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Auf der Tour

Teil 16

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Inhaltsverzeichnis

Fynn: Überraschungsplanung mit Umzug

Unsere Woche in Manacor hatte uns total begeistert. Nicht nur das Training mit Rafa war geil, auch die neuen spanischen Freunde waren für mich eine tolle Bereicherung. Endlich waren wir nicht mehr allein in der Szene.

Chris hatte auch schon einen konkreten Plan für den ersten Austauschbesuch. Damit wir den Spaniern etwas Besonderes bieten würden, sollten sie etwa vier Wochen vor den Gerry Weber open zu uns kommen. Dann würden sie eine Möglichkeit haben auf Rasen zu trainieren. Das konnte kaum ein anderes Team so unkompliziert bieten.

Jetzt hatten wir aber einen Termin mit Martina vereinbart und es ging um den Umzug von Chris nach Halle in sein neues Appartement. Außerdem hatte ich mit Dustin und Justin noch eine andere Sache im Kopf, aber dafür benötigten wir die Hilfe von Luc und Stef aus der Schweiz. Deshalb hatte ich Dustin gebeten, unsere Freunde anzurufen und um Hilfe zu bitten.

Wir waren bereits drei Tage wieder in Halle und kamen gerade vom Vormittagstraining. Martina hatte uns wie immer mit einem tollen Essen verwöhnt. Tim und Carlo saßen auch mit am Tisch. Die Stimmung war entspannt. Ich fragte Martina:

„Hast du einen Überblick über den Umzug von Chris? Wir möchten gern dabei helfen und vielleicht den Aufbau der Möbel übernehmen.“

„Cool“, kam sofort von Tim und Carlo, „da machen wir auch mit. Chris soll so wenig wie möglich tragen müssen. Damit er seinen Rücken schonen kann.“

„Super Idee, Jungs. Dann nehmt euch bitte morgen Abend nichts vor. Da kommen die Möbel. Bis auf das Bett haben wir alles bestellt. Die Küche ist ja bereits fertig und sein Bett muss eine besondere Matratze und Lattenrost haben. Das muss Chris selbst bestellen.“

„Geht klar. Wo treffen wir uns? Hier oder direkt an der Wohnung?“

Mein Schatz dachte mit und auch Justin überlegte einen Augenblick bis Martina meinte:

„Wir treffen uns dort. Der Lieferant bringt die Sachen dorthin und ich bin vorher noch ein paar Kleinigkeiten einkaufen. Dann ist das besser wir treffen uns dort.“

Nach dem Essen hatte ich Tim, Carlo und Justin gebeten bei uns vorbeizukommen. Dort wollte ich mit ihnen über unsere Idee einer größeren Überraschung für Chris sprechen.

Dustin und ich hatten gerade ein paar Getränke hingestellt, als mein Schatz mir eröffnete:

„Ich habe mit Luc telefoniert. Er fand deine Idee ziemlich geil, allerdings ist Marc erst heute Abend wieder zu Hause. Dann wollte er aber mit seinem Vater sprechen. Luc hat gemeint, wir könnten das ruhig schon weiter planen. Er glaubt, dass Marc dazu nicht nein sagen wird.“

„Cool, das wäre echt der Hammer, wenn das klappen würde. Darüber würde sich Chris bestimmt riesig freuen.“

„Auf jeden Fall. Und verdient hat er es allemal. Wir müssen nur aufpassen, dass wir da kein wichtiges Turnier haben.“

„Zur Not verhindern wir das bereits in der Turnierplanung. Aber ich glaube um diese Zeit steht kein wichtiges Turnier an.“

Es klopfte und Justin, Tim und Carlo betraten unser Appartement.

„Wer mag, nimmt sich etwas zu trinken. Ansonsten lasst uns über die geplante Überraschung sprechen. Und eins muss klar sein, darüber wird nicht gesprochen wenn wir auf der Anlage sind. Das soll bis zuletzt geheim bleiben.“

Wir saßen etwa eine halbe Stunde beisammen und zum Schluss hatten wir unseren Plan stehen. Die Einweihungsparty für Chris sollte bei ihm im Garten stattfinden. Allerdings nur mit unserer WG und Maxi dabei.

Unsere Überraschung würden wir ihm dann dort präsentieren. Vielleicht würde es sogar klappen, dass Luc und Stef für ein paar Tage nach Halle kommen.

Am Nachmittag stand die zweite Trainingseinheit an und da würde auch Maxi wieder zu uns stoßen.

Als wir uns in der Umkleide fertig machten für das Training, kam Maxi herein.

„Hi Maxi, wie geht es dir? Läuft alles?“

„Hi Leute, ja soweit alles gut. Steht heute etwas Besonderes an? Oder weshalb seid ihr schon so früh hier?“

„Nein, wir wollten nur mit dir etwas besprechen. Es geht um Chris Umzug und eine Überraschung, die wir planen.“

Wir erklärten ihm unseren Plan und Maxi war sofort begeistert. Also war er mit im Boot und das freute uns sehr. Damit war das Thema auch tabu auf der Anlage. Wir hatten soweit alles vorbereitet und gingen zum Training.

„Na, ihr seid ja gut gelaunt. Das freut mich, dann können wir heute richtig was arbeiten.“

Oh oh, wenn Chris solche Ansagen machte, würde es sehr wahrscheinlich heftig zur Sache gehen.

Und richtig, die Einschlagzeit hielt sich in Grenzen und dann scheuchte uns Chris ganz übel. Immer wieder forderte er härtere Schläge und mehr Präzision. Bereits nach einer dreiviertel Stunde war ich schon so müde wie sonst am Ende der Einheit.

Justin war wieder einmal nicht kleinzukriegen. Er tobte über den Platz und spielte ein Powertennis, dass uns Hören und Sehen verging.

„Stopp, alle bitte an der Bank treffen.“

Hoffentlich würde Chris es heute genug sein lassen. Wir hatten ja schon am Vormittag eine Einheit absolviert.

„Zum Schluss möchte ich noch einen Satz sehen. Damit Fynn und Dustin sich nicht gegenseitig aussuchen, spielt Justin gegen Dustin und Fynn gegen Maxi. Und damit ihr schon wisst wie es morgen weitergehen wird, teile ich euch mit, dass Tim und Carlo morgen mit euch trainieren werden. Also morgen geht es etwas ruhiger weiter. Was nicht heißt, dass ihr euch ausruhen könnt.“

Danach schickte er uns wieder auf den Platz. Mein Schatz gab mir aber vorher noch einen Kuss und mit einem:

„Bis später“,

verabschiedete er sich auf den Nebenplatz. Seine Laune schien noch bestens zu sein. Für mich wurde es richtig anstrengend.

Chris stieg die Treppen hoch, stellte sich genau zwischen die Plätze und beobachtete von dort beide Spiele.

Maxi war natürlich voll motiviert, um Chris zu zeigen, dass er wieder zu uns aufschließen wollte. Entsprechend aggressiv schlug Maxi auf jeden Ball und scheuchte mich in die Ecken. Meine Beine fühlten sich bereits schwer an.

Ich sah heute kein Land gegen Maxi und bekam mit 1:6 richtig Haue. Entsprechend gut gelaunt schlug Maxi am Netz in meine Hand ein. Chris blieb allerdings oben stehen und machte auch keinerlei Anstalten herunter zu kommen.

Also zog ich noch den Platz ab und packte meine Tasche. Für einen Moment überlegte ich, direkt in die Umkleide zu gehen, entschied mich aber doch bei Chris vorbeizugehen. Maxi wollte direkt duschen gehen.

„Na, hat dich Maxi heute ordentlich verhauen?“, bekam ich mit einem Lächeln von Chris zu hören.

„Puh, ja. Das kann man wohl so sehen. Meine Beine waren schwer wie Blei und Maxi hat mega gut gespielt. Wenn er das ständig spielen könnte, wäre er mit Sicherheit auch mit auf der Tour.“

Chris drehte sich wieder dem Spiel von Dustin und Justin zu.

„Ja, allerdings. Mir gefällt es ausgesprochen gut wie du den Satz analysiert hast. Allerdings hat es Maxi auch einfach gehabt. Er hat sich auf einen Satz beschränken können und alles in den Satz gelegt. Ich glaube nicht, dass er das bereits über ein ganzes Match spielen kann. Dennoch hat das einen guten Eindruck hinterlassen. Geh bitte auslaufen und dann zur Physio. Deine Beine dürfen jetzt nicht fest werden.“

Chris machte nicht den Eindruck, dass er sich noch weiter zu dem Spiel äußern wollte. Ich fühlte mich aber nicht gut, dermaßen ohne Chance gewesen zu sein und wollte noch mit Chris darüber sprechen.

Chris drehte sich plötzlich zu mir:

„Hey, mach dir keinen Kopf über einen schlechten Satz. Wobei du gar nicht so schlecht gespielt hast. Maxi war überirdisch gut. Los zisch ab, du wirst kalt. Dein Freund kann auch ohne dich spielen. Wir reden morgen darüber, aber hake es bitte einfach ab. Fang nicht an, an dir zu zweifeln. Es ist alles gut.“

Das sagte er so einfach. Voll im Training stehend von Maxi so verhauen zu werden, das war bitter. Es nagte an mir. Dennoch versuchte ich das abzuhaken und Chris zu vertrauen.

Eine gute halbe Stunde später lag ich bei Kolja auf der Massagebank.

„Meine Güte hast du harte Beine. Was hast du gemacht? Das fühlt sich überhaupt nicht gut an.“

„Ich habe nur mit Chris eine anstrengende Trainingseinheit gemacht. Naja und wir waren ja in Manacor und haben auch dort hart gearbeitet.“

„Und so wie ich dich kenne, hast du keinen Tag Pause nach der Rückkehr gemacht. Chris hatte euch doch einen Tag trainingsfrei gegeben.“

Mist, natürlich hatte ich keinen Tag frei gemacht. Ich war mit Patrick Tennis spielen gegangen. Das würde mich ja nicht so belasten. Aber wie konnte Kolja das wissen?

Entsprechend still blieb ich auf der Liege. Kolja fing plötzlich an zu lachen. Natürlich musste er bemerkt haben, dass ich mich noch mehr verkrampft hatte.

„Hey, entspann dich wieder. Ich habe dich mit deinem Bruder spielen sehen. Ich finde es vom Prinzip her gut, dass du mit ihm auf den Platz gehst. Aber wenn Chris dich gesehen hätte, wärst du jetzt einen Kopf kürzer. Er mag es überhaupt nicht, wenn klare Ansagen ohne Interpretationsspielraum missachtet werden. Von mir erfährt er es nicht, aber er wird sich seine Gedanken machen. Sonst hätte er dich nicht zu mir geschickt.“

Das war einfach nur krass. Wie Chris solche Kleinigkeiten mitbekam. Aber warum war er dann so entspannt nach dem furchtbaren Spiel gegen Maxi?

Mit diesen Gedanken kam ich aus der Physio. Ich hatte nicht mitbekommen wie lange ich bereits bei Kolja war. Erst als Dustin draußen auf der Bank saß und mich vorwurfsvoll anschaute wusste ich, dass es wohl länger als gewöhnlich war.

„Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr rauskommen. Was hast du so lange bei Kolja gemacht?“

„Sorry, aber es gibt wieder Probleme mit meinen Beinen. Und er hat mir geraten, die Anweisungen von Chris in Zukunft unbedingt zu befolgen. Sonst könnte das mal richtig Ärger geben.“

Ich umarmte meinen Freund und nach einem innigen Kuss machten wir uns auf den Heimweg.

Eigentlich wollte ich ja noch mit Chris gesprochen haben, aber das fiel heute dann aus. Dustin erzählte mir noch, dass sich Tim und Carlo auf unser Training morgen sehr freuen würden. Meine Freude auf das morgige Training war momentan eher gering. Ich fühlte mich einfach nur müde.

In unserem Appartement verwöhnte mich Dustin, aber als ich nach dem Essen dann noch an die Schulsachen wollte, wurde er sauer.

„Das meinst du doch nicht ernst. Wenn du noch Aufgaben zu machen hast, dann fallen die heute einfach mal aus. Du brauchst auch Pausen.“

„Sehr witzig, erkläre das den Lehrern. Dann mache ich heute auch nichts mehr.“

„Das mache ich. Ganz sicher. Aber Chris würde es auch machen, wenn du ihm das nur mal erzählen würdest. Du gönnst dir viel zu wenig Erholungspausen.“

Und zu seiner Bestätigung drückte er mir kräftig in meine Wade. Das war gemein und sehr schmerzhaft. Sein Selbstbewusstsein hatte in den letzten Wochen deutlich zugenommen. Die Zeit in Spanien ist für Dustin äußerst vorteilhaft gewesen.

Auch dass er sich seine Streicheleinheiten einforderte, war noch recht neu. Ich hatte wenig Chancen, mich dagegen zu wehren. Umso entspannter konnte ich danach einschlafen. Allerdings hatte ich Sorge, dass wir nicht besonders leise waren. Hoffentlich würden wir beim Frühstück nicht zur Zielscheibe der anderen werden.

Chris: Umzug mit Hindernissen

Es war mir schon bewusst, dass Fynns Leistung nicht besonders gut gewesen war. Allerdings kannte ich den Hintergrund durch Thorsten, der mir von dem Spiel mit Fynns Bruder berichtet hatte. Die Regeneration war also schlicht nicht richtig gemacht worden.

Allerdings wollte ich in diesem Fall darüber kein Wort verlieren. Fynn sah seinen kleinen Bruder so selten, dass ich dieses gemeinsame Spiel nachvollziehen konnte.

Entsprechend gelassen bin ich nach Hause gefahren. Für Maxi war es auch ein wichtiges Erlebnis. So konnte er wieder Selbstvertrauen tanken. Seine Wahrnehmung war auch kritisch genug, dass ihm klar geworden war, dass Fynn kein gutes Spiel gemacht hatte.

Zu Hause packte ich noch ein paar Werkzeuge für den nächsten Tag ein. …..

Heute sollten die ersten Möbel in meine Wohnung in Halle geliefert werden. Martina hatte das für mich während meiner Abwesenheit organisiert. Es war mir unangenehm, dass sie damit mehr Arbeit hatte als es besprochen war.

Deshalb hatte ich mir eine kleine Überraschung ausgedacht und ihr einen großen Blumenstrauß besorgt, den ich am Vormittag vorbeibringen wollte. Sie hatte mich zum Tee eingeladen und da habe ich nicht nein gesagt. Mal einen netten Vormittag genießen ohne Termine und/oder über die Entwicklung der Jungs zu sprechen. Doch Tims und Carlos Entwicklung hatte mich richtig neugierig gemacht. Heute sollten beide mit meinen Jungs trainieren. Darauf freute ich mich auch sehr. Marco hatte mir über die Arbeit mit den beiden nur Positives berichtet und jetzt war ich gespannt, was sie zeigen würden.

Ich betrat die WG und konnte bereits den Duft von frischen Waffeln wahrnehmen. Oh man, heute war mein Glückstag. Martinas Waffeln hatten Legendenstatus.

„Hallo Chris, herzlich willkommen in unserer kleinen Hütte. Hihihi.“

Martina hatte wie immer gute Laune und wir begrüßten uns mit einer festen Umarmung.

„Hi Martina. Was für eine Katastrophe erwartet mich wohl, wenn ich so verwöhnt werde.“

„Hahaha, du hast deinen Humor nicht verloren. Trotz der anstrengenden Zeit mit den Jungs. Allerdings musst du ganz viel richtig gemacht haben, denn hier haben die drei dich in den höchsten Tönen gelobt. Lediglich Tim und Carlo waren schlecht gelaunt, während ihr unterwegs gewesen seid.“

„Ach, weshalb das denn? Sie hatten doch sturmfreie Hütte.“

„Eben, genau darum. Es war ihnen ohne die großen Jungs oft langweilig. Aber ich finde, dass sie davon auch profitiert haben. Sie waren gezwungen, hier mehr eigenverantwortlich zu tun. Das hat sogar bei Tim gut geklappt.“

Mittlerweile hatten wir es uns in der Küche am Tisch gemütlich gemacht und ich erzählte von der Zeit in Manacor. Martina freute sich und berichtete dann von der Zeit aus der WG. Erst danach fragte sie mich:

„Wie fühlt sich das eigentlich an, bald auch ein Haller zu sein?“

„Noch komisch, aber ich bleibe ja auch noch Hiddenhauser. Mir ist es etwas unangenehm, dass du für mich hier so viel regeln musstest. Ich habe dir daher eine Kleinigkeit mitgebracht.“

Ich ging nach draußen zu meinem Auto und nahm den Blumenstrauß heraus. Als ich damit die Küche betrat, fing sie an zu lachen.

„Boah, dass ich das mal erleben darf. Es bringt mir jemand Blumen mit. Und das sieht auch noch ganz toll aus. Du hast einen guten Geschmack, Chris. Dieser Strauß ist wunderschön. Vielen, vielen Dank.“

Sie legte die Blumen an die Spüle, um eine passende Vase zu holen. Ich verteilte währenddessen noch je eine Waffel mit reichlich Sahne für jeden von uns.

„Hier, schau mal. Das sieht doch gut aus, oder?“

„Aber hallo, sehr schön. Aber jetzt setzt du dich wieder hin. Die Waffeln werden doch kalt.“

„Ach, das macht nichts. Übrigens solltest du bitte heute nach dem Training in der neuen Wohnung vorbeikommen. Frau Büscher möchte, dass du den Vertrag unterschreibst.“

„Alles klar, dann werde ich das auch tun. Gibt es sonst noch wichtige Informationen für mich?“

„Hm, ach ja. Tim hat ein paar gute Noten mitgebracht. Er macht Fortschritte in der Schule und auch sonst ist er viel umgänglicher geworden. Du hast wohl die richtige Entscheidung getroffen mit Marco als neuem Trainer.“

„Nein, das war nicht meine Entscheidung. Ich musste mich nur entscheiden die beiden abzugeben. Aber ich hatte die Idee mit Marco. Dass Thorsten und Jan damit einverstanden waren, finde ich natürlich klasse.“

„Da fällt mir noch etwas ein. Fynn hat von einem HIV – Test gesprochen, den sie machen wollen. Weißt du etwas davon?“

„Ja, wir haben in Spanien darüber gesprochen, dass sie noch nie einen Test gemacht haben. Ich denke, Fynn und Dustin möchten Sicherheit haben. Mir gefällt dieser Gedanke, dass sie das für sich entschieden haben.“

„Ich glaube, die beiden werden wirklich erwachsen. Auch Justin hat sich hier toll entwickelt. Der Umzug zu uns in die WG ist ein großer Gewinn. Für uns hier und auch für ihn selbst.“

„Das freut mich zu hören. Wir treffen uns dann nachher in der Wohnung oder nicht?“

„Ja, genau. Ich bin gespannt ob dir das gefällt. Hoffentlich tut es das.“

„Ach, da bin ich ziemlich sicher. Du hast dafür ein gutes Händchen. Bist du bei der nächsten Teamsitzung dabei?“

„Ja, weil doch einige Dinge in der Schule anstehen. Vielleicht sollte ich dazu etwas berichten. Ich befürchte nämlich gerade für Tim, dass ihm das zu viel wird mit dem ganzen Training.“

„Gut. Soll ich Thorsten informieren, dass er das auf die Tagesordnung setzt? Oder sagst du ihm das?“

„Das wäre gut, wenn du das übernimmst. Dann brauche ich nicht extra anzurufen.“

Leider war meine Zeit schon wieder vorbei und ich musste zur Anlage aufbrechen. Ich bedankte mich für die Waffeln und das gute Gespräch und machte mich auf den Weg.

Auf der Anlage war noch nicht viel los, aber heute war auch ein Jugendmannschaftsspiel der U12. Ich war sehr gespannt wie sich unser jüngerer Nachwuchs anstellen würde. Es war die erste Mannschaft, die schon in der OWL-Liga spielte.

Ich betrat mit meiner Tasche den Clubraum und bestellte mir eine Fassbrause. Mit der Flasche in der Hand setzte ich mich auf die Terrasse und genoss die Sonne. Mir war es immer angenehm, frühzeitig auf der Anlage zu sein. So konnte ich noch etwas zur Ruhe kommen und mich auf das Training einstellen. Es war so eine Art Ritual geworden. Außerdem konnte Thorsten dann auch immer noch vor dem Training etwas besprechen falls es notwendig sein sollte.

Heute war ich allerdings allein auf der Terrasse. Ich hatte die Augen für einen Moment geschlossen. Plötzlich hörte ich zwei mir bekannte Stimmen.

Tim und Carlo standen an meinem Tisch und freuten sich wie die Schneekönige.

„Hey, Chris. Endlich bist du auch wieder für uns da. Hast du Marco schon gesprochen?“

Ich stand von meinem Stuhl auf und begrüßte die beiden mit einer Umarmung. Ihre Freude war ehrlich. Erstaunt war ich über ihre zeitige Ankunft. Eigentlich begann das Training erst in einer halben Stunde.

„Nein, Marco habe ich noch nicht gesehen. Warum fragt ihr?“

„Okay, passt schon. Wir gehen uns dann mal aufwärmen. Damit wir einsatzbereit bei dir sind.“

Schon waren sie wieder verschwunden. Erfreulich, dass sie sich mittlerweile eigenverantwortlich aufwärmten und der Trainer das nicht mehr ansagen musste.

Bevor ich mir weiter Gedanken über das Training machen konnte, kam Marco auch auf die Terrasse. Er hatte zwei Flaschen Fassbrause in der Hand.

„Hi Chris, schön, dass ihr wieder zu Hause seid. Ich habe uns mal etwas Nervennahrung mitgebracht.“

Dann stellte er die Flaschen auf den Tisch und wir begrüßten uns herzlich.

„Was für böse Nachrichten hast du für mich? Die Bestechung durch Fassbrause macht mich etwas stutzig.“

Wir mussten beide lachen.

„Nein, keine bösen Nachrichten. Im Gegenteil. Tim und Carlo sind gut drauf und haben toll gearbeitet. Nach anfänglichem Zögern ziehen sie voll mit. Ich hoffe du wirst gleich mit ihnen zufrieden sein. Jedenfalls freuten sie sich auf das Training mit euch.“

„Cool, besonders für Tim würde ich mich freuen. Habt ihr auch bald ein Turnier auf dem Plan?“

„Ja, wir werden den Sparkassencup spielen. Da zählen beide zu den Hauptfavoriten. Mal sehen wie sie damit umgehen. Ist ja ein Heimspiel.“

„Ah, okay. Das ist ein gut besetztes Juniorenturnier. Wir haben das auch immer als Talentscouting genutzt. Leider sind wir in diesem Jahr dann unterwegs.“

Nachdem wir unsere Fassbrause geleert hatten, trugen wir unser Equipment zum Platz. Dort bauten wir einen Parcours auf. Marco wollte gern einen Vergleich haben, wo Tim und Carlo bereits stehen. Es ging um Koordination und Konzentration. Das war eigentlich ihre größte Schwäche. Allerdings war das für Dustin auch nicht immer einfach. Vor allem heute hatten wir für die großen Jungs die Anforderungen deutlich nach oben gelegt.

Es war eine schöne Situation als alle fünf Jungs gemeinsam zu uns an den Platz kamen. Es herrschte eine gelöste Stimmung bis Fynn und Dustin den Parcours gesehen hatten.

„Oh nee, ihr seid gemein. Das ist eine ganz fiese Übung. Immer wenn du denkst, du hast es geschafft, sagt dir Chris, dass es noch schwieriger wird. Bis du irgendwann nicht mehr weiterkommst. Frustrierend.“

„Na und? Es geht doch darum, sich zu verbessern. Wenn ich bei jedem Versuch etwas besser sein kann als zuvor, dann kann ich nicht viel falsch gemacht haben.“

Das war typisch für Carlo. Er ließ sich selten entmutigen. Immer den Blick nach vorn gerichtet. Für Tim natürlich eine Herausforderung, aber er nahm sie jetzt an und rebellierte nicht sofort. Ein deutlicher Fortschritt.

„Los Jungs, nicht lange diskutieren. Ran an die Pylonen. Die Übungen sind bekannt, also los geht es!“

Marco übernahm die Beobachterrolle während ich die Jungs scheuchte. Nach zehn Minuten ging es bereits ans Limit bei Tim und Carlo. Die großen Jungs hatten mehr Reserven, aber ich war zufrieden mit dem Auftritt von Tim und Carlo. Allerdings auch die Großen konnten nicht alle Aufgaben bewältigen.

„So, das war nicht schlecht für den Anfang. Jetzt bleiben Tim, Justin und Fynn bei mir. Carlo und Dustin gehen rüber auf den anderen Platz. Maxi kommt auch noch gleich zu euch. Derjenige, der den Punkt gemacht hat, bleibt auf dem Feld und die anderen wechseln. Wer zuerst zwanzig Punkte hat, gewinnt.“

Marco spielte so lange in der anderen Gruppe mit, bis Maxi auch auf dem Platz war.

Für mich ergab sich jetzt die Möglichkeit bei beiden Gruppen zuzuschauen. Ich war gespannt, ob sich Tim und Carlo beeindrucken ließen oder ob sie gegenhalten würden.

Sie hielten gegen und das sogar sehr gut. Gewinnen konnten sie nicht, aber mit einigen guten Aktionen überraschten sie die großen Jungs. Nachdem Maxi eingetroffen war, stand Marco bei mir und wir sprachen über die Entwicklung unserer Jungs.

Plötzlich tauchte Thorsten bei uns auf.

„Hi Thorsten, was verschafft uns die Ehre deines Besuches beim Training?“

„Dein Bruder ist der Grund. Jan hat angerufen und sich noch für morgen krank gemeldet. Er wird erst übermorgen wieder mit Niko trainieren können. Da sie aber schon einen Tag später zum nächsten Turnier fliegen, muss Niko eine Alternative auf dem Platz haben. Da du nicht erreichbar warst, hat er mich angerufen.“

„Stimmt, ich habe mein Handy auf lautlos, wenn ich Training gebe. Aber was habe ich mit Niko zu tun? Wenn jemand dafür zuständig ist, dann Burghard.“

„Richtig, aber der ist mit Lennart und den Mädchen unterwegs. Jan möchte, dass Niko mit dir arbeitet. Deine Jungs sind die einzigen, die annähernd für ihn interessant sind. Also morgen wird Niko auch mit euch trainieren. Das bekommst du doch hin, oder?“

„Hm, was machen wir mit Tim und Carlo? Sie hatten sich auf das gemeinsame Training gefreut.“

Jetzt schaltete sich Marco mit ein.

„Wir können das doch gemeinsam machen. Die beiden Stunden, in denen Tim und Carlo bei dir sein sollten, machen wir gemeinsam. Dann teilen wir die Gruppe und das bekommen wir schon hin.“

Das war ein Wort. Einerseits fühlte ich mich etwas überrumpelt, aber es war auch eine Bestätigung meiner Arbeit. Jan vertraute mir die Arbeit mit Niko allein an. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Der weitere Trainingsverlauf auf dem Platz verlief gut. Ich schickte die Jungs zum Auslaufen und zur Massage. Mit einem Blick auf die Uhr konnte ich noch in Ruhe duschen und etwas trinken, bevor es in die neue Wohnung ging.

Die Fassbrause nach dem Duschen schmeckte erfrischend und war wohltuend. Ein wenig traurig war ich schon, da herrlichstes Wetter herrschte und ich nicht mit der Panigale unterwegs sein konnte.

Eine Stunde später hatte ich meinen Werkzeugkoffer in der Hand. Ich stand vor dem Haus von Familie Büscher und wartete darauf, dass mir jemand die Tür öffnete.

Von hinten hörte ich ein:

„Hallo Chris, schön dass du da bist. Wir sitzen im Garten. Komm mit um das Haus.“

Ich drehte mich um und schaute in das Gesicht von Malte. Jetzt hatte ich den Zusammenhang. Malte spielte in einer unserer U15 Mannschaften.

„Hi, sehr gern.“, und folgte ihm in den Garten.

Frau Büscher stand auf und begrüßte mich freundschaftlich.

„Herzlich willkommen in deiner neuen Heimat. Nimm doch bitte Platz. Malte, gehst du bitte eine Fassbrause holen.“

„Oh, sehr aufmerksam. Damit können Sie mich gut bestechen.“

„Genau das war unser Plan. Thorsten hat mir erzählt, dass du Fassbrause gerne trinkst.“

Malte brachte zwei Flaschen mit, stellte sie auf den Tisch und öffnete sie. Eine gab er mir und die andere nahm er für sich und stieß mit mir an.

„Ich finde das cool, dass du bei uns einziehst. Dann wird das bestimmt nicht so blöd wie mit dem Studenten. Der hatte zum Schluss nur noch Party gemacht und gekifft.“

„Komm, Malte. Lass die alten Geschichten. Chris interessiert das bestimmt gerade gar nicht.“

„Och, das sehe ich schon etwas anders. Aber vielleicht nicht gerade in diesem Moment. Wir können uns darüber aber gern später unterhalten.“

Malte lächelte und seine Mutter bot mir einen Stuhl am Tisch an. Sie nahm den großen Umschlag vom Tisch und reichte ihn mir.

„Da ist der Mietvertrag drin. Ich nehme an, Thorsten hat dir schon eine Kopie zum Lesen gegeben.“

„Ja. Das hat er und ich bin völlig einverstanden damit. Wo soll ich unterschreiben, Frau Büscher.“

„Bitte zweimal ganz am Ende. Ein Exemplar ist für dich und eins für uns. Und damit wir die Formalitäten hinter uns haben, mach das am besten direkt jetzt.“

Sie gab mir einen Kugelschreiber und ich setzte meine Unterschriften neben die ihren.

„So und jetzt, da die Formalitäten erledigt sind, ich heiße Kristin und ab sofort ist hier das „Du“ vorherrschend. Du lässt dich von Malte doch auch duzen. Das gefällt uns viel besser.“

„Sehr gern. Dann mal prost und auf eine schöne Zukunft unter eurem Dach.“

„Wofür hast du denn deinen Werkzeugkoffer dabei? Willst du noch was arbeiten?“

„Ja, ich wollte zumindest mal schauen, was ich noch so brauche und vor allem, wenn übermorgen mein Bett geliefert wird, brauche ich das, um es aufzubauen.“

„Ach ja, bringst du dann mal dein Motorrad mit? Ich finde das Teil so mega cool.“

Malte war richtig aufgedreht und Kristin gefiel das nicht so sehr.

„Wenn das Wetter so bleibt, werde ich bestimmt mit der Panigale kommen. Deshalb soll das Werkzeug ja erst einmal hier bleiben.“

„Du musst aber das Gerät gut wegstellen. Malte hat so einen Narren daran gefressen, nicht dass da etwas mit passiert.“

Ich schaute zu Malte, der gerade am liebsten seine Mutter erwürgt hätte.

„Naja, er wird ja nicht den gleichen Fehler wie Carlo damals machen und sich dann wochenlang mit Krücken bewegen wollen.“

„Sehr guter Gedanke, Chris. Ich schlage vor, wir gehen mal in deine Wohnung. Da wollte ich dir nämlich noch etwas zeigen.“

Wir gingen ins Haus und ich bekam die Wohnungs- und Hausschlüssel überreicht. Kristin ging voran und vor der Wohnungstür drehte sie sich um:

„Ich habe wirklich eine Bitte an dich. Wenn du mit deiner Maschine kommst, stell sie bitte unter das Carport. Malte und seine Freunde sind so scharf auf das Teil und ich möchte nicht, dass etwas damit passiert. Dort steht es auf festem Grund und ich hoffe inständig, dass sie wissen, dass sie die Finger davon lassen müssen. Kannst du es ihm vielleicht auch noch einmal klar sagen.“

„Ich werde es tun, wenn es erforderlich wird. Im Voraus ihm das zu unterstellen, halte ich für falsch. Aber sollte es notwendig werden, bekommt er eine sehr deutliche Ansprache.“

„Danke, dann lass uns jetzt in die Wohnung gehen.“

Ich schloss die Tür auf und wir betraten den Flur. Dort standen viele große Kartons und Kisten. Verwundert schaute ich, was auf den Kartons stand. Allerdings stand dort überall mein Name drauf. Ich hatte keine Ahnung was für Sachen das waren.

Allerdings staunte ich auch über die Veränderungen in der Wohnung. Alle Wände waren neu gestrichen oder tapeziert worden. Sogar die Fußböden waren teilweise neu verlegt worden.

„Sag mal, was ist hier denn passiert? Gab es Heinzelmännchen, die hier gewerkelt haben?“

„Ja, so ungefähr. Martina war mit Thorsten hier. Sie haben schon mal begonnen, die Wohnung herzurichten. Außerdem hat Martina dir ein paar Möbel bestellt und liefern lassen. Das sind die Pakete hier. Du musst also nur noch zusammenbauen und das einzige Möbelstück, was du dir noch besorgen musst, ist dein Bett. Thorsten hatte gesagt, dass es für deinen Rücken ein besonderes Bett sein muss. Deshalb musst du dich da auch selbst drum kümmern.“

„Oh man, das ist ja cool. Ja, mein Bett ist etwas speziell. Das habe ich aber schon geordert. Das kommt in zwei Tagen her. Da würde ich dich bitten, dass anzunehmen und hier einfach abzustellen. Das müssten vier große Kartons und eine Matratze sein.“

„Klar, kein Problem. Du musst jetzt nur noch auspacken und aufbauen. Wenn du Hilfe benötigen solltest, kannst du Bescheid sagen. Malte oder mein Mann wird sicher mal anfassen können.“

„Das ist sehr nett von euch. Ich denke aber, ich werde erst einmal anfangen und schauen was Martina alles eingekauft hat. Das sieht ja gewaltig aus.“

In diesem Moment hörte ich mir sehr bekannte Stimmen in den Flur kommen. Plötzlich standen Justin, Tim, Carlo, Maxi, Dustin und Fynn da und grinsten.

„Überraschung!“, schallte es aus ihrem Munde.

„Hey, was macht ihr denn hier? Woher habt ihr gewusst, dass ich hier bin?“

„Von mir natürlich. Du sollst doch nicht mehr so schwere Sachen tragen. Da habe ich dir mal Handwerker besorgt.“

Martina stand lachend hinter den Jungs.

„Das ist cool. Danke euch. Dann lasst uns mal schauen, was hier so alles in den Kartons ist. Werkzeug steht dort vorne. Wer also was benötigt kann sich das nehmen.“

Mit einem Cutter Messer schnitt ich die Kartons auf und schaute in jeden hinein. Mein Staunen über die Auswahl der Möbel nahm kein Ende. Alles traf meinen Geschmack. Martina und ich verteilten die Kartons gleich in die richtigen Räume. So konnte sich jeder der Jungs sofort an die Arbeit machen.

Es war eine tolle Aktion, die Martina hier organisiert hatte. Es fühlte sich für mich großartig an. Innerhalb von drei Stunden waren alle Möbel aufgebaut und standen an der richtigen Stelle. Die Wohnung hatte Gemütlichkeit bekommen. Nur mein Bett fehlte noch.

„Leute, ich bin einfach nur begeistert. Diese Überraschung ist euch echt gelungen. Habt vielen Dank dafür.“

Martina hatte alle Jungs um sich geschart und flüsterte Fynn etwas ins Ohr. Der lachte und nickte. Dann machte er zwei Schritte nach vorn.

„Wir haben dir zu danken, Chris. Du bist immer für uns da und hilfst uns bei schwierigen Entscheidungen. Vor allem auch bei Dingen, die außerhalb des Platzes stattfinden. Ich habe so viel von dir gelernt und ganz ehrlich, ich freue mich sehr darüber, dass du jetzt noch häufiger in meiner Nähe bist. Aber jetzt gebe ich das Wort erst einmal an Maxi weiter.“

Es war schon lustig. Maxi räusperte sich:

„Ja, also gut. Ich habe jetzt die Aufgabe, dir als Teamsprecher etwas mitzuteilen. Wir haben uns überlegt, zu einer neuen Wohnung gehört eine Einweihungsparty. Wir wissen aber auch, dass du von den normalen Partys nicht viel hältst. Deshalb haben wir das mal in die Hand genommen und eine kleine, aber dennoch besondere Einweihungsparty organisiert. Sie soll Freitag in zwei Wochen steigen. Zuerst hatten wir geplant, das bei uns im Garten der WG zu machen, damit wir hier nicht Unordnung fabrizieren. Aber Maltes Mutter hat gesagt, dass eine Einweihungsparty da gemacht werden muss, wo auch die Wohnung ist. Also hat sie uns die Erlaubnis gegeben, das hier entsprechend vorzubereiten. Es wäre daher gut, wenn wir an dem Freitagnachmittag kein Training hätten.“

„Ihr seid doch total verrückt. Aber dafür mag ich euch auch so. Also gut, ich frage erst gar nicht, was ihr euch in den Kopf gesetzt habt. Bitte erinnert mich rechtzeitig noch einmal daran, dass ich euch den Nachmittag frei gebe falls ich es vergessen sollte. Ihr habt vermutlich auch schon in den Turnierplan geschaut. Also, ich freue mich auf diese Überraschung, ausnahmsweise werde ich dann wohl mal wieder an einer Party teilnehmen. Davor drücken werde mich jetzt wohl eh nicht mehr können.“

„Sehr kluge Entscheidung. Wir haben von dir nichts anderes erwartet. Dafür versprechen wir auch einen besonderen Abend. Mehr verraten wir nicht.“

Ich musste gestehen, mit der heutigen Aufbauaktion und dieser Geschichte einer Einweihungsparty hatten sie mich komplett überrascht.

„Ich glaube, das wird eine interessante Zeit hier in Halle werden. Ganz ehrlich, mit dieser Nummer habe ich überhaupt nicht gerechnet und ich bin sehr glücklich, dass wir so gut zusammen passen.“

Die spontane Reaktion der Jungs war Applaus.

Das wühlte mich ziemlich auf und mir wurde sehr bewusst, wie eng wir mittlerweile verbunden waren.

„Ich verspüre jetzt etwas Hunger. Wie sieht das bei euch aus? Wir haben fleißig gearbeitet, da sollten wir uns auch ein Abendessen gönnen.“

„Ja, das ist eine sehr gute Idee, Chris. Auch das haben wir bereits vorbereitet. Wir müssen nichts weiter dafür machen, als zu uns in die WG herüber zu fahren. Dort gibt es das passende Abendessen.“

Das war nicht zu glauben. Martina hatte selbst das noch vorbereitet. Jetzt war ich vollends geplättet.

„Sag mal Martina, wie hast du das denn noch hinbekommen? Wir haben doch hier den ganzen Abend gearbeitet.“

„Tja, das bleibt noch mein Geheimnis. Aber ich muss schon zugeben, dass ich dabei heute Hilfe in Anspruch genommen habe. Damit wir das jetzt möglichst schnell aufklären und dich nicht dumm sterben lassen müssen, lasst uns in die WG aufbrechen.“

Wenige Minuten später stieg ich vor der WG aus meinem Auto. Tim und Carlo fegten mit ihren Rädern um die Hecke und stellten diese im Schuppen ab. Die großen Jungs kamen wenige Augenblicke später hinterher. Martina war schon vorausgefahren.

Auffallend war das Verhalten von Dustin und Fynn. Dustin hatte seinen Arm um seinen Freund gelegt und ihm leise etwas ins Ohr gesagt. Darauf wurde Fynn richtig rot im Gesicht. Ich fand das niedlich, während Justin sogleich frotzelte:

„Hey, schaut mal wie rot Fynn geworden ist. Ich möchte gern wissen, was Dustin ihm gerade ins Ohr geflüstert hat.“

„Das möchtest du nicht wirklich wissen. Es sei denn, du stehst auch auf Jungs. Aber dann würde Dustin vermutlich auf dich vermehrt aufpassen, damit du ihm seinen Freund nicht weggreifst.“

Das war ein unglaublicher Spruch von Tim. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht stand er vor Justin und besonders schön war Dustins Reaktion, der Tim die Hand zum Abschlagen hinhielt.

Jetzt war es an Justin, rot zu werden und Fynn gab Dustin spontan einen dicken Kuss. So locker hatte ich die beiden schon lange nicht mehr erlebt. Eine schöne Szene.

Als wir durch den Flur gingen, konnte ich erkennen, dass auf der Terrasse bereits gedeckt war.

Martina kam uns entgegen.

„Da seid ihr ja. Geht schon raus. Ich hole noch das Essen aus der Warmhaltekiste. Fynn, nimmst du bitte die Fassbrause aus dem Kühlschrank mit nach draußen.“

Was hatte Martina organisiert? Es wurde zumindest spannend.

Wir hatten Platz genommen, nur Carlo und Tim fehlten noch. Plötzlich tauchten sie mit Martina auf der Terrasse auf und jeder hatte eine große Styroporkiste in der Hand.

„Heute haben wir uns ein besonderes Essen verdient. Carlos Eltern waren so nett, uns mit reichlich Pasta und Salat zu versorgen. Ich wünsche einen guten Appetit.“

Das war also die Vorbereitung. Ein genialer Schachzug und natürlich hatten sich Carlos Eltern mächtig ins Zeug gelegt. Es gab Scampis und Calamaris in einer Sauce, dazu verschiedene Nudeln und auch Überbackenes war dabei. Einfach nur lecker war das. Entsprechend blieb auch nichts übrig. Aber ich befürchtete, dass wir alle mehr gegessen hatten als wir tun sollten. Heute war es mir allerdings egal. Wir hatten gemeinsam gearbeitet und das Ganze hatte dem Teambuilding mehr als gut getan.

Mit viel Spaß genossen wir noch den gemeinsamen Abend. Tim und Carlo hatten wir gegen elf in die Betten geschickt. Das war sicher etwas spät, aber heute durfte das mal erlaubt sein.

Dustin: Die Steevens spielen wieder mit

Unsere Überraschung, beim Möbelaufbau zu helfen, war ein voller Erfolg. Die Freude bei Chris war groß. Heute hatte Chris unser Training erst am Nachmittag angesetzt. Daher waren wir seit längerer Zeit mal wieder in der Schule. Ein komisches Gefühl.

Aber es war ein angenehmer Empfang. Ich musste vor allem von unserer Begegnung mit Rafael Nadal erzählen. Sogar die Lehrer freuten sich mit mir über diese gute Entwicklung. Ich hatte nicht das Gefühl zu einem Außenseiter geworden zu sein. Obwohl ich schon eine Sonderrolle in der Klasse hatte. Schließlich waren wir nur noch recht selten für einen längeren Zeitraum in der Schule.

Zumindest in dieser und der nächsten Woche waren wir alle Tage in der Schule. Es standen in der nächsten Woche drei Klausuren an. Chris hatte mir den Lehrstoff bereits besorgt und somit war ich einigermaßen im Bilde. Was nicht hieß, dass ich auch alles beherrschte. Leider. Insbesondere in Physik fehlte mir gerade der Durchblick.

Mittags in der WG befragte ich meinen Schatz zu diesem Thema. Schließlich war Fynn ja eine Stufe über mir. Doch er konnte mir auch nicht wirklich weiterhelfen. Martina gab mir aber den Tipp, mit Chris das Thema zu behandeln. Sie wusste, dass er früher Physik sogar als Leistungskurs hatte.

Nach dem Essen wählte ich aber dann zuerst Lucs Nummer, denn ich wollte mit ihm über die Einweihungsparty und die Überraschung sprechen.

„ Lucien Maergener.“

Seine Stimme klang erkältet.

„Hi Luc, hier ist Dustin aus Halle.“

„Hi Dustin. Das freut mich jetzt riesig von euch zu hören. Wie ist denn die Lage? Schon wieder in Deutschland eingelebt?“

„Es geht so, vor allem wieder in die Schule gehen zu müssen ist komisch. Aber wir können ja nicht ständig nur herumreisen, irgendwann müssen ja auch Prüfungsarbeiten geschrieben werden.“

„Hihihi, ja das kommt mir sehr bekannt vor mit den Prüfungen. Momentan stehen hier die letzten für mich an. Danach habe ich sozusagen vorlesungsfreie Zeit und werde verstärkt bei Karl in der Firma sein. Stef kommt auch gut in der Schule zurecht. Sein letztes Jahr ist angebrochen.“

„Das hört sich doch gut an. Wie sieht das eigentlich bei euch aus mit dem Besuch zu Chris Einweihungsparty?“

„Soweit gut. Ich habe mit Papa schon gesprochen. Er hat eine Idee, aber was das genau ist, hat er noch nicht verraten. Ich befürchte auch, dass wird er uns nicht verraten wollen. Er gedenkt nämlich, diese Überraschung Chris persönlich zu überreichen. Also plant bitte mit vier Personen aus der Familie Steevens. Mama möchte unbedingt auch mitkommen und endlich einmal die Base kennenlernen.“

„Wie cool ist das denn bitte? Aber klar, das organisieren wir hier. Wie lange werdet ihr bleiben?“

„Das kann ich noch nicht so genau sagen, aber Stef und ich kommen aus München und wollen auf jeden Fall schon am Donnerstag abends bei euch sein. Wir werden vermutlich fliegen. Was Papa macht, kann ich euch noch nicht sagen. Wie lange wir bleiben können, müssen wir noch besprechen. Ich muss Karl fragen, ob ich noch einen zusätzlichen Tag frei nehmen kann. Dann würden wir montags wieder zurück nach München fliegen.“

„Sehr gut. Wir freuen uns auf euch. Dass deine Eltern auch kommen, ist natürlich mega geil. Das wird für Chris eine echte Überraschung werden. Da bin ich jetzt schon auf sein Gesicht gespannt, wenn er realisiert, dass Marc und Sabine auch seinetwegen gekommen sind.“

„Könnt ihr vielleicht schon im Sportparkhotel für uns Zimmer reservieren ohne dass es auffällt?“

„Klar, das lassen wir über Thorsten laufen. Der wird Chris mit Bestimmtheit nichts davon sagen, wenn wir ihn darum bitten. Keine Sorge.“

„Das hört sich gut an. Dann mach das bitte. Wir freuen uns auch auf euch und das Wiedersehen in Halle. Wer hätte am Anfang gedacht, dass Chris jetzt ein Haller wird und ganz nahe an der Base wohnen wird.“

Ich musste lachen. Das wiederum erstaunte Fynn, der mittlerweile zu mir gekommen war. Er hatte das Gespräch nicht verfolgen können und wunderte sich nur über meine Reaktion, weil er mir zuvor gerade einen Kuss gegeben hatte.

Ich beendete mein Gespräch mit Luc, denn er war ja bei Karl in der Firma und ich wollte ihn nicht länger als notwendig von der Arbeit abhalten.

Dass wir nun bis zum Training noch etwas Zeit hatten, ließ sich Fynn natürlich nicht entgehen und er entführte mich in unser Appartement. Bevor ich meine Tasche für das Training packen konnte, hatten wir noch einen Abstecher ins Schlafzimmer gemacht.

Ich zog mich wieder an und musste lachen, weil das Gesicht von meinem Schatz zu komisch aussah. Fynn fragte sofort nach:

„Hey, was ist los? Das war doch mega geil gerade. Jetzt sind wir viel entspannter beim Training.“

„Ich finde uns gerade etwas sexlüstern und möchte nicht wissen, was Tim und Carlo über uns denken, sollten sie das mitbekommen haben.“

„Sie werden denken, dass wir gerade Spaß miteinander hatten. Sie sind doch keine kleinen Kinder mehr und können sich gut vorstellen, dass wir auch im Bett unseren Spaß haben.“

„Ich finde, wir sollten wieder häufiger zu Hause sein. Hier kann ich mich auch mal gehen lassen und das mit dir genießen.“

„Sag das mal Chris. Der wird uns steinigen, wir wollten diesen Weg ja so. Aber es macht im eigenen Bett echt mehr Spaß.“

Fynns Gesicht nahm ein deutliches Rot ein. Dennoch mussten wir so langsam zum Training aufbrechen. Wir hatten verinnerlicht, dass es Chris überhaupt nicht mochte, wenn jemand zu spät kam. Da wäre der Spaß definitiv zu Ende.

Als wir zu dritt an der Anlage ankamen, stand die Panigale auf dem Parkplatz. Chris war also schon da. Allerdings konnten wir ihn nicht wie gewohnt auf der Terrasse finden. Etwas irritiert gingen wir uns umziehen.

Maxi kam zu uns und er hatte die uns noch fehlende Information.

„Hi, wir sollen gleich zum Platz elf kommen. Chris wartet dort auf uns. Hat er mir eben gesagt. Tim und Carlo sind schon dort.“

„Okay, dann lasst uns dort hingehen. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Chris erwartet uns pünktlich.“

„Mach kein Stress, Fynn. Wir müssen uns noch aufwärmen. Chris hat gemeint, dass wir schon aufgewärmt an den Platz kommen sollen.“

Maxi schien gut informiert zu sein. Aber das sollte mir nur recht sein. Allerdings mochte ich das Einlaufen überhaupt nicht. Ich bevorzugte das Sprungseil. Genau wie Justin. Maxi und Fynn gingen laufen.

Während wir uns mit dem Seil aufwärmten, kam Tim bei uns vorbei. Er wollte zur Toilette.

„Hi, zieht euch warm an heute. Chris spielt bereits mit Niko ein paar Bälle. Das sieht nach hartem Training für uns aus.“

Chris spielte selbst ein paar Bälle mit Niko? Was sollte das denn? Davon war bislang nicht die Rede gewesen. Da musste also irgendetwas Besonderes passiert sein. Justin und ich nahmen schnell unsere Taschen. Das wollte ich natürlich sehen, wenn Chris mit Niko spielte. Nikolosz war immerhin die Nummer zwanzig in der Welt. Und dann würde Jan in der Regel auch nicht weit sein. Das versprach ein spannendes Training zu werden.

Aber am Platz stellten wir fest, dass Jan nicht zu sehen war. Chris spielte ein paar entspannte Bälle mit Niko. Das sah richtig locker aus. Chris Technik war wirklich gut. Es war schade, dass durch seine Verletzungen sein Spiel so eingeschränkt wurde. Den Spaß am Tennis konnte ich schon an den wenigen Bällen sehen. Auch Niko freute sich über die guten Ballwechsel. Er sparte nicht mit Lob, nachdem Chris uns gesehen und sein Spiel beendet hatte.

„Hi Jungs. Wo bleibt denn der Rest?“

„Die müssten jeden Moment hier sein. Die sind laufen gegangen, während wir uns mit dem Seil aufgewärmt haben.“

„In Ordnung, habt ihr Tim und Carlo auch gesehen? Die sollten sich auch hier einfinden. Es gibt heute etwas geänderte Bedingungen. Ich wollte es nur einmal erklären müssen. Also schlagt euch ein und wenn die anderen gleich auch da sind, erkläre ich das Programm.“

Chris nahm sich ein frisches Hemd aus der Tasche und zog es sich an.

Platz zwölf nahmen wir hinzu und Chris überließ es uns, wie wir uns aufteilten. Als dann alle am Platz waren, unterbrach Chris das Spiel.

„Kommt ihr bitte alle einmal zu mir.“

Schnell versammelten wir uns an seiner Bank. Niko stand neben mir. Chris wechselte jetzt ins Englisch damit Niko auch seine Erklärungen verstand. Hier gebe ich das aber in Deutsch wieder.

„Heute wird das Training etwas anders aussehen als sonst. Jan ist leider krank und kann nicht mit Niko trainieren. Burghard ist auch unterwegs und so hat mich Jan gebeten, Niko mit Arbeit zu versorgen. Sie starten morgen auf eine neue Turnierreise. Also beginnen Justin und Maxi hier bei mir. Die anderen gehen bitte auf den Zehner und spielen dort cross mit zwei Bällen. Die Übung dürfte bekannt sein. Fragen?“

„Wie lange trainieren wir heute? Wir werden doch mit Niko gar nicht mithalten können.“

„Keine Sorge, Tim. Ihr spielt euer Pensum und seid danach entlassen. Lasst euch nicht einschüchtern. Spielt einfach mit und alles ist gut.“

„Ich werde euch schon nicht den Kopf abreißen, solltet ihr das Tempo nicht ganz mitgehen können.“, kam von Niko mit einem herrlichen Lachen.

Tim half das nicht wirklich. Ich konnte es an seiner verkrampften Haltung und dem Blick zu Chris erkennen. Chris hatte es sofort bemerkt. Er ging also mit Carlo, Tim, Dustin und mir auf den Zehner und erklärte es Tim noch einmal in Ruhe.

Mit einem kleinen Klaps und dem Kopfnicken von Tim, beendete Chris seine Erklärung. Danach ging er zurück. Schnell gab es klare Kommandos und natürlich wurde es richtig anstrengend für Maxi und Justin. Nikos Niveau war deutlich höher und entsprechend hoch auch sein Trainingspensum.

Chris achtete aber darauf, dass wir recht schnell tauschten. Auch Tim und Carlo bekamen die Gelegenheit, mit Niko zu arbeiten. Damit Niko nicht kalt wurde, spielte immer einer von uns mit Carlo oder Tim.

Es machte viel Spaß mit einem Weltklassespieler trainieren zu dürfen. Dieses Privileg konnten wir auch als solches erkennen und entsprechend ließ sich von uns niemand hängen.

Nach zwei Stunden harter Arbeit war bei mir die Luft raus. Auch bei meinem Schatz ging nicht mehr viel. Justin konnte noch länger das Niveau halten. Maxi musste als erster aufhören. Allerdings auf Anweisung von Chris. Maxi gefiel das zwar überhaupt nicht, aber Chris ließ nicht mit sich reden und damit war das entschieden.

„So, das reicht für meine Jungs. Niko, wir machen eine kleine Pause und dann geht es für dich weiter.“

Es war für mich der richtige Zeitpunkt aufzuhören. Wir packten unsere Taschen und gingen in die Umkleiden.

Chris: Schule wird für die Jungs zu einer echten Belastungsprobe

Die zwei Wochen Trainingsarbeit in der Base zeigten Wirkung. Allerdings nicht nur im positiven Sinn. Dadurch, dass sie in diesen Tagen regelmäßig zur Schule gingen, wurde doch recht deutlich, wie schwierig diese Belastung war. Fynn und Dustin hatten zwei Klausuren nur mit einer vier abgeschlossen. Die dritte Arbeit war allerdings eine zwei bei beiden. Auch eine logische Entwicklung, denn das war ein Aufsatz für das Fach Englisch.

In der nächsten Woche würde es wieder auf die Tour gehen. Es standen zwei Turniere in Folge an. Zuerst würde es in den Osten nach Leipzig gehen. Das war ein Challenger und im Anschluss daran ging es wieder in den Norden nach Lübeck. Das war ein Future Turnier und dort wollte ich, dass meine Jungs ein Erfolgserlebnis bekommen konnten. Auch von den Ergebnissen her. Ein Halbfinale sollte da auf jeden Fall möglich werden. Leipzig war nicht so gut besetzt, so dass nur Maxi in die Qualifikation müsste.

Ich war mir allerdings noch nicht sicher, ob ich ihm diese Reise schon zumuten sollte. Eine Alternative wäre, er würde die erste Woche noch in der Base trainieren und dann direkt nach Lübeck kommen. Maxi sollte sich langsam an die Situation gewöhnen können. In bestimmten Dingen konnte ich seine Trauer noch deutlich spüren. Tennis sollte ein positives Erlebnis für ihn bedeuten. Daher würde Leipzig für ihn meines Erachtens zu früh kommen.

Ich hatte auch die erste Nacht in meiner Wohnung in Halle verbracht. Mein Bett wurde geliefert und das machte die Arbeit für mich deutlich einfacher, da ich viel Zeit einsparen konnte.

Kristin und ich verstanden uns sehr gut. Malte war in einem schwierigen Alter, aber ich mochte ihn. Da würde mit Sicherheit die eine oder andere Problemsituation auf mich zukommen. Vor allem mit meinem Motorrad. Daran hatte er einen Narren gefressen.

Allerdings wunderte ich mich über mich selbst. Diese zwei Wochen Trainingsarbeit strengte mich überraschend stark an. Ich war es nicht mehr gewohnt jeden Tag viele Stunden mit den Jungs auf dem Platz zu arbeiten. Es lag allerdings auch daran, dass ich mehr auf dem Platz mitarbeitete, als von außen Einfluss zu nehmen. Das hatte sich einfach ergeben, aber das musste ich wieder reduzieren. Mein Rücken meldete sich bereits vereinzelt.

Es kam wie es kommen musste. In einer Trainingseinheit stand ich auf dem Platz und spielte die Bälle an. Mit einem lauten Knacken im Rücken wurde die Übung jäh unterbrochen. Es war zwar nichts Ernstes passiert, aber ich musste das Training unterbrechen und mich etwas auf die Bank setzen. Fynn und Dustin wussten sofort, dass etwas passiert war. Sie reagierten aber nicht direkt. Erst als die Einheit später von mir beendet wurde, bekam ich einen Einlauf von meinen Jungs.

„Du kannst auch nicht auf dich aufpassen. Warum stellst du dich auf den Platz, wenn du doch merkst, dass sich dein Rücken meldet. Wir können auch allein auf dem Platz arbeiten. Du kannst von außen immer Einfluss nehmen und korrigieren. Wenn wir am Sonntag Richtung Leipzig aufbrechen und du kannst nicht mit, dann haben wir ein Problem.“

„Nein, dann habt ihr kein Problem. Es würde jemand anderes euch betreuen. Das Problem hätte ich, weil ich mich mit Schmerzen dann zu Hause herumärgern müsste.“

„Falsch, wir hätten sehr wohl ein Problem. Kein anderer kennt uns so gut wie du. Selbst Jan kann uns nicht so gut betreuen, weil er uns längst nicht so gut kennt wie du. Wir wollen mit dir auf die Reise gehen, also pass gefälligst auf dich auf.“

Ich muss wohl sehr komisch geguckt haben, denn die Jungs zuckten etwas zusammen als ihnen bewusst wurde, was Justin gerade gesagt hatte.

„Hey, beruhigt euch. Macht es nicht so dramatisch. Noch lebe ich und kann mich bewegen. Also fahre ich mit euch nach Leipzig und nach Lübeck. Aber ich muss euch schon zustimmen, ich habe nicht richtig aufgepasst und mir zu viel zugemutet. Da werde ich dran arbeiten.“

„Das ist gut, schließlich haben wir morgen noch die Einweihungsparty. Es wäre echt schade, wenn du ausgerechnet dabei Probleme hättest. Es soll eine besondere Party werden.“

Oh, verdammt. Das hatte ich schon komplett verdrängt. Wie gut, dass sich die Jungs darum gekümmert hatten. Sonst wäre diese Feier vermutlich sehr klein geworden.

„Das ist ein gutes Stichwort. Ich habe diese Feier komplett verdrängt. Ehrlich gesagt, habe ich bislang gar nichts vorbereitet. Es war einfach zu viel zu tun.“

„Hahaha, das ist gut. Chris hat mal etwas vergessen zu organisieren. Dass ich das noch erleben kann. Sehr gut.“

Fynn bekam sich gar nicht wieder ein. Auch die anderen klatschten plötzlich Beifall. Dustin hob plötzlich die Hand und alle wurden still.

„Es war doch gar nicht seine Aufgabe, sich darum zu kümmern. Wir hatten diese Idee und wir hatten die Organisation übernommen. Also regt euch ab. Außerdem ist doch alles geplant und vorbereitet. Chris braucht morgen nur anwesend zu sein und gute Laune mitzubringen. Den Rest regeln wir. Vielleicht wäre es gut, wenn Chris heute nicht in Halle bleibt. Damit könnten wir in Ruhe den Garten vorbereiten. Morgen hast du uns ja trainingsfrei gegeben.“

Allerdings, das musste ich ihnen ja beim Möbelzusammenbau versprechen. Umso besser für mich. Da konnte ich den morgigen Tag dafür nutzen, einmal meinen Schreibtisch aufzuräumen, die Panigale zu bewegen und auch einmal bei den anderen Trainingsgruppen zu schauen. Dafür hatte ich sonst viel zu wenig Zeit.

Auf dem Heimweg gingen mir einige Gedanken durch den Kopf. Ich dachte über meine eigene Entwicklung in den letzten Monaten nach. War ich mit dem zufrieden? Wollte ich das wirklich, langfristig so intensiv in die professionelle Tenniswelt einzutauchen? Für mich kam ich zu einer klaren Antwort. Mit diesen Jungs auf jeden Fall. Sollte dieses Projekt irgendwann an den Punkt kommen, wo das Ende der Entwicklung absehbar wurde, müsste ich das neu bewerten.

Besondere Freude empfand ich bei dem Gedanken, dass ich mit meinem Bruder wieder ein positives Verhältnis hatte. Das hätte ich mir vor zwei Jahren absolut nicht vorstellen können.

Als ich meinen Wagen vor der Haustür abstellte, stieg ich mit einem Lächeln aus dem Auto und war zufrieden mit meiner Situation.

Als ich bei einer heißen Tasse Tee noch etwas in meinem Garten saß, fiel mir etwas ein, das ich unbedingt noch erledigen musste. Ein Telefonat nach Leipzig. Ich hatte dort seit einiger Zeit einen guten Freund über Nickstories kennengelernt. Der hatte zwar von Tennis gar keine Ahnung, aber wir waren enge Freunde geworden und ich hatte ihn auch bereits ein paarmal besucht. Wir verstanden uns prächtig. Jörg wäre sicherlich sauer und enttäuscht, wenn ich nach Leipzig komme, ohne ihn vorher zu informieren.

Also nahm ich mein Handy zur Hand und schrieb über Whatsapp eine Nachricht an Jörg. Mal sehen, wann er Zeit finden würde, mir zu antworten. Er hatte ein sehr spannendes Hobby. Er hatte sich einen Traum erfüllt, nebenberuflich als Trambahnfahrer in Leipzig unterwegs zu sein.

Es dauerte gar nicht lange und ich hatte eine neugierige Antwort erhalten. Er fragte natürlich nach, warum ich wissen wollte ob er in der kommenden Woche in Leipzig sein würde.

Ich entschied mich, ihn anzurufen.

„Hi Jörg, bist du im Garten oder in der Bimmel am Fahren?“

„Du kannst fragen. Natürlich im Garten. Sonst könnte ich wohl kaum telefonieren. Wie geht es dir und deinen Jungs in Halle?“

„Mir geht es gut und den Jungs auch. Morgen gibt es eine Einweihungsparty für meine Wohnung in Halle. Und ich ahne, dass das keine normale Party wird. Irgendetwas haben sich die Jungs ausgedacht.“

„Hahaha, das hört sich lustig an. Sonst hast du ja immer die Fäden in der Hand. Du wirst sehen, deine Truppe wird sich etwas ganz Besonderes ausgedacht haben.“

„Ich befürchte es auch, aber mein Anruf hat einen anderen Hintergrund. Wir spielen in der kommenden Woche ab Dienstag in Leipzig ein Challenger Turnier. Wir sind also in deiner Stadt und ich wollte fragen, ob du ein wenig Zeit für uns hättest. Vielleicht eine Stadtführung zu machen oder mit uns einfach etwas Zeit zu verbringen. Vielleicht einmal einen Abend in deinem Garten ausklingen lassen.“

„Coole Idee. Ich würde mich freuen, wenn wir uns sehen können und endlich würde ich deine Jungs einmal kennenlernen. Du hast schon so viel von diesem Projekt erzählt. Werdet ihr mit dem Auto anreisen oder was habt ihr geplant?“

„Das kommt ganz darauf an, ob wir zu viert oder zu fünft anreisen. Da es aber aus Leipzig direkt nach Lübeck weitergehen wird, denke ich, dass wir wohl mit der Bahn nach Leipzig kommen und von dort in den Norden fliegen werden.“

„Aber ein Hotel habt ihr schon gebucht?“

„Ja, das hat Thorsten bereits alles organisiert. Ich würde dir noch die genauen Zeiten schicken, damit du ein wenig schauen kannst, wie du Zeit hast.“

„Ja, das wäre gut. Ich würde mich sehr gern um euch kümmern und euch Leipzig zeigen. Du hast ja schon einiges hier gesehen. Für die Jungs denke ich mir noch ein paar Dinge aus.“

Damit beendeten wir das Gespräch.

Es war ein gutes Gefühl, Jörg als Freund zu haben. Wir hatten bereits mehrfach festgestellt, dass wir in vielen Dingen ähnliche Vorstellungen und Ansichten hatten. Seinen Kleingarten hatte ich bereits beim ersten Besuch in mein Herz geschlossen.

Danach genoss ich die Ruhe in meinem Garten bis spät in den Abend hinein. Die Sterne funkelten und ich konnte sogar einige Satelliten am Himmel finden. Es war für mich nach wie vor immer noch spannend, den Sternenhimmel zu beobachten.

Erst weit nach Mitternacht kam die Müdigkeit und ich ging ins Bett. Die Nacht wurde leider sehr unruhig, denn meine Träume waren alles andere als schön. Aber das kam hin und wieder vor. Mein Unfall war leider tief in mein Gedächtnis gebrannt und tauchte ab und zu in meinen Träumen noch auf.

Entsprechend müde und schlecht gelaunt startete ich in den nächsten Tag. Ich hatte noch einige Dinge für die Wohnung in Halle zu transportieren. Also begann ich nach dem Frühstück, die Sachen in mein Auto zu verladen. Vor allem meine ganzen Tennissachen wollte ich dort haben.

Als ich voll bepackt mit Sachen vor dem Auto stand, klingelte mein Handy. Das passte zu dem bisherigen Tag. Bis ich endlich die zu transpotierenden Sachen abgelegt hatte, war das Klingeln beendet. Also schaute ich auf dem Display nach, wer mich versucht hatte anzurufen. Es war mein Bruder. Das löste bei mir allerdings Verwunderung aus. Er sollte eigentlich bereits auf der Anreise zum nächsten Turnier sein. Also tippte ich auf meinem Smartphone die Rückruftaste.

„Hi Bruderherz, danke für den Rückruf. Ich habe eine Bitte an dich. Könntest du nachher noch etwas aus meinem Haus abholen? Ich habe es dort vorhin vergessen und Thorsten benötigt das unbedingt noch heute.“

„Ist Gundi denn zu Hause? Ich habe heute noch einiges zu erledigen.“

„Ja, sie ist zu Hause. Du kannst einfach hinfahren, wenn es bei dir passt.“

„Eigentlich passt es heute gar nicht. Kann sie nicht zu mir kommen und ich nehme das dann mit nach Halle. Das schaffe ich sonst zeitlich nicht.“

Darauf einigten wir uns. Das freute mich, denn so oft sahen wir uns nicht. Leider war heute die Zeit halt sehr knapp. Dennoch nahm ich mir noch die Zeit für eine Tasse Tee. Ich sollte für Thorsten eine Kiste mit Bällen mitnehmen. Das waren Turnierbälle für das kommende Wochenende.

Während ich im Garten auf meine Schwägerin wartete, schaute ich auf dem Laptop in die Nickstories Redaktion. Dort waren zwei neue Geschichten eingegangen, die von mir noch gelesen und bewertet werden mussten. Eine davon war recht kurz. Also begann ich sie zu lesen und erschrak etwas. Es handelte sich um eine Geschichte, die ganz klar nicht unseren Regeln entsprach. Somit war mein Urteil recht schnell und einfach gefällt. Ablehnung konnte nur die einzig richtige Entscheidung sein.

Leider kam so etwas immer wieder mal vor. Genau dafür gab es unsere Redaktion. Zu prüfen, ob eine Story unseren Regeln entsprach beziehungsweise ob sie inhaltlich akzeptabel war.

Ein: „Hi Chris, störe ich?“,

holte mich zurück in die Realität. Gundi stand neben mir. Ich hatte nicht bemerkt, dass sie um das Haus herum gekommen war und zuckte etwas erschrocken. Sie lachte.

„Wolltest du nicht weniger arbeiten? Jetzt bist du schon fast wieder auf dem Weg nach Halle und machst doch noch am Computer etwas.“

„Hi Gundi. Schön, dass wir uns mal wieder sehen. Setz dich. Ich habe uns frischen Tee gekocht.“

Danach stand ich auf, begrüßte meine Schwägerin mit einer Umarmung und ging ins Haus, um den Tee zu holen.

Mit einem Tablett kam ich wieder nach draußen. Gundi hatte sich den Magnolienbaum angesehen.

„Du solltest den Baum mal beschneiden lassen. Dann bekommen die inneren Äste mehr Licht.“

„Danke für den Hinweis. Ich werde es meinem Vermieter ausrichten. Möchtest du Kandis in deinen Tee oder etwas anderes?“

„Nein, danke. Ich trinke deinen Darjeeling pur.“

Einige Minuten später saßen wir uns gegenüber und unterhielten uns über meine Eltern und über die Zusammenarbeit mit Jan.

„Wie kommst du mit Jan zurecht? Du hattest ja große Bedenken zu Beginn deines Engagements in Halle.“

„Momentan läuft es richtig gut. Ich staune manchmal über Jans Verhalten mir gegenüber. Er unterstützt mich in nahezu allen Belangen. Wenn du mir das vor einem Jahr prophezeit hättest, hätte ich dir vermutlich einen Vogel gezeigt. Es ist allerdings so viel schöner. Ein gutes Gefühl im Moment. Ich habe den Eindruck, dass er meine Arbeit respektiert und gut findet.“

„Das freut mich wirklich. Und ich kann nur bestätigen was du gesagt hast. Er hat großen Respekt für deine Arbeit und deine Art mit den Jungs zu arbeiten. Ich finde es gut, dass du das bemerkst und ihm diese Chance gegeben hast. Euer Verhältnis war sehr schwierig. Ja. Ich habe es von eurer Mutter erfahren, wie schwer du unter Jan gelitten hast.“

Dieses Thema war ein ganz heißes Eisen. Immer noch. Es wühlte mich auf und ich musste für einige Sekunden meine Gefühle sammeln. Gundi spürte das. Sie wartete, bis ich mich etwas beruhigt hatte.

„Entschuldige, ich dachte nicht, dass es dich immer noch so aufwühlt. Ich freue mich deshalb wirklich sehr, dass es euch gelungen ist, sich wieder aufeinander zuzubewegen. Jan ist darüber auch sehr glücklich. Er lässt dir noch einmal seinen Dank ausrichten, dass du gestern mit Niko spontan trainiert hast. Heute geht es Jan wieder besser.“

„Danke, das freut mich. Wir werden am Montagnachmittag nach Leipzig aufbrechen. Von dort geht es nach Lübeck weiter. Also wieder eine Zeit nicht zu Hause. Aber für die Jungs ist das sehr wichtig. Sie müssen sich langsam an das hohe Niveau im Herrenbereich heranarbeiten. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass die Jungs noch lange nicht am Ende ihrer Entwicklung sind. Wie weit es noch nach oben geht, kann man nicht absehen.“

„Du machst das absolut perfekt. Das Team hat das richtig entschieden, dich mit dieser Aufgabe zu betrauen. Keiner kennt diese Jungs und ihre Geschichte so gut wie du und das macht euch so erfolgreich. Du solltest nicht immer so an dir zweifeln. Mach so weiter.“

„Ich danke dir. Du kennst mich gut. Ja, es stimmt. Ich zweifle öfter und frage mich, mache ich das richtig so.“

Leider war meine Zeit begrenzt und zum Abschied umarmten wir uns noch einmal, dann packte ich die Kartons in mein Auto und Gundi fuhr wieder nach Hause. Wenige Minuten später war ich auf dem Weg nach Halle.

Den Nachmittag hatte ich verplant mit einem Trainingsbesuch bei Marco. Er hatte mich gebeten, mir eine neue Gruppe anzusehen. Außerdem hatte ich mich mit Thorsten zum Spielen verabredet. Er hatte angefragt ob ich Lust hätte vielleicht ein paar Bälle zu spielen. Den Jungs hatte ich trainingsfrei gegeben, um den Abend im Garten vorzubereiten. Ich konnte zwar nicht nachvollziehen, warum sie dafür den ganzen Nachmittag brauchen würden, aber das war kein Problem. Also ließ ich sie machen, denn bislang hatte ich keinen Grund, an ihrer Einstellung etwas zu kritisieren.

Bevor ich bei Marco an den Platz kommen konnte, fing mich Thorsten auf dem Weg dorthin ab.

„Hi Chris. Wärst du nachher auch mit einem Doppel einverstanden?“

„Hallo Thorsten, natürlich sehr gern.“

„Also kann ich den beiden zusagen.“

„Klar, mach mal. Ich bin bei Marco am Platz. Er hatte mich gebeten eine Gruppe zu beobachten.“

Dort wurde ich bereits erwartet. Marco stand zwischen zwei Plätzen auf dem Rasen und beobachtete das Spiel seiner Gruppe. Die Kinder waren zwischen zehn und zwölf Jahre alt. Entsprechend lebendig ging es auf den beiden Plätzen her.

„Hi Chris. Schön, dass du Zeit gefunden hast, noch bevor du wieder auf Turnierreise gehst. Schau dir die vier Jungs einfach mal an und wir sprechen nach der Einheit in Ruhe über deine Eindrücke.“

„Das ist okay. Ich werde mich mal so positionieren, dass sie mich nicht direkt im Blick haben. Du machst ein normales Training, oder?“

„Ja, genau. Nichts Besonderes.“

Mein Weg führte zu einer Position, die es mir ermöglichte die Plätze gut zu beobachten, aber ohne im Blick der Kinder zu sein. Ich war neugierig was ich zu sehen bekam.

Interessant wurde es bereits nach wenigen Minuten. Marco hatte eine Übung angesagt und alle spielten korrekt das Geforderte. Bis zu dem Zeitpunkt, als im Team um Punkte gespielt werden sollte. Einer der vier war leistungsmäßig den anderen überlegen. Dieser Junge war der älteste von den Vieren und hatte von Marco den schwächsten der anderen zugeteilt bekommen. Eigentlich eine logische Entscheidung, um annähernd eine Chancengleichheit zu erzielen.

Da es aber für den besten Jungen jetzt nicht mehr ohne Weiteres möglich war zu gewinnen, flog der Schläger über den Platz. Marco setzte ihn daraufhin, nach mehreren Verwarnungen auf die Bank. Eine typische Disziplinlosigkeit von Spielern, die noch nicht lange bei uns waren. Dieser Junge hatte zu begreifen, dass er hier einer von vielen ist und keinerlei Sonderrechte hatte, wie vielleicht in seinem kleinen Verein zuvor.

Plötzlich verließ dieser vielleicht zwölfjährige Junge den Platz und ging. Marco ließ ihn gehen. Das hatte ich so noch nicht oft erlebt. Die anderen trainierten unbeirrt weiter. Sie waren zwar noch nicht so gut, aber Talent war bei allen drei vorhanden. Ich schätzte sie auch um mindestens ein Jahr jünger ein.

Die restliche Zeit verlief ohne weitere Zwischenfälle und als Marco die Einheit beendete, bewegte ich mich zurück zum Platz.

„Was war das denn eben? Er geht einfach vom Platz? Warum lässt du ihn nach dieser Aktion so gehen?“

„Deshalb wollte ich ja unbedingt, dass du dir anschaust was hier passiert. Ich hatte mit Toto, Thorsten und auch schon mit Jan über David gesprochen. Keiner versteht ihn mit seinen Ausbrüchen. Es gibt keinen sichtbaren Grund für dieses Verhalten.“

Diese Informationen waren mir vorab nicht zugänglich gewesen. Aber es war auch nicht meine Baustelle. Jetzt hatte mich Marco um Rat gebeten.

„Zuerst würde ich ihm klar ansagen, dass sein Verhalten inakzeptabel ist. Er kann sich überlegen ob er Tennis bei uns spielen will oder ausrasten. Wenn er sich für Tennis entscheidet, werden wir die Regeln festlegen. Danach können wir über alles sprechen. Auch über seine möglichen Baustellen.“

„Also du würdest jetzt auch die ganz harte Linie fahren? Sonst bist du immer für Gespräche. Warum dein Sinneswandel?“

„Stopp. Es ist kein Sinneswandel. Ich möchte zuerst aber klar haben, wer hier die Regeln aufstellt und wie das zu laufen hat. Danach können wir über alles reden. Du wirst da mit ihm reden müssen. Lass dir erklären, wo er sein Problem sieht und was er nicht hinbekommt. Erst danach wirst du zu ihm vordringen können. Er muss spüren, dass du weiterhin an ihn glaubst und ihn unterstützt, aber nicht alles durchgehen lassen wirst. Der Bewegungskorridor muss für ihn klar begrenzt und formuliert sein. So lange er sich in diesem Korridor bewegt, kann er sich frei bewegen. Jetzt wird dieser Korridor erst einmal sehr klein sein.“

„Aber was ist, wenn er nicht mitspielt und seine Eltern uns die Pistole auf die Brust setzen. Immerhin haben sie einen gültigen Trainingsvertrag mit dem „Breakpoint-Team“ und bezahlen dafür viel Geld.“

„Dann ist dieser Vertrag hinfällig. In jedem Vertrag steht, dass sich der Spieler an die Regeln des Teams zu halten hat. Bei Regelverletzungen kann der Vertrag fristlos aufgelöst werden. Jan hat von Beginn an in alle Verträge diese Klausel gesetzt. Er wollte sich damit unabhängig von dem Wohl der Eltern machen. Dieses Thema habe ich mit Tim und seinen Eltern auch durch. Komischerweise sind konstruktive Gespräche mit allen Seiten immer die beste Lösung. Bei Tim läuft es seit dieser Zeit richtig gut. Wir haben Tim verstanden und er, bzw. seine Eltern haben unsere Position nachvollziehen können. Danach war ein konstruktives Miteinander wieder möglich. Da müsst ihr mit David wieder hinkommen.“

„Gut, das kann ich nachvollziehen. Also sollte ich zuerst mit David noch einmal ein Einzelgespräch führen und dann den nächsten Schritt vorbereiten.“

„Genau! Erkläre ihm, warum du nicht über sein Fehlverhalten hinwegsehen kannst. Und danach versucht ihr ein vernünftiges Gespräch. Mensch, der Junge ist zwölf. Ich vermute, hinter seinem Verhalten steckt mehr. Wenn du ein anderes Verhalten möchtest, dann verändere seine Situation. Vor allem schau hinter die Kulissen der Familie. Er zeigt hier doch nur den Spiegel seiner Seele.“

„Ja, das vermute ich ja auch, aber ich kenne diesen Jungen noch nicht lange genug. Ich bin noch nicht so lange bei euch. Ich danke dir für deine Zeit und deine Hinweise. Mal schauen, wo wir landen und was als nächstes passiert.“

„Du kannst mich immer um Rat fragen. Genau wie ich dich fragen würde. Aber Thorsten steht auch immer für ein Gespräch parat.“

Ich verließ den Platz und gönnte mir im Clubhaus eine Fassbrause. Auf der Terrasse konnte ich Tim und Carlo zusehen. Sie spielten vor ihrem Training noch einige Bälle auf dem Nebenplatz.

Es dauerte einige Minuten bis sie mich bemerkt hatten. Allerdings winkten sie mir dann lachend zu. Sie fragten, ob ich abends pünktlich sein würde. Was für eine Frage? Allerdings war mir da schon ziemlich klar, dass diese Einweihungsparty nicht so gewöhnlich ablaufen würde.

Gedankenversunken schaute ich den beiden zu und hatte nicht bemerkt, dass Thorsten bereits mit Tasche an meinen Platz gekommen war.

„Na, können wir los? Der Platz zehn ist für uns reserviert.“

„Oh, Thorsten. Ich habe dich gar nicht bemerkt. Klar, wir können gehen.“

Auf dem Weg zum Platz fragte er mich:

„Hast du eigentlich zwischendurch auch mal gespielt?“

„Nein, nicht wirklich. Aber für ein Doppel sollte es heute reichen.“

„Okay, dann lass uns mal schauen, wie die Jungs so drauf sind.“

„Welche Jungs? Du hast uns doch nicht meine Jungs zum Doppel eingeladen? Ich dachte, die sind bei Büschers im Garten und bereiten die Einweihungsparty vor.“

„Keine Sorge, das machen sie auch. Schau mal, die beiden hier werden unsere heutigen Gegner sein.“

Wir waren an Platz zehn angekommen und wen ich dort zu sehen bekam, war eine völlige Überraschung.

„Luc und Marc Steevens? Das glaube ich jetzt aber nicht. Wenn das ein Zufall ist, dass ihr ausgerechnet heute in Halle auftaucht, dann falle ich vom Glauben ab und fress einen Besen.“

Sie begannen lauthals zu lachen.

„Hahaha, sehr guter Spruch. Natürlich ist das kein Zufall, Chris.“

Luc kam auf mich zu und umarmte mich. Auch Marc folgte seinem Sohn.

„Das verdankst du deinen Jungs. Sie hatten uns von ihrem Plan der Einweihungsparty erzählt und da wir uns schon lange nicht mehr gesehen hatten, war ich der Meinung, dass wir uns hier mal sehen lassen sollten.“

Marc grinste als er das gesagt hatte. Da wusste ich sofort, da kam noch mehr Überraschung.

„Aber zuerst wollen wir mit dir ein wenig Tennis spielen. Stef und Sabine sind schon dabei mit deinen Jungs, die Einweihungsparty vorzubereiten.“

„Was? Sabine ist auch mitgekommen? Das finde ich genial. Diese Überraschung ist euch gut gelungen. Dann lasst uns jetzt aber ein paar Bälle spielen.“

Eine interessante Situation entwickelte sich am Rande des Platzes. Innerhalb von Minuten hatte sich herumgesprochen, dass Marc auf dem Platz stehen würde. Gerade die jüngeren Spieler scharten sich um den Platz und schauten uns zu. Bei einem Seitenwechsel fragte ich Thorsten:

„Sag mal, sind wir heute im Zoo? Oder was soll das hier?“, und zeigte auf den Gang zwischen den Plätzen.

Dort standen bestimmt dreißig Leute.

Marc und Luc ließen sich davon nicht beeindrucken und spielten mit uns ein lustiges Doppel. Ich hatte schon lange nicht mehr mit so viel Freude auf dem Tennisplatz gestanden.

Erst, als wir nach einer guten Stunde unser Spiel beendeten, wurde Marc von den Kids belagert. Erstaunlicherweise gab er heute geduldig Autogramme. Luc und ich zogen den Platz ab, während Thorsten sozusagen als „Bodyguard“ bei Marc fungierte. Verblüffend, wie begehrt Marcs Autogramme auch heute immer noch waren.

Etliche Minuten dauerte es, bis wir gemeinsam den Platz verlassen konnten. Allerdings schaltete Marc dann wieder in den Modus „Privatmann“ und wir gingen normal unter die Dusche. Beim Anziehen fragte ich:

„Auch wenn ich sicher keine Antwort bekomme, aber was in Gottes Namen habt ihr euch ausgedacht? Ihr seid doch nicht einfach nur wegen dieser kleinen Einweihungsfeier extra aus der Schweiz angereist.“

„Nein, sind wir auch nicht. Luc und Stef sind bereits gestern Abend aus München gekommen, Sabine und ich sind erst heute Vormittag gelandet.“

„Du hast dir deinen Humor erhalten. So wie ich dich kenne. Aber jetzt weiß ich definitiv, dass ihr irgendetwas vor habt.“

Marc lachte:

„Stimmt, mit euch deine Wohnung einzuweihen.“

Es machte keinen Sinn, diese Unterhaltung so fortzuführen. Marc machte sich einen Spaß, mich am langen Arm verhungern zu lassen. Also beendete ich dieses sinnlose Gespräch. Ich musste mich halt in Geduld fassen, was keine sonderlich große Stärke von mir war.

Stef: Sabine übernahm das Zepter

Dustin, Fynn, Justin und auch Maxi hatten wirklich einiges vorbereitet, aber was das Essen und die Beilagen betraf, hatten sie ein wenig geschludert. Sabine und Martina hatten kurzerhand entschieden, noch ein paar frische Salate zu machen. Dafür brauchten sie natürlich Unterstützung.

Interessanterweise waren alle sofort bei der Zubereitung dabei. Besonders lustig wurde es, als sich Dustin und Fynn beim Abschmecken eines Salatdressings in die Haare bekamen. Dustin wollte es nicht mit Senf verfeinern, während Fynn den Senf als notwendig erachtete. Sabine schaute sich das Schauspiel einige Minuten an, ging dann zu den beiden, probierte und fügte eine ganz andere Zutat hinzu. Sie nahm Worcester Sauce und ließ beide im Anschluss probieren.

Dustin und Fynn schauten sich nach ihrer Verkostung an und fingen an zu lachen.

„Ey, Sabine. Du hast den absolut richtigen Griff getan. Das schmeckt cool. Kann so bleiben.“

Fynn gab seinem Freund durch einen Kuss seine Zustimmung und Sabine erwiderte:

„Na, da habe ich wohl noch einmal Glück gehabt. Aber mal im Ernst, wegen so einer Bagatelle wird doch nicht gestritten. Wie soll das mal werden, wenn ihr verheiratet seid?“

Was für ein cooler Spruch. Ich konnte mich nicht mehr beherrschen und brach in lautes Gelächter aus. Schnell waren die anderen in die Küche gekommen, weil sie mitbekommen hatten, dass hier gute Stimmung herrschte.

„Was ist hier denn los?“, fragte Maxi kopfschüttelnd.

„Nix“, kam von Dustin wie aus der Pistole geschossen.

„Wann kommt Chris denn von der Anlage herüber?“, wollte Maxi wissen.

„Wenn er mit dem Doppel fertig ist. Da er aber vermutlich nicht mit deiner besseren Hälfte und Marc gerechnet hatte, wird das wohl noch einen Moment länger dauern. Was uns etwas mehr Zeit gibt, die Salate fertig zu machen. Und wenn du draußen nichts mehr zu tun hast, kannst du ja hier helfen.“

Fynn grinste bei dieser Aussage.

„Doch, wir haben zu tun. Das Feuer will am Leben erhalten werden. Ich bin schon wieder weg.“

Maxi schloss hinter sich die Tür und alle in der Küche brüllten vor Lachen. Maxi in der Küche war vermutlich eher eine Seltenheit.

„Stef, hier hast du gerade unseren Küchenexperten Max gesehen. Beim Essen immer ganz vorne, aber wenn es um die Arbeit, sprich das Zubereiten geht, findet er immer einen Grund sich zu verpissen. Aber das passt schon. Wenn wir darauf bestehen, macht er auch mit. Nur freiwillig in der Küche ist er so oft zu sehen wie man im Lotto einen Hauptgewinn bekommt.“

„Naja, wenn er heute wirklich das Feuer im Griff hat, ist es ja auch gut. Luc kann glücklicherweise fast alles in der Küche.“

„Genau wie du.“

Sabine zwinkerte mir dabei zu. Das war mir etwas unangenehm, denn Luc konnte viel mehr in der Küche als ich. Gut, ich hatte von ihr schon sehr viel gelernt, aber an Lucs Können reichte ich bei weitem nicht heran.

Das Schneiden der Zutaten für einen gemischten Salat ging zügig voran. Vor allem Dustin und Fynn waren ein gut eingespieltes Team geworden. Sie waren auch nicht mehr so ängstlich in ihrer Zuneigung. Für mich eine deutlich positive Entwicklung.

Als wir alle Salate fertig vorbereitet hatten, stellten wir alle Schüsseln in den Kühlschrank. Im Garten hatte Maxi bereits die Glut bestens vorbereitet und begonnen, die ersten Würstchen auf den Grill zu legen.

Bald kamen Tim und Carlo zurück. Sie hatten aktuelle Informationen über die Rückkehr von Luc, Papa und Chris dabei. Somit konnten wir beginnen, den großen Gartentisch zu decken.

Wir hatten gerade die letzten Dinge auf dem Tisch verteilt, als Chris plötzlich im Garten stand und erstarrt auf den Tisch blickte. Kopfschüttelnd ging er auf Sabine zu und begrüßte sie mit einer festen Umarmung. Dann kam er zu mir und die Umarmung war nicht minder herzlich. Die Freude uns wiederzusehen war ehrlich und spürbar.

„Hallo Stef. Es ist wirklich schön, euch alle gesund wiederzusehen. Allerdings macht mir die Tatsache, dass ihr alle meinetwegen zu einer Wohnungseinweihung gekommen seid, akute Kopfschmerzen.“

„Warum das denn? Wir sind bestens versorgt, Thorsten hat uns im Sportparkhotel untergebracht.“

Typisch Luc. Natürlich hatte Chris das anders gemeint, aber mein Freund wusste genau wie er von der wirklichen Situation ablenken konnte. Chris ahnte natürlich, dass wir etwas Außergewöhnliches vorbereitet hatten.

„Natürlich, davon bin ich überzeugt. Allerdings bin ich genauso überzeugt, dass ihr mir noch nicht verraten werdet, warum ihr angereist seid. Ich sollte vielleicht meine Jungs mal befragen. Sie kann ich ja etwas mehr unter Druck setzen. Hihihi.“

Das hatte Chris natürlich nicht ernst gemeint, aber die Jungs spielten gut mit. Sie flüchteten schlagartig in Richtung Grill auf dem Rasen.

„Wie lange werdet ihr bleiben? Wir müssen ja am Montag nach Leipzig aufbrechen. Das wusstet ihr vermutlich, oder?“

Marc stand jetzt bei uns und erwiderte:

„ Ja, das haben uns deine Jungs erzählt. Wir bleiben bis Montag. Auch Luc darf Montag noch bleiben. Karl hat ihm den Tag freigegeben.“

„Das ist echt cool. Aber ich kann mich noch nicht so richtig freuen. Es fehlt mir noch diese eine Information, die mich beruhigen könnte. Klar, ihr werdet es nicht verraten. Also gut. Ich schlage vor, wir essen jetzt erst einmal in Ruhe.“

Chris schaute auf die Terrasse und Martina zeigt ihm den Daumen. Damit war klar, es konnte losgehen. Schnell verteilten wir uns am Tisch. Marc hatte sich neben Chris gesetzt. Ich hatte meinen Schatz neben mir und Dustin und Fynn saßen uns gegenüber.

Richtig lustig wurde es, als Fynn und Dustin sich gegenseitig mit Leckereien versorgten. Jeder hatte sich etwas anderes genommen und sie teilten ihr jeweiliges Essen mit dem Anderen. Allerdings nicht, ohne sich dabei hin und wieder einen Kuss zu geben.

„Meint ihr nicht, dass es langsam mal reicht? Wie soll man bei dieser Knutscherei in Ruhe essen können. Da muss man ja ein Jucken in der Hose bekommen.“

Ich hatte mich fast verschluckt bei diesem Spruch und auch Chris Kopf schnellte zur Seite und schaute Tim verwundert an.

„Sorry, Tim. Allerdings können wir nichts dafür, dass du keinen hast, der dich verwöhnen könnte. Du musst das wohl aushalten, aber wir werden uns jetzt mäßigen. Nicht, dass du gleich einen großen feuchten Fleck in der Hose bekommst.“

Dieser Konter von Fynn war der Knaller. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet und entsprechend war auch von Chris und Martina die Reaktion. Sie legten ihr Besteck an die Seite und klatschten lachend Beifall.

Tim war knallrot im Gesicht, aber blieb ruhig sitzen. Sein Freund Carlo klopfte ihm anerkennend auf die Schulter und kommentierte diesen Spruch:

„Guter Spruch, Tim. Allerdings noch besser gekontert von Fynn. Klassischer Fall von Treffer versenkt. Aber du hast dich gut geschlagen.“

„Absolut, Tim. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet, dass du mittlerweile so cool sein kannst. Mir gefällt das gut. Und an Fynn und Dustin jetzt die Bitte, nehmt euch etwas zurück. Ihr könnt noch die ganze Nacht euren Spaß haben. Jetzt wollen wir in Ruhe fertig essen und dann sollten Dustin, Fynn und Justin ein wenig von der letzten Reise berichten. Marc sollte von euch ausführlich informiert werden.“

Anhand von Dustins Reaktion wurde offensichtlich, dass er von Chris Idee überhaupt nicht begeistert war. Während Chris frech grinste. Das würde ich als klare Revanche sehen. Und Chris hatte die deutlich besseren Karten, denn Dustin nickte nur stumm und Fynn zuckte mit den Schultern.

„Mensch, Chris. Musste das jetzt sein? Dustin scheint nicht gern ausführliche Reiseberichte abzugeben.“

„Ja, allerdings muss das jetzt sein. Schließlich ist Marc der Hauptsponsor. Da sollte das selbstverständlich sein, oder? Was meint ihr dazu?“

Jetzt schaute er Martina und Kristin an, die natürlich ein wenig verunsichert waren, aber Martina kannte Chris gut und wusste, dass er damit einen Plan verfolgte. Todernst nickte sie:

„Auf jeden Fall. Das gehört gegenüber dem Sponsor dazu. Ich denke auch, dass Luc und Stef bestimmt auch einen Reisebericht hören möchten. Oder?“

Was für ein Spiel wurde hier gespielt? Ich entschied mich schnell mitzuspielen und stimmte zu. Luc zeigte mir den Daumen hoch und Marc meinte dann noch:

„Seid froh, dass ich persönlich hier bin und ihr keinen schriftlichen Bericht schreiben müsst. Also, dann mal los. Ich warte.“

Marc lehnte sich in seinem Stuhl zurück und wartete ruhig. Dustin wurde immer nervöser und flüsterte mit Fynn. Dann räusperte er sich noch einmal und begann zu erzählen.

Das ging so ungefähr fünf Minuten. Dann fing Marc immer wieder an zu kichern und auch Chris hatte große Mühe ernst zu bleiben.

„Stopp. Es reicht. Hihihi. Ihr merkt aber auch gar nichts.“, lachte Luc.

„Mensch Leute, Papa verarscht euch doch. Und Chris hat damit angefangen und ihr habt es nicht einmal ansatzweise gemerkt. Lasst es gut sein.“

Mein Schatz beendete dieses Schauspiel und Marc und Chris lagen sich lachend in den Armen. Chris beruhigte sich schnell und klärte die beiden auf. Allerdings hatte Chris die Rechnung ohne Tim und Carlo gemacht.

„Also ich wäre dafür, dass Chris für diesen bösen Scherz eine Wiedergutmachung leisten sollte.“

Tim war mutig mit dieser Ansage. Ich war mir gar nicht sicher, ob das gut bei Chris ankommen würde.

„Was schlägst du vor?“, fragte Chris ernst.

Jetzt hatte er Tim auf dem völlig falschen Fuß erwischt, denn der hatte mit so einer Antwort natürlich nicht gerechnet. Er zögerte und Chris nutzte das sofort für sich aus.

„Da du keinen Vorschlag hast, gehe ich davon aus, dass das hiermit erledigt ist. Lasst uns eine entspannte Gesprächsrunde eröffnen. Für Dustin, Fynn und Tim, ihr müsst nicht immer alles wörtlich nehmen, was Marc oder ich von uns geben. Es macht einfach Spaß, euch auf diese Weise einfach mal ein bisschen foppen zu können.“

Dadurch wurde die Situation wieder deutlich entspannter und Chris berichtete ausführlich über die Entwicklung und Erfolge der Truppe. Über Maxis Verlust des Vaters verlor Chris allerdings kein Wort. Das erstaunte mich.

Allerdings klärte sich das bald auf, denn Chris teilte uns zum Ende mit, dass Maxi wieder häufiger trainiere und der Plan sei, dass er zurück wieder mit auf die Tour käme. Danach gab er an Maxi weiter, der uns über den Tod seines Vaters informierte. Ich konnte spüren, wie sehr es ihn belastete und weshalb Chris es ihm überlassen wollte, nur das zu erzählen, zu dem er sich im Stande fühlte. Das war bewegend.

Luc fragte behutsam nach:

„Wie geht es dir und deiner Mutter mit der Situation? Ist sie wieder vollständig genesen und kannst du ruhigen Gewissens von zu Hause wegfahren?“

„Momentan geht es ganz gut. Es gibt aber auch Tage, da überrollt mich die Traurigkeit und ich muss einfach weinen. Einfach so. Das ist übel. Aber ich habe hier Freunde, die mich dann auffangen und nicht nach dem Warum fragen. Meiner Mutter geht es erstaunlich gut. Sie kann damit besser umgehen als ich. Sie sagt dazu, dass es das Schicksal so gewollt hat. Ich müsste mich damit abfinden und lernen, dass Papa nicht wieder zurück kommt. Das tut aber sehr weh.“

Bei den letzten Worten drohte seine Stimme zu versagen. Alle schwiegen und hörten zu. Bis Marc sich einschaltete:

„Lass es gut sein. Du musst dich nicht quälen. Chris hat dir bestimmt Hilfe angeboten, oder?“

Maxi nickte und er tat mir leid. Ich konnte es nachempfinden, was er zurzeit fühlte.

Marc nahm das zum Anlass, den Bericht von Chris zu kommentieren.

„Bevor ich zur Zukunft etwas sagen möchte, bedanke ich mich für diesen ausführlichen Bericht. Es ist doch schöner einen persönlichen Einblick zu bekommen. Thorsten schickt mir zwar regelmäßig Informationen, auch Chris tut das, aber das Gehörte bestätigt mich nur in meiner Entscheidung. Maxi soll wieder Anschluss finden. Also werde ich die Förderung auch für Maxi fortsetzen. Vielleicht fährst du ja bald wieder mit auf die Turniere.“

Maxi lächelte nun wieder etwas. Er atmete auch tief aus. Diese Aussage war für ihn eine Erlösung und Chris stieg auch direkt darauf ein.

„Das halte ich für eine gute und richtige Entscheidung. Auch wenn Maxis Eltern ihn immer gefördert haben, wird es eine große Entlastung für ihn sein, dass er ohne finanziellen Druck weiter trainieren kann. Vielen Dank für diese positive Nachricht, Marc.“

„Ich hatte zuerst Zweifel, weil ich mir nicht sicher war, ob wir Maxi damit überhaupt einen Gefallen tun. Allerdings hat mir Sabine daraufhin derart in den Allerwertesten getreten, dass ich nicht mehr anders konnte, als das so zu entscheiden.“

Sabine hob daraufhin ihren Zeigefinger, so dass Luc und ich lachen mussten. Einfach klasse, wie Sabine und Marc damit umgingen. Auch Luc und ich fanden das natürlich toll. Es ging also bald wieder zu viert auf die Tour.

Einige Kaltgetränke und viele lustige Anekdoten später, erklang ein helles Klimpern. Marc hatte mit einem kleinen Löffel gegen sein Glas geschlagen. Überrascht unterbrach ich mein Gespräch mit Dustin und Fynn.

„Ich glaube, jetzt ist es soweit. Marc wird die Katze aus dem Sack holen.“

„Hast du eine Ahnung worum es geht?“, fragte mich Dustin.

„Nein, Marc hat uns absolut gar nichts erzählt. Lasst uns mal zuhören.“

Luc setzte sich auf meinen Schoß und alle Augen waren auf Marc gerichtet.

„Ich danke euch. Es wird auch nicht lange dauern, aber ich habe Chris etwas mitgebracht. Schließlich macht man Gastgeschenke, wenn man zu einer Wohnungseinweihung eingeladen ist. Wobei die Einladung ja eher von Dustin und Fynn gekommen ist. Allerdings gefiel mir ihre Idee sehr gut und deshalb ist es mir auch eine große Freude, heute mit Sabine an meiner Seite, hier Gast sein zu dürfen. Luc und Stef sind aus München angereist und wir haben bereits Spaß miteinander gehabt.“

Ich hatte zwar keine Ahnung, was Marc für ein Gastgeschenk dabei hatte, aber wenn er so anfing, bahnte sich hier etwas Außergewöhnliches an.

„Ihr habt mir immer wieder berichtet, wie groß eure Anerkennung für Chris ist. Luc hat mir von einer Begebenheit erzählt, in der ihr euch über das Engagement von Chris unterhalten habt und euch aufgefallen ist, dass ihr nur wenig Gelegenheit hattet, eure Dankbarkeit angemessen auszudrücken. Dann kam jetzt der lange überfällige Umzug nach Halle. Da habt ihr uns eingeladen, damit ihr euch mit diesem Überraschungsbesuch bei Chris bedanken könnt. Das haben wir natürlich sehr gerne getan, denn auch mir ist bewusst, wie wertvoll Chris für eure Entwicklung ist. Aber ich habe gedacht, dass nur ein Besuch nicht wirklich etwas Besonderes ist.“

Marc stand auf und holte eine große Tasche aus dem Haus. Er hatte sie anscheinend dort deponiert gehabt.

„So, nun wollen wir mal schauen was wir Chris mitgebracht haben.“

Marc öffnete den Reißverschluss und alle schauten gebannt auf die Tasche, wie Marc einen Rennoverall aus der Tasche zog.

„Dieser Overall könnte als Dekostück an der Wand hängen. Allerdings habe ich damit etwas anderes vor. Es ist nämlich keiner von mir, sondern ein nagelneuer und wie ihr hier sehen könnt, steht Chris Name drauf.“

Jetzt entstand doch etwas Unruhe, vor allem Chris schien zu ahnen, was gleich kommen würde. Er schüttelte schon leicht den Kopf, während Martina neben ihm stand und ihm etwas ins Ohr flüsterte.

„Ich weiß auch, dass du immer exzellente Helme für deine Motorräder besitzt, aber im Automobilrennsport benötigt man spezielle Helme. Martina war so nett und hatte mir deine Helmgröße mitgeteilt. Luc hat dann die entscheidende Information geliefert, denn du brauchst immer ein spezielles Inlet im Helm. Aufgrund deiner Kopfverletzungen durch den Unfall muss dein Helm gesondert angefertigt werden. Deine Jungs waren so nett und haben sich heimlich deinen Helm für einen 3D-Scan ausgeborgt. Du hast vermutlich nichts davon gemerkt. Jetzt ist das Ergebnis fertig und hier ist dein Rennsporthelm. Luc hat sich Gedanken gemacht und ein entsprechendes Design dafür entworfen. Ich finde das genial gelungen und hoffe, es wird dir auch gefallen.“

Jetzt holte er den Helm aus seiner Umhüllung und ein leuchtendes Drachenwesen strahlte vom Helm. Einfach umwerfend.

Chris schüttelte vollkommen überrascht seinen Kopf, als ihn Marc zu sich bat.

Marc übergab die Sachen mit der Tasche an Chris und umarmte ihn ganz fest. Chris wirkte gerührt. Das hatte ich so noch nicht bei ihm gesehen. Und besonders schön war jetzt die Reaktion von seinen Jungs. Alle waren aufgestanden und klatschten Beifall. Nur Tim bemerkte plötzlich:

„Jetzt muss Chris nur noch bei einem richtigen Rennen damit fahren.“

Das führte zu Heiterkeit, denn Martina und Sabine begannen zu lachen und wir schlossen uns an. Lediglich Marc war etwas irritiert und hob seinen Arm, damit es wieder leise würde.

„Leute, ich bin ja noch nicht fertig mit den Gastgeschenken. Lasst mich bitte ausreden.“

„Ich ahne ganz Böses“, stöhnte Chris.

„Tim hat ja vollkommen Recht. Dieses Equipment muss natürlich auch richtig benutzt werden. Deshalb haben Luc und ich uns etwas überlegt, was ich zwar schon lange im Kopf, bislang aber noch keine passende Gelegenheit gefunden hatte, diese Idee umzusetzen. Mit Mick und Lukas habe ich bereits einmal am 24h Stunden Rennen in der grünen Hölle teilgenommen. Luc war bislang zu jung dafür. Jetzt ist die Gelegenheit gekommen und ich habe die Planung aufgenommen, das Projekt 24 h Rennen erneut anzugehen. Dieses Mal mit Luc und mit Chris in einem Auto. Mick und Lukas werden auf einem zweiten Auto mit Tom Christensen fahren. Also Chris, du musst ab jetzt für dieses Event in sechs Wochen etwas trainieren. Hihihi. Und damit deine Jungs auch etwas zu diesem Gastgeschenk aktiv beitragen, werden sie im Team eingebaut.“

Fynn: Eine Sensation, die Marc mitgebracht hatte

Jetzt brach es aus allen heraus. Diese Überraschung übertraf sämtliche Vorstellungen. Chris erlebte ich zum ersten Mal sprachlos. Er stand regungslos neben Marc und erst als Sabine sich zu ihm gesellte und ihn umarmte lachte er wieder.

Er gab uns ein Zeichen und wir hatten sofort verstanden, dass er um Ruhe bat.

„Danke, ich hatte schon Sorge, ihr verschreckt die Nachbarn. Was soll Malte von euch denken? Wir arbeiten hart und sind keine Partylöwen. So, jetzt mal im Ernst. Das ist das Verrückteste was ich seit langem gehört habe. Da ich Marc aber lange genug kenne, weiß ich, dass er sich das gut überlegt hat, so ein Geschenk zu machen. Der alte, langsame Drache in der grünen Hölle mit einem Rennauto. Ob das gut gehen kann? Naja, Luc kann es ja auch und Marc sowieso, ihr müsst also dann die Zeit wieder rausfahren. Aber ich fühle mich sehr geehrt und auch sehr glücklich. Es ist ein tolles Gefühl, solche Freunde zu haben. Vielen Dank für diesen unvergesslichen Abend. Leute, lasst uns anstoßen auf eine erfolgreiche Zukunft.“

Das war das Signal für Martina, Kristin und Malte. Sie hatten jeder ein Tablett mit Sekt und O-Saft. Für Chris gab es natürlich eine frische Fassbrause. Als jeder ein Glas hatte, wurde angestoßen.

Ich stand mittlerweile mit meinem Schatz neben Chris. Wir sprachen gerade über das kommende Woche stattfindende Turnier, als Marc zu uns kam.

„Ihr könnt aber auch keinen Abend ohne Tennis, oder? Chris, ich muss mit dir meckern. Du bist vielleicht schon etwas reifer, aber keineswegs langsam. Ich möchte an unser Wochenende mit deinen Trainerkollegen erinnern. Da hast du alle locker in die Tasche gesteckt. Du kannst noch ganz gut mit schnellen Autos umgehen. Das wird uns ganz sicher viel Freude bereiten.“

„Eben“, unterstützte Dustin Marc. „Du bist immer noch richtig gut und weißt was du tust. Und wir werden auf dich aufpassen und dich immer gut mit deiner Fassbrause versorgen. Vielleicht sollten wir dir eine Trinkvorrichtung ins Auto einbauen. Hihihi.“

„Keine schlechte Idee, da wird uns bestimmt etwas einfallen. Ich denke, diese Woche dürfte sehr spektakulär werden.“

„Das befürchte ich allerdings auch. Mir wäre ein Tennisturnier lieber. Da weiß ich was auf mich zukommt. Ich habe seit unserem Fahrerlehrgang keine Rennstrecke mehr gesehen. Und das war ja auch eher präzises als schnelles Fahren.“

„Ha“, platzte Dustin heraus, „du hast immer gesagt, nur wer präzise fährt, kann auch schnell fahren. Also hast du beste Voraussetzungen für das Schnellfahren bereits gezeigt.“

Dustin war heute richtig mutig und ein wenig vorlaut für mein Empfinden. Allerdings gefiel mir dieser Vergleich sehr gut. Auch Marc hatte seinen Spaß daran. Er klopfte Dustin dafür prompt auf die Schultern.

Chris schüttelte seinen Kopf und meinte resignierend:

„Ja, ja. Ich habe es begriffen. Es macht wenig Sinn, sich gegen eure Übermacht zu stemmen. Also machen wir das Beste daraus und werden eine lustige Woche in der Eifel haben.“

Damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen und entsprechend fiel unsere Reaktion mit großem Jubel aus.

Wenige Minuten später saßen wir in einer großen Runde auf dem Rasen. Auch Malte hatten wir in unserer Mitte aufgenommen. Je länger wir an diesem Abend zusammen saßen, desto deutlicher wurde mir bewusst, wie gut die Entscheidung war, Chris hier einziehen lassen zu können.

Malte hatte allerdings mit Marc so seine Schwierigkeiten. Marc wurde von uns als Freund behandelt. Malte traute sich überhaupt nicht, auch nur ein Gespräch mit ihm zu führen. Allerdings hatte Sabine dafür das richtige Händchen. Sie interessierte sich für ihn und sprach ihn direkt an.

„Kannst du mir erzählen, wie du in diese Runde gekommen bist? Wir kennen dich noch gar nicht. Die anderen gehören ja schon lange zusammen.“

„Naja, ich gehöre auch nicht wirklich in diese Runde. Ich wohne halt nur hier und meine Mama hatte gesagt, dass ich ruhig dazukommen sollte.“

„Spielst du gar kein Tennis? Oder kennst du die Jungs auch aus dem Verein?“

„Doch, ich trainiere auch dort. Allerdings bin ich nicht so gut wie sie. Wir kennen uns schon einige Zeit.“

„Und wie kommst du mit ihnen klar? Sie werden vielleicht jetzt häufiger mal hier auftauchen.“

„Och, bislang gut. Sie sind ja auch nicht mehr so häufig in Halle anzutreffen. Allerdings finde ich es toll, dass ich heute mit dabei sein darf.“

„Und dass plötzlich Marcs Familie hier auftaucht, damit hast du wohl auch nicht gerechnet.“

Typisch Justin. Immer einen lockeren Text auf Lager. Allerdings hatte er dieses Mal einen guten Zeitpunkt gefunden. Malte nickte und das nutzte Marc, um Malte näherzukommen.

„Wie alt bist du eigentlich? Und bei wem trainierst du?“

„Ähm, ich bin vierzehn und trainiere bei Marco Pöttinger. Das macht richtig Spaß. Ich bin aber nicht so gut wie Dustin, Fynn, Justin und Maxi. Momentan kann ich an einem guten Tag gegen Tim oder Carlo vielleicht mal einen Satz gewinnen. Aber Tennis ist für mich Freizeit und macht tierisch Spaß.“

„Genau so muss es sein. Also bist du in Halle zufrieden?“

„Absolut. Und ich finde es total cool, dass Dustin und Fynn endlich ihre Beziehung offen zeigen. Ihr Sohn ist ja mit Stefan befreundet. Da kennen Sie ja sicherlich die Schwierigkeiten.“

„Hey, Malte. Du hast Mick und Lukas vergessen. Das sind Marcs ältere Söhne.“, rief Dustin dazwischen.

„Boah, Schatz. Du kannst Malte doch nicht so bloß stellen. Woher sollte er das denn wissen können?“

Ich war etwas erbost, dass mein Schatz Malte so blöd aussehen ließ. Anstatt einer Antwort bekam ich einen Kuss. Das war immer wieder schön und ich genoss es jedes Mal. Malte bekam allerdings einen roten Kopf. Marc reagierte aber souverän:

„Das muss dir nicht unangenehm sein. Du kannst Mick und Lukas ja noch nicht kennen. Die beiden sind sozusagen der Grund, dass ich gelernt habe, so gelassen mit Homosexualität umzugehen. Auch für mich war das zu Beginn nicht so einfach. Für dich eine wichtige Information. Solltest du mal in irgendeiner Situation Hilfe benötigen und deine Eltern nicht um Rat fragen können oder wollen,“ und dabei zwinkerte er Malte zu „geh zu Chris und frage ihn um Rat. Er wird dir immer zuhören und dich gut beraten. Egal, was auch passiert ist.“

Jetzt legte Marc Malte seinen Arm um die Schulter und sie zogen gemeinsam Richtung Chris, der mit Tim und Carlo an der Tischtennisplatte stand. Tim und Carlo waren unsere Tischtenniscracks. Egal wo, wenn sie eine Tischtennisplatte sahen, waren sie sofort dabei sich die kleine Zelluloidkugel um die Ohren zu hauen.

Chris: Aus einem tollen Abend wurde ein tolles Wochenende

„Ah, da kommen noch zwei Kandidaten“, lachte ich, als Marc mit Malte kam.

„Können wir ein wenig mitspielen?“, fragte Marc.

Malte war wieder sehr schüchtern und schien nicht ausblenden zu können, dass Marc ein Superstar war. Allerdings war es auch für Tim und Carlo immer noch etwas Außergewöhnliches, Marc so nah zu sein.

„Klar, lasst uns Rundlauf spielen. Dann kann jeder mitspielen.“

„Du musst aber auf deinen Rücken aufpassen, Chris.“

Typisch Carlo, er war einerseits besorgt, aber andererseits hatte er auch den Schalk im Nacken.

Und dann ging es los. Schnell war gute Stimmung und es wurde viel gelacht. Als Malte Marc zweimal aus dem Rennen geworfen hatte, machte Carlo eine flapsige Bemerkung.

„Hey Malte, wenn du so weiter machst, darfst du nie bei Marc mal mitfahren. Hahaha.“

Und dann passierte etwas sehr, sehr seltenes, Malte warf Carlo aus der Runde hinaus. Das war so etwas wie eine Majestätsbeleidigung für Carlo. Er war mit Abstand der Beste an der Platte.

„Okay, ich schlage einen Wettbewerb vor.“, meldete sich Marc zu Wort.

„Da Carlo anscheinend der Crack an der Tischtennisplatte ist, möchte ich ein Duell vorschlagen. Chris und ich spielen gegen Malte und Carlo ein Doppel. Wenn wir verlieren, laden wir alle im Sportparkhotel zum Essen ein. Verlieren Carlo und Malte müssen sie für Chris eine Trainingsstunde bei den ganz Kleinen geben.“

Damit hatte er natürlich den Ehrgeiz gerade von Carlo geweckt. Außerdem waren sich die Jungs sehr sicher, gegen uns zu gewinnen.

Aber natürlich war jetzt richtig Stimmung im Garten. Das Ganze teilte sich in zwei Lager auf. Carlo und Malte wurden von Tim, Dustin und Fynn unterstützt. Justin war neutral, während Maxi sich eher auf unsere Seite stellte. Sabine, Martina, Luc und Stef waren ebenfalls auf unserer Seite.

Marc stellte sich auch als guter Spieler dar. Während ich doch eher mittelmäßig versuchte, den Ball im Spiel zu lassen und keine Fehler zu machen. Dadurch provozierte ich Malte, viele leichte Fehler zu machen. Das wiederum ärgerte Carlo. So hatten sich die beiden recht schnell in den Haaren und wir gewannen den ersten Satz.

Aber was jetzt passierte, erstaunte mich. Carlo nahm sich Malte an die Seite und schien sich für sein Verhalten zu entschuldigen. Sie schlugen sich gegenseitig ab und jetzt zeigten sie ihr ganzes Können. Mit guten gemeinsamen Aktionen spielten sie uns an die Wand. Als Malte den Matchball gegen Marc verwandelte, traute er sich anfangs gar nicht zu jubeln. Carlo hingegen riss die Arme hoch und umarmte Malte.

Die anderen freuten sich mit ihnen und wir hatten kein Problem zu gratulieren. Es war nur interessant wie Malte sich im Anschluss verhielt. Er wollte sich fast bei Marc entschuldigen. Da hatte er die Rechnung allerdings ohne ihn gemacht. Marc ging zu ihm hin, legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach ein paar klare Worte:

„Du hast klasse gespielt, verdient gewonnen und vor allem habt ihr euch nach dem verlorenen Satz als Team präsentiert. Das war richtig gut. Und hör auf, mich als Star zu sehen. Ich bin hier als Freund und Gast von Chris. Du musst damit rechnen, dass wir uns noch häufiger sehen werden. Also entspann dich einfach.“

„Das sagen Sie so einfach“, erwiderte Malte schüchtern.

Jetzt sprang ihm Fynn zur Seite:

„Es ist auch ganz einfach. Mach es so wie wir. Je länger du dich nicht traust, desto schwieriger wird es. Mach einfach. Marc ist echt cool. Außerdem ist er unser Hauptsponsor und weiß genau Bescheid über uns. Du kannst ganz offen mit ihm sprechen. Das bekommst du schnell mit, wenn ihr euch häufiger seht.“

Carlo stand ruhig neben Tim, aber cool erinnerte er Marc an den Wetteinsatz:

„Ihr habt verloren und ihr müsst alle zum Essen einladen.“

Und typisch für Carlo war dabei sein Lachen. Man konnte ihm nicht einmal böse dafür sein. Entsprechend reagierte Marc auch:

„Na klar, Wettschulden sind Ehrenschulden. Morgen Abend geht es ins Sportparkhotel zum Essen. Allerdings erst nach dem Training der Jungs. Das möchte ich mir nämlich ansehen. Schließlich muss ich ja wissen wie ihr euch verbessert habt.“

Dabei zwinkerte er mir zu. Ich wusste darauf zu antworten:

„Kein Problem. Das bekommen wir hin. Am besten bauen wir Tim und Carlo auch mit ein, damit du dir überlegen kannst, die beiden in das Förderprogramm aufzunehmen.“

Das wiederum löste insbesondere bei Tim Unruhe aus. Es fiel ihm immer noch schwer, nicht alles wörtlich zu nehmen. Wobei ich die Möglichkeit einer zusätzlichen Förderung ernsthaft in Erwägung zog. Allerdings nicht ebenfalls mit Marc im Hintergrund. Marc hatte bereits mehr als genug für die großen Jungs getan.

Ich erklärte Tim die Situation und schnell beruhigte er sich wieder. Überhaupt entwickelte sich der Abend noch sehr gemütlich. Vor allem unsere Pärchen hielten sich nicht mit Zuneigungsbekundungen zurück.

Besonders interessant wurde es, als Kristin ihren Sohn gegen Mitternacht ins Bett schickte. Malte war nicht sonderlich begeistert, aber fügte sich der Anweisung. Gegen zwei Uhr in der Früh beendete ich diese Einweihungsfeier und bedankte mich vor allem bei Martina und Kristin für die exzellente Vorbereitung.

„Bevor ihr jetzt nach Hause fahrt, morgen findet das Training ausnahmsweise erst um zehn Uhr statt. Und das wird auch eine Ausnahme bleiben. Also kommt gut nach Hause und seht zu, dass ihr ins Bett kommt.“

Ich war der Meinung, dass sie dieses Entgegenkommen verdient hatten. Entsprechend freudig wurde das aufgenommen und die Jungs wollten sich auf den Weg machen, als Tim mich fragte:

„Wie hast du das jetzt mit dem Training morgen gemeint? Sollen wir dazukommen oder nicht?“

Ich überlegte einen Augenblick und dann kam mir eine Idee.

„Doch, kommt bitte dazu. Wir werden morgen ein etwas anderes Training machen.“

Damit verabschiedete ich die Truppe und bat Justin, die beiden Jüngsten morgens notfalls zu wecken.

Marc, Stef und Luc blieben noch einen Moment mit mir im Garten. Martina war schon nach Hause aufgebrochen. Kristin saß noch mit uns am Tisch.

„Möchte jemand noch etwas zu trinken?“, fragte sie.

„Ja, ich hätte gern noch ein Bier“, grinste Stef.

„Trink nicht so viel deutsches Bier. Das bist du gar nicht gewohnt“, mahnte Luc.

Gleichzeitig gab er seinem Freund einen innigen Kuss. Damit war klar, dass das nicht ernst gemeint war. Luc nahm auch noch eine Flasche, während Marc und ich bei Fassbrause blieben.

„Es ist einfach schön, mit euch wieder zusammenzusitzen und über die Zukunft zu sprechen. Irgendwie finde ich das schade, dass ihr so weit weg wohnt.“

„Weißt du, Chris, es ist nicht so weit weg. Nur seid ihr so selten zu Hause, dass oft einfach keine Zeit für dich bleibt, uns zu besuchen.“

Hm, darüber hatte ich einen Moment nachzudenken. Marc spürte meine Nachdenklichkeit.

„Hey, du hast doch alles richtig gemacht. Du hast dich entschieden mit den Jungs weiter arbeiten zu wollen. Dann geht es nur so. Ihr seid erfolgreich und ganz nah am Durchbruch auf die großen Turniere. Und ich bin davon überzeugt, dass es bald soweit sein wird.“

„Danke für das Lob. Aber manchmal habe ich das Gefühl, es wird mir zu viel. Immer für drei oder vier Spieler verantwortlich zu sein und Entscheidungen treffen zu müssen.“

„ Aber du hast in deinem alten Beruf doch auch ständig für andere wichtige Entscheidungen getroffen. Was ist jetzt anders?“

„Ja, Luc. Das stimmt schon. Allerdings habe ich meinen alten Beruf richtig gelernt und viele Jahre Erfahrungen gehabt. Hier bin ich weder fertig ausgebildet, noch habe ich viel Erfahrung.“

„Ist das momentan wichtig?“, fragte Marc nach.

Ich schaute ihn verwundert an und musste das verneinen.

„Siehst du, also hör auf, immer an deinen Entscheidungen zu zweifeln. Selbst Jan glaubt an deine Arbeit. Sonst hätte er dich nicht mit dieser Aufgabe betraut. Er ist fest davon überzeugt, dass das niemand besser kann als du. Also, mach weiter so und deine Jungs werden es dir danken. Ob jemals einer davon ein Grand Slam Turnier gewinnt, kann heute doch niemand sagen und ist auch nicht wichtig. Du sorgst dafür, dass sie das Maximale aus sich herausholen. Mehr geht nicht. Dann sehen wir, wie weit es noch geht. Und bevor du darüber nachdenkst, von wem dieser kluge Ausspruch ist, der ist von dir.“

Luc hatte mir knallhart gesagt, was er dachte und wie so oft hatte er Recht. Ich musste sogar lachen, als er den letzten Satz gesagt hatte.

„Okay, ich gebe mich geschlagen. Was soll ich dagegen auch sagen?“

„Nichts. Und aufhören so extrem selbstkritisch zu sein. Du hast enorm Erfolg mit den Jungs und auch Jan hat dir deutlich gezeigt wie zufrieden er ist und dass er dir noch mehr zutraut.“

Kristin hatte die ganze Zeit still dem Gespräch zugehört. Jetzt hatte sie das Bedürfnis etwas dazu zu sagen:

„Warum bist du dir selbst gegenüber so hart? Alle, die über dich im Club sprechen, tun das nur positiv. Selbst Burghard ist voll des Lobes über deine Arbeit. Und wer Burghard etwas näher kennt, der weiß, dass er nicht verschwenderisch mit Lob ist.“

„Hihihi, das ist echt gut gesagt, Kristin. Darauf kann ich nichts mehr sagen. Ich werde versuchen, etwas lockerer mit mir umzugehen.“

„Falsch“, schoss Stef sofort dazwischen, „nicht versuchen, machen!“

Da konnte ich nur noch lachend und resignierend meinen Kopf schütteln.

„Jetzt haben wir aber genug auf Chris herumgehackt. Er ist immerhin unser Gastgeber heute.“

„Passt schon, Luc. Manchmal scheine ich das wohl zu brauchen, damit ich mich nicht zu sehr selbst zerstöre. Aber ein Themenwechsel wäre mir jetzt sehr recht.“

„Na gut“, meinte Marc, „dann lass uns doch schon mal über das Nordschleifenprojekt sprechen.“

Da war Marc in seinem Element. Allerdings hatte ich noch überhaupt keinen Plan wie das alles gehen sollte.

„Hast du denn überhaupt schon ein passendes Auto für das Rennen?“

„Noch ist es nicht amtlich, aber wir werden ein konkurrenzfähiges Fahrzeug bekommen. Da kannst du ganz sicher sein. Wenn die Familie Steevens etwas macht, dann bitte richtig.“

„Vielleicht sollte ich dann besser an der Box bleiben und euch fahren lassen. Sonst könnte es peinlich werden.“

„Unsinn“, meldete sich Luc zu Wort. „Du bist kein Lahmarsch, sondern verdammt gut unterwegs gewesen bei dem Fahrerlehrgang für die Trainer. Außerdem kennst du die Nordschleife bereits. Du bist dort schon etliche Runden gefahren. Wenn auch eher mit dem Motorrad und dem Ralleyauto früher, aber den Streckenverlauf kennst du noch. Also das wird schon gut werden. Außerdem will Marc nicht gewinnen. Wir wollen gemeinsam ins Ziel kommen.“

Ich wusste genau, dass Marc sich von diesem Projekt jetzt nicht mehr abbringen lassen würde. Er hatte das bereits genauestens geplant. Und dass er behauptete, er wüsste noch nicht einmal mit welchem Auto wir fahren würden, war schlichtweg eine Schutzbehauptung. Wenn in sechs Wochen das Rennen sein würde, das Projekt gut vorbereitet sein sollte, dann müsste auch das Auto bereits fertig sein. Soviel verstand ich noch vom Rennsport. Aber mir war auch klar, dass Marc heute nicht mehr verraten wollte und würde. Also ließ ich das so stehen und mir lediglich von ihm einen groben Plan geben, damit wir unseren Turnierplan entsprechend organisieren konnten.

Gegen drei Uhr früh lag ich endlich im Bett und war komplett kaputt. Das war ein zwar anstrengender, aber auch sehr schöner Tag gewesen.

Entsprechend müde fühlte ich mich am nächsten Morgen. Allerdings hatte ich den Vorteil, dass die Anfahrt zur Anlage mit fünf Minuten erfreulich kurz ausfiel.

Marc hatte die Idee, ein ausgiebiges Frühstück gemeinsam einzunehmen. Zuerst brachte ich meine Tasche in den Club und fuhr anschließend zum Sportparkhotel. Luc, Stef und Sabine standen bereits in der Lobby, während Marc fehlte.

Mit einer herzlichen Umarmung wurde ich begrüßt.

„Komm, lass uns auf die Terrasse gehen“, lud mich Sabine mit einer flotten Handbewegung ein.

„Wo ist Marc denn?“

„Er muss noch telefonieren. Er hat wohl einen Termin vergessen umzulegen. Das soll uns aber nicht vom Frühstück abhalten.“

Luc und Stef folgten uns und für uns war ein schöner Tisch im Schatten reserviert.

„Was macht die Arbeit in München?“, fragte ich Luc.

„Es läuft gut. Karl ist wohl ganz zufrieden mit mir und mein Studium geht auch gut voran. Stef hat die letzten Wochen Schule vor sich. Wie es dann weitergehen wird, wissen wir noch nicht.“

„Aber du weißt, was du machen möchtest?“, fragte ich Stef.

„Ja, eine Ausbildung zum Erzieher. Ich habe mich nur noch nicht entschieden wo. Ich kann mich zwischen drei Stellen entscheiden.“

„Wow, das ist der Vorteil bei Personalmangel in den Sozialberufen. Bis wann musst du dich entscheiden?“

„In drei Wochen, aber ich habe einen Favoriten. Ich werde nach unserer Rückkehr dort noch ein Gespräch haben. Dann sollte es entschieden sein, denke ich.“

„Das hört sich doch gut an. Ich glaube, dass du in diesem Bereich gute Arbeit leisten wirst. Wenn du mal Fragen haben solltest, darfst du dich gerne bei mir melden.“

„Danke, das wäre cool. Das kommt bestimmt vor, dass ich einen Rat brauche.“

„Aber mit Marc und Sabine hast du sicher auch immer gute Ratgeber.“

„Ach, manchmal ist ein Außenstehender besser als wir beide. Da beruhigt mich das schon, wenn du um Rat gefragt würdest. Hihihi.“

Typischer Humor von Sabine.

In diesem Moment trat Marc an unseren Tisch.

„Guten Morgen, Chris. Entschuldige bitte meine Verspätung. Ich habe aber etwas Wichtiges zu klären gehabt. Aber jetzt wird in Ruhe gefrühstückt.“

Stef und Luc verwöhnten sich mit Leckereien gegenseitig. Auch ein flüchtiger Kuss gehörte dazu. Für mich etwas Alltägliches. Allerdings berichteten die beiden, dass es ihnen in München immer wieder passieren würde, dass sie angepöbelt werden. Das stimmte mich traurig. Auch in Anbetracht unserer nächsten Reise nach Leipzig wurde mir nicht wohler.

Im Osten unserer Republik gab es leider viele rechtsradikale Gruppierungen, die Schwulen gegenüber nicht unbedingt freundlich gesinnt waren. Mal sehen, wie sich das entwickeln würde.

Ich war so in meinen Gedanken, dass ich nicht bekommen hatte, dass Sabine mich angesprochen hatte.

„Was beschäftigt dich so, dass du nicht bemerkt hast, dass ich dich etwas gefragt habe.“

„Oh, sorry. Aber mir gehen nach dem Bericht von Luc und Stef Gedanken durch den Kopf, was uns wohl in Leipzig erwartet. Die Ostdeutschen Bundesländer sind durchsetzt mit rechten Kreisen. Das könnte vielleicht schwierig werden.“

„Das stimmt sicher was du sagst“, erwiderte Marc, „aber du hast immer Unterstützung hinter dir stehen. Lasst euch nicht einschüchtern und macht alles wie immer. Und wenn es Probleme geben sollte, dann bitte sofort eine Meldung an mich. Ich werde mich umgehend darum kümmern. Mit allen rechtlichen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen. Aber gehe positiv an die Sache.“

Genau das wollte ich versuchen, positiv nach vorne schauen. Nur einfach war das nicht. Aber das sollte schon meine Aufgabe sein, die ich zu bewältigen hatte. Mehr Positives sehen und nicht nur die Gefahren im Kopf haben und zu Vieles negativ zu sehen.

Zwei Stunden später traf ich auf meine bestens gelaunten Jungs. Ich hatte für mich zwei Plätze reserviert, weil ich die Gruppe immer teilen wollte. Vier sollten immer parallel Doppel spielen und der Rest bei mir einige Übungen absolvieren.

Vor allem wollte ich, dass Tim und Carlo nie auf einem Platz stehen. Sie sollten sich allein bei den Großen behaupten.

Das Training war in vollem Gang, als ich plötzlich Familie Grehl am Rande erblickte. Selbst Patrick stand ruhig neben seinen Eltern und beobachtete uns. Außerdem stand am anderen Ende des Platzes Marc mit seiner Familie. Ich gab ihm ein Zeichen auf die andere Seite zu kommen.

Ich nahm mir die Zeit, Familie Grehl zu begrüßen, während die Jungs alle Bälle einsammelten.

„Hallo, das ist schön, dass ich euch mal wieder auf der Anlage sehe. Darf ich vorstellen, das ist die Familie Steevens.“

Man gab sich die Hand und Patricks Reaktion war lustig. Er war total überrascht, dass seine Eltern Marc ganz normal begrüßten. Aber er traute sich nicht, etwas zu sagen. Hibbelig tänzelte er von einem Bein auf das andere.

Leider wurde unser Begrüßungsgespräch jäh unterbrochen, denn Tim kam vom Nebenplatz angelaufen.

„Chris, kannst du bitte schnell kommen. Justin ist gestürzt und hat sich verletzt.“

Sofort lief ich mit Tim zum Platz und sah schon von weitem, dass Justin Schmerzen haben musste. Er lag noch auf dem Platz und keiner der Jungs traute sich, ihm aufzuhelfen.

„Was ist passiert?“

Maxi erklärte mir kurz den Verlauf:

„Wir waren im Ballwechsel und Tim spielte einen Stopp, den Justin erlaufen wollte. Dabei ist er wohl mit dem Fuß an der Linie hängengeblieben und böse gestürzt.“

„Okay, danke. Tim, lauf bitte ins Clubhaus und hol mir etwas zum Kühlen und den Sani-Koffer.“

Dann beugte ich mich zu Justin hinunter. Dass Justin vor Scherzen weinte, war bislang noch nicht oft vorgekommen. Ich hatte gedacht, dass das Fußgelenk das größte Problem sein würde, aber erst bei genauerer Betrachtung erkannte ich sein blutverschmiertes Hemd.

„Ach du liebe Zeit. Bist du einmal der Länge nach über den Boden gerutscht?“

Justin nickte nur.

Tim kam mit dem Sani-Koffer und einem Kühlpack. Ich nahm den Koffer und eine Schere heraus. Damit schnitt ich sofort das Hemd auf und legte Justin auf die Patientenfolie. Er hatte tiefe Schürfwunden am ganzen Oberkörper. Das musste umgehend gesäubert werden.

Ich nahm mein Handy und rief bei Christoph, unserem Teamarzt in der Praxis an. Wir sollten Justin in die Umkleide bringen und dort auf ihn warten.

„Kannst du vorsichtig aufstehen? Christoph kommt her und wird das in der Umkleide säubern. Versuche dich etwas zu beruhigen. Das sieht schlimmer aus als es ist. Es tut sicher stark weh, aber scheint keine ernsthafte Verletzung zu sein. Oder was ist mit deinem Fuß?“

„Ahh, tut das weh. Aber der Fuß ist okay, glaube ich.“

„Gut. Maxi, komm bitte mal her. Wir helfen Justin mal zu zweit auf die Beine. Aber pass auf, dass du nicht auf die verletzte Haut fasst.“

Mittlerweile waren auch die anderen Jungs vom Platz zu uns gekommen. Es hatte sich herumgesprochen, dass Justin gestürzt war. Auch Marc war zu mir gekommen und hatte sich erkundigt. Ich bat ihn, die Jungs wieder mit auf den Platz zu nehmen. Je weniger Leute in der Umkleide waren, desto besser war das für Justin.

Dort erlebte ich Justin zum ersten Mal fassungslos. Er war mit der Situation überfordert und total panisch.

„Hey, jetzt komm mal wieder runter. Das tut zwar böse weh, aber es ist kein Weltuntergang und mir auch schon passiert. Das Wichtigste ist jetzt eine optimale Reinigung. Das macht Christoph gleich. Und ich bleibe bei dir. Also alles halb so wild.“

„Das sagst du so einfach. Wir wollen doch nächste Woche in Leipzig spielen. So kann ich nicht spielen. Das empfinde ich schon als Weltuntergang. Außerdem tut das richtig weh.“

In diesem Augenblick betrat Christoph die Umkleide. Den Arztkoffer stellte er auf die Bank und begrüßte uns beide. Danach ließ er sich von Justin den Hergang erklären und schaute sich währenddessen die tiefen Schürfwunden an.

Christoph machte den Koffer auf und nahm eine Kunststoffflasche heraus. Er reichte sie mir und ich wusste was zu tun war. Ich sollte mit dieser Flüssigkeit die Wunden ausspülen. Christoph würde danach einen keimfreien Wundverband anlegen.

Leider wusste ich auch wie schmerzhaft das werden würde. Justin blieb sehr tapfer, aber irgendwann konnte er eine Träne nicht mehr zurückhalten.

„Wir haben das gleich, durchhalten.“

Christoph hatte sich die Wunden genau angesehen und als ich mit dem Auswaschen fertig war, sagte er zu Justin:

„Du hast bis auf eine Stelle Glück gehabt. Das wird schnell abheilen. Aber hier an dem Ellbogen, das wird kritisch. Da müssen wir morgen früh nachschauen, ob es anfängt zu nässen. Dann müsste ich dir ein Trainingsverbot erteilen. Aber schauen wir morgen mal.“

Justin nickte stumm. Ich konnte mir gut vorstellen wie es ihm gerade gehen musste. Aber diese Art von Verletzungen passierten eben beim Tennis.

Schön empfand ich die Reaktion der anderen. Justin wollte nicht allein in die WG, sondern mit mir zurück an den Platz. Sofort unterbrachen die Jungs ihr Spiel und kamen auf Justin zu. Bevor ich etwas sagen konnte, reagierte Fynn bereits:

„Aber nicht anfassen. Das dürfte ihm sonst richtig übel weh tun. Seid vorsichtig!“

Justin blieb tapfer, aber ich konnte mir vorstellen wie es in ihm arbeitete. Ich musste ihn jetzt schnell beruhigen, damit er sich auf die Reise fokussieren konnte.

Die anderen Jungs begannen auch direkt damit, ihn aufzubauen und abzulenken. Ich bat Luc und Stef Justin in die WG zu begleiten und sich dort um ihn zu kümmern. Er sollte eine Dusche nehmen und da wäre es gut, wenn jemand bei ihm wäre.

Jetzt konnte ich die Gelegenheit noch nutzen mit Fynns Familie zu sprechen. Marc und Sabine hatten sich bereits zu ihnen gesellt. Patrick war vermutlich irgendwo auf der Anlage unterwegs.

„Wie tief sind die Wunden? Kann er in Leipzig spielen?“

„Das kann ich noch nicht sagen, Marc. Christoph meinte, dass er das morgen besser beurteilen könne.“

„Ah ja, dann hoffen wir, dass es glimpflich ausgeht. Es wäre sehr schade, wenn er deswegen nicht auf die Turnierreise könnte.“

„Das stimmt. Allerdings habe ich ein gutes Gefühl. Wenn es kritisch wäre, hätte Christoph nicht so entspannt reagiert. Ich glaube, dass wir ihn mitnehmen können.“

Fynns Eltern hatten aufmerksam zugehört und Herr Grehl brachte sich ein:

„Ich denke, dass es nicht nur für Justin sehr wichtig ist mit nach Leipzig zu fahren. Alle haben sich optimal vorbereitet und wenn er fehlen würde wäre das auch für Fynn nicht gut. Er mag es nicht, wenn jemand aus seinem Freundeskreis da nicht dabei wäre. Aber wir möchten uns keinesfalls einmischen.“

„Keine Sorge. Allerdings finde ich diese Information sehr wichtig. Er hat uns gegenüber das so deutlich nicht gesagt. Warten wir einfach morgen mal ab. Aber Christoph hätte mir sonst schon einen Hinweis gegeben.“

Fynns Eltern ließen sich noch auf den aktuellen Stand bringen und besonders schön empfand ich ihren Dank gegenüber Marc zu äußern. Es war für sie eine enorme Erleichterung, dass Marc einen großen Teil der Finanzierung übernommen hatte. Die Turniergelder konnten zwar einiges abdecken, aber eben noch längst nicht alles.

Da wir jetzt noch etwas Zeit ohne die Jungs hatten, bat ich alle mit ins Clubhaus zu kommen. Dort genossen wir noch einen Othello und Marc ließ sich von Fynns Eltern über die Situation aufklären. Es war eine sehr entspannte Runde.

Der Fortschritt in der Familie war deutlich spürbar.

Fynn: Dennoch ein lustiger Nachmittag in der WG

Das Training war richtig gut, bis zu dem Sturz von Justin. Chris hatte uns mit auf den Weg gegeben, dass er dennoch davon ausgehe, Justin mitzunehmen. Unsere Aufgabe wäre es heute, ihn entsprechend aufzubauen und zu motivieren, Christophs Anweisungen auch wirklich konsequent einzuhalten.

Einen besonders schönen Moment gab es für mich aber noch zusätzlich. Meine Familie kam ohne Ankündigung uns beim Training besuchen. Und es war für mich überhaupt nicht mehr belastend, als mein Vater auf mich zukam und mich zur Begrüßung ganz fest umarmte. Manchmal hatte jetzt ich ein schlechtes Gewissen, dass wir so oft unterwegs waren und ich meine Eltern nur selten sehen konnte. Aber wir standen gemeinsam hinter diesem Entschluss. Auch für meinen Schatz war dieser Besuch ein tiefes emotionales Erlebnis. Mein Vater hatte Wort gehalten, ihn mittlerweile adoptiert und die erforderlichen Dokumente erhalten. Somit hatte unsere Familie eine Parallele zur Familie Steevens. Marc hatte damals ja auch Lukas adoptiert, den Freund seines ältesten Sohnes.

Umso schöner war auch die Unterstützung von Marc für uns. Dieses Treffen war etwas ganz Besonderes. Jedenfalls bis zu dem Moment, als sich Justin verletzt hatte.

Dass unser Treffen mit dem Sturz von Justin unterbrochen wurde, war schade. Dennoch hatte Papa mir noch für die kommende Reise einen Umschlag gegeben. Er hatte mir nicht verraten was darin war, ich musste also später noch nachschauen, was sich meine Eltern ausgedacht hatten.

Mein Schatz und ich packten gerade unsere Taschen aus und brachten die nassen Sachen direkt in die Waschküche zur Waschmaschine. Dort trafen wir auch Tim und Carlo und so war schnell eine Maschine gefüllt.

„Vielleicht sollte einer von uns mal bei Justin fragen, ob wir seine Sachen auch waschen können. Ist ja noch Platz in der Maschine.“

„Gute Idee, Tim. Möchtest du gehen oder soll ich fragen?“ Ich empfand den Vorschlag von Tim als überaus kameradschaftlich.

„Ich geh grad. Wartet ihr bitte mit dem Anstellen der Maschine.“

„Äh, was mir gerade einfällt“, meldete sich Carlo, „was sollen wir eigentlich nachher anziehen? Hat Chris etwas gesagt?“

Ich schaute Dustin an und er zuckte mit den Schultern. Wir hatten keine Ahnung. Sollte das ein offizieller Termin sein?

„Nein, auch Marc hat dazu nichts gesagt. Aber es kann eigentlich kein offizieller Termin sein. Bis vorhin wusste Marc ja selbst noch nichts davon.“

„Da wäre ich mir nicht so sicher“, meldete sich Tim von hinten, „vielleicht hat er das ja alles schon vorher so geplant. Bei Marc musst du eigentlich mit allem rechnen.“

„Stimmt“, lachte Dustin und gab mir einen Kuss, „wir sollten angemessen auftreten. Vielleicht in Teamkleidung. Irgendwer kann ja immer eine Kamera dabeihaben. Es würde gut aussehen, wenn wir dann alle in den gleichen Sachen aufträten.“

„In Ordnung, machen wir so. Wie geht es Justin, Tim? Kann er überhaupt mitkommen?“

„Er ist ziemlich niedergeschlagen, hat auch Schmerzen, aber möchte auf jeden Fall mitkommen.“

„Wohin? Nach Leipzig oder zum Essen?“, fragte Dustin.

Darauf gab Tim keine Antwort mehr. Dustin und ich gingen zurück in unser Reich und ich machte uns zwei Elektrolytgetränke. Dustin wartete bereits auf der Couch auf mich.

„Komm, lass uns noch etwas entspannen. Wir haben immer so wenig Zeit für uns.“

Obwohl ich das schon etwas dreist fand, hatte ich aber das gleiche Empfinden wie mein Schatz. Wir hatten eindeutig zu wenig Zeit für uns. Entsprechend schnell hatte er mir die Hose ausgezogen und verwöhnte mein bestes Stück mit einer herrlichen Massage.

„Du bist echt unanständig, Schatz. Schon am Nachmittag.....“

Weiter kam ich nicht, weil seine Lippen meinen Mund versiegelten und ich meinen Freund fest umarmte. Dieses Spiel dauerte noch einige Minuten, bis wir uns erschöpft aber entspannt in den Armen lagen. Allerdings sahen wir nicht mehr ausgehfähig aus. Eine Dusche musste her.

Mit einem Blick auf die Uhr wurde uns klar, die gefühlten Minuten waren fast eine Stunde. Es wurde höchste Zeit, sich auf den Abend vorzubereiten.

„Da seid ihr ja endlich. Wir haben schon gedacht, dass ihr gar nicht mitkommen wollt. Schaut mal auf die Uhr.“

Tim stand auf der Terrasse und zeigte demonstrativ auf seine Armbanduhr. Carlo und Justin standen grinsend etwas abseits. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass uns etwas entgangen war. Aber keiner unserer Freunde erwähnte etwas.

„Ja ja, schon gut. Aber jetzt sind wir ja da und können los. Justin, was machen die Schmerzen?“

„Es geht. Die Wunde am Ellenbogen sollte aber nicht von Stoff bedeckt werden. So wie es jetzt ist, geht es ganz gut. Ich habe allerdings von Martina auch zwei Schmerztabletten und Arnica C30 Kügelchen bekommen.“

„Cool, es ist schön zu hören, dass es dir besser geht. Dann können wir ja aufbrechen. Kannst du denn mit dem Arm Fahrrad fahren?“, fragte Dustin.

„Nein, das hat mir Chris verboten. Deshalb kommt Luc gleich und holt uns mit dem Teambus ab.“

Oh, also war uns doch etwas entgangen. Aber das war wieder typisch Chris. Er war uns in solchen Dingen einfach immer einige Gedankengänge voraus.

Wir waren gerade nach vorn gegangen, als Luc bereits um die Ecke bog und vor dem Haus hielt. Das Fenster surrte herunter und Luc rief heraus:

„Wenn die Herrschaften bitte einsteigen mögen. Papa wartet nicht gerne.“

„Ja ja, das kennen wir von Chris auch schon. Bloß nicht zu spät sein.“

Während wir einstiegen, erwiderte Luc lachend:

„Naja, Fynn, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben oder der Trainer. Hahaha.“

Schnell war die Stimmung im Auto bestens und wir lachten viel über die Sprüche von Luc oder eine kleine Anekdote aus München. Sogar Justin hatte wieder bessere Laune als wir vor dem Sportparkhotel ausstiegen.

Interessanterweise führte Luc uns durch die Lobby in den Garten des Hotels. Dort saßen Chris, Marc, Sabine, Stef und überraschenderweise auch Maxi und Thorsten.

„Hi, da sind ja unsere Helden. Wie geht es dir, Justin?“, begrüßte uns Marc fröhlich.

„Danke der Nachfrage. Es geht etwas besser, aber gut ist anders. Immerhin konnte ich mich fast allein anziehen. Hihi.“

Jetzt überraschte uns Chris noch mit einer Ankündigung.

„Dann setzt euch bitte und falls ihr euch fragt, was Thorsten und Maxi hier machen, ich habe sie eingeladen. Zum einen weil Maxi ja wieder fest zum Team gehört und zum anderen, weil Thorsten und ich euch noch etwas mitzuteilen haben.“

Nachdem wir uns an den Tisch gesetzt hatten, brachte uns der Service ledergebundene Karten und nahm unsere Getränkewünsche auf. Schnell wurde mir bewusst, dass wir die einzigen Gäste im Garten waren. Alle anderen Tische waren nicht einmal eingedeckt. Das erstaunte mich schon ein wenig.

„Wählt bitte das aus, was euch wirklich interessiert. Wir haben die Wette verloren und ihr sollt jetzt nicht denken, ihr dürft nur etwas Einfaches auswählen. Wenn ich etwas vorschlagen darf, gerade für Dustin und Fynn, dann nehmt die Fuhre Mist für zwei Personen. Das ist wirklich genial.“

Dustin stieß Fynn leicht an und sie flüsterten miteinander. Für Luc und Stef war die Wahl bereits klar. Ich entschied mich für eine westfälische Zwiebelsuppe als Vorspeise und dann ein Lammfilet.

Auch die anderen hatten sich recht zügig entschieden und die Speisekarten wurden uns wieder abgenommen.

Bis das Essen kam hatten wir Zeit uns von Luc und Stef über den aktuellen Stand in München berichten zu lassen. Durch Lucs Anwesenheit in München hatte Stef seine Angstattacken nahezu vollständig verloren. Luc lobte allerdings auch die Geigers, die großen Anteil daran hätten. Sie waren so etwas wie Ersatzgroßeltern geworden.

Bevor Chris seine Ankündigungen machen konnte, kamen die ersten Vorspeisen. Er beschloss, den offiziellen Teil erst nach dem Essen zu machen.

Ein lustiger Aspekt war das gegenseitige „Füttern“ von Dustin und mir. Immer wieder reichten wir uns gegenseitig kleine Happen.

„Eigentlich müssten wir das mal filmen“, meinte Marc und zeigte auf Dustin und mich.

„Ja, ich freue mich für die beiden. Endlich haben sie begriffen, dass eine Beziehung nicht nur im Geheimen stattfinden kann.“

Sabine stimmte Chris zu und setzte noch einen obendrauf:

„Es wurde aber auch Zeit. Vor allem wird es Zeit, dass ihr der ATP zeigt, dass auch ein schwuler Spieler genauso gut spielen kann wie ein heterosexueller Athlet.“

„Genau daran arbeiten wir ja gerade. Wer weiß, vielleicht wird in Leipzig der ein oder andere Spieler sein blaues Wunder erleben.“

„Ich würde eher sagen, sein Regenbogenwunder, hihihi.“

Carlo wieder.

Mit einem Grinsen im Gesicht schaute er uns an. Marc zeigte ihm nur den Daumen hoch und ich musste aufpassen, mich nicht zu verschlucken.

Fynn lachte und gab Carlo ein „high five“.

Dafür, dass wir in einem fünf Sterne Hotel und einem Restaurant mit einem Michelin Stern saßen, waren wir ziemlich laut und lustig. So langsam begriff ich auch, warum wir draußen aßen.

Der Hauptgang war verarbeitet. „Möchte jemand noch ein Eis oder seid ihr abgefüllt?“

„Sabine, diese Frage meinst du nicht ernst oder? Die Jungs zu fragen ob sie für ein Eis bereits zu voll sind, das ist überflüssig.“

Mit lautem Gelächter erntete Chris Zustimmung von uns.

„Aber dürfen sie denn auch noch ein Eis? Nicht, dass das vielleicht nicht in den Ernährungsplan passt. Ich möchte nicht gegen deine Pläne arbeiten.“

„Kein Problem. Ein Eis ist immer erlaubt. Außerdem haben wir heute Abend eh schon jeglichen Plan verlassen. Also kommt es da jetzt auch nicht mehr drauf an. Ich esse jedenfalls auch noch ein Eis.“

Das ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und so schleckte wenige Minuten später jeder einen großen Eisbecher.

„So, jetzt sind alle beschäftigt und ich kann euch etwas mitteilen.“

Alle hörten sofort auf ihr Eis zuende zu essen und schauten Chris an.

„Ihr dürft ruhig weiter essen. Es ist auch nur eine Information die Maxi betrifft. Thorsten und ich haben uns beraten und wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass Maxi uns auch nach Leipzig begleiten wird. Auch wenn er noch einen Trainingsrückstand hat und vermutlich bei dem Challenger in der Qualifikation scheitern wird, soll er für die harte Arbeit belohnt werden. Außerdem hätte er hier dann auch kaum gute Trainingspartner. Also Justin, die Zeit des Einzelzimmers ist vorbei.“

Für einen Augenblick herrschte ratloses Schweigen, es arbeitete in allen Köpfen. Plötzlich fing Justin an zu lachen und alle stimmten in das Lachen mit ein.

„So lange das nur für die Turniere gilt, habe ich kein Problem damit.“

„Dann haben wir ja noch einmal Glück gehabt, hihihi.“

Sogar Justin fing an, meinen Humor zu verstehen und darüber lachen zu können.

„Müssen wir denn nicht mehr in die Qualifikation in Leipzig?“, fragte ich skeptisch.

„Nein, mittlerweile habt ihr genug Punkte, um bei diesem Turnier im Hauptfeld zu starten. Das harte Arbeiten hat sich also ausgezahlt.“

„Die anstrengende Arbeit hat sich auch so bezahlt gemacht. Wir sind besser geworden und haben viele neue Erfahrungen gemacht.“

„Sehr gut erkannt. Und damit ihr am Montag fit nach Leipzig aufbrechen könnt, machen wir morgen noch einen richtigen Trainingstag mit Kletterwand am Nachmittag. Mit Luc habt ihr gleich den richtigen Gegner vor Ort.“

„Boah, du bist fies. Wir waren schon lange nicht mehr an der Wand. Da sehen wir alt aus.“

„Jammer nicht rum, Maxi. Du hättest ja selbst mal klettern können. Wir haben uns auch freiwillig häufiger an der Wand versucht.“

Mein Schatz lief zur Höchstform auf.

„Chris, kann ich eigentlich überhaupt mitfahren? Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen.“

Justins Verletzung hatten wir bislang ausgeblendet.

„Habe ich irgendetwas Gegenteiliges gesagt? Natürlich planen wir, dass du mitfährst. Bis Christoph nichts anderes sagt und dir ein Verbot erteilt, läuft alles wie besprochen.“

Manchmal wunderte ich mich immer noch über Chris. Für ihn war das alles völlig klar mit Justin. Ich konnte mir aber noch nicht vorstellen wie Justin mit dem Arm spielen sollte.

Chris: Klettern zum Abschluss am Sonntag

Für mich war der Besuch von Marc mit seiner Familie Erholung pur. Ich konnte in vielen Situationen einfach abschalten und musste nicht ständig an Tennis und die kommende Turnierreise denken.

Insbesondere mit Sabine war es einfach, auch tiefergehende, persönliche Gespräche zu führen. Es half mir, mit mir selbst ehrlicher umzugehen. Besonders interessant wurde es, als sie mir klar sagte, dass ich mehr auf meine Seele achten muss. Mein Akku sei nicht unendlich belastbar und irgendwann wäre die Kapazität ausgeschöpft. Das war eine klare Warnung mit dem erhobenen Zeigefinger.

Obwohl wir noch ein langes Gespräch bis spät in die Nacht hatten, konnte ich bestens schlafen. Entsprechend wohl fühlte ich mich heute früh.

Marc hatte mich davon überzeugt, dass ich mich beim Klettern aus der verantwortlichen Rolle zurücknehmen sollte. Ich sollte selbst ein wenig versuchen an der Wand hochzuklettern. Und nur daran denken müssen und sich nicht um die Organisation kümmern.

Das funktionierte solange ich kletterte und mich nur auf den nächsten Griff in die Wand konzentrieren musste. Gesichert wurde ich von einem unserer Mitarbeiter, der auch mit Ratschlägen unterstützte.

So gelang es mir sogar einen Weg nach oben zu meistern, der etwas schwieriger war. Stolz wie Oskar ließ ich mich nach unten abseilen. Natürlich waren die Jungs alle viel dynamischer in der Wand. Nur Justin stand traurig am Boden und musste seinen Freunden zuschauen.

„Komm mit, Justin. Wir gehen mal etwas trinken. Sabine hat in weiser Voraussicht ein paar Flaschen Fassbrause dabei.“

Das heiterte Justin sofort auf, denn als Sabine uns kommen sah, machte sie auf meine Kosten einen lustigen Spruch:

„Oha, da kommt ein durstiger, alter Drache mit seinem jungen Gehilfen. Wie gut, dass ich genug Flaschen dabei habe. Kommt her und lasst euch den Durst löschen.“

Justin brach sofort in Lachen aus und bekam sich für einen Moment gar nicht wieder ein.

Es war schön Justin mal wieder befreit lachen zu sehen, auch wenn es auf meine Kosten war. Die Fassbrause war trotzdem lecker und wir gingen zu dritt zurück an die Kletterwand. Sabine schaute nach oben. Dort hing Luc gerade an einer der schwierigsten Stellen in etwa fünf Meter Höhe. Sabine ließ es sich nicht anmerken, aber ich konnte die Anspannung in ihrem Körper erkennen.

„Hey, entspann dich. Es kann nichts passieren. Selbst wenn Luc abrutschen sollte, er ist komplett gesichert. Das sieht nur gefährlich aus, ist es aber nicht.“

„Ja, ich weiß. Dennoch macht mich das nervös, Luc da oben zu sehen. Ich muss immer noch lernen, dass er alt genug ist und weiß was er tut.“

„Unsinn, das ist doch normal. Du bist seine Mutter und ihr habt schwere Zeiten gehabt. Das kannst du nicht einfach über Bord werfen. Ich bewundere dich für deine Gelassenheit. Heute ist Luc ein selbständiger, junger Mann mit Freund und intakter Familie im Hintergrund. Und du kannst dich darüber freuen. Ist das nicht toll!“

Sabine lächelte und überraschenderweise umarmte sie mich.

„Danke, Chris. Das hast du schön gesagt. Marc sagt mir das auch immer wieder. Ich habe ja auch schon viel dazugelernt. Ich freue mich sehr über die Entwicklung der beiden.“

Wir blieben noch bis zum Mittag an der Wand. Alles lief bestens. Zum Abschluss holte ich mir alle Jungs zusammen.

„So, für heute ist genug geklettert. Duschen und gemeinsames Mittagessen im Clubhaus. Anschließend machen wir das Abschlusstraining. Justin hat noch einen Termin bei Christoph. Da werden wir gemeinsam entscheiden wie es weitergeht. Fragen?“

Fynn meldete sich zu Wort.

„Wir haben da eine Frage, hier beim Klettern hat uns Luc gerade gezeigt wie schlecht wir noch sind, aber kann Luc nicht mit uns das Abschlusstraining machen?“

„Nein, das richtige Abschlusstraining machen wir ohne Luc. Allerdings dürft ihr im Anschluss noch gerne ein Doppel mit Luc spielen. Aber die Vorbereitung geht jetzt vor.“

Erstaunlicherweise kam kein Protest, nicht mal eine Unmutsäußerung. Auch hier hatten sie einen weiteren Schritt gemacht. Ihr professioneller Erfolg rückte immer mehr in den Vordergrund. Entsprechend fokussiert lief das Abschlusstraining. Stef und Luc schauten mit ihren Eltern die ganze Zeit zu.

Marc und Sabine ließen es sich nicht nehmen, im Anschluss auch noch ein paar Bälle selbst zu schlagen. Das überließ ich aber den Jungs. So entwickelte sich noch eine sehr lustige Spielrunde zum Ende des Tages.

Ich schaute mir das aus einer guten Beobachterposition an und hatte nicht bemerkt, dass Thorsten zu mir gekommen war.

„Na, wie war euer Abschlusstraining? Läuft alles?“

„Training war gut. Jetzt müssen wir noch auf die Entscheidung von Christoph warten, ob wir Justin mitnehmen können oder nicht.“

„Er fährt mit. Ich habe eben mit Christoph gesprochen. Er sieht kein Problem bei Justin. Die Wunde sieht gut aus und er darf spielen. Ob er gut spielen wird, ist eine andere Frage. Das wird ihm mit Sicherheit noch Schmerzen bereiten.“

„Das ist allerdings so. Aber wenn er in Leipzig noch nicht fit ist, sollte es für Lübeck besser aussehen.“

„Stimmt. Ihr brecht morgen auf, genau wie die Steevens. Wie war eigentlich die Einweihungsparty?“

„Ha, gut ist untertrieben. Meine Jungs hatten sich wirklich einiges ausgedacht. Insbesondere mit dem Besuch von Marc mit Familie.“

„Das ist doch toll. Wie ich Marc kenne, hat er auch ein passendes Gastgeschenk mitgebracht.“

„Ein Gastgeschenk ja, ob passend wird sich noch zeigen.“

„Na, das denke ich aber schon. Marc kennt doch deine Größe.“

„Sehr witzig. Wenn es nur das wäre, kein Problem.“

Danach erklärte ich ihm was Marc in der Planung hat. Thorsten schaute mich nur einen Moment sprachlos an, dann fing er an zu lachen und meinte:

„Wie geil ist das denn? Da der Termin steht, wissen wir ja schon einmal, wann wir den nächsten Teamausflug machen müssen. Das werden wir uns ganz sicher nicht entgehen lassen wie unser Drache die grüne Hölle bezwingen wird.“

„Genau das habe ich befürchtet. Und sich dagegen wehren kann ich mich vermutlich auch nicht. Ich glaube, ich melde mich an dem Wochenende krank. Aber zuerst werden wir Leipzig unsicher machen und schauen was da so geht.“

„Hahaha, das gefällt mir. Ich werde euch morgen zum Bahnhof bringen. Von Leipzig geht es dann mit dem Flieger nach Hamburg und dann mit dem Leihwagen weiter. Marc und ich werden morgen noch ein paar Dinge besprechen bezüglich Tim und Carlo. Wir haben den Plan, Tim und Carlo etwas mehr zu fördern und ihnen mehr Turniere zu geben. Und bevor du fragst, wessen Idee das war und Marc ja schon so viel für uns macht, es war seine Idee.“

„Okay, aber wir sollten das nicht übertreiben. Unsere Sponsoren dürfen sich bei derartigen Projekten auch beteiligen.“

„Keine Sorge, das tun sie auch. Sie werden ab sofort von Wilson die Schläger gestellt bekommen und die Saiten ebenfalls. Adidas übernimmt die Bekleidung und somit geht es um einen Kostenzuschuss für die Reisen und Übernachtungen. Die Eltern übernehmen einen Teil und Marc würde den restlichen Teil finanzieren. Über welchen Zeitraum wir das planen, steht noch nicht fest. Das müssen wir morgen noch besprechen.“

„Cool, das hört sich gut an. Marco scheint sich gut mit den beiden zu verstehen und sie richtig zu motivieren.“

„Ja, das läuft gut. Wobei beide immer wieder mal sagen, dass ihnen das Training mit euch fehlt.“

„Ja, kann ich mir sogar vorstellen. Aber wann immer es geht, bauen wir sie mit ein. Wir haben uns für diese Trennung entschieden und ich finde sie immer noch absolut richtig.“

„Hey, das steht doch auch gar nicht zur Debatte. Alles gut. So wie es momentan läuft, kann es kaum besser sein.“

Eine Stunde später hatte ich mir eine Dusche gegönnt und wollte gerade nach Hause fahren, als mich Marc noch abfing. Er lud mich noch zum Essen ein und zwar bei Carlos Eltern.

Das wurde natürlich für Carlos Vater ein Highlight und wir wurden von vorne bis hinten verwöhnt. Der Nachteil dieser gelungenen Aktion war allerdings, dass ich erst weit nach Mitternacht ins Bett kam.

Aber jede Minute dieses Abends habe ich genossen und erneut ganz wertvolle Gespräche mit Marc geführt. Es war ein unglaublicher Gewinn Marc im Hintergrund zu wissen.

Am nächsten Morgen verabschiedete ich mich von Sabine, Luc, Stef und Marc. Es war erneut eine tolle Begegnung. Wir mussten schon recht früh Richtung Leipzig aufbrechen und ich war sehr gespannt was uns dort erwarten würde. Gut vorbereitet waren wir jedenfalls.

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