatte es da etwas leichter, weil er sich ja nach uns geoutet hatte. In der ersten Zeit hatte ich oft das Gefühl, ich würde stärker beobachtet werden. Die meisten Lehrer gingen recht neutral damit um. Es gab glücklicherweise auch Lehrer, die uns offen unterstützt haben. Das hat auch einige andere Schüler dazu ermutigt, sich ebenfalls zu outen. Und ab da wurde es für einige Wochen zu einem Gesprächsthema auch im Unterricht.“

„Gab es auch Ablehnung von den Mitschülern?“

„Sicher, einige waren ablehnend. Das war nicht immer schön, aber ganz oft haben unsere Freunde das für uns geregelt. Es gab in der Mehrheit immer Unterstützer, die den anderen den Wind aus den Segeln genommen hatten. Ich hatte jedenfalls immer das Gefühl, hier anerkannt zu sein.“

Ich spürte bei Mika ein echtes Interesse, denn er hörte sehr aufmerksam zu und alberte nicht einmal herum. Ich nutzte die Situation und berichtete ihm von meinen Erfahrungen. Zum Schluss fragte ich ihn direkt:

„Warum hast du uns das noch nie gefragt? Weil, wir waren doch schon oft genug zusammen unterwegs.“

Er zögerte und es war ihm sichtlich unangenehm.

„Naja, also bei uns beim Fußball wird immer nur über Schwule gelästert und wer nicht mitmacht, ist automatisch verdächtig, selbst schwul zu sein. Da habe ich leider auch mal mitgemacht. Heute tue ich es nicht mehr, aber ich habe das Gefühl, dass unser Torhüter vielleicht so ist wie ihr.“

Wir schauten uns fragend an.

„Wie kommst du darauf?“ Fast gleichzeitig kam von uns die Frage und darüber mussten wir alle lachen.

„Ich weiß es nicht, aber manchmal ist er sehr niedergeschlagen und er macht so gut wie gar nicht mehr bei diesem Gerede mit. Manchmal geht er auch einfach weg. Ich glaube, bislang hat das von den anderen noch keiner bemerkt, aber irgendetwas hat sich bei ihm verändert.“

„Kommst du denn mit ihm gut klar?“, wollte Nico wissen.

„Ja, eigentlich schon, aber ich habe Angst vor den anderen. Da gibt es ein oder zwei Typen, denen ich zutrauen würde, auch mal die Faust zu benutzen.“

Das konnte ich mir in einer Mannschaft irgendwie überhaupt nicht vorstellen. Da musste es doch auch einen Trainer geben.

„Echt, das würde der Trainer zulassen? Dass sich die Spieler untereinander schlagen?“

„Nein, das natürlich nicht. Aber die würden schon darauf achten, dass es nicht beim Training passiert. Ich fühle mich da echt beschissen. Ich würde ihn gern mal fragen, ob er Probleme hat oder was bei ihm los ist. Weil …, naja, wir haben früher viel gemeinsam gespielt und er war immer da, wenn ich mal wieder traurig war, wenn Papa wochenlang nicht zu Hause war.“

Wir konnten es sehen, Mika schien diesen Freund sehr zu mögen, aber er traute sich nicht, offen mit ihm zu reden.

„Das kann ich gut verstehen. Es ging mir am Anfang auch so“, erklärte ich Mika. „Ich habe auch erst für mich klarbekommen müssen, dass es wichtig ist, genau hinzusehen und dann auch zu fragen. Sonst hätte ich Stef nie kennengelernt.“

Ich nahm demonstrativ Stefs Hand und er gab mir einen Kuss. Mika schien das sogar etwas unangenehm gewesen zu sein.

„Schau mal“, mischte sich nun Tommy ein, „leider ist es so, wie du es beschreibst. Viele sind zu blöd und zu feige, ihre eigene Meinung zu vertreten. Allerdings, wenn einer den Anfang gemacht hat, dann zeigen sich auch schnell andere, die genauso denken. Ich würde dir raten, suche mit deinem Freund das Gespräch und rede offen mit ihm. Schildere ihm deine Beobachtungen und sag ihm, dass er mit dir vertraulich reden kann und dass du zu ihm stehst. Dann wird es für ihn leichter werden, mit dir zu reden.“

Mika nickte sehr nachdenklich. Ich glaubte, er hatte sich schon längere Zeit damit beschäftigt. Ich wollte noch einen anderen Aspekt ansprechen.

„Hast du eigentlich schon mal mit deinem Vater darüber gesprochen? Vermutlich nicht, weil er oft nicht da ist, oder?“

Ich hatte nicht gedacht, dass ich damit in ein Wespennest gestochen hatte. Mika schossen die Tränen nur so aus den Augen. Er fing an zu weinen und war kaum zu beruhigen. Er erzählte uns von seinen Ängsten und dass er nie mit seinem Vater darüber reden konnte. Tom nahm ihn anscheinend nicht ernst. Wir beruhigten ihn und ich bekam eine Idee.

„Sag mal, warum sagst du ihm nicht klar, wie scheiße du das findest, dass er nie für dich Zeit hat. Wie findest du das denn jetzt, dass er mit dir ein paar Tage hier ist?“

„Weißt du Luc, ich freue mich tierisch darüber. Endlich einmal. Außerdem habe ich zum ersten Mal bemerkt, dass Mama Papa auch mal kritisiert. Vielleicht passiert ja doch mal ein Wunder. Marc hat doch auch euretwegen aufgehört.“

Für mich war klar, er musste lernen, seine Bedürfnisse deutlich zu machen. Immer wieder. Nur dann würde es vielleicht helfen, Tom zu zeigen, dass er mehr Zeit haben muss.

„Du musst Tom immer wieder sagen und auch zeigen, wie viel es dir bedeutet, wenn er mit dir Zeit verbringt und dass du erwartest, dass er dir mehr Unterstützung gibt. Marc hat auch erst nach seinem Rücktritt bemerkt, wie wichtig wir ihm geworden sind. Heute sagt er immer, er hat es gar nicht bemerken können, weil er nur mit dem Fahren beschäftigt war. Erst als Mick damals große Probleme bekam und es ihm richtig schlecht ging, hat er für sich angefangen, darüber nachzudenken. Der Unfall in Le Mans war dann nur noch der Auslöser. Hoffentlich wird es bei Tom nicht durch einen Unfall entschieden.“

Wir schwiegen. Es war alles gesagt und Mika schien zu begreifen, dass es seine Aufgabe war, dies seinem Vater klarzumachen.

Anschließend wollte ich diese traurige Stimmung beenden und wir gingen wieder zum Kicker. Wir spielten noch einige Partien und Mika war einfach zu gut für mich. Nur Nico konnte einigermaßen mit ihm mithalten. Leider war es bald Zeit für uns, nach Hause zu fahren, denn wir wollten ja gemeinsam essen gehen. Auf dem Weg fragte mich Mika:

„Meinst du wirklich, ich sollte Papa deutlicher sagen, dass ich es blöd finde, dass er immer weg ist? Ich habe ein wenig Angst davor, weil er ja auch damit Geld verdient.“

Jetzt musste ich doch ein wenig nachdenken. Mika schien sich noch nicht wirklich mit dem ganzen Thema beschäftigt zu haben. Beziehungsweise hatten sie in der Familie noch nicht darüber ernsthaft gesprochen. Woher sollte er das also im Detail wissen?

„Tom hat neunmal Le Mans gewonnen. Er ist einer der erfolgreichsten Langstreckenpiloten der Welt. Er braucht keine Rennen mehr zu fahren, um Geld zu verdienen. Da mach dir bitte keine Gedanken drüber. Er fährt noch, weil er fahren will, nicht, weil er fahren muss.“

Mika hatte meine Bemerkung verstanden und ich spürte, es arbeitete in ihm. Für einen Moment war er dadurch abgelenkt und hatte einen Ast auf dem Weg übersehen. Sein Vorderrad schlug zur Seite und er hatte keine Chance mehr zu korrigieren.

„Achtung“, rief Stef noch, aber es war schon zu spät.

Mika kam zu Fall und ich konnte ebenfalls nicht mehr ausweichen. Somit lagen wir beide auf der Nase und die Räder übereinander.

„Scheiße“, fluchte ich laut. Mika sagte nichts, er stöhnte nur leicht auf und Stef war von seinem Rad gesprungen.

„Ist euch was passiert? Schatz ist alles in Ordnung?“

Ich rappelte mich auf und stellte schnell bei mir fest, dass nicht viel passiert war. Allerdings blieb Mika noch auf dem Boden liegen und rappelte sich erst langsam wieder auf.

„Alles ok, bei mir. Stef, hilf Mika auf die Beine. Ich komm schon klar.“

Stef half ihm aufzustehen und Mika war sichtlich geschockt, er hatte eine Schürfwunde am Ellbogen, aber sonst schien nichts kaputt zu sein. Ich schaute mir das mit Stef gemeinsam an und fragte Mika:

„Geht es wieder? Können wir nach Hause fahren oder soll ich dort anrufen, dass sie dich abholen sollen?“

Mika schüttelte den Kopf.

„Nein, nein, es geht schon. Der Arm tut nur weh.“

Wir stiegen vorsichtig wieder auf und fuhren langsam nach Hause. Mika hatte Schmerzen, ohne Frage, aber er biss sich durch und hielt sich auch bis nach Hause im Sattel. Mama hatte uns kommen sehen und sah natürlich sofort, dass etwas passiert war. Sie kam aus dem Haus und auf Mika zu. Sie schaute sich die Wunde an und schickte Stef schon mal los, den Verbandskasten zu holen.

„Mama, das muss erst sauber gemacht werden. Lass uns ins Bad gehen.“

Sie nickte und somit führte ich Mika ins Bad.

„Mama, sagst du Tom bitte Bescheid. Er möge doch mal ins Bad kommen.“

Mika fand diese Idee gar nicht so toll. Er wollte erst protestieren, aber Stef, der mittlerweile mit dem Verbandskasten zurück war, ließ ein Widerwort gar nicht zu.

„Das machen wir so. Luc, du säuberst die Wunde und ich erkläre Tom in der Zeit, was passiert ist.“

Nach fünf Minuten war der Arm gesäubert und verbunden. Tom schaute durch die Tür, als ich gerade den Verband fertig angelegt hatte.

„Na ihr großen Radfahrer. Alles ok bei dir, Mika?“

Er nickte und ich erklärte Tom nur schnell, was ich gemacht hatte. Tom war zufrieden und meinte zu seinem Sohn.

„Ist alles halb so wild. Das passiert schon mal. Ich denke, Luc ist auch schon mal gestürzt.“

„Oh ja, das kommt halt mal vor. Außerdem ist es nicht allein seine Schuld gewesen. Ich habe mich mit ihm unterhalten und wir waren wohl beide einen Moment unachtsam.“

Mika schaute mich dankbar an und nach wenigen Minuten war das Thema erledigt. Eine halbe Stunde später saßen wir alle gemeinsam im „Züricher Hof“. Das war das beste und nobelste Hotel des Ortes.

Wir hatten bereits alle unser Essen ausgewählt, die Getränke standen auch schon auf dem Tisch, als Papa fragte:

„Mika, wie geht es deinem Arm. Hast du noch Schmerzen?“

„Es geht so. Es brennt eben noch ganz schön. Ist aber nicht so schlimm. Luc und Stef haben sich toll um mich gekümmert. Danke noch mal, Jungs.“

Dabei schaute er uns beide mit einem Lachen an. Wir erzählten von unserem Tag und was wir alles erledigt hatten. Papa ließ sich alles sehr genau erklären und Stef hatte sogar daran gedacht, die Bilder vom Schlafzimmer zu zeigen. Er hatte die mit dem Handy gemacht. Papa schaute sich diese an und blickte zu Stef. Er gab das Handy wortlos an Mama weiter, die wiederum lobte uns:

„Wow, ihr habt aber einen tollen Geschmack. Das gefällt mir auch sehr gut. Bestimmt ist das nicht billig.“

„Mama, das war Mikas Idee. Stef und ich hatten schon gestritten über die Einrichtung des Schlafzimmers, als Mika uns dann dieses hier gezeigt hat.“

Mama musste lachen, während Papa kommentierte:

„Na, dann war es ja eine gute Idee von Mika, nicht mit uns mitzufahren, sondern euch vom Streiten abzuhalten. Der Preis ist auch in Ordnung. Habt ihr das reservieren lassen oder was habt ihr gemacht?“

„Ja, Papa. Ich habe gesagt, sie sollen das bis morgen zurückstellen und einer von uns sagt morgen Bescheid.“

Jetzt mischte sich Stef doch ein. Er berichtete von meinen Verhandlungen mit dem Verkäufer über den Preis. Als er fertig berichtet hatte, äußerte Papa zufrieden:

„Na, wenn das kein guter Beweis ist für dein Talent, bei Karl anzufangen. Dann denke ich erst recht, dass der Preis in Ordnung ist. Ich freu mich, dass ihr etwas Schönes gefunden habt.“

Jetzt stellten wir noch unsere Idee für die einzelnen Zimmer vor, als unser Essen kam. Damit war das Thema Umbau erst einmal beendet.

Am nächsten Morgen fiel es mir schwer aufzustehen. Ich hatte einfach keine Lust und Stef schien es ähnlich zu gehen, denn wir blieben noch eine Weile im Bett liegen und kuschelten miteinander. Dabei spürte ich Stefs Erregung immer deutlicher und ich war nicht minder erregt. Wir streichelten uns überall und ich hatte ein unglaublich tolles Gefühl im ganzen Körper. Auch, als Stef mir ein Kondom über meinen steinharten Schwanz schob, wehrte ich mich nicht dagegen. Wir genossen dieses Erlebnis und lagen bald ziemlich verschwitzt und entspannt nebeneinander im Bett.

„Wenn wir immer so aufwachen, müssen wir den Wecker früher stellen.“

Stef sagte dies, ohne mit der Wimper zu zucken und im ersten Moment dachte ich, er meinte das ernst. Erst, als wir uns anschauten, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten.

Wir fingen an zu lachen und es dauerte doch einige Augenblicke, bis wir uns wieder beruhigt hatten. Plötzlich klopfte es an der Tür. Stef sagte direkt „Herein“, ohne darüber nachzudenken, dass wir ja beide nackt im Bett lagen. Die Tür öffnete sich und Mika stand in der Tür.

„Guten Mo…“, er erschrak, uns noch im Bett anzutreffen und wollte sofort wieder herausgehen, aber Stef war schneller.

„Moin, Mika. Du kannst ruhig hereinkommen. Wir sind jetzt auch ganz brav.“

Wir lagen unter der Bettdecke und Mika drehte sich wieder um. Allerdings musste ich erneut lachen, denn dass wir jetzt brav sein würden, war einfach zu viel für mich. Ich hatte noch zu sehr die tollen letzten Minuten davor im Kopf. Mika wurde leicht rot, er schien wohl zu ahnen, was Stef gemeint hatte, aber er ließ sich nicht viel davon anmerken.

„Los, dann kommt mal langsam aus den Federn. Es ist schon spät und wir wollten doch mit dem Renovieren anfangen.“

„Boah, Mika. Wir haben Ferien. Da kannst du uns doch nicht so antreiben. In unserem Alter muss man vorsichtig sein. Zu viel Stress ist gefährlich.“

Stef kringelte sich danach vor Lachen und auch Mika schien das zu gefallen, denn er grinste mich an.

„Nun, wenn der alte Herr noch liegen bleiben will, selber schuld. Ich gehe jetzt das leckere Frühstück genießen.“

Stef schaltete sofort.

„Frühstück? Warum hast du das nicht gleich gesagt, dass das schon fertig ist. Wir sind gleich da. Nur schnell noch duschen und dann kommen wir.“

Mika schmunzelte und verließ unser Zimmer. Wir sprangen aus den Federn, und bevor es eine schnelle Dusche gab, bekam ich noch einen liebevollen Kuss.

Mika saß auf der Terrasse mit Mama und Kristina. Papa und Tom waren schon unterwegs. Papa wollte mit ihm laufen gehen. Leif hatte bei seiner Freundin geschlafen und somit waren wir allein. Mama hatte ein tolles Frühstück gemacht.

„Mama, wenn wir das geahnt hätten, dass du uns so verwöhnst, wären wir früher aufgestanden.“

Sie lächelte und auch Kristina grinste, Mika war schon wieder fast ungeduldig. Wir ließen uns aber nicht drängen und während des Essens besprachen wir unseren Tagesablauf. Entgegen unserer Planung, wollten wir gemeinsam für das Abendessen sorgen. Das machte mehr Sinn. So konnten wir den Tag zum Renovieren nutzen und Mama und Kristina konnten sich den Tag auch einteilen. Papa hatte zugesagt, uns später mit Tom für ein paar Stunden zu helfen. Das wiederum freute Mika unheimlich. Wieder ein guter Schachzug von Papa.

Stef: Renovieren

Mika schien der Verband an seinem Arm überhaupt nicht zu stören. Er half uns beim Abkleben der Fenster und Türen, und wir hatten viel Spaß bei der Arbeit. Allerdings hatte es doch einiges an Zeit in Anspruch genommen, bevor wir überhaupt die ersten Farben auf die Wände bringen konnten. Luc schien das allerdings gewusst zu haben. Als er den letzten Klebestreifen angebracht hatte, meinte er gut gelaunt:

„So, jetzt kann es losgehen und wir müssen nicht so genau aufpassen mit dem Pinsel. Aber sollte doch etwas danebengehen, macht die Farbe bitte gleich weg. Dann ist es einfach. Wenn sie erst getrocknet ist, wird das ganz schwer. Mika, was kannst du mit deinem Arm machen?“

„Ach, eigentlich merke ich das kaum noch. Sag einfach, was ich machen darf.“

Wir standen im Flur und ich gab meine Ideen bekannt und auch Luc schien das zu gefallen, denn er gab mir einen Kuss und ging wortlos zu den Farbeimern, um den Farbton zu mischen. Er pfiff ein leises Lied und das war für mich das Zeichen, dass er einverstanden war. Ich gab Mika einen Eckenpinsel und erklärte ihm, was er damit machen sollte. Ich holte noch meinen iPod, damit wir Musik hatten. Im Schlafzimmer stand ein Radiorecorder, an dem ich den iPod anschloss.

Zu den Klängen von Santiano und den Scorpions wuselten wir sehr fleißig umher. Gegen Mittag hatten wir bereits den Flur einmal weiß vorgestrichen und den zweiten farbigen Anstrich zur Hälfte fertig.

„Luc, wer von uns kümmert sich eigentlich um das Essen. Es ist ja keiner da, der uns etwas machen könnte.“

Mika schaute uns fragend an. Luc lachte.

„Du hast also schon wieder Hunger? Stef, was meinst du, sollen wir ihn noch etwas hungern lassen oder sollten wir eine Pause machen?“

Ich stellte mich hinter meinen Freund und legte ihm meine Arme um die Brust und gab zur Antwort: „Ich bin dafür, dass du etwas zu Essen organisierst und wir hier noch etwas weiter machen, bis das Essen fertig ist.“

Er gab mir einen Kuss und damit war das geklärt. Gespielt grummelnd verließ Luc die Wohnung, um sich saubere Sachen anzuziehen. Ich konnte noch hören, wie er die Haustür zuklappen ließ, um Essen zu holen. Mir war klar, dass er vom Imbiss Gyros holen würde. Mika konnte das natürlich nicht wissen.

„Ich hoffe, du magst Gyros oder soll ich Luc noch schnell anrufen, damit er dir etwas anderes mitbringt?“

„Ne, Gyros ist cool. Gibt es bei uns leider viel zu selten. Mama mag das nicht so. Ich muss mir das immer heimlich kaufen. Oder wenn Papa mal zu Hause ist und wir allein unterwegs sind.“

Bei dem letzten Satz grinste er wieder verschmitzt.

„Na, wir werden auch nicht petzen nachher“, meinte ich lachend.

Wir alberten einen Moment herum, aber hatten auch schnell wieder den Pinsel und die Farbrolle in der Hand. Bevor Luc zurück war, hatten wir den Flur fertig gestrichen. Jetzt mussten wir nur noch die Folien und Klebestreifen wieder abziehen. Mika wollte schon damit beginnen, aber ich war anderer Meinung.

„Lass mal, Mika. Wir lassen die Folien noch dran. Dann kann nichts passieren, wir müssen ja noch die anderen Räume machen. Es wäre blöd, wenn dadurch die frischen Wände Schaden nehmen würden.“

Das ließ er sich nicht zweimal sagen und damit öffnete ich alle Fenster zum Lüften. Ich war doch recht verschwitzt durch die Feuchtigkeit, die durch die Farben entstand. Mikas Verband sah auch sehr lustig aus. Überall hatte er Farbkleckse. Das schien ihn aber nicht zu stören. Als ich ihm aber versehentlich beim Rumalbern auf den Arm fasste, zuckte er zusammen.

„Oh, sorry. Das wollte ich nicht. Es tut doch noch weh, oder?“

Er nickte nur wortlos. Verdammt, ich hatte einfach nicht mehr daran gedacht und es war echt blöd von mir gewesen. Ich hatte richtig fest zugegriffen.

Ich legte meinen Arm um ihn und entschuldigte mich sofort. Dabei spürte ich sofort, dass er es nicht unangenehm empfand, auch mal getröstet zu werden.

„Danke, Stef. Ist schon in Ordnung, aber es ist schön, dass du es gemerkt hast. Es tut doch noch ganz schön weh.“

„Es tut mir leid. Geht es wieder besser?“ Wir unterhielten uns dann noch einen Moment über diese Sache. Dabei stellte sich heraus, dass seine Eltern eigentlich immer erwarteten, dass er nicht wehleidig sein sollte. Das machte mich dann richtig wütend.

„Ganz ehrlich Mika, wenn ich diese Wunde sehe, tut mir das schon vom Anschauen weh, also wenn du Schmerzen hast, dann solltest du das auch zeigen. Egal wie deine Eltern das finden. Gefühle sind doch nicht nur zum Spaß da. Deine Freunde werden das bestimmt verstehen. Also wir tun das jedenfalls. Und hier kannst du das auch zeigen.“

In diesem Moment kam Luc zurück und er bemerkte sofort, dass etwas vorgefallen war. Allerdings ging er nicht darauf ein, sondern forderte uns auf, zum Essen mit herunterzukommen. Er hatte bereits alles auf der Terrasse vorbereitet und ich war auch richtig hungrig durch die Arbeit geworden.

„Hm, Schatz, das sieht aber echt lecker aus.“

Mika stimmte mir zu und wir nahmen alle am Tisch Platz und genossen das leckere Essen.

„Leute“, begann Luc, „ich finde, wir haben schon viel geschafft heute und bin deshalb der Meinung, wir kleben jetzt noch das Schlafzimmer ab und dann machen wir Schluss. Wir müssen ja noch das Essen für heute Abend vorbereiten.“

Mika und ich fanden diesen Plan natürlich gut, denn es war schon anstrengend gewesen. Also räumten wir unsere Sachen nach dem Essen noch weg und machten uns wieder an die Arbeit. Als wir unser Tagewerk geschafft hatten, verkündete Luc:

„So, genug für heute. Lasst uns duschen gehen und die dreckigen Sachen ausziehen. Wir machen morgen weiter. Mika, vielen Dank für deine tolle Hilfe.“

Dabei ging er auf Mika zu und umarmte ihn herzlich. Mika war zuerst etwas verwirrt, aber dann genoss er diese Art der Anerkennung doch sichtlich. Es schien so, als ob er das noch nicht oft von seinen Freunden erlebt hatte. Für uns war dieser Umgang unter Freunden normal.

Allerdings passierte jetzt noch etwas sehr Interessantes. Papa war mit Tom zurück und schaute sich die Wohnung an und was wir schon alles geschafft hatten. Sie standen noch im Flur, als ich mit Luc aus der Dusche zurückkam und ihnen erklären wollte, wie das später aussehen sollte. Tom und Papa waren sehr angetan und Tom fragte:

„Sagt mal, ihr habt ja für heute Schluss gemacht, und wir hatten ja versprochen, euch zu helfen. Wie machen wir das jetzt?“

In diesem Moment kam Mika mit seinen nassen Haaren vom Duschen hinzu. Sein Verband war natürlich total durchnässt. Luc bemerkte das sofort und schlug daher vor:

„Also Mika, dein Verband ist total durchnässt. Das kann so nicht bleiben. Die Wunde muss trocken bleiben. Wir müssen sofort den Verband wechseln. Daher schlage ich vor, ihr geht schon mal in die Küche und fangt mit den Vorbereitungen fürs Essen an. Ich mache Mika einen neuen Verband und dann kochen wir heute gemeinsam für die anderen. Was meint ihr?“

Marc fand, das sei eine gute Idee, während Tom doch etwas zögerte. Kochen schien nicht so sein Gebiet zu sein, aber ich wollte, dass Tom und Mika gemeinsam etwas machten. Auch hier war Tom oft mit Marc unterwegs gewesen. Marc ließ auch gar nicht lange eine Entscheidung offen.

„Ja, wisst ihr denn schon, was ihr machen wollt?“

„Ja, wir haben uns schon im Prinzip geeinigt. Stef kennt die Menüfolge und er wird euch sagen, was ihr machen könnt. Wir kommen gleich auch hinzu.“

Ich ging mit Marc und Tom in die Küche und teilte dort schon einmal die Arbeiten auf. Als Luc mit Mika hinzukam, hatte Mika nur noch einen kleinen Verband am Arm. Es sah schon viel besser aus. Allerdings schien es auch recht unangenehm gewesen zu sein, als Luc den alten Verband abgemacht hatte. Ich konnte es Mika ansehen, dass es weh getan haben musste.

Marc und Tom spielten übrigens richtig gut mit und ließen sich von uns sagen, was sie tun sollten. Mika staunte manchmal richtig, wenn Marc von Luc wieder mal eine Belehrung erhielt, wie er was zu machen hatte. Dann hatte Tom etwas nicht so gemacht, wie Luc sich das so vorgestellt hatte und Luc fuhr Tom richtig an. Er gab ihm regelrecht eine Einweisung und Mika schaute mit großen Augen zu. Als wir nach zwei Stunden Arbeit alles soweit fertig hatten und das Essen nun noch einen Moment im Ofen verbringen musste, erklärte Tom freimütig:

„Also Jungs, was ich heute von euch alles gelernt habe, kann ich gar nicht alles behalten. Ich glaube, ich sollte mit Mika zu Hause mal üben. Da scheint er ja etwas zu können, was ich nicht kann und ich freue mich, das mit ihm mal zu Hause zu machen. Bevor du, Luc, noch etwas sagst, dein Papa hat mir ganz schön in den Hintern getreten. Ich habe mir ganz fest vorgenommen, mehr Zeit mit meinem Sohn zu verbringen. Ich verspreche es jetzt hier vor Zeugen, Mika, ich werde in Zukunft mehr Zeit für dich haben.“

Na, das war doch mal eine Überraschung, aber eigentlich auch wieder typisch für Marc. Er hatte einfach ein Gespür dafür, dass Mika eben oft traurig war und Tom zu viel unterwegs war. Das Essen wurde ein voller Erfolg und sogar Sabine und Kristina waren von unseren Männerkünsten begeistert. Wenn das kein tolles Ende des Tages war.

Am nächsten Tag mussten wir uns von Toms Familie verabschieden. Sie flogen zurück nach Dänemark, allerdings nicht ohne uns an die Einladung nach Dänemark zu erinnern. Mika hatte noch einmal beim Frühstück dezent angemerkt, dass Tom sein Versprechen einhalten möge. Luc und ich unterstützten ihn daraufhin:

„Mika, nicht so freundlich. Eltern muss man deutlich sagen, was man möchte. Also Tom, wenn du das nicht in die Tat umsetzt und sich Mika bei uns beschwert, kommen wir nach Dänemark und helfen ihm dabei, dass du dein Versprechen einhältst.“

Das führte zu einem allgemeinen Lachanfall. Allerdings war mir klar, Luc würde das tatsächlich tun, wenn Mika um Hilfe bitten würde. Hoffentlich war das nicht nötig.

Als wir sie zum Flughafen brachten und sie sich von uns verabschieden wollten, konnte ich bei Mika spüren, dass es ihm schwer fiel uns zu verlassen. Es hatte ihm bei uns sehr gut gefallen. Damit es etwas einfacher für ihn wurde, versprachen wir, ihn in Dänemark zu besuchen.

Luc: Die Zeit lief uns davon

Es war erstaunlich, wie schnell die Tage vergingen. Es war bereits Freitag und wir wollten heute eigentlich mit dem Renovieren fertig werden, damit wir am Wochenende die Möbel aufstellen und einziehen konnten. Leider nahm das Renovieren doch mehr Zeit in Anspruch, als wir geplant hatten. Papa hatte zusätzlich noch die Idee, die Holztreppe und den Balkon zu streichen. Das nahm viel Zeit extra in Anspruch. Stef und ich saßen gerade beim Frühstück, als sich Papa zu uns an den Tisch setzte.

„Moin, Jungs. Ich war gerade oben und habe mir angeschaut, wie weit ihr seid. Ich muss sagen, das gefällt mir richtig gut, wie das aussieht. Was habt ihr heute auf dem Plan stehen?“

„Hallo Papa, das freut uns, wenn es dir gefällt. Wir sind auch sehr zufrieden mit unserer Arbeit. Heute ist die Küche zum Abschluss dran. Und im Schlafzimmer wollen wir anfangen, das Bett aufzubauen. Morgen wollen wir den Rest machen und dann Sonntag sollte alles fertig sein.“

„Ihr seid wirklich fleißig und zieht das zügig durch. Was haltet ihr davon, wenn ich euch heute bei den Möbeln helfe. Streichen solltet ihr allein, denn ihr wisst besser, wie es aussehen soll.“

„Das wäre echt cool, Marc. Denn durch die Treppe und den Balkon hat es doch länger gedauert.“

„Schon gut, schon gut. Stef, du hast ja recht, aber das Holz war dran, gestrichen zu werden. Und da ihr eh schon am Streichen wart, bot sich das halt an.“

„Ist schon ok, Papa. Das hat nur unsere Zeitplanung etwas durcheinander gebracht. Aber jetzt sind wir wieder gut im Soll. Was macht eigentlich eure Hochzeit? Wie weit sind die Planungen?“

Papa musste lachen, denn Mama war in den letzten Tagen immer angespannter geworden. Es waren jetzt nur noch zwei Wochen und wir spürten alle ihre Anspannung. Ich hatte gestern Abend noch ein Gespräch mit ihr. Sie hatte mich gefragt, ob ich wirklich damit einverstanden sein würde. Was für eine Frage? Sie hatte auch ein schlechtes Gewissen, weil mein Vater halt schon so früh gestorben war. Ich musste sie wirklich beruhigen, so aufgeregt war sie. Erst, als ich ihr versprach, genauso glücklich zu sein wie sie, beruhigte sie sich.

„Aus meiner Sicht läuft alles bestens. Die Agentur macht hervorragende Arbeit und ich bin wirklich noch sehr entspannt. Sabine ist aber schon in totaler Aufregung. Sie ist es nicht gewohnt, nicht alle Fäden selbst in der Hand zu haben. Allerdings wird sie sich daran gewöhnen müssen. Ich habe auch in Zukunft vor, bei Festen diese Agentur zu beauftragen. Das sind nette Leute, die ihren Job verstehen. Wirklich toll, was die machen.“

Stef hörte aufmerksam zu, und nachdem wir unsere Brötchen gegessen hatten, räumten wir den Tisch auf und gingen nach oben, um unsere Arbeit fortzusetzen. Papa wollte sich noch umziehen und dann ebenfalls hochkommen.

Ich hatte bereits die Farbrolle wieder in der Hand, als Stef zu mir kam:

„Also, das finde ich echt klasse, dass dein Vater uns hilft. Damit hätte ich gerade jetzt nicht gerechnet.“

„Warum? Er hat eigentlich immer versucht, uns zu unterstützen. Er weiß auch, dass das hier eine Menge Arbeit macht. Heute hat er Zeit und dann hilft er gern.“

Stef gab mir einen Kuss und flüsterte mir dabei ins Ohr: „Ich glaube, deshalb finde ich dich so toll. Immer nur positiv denken.“

Ich musste lachen und dabei fiel mir die Farbrolle aus der Hand und auf den Boden. Die Farbe spritze durch die Gegend und wir sahen jetzt schon wieder aus, wie die Anstreicher nach drei Tagen Arbeit. In diesem Moment kam Papa herein und sah uns. Es dauerte nur einen Moment und er musste auch laut lachen.

„Ok“, meinte ich, „ich geh mir mal die Hände waschen und Stef kann die Folien wechseln. Sonst laufen wir die Farbe durch die ganze Wohnung.“

Papa grinste immer noch, half Stef aber bei der Folie. Ich war bereits unterwegs ins Bad. Als ich zurückkam, sprach Papa mit Stef ganz leise und sie hörten auch sofort auf, als ich den Raum betrat. Irgendetwas heckten die beiden aus. Ich ließ mir nichts anmerken, denn diese Erfahrung hatte ich bereits gemacht. Es war sinnlos zu fragen, wenn Papa sich etwas ausgedacht hatte. Ich nahm die Rolle erneut auf und begann die Küchendecke zu streichen. Stef hatte schnell neue Folie ausgelegt und Papa bat ihn dann, beim Hereintragen der Schlafzimmermöbel zu helfen.

„Ist das o.k. für dich Schatz? Oder werde ich hier jetzt unbedingt gebraucht?“

„Nein, ist in Ordnung. Ich komm hier auch allein klar.“

Es dauerte auch nicht lange und ich konnte die beiden die Treppe wieder hinaufkommen hören. Während ich immer weiter Farbe an die Wand brachte, hörte ich, wie die beiden eine Kiste nach der anderen hereintrugen. Plötzlich stand Stef bei mir in der Küche.

„So, Marc will jetzt erst einmal die Möbel aufbauen, damit wir wieder Platz haben. So lange kann ich dir wieder helfen.“

„Super, wenn du magst, kannst du die Ecken mit dem Pinsel machen. Da komme ich mit der Rolle nicht richtig hin.“

Ich musste feststellen, wir waren schon ein tolles Team geworden. So dauerte es auch nicht mehr so lange, dass wir mit der Küche fertig waren. Damit war die Wohnung komplett fertig gestrichen. Jetzt musste nur noch die Außentreppe das zweite Mal gestrichen werden und dann konnte morgen alles eingeräumt werden.

Wir legten die Pinsel und die Rolle an die Seite und schauten uns unser Werk an. Stef legte seinen Arm um meine Hüfte und meinte:

„Ich finde, es ist toll geworden. Vor allem nicht so langweilig. Ich bin mal gespannt, was unsere Freunde dazu sagen werden.“

Ich schaute ihn an, gab ihm einen Kuss und antwortete: „Es wäre schön, wenn es ihnen gefallen würde, aber wenn nicht, ist es auch nicht schlimm, weil es uns gefällt. Das ist das, was zählt.“

Aus dem Hintergrund hörten wir dann: „Genau! Jungs, das ist die richtige Haltung. Es muss euch gefallen. Wobei ich sagen muss, mir gefällt es auch.“

Papa war hinzugekommen und so standen wir zu dritt nebeneinander und schauten uns unser Werk an.

„So, wenn die Herren genug die Wände angeschaut haben, möchte ich euch auch etwas zeigen.“

Papa lotste uns ins Schlafzimmer und dort verschlug es uns fast den Atem.

„Boah, Papa. Das sieht ja geil aus. Du hast ja schon alles aufgebaut. Stef, heute schlafen wir bereits hier.“

Papa schüttelte den Kopf.

„Nein, das ist keine gute Idee. Wartet bis morgen. Dann sind die Wände alle durchgetrocknet und ihr bekommt keine Kopfschmerzen.“

Ok, damit lag Papa natürlich wieder richtig. Wir beschlossen, eine Pause zu machen und unten eine Tasse Tee zu trinken. Wir machten uns ein wenig sauber, und als wir auf die Terrasse kamen, hatte Mama bereits alles vorbereitet. Sogar frische Waffeln hatte sie gemacht. Damit konnte sie Stef immer bestechen. Er aß für sein Leben gern Mamas Waffeln. Heute sogar mit Vanilleeis. Entsprechend freute sich Stef. Da wurde er wieder richtig ein kleiner Junge. Es war einfach nur süß, dass anzuschauen.

„Sabine, deine Waffeln sind wieder ein Gedicht. Ich könnte davon nie genug bekommen. Vielen Dank.“

„Das ist schon in Ordnung, Stef. Ihr habt jetzt die ganze Woche so fleißig gearbeitet und kaum etwas anderes gemacht, da muss das mal drin sein. Ach, bevor ich es vergesse, Heiko war vorhin hier und hat darum gebeten, dass ihr mal bei ihm anruft.“

Nanu, warum ruft er denn nicht an, dachte ich noch so, nahm mein Handy aus der Tasche und sah, warum er nicht angerufen hatte. Der Akku war leer. Ich steckte das Ladekabel ein und rief bei Heiko an. Er war sehr froh, dass ich zurückrief, denn er hatte mir schlechte Nachrichten zu überbringen. Jens musste ins Krankenhaus, weil sich eine seiner Narben entzündet hatte. Das war sehr schmerzhaft für ihn und ich hoffte, dass das schnell wieder besser werden würde. Heiko teilte aber auch mit, dass es glücklicherweise nicht so schlimm sei wie beim letzten Mal. Jens würde sich aber bestimmt freuen, wenn wir ihn besuchen würden. Das sagte ich natürlich sofort zu. Ich erklärte Heiko, dass wir noch den Umzug machen wollten und dann am Montag gleich zu Jens fahren würden. Ich bat Heiko ihm das auszurichten. Als ich das Gespräch beendet hatte, teilte ich den anderen den Sachverhalt mit. Papa war auch sehr betroffen. Allerdings schien er auch gleich eine neue Idee zu haben.

„Sagt mal ihr beiden, wenn wir auf unserer Hochzeitsreise sind, wird Heiko ja mit seinen Eltern im Urlaub sein. Was meint ihr, vielleicht ladet ihr Jens für eine Woche hierher ein? Dann ist er nicht so oft allein und kann die zweite Woche bei den Großeltern sein. Seine Mutter ist ja anscheinend nicht bereit, sich um ihn zu kümmern. Außerdem haben die Großeltern dann auch mal etwas Zeit für sich.“

Stef war sofort begeistert und ich fand das auch eine tolle Idee. Ich besprach das noch mit Tommy und Nico, denn wir wollten auch mit ihnen in der Zeit viel unternehmen. Sie waren aber sofort damit einverstanden, wenn Jens mit dabei sein würde. Das würden wir dann am Montag mit ihm besprechen. Heute wollten wir nur noch etwas ausspannen und uns ausruhen. Dachten wir zumindest. Es kam anders, denn wir hatten unsere Pläne ohne Papa gemacht.

„Jungs, ihr habt die ganze Woche hart gearbeitet und nicht einmal abends etwas unternommen. Ich war auch viel unterwegs und heute möchte ich euch einladen zum Kartfahren. Was meint ihr? Habt ihr Lust?“

„Papa, das ist echt cool. Wow, das haben wir schon lange nicht mehr gemacht. Stef, was ist mit dir? Hast du auch Lust?“

„Klar, das lasse ich mir nicht entgehen, aber nur unter einer Bedingung.“

Nanu? Was sollte das denn nun? Papa und ich sahen uns fragend an. Papa sprach aus, was ich dachte:

„Was für eine Bedingung ist das denn? Du machst mich neugierig.“

Stef fing an zu grinsen und ich ahnte, was kommen würde.

„Also gut, ich möchte, dass alle mitkommen. Auch Sabine und Leif mit Freundin, wenn sie möchte. Es soll ein Familienabend werden.“

Mama wollte sofort protestieren, aber Papa war schneller und stimmte lachend zu. Mama ergab sich ihrem Schicksal und damit hatte Stef eine tolle Idee umgesetzt. Wir waren schon lange nicht mehr alle gemeinsam unterwegs gewesen. Heute sollte es also mal wieder so sein.

Wir betraten das Kartcenter und mittlerweile war Papa hier ein Stammgast und wurde entsprechend freundlich, aber eben nicht mehr als „berühmte Person“ behandelt. Die meisten Stammgäste kannten ihn auch bereits. Also besorgten wir uns jeder ein Kart und los ging es. Dieser Abend wurde wirklich sehr lustig. Selbst Mama hatte ihren Spaß. Insbesondere, wenn sie Leif überholen konnte. Mama hatte enorm dazugelernt und war viel schneller als sonst. Zwei Stunden später saßen wir total verschwitzt im Bistro und genossen kalte Getränke.

„Leute, ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich würde gerne duschen gehen. Können wir nach Hause fahren?“

„Ein guter Gedanke, Luc“, meinte Leif zu mir und die anderen stimmten einstimmig zu. Also bezahlte Mama die Rechnung und wir fuhren bestens gelaunt nach Hause.

Stef strahlte über das ganze Gesicht. Papa bemerkte seine besonders gute Laune.

„Mensch Stef, du siehst aus wie ein Honigkuchenpferd. Es scheint dir wohl gut gefallen zu haben.“

Stef drehte sich zu Mama und Papa und erwiderte:

„Ja, das stimmt. Es war toll. Das habe ich mir immer gewünscht. Mit der Familie mal so etwas Schönes gemeinsam zu unternehmen. Es ist für mich immer noch nicht selbstverständlich geworden. Ich bin sehr glücklich bei euch.“

Wir konnten alle seine Emotionalität in dieser Aussage spüren. Keiner sagte daraufhin etwas. Wir wussten, dass es für Stef noch ein schwerer Weg werden würde. Aber ich wusste, er wird es schaffen. Mit unserer Unterstützung auf jeden Fall. Sogar Leif gab ihm einen netten Hinweis.

„Wenn du es mit unserer verrückten Familie aushältst und dich bei uns wohlfühlst, wirst du hier auch weiterhin ein Teil der Familie sein. Das verspreche ich dir.“

Das wunderte mich doch sehr, dass ausgerechnet Leif das so aussprach. Denn eigentlich war er immer derjenige, der zuerst an seine Bedürfnisse dachte. Nichtsdestotrotz fand ich diesen Satz sehr schön von ihm.

Als wir später nach dem Duschen und Essen bei uns im Zimmer saßen, erzählte mir Stef noch ein paar Dinge von seinem früheren Zuhause. Es war schon bedrückend. Umso mehr freute ich mich, dass er sich immer mehr öffnete und mir erzählte. Irgendwann waren wir aber so müde, dass wir auf dem Sofa einschliefen. Erst mitten in der Nacht wechselten wir dann ins Bett.

Am nächsten Tag beendeten wir unsere Renovierungsarbeiten und die Treppe erschien wieder im alten Glanz. Das Holz war wieder bernsteinfarben und glänzte in der Sonne. Wir hatten alle Möbel aufgebaut und von unten nach oben transportiert. Ansonsten verlief der Tag ohne besondere Vorkommnisse. Wir hatten unsere erste Nacht in der eigenen Wohnung und Mama und Papa waren abends zu „Besuch“ gekommen. Ein wenig stolz waren wir schon über unser gemeinsames Werk.

Stef: Besuch bei Jens

Entgegen unserer ursprünglichen Planung war Jens bereits heute Morgen nach Hause entlassen worden und somit machten wir uns auf den Weg zum Campingplatz. Mein Schatz wollte den Großeltern auch den Vorschlag von Marc unterbreiten und ich mir heute genau anschauen, welche Übungen Luc mit Jens machte. Ich wollte es lernen, damit ich das auch machen konnte, wenn Luc mal keine Zeit hatte. Als wir am Campingplatz eintrafen, wartete Heiko mit Jens schon auf uns. Sie saßen im Schatten vor dem Vorzelt.

Heiko begrüßte uns mit einem „Guten Morgen, wie weit seid ihr mit dem Umzug gekommen?“

„Hi, alles soweit fertig. Wir haben sogar schon dort geschlafen. Es ist noch etwas ungewohnt, aber ich finde, es ist toll geworden. Oder was meinst du Luc?“

Natürlich war meine Frage rhetorisch, denn Luc schaute mich fragend an und gab mir auf seine Art die Antwort. Er drehte sich zu mir und gab mir einen Kuss. Heiko und Jens fingen an zu lachen, aber ich fand es schön.

„Damit ist wohl alles gesagt“, meinte Heiko und wir setzten uns zu ihnen in den Schatten.

Luc begann auch gleich mit der Frage: „Wie ist denn jetzt der Stand mit deinen Narben? Ist es wieder so gut, dass wir unsere Übungen machen können, oder sollst du damit pausieren.“

Jens verzog sein Gesicht, aber er blieb tapfer.

„Nein, Luc, wir können normal unsere Übungen machen. Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du den Beinamen „der Unerbittliche“ verdient hättest?“

Darüber musste ich erst eine Sekunde nachdenken und dann konnte ich mich vor Lachen nicht mehr halten. Auch Heiko fiel in mein Lachen ein, Jens grinste und Luc schaute etwas pikiert. Erst, als Jens ihm sagte, dass es nicht so ernst gemeint war, konnte Luc auch darüber lachen.

„Mensch Jens, du hast mir jetzt aber einen Schrecken eingejagt. Ich meine, ich verstehe ja, dass es nicht angenehm ist, aber …“

„Lass gut sein, Luc. Du hast ja recht, aber vielleicht hilft der Galgenhumor ja etwas. Außerdem ist es eben gut für mich und besser, du machst das, als Heiko. Du hast viel mehr Gefühl in der Hand.“

Luc wurde sogar rot, als er das sagte und Heiko schaute traurig. Er wollte etwas sagen, aber Jens blockte das ab.

„Kein Problem Heiko, dafür bist du immer noch mein bester Freund.“

Das versöhnte die beiden sofort wieder und Luc erklärte Jens seinen Plan, dass ich heute dabei sein sollte, damit ich das mit ihm auch versuchen sollte. Jens war einverstanden, es auszuprobieren. Dass die Übungen wirklich sehr heftig für ihn waren, wurde mir dann sehr deutlich. Aber auch, wie wichtig es war, mit Geduld und Vorsicht die Schmerzen nicht unnötig zu vergrößern. Heiko schaute ebenfalls gespannt zu und musste erkennen, er hatte einfach nicht das Talent dafür. Als wir fertig waren, war Jens vollkommen erschöpft und wollte duschen gehen. Ich fragte ihn:

„Kommst du alleine klar, oder soll dich jemand begleiten?“

„Nein, das geht schon. Ich bin halt noch nicht wieder vollkommen fit. Die Medikamente machen mich immer so müde.“

Damit ging er duschen und wir blieben für einen Moment nachdenklich zurück. Als Jens Großmutter herauskam, hatte sie ein Tablett in der Hand, auf dem vier große Eisbecher standen. Sie war der Meinung, die hätten wir uns doch verdient. Wir begrüßte sie erst einmal und bedankten uns dann. Luc nutzte die Gelegenheit, ihr unsere Idee für die letzte Ferienwoche zu erklären. Sie fand diese Idee toll und freute sich über die Einladung für Jens. Heiko war auch total begeistert, denn damit würde Jens sicher auch eine schöne letzte Ferienwoche haben.

Dieser kam nun vom Duschen zurück und bedankte sich bei seiner Oma für das Eis, dann erklärte Luc ihm unseren Plan und er schaute uns mit großen Augen an.

„Du meinst wirklich, ich kann bei euch die ganze Woche bleiben? Habt ihr denn genug Platz dafür?“

Ich musste lachen.

„Natürlich“, begann ich zu erklären, „Lucs altes Zimmer ist ja jetzt ein Gästezimmer und Marc und Sabine sind unterwegs. Leif wird wahrscheinlich mit seiner Freundin wegfahren. Also haben wir genug Platz und vor allem unsere Ruhe.“

Damit war Jens dann auch überzeugt und wir konnten uns mit dem aktuellen Tagesplan beschäftigen. Heiko wollte natürlich zuerst einmal unsere fertige Wohnung sehen. Nachdem Jens Oma ihm erlaubt hatte, bis zu uns mit dem Rad zu fahren, machten wir uns auf den Weg.

„Wow, das ist echt cool geworden. Ihr habt tolle Eltern. Hier würde ich mich auch wohlfühlen. Und das habt ihr alles allein renoviert und gemacht?“

Heiko war sichtlich beeindruckt, Jens sogar sprachlos.

„Nein, Papa hat auch geholfen und natürlich meine großen Brüder. Denn ohne deren Zustimmung wäre das hier nicht gegangen.“

Luc zeigte ihnen die ganze Wohnung mit dem großen Balkon. Der Blick über den Ort war natürlich auch sehr schön. Mit Heiko und Jens hatten wir neue Freunde gefunden und ich spürte ein Gefühl in mir, das mir sagte, ich war hier gut aufgehoben.

Heiko und Jens verabschiedeten sich nach einer gewissen Zeit wieder, allerdings nicht ohne unsere Einladung zu einem Einweihungsabend. Nur mit Tommy, Nico und den beiden. Das wollten wir am nächsten Abend machen. Denn in den nächsten Tagen würde hier sicher viel Unruhe herrschen wegen der Hochzeitsvorbereitungen.

Marc: Hochzeit und die kleinen Hindernisse

Sabine und ich hatten immer wieder kleine Dispute. Es waren Kleinigkeiten, aber die kosteten mich unheimlich viel Energie, denn ich wollte eine perfekte Feier und war mir sicher, dass die Agentur das exzellent organisierte. Sabine wollte aber immer wieder Einfluss nehmen und sich einmischen. Das führte zu Missverständnissen. Heute war mir der Kragen geplatzt, weil sie erneut die Gästeliste eigenmächtig geändert hatte. Ohne Absprache mit der Agentur. Jetzt hatte ich also einfach gesagt, sie soll sich endgültig aus der Organisation heraushalten. Das hatte zur Folge, dass sie eingeschnappt das Haus verließ. Unglücklicherweise hatten das Luc und Stef trotz ihres Besuches mitbekommen.

Ich stand in der Küche und schaute gedankenversunken nach draußen, als Luc den Raum betrat. Er sagte nichts, sondern stellte sich einfach neben mich.

„Hallo Luc, was gibt es?“

Er schaute mich fragend an.

„Das sollte ich dich besser fragen. Du hast momentan oft Streit mit Mama. Warum?“

Ich seufzte, aber es war zu spät. Ich hätte es wissen müssen, dass ich das nicht vor den beiden geheim halten konnte. Also erklärte ich ihm die Lage.

„Hm, typisch Mama. Das hätte ich dir vorher sagen können, dass sie das nicht gerne hat. Sie will immer die Fäden in der Hand behalten. Das passt ihr nicht. Habt ihr das nicht gemeinsam so entschieden?“

„Natürlich, was denkst du? Ich weiß auch, wie sehr sie immer in der Organisation aufgeht. Aber ich weiß auch, wie viel Stress das für sie bedeutet hat. Wir wollten dieses Mal nicht so viel selbst machen. Aber sie hält sich nicht an die Absprachen.“

„Ich finde es blöd, Papa. Es soll das Fest eures Lebens werden und ihr streitet euch. Weißt du, wie sehr Stef das mitnimmt. Er hat mich schon oft gefragt, was bei euch los ist. Warum setzt ihr euch nicht mal hin und redet miteinander.“

Das machte mir Sorgen. Stef sollte sich nicht um uns Sorgen machen. In diesem Moment kam Sabine zurück ins Haus. Sie fand uns in der Küche und staunte.

„Luc, was machst du denn hier? Ihr habt doch oben Besuch.“

„Mama, hör auf, uns etwas vorzumachen. Ihr habt Streit und wir wollen das nicht.“

Schweigen im Raum. Ich musste mich einfach zusammennehmen. Das kam so trocken, dass es schon fast wieder lustig war. Sabine hatte ebenso Schwierigkeiten, sich zurückzuhalten.

„Sag das deinem Papa. Ich will auch keinen Streit.“

„Hey, ich will auch keinen Streit. Dann sind wir uns doch einig. Warum streiten wir dann?“

Sie schaute mich an und ich konnte nicht mehr, ich fing einfach an zu lachen. Sabine fiel mit ein und jetzt stand ein völlig konsternierter Luc zwischen uns. Wir nahmen ihn beide in unsere Arme und Sabine sagte dann:

„Mein Sohn, du hast Recht. Es ist bescheuert, dass wir uns wegen solcher Dinge so streiten.“

Ich überlegte einen Moment und dann kam mir eine Idee.

„Ich glaube einfach, wir sind alle etwas angespannt. Ich meine, wir heiraten eben nicht so oft. Schatz, ich lade euch heute Abend zum Essen ein und morgen fahren wir beide zwei Tage nach München zum Ausspannen. Ich finde, wir beide sollten uns mal bei Karl melden.“

Sabine schaute mich ungläubig an.

„Aber nur, wenn wir nicht über Autos reden. Einfach in München Freunde besuchen?“

„Genau, nur wir beide. Unsere Jungs kommen auch mal ohne uns klar.“

Luc schien erleichtert zu sein und gab uns jedem einen Kuss, verließ die Küche und ich wusste, er hatte Recht. Wie blöd waren wir eigentlich? Uns wegen solcher Lappalien zu streiten.

Ich rief sofort bei Karl in München an und fragte, ob wir für zwei Tage kommen konnten. Wir brauchten Abstand von der ganzen Planung und dem ganzen Trubel. Wobei wir uns das ja selbst gemacht hatten. Die Agentur machte hervorragende Arbeit, nur wir waren so dumm, sie nicht einfach machen zu lassen.

Karl war begeistert und freute sich auf uns. Ihm wäre es natürlich noch lieber gewesen, unsere beiden Jungs würden ebenfalls mitkommen. Ich überlegte für einen Moment, aber nein, ich wollte mit Sabine allein fahren. Sie sollte jetzt mal zwei Tage im Mittelpunkt stehen. Also wurde es so besprochen.

Wir saßen gerade bei einer Tasse Tee im Garten. Wir waren uns einig. Diesen Fehler wollten wir nicht mehr machen. Ich versprach, mich nicht mehr so stressen zu lassen und sie wollte der Agentur die erforderlichen Freiheiten geben. Also beruhigte sich unsere Gefühlslage wieder und recht bald waren wir nur noch mit München beschäftigt. Wir waren so in unser Gespräch vertieft, dass wir nicht einmal bemerkten, dass die Jungs bei uns im Garten standen. Nico mit Tommy, Heiko und Jens und natürlich Luc und Stef. Alle standen etwas abseits von uns. Wir unterbrachen unsere Unterhaltung.

„Hey Jungs, kommt ruhig zu uns. Wir haben keine geheime Unterhaltung hier.“

Nur zögerlich kamen sie zu uns. Stef beobachtete uns sehr genau. Die anderen vier hielten sich etwas zurück. Erst als Sabine anfing ihnen zu erklären, dass wir für zwei Tage nach München fahren würden, kamen sie auch näher.

Luc fragte noch einmal nach.

„Also es ist beschlossen? Ihr fahrt wirklich zum Ausspannen Karl und Barbara besuchen?“

Ich lachte, genau wie Sabine. Sie war schneller in der Antwort.

„Ja, genau. Wir müssen lernen, auch einmal Verantwortung in andere Hände zu geben. Also habt ihr jetzt für die Zeit hier die Verantwortung.“

Luc grinste sofort.

„Kein Problem, das bekommen wir hin. Oder was meint ihr?“

Die anderen nickten und insbesondere Nico grinste ganz fies. Er hatte den Schalk im Nacken und ich fand das auch ok.

„Klar, bislang haben wir immer auf Häuser gut aufgepasst. Das bekommen wir hin.“

Wir mussten alle lachen und so merkten auch Stef und insbesondere Jens, dass unsere Streitereien vergessen waren.

„Ach ja, bevor ich das vergesse. Habt ihr heute Abend schon etwas vor?“

Ich schaute alle sechs Jungs fragend an und sie schüttelten alle leicht den Kopf, Jens meinte dann:

„Äh, eigentlich wollten wir nur mit Luc und Stef die Wohnung einweihen, warum fragen Sie?“

„Ich habe eine kleine Programmänderung. Ich lade euch zum Essen ein. Bei Salvatori und für euch beiden, Heiko und Jens, ich heiße Marc. Das Sie ist ab heute Geschichte.“

Ich gab beiden die Hand darauf und beide waren sichtlich überrascht. Luc hingegen fand das überfällig.

„Papa, das wurde aber auch Zeit. Ich dachte schon, du magst die beiden nicht so.“

„Nein, das hat damit nichts zu tun. Ich habe einfach nicht dran gedacht. Ich hatte zu viel anderes im Kopf.“

„Nicht unbedingt immer das Richtige“, kam von Stef überraschend.

Luc schaute seinen Freund völlig verdutzt an und wollte schon etwas sagen, aber Sabine nahm sofort alle Schärfe heraus.

„Wie recht du hast. Bei mir war das auch nicht viel besser, also lasst uns das bei einer tollen Pizza beenden und uns einfach nur auf die Feier freuen.“

„Luc, gehst du bitte mal in den Keller und holst zwei Flaschen Prosecco. Ich möchte mit euch anstoßen auf diese Erkenntnis.“

Luc ging staunend ins Haus und Stef fragte sogleich: „Und wer soll dann gleich noch fahren?“

„Niemand, wir fahren mit dem Rad. Das Auto bleibt hier.“

„Cool, Sie äh, du fährst mit uns zusammen mit dem Rad?“, fragte Heiko.

Ich nickte nur, und als Luc mit dem Prosecco und den Gläsern kam, fragte ich die beiden Jüngsten:

„Was ist mit euch beiden? Wollt ihr auch ein kleines Glas oder lieber was anderes?“

Heiko und Jens wurden etwas rot und Jens meinte:

„Aber das dürfen meine Großeltern nicht wissen. Dann gibt es Ärger.“

„Wir schweigen wie ein Grab“, kam sofort von Luc und alles fing an zu lachen. Wir stießen mit den Gläsern an und ich gab die Vorgabe:

„Also in einer Viertelstunde treffen wir uns vorne mit den Rädern zur Abfahrt.“

Dieser Abend erstaunte und erfreute mich zugleich. Die Jungs bildeten eine harmonische Einheit. Sie schienen sich gut zu ergänzen. Insbesondere Heiko und Jens waren in den letzten Wochen deutlich lockerer und offener geworden. Luc und Stef hatten sich immer wieder um die beiden bemüht und das zahlte sich aus. Es war eine neue gute Freundschaft entstanden. Unsere Gespräche drehten sich in erster Linie um Hobbys und Zukunftspläne. Erst auf dem Rückweg, als wir Heiko und Jens nach Hause begleiteten, stellte Jens eine Frage, die mich sehr nachdenklich machte:

„Marc, kann ich dich mal etwas Persönliches fragen?“ Dabei schien er sehr angespannt und ich hatte das Gefühl, Heiko wusste bereits, was er mich fragen wollte, denn er hielt nahezu die Luft an.

„Natürlich, fragen darfst du alles. Ich weiß nur nicht, ob ich dir eine gute Antwort geben kann.“

„Würdest du dich genauso um andere Menschen kümmern, wenn du nicht berühmt und so wohlhabend wärst?“

Sofort spürte ich eine unglaubliche Spannung und Stef schien das als einen Angriff verstanden zu haben, denn er ging sofort in eine Angriffshaltung. Luc nahm seine Hand und gab ihm damit ein Zeichen, denn Stef blieb ruhig.

„Eine gute Frage“, antwortete ich, „ich helfe gerne und sicher hilft mir meine Bekanntheit oft dabei. Allerdings bin ich mir ganz sicher, dass ich dir oder anderen Menschen helfen würde. Nur vielleicht anders. Aber es ist mir wichtig, dass meine Kinder gelernt haben, dass Freunde nicht mit Geld zu kaufen sind. Freundschaft muss man sich verdienen.“

„Heißt das, ich habe mir die Freundschaft zu euch verdient?“

„Auf jeden Fall!“, kam es wie aus der Pistole geschossen aus dem Mund von Stef und Luc.

„Nun, dazu muss ich dann wohl nichts mehr sagen. Warum hast du so lange mit dieser Frage gewartet?“

Er schwieg und er wurde sehr nachdenklich, Heiko gab mir die Antwort:

„Weil er Angst vor deiner Reaktion hatte. Zu Hause würde er solch eine Frage nie stellen können.“

„Dann verspreche ich euch beiden, ihr könnt uns alle Fragen stellen, die euch bewegen. Ob wir immer eine gute Antwort haben, kann ich nicht versprechen, aber wir werden uns bemühen.“

Mit großen und auch etwas feuchten Augen kam Jens auf mich zu und streckte mir die Hand entgegen. Ich umarmte ihn und drückte ihn fest an mich. Dann verabschiedeten sich Heiko und Jens von uns und wir fuhren nach Hause.

Luc: Es wird Zeit, dass die Hochzeit vorbei ist

Zwei Wochen später

Unsere Nerven waren mittlerweile ziemlich angespannt. Immer wieder drehte sich alles nur noch um die Hochzeit unserer Eltern. Die letzte Woche war angebrochen und Mama und Papa waren ständig mit Vorbereitungen beschäftigt. Und das, obwohl sie ja eine Agentur beauftragt hatten. Die machte auch einen tollen Job, aber es gab immer wieder Termine und Stef und ich hatten kaum Zeit für unsere Freunde. Die letzte Ferienwoche war angebrochen und heute Morgen beim Frühstück ließ Mama dann die Bombe platzen.

„Ich habe eine Bitte an euch beide. Für die Trauung möchte ich, dass ihr euch eine passende Garderobe besorgt. Mick und Lukas haben ja ihre eigenen Hochzeitsanzüge und ihr solltet auch entsprechend angezogen sein.“

Ein Alptraum, ich in einem Anzug? Stef schien es da ähnlich zu ergehen. Allerdings merkte ich sofort, das war keine Bitte. Das war mehr ein Befehl und auch Papa hatte es wohl aufgegeben, ihr das auszureden. Er nickte mir nur augenzwinkernd zu. Es war klar, Widerstand war zwecklos.

„Hast du vielleicht auch noch eine Idee, wo und was wir uns kaufen sollen?“, erwiderte ich ein wenig sarkastisch.

Ganz trocken legte sie mir eine Visitenkarte eines Herrenausstatters auf den Tisch. Warum hatte ich das eigentlich nicht geahnt. Für Mama war das eben wichtig. Nun gut, es half ja nichts. Wenn wir keinen zusätzlichen Stress wollten, dann sollten wir uns unserem Schicksal ergeben und ihr den Wunsch, oder besser Befehl, erfüllen. Ich nahm die Karte und schwieg. Papa schaute mit einem gewissen Mitleidsblick zu uns und damit war das Thema erledigt. Es würde keinen Sinn machen, mit Mama zu diskutieren. Allerdings hatte ich mir vorgenommen, wenn schon festliche Garderobe, dann auch richtig und das, was uns gefallen würde.

Stef und ich standen nach dem etwas stillen Frühstück vom Tisch auf und gingen zu uns in die Wohnung. Ab morgen würden die ersten Gäste anreisen und die Ruhe zu Hause würde noch weniger werden.

„Meint Sabine das echt ernst mit den Anzügen? Ich habe noch nie so etwas getragen, außerdem kostet das richtig Geld.“

„Schatz, natürlich meint sie das ernst, sehr ernst sogar. An dieser Stelle ist sogar Papa gescheitert und das will etwas heißen.“

Jetzt musste sogar Stef etwas lachen.

„Aber wie soll ich mir das leisten können? So ein Anzug kostet echt viel Geld.“

„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich das bezahle? Sie will das, also soll sie das auch bitte bezahlen. Und sei dir sicher, sie wird das für uns beide bezahlen. Das wird Papa schon geregelt haben.“

Ich gab meinem Freund einen Kuss und wir standen eng nebeneinander auf unserem Balkon und schauten in den Garten.

„Na, genießt ihr noch etwas die Ruhe?“

Wir erschraken etwas. Wir hatten nicht gehört, dass Papa zu uns gekommen war.

„Hi Papa, ja, bald wird es noch hektischer werden. Weißt du, ich freue mich echt sehr über die Hochzeit, aber ich bin auch heilfroh, wenn das vorbei ist.“

„Willkommen im Club, Luc. Geht mir genauso, aber wir haben uns nun einmal so entschieden und dann müssen wir da durch. Immerhin habe ich mich damit durchsetzen können, keine kirchliche Trauung und die Agentur, die uns die meiste Arbeit abnimmt. Also ein paar Kompromisse müssen wir eben eingehen. Also bevor Stef auf dumme Ideen kommt, Sabine will, dass ihr euch eine Abendgarderobe zulegt, also wird die auch von uns bezahlt. Sucht euch das aus, was euch gefällt.“

„Siehst du Schatz, was habe ich dir gesagt. Papa hat das schon geregelt.“

Ich umarmte Papa und mittlerweile war es für mich nicht mehr so schlimm. Irgendwann hätten wir bestimmt so etwas eh gebraucht. Also warum dann nicht jetzt, wenn Mama es bezahlt.

„Also gut, dann erledigen wir das lieber gleich, bevor es nachher noch eng wird. Vielleicht muss auch noch etwas geändert werden. Stef, wir fahren heute Nachmittag Anzüge kaufen.“

„Jawohl, Schatz. Wenn die Chefin befiehlt, ist Widerstand sinnlos.“

Papa und ich mussten lachen, denn das Gesicht von Stef war herrlich dabei. Papa gab mir seine Kreditkarte und einen Zettel mit. Damit machten wir uns dann nachmittags auf den Weg zu dem von Mama vorgeschlagenen Herrenausstatter. Stef und ich stellten unsere Räder vor dem Geschäft ab und betraten in unserer legeren Kleidung den Laden.

Eine freundliche Dame mittleren Alters begrüßte uns: „Guten Tag, was können wir für euch tun?“

Stef blieb einen halben Meter hinter mir und somit sollte ich wohl das Gespräch führen.

„Hallo, guten Tag. Wir brauchen jeweils einen Anzug für uns. Könnten Sie uns vielleicht dabei behilflich sein?“

Die Frau schaute uns beide ein wenig ungläubig an, fragte entsprechend nach.

„Einen Anzug, darf ich fragen für welchen Anlass?“

„Ähm, ja, für die Hochzeit meiner Eltern.“

Jetzt schien die gute Frau ein wenig verwirrt, sie hatte genau verstanden, was ich gesagt hatte und sie überlegte nun, was Stef damit zu tun hatte. Allerdings nahm sie es erst einmal so hin und wir waren uns einig, es sollte etwas Modernes sein. Vielleicht auch zweifarbig.

Sie schaute sich unsere Maße genau an und griff sehr zielsicher in einen Ständer und es kamen zwei sehr interessante Stücke hervor. Es waren Zweiteiler mit einmal einem anthrazitfarbenem Jackett und schwarzer Hose. Der andere Zweiteiler war ein dunkelblaues Jackett mit anthrazitfarbener Hose. Das war mir zu konservativ und Stef schien auch nicht begeistert zu sein. Unsere Beraterin schien zu bemerken, dass es uns nicht vom Hocker riss. Plötzlich bekam sie ein Leuchten in die Augen und fragte uns:

„Sagt mal, seid ihr Geschwister oder seid ihr Freunde?“

Ich schaute zuerst Stef an und dann die Verkäuferin. Ich hatte ein gutes Gefühl und antwortete:

„Stefan ist mein Freund und Partner.“

Jetzt bekam sie ein Lächeln ins Gesicht und schien begriffen zu haben, was uns gefallen könnte. Sie gab uns ein Zeichen, dass wir ihr folgen sollten. Wir kamen in einen hinteren Raum. Dort hingen wirklich tolle Sachen. Teilweise silbern schimmernd und in einem Samtstoff. Das sah schon viel besser aus.

„Ich würde euch vorschlagen, etwas auszusuchen, was euch als Paar auch deutlich macht. Vielleicht etwas im Positiv-Negativ Stil?“

Wir schauten uns an und Stef begann zu grinsen.

„Aber nichts Kitschiges bitte. Etwas, was pfiffig ist.“

Es dauerte nicht lange und wir hatten zwei Kombinationen auf dem Tisch liegen, die atemberaubend elegant waren. Ich hatte mich sofort richtig darin verliebt. Stef schien es ebenfalls zu gefallen und ich fragte:

„Dürfen wir das einmal anprobieren?“

„Selbstverständlich, wenn ihr fertig seid, kommt ihr wieder hier her. Dann schauen wir uns das mal an.“

Meine Hose war mir leider etwas zu lang, aber sonst sah das schon echt klasse aus. Bei Stef waren die Ärmel zu lang, aber wir kamen wieder nach vorne und die Frau war begeistert.

„Perfekt. Ihr seht darin toll aus. Lasst mich einmal die Maße nehmen. Das ändern wir und dann passt das perfekt.“

Sie holte ein Maßband und ein paar Nadeln und steckte den Stoff ab. Ich war mir sicher, das war unsere Festgarderobe.

„Ich finde es toll, was sagst du?“

Stef schien es zu gefallen, aber irgendetwas störte ihn.

„Es sieht toll aus, aber meinst du nicht, dass das etwas zu edel ist?“

Die Verkäuferin war anderer Meinung.

„Es passt perfekt zu euch. Das kann nicht jeder tragen, aber ihr könnt das hervorragend.“

„Schaffen sie die Änderungen bis Freitag? Weil, dann ist die Hochzeit.“

„Natürlich, es ist ja nicht viel zu machen.“

„Dann nehmen wir die beiden Kombinationen, allerdings brauchen wir noch passende Schuhe und Hemden dazu.“

Auch dabei hatte sie einen guten Griff gemacht. Innerhalb weniger Minuten waren wir komplett ausgestattet. Ich sagte ihr unsere Namen und die Adresse, falls etwas Unvorhergesehenes passieren sollte. Als sie meinen Namen hörte, fiel es ihr ein.

„Du bist der Sohn von Sabine Maergener, oder?“

Ich staunte. Woher wusste sie das?

„Entschuldigen Sie, woher wissen Sie das?“

„Ich bin mit deiner Mutter zusammen zur Schule gegangen, außerdem kannte ich deinen Vater.“

Das Bezahlen mit Papas Kreditkarte war damit kein Problem mehr. Sie freute sich für uns. Als alles geregelt war, ging es wieder nach Hause. Wir sollten am Donnertag zur Anprobe kommen. Allerdings wollte Stef noch mit mir durch den Wald. Dort machten wir an unserem Hochsitz wieder Rast und schauten schweigend über den Ort. Ich legte Stef meinen Arm um die Hüfte und sprach ganz leise:

„Stef, was geht dir durch den Kopf? Du wolltest doch aus einem bestimmten Grund mit mir durch den Wald fahren.“

Er drehte langsam seinen Kopf zu mir und nickte.

„Ja, du kennst mich mittlerweile. Ich mache mir Gedanken über das, was ich tue. Ist das alles richtig? Du bist mein Freund und ich bin glücklich, dass es so ist. Ich werde nicht mehr von meinen Eltern bedroht und ich bin froh, dass es so ist. Ich fühle mich hier wohl und freue mich darüber.“

„Und? Wo ist dein Problem?“

Ich wusste, er trug irgendetwas mit sich herum. Er zögerte, schnaufte ein wenig durch die Nase.

„Ach Luc, ich bemerke, dass ich mehr in eurer Familie bin, als ich jemals in meiner eigenen war. Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Ich würde einfach sagen können, ihr seid meine Familie und ich möchte für immer bei euch bleiben.“

Endlich! Stef sah uns als seine Familie an. Darauf hatte ich immer gehofft. Mir war klar, das konnte er nur selbst für sich annehmen oder eben nicht. Seine größte Sorge war dabei immer sein großer Bruder Mario. Er hatte Angst, Mario würde dann ganz allein sein und keine eigene Familie mehr haben. Unsinn, Mario gehörte eigentlich genauso zu unserer Familie, wie Stef. Nur eben nicht so eng wie er. Mario würde bei uns immer eine offene Tür finden.

„Schatz, ich freue mich sehr, dass du dich bei uns zu Hause fühlst. Du machst mir damit die größte Freude, die du machen kannst. Auch Mama und Papa werden sich darüber sehr freuen. Wir sind eine Familie.“

Er umarmte mich ganz fest und wir küssten uns leidenschaftlich. Ein unglaubliches Glücksgefühl durchzuckte mich.

„Komm, lass uns nach Hause fahren. Ich finde, das ist ein Grund zur Freude.“

„Und was ist mit Mario? Er hat keine Familie, die ihn unterstützt und wo er Halt finden kann, wie ich.“

Ich hatte es gewusst. Ok, aus seiner Sicht war das wohl richtig.

„Unsinn, er hat genauso eine Familie wie du. Nur ist er nicht so oft bei uns, aber er gehört genauso zu uns wie du. Und Papa wird immer für ihn als Ratgeber da sein, solange er möchte. Glaub mir, Mario gehört genauso zu uns, wie du. Da fällt mir übrigens ein, er kommt schon am Mittwochabend aus München. Also haben wir noch etwas Zeit vor der Hochzeit.“

Jetzt lächelte Stef wieder und dieses Lächeln macht mich glücklich. Wir stiegen wieder auf unsere Räder, fuhren schweigend nach Hause.

Dort angekommen erwartete uns Mama. Sie wollte natürlich wissen, ob unsere Modetour erfolgreich war. Ich berichtete ihr und dass am Donnerstag das Ergebnis zur Abholung bereit sei. Ich konnte sofort erkennen, dass wir ihr damit einen großen Gefallen getan hatten, denn in ihrem Gesicht entspannten sich ihre Züge. Stef und ich gingen nach oben und genossen den freien Tag. Keine Termine, keine Verpflichtungen, keine Freunde. Wir beide wollten den Tag in Ruhe verbringen. Es wurde einer der schönsten Tage der letzten Zeit, denn auch die Liebe kam nicht zu kurz.

Marc: Es wird ernst

Ich hatte einfach keine Zeit mehr gehabt, mir Gedanken zu machen, ob ich das alles richtig mache. Es war zu viel zu tun. Wobei Sabine noch mehr unter Druck stand, allerdings selbstgemachter Druck. Heute war Donnerstag und Mario war gestern eingetroffen, Mick und Lukas würden heute ankommen und Karl und Barbara ebenfalls. Ich hatte die Geigers im Hotel untergebracht, während Mario bei uns wohnte. Ich wollte, dass er mit Stef viel Zeit verbringen konnte.

Eine lange Liste war für mich heute abzuhaken. Der für mich unangenehmste Punkt war die Anprobe der Festgarderobe. Da konnte ich mich mit Luc und Stef zusammentun. Auch sie sollten heute zur Anprobe erscheinen.

„Na Jungs, wann sollen wir uns zur Anprobe auf den Weg machen?“

Ich stand auf der Treppe und die drei Jungs saßen auf ihrer Terrasse. Sie schauten mich sehr begeistert an. Sie mochten das genauso wenig wie ich, aber wenn wir keinen zusätzlichen Stress wollten, sollten wir das einfach so hinnehmen. Luc hatte daher eine gute Einstellung dafür bekommen.

„Hallo Papa, lass uns das einfach hinter uns bringen und gut ist.“

Mario und Stef mussten lachen und somit machten wir uns zu viert auf den Weg. Mario wollte sich das natürlich nicht entgehen lassen, wenn sein kleiner Bruder sich neu einkleiden ließ.

Luc betrat als Erster das Geschäft und ich als Letzter. Wir wurden von einer jungen Frau freundlich begrüßt.

„Hallo und einen guten Tag die Herren. Was können wir für Sie tun?“

Luc stellte sich vor und erklärte unser Anliegen. Daraufhin bat sie uns einen Moment zu warten. Wir standen nun in dem Geschäft und Mario staunte über die edlen Sachen.

„Wow, was ich hier sehe lässt erahnen, wie ihr gleich aussehen werdet.“

Stef schien das etwas unangenehm zu sein, denn er stöhnte leicht. Aber es gab glücklicherweise keine weitere Gelegenheit, das zu diskutieren, denn die Bekannte von Sabine kam nach vorn und begrüßte uns ebenfalls sehr nett.

„Oh, Herr Steevens, schön dass sie auch mitgekommen sind. Dann können wir ja alles zusammen anprobieren. Kommen Sie bitte mit nach hinten.“

Wir folgten Stef und kamen in einen großen hellen Raum. Dort waren riesige Spiegel an einer Wand. Unsere Anzüge lagen bereit und jeder nahm sich sein Exemplar. Einige Minuten später standen wir nebeneinander vor dem Spiegel und Mario machte einige schnelle Fotos. Das passte Luc natürlich gar nicht.

„Das macht dir Spaß, uns so zu fotografieren, oder?“

„Auf jeden Fall, das bekomme ich doch nie wieder zu sehen. Also muss ich das festhalten.“

Ich musste lachen, denn das Gesicht von Luc sprach für sich, allerdings hatte ich die Rechnung ohne Stef gemacht. Er konterte sehr schlagfertig.

„Na, gut zu wissen. Dann brauchen wir dich zu unserer Hochzeit ja nicht einzuladen. Denn da würdest du ja sonst auch wieder eine Gelegenheit bekommen.“

Das war natürlich ein Spaß, aber Luc bekam dennoch große Augen, als er das hörte.

Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten und lachte laut los. Mario ebenfalls und die Verkäuferin schien den Spaß ebenfalls verstanden zu haben, denn sie klopfte Stef auf die Schulter und lachte dabei.

Ich musste feststellen, die beiden Jungs hatten sich tolle Sachen ausgesucht. Es dauerte nun auch nicht mehr lange, bis wir alles geklärt hatten. Nur bei Lucs Jacke musste noch ein wenig an der Ärmellänge geändert werden, sonst war bereits alles perfekt. Unsere Verkäuferin bot uns an, darauf warten zu können. Es würde nur ein paar Minuten dauern.

Als wir wieder auf der Rückfahrt waren, wollte ich doch mal etwas wissen.

„Sagt mal Jungs, wer hat eigentlich eure Sachen ausgesucht? Die sehen wirklich klasse aus. Sehr edel. Das passt gut zu euch.“

„Das war in erster Linie Stefs Idee, Papa. Er hat echt Talent für sowas. Danke, dass es dir gefällt, freut uns natürlich.“

„Ich habe eine Bitte Luc, Karl hat gleich noch einen Termin bei einem neuen Kunden hier im Ort. Ich würde es gut finden, wenn du ihn begleiten könntest. Du kennst ja Manuels Mutter. Sie möchte sich ein neues Auto kaufen und hat um einen Termin gebeten.“

„Klar, aber erst zeigen wir Mama die Sachen, sonst bekommen wir Ärger.“

Die restliche Fahrt war sehr lustig und ich musste manchmal sogar aufpassen, auf den Verkehr zu achten.

Zu Hause angekommen, machten wir die obligatorische Modenschau und so sprachlos hatte ich Sabine noch nicht oft erlebt. Sie schaute nahezu fassungslos auf die beiden Jungs.

„Wow, das sieht perfekt aus. Ihr könntet sofort für die Blues Brothers einspringen. Echt toll.“

Luc und Stef schienen erleichtert und ich gab meiner zukünftigen Frau einen Kuss. In diesem Moment kamen Karl und Barbara mit Lukas und Mick hinzu. Die beiden hatten sie vom Flughafen abgeholt. Karl war natürlich derjenige, der als Erster einen Kommentar abgab.

„Luc, aber komm nicht auf die Idee, so bei uns im Geschäft aufzulaufen. Dann bin ich ja sofort out. Wow, das sieht richtig cool aus.“

Wir begrüßten die Geigers und Luc war besonders erfreut, die beiden wiederzusehen. Gemeinsam nahmen wir ein kleines Mittagessen ein und dann fuhren Karl und Luc los. Ich gab ihnen meinen Ferrari, denn ich wusste ja, dass Karl immer scharf auf dieses Auto war. Stef nutzte die Gelegenheit, um mit seinem Bruder einen Nachmittag Zeit zu haben. Auch ich wollte, dass Mario mit Stef allein sein konnte. Sie hatten einiges zu berichten und zu erzählen. Auch, dass es in Bezug auf ihre Eltern Neuigkeiten aus München gab.

Sabine und ich setzten uns am Nachmittag mit Mick und Lukas zusammen. Ich musste zugeben, dass ich mittlerweile doch so etwas wie Nervosität verspürte. Ich stellte mir die verrücktesten Szenarien vor, was alles schiefgehen konnte. Komisch, sonst war ich immer derjenige, der durch nichts aus der Ruhe zu bringen war. Mick und Lukas waren an dieser Stelle eine große Unterstützung. Sie hatten das ja vor nicht allzu langer Zeit schon gemacht und sie halfen mir dadurch sehr. Der zeitliche Ablauf für morgen war abgesprochen und jetzt gab es doch noch eine kleine Überraschung, denn Sabine meinte zum Abschluss unsrer Planungsbesprechung:

„Also, Schatz. Eines muss ich doch mittlerweile zugeben. Du hast mit dieser Agentur alles richtig gemacht. Sie scheinen wirklich sehr gute Arbeit zu leisten und wir können morgen einfach nur feiern. Ich war noch nie so entspannt vor einem so wichtigen Ereignis.“

Typisch für Micks Humor kam eine trockene Bemerkung:

„Warum so wichtigem Ereignis? Es ist nur eine standesamtliche Hochzeit. Eine Unterschrift und alles ist vorbei. Also alles halb so wild.“

„Aber die Feier danach, das wird das Ereignis. Mick, du weißt doch, wer alles auf der Gästeliste steht.“

Mick und Lukas schauten sich an und sie genossen die verwunderten Blicke von Sabine und mir. Von daher dauerte es auch nicht lange und wir lagen uns lachend in den Armen.

Der letzte Abend ohne Trauschein wurde sehr ruhig und familiär. Wir saßen noch lange mit Karl und Barbara im Garten. Unsere Kinder saßen bei uns und ich hatte das Gefühl, ein wichtiges Kapitel meines Lebens würde einen guten Abschluss finden. Es war für mich immer ein Traum gewesen, für meine Kinder eine richtige Familie zu haben. Das sollte morgen in Erfüllung gehen. Es sollte ein neues Kapitel beginnen, gerade auch für Luc und Stef. Mal abwarten, was die Zukunft bringen würde.

Mick: Freitag

Mein Schatz und ich waren schon sehr früh wach, auch wir waren doch etwas aufgeregt. Lukas hatte sogar schlecht geträumt. Es war für ihn doch noch ein bisschen anders, als für mich. Er hatte ja schon mal richtige Eltern und die durch einen Unfall verloren. Jetzt sollte auch er wieder „richtige“ Eltern mit Trauschein bekommen. Für mich fühlte sich das bisher nicht anders an als bislang. Es würde sich nicht viel ändern.

Stef hingegen war völlig aufgedreht. Für ihn war es etwas ganz Besonderes. Luc hatte Mühe, ihn zu bändigen, aber Papa hatte die passende Idee und schickte die beiden einfach mal los, die Location für die Feier zu checken. Damit waren sie beschäftigt und wir konnten zu Hause Mama und Papa helfen, sich vorzubereiten. Es war nicht mehr viel Zeit, bis wir aufbrechen mussten. Mama hatte bereits ihr tolles Kleid an und Papa war gerade dabei sich umzuziehen, als Luc und Stef zurückkamen. Sie waren verdächtig still. Bevor wir sie nach oben schickten zum umziehen, wollte ich mit ihnen kurz sprechen.

„Hey, was ist denn los? Habt ihr ein Gespenst gesehen?“

„Man, hast du eine Ahnung, was dort alles aufgebaut ist? Der absolute Wahnsinn. Das wird ein mega Event, so wie das aussieht. Da ist sogar eine richtige Bühne aufgebaut. Es sieht nach einem Konzert aus, nicht nach einer Hochzeit.“

Stef schüttelte dabei den Kopf, es schien ihm unheimlich zu sein. Wir wussten ja auch nicht viel mehr, aber ich hatte mir schon gedacht, dass Papa sich etwas Außergewöhnliches ausdenken würde.

„Ihr wisst doch auch, wenn Papa etwas macht, dann auch richtig. Halbe Sachen gibt es nicht im Hause Steevens. Da ich ungefähr eine Vorstellung habe, welche Gäste alle kommen werden, könnte es durchaus sein, dass es ein Konzert geben wird. Lassen wir uns also überraschen.“

Luc schaute mich zweifelnd an, er mochte diese großen Sachen nicht sonderlich. Auch die vielen Menschen waren nie sein Ding.

„Komm, kleiner Bruder, Papa wird schon wissen, warum er sich nicht mehr selber gekümmert hat. Und wie sah es denn so aus?“

„Gigantisch, einfach verrückt, was da alles aufgebaut wurde. Ich glaub, wir gehen uns mal umziehen. Stef wartet schon auf mich. Bis gleich.“

Damit verschwanden die beiden nach oben und ich war mit Lukas wieder allein. Das heißt, Mama und Papa waren im Schlafzimmer und zogen sich zu Ende an. Papa hatte mich schon dreimal gefragt, ob ich auch die Ringe dabei habe. Innerlich musste ich schmunzeln. Plötzlich klingelte es und Lukas ging zur Tür. Aufgrund des Stimmengewirrs konnte ich erahnen, um wen es sich handelte. Krisitina und Mika! Tom würde erst später hinzukommen, er musste heute noch ein Training bei einem Rennen fahren.

Mika stürmte förmlich ins Haus und begrüßte uns sehr heftig. Seine erste Frage war natürlich:

„Sagt mal, wo sind denn Luc und Stef? Sind die gar nicht da?“

Lukas zeigte mit dem Finger nach oben und schon war der blonde Wirbelwind verschwunden. Kristina war das zwar etwas unangenehm, aber wir fanden es eher lustig.

Bevor wir uns auf die Terrasse setzten, holte Lukas etwas zu trinken, während ich Mama und Papa Bescheid sagte.

Karl und Barbara waren noch in ihrem Hotel und Mario bei Stef und Luc oben. Allerdings schien er dort gerade geflüchtet zu sein, denn er kam grinsend zu uns auf die Terrasse.

„Na, Mario. Haben sie dich rausgeworfen? Mika schien sich ja schon ganz lange darauf gefreut zu haben, die beiden wieder zu treffen.“

„Da sagst du aber was. Ich bin geflüchtet, weil die nur noch Unsinn im Kopf hatten. Da bleib ich besser hier bei euch.“

Mikas Mutter wollte schon nach oben gehen, aber ich fand das keine gute Idee.

„Lass sie doch, es wird schon nichts passieren. Sie haben sich eben schon ein paar Wochen nicht mehr gesehen.“

„Meinst du nicht, ich sollte mal gucken gehen?“

Lukas wurde deutlicher.

„Nein, sie machen schon keinen echten Unsinn. Lass ihnen doch den Spaß.“

Mama und Papa betraten die Terrasse und jede Unterhaltung erstarb. Sie sahen umwerfend aus. Selbst Kristina war sprachlos. Jetzt fehlten nur noch Karl und Barbara. Sie sollten die Trauzeugen sein. Es war besprochen, dass wir gemeinsam zum Standesamt fahren würden. Nun ja, wir hatten ja noch ein wenig Zeit. Allerdings mussten sich die Jungs auch langsam mal fertig machen, ich ging deshalb jetzt doch nach oben.

Als ich die Wohnung betrat, tobten Luc und Mika auf dem Boden herum, sie kitzelten sich gegenseitig. Stef war bereits dabei, sich anzuziehen, während Luc noch in Boxershorts war.

„Hey, es reicht jetzt mit toben. Wir müssen uns fertig machen. Mika, lass es gut sein, sonst wird Luc nie fertig.“

Mika schaute mich an und stand langsam von Luc auf. Luc schien sehr froh zu sein, dass ich ihn von Mika erlöste.

„Danke, großer Bruder. Ich wäre sonst noch Stunden hier gefangen gewesen.“

Jetzt musste Stef laut lachen. Es steckte an, dieses befreite Lachen. Ich nahm Mika mit nach unten und Stef und Luc zogen sich weiter um.

Als wir wieder unten ankamen, schaute Kristina recht streng. Papa ahnte wohl, was oben los war.

„Na, Mika. Hast du den Jungs gezeigt, wie kitzelig sie sind?“

Dabei grinste Papa echt fies. Mika lachte und nickte nur. Ich glaube, Mika würde genauso gut bei uns in die Familie passen. Karl und Barbara trafen jetzt auch ein und ich hätte sie fast nicht wiedererkannt. In so eleganten Klamotten hatte ich sie noch nie gesehen. Wow, das sah toll aus.

„Hallo zusammen“, begrüßte Karl uns alle gemeinsam. Papa und Mama erklärten ihnen kurz den weiteren Ablauf und in diesem Moment kamen auch Luc und Stef zu uns. Ihre Anzüge glänzten sogar ein wenig im Sonnenlicht.

„Boah, Luc“, staunte Barbara, „das sieht ja umwerfend aus. So könntet ihr auch jederzeit als Dressmen durchgehen.“

Barbara schaute sich die beiden ganz genau an. Karl ahnte schon, dass er auch noch Opfer seiner Frau werden würde.

„Komm bloß nicht auf die Idee, dass ich jetzt Anzug in der Firma tragen soll.“

Barbara drehte sich zu ihrem Mann um und musste lachen.

Eine ganz andere Frage stellte sich nun für mich, wie würden wir alle gemeinsam zum Standesamt kommen? Und wen hatten Mama und Papa noch alles dorthin eingeladen? Doch das war für uns alles noch geheim.

Es dauerte nicht lange, als es an der Haustür klingelte. Lukas ging um das Haus, nach vorn. Er kam wenige Minuten später mit einem Herrn im dunklen Anzug wieder.

„Leute, der Fahrdienst ist da, wir können also los.“

Na, was hatten sich meine Eltern jetzt wohl ausgedacht. Mama ging voraus, Papa neben ihr, dann folgten Karl und Barbara und wir Kinder zum Schluss. Als wir um die Hausecke kamen, blieb mir fast die Luft weg. Dort standen zwei Fahrzeuge, die es in sich hatten. Vorne stand, mit einem großen Blumenschmuck auf der langen Motorhaube, ein Bugatti Royale. Der Chauffeur stand neben seinem edlen Gefährt, und als Mama und Papa näher kamen, öffnete er die hintere Tür. Papa wollte sich allerdings dieses Gefährt genauer ansehen. So ein Auto bekommt man schließlich nicht oft zu sehen. Es sind alles Einzelstücke und in Handarbeit gebaut worden. Es gab nur vier Fahrzeuge weltweit, die verkauft wurden. Zwei weitere Fahrgestelle blieben im Besitz von Ettore Bugatti. Also dieses Exemplar war unbezahlbar und entsprechend begeistert schaute sich Papa mit Luc dieses Kunstwerk an. Hinter dieser Schönheit stand eine große Stretch-Limousine, die uns befördern sollte.

Nach wenigen Minuten waren wir auf dem Weg zum Standesamt. Was würde uns dort erwarten?

Wovor ich am meisten Angst hatte, wurde leider auch bestätigt. Vor dem Standesamt hatten sich Presseleute und sogar TV Stationen aufgebaut. Es war bekannt, dass unsere Eltern sich heute das Ja-Wort gaben. Es ließ sich auch nicht verhindern, denn die Aufgebote waren in der Schweiz öffentlich. Allerdings hatte die Agentur ganze Arbeit geleistet. Eine ganze Schar von Security Leuten bahnte uns den Weg vor das Portal des Standesamtes.

Der Chauffeur stieg aus und öffnete Mama und Papa die Tür. Wir blieben noch einen Augenblick im Wagen. Mama und Papa gaben den Fotografen für einen Moment Zeit Bilder zu machen, bevor sie im Gebäude verschwanden. Jetzt waren wir an der Reihe und die Blitzlichter flammten erneut auf. Aber auch wir wurden von der Security sicher und schnell in das Gebäude gelotst. Dort erwartete uns eine kleine Gruppe von Freunden. Es waren auch ein paar Freunde von uns Kindern anwesend. Das freute mich sehr. Papa hatte dafür gesorgt, dass Tim und Manuel und Tommy und Nico, jeweils mit ihren Familien, dabei waren. Es gab einen Sektempfang und wir begrüßten die Gäste. Ich kümmerte mich vorwiegend mit Lukas um die jüngeren Gäste. Luc und Stef unterstützten uns und so kam es, dass wir in einer kleinen Gruppe standen.

Manuel und Tim waren die Ersten, die uns gratulierten und sie nahmen auch Stef herzlich in die Arme. Manuel war derjenige, der ihn auf die Zukunft ansprach:

„Wie fühlt sich das an, Stef? Bist du mittlerweile hier angekommen? Oder würdest du lieber in München leben?“

Ich war ein wenig erschrocken über diese direkte Frage. Luc schien das auch nicht sonderlich gut zu finden, denn er bekam ein ernstes Gesicht. Allerdings blieb Stef sehr ruhig.

„Ich bin hier mittlerweile mehr als gelandet. Ich fühle mich hier wohl, auch wenn es nicht meine Heimat ist. Luc hilft mir, wo es geht und ich bin sehr froh, mit Marc und Sabine so tolle Eltern zu haben.“

Was für ein Satz! Das überraschte auch Luc, denn er begann zu strahlen. Auch Papa hatte es mitbekommen und drehte sich sofort zu uns um. Er staunte genauso über diesen Satz, wie die meisten anderen aus unserer Familie.

Niemand wollte es jetzt aber kommentieren, denn die Trauung stand an und der Standesbeamte bat uns hereinzukommen und Platz zu nehmen. Ich gab Papa noch schnell die Ringe und dann nahmen wir alle in dem Trauzimmer Platz. Es wurde still und die Zeremonie begann. Erst zum Ende, als alles unterschrieben war, fiel Papa ein, dass er ja noch die Ringe in der Tasche hatte.

„Man, das hätte ich doch fast vergessen. Schatz, ich habe hier noch etwas für uns.“

Dabei holte er die kleine Schatulle aus seiner Jackentasche und alle begannen zu lachen.

„Typisch, das Wichtigste vergisst du wieder.“

Papa bekam eine leichte Rotfärbung, konterte aber schlagfertig.

„Naja, Barbara, besser ich vergesse es heute, als in einem Jahr beim ersten Hochzeitstag.“

Das führte auch beim Standesbeamten zu Heiterkeit. Damit löste sich die feierliche Stimmung und wir verließen bestens gelaunt das Trauzimmer. Vor dem Standesamt warteten natürlich noch immer die Presseleute. Auch dieses erledigten wir recht gelassen. Sogar zu einem Familienfoto ließ sich Papa überreden. Natürlich war Stef mit dabei. Das muss für ihn ein sehr bewegender Moment gewesen sein, denn auf der Fahrt zur Feier erzählte er uns von seinen Gefühlen. Das war auch für mich sehr bewegend.

Marc: Ein Abschnitt geht zu Ende und etwas Neues beginnt

Unsere Hochzeit wurde ein gigantisches Fest. Die Agentur hatte perfekte Arbeit geleistet und ich hatte viele Freunde wiedergesehen aus meiner Zeit als aktiver Rennfahrer. Ich war sehr bewegt über die Anerkennung der ehemaligen Kollegen und Teammitglieder. Auch meine Kinder waren sehr überrascht, für Stef muss es eine völlig neue Erfahrung gewesen sein. In einer ruhigen Minute standen wir beide mit Luc etwas abseits der Tanzfläche, auf der immer viel los war.

„Und wie fühlt es sich jetzt an, als frischgebackener Ehemann?“

„Ehrlich, Luc, es ist nicht anders als vorher. Aber es gibt mir und euch Sicherheit. Falls doch etwas passieren sollte, seid ihr abgesichert. Und ich weiß, dass ich deine Mutter immer an meiner Seite haben werde.“

Stef hörte sehr genau hin, als ich dies sagte und Luc hatte ein gutes Gespür für die Situation. Er legte seinen Arm um seinen Freund, gab ihm einen liebevollen Kuss. Er schien überrascht zu sein, aber im Gegensatz zu früheren Situationen meinte er selbstbewusst:

„Marc, ich möchte nicht unverschämt sein, aber ich fühle mich fast schon als ein Mitglied deiner Familie, auch wenn ich nur der Freund von deinem Sohn bin …“

Ich musste ihn unterbrechen, denn das „nur“ in dem Satz störte mich gewaltig.

„Stopp, was heißt hier „nur“? Du bist für uns ein Mitglied unserer Familie, genau wie Leifs Freundin. Du kannst bei uns bleiben, solange du möchtest. Und jetzt möchte ich für heute von keinen Problemen mehr hören. Jetzt wird richtig gefeiert.“

Ich umarmte Stef und Luc. Das war der Beginn eines neuen Kapitels unserer Familie.

Ende.

Anmerkung des Autors

An dieser Stelle möchte ich die Familie Steevens verlassen und sie für eine Zeit auf ihrem Weg allein lassen. Ich denke, es ist Zeit, dass sie auch einmal ohne Begleitung ihren Weg weitergehen kann. Vielleicht schauen wir in einiger Zeit in der Zukunft noch einmal in diese Familie. An dieser Stelle endet die Geschichte von „Lucien“. Er hat wieder eine „richtige“ Familie und soll sich nun allein, mit seinem Freund und den Freunden, seinen Weg in die Zukunft bahnen.

Nachwort

Jetzt ist also meine Geschichte von Lucien beendet. Oder sollte ich vielleicht besser sagen, sie pausiert? Ich könnte mir durchaus vorstellen, sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut fortzusetzen. Aus meiner Sicht war jetzt aber ein Punkt gekommen, an dem ich die Steevens und ihre Freunde mal eine Zeitlang allein lassen möchte. Ich habe über ein Jahr ohne Pause an diesen Geschichten geschrieben und möchte sie beenden, bevor es dem Leser langweilig wird.

Ich habe ganz viel positives Feedback erhalten und möchte mich hier und jetzt dafür bei allen Lesern sehr bedanken. Ich habe mich immer gefreut, wenn ein Leser seine Meinung geschrieben hatte. Auch die konstruktiven Vorschläge waren gern gesehen.

An dieser Stelle möchte ich gerne ein paar Leute besonders erwähnen, die mich beim Schreiben unterstützt haben.

An allererster Stelle muss ich da MoNo nennen, der immer mit Argusaugen über das von mir Geschriebene gewacht hat. Er hat sich sehr viel Zeit genommen, mir zu zeigen, wie man etwas noch besser machen könnte oder eben meine Fehler korrigiert. Er hat mir stets mit guten Ideen geholfen und auch mal gesagt 'Clas, das geht so nicht, das solltest du ändern.' Mo, dafür vielen Dank. Ich habe es als großen Vorteil empfunden, dass wir ähnliche Vorstellungen und Gedanken hatten.

Ich hoffe, es wird mir gelingen, dich auch mit meiner neuen Geschichte zu begeistern und mir auch dabei wieder zu helfen. Abgesehen davon möchte ich sagen, dass durch die gemeinsame Arbeit eine freundschaftliche Beziehung entstanden ist. Das freut mich sehr.

Ebenfalls erwähnen möchte ich Joachim und Fiete. Sie haben immer wieder meine Teile vorab gelesen und mir ihre Meinungen darüber mitgeteilt. Zum Glück musste ich nicht so viel neu schreiben. Auch das war mir eine große Hilfe, vielen Dank Jungs. Auch hier ist eine freundschaftliche Beziehung entstanden, die ich ebenso nicht mehr missen möchte.

Zum Schluss noch eine Ankündigung: Diese Geschichte soll nicht meine Letzte gewesen sein. Eine Idee habe ich bereits im Kopf und freue mich darauf, sie nach einer Pause anzugehen. Noch einmal vielen Dank allen, die mich unterstützt haben. Es hat mir viel Spaß gemacht, sie zu schreiben und euch hoffentlich Spaß beim Lesen bereitet. Ich habe festgestellt, dass ich viel mehr Autobiographisches in die Geschichte eingebracht habe, als ich vorgehabt hatte. Dadurch habe ich mich zwangsläufig sehr mit dieser Geschichte identifiziert, vielleicht mehr als man vielleicht sollte, aber das werde ich wohl erst erkennen, wenn ich ein wenig Abstand gewonnen habe, wie sehr mir die Personen fehlen werden.

Clas

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