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Auf der Tour

Teil 5

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Inhaltsverzeichnis

Chris: Zukunftsplanung

Am nächsten Morgen hatte ich etwas Probleme mit meinem Rücken. Allerdings war es längst nicht so schlimm, wie erwartet. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Lesen der Onlinezeitung bereitete ich mich auf das Gespräch mit Thorsten vor. Wir hatten bereits während der Reise unsere Ideen grob geplant und ich hatte mich entschlossen, aufgrund der guten Entwicklung von Dustin und Fynn, beide in der Bundesliga am kommenden Spieltag einzusetzen. Es war ein Heimspiel und Thomas hatte angefragt, ob Maxi wieder dabei sein könnte. Maxi hatte aber mit seinen Eltern einen Termin und war deshalb nicht da. Ich hatte Thomas daher Dustin und Fynn vorgeschlagen und wartete nun auf die Antwort von ihm. Thorsten fand meinen Vorschlag bereits gut.

Den ruhigen Vormittag ohne die Jungs habe ich genossen. Ich konnte Kraft und Energie tanken und brauchte mich nicht ständig gedanklich mit den Spielern zu beschäftigen. Meine Blumen hatte ich versorgt und überlegte sogar, eine Runde mit dem Motorrad zu drehen. Allerdings war dafür doch die Zeit zu knapp. Deshalb entschied ich mich, die Ducati für die Fahrt nach Halle zu nehmen.

Ich rollte auf den Parkplatz und stellte die Panigale ab. Der Auspuff knisterte, als ich den Helm abnahm und meine Jacke öffnete.

„Hey Chris, wieder im Lande?“

Ich drehte mich um und sah „Struffi“ auf mich zukommen. Jan-Lennart Struff war ein Trainingsgast und spielte Bundesliga für uns. Er zählte zu den aktuell besten deutschen Profispielern.

„Hi Struffi. Heute schon bei uns? Hast du diese Woche kein Turnier?“

„Nein, ich habe diese Woche eine Trainingswoche eingelegt. Werde also Sonntag gut ausgeruht aufschlagen können.“

„Na, das hört sich doch gut an.“

„Und ihr seid auch wieder zurück? Thorsten hatte schon erzählt, wie erfolgreich du mit den Jungs warst.“

„Naja, die Jungs waren gut. Ich habe sie vielleicht gut vorbereitet und gecoacht.“

„Nicht nur vielleicht. Selbst Burghard war sehr angetan von den Leistungen. Warum bist du heute schon so früh hier?“

„Thorsten und ich möchten die nächsten Wochen planen und die nächsten Schritte einleiten, auf dem Weg nach vorn.“

„Na, dann lass dich nicht aufhalten. Wie sieht es mit Sonntag aus? Werden wir mal zusammen trainieren oder seid ihr schon wieder unterwegs?“

„Also, wir werden erst einmal einige Zeit hier trainieren. Dustin und Maxi müssen wichtige Prüfungen nachschreiben. Ich denke, dass wir also hier normal trainieren werden. Dann sehen wir uns sicherlich.“

Ich nahm meinen Helm und ging in Richtung Clubhaus. Auf dem Weg kam mir noch Burghard entgegen und begrüßte mich. Diese freundliche Begrüßung war schön für mich und entsprechend gut gelaunt betrat ich das Clubhaus, Dort bestellte mir zuerst einmal eine kalte Fassbrause. Das musste jetzt einfach sein.

„Hallo Chris“, hörte ich Thorstens Stimme durch den Raum.

„Ah, hallo Thorsten, du bist auch schon da. Ich habe mir gerade noch eine Fassbrause bestellt. Haben wir noch etwas Zeit?“

Er kam zu mir, gab mir die Hand und antwortete lachend: „Aber natürlich. Dafür ist immer Zeit. Ich nehme auch eine.“

Wir standen an der Theke und tranken unsere Fassbrause. In diesem Augenblick betrat Thorstens achtjähriger Sohn den Raum. Er weinte. Thorsten verdrehte leicht die Augen und tröstete zuerst einmal den Kleinen. Er hatte sich beim Spielen eine Schürfwunde zugezogen. Nachdem die mit ein wenig pusten behandelt war, verschwand er wieder.

„Manchmal frage ich mich, wo hat er dieses Talent nur her? Jedes mal, wenn etwas noch so Kleines passiert ist, fängt er an zu heulen und macht ein Riesenspektakel daraus. Es ist manchmal nur noch peinlich.“

Ok, ich kannte diese Szenen bereits von anderen Begegnungen. Thorsten hatte schon recht mit seiner Aussage. Sein Sohn war in dieser Beziehung auffällig. Allerdings sonst ein sehr netter Junge und auch überhaupt nicht auf den Kopf gefallen.

„Vielleicht sollten wir in dein Büro gehen. Dann findet er dich nicht mehr so einfach. Sollte tatsächlich etwas Ernstes passieren, wirst du eh davon erfahren.“

Lachend verließen wir den Clubraum und gingen in sein Büro. Ich begrüßte noch seine Sekretärin und bestellte zwei Latte Macchiato. Thorsten setzte sich mit mir direkt in die Sitzgruppe. Ohne irgendwelche Papiere. Das erstaunte mich.

„Heute keine Papiere zum Gespräch?“

„Nein, ich möchte mit dir in Ruhe über die Reise und die Zukunft sprechen. Außerdem möchte ich dir kurz berichten, was hier passiert ist. Insbesondere mit Tim und Carlo. Sie haben dich vermisst. Tim hat immer wieder gesagt, dass es bei dir mehr Spaß machen würde.“

„Hat er Stress gemacht?“

„Nein, nicht wirklich. Ich glaube, er hat inzwischen verinnerlicht, dass wir als Team arbeiten und du eh über alles informiert bist. Also wäre es spätestens nach deiner Rückkehr für ihn unangenehm geworden. Er hat gut gearbeitet und seine Freundschaft zu Carlo ist stärker geworden. Das tut ihm zweifelsohne gut. Carlo hat ihn sogar mit zu seinen Eltern genommen. Und weißt du, was dann dort passiert ist?“

Ich schüttelte ahnungslos den Kopf.

„Er hat sogar mit Carlos Vater in der Küche gearbeitet. Freiwillig.“

„Was? Im Ernst? Das finde ich ja cool. Hat Carlos Vater hinterher gemeckert? Immerhin verlangt er sehr viel.“

„Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil, er hat Tim sogar gelobt. Erstaunlich, oder?“

„Allerdings, aber umso erfreulicher. Ganz ehrlich, ich habe die beiden auch etwas vermisst. Ich mag sie. Carlo sowieso, aber auch Tim finde ich einen netten Jungen. Er hat Probleme zu Hause und das hat er hier abgelassen. Außerdem ist die neue Trainingssituation besser für ihn. Hoffentlich war meine Abwesenheit nicht zu verwirrend für ihn.“

„Das glaube ich nicht. Du hast ihn gut vorbereitet und er hat gut mitgezogen. Ich habe nichts Negatives gehört. Sprich aber mit Toto darüber. Er hat ihn trainiert.“

Ich machte mir eine Notiz und dann tauchten wir ein in die Nachbearbeitung unserer Reise. Das verlief ruhig und zügig. Ich machte ein paar Vorschläge für die nächsten Schritte und dann kamen wir leider noch einmal auf den Vorfall in Kitzbühel zu sprechen.

„Wie kommst du mit der Situation klar? Jan hatte auf der letzten Teamsitzung zu uns gesagt, dass du dir jederzeit Termine bei einem Psychologen nehmen kannst, wenn du möchtest. Auch die Jungs sollen das wahrnehmen, wenn sie möchten. Das Team wird die Kosten tragen, falls die Krankenkasse das verweigern sollte.“

„Danke. Mir geht es im Moment gut. Allerdings hatte ich noch nicht wirklich Zeit, darüber tiefer nachzudenken. Ich werde es den Jungs aber auch anbieten. Ich habe inzwischen einen Brief der Staatsanwaltschaft aus Kitzbühel bekommen. Sie haben Haftbefehl gegen die Täter erlassen und mir ein Papier zur Stellungnahme geschickt.“

„Ok, dafür haben wir unsere Rechtsabteilung. Ich besorge dir dort sofort einen Termin. Ich möchte, dass du dich damit so wenig wie möglich beschäftigen musst.“

„Danke, ich würde es gern so schnell wie möglich aus dem Kopf haben.“

„Kann ich verstehen. Ich bewundere, wie gut ihr das als Team bewältigt habt. Das ist auch ein gutes Stichwort. Wir sollten jetzt nach vorn schauen. Hast du schon Pläne?“

„Im ganz Groben, ja. Wir sollten erst einmal eine längere Trainingsphase einlegen. Die Jungs müssen einiges in der Schule nachholen und es steht ja auch die Bundesliga vor der Tür. Wie sieht eure Planung dort aus? Hat sich Thomas schon gemeldet? Ich hatte ihm eine Mail geschickt.“

„Ich weiß. Du hast sie mir ja in Kopie geschickt. Ich finde deinen Vorschlag sehr gut. Er hat noch nicht geantwortet, aber er wird morgen schon anreisen, um mit der Mannschaft zu trainieren. Ihr seid ab morgen wieder normal im Training?“

„Genau, heute habe ich den Jungs frei gegeben. Sie sollen sich auf die Schule vorbereiten und alles andere regeln.“

„Stimmt. Sorry, wir hatten darüber ja schon gesprochen. Ich würde es gut finden, wenn ihr ab morgen mit dem Bundesligateam trainieren würdet. Die Spieler trudeln nach und nach ein. Deshalb machst du mit Thomas das Training gemeinsam. Das habt ihr ja schon einmal gemacht.“

„Wir sollten mit Thomas darüber vorher sprechen. Er ist schließlich verantwortlicher Trainer. Ich werde ab Mittag auf der Anlage sein. Die Jungs kommen, sobald sie mit der Schule fertig sind. Zu Beginn habe ich eine Einheit mit Tim und Carlo. Danach könnte ich zum Bundesligakader gehen mit Maxi, Dustin und Fynn.“

„Gut, das machen wir so. Jetzt würde ich gern mit dir über die Turnierplanung sprechen.“

Eigentlich war das bereits geklärt. Daher wunderte ich mich etwas. Thorsten war der Meinung, in Zukunft nur noch Challengerturniere zu spielen. Auch auf die Gefahr hin, dass die drei oft in der Qualifikation scheitern würden. Ich fand das riskant, zumal ich wusste, wie sensibel gerade Dustin bislang reagierte. Allerdings mussten sie weitere Herausforderungen bekommen, um sich schneller entwickeln zu können.

„Ich mache mal einen Vorschlag“, sagte ich.

Thorsten nickte mir zu.

„Wir probieren das für eine bestimmte Zeit. Aber sobald ich das Gefühl habe, es überfordert meine Jungs, brechen wir das ab. Ich möchte nicht, dass sie nur Frust erleben. Zumal auch einige familiäre Baustellen noch abzuarbeiten sind.“

Thorsten nickte und wir einigten uns darauf, dass er einen neuen Turnierplan erstellen würde, den wir dann mit den Jungs besprechen könnten.

Fynn: Schule ist doch etwas anderes

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch wachte ich am frühen Montagmorgen auf. Die Schule stand nach drei Wochen Tennis wieder auf dem Plan. Chris hatte uns heute freundlicherweise trainingsfrei gegeben, damit wir in Ruhe starten konnten.

Die Nacht mit Dustin war toll. Wir konnten uns, ohne gestört zu werden, gegenseitig verwöhnen. Die eigenen vier Wände waren da doch um einiges angenehmer. Leider hatte uns der Wecker unsanft aus unseren Träumen geholt.

Dustin rollte sich noch einmal auf die andere Seite, während ich aus dem Bett stieg und unser Bad aufsuchte. Meine Gedanken hingen den letzten Tagen in Genf nach. Ich hatte Chris ganz persönlich und nahe erlebt. Viel näher als jemals zuvor. Mir war bewusst geworden, dass Chris Vergangenheit wahrlich nicht einfach war. Dennoch hatte er für sich einen guten Weg gefunden, wieder Freude am Leben zu haben und Ziele zu verfolgen. Das hatte mich schwer beeindruckt. Ich wollte Dustin in Zukunft immer daran erinnern, sollte er mal wieder in einem Tal stecken. Chris war ein Vorbild für uns.

So in Gedanken versunken hatte ich die üblichen Dinge im Bad nur rein routinemäßig erledigt und dabei nicht bemerkt, dass mein Freund bereits vor der Tür wartete, als ich heraustrat.

„Wie lange brauchst du denn noch? Ich warte schon ewig.“

Das war mittlerweile schon ein tägliches Spiel von ihm. Meistens endete es mit sehr erotischen Neckereien, die ich aber nicht weiter erklären möchte. Auch heute endete es mit einem weiteren gemeinsamen Höhepunkt. Was uns dann aber etwas zu spät zum Frühstück kommen ließ. Martina hatte dafür auch gleich den passenden Spruch auf Lager:

„Kaum sind die erfolgreichen Sportler wieder da, fangen sie an schludrig zu werden. Ihr seid zu spät.“

„Ich möchte gar nicht wissen, warum sie zu spät sind.“ Dabei grinste Maxi fies.

Ich wollte eigentlich einen Spruch zurückgeben, aber Dustin gab mir zu verstehen, dass ich mich einfach hinsetzen sollte. Komisch, für einige Augenblicke hatte ich das Gefühl, ein Fremdkörper in dieser Situation zu sein. Doch als Martina anfing zu lachen und auch Maxi, Tim und Carlo wieder mit uns herumalberten, ging mein Herzschlag wieder nach unten. Sie hatten sich einfach einen Spaß auf unsere Kosten erlaubt.

Der Empfang in der Schule verlief für mich sehr freundlich und war warmherzig. Ich musste sogar in der ersten Stunde von unserer Reise erzählen. Das gab mir ein gutes Gefühl. Dustin hatte glücklicherweise in seiner Klasse ähnliche Erfahrungen gemacht. In der ersten Pause trafen wir uns auf dem Hof. Zur Begrüßung gab er mir einen Kuss, ganz offen.

Das war bislang in der Schule noch nicht so häufig vorgekommen. Wir waren ja nicht in einer Klasse und sahen uns nur in den Pausen. Aber mir gefiel das gut. Es war schließlich bekannt, dass wir ein Paar waren. Also warum sich zurückhalten.

Nach der Pause hatten wir Englisch. Meine Lehrerin kam mit einem unangemeldeten Test in die Klasse. Das war für mich natürlich schlecht. Immerhin hatte ich fast drei Wochen Unterricht verpasst. Ich hatte zwar die Unterrichtsinhalte bekommen, aber groß zum Lernen war ich nicht gekommen.

Die Überraschung kam allerdings, als sie die Tests austeilte. Ich bekam keinen Test, sondern sie legte mir einen Artikel aus einer Schweizer Zeitung auf den Tisch. Da staunte ich nicht schlecht.

Es wurde auch über den Zwischenfall aus Kitzbühel berichtet. Der Artikel war mir zwar schon bekannt, aber dass er hier in Halle auch gelesen wurde, überraschte mich. Meine Lehrerin kam, nachdem sie den anderen die Tests ausgeteilt hatte, zu mir.

„Möchtest du es dennoch versuchen? Oder sollen wir das auf übermorgen verschieben?“

„Ich versuche es einfach. Wenn ich gar nichts hinbekomme, würde ich es gern übermorgen machen.“

Lächelnd gab sie mir das Blatt und ich schaute mir die Aufgabenstellung an. So schwer schien es mir eigentlich nicht. Wir hatten dafür auch nur zwanzig Minuten Zeit. Als ich sogar früher fertig wurde, nickte mir meine Lehrerin freundlich zu. Sie sammelte die Zettel am Ende der Zeit ein und entgegen ihrer sonstigen Art, begann sie nicht mit dem Unterricht, sondern fragte mich:

„Fynn, war der Grund für die Attacke in Kitzbühel wirklich nicht eindeutig oder könnte es mit eurer Homosexualität zu tun gehabt haben?“

„Warum war dann ihr Coach das Opfer und nicht Fynn oder Dustin?“, fragte Stefan direkt dazwischen.

„Weil Chris uns geschützt hatte. Er hatte sich zwischen die Täter und uns gestellt und dadurch verhindert, dass sie uns direkt angreifen konnten.“

Stefan überlegte einen Augenblick, aber bevor er nachhaken konnte, unterband unsere Lehrerin diese Diskussion. Mir war das sehr recht. Ich wollte nicht, dass über Chris gesprochen wurde, ohne dass er sich selbst äußern konnte.

In der Pause bat mich meine Lehrerin kurz zu ihr.

„Fynn, ich freue mich sehr, dass ihr wieder bei uns seid. Dir und Dustin wünsche ich in der Zukunft keine weiteren Vorfälle dieser Art. Es ist schade, dass immer noch so viele Leute mit Homosexualität nicht umgehen können. Euer Trainer hat sehr weise reagiert. Er scheint euch auch sehr nahe zu sein.“

„Ja, das ist er. Aber wir auch zu ihm. Frau Schneider, ich möchte es ihnen anvertrauen. Chris, unser Coach, ist auch schwul. Wir halten also noch mehr zusammen. Bitte behalten sie das aber für sich. Ich weiß nicht so genau, ob Chris damit einverstanden wäre, weil er nicht hier ist.“

„Danke für dein Vertrauen. Ich habe es mir gedacht, dass es so ist. Euer Trainer war sofort dazwischen gegangen und ist mit aller Härte gegen die Täter vorgegangen. Das empfand ich gut, aber auch auffällig.“

„Ja, das ist korrekt. Chris hat uns wieder einmal beschützt. Er war es auch, der in Österreich dafür gesorgt hatte, dass die Täter gefasst und in Haft genommen wurden. Später hatten wir in der Schweiz dann Unterstützung von einem guten Freund, Marc Steevens.“

„Marc Steevens? Ich habe diesen Namen schon einmal gehört. Wer ist das?“

Ich musste lachen, wollte ihr das aber nicht so direkt sagen.

„Es ist ein guter Freund von uns und der hatte uns ja auch die letzten Tage zu sich nach Genf eingeladen. Er lebt in der Schweiz, ist aber Deutscher.“

Ich hatte Glück. Sie war damit zufrieden und ging in eine andere Klasse für ihre nächste Unterrichtsstunde.

Jetzt hatte ich Zeit, mit meinen Klassenkameraden zu sprechen. Es wurde eine nette Unterhaltung, die leider vom Eintritt unseres Lehrers unterbrochen wurde. Wir vereinbarten aber, uns in der Mittagspause weiter über die Erlebnisse zu unterhalten. Dann wäre mein Freund auch mit dabei.

Es war für mich ein sehr schönes Gefühl, von meiner Klasse so unterstützt zu werden.

Der Unterricht war für mich aber dennoch sehr anstrengend. Ich hatte viel von dem Stoff nicht mitbekommen und musste höllisch aufpassen. Daher fühlte ich mich in der Mensa entsprechend ausgelaugt und träge. Dustin ging es ähnlich. Unsere Freunde hatten zwar Verständnis, aber wollten dennoch von uns Informationen haben.

Erst als wir gegessen hatten, verbesserte sich mein Zustand und ich konnte so auch Dustin wieder aufheitern. Entsprechend Spaß hatten wir mit unseren Freunden, als wir von den Ereignissen berichteten. Ob es Zufall oder gewollt war wusste ich nicht, aber das Attentat wurde nicht wieder zum Thema gemacht.

Bevor wir wieder in den Unterricht mussten, fragte mich Stefan:

„Könnten wir nicht mal bei einem Bundesligaspiel dabei sein? Wir würden euch gern mal auf dem Platz sehen.“

Woher wussten sie das denn? Ich hatte noch keine Ahnung, ob wir am Wochenende spielen würden.

„Wenn wir denn mal dort spielen, sagen wir Bescheid. Bislang sind wir nur Trainingspartner für die Profis. Aber wenn ihr euch das anschauen möchtet, sehr gern.“

„Was wird das denn für Schüler kosten?“, fragte Andi.

Ich war mir gar nicht sicher, was es für Schüler kosten würde. Meine Erinnerungen waren da nicht gut.

„Äh, ich weiß es gar nicht so genau. Bislang brauchten wir jedenfalls keinen Eintritt zu bezahlen. Ich frage aber Chris, unseren Trainer. Dann sag ich euch Bescheid.“

„Frag auch mal nach einem Gruppenticket. Wir würden ja mit mehreren zum Spiel kommen.“

Dieses Interesse an unserem Sport erstaunte mich. Bislang hatte sich nicht groß jemand dafür interessiert. Allerdings freute ich mich über diese positive Entwicklung. Keiner beneidete mich auch mehr für die drei Wochen ohne Schule. Im Gegenteil, die meisten hatten begriffen, dass es für uns eher Stress bedeutet.

Als wir am Nachmittag in die WG kamen, war ich komplett erschossen. Dustin machte auch keinen viel besseren Eindruck.

„Also dieser Schultag war um ein vielfaches anstrengender als die Turnierspiele. Hoffentlich beruhigt sich das wieder.“

Dustin war genervt, während ich eher einfach nur müde war.

„Wie gut, dass wir morgen wieder zum Training gehen können.“

Mit leichtem Sarkasmus entschied ich, mich ein wenig hinzulegen. Ich war einfach nur platt.

Chris: Alltag mit einer Überraschung

Die erste Woche in Halle neigte sich dem Ende zu und es stand am Sonntag ein Heimspiel in der Bundesliga an. Eigentlich war das für mich und meine Jungs recht entspannend. Sie sollten den Profis als Trainingspartner zur Verfügung stehen und ich hatte nur beratende Funktion. Die Vorbereitungen waren normal verlaufen und es war deutlich erkennbar, dass meine Jungs viel besser mithalten konnten.

An diesem Samstagmorgen bekam ich allerdings eine weniger schöne Nachricht.

Thomas war bereits in der Nacht zurück nach Österreich gereist. Seine kleine Tochter war mit sehr hohem Fieber ins Krankenhaus gekommen. Er lebte seit zwei Wochen dort und trainierte nur noch die Bundesliga bei uns.

Ich stand im Clubhaus, als Thorsten mich informierte.

„Das ist natürlich nicht schön. Ich hoffe, dass seine Tochter schnell wieder gesund wird.“

Mir war zu diesem Zeitpunkt aber überhaupt noch nicht klar, was Thorsten mir damit mitteilten wollte:

„Du musst also die Mannschaft allein betreuen. Ich werde dich unterstützen, aber du sollst die Spieler vorbereiten und die Strategie ausarbeiten. Auf der Bank werde ich dich auch unterstützen, aber du wirst halt coachen müssen.“

„Ich?“, fragte ich deshalb völlig überrascht und erstaunt. „Das hab ich doch noch nie gemacht. Einen Profi zu coachen bei der Bundesliga ist doch etwas total anderes, als Nachwuchsspieler zu betreuen.“

„Na und? Klar, ist das etwas anders, aber du kannst das. Die Spieler kennen dich bereits und das ist das Entscheidende. Das klappt schon. Mach dir also keinen Stress.“

Das sagte er so einfach. Ich bekam Herzklopfen und fühlte mich nicht sonderlich gut. Heute war Abschlusstraining und der komplette Kader würde anwesend sein. Jetzt hatte ich nicht mehr viel Zeit, mich auf die neue Situation einzustellen.

„Bleib ruhig. Wir machen ein ganz normales Abschlusstraining. Du kennst das ja schon. Heute wirst du halt die Strategiebesprechung machen. Wir warten noch, ob wir von Mannheim bereits Informationen über deren Aufstellung bekommen. Ich werde mit dir beim Mittagessen die neueste Lage besprechen. Aber keine Angst, das wirst du hinbekommen. Außerdem wird dir das Organisationsteam helfen, wo es geht.“

„Also gehen wir gleich ganz normal auf die Trainingsplätze?“

„Genau, es ändert sich einzig, dass du die Ansagen machst und nicht Thomas.“

Thorsten spürte meine Aufregung. Er nahm mich einfach mit in den Clubraum und bestellte uns zwei Fassbrause.

„Hier, das ist doch Nervennahrung für dich. Prost. Das klappt schon. Keine Sorge.“

Ich hatte gehofft, es würde eher etwas ruhiger werden, wenn wir wieder im normalen Trainingsalltag sind. Das hier entwickelte sich aber gerade in die andere Richtung.

Das Positive der ersten Woche war allerdings dadurch nicht beeinträchtigt. Tim und Carlo hatten gute Fortschritte gemacht, freuten sich jedoch sichtlich, wieder mit mir trainieren zu können. Heute hatten sie frei, aber morgen sollten die jüngeren Spieler auch als Ballkinder helfen.

Ich hatte mich entschieden, die gesamte Mannschaft noch vor dem Training zu informieren. Damit wäre eventuell noch eine Möglichkeit gegeben, bei Ablehnung der Profis eine andere Konstellation zu versuchen. Immerhin hatte ich überhaupt keine Erfahrung, bei Profispielern auf der Bank zu sitzen.

Dustin und Fynn waren wie immer bei den Bundesligapartien die ersten, die auf die Anlage kamen. Maxi war für dieses Wochenende entschuldigt. Für sie war es normal, dass ich auch schon früh zum Abschlusstraining anwesend war. Deshalb war die Begrüßung normal. Allerdings hatten sie dieses Mal auch Carlo und Tim bereits im Schlepptau.

„Hi, Tim. Hi, Carlo. Was macht ihr denn hier? Ihr habt doch heute frei.“

„Guten Morgen, Chris. Wir wollten einfach ein bisschen spielen.“

Dass sie dafür bereits um halb neun auf der Anlage waren, war derart ungewöhnlich, dass ich sofort misstrauisch wurde. Allerdings hatten sie tatsächlich ihre Taschen dabei und gingen direkt in die Umkleide. Ich schaute ihnen etwas verwirrt hinterher. Fynn bemerkte meinen Blick und kommentierte das flapsig:

„Hey, wir waren genauso erstaunt wie du. Aber sie wollen wirklich nur spielen. Ich glaube allerdings, dass Carlos Eltern morgen zum Bundesligaspiel kommen. Sie haben wohl gerade Betriebsferien und wollten heute Nachmittag mit Carlo etwas unternehmen.“

„Das wäre echt eine tolle Sache. Carlos Eltern haben so wenig Zeit für ihn.“

„Ja, Carlo verkündete das heute früh sehr freudig. Er scheint sich sehr darauf zu freuen.“

„Ich bin mal gespannt, ob sie ernsthaft spielen oder eher herumalbern.“

Einige Zeit später war der komplette Kader anwesend. Ich nutzte die Situation, um jetzt alle über die neue Situation zu informieren. Auf dem Center Court hatte ich alle zusammengeholt.

„Schön, dass alle schon anwesend sind und nicht jemand erst morgen noch einfliegen muss.“

Die Spieler schauten mich an. Ich hatte das Gefühl, dass sie Thomas erwartet hatten und nicht mich. Es wirkte jedenfalls so.

„Es gibt eine bedauerliche Neuigkeit für alle. Thomas musste aufgrund eines Notfalls in der Familie nach Hause fliegen. Es ist also jetzt so, dass ich euch betreuen werde. Wer damit ein Problem hat, möge das bitte gleich sagen.“

Robin Haase meldete sich zu Wort:

„Das ist bedauerlich, hoffentlich ist es nichts Lebensbedrohliches bei seiner Tochter. Was das Coachen betrifft, du kennst alle Spieler noch am besten von allen anderen Coaches. Also das machst du schon und wenn wir helfen können, sag es bitte.“

Die anderen Spieler spendeten spontanen Beifall. Das hatte ich nicht erwartet, fühlte sich aber gut an.

„Gut, dann verteilt euch auf die Plätze und ich möchte, dass Fynn und Dustin sich ebenfalls auf die Plätze verteilen. Ihr spielt bitte mit den anderen mit. Ich werde gleich einen Rundgang machen und mit jedem ein paar Dinge besprechen.“

Die Gruppe löste sich auf. Nur Struffi und Robin blieben auf dem Platz. Struffi bat mich einen Moment bei ihnen zu warten, bis die anderen sich verteilt hatten.

„Wenn du Hilfe brauchst, melde dich. Du kannst ja nicht überall sein. Ich schlage vor, dass Robin und ich jeweils beim anderen während seines Einzels auf der Bank sitzen. Du kannst dir aussuchen, bei wem du sitzen möchtest.“

„Danke für das Angebot. Das macht es deutlich einfacher.“

Danach gingen auch die beiden wieder auf den Platz. Ich begann mit meinen Rundgang und blieb am dritten Platz stehen. Warum waren Fynn und Dustin dort gemeinsam mit Joao Sousa, der neuen Nummer eins auf dem Platz? Ich bewegte mich an die Bank, an der auch Thorsten bereits stand und dem Treiben zuschaute. Fynn war gerade auf dem Platz und spielte mit Sousa einen langen Ballwechsel.

„Hi Chris, wie hat die Truppe die Info mit Thomas aufgenommen?“

„Gut. Ich war überrascht. Es gab für mich sogar Unterstützung.“

„Warum sogar? Du bist hier mittlerweile anerkannt. Deine gute Arbeit hat sich herumgesprochen. Hast du dir schon Gedanken über die endgültige Aufstellung gemacht?“

„Nein, aber ich denke, wir treten in Bestbesetzung an. Oder gibt es bereits etwas, was ich noch nicht weiß?“

Thorsten schaute auf den Platz zu Fynn, lächelte und zeigte auf Fynn.

„Du könntest darüber nachdenken, Fynn Einzel spielen zu lassen. Simone war lange verletzt.“

Simone Bolleli war gemeint. Ein sehr guter, aber auch nicht ganz einfacher Spieler. Sehr launisch. Allerdings wollte Gerry Weber, dass er wieder für uns spielt.

„Was sagt Gerry, wenn wir ihn nicht einsetzen? Er ist sein Wunschspieler.“

Thorsten schaute mich an und sagte trocken:

„Wenn Fynn besser ist, spielt Fynn. Das muss er akzeptieren.“

Das war eine klare Ansage, allerdings hatte ich meine Zweifel ob Fynn das auch tatsächlich war. Thorsten kannte mich gut, denn er legte nach:

„Lass mich das machen. Ich möchte Fynn gegen Simone einen Satz spielen lassen. Dann sehen wir weiter.“

Wie gut, dass ich Dustin bereits auf die anderen Plätze geschickt hatte. Das wäre fatal, sollte er zu früh davon Wind bekommen.

Plötzlich tauchte Tim bei uns auf.

„Chris, sorry wenn ich störe. Aber kannst du bitte zu unserem Platz kommen. Carlo hat wieder ein Problem mit seiner Wade.“

Das konnte ich gerade überhaupt nicht gebrauchen. Aber ich musste mir das ansehen. Schließlich war Tim bestimmt nicht wegen einer Bagatelle gekommen. Außerdem hatte sich Carlo ja vor einiger Zeit bei einem Unfall mit meiner Panigale eine Wade schwer verletzt. (second serve Teil 8)

„Ich gehe mit Tim zu Carlo“, sagte ich deshalb zu Thorsten. Dieser nickte.

Unterwegs fragte ich Tim: „Was ist denn passiert?“

„Wir haben ganz normal gespielt und erst fing das echt harmlos an. Er spürte nur einen leichten Schmerz in der Wade. Aber dann hörte er plötzlich mitten im Ballwechsel auf und hat jetzt richtig Schmerzen. Er wollte nicht, dass ich dir Bescheid sage, aber vielleicht ist es doch eine echte Verletzung. Ich habe Angst, es könnte was Schlimmeres sein.“

„Du hast das sicherlich richtig gemacht. Im Zweifel uns immer Bescheid sagen. Wir sehen uns das jetzt mal an.“

Als wir an ihrem Platz ankamen, saß Carlo auf der Bank und rieb sich die Wade. Er hatte Schmerzen, dass konnte ich sofort erkennen und als ich näher kam, konnte ich einen großen roten Fleck mit einer Schwellung erkennen. Das musste weh tun. Ich schaute mir das genauer an. Carlo wurde unruhig, fast panisch.

„Das kann nicht sein. Warum wieder die Wade. Ich habe mich richtig aufgewärmt und alles so gemacht wie immer.“

„Ganz ruhig. Lass mich mal fühlen.“

Ich strich vorsichtig über die rote Stelle und sie war sehr schmerzempfindlich.

„Sag mal, bist du gegen irgendwelche Tierstiche allergisch?“

Carlo schüttelte seinen Kopf und antworte: „Nein, nicht dass ich wüsste. Warum fragst du?“

Ich sah in sein Gesicht und er wurde jetzt immer blasser und begann zu zittern.

„Leg dich bitte auf die Bank und Tim, ich brauche ganz schnell etwas zum Kühlen.“

Ich machte Carlos Handtuch mit kaltem Wasser nass und wickelte es ihm um die Wade. Tim war sofort losgelaufen, um aus dem Clubhaus ein Kühlpack zu holen. Dann nahm ich mein Handy und rief auf der Rettungsleitstelle an. Sie wollten uns sofort einen RTW und den Notarzt schicken. Es bestand der Verdacht einer allergischen Reaktion. Hier bestand akute Lebensgefahr. Wir wussten nicht, gegen was und wie stark er allergisch reagieren würde. Jedenfalls begann sein Kreislauf instabil zu werden.

Jetzt konnte ich aber unmöglich zur Bundesligamannschaft zurück. Ich schickte also einen der anderen Jugendlichen, die bereits auf der Anlage waren zu Thorsten.

Natürlich hatte Carlo mitbekommen, dass ich sehr direkte Kommandos gab und überhaupt keinerlei Diskussionen mehr duldete. Nachdem ich die wichtigsten Dinge koordiniert hatte, ging ich zu Carlo an die Bank.

„Wie geht es dir? Wird es schlimmer oder ist es okay?“

„Mir ist kalt und das Bein scheint taub zu werden.“ Er sagte das nur noch sehr leise.

Ich strich ihm über die verschwitzte Stirn und beruhigte ihn. Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Rettungswagen und der Notarzt eintrafen. Ich berichtete dem Arzt, was passiert war und damit war meine Aufgabe beendet. Der Arzt erklärte mir, dass er auch eine allergische Reaktion vermuten würde und legte Carlo eine Infusion mit einem universellen Antiserum.

Ich rief noch bei Carlos Eltern und bei Martina an, die versprach, sich um die Eltern zu kümmern, aber Carlo ins Krankenhaus begleiten würde.

Danach konnte ich endlich wieder zurück zur Mannschaft gehen. Natürlich wurde ich gefragt, warum ich so lange weg war.

„Es gab einen Notfall, den ich versorgen musste. Jetzt können wir aber weitermachen.“

Ich rief Simone Bolleli und Fynn zu mir und erklärte ihnen, dass sie einen Satz spielen sollten. Dustin war noch auf einem anderen Platz mit Robin Haase in Aktion.

Thorsten sprach mich auf dem Weg an:

„Was ist mit Carlo?“

„Ich habe ihn ins Krankenhaus bringen lassen. Es könnte eine allergische Reaktion sein.“

„Oh. Ich wusste gar nicht, dass Carlo auf etwas allergisch reagieren würde.“

„Er auch nicht. Es ist wohl das erste Mal aufgetreten. Seine Mutter ist sofort losgefahren und kommt ins Krankenhaus. Martina wird sie dort in Empfang nehmen. Warten wir mal ab, was die Ärzte herausfinden.“

Ich musste jetzt schnell wieder auf den Trainingsplatz zurückgehen. Fynn und Dustin sollten von diesem Zwischenfall nichts mitbekommen. Es würde sie nur beunruhigen und verunsichern.

Höchst interessant war die Situation zwischen Fynn und Simone. Fynn spielte wie gedopt. Er lief zu jedem Ball und versuchte das Spiel von dem Italiener zu zerstören. Simone blieb zwar ruhig, aber er schien sich auch nicht wehren zu wollen. Es stand tatsächlich 5:5 und Fynn machte nicht den Eindruck, dass er nachließ. Warum war Fynn so bissig? Er wusste doch gar nichts von unserer Absprache. Allerdings gewann ich auch den Eindruck, dass sich Simone nicht voll reinhängen würde. Er nahm dieses Spiel offensichtlich nicht ernst. Vielleicht war genau das der Grund, warum Fynn so aggressiv war. Er fühlte sich nicht ernst genommen.

Dustin hatte gegen Robin natürlich keine Chance, aber er sollte Robin ja auch nur als Trainingspartner zur Verfügung stehen. Dustin kam gerade verschwitzt an unseren Platz, als Fynn seinen ersten Satzball verwandelte. Er ballte die Faust und freute sich, als ob er ein Turnier gewonnen hätte. Irgendetwas lief hier falsch. Ich bekam das Gefühl, als ob Fynn noch eine Rechnung mit dem Italiener offen hätte.

Thorsten hatte den gesamten Satz von oben beobachtet. Er gab mir mit einem Zeichen zu verstehen, dass ich zu ihm kommen sollte. Also ging ich die Treppe nach oben und Thorsten war sogar etwas ärgerlich über Simones Verhalten.

„Mit dieser Einstellung darf er eigentlich morgen nicht spielen. Er war verletzt, ja, aber gerade deshalb sollte er voll motiviert zeigen, dass er spielen will. Genau das tut er jedoch nicht. Eigentlich hätte Dustin auch noch gegen ihn spielen sollen, aber ich habe genug gesehen. Fynn soll morgen Einzel spielen. Und bevor du dir Gedanken machst, wie du das Gerry erklären sollst, ich werde es Gerry mitteilen. Deine Aufgabe ist es, Fynn schonend beizubringen, dass er morgen an Position vier spielen wird. Mit dieser Leistung muss er sich nicht verstecken.“

„Ok. Wenn du dir so sicher bist, dass das keinen Stress geben wird, dann machen wir das so. Ich möchte einfach keinen Ärger mit Gerry haben. Er hat uns bislang immer den Rücken freigehalten.“

„Keine Angst. Ich habe ja gute Argumente. Außerdem wird er anerkennen, dass Fynn sich so reingebissen hat und eben den Satz gewonnen hat. Die Einstellung bei ihm stimmt - im Gegensatz zu Simone.“

Also gut, dachte ich. Das Argument war stichhaltig. Fynn hatte im Training erneut alles aus sich herausgeholt und am Nachmittag hatte Thorsten mir mitgeteilt, dass Gerry nicht begeistert war. Allerdings nicht, weil Fynn spielen sollte, sondern weil Simones Einstellung nicht angemessen war. Das imponierte mir erneut sehr. Gerry akzeptierte ohne Protest unsere Entscheidung.

Nach dem Abschlusstraining hatte ich die Mannschaft jetzt im Clubhaus zusammengeholt und die Aufstellung sollte besprochen werden.

Von Carlos Mutter hatte ich mittlerweile auch eine Entwarnung bekommen. Carlo hatte sich stabilisiert und sollte noch am Abend entlassen werden. Es war anscheinend eine allergische Reaktion auf einen Insektenstich. Möglicherweise hatte ihn beim Spielen eine Hornisse gestochen.

Fynn und Dustin hatte ich bereits über den Sachverhalt informiert. Sie sollten sich nicht unnötig beunruhigen. Tim war schon zurück in die WG gefahren und wollte für Carlo da sein, wenn er zurückkommt. Morgen sollten sie als Ballkinder eingesetzt werden. Carlo vermutlich nicht, aber Tim ganz bestimmt. Er war für die Jüngeren so etwas wie ein Kapitän und das machte er auch sehr gut. Überhaupt war die gesamte Situation mit ihm recht positiv. Hin und wieder gab es kleinere Sachen, aber nichts Außergewöhnliches.

Fynn: Nervosität macht sich breit

Chris hatte uns nach dem Abschlusstraining zusammengeholt. Das hieß, es sollte die Aufstellung besprochen werden. Dustin und ich waren an diesem Wochenende allein. Maxi hatte eine familiäre Verpflichtung. Wir hatten mit den Profis trainieren dürfen und waren eigentlich nur für den Notfall dabei. Komischerweise hatte Chris aber eine Bemerkung gemacht, dass er von Simone Bollelis Haltung enttäuscht war.

„So, ihr Lieben. Es ist an der Zeit euch zu sagen, wie wir morgen auflaufen werden.“

Chris begann, uns seine Vorstellungen zu erklären. Was mich gewundert hatte, er begann mit der Position eins und als er Position drei benannt hatte, staunte ich nicht schlecht. Er hatte dort Daniel Munoz de la Nava benannt und nicht Simone Bolleli.

„Wie ihr sicher gemerkt habt, haben wir uns entschieden, nicht mit Simone im Einzel zu spielen. Dafür wird Fynn sein erstes Einzel für die Bundesliga spielen. Gibt es dazu Fragen?“

Hatte ich mich gerade verhört? Chris wollte mich anstelle von Simone spielen lassen. Ausgerechnet an dem Spieltag, an dem ich ein paar Leute aus meiner Klasse eingeladen hatte.

Alle anderen schienen damit einverstanden zu sein, denn selbst Simone akzeptierte diese Entscheidung. Mein Freund musste sich fast auf die Zunge beißen, um nicht lauthals zu jubeln und mir nicht vor Freude um den Hals zu fallen. Chris war außerdem noch nicht fertig mit seiner Ansage.

„Ich möchte, dass ihr die beiden Youngster morgen gut unterstützt. Fynn dürfte vermutlich doch etwas nervös sein. Wir treffen uns um halb neun zum gemeinsamen Frühstück. Aufwärmen ist im Anschluss daran. Wenn ihr keine Fragen mehr habt, wünsche ich euch noch einen schönen Samstag.“

Die anderen Spieler verstreuten sich in alle Richtungen, allerdings nicht, ohne sich von mir zu verabschieden. Das war ein cooles Gefühl. Immerhin waren alle Spieler unter den Top 100 in der Welt und ich durfte mitspielen.

Endlich waren Dustin und ich allein. Chris war bereits mit Thorsten im Büro verschwunden. Ich hatte noch eine Fassbrause für uns bestellt und wir gingen nach draußen auf die Terrasse.

„Hast du das gewusst, dass du spielen sollst?“, fragte mich mein Freund.

„Spinnst du? Ich hatte keine Ahnung und bin auch jetzt noch total aufgeregt. Ob sich Chris das gut überlegt hat?“

Dustin begann zu lachen.

„Ganz sicher. Das solltest du aber auch wissen. Chris würde ganz sicher nicht so eine Entscheidung treffen, wenn er nicht davon überzeugt wäre, dass du das kannst. Und ich bin auch davon überzeugt.“

Dann umarmte er mich, küsste mich auf den Mund und streichelte mir zärtlich über den Rücken. Es kribbelte im ganzen Körper. Ein tolles Gefühl. Ich genoss es jedes Mal, wenn wir so zusammen waren. Mittlerweile hatte ich überhaupt keine Angst mehr. Wir waren hier so normal wie jedes andere Paar.

Ich musste Chris jetzt aber noch nach den Karten für meine Freunde aus der Klasse fragen. Chris hatte ich bereits einmal in der Woche angesprochen und da hatte er mich gebeten, ihn am Samstag zu erinnern. Dustin wollte auf der Terrasse warten. Ich ging zu Thorstens Büro und klopfte an.

„Herein.“

Ich betrat den Raum. Chris und Thorsten saßen vor dem Laptop und schauten sich etwas an.

„Fynn, was gibt es?“, fragte Thorsten.

„Äh, sorry wenn ich störe, aber ich sollte Chris heute noch einmal an die Karten für morgen erinnern.“

„Stimmt. Sehr gut, dass du das machst. Ich hätte jetzt nicht mehr daran gedacht. Wie viel Leute aus deiner Klasse wollen denn morgen kommen?“

„Mindestens fünf, vielleicht auch sieben.“

Chris schaute zu Thorsten, der mich erstaunt anschaute und fragte:

„Aus deiner Klasse? Wow, das finde ich stark. Und das, nachdem du so große Schwierigkeiten am Anfang hattest. Moment.“

Er griff in eine Schublade des Schreibtisches und gab mir einen Stapel Karten für das morgige Spiel.

„Das sind zehn Karten, reicht das?“

„Oh ja. Vielen Dank. Es wird sicher eine Überraschung für alle sein, dass ich jetzt auch noch selbst spielen werde. Umso mehr wird sie das interessieren.“

„Wenn sie morgen hier sind, stellst du mir deine Freunde einmal vor.“

Auf die Bitte von Chris antwortete ich schnell: „Klar, sehr gerne. Stefan und Frank werden bestimmt sehr erfreut sein, dich kennenzulernen. Wir haben schon oft über dich gesprochen. Sie interessieren sich sehr für uns.“

Ich nahm die Karten und verabschiedete mich bis morgen früh. Dustin und ich wollten zurück in unsere WG fahren. Aber als wir schon unsere Taschen über die Schultern gelegt hatten, erreichte uns eine Whatsapp Nachricht. Sie kam von Tim und er bat uns, auf dem Rückweg Eis mitzubringen.

„Wenn Tim an Eis denkt, dann wird es Carlo wieder besser gehen. Wir sollten eine große Packung mitbringen.“

Ich musste einfach lachen, als Dustin das sagte. Ich stellte mir gerade vor, wie sich Tim um Carlo kümmern würde. Eigentlich Blödsinn, aber mein Kopfkino machte sich selbstständig.

Das Bild, was wir in der WG zu sehen bekamen, war wirklich klasse. Carlo lag mit einem Eisbeutel an der Wade auf dem Sofa und Tim kümmerte sich um ihn. Aber da sie beide viel lachten und herumalberten, konnte es Carlo nicht mehr so schlecht gehen.

„Na, was macht dein Bein? Was haben die Ärzte gesagt?“

Das Eis hatten wir in der Küche abgestellt, Martina wollte es verteilen.

„Es tut kaum noch weh. Es war wohl eine allergische Reaktion. Ich wusste aber nicht, dass ich darauf reagiere. Ich hatte das noch nie.“

„Und was ist mit Morgen? Kannst du uns helfen oder musst du dich noch schonen?“

„Beides. Ich darf helfen, aber ich soll nicht zu lange in der Sonne sein. Martina meinte, ich soll Chris morgen früh fragen, ob er eine andere Aufgabe für mich hat. Balljunge ist noch zu anstrengend.“

In diesem Augenblick betrat Martina mit einem Tablett den Raum.

„So, hier kommt euer Eis. Chris hat eben zurückgerufen und lässt schöne Grüße an Carlo ausrichten. Er wird dir morgen eine andere Aufgabe geben, wo du nicht so viel laufen musst. Er freut sich aber, dass es dir wieder besser geht.“

„Immer wieder für mich faszinierend, wie viele Dinge Chris im Kopf behält und regeln kann. Woran der immer alles denkt.“

Dustin hatte genau das ausgesprochen, was mir durch den Kopf ging. Es war wirklich erstaunlich, was Chris alles sofort regeln konnte.

Nach dem Eis telefonierte ich noch mit Frank aus meiner Klasse. Ich sagte ihm, dass ich die Karten organisiert hatte und er sich morgen bei mir melden soll, wenn sie in Halle sind.

Den Abend und die Nacht verbrachten Dustin und ich allein in unserem Appartement und genossen die Zweisamkeit. Leider war meine Nacht sehr unruhig. Ich konnte einfach nicht entspannen. Der Erwartungsdruck an mich selbst stieg von Stunde zu Stunde. Dustin ließ mich in Ruhe, blieb aber auch am nächsten Morgen ständig in meiner Nähe.

Chris: Bundesliga allein ist anstrengend

Sonntag früh um kurz vor sieben klingelte der Wecker und mein erstes Bundesligamatch in alleiniger Verantwortung begann. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, alles wie immer zu machen, war ich deutlich unruhiger als sonst. Erst als ich am Tisch bei einer frischen Tasse Tee saß und in die Zeitung blickte, wurde ich etwas ruhiger. Trotzdem schaute ich immer wieder auf mein Handy, um die Uhrzeit abzulesen.

Es wurde Zeit, mich auf den Weg nach Halle zu machen. Da ich erwartete, dass mich der Tag ziemlich schlauchen würde, nahm ich heute das Auto.

Auf dem Parkplatz für Spieler und Mitglieder waren noch nicht viele Fahrzeuge. Aber überall liefen bereits unsere Helfer herum und bauten auf. Es war erst kurz vor acht und dennoch war schon einiges los auf der Anlage. Die Anzeigen, die Technik für die Schiedsrichter wurden aufgebaut und die Platzcrew bereitete die Plätze vor.

Mein erster Termin heute war um acht mit Thorsten. Die letzten Informationen wollten wir austauschen und er hatte sich entschlossen auf der Terrasse auf mich zu warten. Zwei Latte Macchiato standen bereit, als wir uns begrüßten.

„Guten Morgen Thorsten, du bist ja schon bestens vorbereitet.“

„Aber ja doch, Chris. Dir auch einen guten Morgen. Wie war deine Nacht? Alles gut bei dir?“

„Eigentlich schon, fühle mich aber etwas unwohl in meiner Rolle. Irgendwie habe ich Angst, falsche Entscheidungen zu treffen. Ich weiß, eigentlich unsinnige Gedanken, denn du wirst jetzt sagen, es ist doch auch nur ein Mannschaftsspiel, was ich schon oft genug allein gemanagt habe.“

Thorsten lachte und applaudierte mir.

„Besser hätte ich es nicht sagen können. Setz dich. Der Kaffee wird sonst kalt. Ich habe für dich auch etwas Positives. Alle Spieler sind gesund und werden wie geplant spielen. Ich bin sehr neugierig, wie Fynn heute auftreten wird. Ob er sehr nervös ist?“

„Ich befürchte es. Umso wichtiger wird die Rolle von Dustin heute werden. Es wird mit Position zwei und vier begonnen. Also geht Fynn gleich zu Beginn auf den Platz. Sein Gegner steht um die 230 in der Welt. Also wird das eigentlich eine klare Sache für die Mannheimer. Wenn es mir aber gelingt, ihn dazu zu bringen, nur von Punkt zu Punkt zu spielen, dann kann er ein gutes Match zeigen.“

Thorsten schmunzelte.

„Du bist schon im Wettkampfmodus. Wir machen wie immer erst eine kleine Begrüßung und Vorstellung der Mannschaft. Das macht Frank Höfen. Ach ja, bevor ich das vergesse: Gerry wird sich heute das Match von Fynn ansehen. Er ist sehr neugierig, wie er sich entwickelt hat. Das solltest du Fynn nicht unbedingt vorher sagen. Ich habe Gerry auch gebeten, sich etwas im Hintergrund aufzuhalten. Also nicht direkt an der Bank zu sitzen.“

„Danke, das war eine gute Idee.“

„Hast du dir schon überlegt, wer wo auf der Bank sitzt? Du sitzt auf jeden Fall bei Fynn auf der Bank. In der ersten Runde spielt Struffi parallel. Da wird sich Robin Haase auf die Bank setzen, die kennen sich gut. Wenn Robin auf den Platz geht, dürfte Fynn fertig sein. Dann gehst du bei Robin auf die Bank und ich werde mich bei Daniel auf die Bank setzen. Burghard ist auch für alle Fälle da. Also wenn das bei Fynn länger dauert, mach dir keinen Stress. Burghard hat gesagt, dass er aushilft.“

„Danke, du hast schon alles im Griff. Ich bin sehr froh, dass ich das nicht alles allein machen muss.“

„Denk nur nicht, Thomas hat das alles allein gemacht. Da habe ich das genauso gemacht wie heute. Es ist ein Teamsport.“

„Und wir sind ein gutes Team. Wie ich heute wieder ganz deutlich erleben darf.“

„Guten Morgen“, hörten wir über die Terrasse.

Ich schaute mich um und Fynn stand mit Dustin bei uns.

„Hallo ihr zwei. Wie ist die Stimmung? Alles gut bei euch?“

„Bis auf meine tierische Nervosität ganz gut. Sitzt du bei mir gleich auf der Bank?“

Ich konnte in seiner Stimme schon die Anspannung hören.

„Natürlich sitze ich bei dir auf der Bank und Dustin kann sich gern dazusetzen.“

Das zauberte bei beiden Jungs ein Lächeln ins Gesicht. Thorsten fing an zu lachen.

„Chris, du weißt aber auch ganz genau, wie du die Jungs bestechen kannst.“

„Na klar, Zuckerbrot und Peitsche. So, wie gerade nötig.“

Dustin und Fynn schauten mich ratlos an. Dustin fragte aber nach einer Gedenksekunde frech:

„Wo hast du eigentlich deine Peitsche versteckt? Wir haben sie jedenfalls noch nie gespürt.“

„Na, wenn ich euch das verrate, dann verliert sie ja ihre Wirkung.“

Danach brachen wir alle in Gelächter aus. Das tat Fynn sicherlich gut. Mir aber auch, denn ich spürte ebenfalls eine deutlich steigende Anspannung. Anschließend ging es zum gemeinsamen Frühstück.

Eine Stunde später füllte sich die Anlage sichtbar und alle Spieler waren bereits auf den Trainingsplätzen, um sich einzuschlagen. Ich bewegte mich zwischen den Plätzen, als ich eine helle Stimme meinen Namen rufen hörte.

Das konnte nur Patrick, Fynns kleiner Bruder sein. Ich schaute mich um und er kam mir lachend und winkend entgegen. Fynn bemerkte ihn natürlich genauso und war sofort abgelenkt.

„Hallo Patrick. Schön, dass du zum Unterstützen kommst. Bist du etwa allein gekommen?“

Fynn schaute sofort zu mir und ich wusste, es musste schnell Aufklärung her, bevor er auf den Platz gehen würde.

„Nein, Mama und Papa sind auch da. Sie müssen aber noch Karten kaufen und warten in der Schlange vor dem Eingang.“

So ein Unsinn. Sie hätten doch vorher Bescheid sagen können, dann hätte ich ihnen die Karten bereitgestellt.

„Du läufst bitte zurück an den Eingang und sagst der Einlasskontrolle, ich hätte dich geschickt und deine Eltern brauchen keine Karten. Ich komme gleich zum Eingang und kläre das.“

Patrick nickte und war schnell wieder verschwunden. Das verschaffte mir etwas Luft, mit Dustin und Fynn die Lage abzustimmen. Ich hatte sie zu mir gebeten.

„Habt ihr gewusst, dass sie heute kommen wollten? Ich dachte dein Vater wäre noch in der Klinik.“

Fynn schüttelte seinen Kopf und antwortete lachend:

„Nein, keinen Schimmer. Aber ich freue mich, dass sie hier sind. Heute ist das erste Mal, dass ich keine Zweifel habe, ob es gut oder schlecht für mich ist.“

Das freute mich unheimlich und ich konnte mich entspannen. In dieser Familie hatte sich viel Positives entwickelt. Bevor ich zum Eingang gehen konnte, kamen mir die Grehls schon entgegen. Sie hatten noch einen weiteren Jungen dabei, den ich nicht kannte.

„Guten Morgen, das ist aber eine Überraschung.“, sagte ich.

„Ja, ich weiß. Wir hätten vorher fragen sollen, aber ich habe heute erst kurzfristig Ausgang bekommen. Da haben wir uns spontan entschieden, herzukommen. Ich hoffe, das wird für Fynn kein Problem.“

„So wie er eben reagiert hat, wohl nicht. Er freut sich sehr. Er spielt sich drüben auf Platz neun warm. Er geht gleich als erster auf den Platz.“

„Er muss spielen?“, fragte mich Frau Grehl überrascht.

„Hatte er Ihnen das nicht gesagt? Ja, er spielt heute an Position vier.“

Ungläubiges Staunen bei Familie Grehl. Sogar Patrick war für einen Augenblick sprachlos. Dann begann er einen kleinen Freudentanz aufzuführen, den seine Mutter mit einem strengen

„Patrick, lass das.“

beendete.

„Sie können gern schon zu ihm gehen. Ich muss gerade noch einmal zum Eingang und Bescheid sagen, dass sie meine Gäste sind. Beim nächsten Mal bitte kurz eine Info an mich, dann geht es schneller.“

Ich machte mich auf den Weg zum Eingang und staunte. Dort hatte sich eine Schlange gebildet und die Anlage füllte sich zusehends mit Menschen.

Nachdem ich geklärt hatte, dass das mit Familie Grehl in Ordnung sei, kehrte ich an den Platz neun zurück. Thorsten kam mir entgegen.

„Da bist du. Ich hab dich schon gesucht. Hier ist ein Funkgerät für dich. Damit haben wir einen direkten Draht zueinander. Wenn du etwas brauchst, drückst du die Rautetaste. Dann meldet sich Toto. Der kümmert sich dann. Wenn du mich sprechen willst, bitte die Sterntaste drücken.“

Ich nahm das Gerät und klärte ihn über den Besuch von Fynns Familie auf.

„Cool, da bekommen sie ja Fynn sogar spielend zu sehen. Das passt ja gut.“

„Hoffentlich macht sich Fynn nicht noch mehr Stress. Ich glaube, ich schicke ihn direkt vom Trainingsplatz zur Begrüßung. Oder was meinst du?“

„Ja, lass ihn gar nicht lange überlegen. Mach das so.“

Wir trennten uns wieder und am Platz war Struffi bereits mit Fynn in einem Gespräch. Das freute mich, denn so würde Fynn Sicherheit bekommen. Ich konnte an seiner Körperhaltung erkennen, wie angespannt er war. Struffi blieb aber bei ihm, bis wir die Aufforderung bekamen, zur Begrüßung auf den Center Court zu kommen.

Ich holte mir also meine Truppe zusammen und gemeinsam gingen wir zum Center Court. Fynn schaute sich nach seiner Familie um. Ich konnte sie oben am Rand der Tribüne erkennen. Gerry Weber stand bei ihnen. Es gab mir ein gutes Gefühl, wie hier jeder jeden unterstützte.

Plötzlich meldete sich mein Handy. Eine Nachricht war eingegangen. Ich hatte es noch nicht auf lautlos gestellt. Schnell schaute ich nach und sah, dass sie von Luc aus der Schweiz kam. Er wünschte uns viel Erfolg. Meine Jungs mussten ihn wohl informiert haben. Schnell schrieb ich ihm zurück und dann ging es auch schon los mit der Vorstellung der Spieler.

Als wenige Minuten später mein Name aufgerufen wurde, bekam ich doch etwas Gänsehaut. Ich hatte niemanden, hinter dem ich mich verstecken konnte. Ich stand in der ersten Reihe der Verantwortung. Aber die Mannschaft machte es mir einfach. Sie strahlte eine Sicherheit aus, die mich beruhigte.

Eine halbe Stunde später saß ich bereits bei Fynn auf der Bank bei einem Spielstand von 2:2 im ersten Satz. Dustin saß direkt hinter mir, da keine zwei Personen auf der Bank sitzen durften. Er konnte aber jederzeit mit Fynn sprechen.

Eine lustige und für mich neue Situation war, dass Tim bei uns auf dem Platz als Balljunge agierte. Er machte seine Aufgabe, wie alle Kinder, sehr gewissenhaft. Für mich keine Selbstverständlichkeit, dass sich unsere Kids dafür zur Verfügung stellten.

Das Spiel entwickelte sich langsam und der erste Satz ging in die entscheidende Phase. Fynn spielte sehr gut mit, war aber auch körperlich sehr gefordert. Das war eigentlich der große Unterschied. Sein Gegner war deutlich austrainierter. Fynn agierte an seiner Leistungsgrenze, aber unser Publikum feuerte ihn bei jedem Punkt frenetisch an. Fynn pumpte sich regelrecht auf und zeigte eine tolle Performance.

Beim Stand von 6:5 im ersten Satz wurden die Seiten erneut gewechselt und Fynn saß bei mir auf der Bank.

„Sehr geiles Match. Ich bin begeistert. Du hast keinerlei Druck und spiel einfach weiter. Du hast eine gute Chance.“

Fynn trank aus der Flasche und nickte.

„Es ist so geil, hier zu spielen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie heftig das ist. Es macht einfach nur Spaß, aber ich weiß nicht, wie lange ich das durchhalte. Ich bin schon richtig kaputt.“

„Mach dir keinen Kopf. Du gibst alles, das weiß ich. Bleib locker und genieße es.“

Da kam sein Grinsen wieder ins Gesicht. Er konnte es heute annehmen und wirklich genießen. Da wusste ich, hier war eine Überraschung möglich.

Von Thorsten wusste ich, auf dem Nebenplatz führten wir deutlich. Dustin saß hinter mir und war verdächtig still. Erst als Fynn wieder auf den Platz ging kam er zu mir vor.

„Glaubst du, er kann das durchhalten? Das kostet doch unheimlich viel Kraft.“

Ich zuckte mit den Schultern und erwiderte:

„Eigentlich nicht, aber ist auch egal. Er soll jede Minute genießen und sich selbst beweisen, wie gut er schon ist. Wenn er einbricht, ist das gar kein Problem. So entspannt habe ich ihn noch nie bei einem Match gesehen. Großartig, was er da macht.“

Der Satz ging in den Tie-Break. Jetzt hatte ich das Empfinden, alle Zuschauer waren an unserem Platz. Die Tribüne war komplett besetzt und jeder Punkt wurde mit einem Jubelorkan belohnt. Es passierte tatsächlich, Fynn gewann den ersten Satz und ich wollte die Satzpause nutzen, ihm etwas Entspannung zu ermöglichen.

Er kam zu mir auf die Bank und ich redete nicht auf ihn ein. Es war eh im Moment alles gesagt. Dustin hatte ich per Zeichen zu verstehen gegeben, dass er sich neben seinen Freund setzen sollte. Ich massierte währenddessen Fynns Waden.

„Ahh, das tut gut. Weitermachen, bitte.“

Dabei lachte er befreit. Es tat mir gut, ihn so zu erleben. Das ermöglichte ihm, sein absolutes Limit abzurufen. Sein Gegner wurde immer unzufriedener. Er hatte vermutlich nicht erwartet, dass ihm Fynn so eine Gegenwehr zeigen würde.

Als es in den zweiten Satz ging, hörte ich plötzlich Patricks Stimme hinter mir. Er hatte sich zu Dustin gesetzt, ließ mich aber in Ruhe. Das überraschte mich. Es schien, als ob er etwas dazugelernt hatte. Fynn hatte jetzt eine kurze Phase der Konzentrationsschwäche. Er verlor den Anschluss und lag schnell 2:5 zurück. Ich überlegte für einen Augenblick, ob ich ihn nochmal antreiben sollte. Aber ich entschied mich anders.

„Pass auf, konzentriere dich nur noch auf den Champions-Tiebreak. Spar dir die Kraft und Konzentration. Bleib locker. Du bist unglaublich heute. Ich bin echt stolz auf dich. So macht das einfach Freude, dir zuzuschauen. Bitte noch einmal zehn Minuten alles geben.“

Er folgte genau meinen Anweisungen und als es in den entscheidenden Tiebreak ging, hatte er wieder den Fokus nur noch auf den nächsten Punkt. Es wurde ein Krimi. Bei 12:12 schlug sein Gegner auf und Fynn hatte das Glück auf seiner Seite. Sein Return berührte die Netzkante und fiel unerreichbar auf die andere Seite. Matchball. Bei eigenem Aufschlag.

Die Spannung war unglaublich, alle 2000 Zuschauer hielten die Luft an. Fynn stellte sich zum Aufschlag und in dem Moment, wo er den Ball hochwarf, klingelte ein Handy. Das konnte doch nicht wahr sein. Fynn ließ den Ball fallen und Unruhe kam im Publikum auf. Es dauerte einige Augenblicke, bis sich alles beruhigt hatte.

Fynn stellte sich erneut an die Linie, warf den Ball hoch und schlug einen grandiosen Service Winner. Vorbei! Gewonnen!

Ohrenbetäubender Jubel der Zuschauer. Bevor ich reagieren konnte, war Dustin bereits auf den Platz gestürmt und hatte Fynn umarmt. Dabei waren sie sogar auf dem Boden gelandet. Dustin küsste seinen völlig überraschten Freund auf dem Platz liegend. Das Publikum tobte und johlte. Ich ging zu seinem Gegner, um mich für das faire Spiel zu bedanken. Eigentlich hätte Fynn ihm zuerst die Hand geben müssen. Er war aber durch Dustins Aktion noch nicht dazu gekommen. Erst als ich beim Gegner stand, kam Fynn dazu. Es gab ein faires Handshake und dann war Dustin erneut nicht mehr zu halten. Er drückte seinen Freund fest an sich.

Patrick und ich standen kopfschüttelnd und etwas ratlos daneben. Patrick fragte mich:

„Hast du wirklich vorher dran geglaubt, dass Fynn gewinnen kann?“

„Nein, nicht wirklich. Allerdings ist im Tennis das Match immer erst entschieden, wenn der Matchball verwandelt ist.“

Plötzlich standen alle anderen Spieler bei uns, gratulierten Fynn und klopften ihm anerkennend auf die Schulter.

„Fynn, geh bitte auslaufen und dann duschen. Wir müssen jetzt den Platz wieder vorbereiten für das nächste Spiel.“

Gott sei Dank strömten die Zuschauer jetzt auf den dritten Platz, auf dem das dritte Einzel begonnen hatte. Daniel lag zurück, aber das hatten wir auch erwartet. Dafür hatte Struffi klar gewonnen.

Ich machte mich auf den Weg ins Clubhaus. Thorsten hatte das Spiel bei Daniel übernommen und ich konnte mich jetzt auf das Top Einzel mit Robin Haase konzentrieren. Zuvor wollte ich aber eine Fassbrause trinken.

Bevor ich jedoch das Clubhaus betreten konnte, musste ich einige Fragen der Zuschauer beantworten. Auch das war für mich neu. Ich war heute der Verantwortliche. Das hatte ja Frank Höfen auch bei der Begrüßung gesagt.

Wir hatten einen Bereich nur für Spieler und Betreuer. Dort hatten Zuschauer keinen Zutritt. Dort ging ich hin, um etwas Ruhe zu haben und mich mit Robin abzustimmen.

Dass Fynns Familie heute hier war und auch Klassenkameraden, hatte ich komplett ausgeblendet. Es war einfach zu viel Druck auf meinen Schultern. Ich wollte es gut hinbekommen. Nicht, dass mir Schuld an einem schlechten Heimspiel gegeben werden könnte. Es war mein eigener Anspruch, hier eine gute Leistung zu zeigen.

Ich saß mit Robin in der Kabine und wir sprachen über die Strategie, als plötzlich die Tür aufging und Fynn hereinkam. Er war auslaufen und wollte jetzt duschen.

„Na, hast du dich wieder etwas beruhigt?“

„Es geht. Ich zittere immer noch etwas. Ich habe aber eine Frage. Dustin ist ja kein offizieller Spieler und die Security hat ihn nicht in die Umkleide gelassen. Muss das so sein?“

Um solche Dinge wollte ich mich heute eigentlich nicht kümmern. Aber hier waren meine Jungs direkt betroffen und Thorsten saß auf der Bank.

„Wo ist Dustin gerade?“

„Er wartet draußen auf mich.“

Ich bat Robin, allein auf den Platz zu gehen. Ich würde jeden Moment nachkommen. Dann ging ich nach draußen und fand Dustin auf dem kleinen Rasen vor den Plätzen.

„Komm bitte mal mit. Wir haben was zu klären.“ Das hatte ich etwas genervt gesagt.

„Was ist los? Hab ich was falsch gemacht?“

„Nein“, lachte ich. „Sorry, ich wollte dich nicht anmachen. Komm mit.“

Ich ging zum Sicherheitspersonal vor dem Spielerbereich.

„Hallo Leute. Würdet ihr bitte in Zukunft auch unsere Ersatzspieler in den Spielerbereich lassen.“

Der Mann schaute mich an und realisierte, dass er wohl etwas zu streng war. Ohne Probleme war das geklärt und ich konnte auf den Platz gehen. Dachte ich zumindest. Leider wurde ich immer wieder von Zuschauern nach Fynn gefragt. Als mir dann Fynns Familie noch über den Weg lief, war ich leider erneut etwas genervt. Deshalb war meine Begrüßung nicht standesgemäß. Mein Verhalten ärgerte mich, als ich mich auf die Bank gesetzt hatte. Robin bemerkte sofort meinen Unmut.

„Hey, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“

Die Einschlagzeit war zu Ende und es sollte losgehen. Eigentlich wollte ich Robin nicht mit dieser Sache belasten, aber er hatte mich gefragt und deshalb erklärte ich kurz die Situation.

„Mach dir keinen Kopf. Du bist hier, weil du als Kapitän arbeitest. Da kommt das vor, dass man nicht allen gerecht wird. Ich bin mir sicher, Fynn wird ihnen das längst erklärt haben, wenn du wieder zu ihnen gehen kannst. Wir werden jetzt unseren dritten Punkt abliefern. Los, ich brauche einen gutgelaunten Coach auf der Bank.“

Das brachte mich zum Lachen. Robin war eine Frohnatur und das teilte er auch mit den anderen.

„Ok, dann will ich dir diesen Wunsch mal erfüllen. Nicht, dass du sagst, der Coach hatte schlechte Laune und deswegen habe ich verloren.“

„So gefällt mir das besser. Du machst dich.“

Danach mussten wir beide laut lachen und das wiederum irritierte unseren Gegner. Dass ein Spieler unmittelbar vor Beginn eines Matches noch so entspannt scherzen kann war ungewöhnlich.

Das Match wurde ein erneuter Krimi und ich war sehr schnell komplett in das Spiel eingetaucht und hatte überhaupt keinen Gedanken mehr daran, dass das ein Profimatch war. Ich sprach mit Robin genauso, als ob es Fynn oder Dustin wäre.

Dieses Spiel wurde im Match-Tiebreak entschieden und leider gegen uns. So stand es nach den Einzeln 2:2 und die Doppel mussten die Entscheidung bringen.

Mein Akku war bereits jetzt leer. Die beiden Spiele von Fynn und Robin hatten meine ganze Kraft benötigt. Leider kamen mir auch wieder Zweifel, ob ich auf dem Platz alles richtig entschieden hatte. Aber bevor sich weitere Zweifel in mir breitmachen konnten, lief mir Gerry Weber über den Weg, der mich mit ernster Miene fragte:

„Wie werdet ihr Doppel spielen?“

„Keine Ahnung. Wir müssen uns gleich einmal beraten. Ich informiere dich, sobald es klar ist.“

„Danke, mach dir keinen unnötigen Stress. Schade, dass Robin so knapp verloren hat. Aber jetzt hauen wir sie eben im Doppel weg.“

„Wir geben jedenfalls alles. Mal sehen ob es reichen wird.“

„Ich bin mir ganz sicher. Du wirst uns genügend Sicherheit geben.“

Jetzt mussten wir eine Entscheidung treffen, wie wir die Doppel aufstellen würden. Ich hatte eine Idee im Kopf, aber ob die Spieler damit einverstanden waren, würde sich gleich zeigen. Ich betrat unsere Kabine und alle Spieler, Ersatzspieler und Thorsten waren bereits dort.

„Ah, da kommt ja der Chef. Jetzt können wir eine Entscheidung treffen.“

Thorsten hatte diese Bemerkung gemacht. Das gefiel mir zwar gar nicht, aber was sollte ich machen? Ich tat so, als ob ich sie nicht gehört hatte und fragte in die Runde:

„Was sind eure Ideen? Ich habe eine Idee im Kopf, aber möchte zuerst eure hören.“

Was ich gut fand, auch Simone Bolelli saß dort und unterhielt sich mit Fynn auf Englisch. Er war nicht sauer und hatte auch während des Spieles sich immer mit an den Platz gesetzt. Robin fing mit den Vorschlägen an und bis auf Dustin und Fynn hatten alle ihre Ideen geäußert. Meine Jungs trauten sich nicht recht. Ich wollte zumindest von Fynn einen Vorschlag hören. Er druckste etwas herum, bis Struffi sagte:

„Los, sag es Chris, was du für eine Idee hast. Du kannst das frei heraus sagen.“

Er schaute zu mir und meinte dann:

„Also gut, Daniel ist angeschlagen. Struffi und Robin sollten im ersten Doppel gesetzt sein und das zweite Doppel soll Simone spielen, er ist gut im Doppel. Vielleicht mit Tim.“

Mit Tim war natürlich Tim Pütz gemeint. Unser Doppelspezialist. Ich hatte eine leicht abweichende Idee. Robin und Struffi waren sicher ein sehr starkes Doppel. Tim wollte ich auch einsetzen, aber ich wollte Dustin spielen lassen. Er war ein guter Doppelspieler und unser Gegner würde damit nicht rechnen. Sie kannten Dustin nicht. Aber würde die Mannschaft das akzeptieren?

„Okay, alles soweit in Ordnung. Ich denke Struffi und Robin sind klar. Allerdings würde ich gerne Tim mit Dustin im zweiten Doppel einsetzen. Damit wird ganz sicher niemand rechnen. Dustin kann gut Doppel spielen und Tim hat reichlich Erfahrung, um Dustin die Nervosität zu nehmen. Was denkt ihr denn dazu?“

Alle schauten sich überrascht an. Damit hatten sie nicht gerechnet, am wenigsten wohl Dustin. Er wollte schon etwas sagen, aber Thorsten kam ihm zuvor:

„Coole Idee. Darauf wäre ich nicht gekommen. Aber das gefällt mir sehr gut. Vor allem, dass sie Dustin überhaupt nicht kennen, könnte ein großer Vorteil sein. Sie werden ihn sicher unterschätzen. Meine Unterstützung hast du dafür. Was denken die anderen?“

Nach einer kurzen Diskussion war es eigentlich klar. Dustin und Tim sollten das zweite Doppel spielen, aber Dustin sagte plötzlich:

„Chris, ich möchte nicht spielen. Ich fühle mich einfach damit überfordert. Wenn ich nicht mein Maximum spiele, wird die Mannschaft verlieren. Diese Verantwortung möchte ich einfach nicht tragen. Tut mir leid, aber ich traue es mir einfach noch nicht zu.“

Dustin war sehr aufgewühlt. Es war ihm sichtlich unangenehm, aber ich bewunderte seinen Mut, das so deutlich zu sagen. Vor allen Anwesenden. Ich überlegte einige Sekunden, ihn zu überreden. Aber es wäre falsch gewesen.

„Also gut, dann spielt Simone mit Tim das zweite Doppel. Noch weitere Fragen?“

Keiner sagte etwas und damit war es entschieden.

„Thorsten kannst du bitte die Doppel eintragen. Ich möchte mit Dustin und Fynn kurz sprechen. Die anderen können sich aufwärmen und auf die Plätze gehen.“

Die Besprechung löste sich auf und nur wir drei blieben zurück. Ich war einerseits enttäuscht, weil ich mir sicher war, dass Dustin und Tim eine gute Siegchance hatten, aber ich hatte begriffen, dass es keinen Sinn machen würde, Dustin in dieser Lage spielen zu lassen. Dennoch musste ich mich neu sortieren. Das spürten beide auch. Dustin war traurig und sogar etwas verängstigt, denn er fragte mich:

„Du bist jetzt sauer auf mich, oder? Ich habe dich enttäuscht und vermutlich bin ich jetzt auch aus der Nummer raus, aber ich spüre Angst zu versagen. Das kann ich noch nicht.“

„Hallo? Was spinnst du dir da gerade zusammen? Warum sollte ich enttäuscht sein? Im Gegenteil, ich bewundere deinen Mut, so klar zu sagen, wie du dich fühlst. Kaum jemand hätte in dieser Situation gesagt, dass er Angst hat. Wir werden weiter daran arbeiten, dass du diese Angst verlierst. Mach dir keine Vorwürfe. Ich kann dich verstehen. Aber du versprichst mir, dass wir gemeinsam an der Situation arbeiten. Fynn, du kannst mit deinem Freund einfach mal ein paar Meter draußen machen. Oder geht zu deinen Eltern und lenk Dustin etwas ab. Das braucht er grade. Allerdings möchte ich euch gleich hinter meiner Bank haben, wenn die Doppel begonnen haben.“

„Okay, mache ich.“

Fynn wollte Dustin schon nach draußen schieben, aber da drehte sich Dustin zu mir um.

„Es tut mir wirklich leid, deine Pläne zu durchkreuzen, aber…“

„Unsinn. Es ist alles gut. Mach dir keinen Kopf. Es war richtig, dass du es so gesagt hast, wie es sich für dich anfühlt. Meine Aufgabe ist es, dir diese Angst zu nehmen. Damit du irgendwann in Zukunft befreit spielen kannst. Und das schaffen wir, ganz bestimmt.“

Ich zwinkerte Dustin zu und ein Lächeln kam über seine Lippen. Danach verließen sie die Umkleide und ich wollte mich noch kurz mit Thorsten besprechen. Dieser saß bereits im Büro und hatte die Doppel im Spielbericht eingetragen.

„Komm rein, setz dich einen Moment. Wie geht es Dustin? Er machte einen niedergeschlagenen Eindruck.“

„Ja, ist er auch. Er wird sicher noch etwas Zuspruch brauchen, bis er sich dieser Situation stellen kann. Allerdings war es richtig, dass er uns das gesagt hat. Davor ziehe ich meinen Hut.“

„Stimmt. Kaum jemand hätte das in dieser Situation gesagt. Die meisten wären auf den Platz gegangen und wären ganz böse gescheitert. Er war mutig und hat dir die Wahrheit gesagt. Glaubst du, es wird schwierig sein, ihm die Angst zu nehmen?“

„Ich weiß es noch nicht. Aber es wird noch etwas Zeit brauchen. Ich gebe ihm die Zeit, die er braucht. Was denkst du?“

„Auf jeden Fall. Wenn es jemandem gelingt, dann dir. Fynn wird sicher auch eine Rolle spielen. Aber das kommt noch. Spielerisch könnte er jetzt schon im Doppel mithalten. Das andere bekommt er auch noch hin. Sag ihm, dass ich das überhaupt nicht schlimm finde. Vielleicht hätte er es sich einfacher gemacht, wenn er dir das schon vorher gesagt hätte.“

„Schon, aber ich bin sicher, er hat nicht damit gerechnet, dass ich ihn tatsächlich einsetzen würde. Ich sollte ihn beim nächsten Mal vorher fragen, dann wird es einfacher sein.“

Thorsten schüttelte seinen Kopf und fing an zu lachen.

„Du schützt deine Jungs auch noch in den schwierigsten Situationen. Es ist nicht dein Fehler. Es ist überhaupt kein Fehler passiert. Und jetzt gehen wir das Match gewinnen. Wir gewinnen beide Doppel und alles ist gut.“

Das war ein gutes Stichwort. Wir besprachen noch kurz, wer bei welchem Doppel sitzen würde und dann wurde es ernst.

Als ich auf der Bank bei Robin und Struffi Platz genommen hatte, spürte ich wieder diesen Druck in meiner Brust. Ich wusste natürlich, dass uns nur ein Sieg für den Titel helfen würde. Das machte es nicht einfacher, schließlich wollte ich eine gute Arbeit abliefern.

Robin und Struffi machten es mir sehr einfach, indem sie nichts anbrennen ließen. Es war nahezu eine Demonstration der Stärke. Nach einer guten Stunde war der Widerstand gebrochen und wir führten 3:2.

Innerhalb weniger Minuten waren die Zuschauer zu dem anderen Platz geströmt. Ich hatte unseren Jungs gratuliert und ging gerade die Treppe hoch zum anderen Platz, als es in meinem Funkgerät knackte. Thorsten bat mich zum Platz zu kommen. Mit einem „Komme sofort“ machte ich mich weiter auf den Weg zur Bank. Die Tribünen waren rappel voll. Die Zuschauer tobten bei jedem Punkt, den wir machten.

Ich sah den Spielstand und erkannte sofort, dass das richtig eng war. Den ersten Satz hatten wir knapp verloren, aber führten im zweiten Satz mit 4:2. Ich nahm direkt hinter Thorsten auf der Tribüne Platz. Dustin, Fynn und der Rest der Truppe saßen in unmittelbarer Nähe.

Die nächste halbe Stunde wurde erneut zu einem Krimi. Der zweite Satz wurde mit 6:4 gewonnen und der dritte Satz im Champions-Tiebreak musste die Entscheidung bringen.

Simone spielte sehr stark und es war nicht zu erkennen, dass er vielleicht wenig Motivation haben könnte. Das imponierte mir.

Die Zuschauer sorgten für Gänsehaut bei mir. Bei jedem Punkt wurde frenetisch gejubelt und geklatscht. Einfach unglaublich. So konnten wir den dritten Satz mit 10:6 im Champions-Tiebreak gewinnen.

Als der Matchball gespielt war, stürmten alle Spieler und Betreuer auf den Platz und jubelten mit den Siegern. Ich blieb auf der Tribüne noch für einen Moment sitzen. Ich brauchte etwas Zeit, um wieder runterzukommen.

Bevor ich aber noch weiter nachdenken konnte, hatten mich Dustin und Fynn schon auf den Platz gezogen und auch Tim und Carlo waren bei uns. Die ganze Mannschaft ließ sich von den Zuschauern feiern und es dauerte einige Minuten, bis wir den Platz verlassen konnten.

Damit war ein wichtiger Schritt in Richtung Meisterschaft getan. Der Gegner zählte zu den Mitfavoriten und wir hatten gewonnen. Thorsten kam zu mir und gratulierte mir.

„Thorsten, wir haben gemeinsam gewonnen. Jeder, auch die Ballkinder haben ihren Teil dazu beigetragen. Aber ich freue mich, dass alles so gut gelaufen ist. Ich hatte schon etwas Bammel, als du gesagt hattest, dass Thomas nicht da ist.“

„Und ich hatte gesagt, dass du das ganz sicher auch ohne Thomas hinbekommst. Und? Hatte ich Recht?“

Er hatte Recht behalten. Das musste ich zugeben. Plötzlich stand die ganze Familie Grehl bei uns. Patrick hatte schon wieder sein breitestes Grinsen im Gesicht und auch Herr Grehl schien bester Laune zu sein. Obwohl ich noch keine Gelegenheit hatte, mich zu entschuldigen, geschweige denn, mich um sie zu kümmern.

„Chris, das war ein toller Tag und wir sind sehr dankbar, Fynn auch noch selbst spielen gesehen zu haben. Wie stressig muss das für dich allein als Coach gewesen sein.“

„Es geht. Thorsten hat mich gut unterstützt. Aber ich muss mich noch entschuldigen. Ich war vorhin nicht unbedingt freundlich zu euch. Aber ich war in der Tat etwas im Stress. Vor allem bei dir Patrick, ich habe dich blöd angemacht. Das tut mir leid.“

Patrick nickte und lächelte. Sein Vater übernahm die Antwort:

„Kein Problem. Fynn hat uns schon erklärt, dass du sehr viel Stress hast und dann so etwas schon passieren kann. Übrigens ist Fynn gerade mit seinen Klassenkameraden im Clubhaus. Sie wollten gemeinsam auf den Sieg anstoßen. Dustin ist auch dabei.“

Bevor ich mich weiter dazu äußern konnte, trat Toto zu uns.

„Chris, ich soll dir ausrichten, dass du bitte zu Gerry ins Clubhaus kommen möchtest.“

Jetzt wurde ich doch etwas nervös. Hatte er doch ein Problem mit meiner Entscheidung, Fynn spielen zu lassen? Also verabschiedete ich mich von Fynns Familie und betrat wenige Augenblicke später den Clubraum. Dort standen die Jungs mit ihren Klassenkameraden an der Theke, Gerry direkt bei ihnen. Es sah sogar so aus, als ob er auch die Klassenkameraden zu einem Getränk eingeladen hatte. Als Gerry mich bemerkt hatte, winkte er mich heran:

„Sag mal Chris, woher hast du gewusst, dass Fynn wirklich so eine Leistung zeigen würde. Ich war etwas erstaunt, dass du Simone nicht spielen lassen hast.“

„Gewusst habe ich es natürlich nicht, aber er hat gegen Simone einen Satz gewonnen und zeigte mir, dass er bereit ist zu spielen. Das zählte für mich mehr, als die Rangliste. Fynn wollte mir zeigen, dass er für das Match bereit ist. Tut mir leid, dass ich mich gegen …..“

„Du musst dich nicht entschuldigen, ich fand es mutig und dein Mut wurde belohnt. Sehr starke Vorstellung von Fynn. Ich glaube, ich sollte mir Gedanken machen über meinen Kader für das nächste Jahr. Da könnte ich für die Spieler Geld sparen und für unseren Nachwuchs investieren.“

Gerry war tatsächlich nicht sauer oder unzufrieden mit meiner Entscheidung. Allerdings wäre seine Reaktion vermutlich anders gewesen, hätte Fynn nicht gewonnen.

Dass die Freunde aus Fynns Klasse gekommen waren, freute mich sehr. Vielleicht würde sich dort die Situation weiter normalisieren und Freundschaften entstehen lassen.

Eigentlich sollten Dustin und Fynn dem Alkohol nicht so zusprechen, aber andererseits auch etwas Zeit gemeinsam mit den Klassenkameraden verbringen können. Ich musste lernen, ihnen zu vertrauen. Morgen war Training angesetzt und wenn sie da keine gute Performance zeigen würden, wäre es immer noch zeitig genug zu reagieren.

Mein Tagewerk war erledigt und ich freute mich jetzt, nach Hause zu kommen. Entsprechend schnell verabschiedete ich mich von allen. Mein Akku fühlte sich komplett leer an.

Fynn: Der Abend wurde sehr lustig

Ich hatte mein erstes Bundesligaspiel aktiv erlebt. Und dann sogar noch gewonnen. Es war einfach ein geiles Gefühl, mit den Profis zu spielen.

Dass ausgerechnet heute meine Familie und meine Freunde aus der Klasse dabei waren, hat das Ganze noch getoppt.

Dustin war allerdings immer noch etwas geknickt, weil er das Doppel nicht spielen wollte. Chris hatte ihm zwar zu verstehen gegeben, dass es vollkommen in Ordnung war, dass er seine Angst benannt hatte. Dennoch machte er sich Vorwürfe.

Jetzt war das Match seit zwei Stunden beendet und Chris hatte sich nach Hause verabschiedet. Er hatte mir extra noch einmal gesagt, dass ich mich um Dustin kümmern sollte.

Meine Familie war inzwischen auch wieder heimgefahren und jetzt waren Dustin und ich nur noch mit meinen Freunden aus der Klasse zusammen. Wir hatten unsere Sachen in der WG abgestellt und waren nun in Halle unterwegs.

Frank hatte uns in das Billardcafé geführt und dort spielten wir vollkommen gelöst ein paar Runden. Dabei wurde natürlich auch noch das ein oder andere Bier getrunken. Ich wollte heute einfach den Abend genießen. Auch Dustin hatte schon zwei große Alster intus und wurde immer lustiger und lockerer.

Allerdings hielten wir uns im Vergleich zu meinen Freunden merklich zurück. Die hauten richtig auf den Putz und tranken das Doppelte von mir. Mal sehen, wie lange das gutgehen würde. Ich wollte aber heute einfach mal Spaß haben und nicht mehr an Tennis denken.

Dustin taute immer mehr auf und irgendwann saßen wir alle in einer Sitzgruppe und vor uns standen unsere Biergläser. Um weiter Billard zu spielen, waren die meisten bereits zu betrunken. Deshalb hatten wir die Kugeln zurückgegeben.

Dustin kuschelte sich an mich und die Müdigkeit überkam mich langsam. So peu à peu ging das Adrenalin aus meinem Körper und ich wusste, es wurde Zeit nach Hause zu gehen. Frank erzählte immer wieder die Szene aus meinem Einzel, wo es ganz eng war. Mir war es langsam unangenehm, aber die anderen hörten gespannt zu. Vermutlich lag es am Alkohol, dass sie es immer wieder hören wollten.

Dustin flüsterte mir ins Ohr:

„Wir sollten nach Hause gehen. Morgen müssen wir wieder in die Schule und anschließend zum Training.“

Ich nickte nur und gab ihm einen Kuss. Kurz darauf rafften wir uns aus den Sesseln hoch und ich wandte mich an meine Freunde:

„Leute, es ist Zeit für uns nach Hause zu gehen. Bis morgen und vielen Dank, dass ihr da gewesen seid. Wir sehen uns morgen in der Schule.“

„Hey, der Abend ist noch lang. Warum wollt ihr schon nach Hause? Es ist doch grad so lustig.“

Typisch für Marco. Er konnte immer einen Stiefel vertragen und fand kein Ende. Ich wusste aber ganz genau, wenn wir jetzt nicht gehen würden, wäre der morgige Tag ganz böse. Sowohl in der Schule als auch mit Chris beim Training.

„Wir müssen morgen wieder trainieren und können nicht einfach länger feiern wie ihr, außerdem möchte Dustin auch nach Hause.“

„Ihr wollt doch nur auch noch etwas Spaß im Bett.“

Frank grinste nach diesem Spruch und Dustin reagierte spontan und cool:

„Klar, deshalb will ich ja jetzt gehen. Sonst ist Fynn zu nichts mehr zu gebrauchen.“

So einen Text hätte ich noch vor wenigen Wochen niemals von ihm gehört. Umso lustiger fand ich das und gab meinem Freund dafür einen Kuss.

„Bevor ich mit dem Nudelholz von ihm verhauen werde, gehe ich lieber mit. Also Leute, macht euch noch eine schöne Zeit und bis morgen.“

Dustin und ich bezahlten unsere Getränke. Als ich nach draußen an die frische Luft kam, merkte ich sofort die Wirkung des Alkohols.

„Uii, Schatz. Ich glaube, ich habe einen im Tee.“

Dustin begann heftig zu lachen, hakte mich ein und sagte:

„Das glaube ich nicht nur, das weiß ich ganz sicher. Soviel wie du getrunken hast, musst du einen im Tee haben. Lass uns schnell nach Hause gehen, bevor uns vielleicht noch Chris über den Weg läuft.“

Ich schaute ihn entsetzt an. Er fing wieder laut an zu lachen.

„Dein Gesicht ist klasse. Hättest dir vorher überlegen sollen, was du trinkst. Können wir jetzt nach Hause?“

„Jaja, schon gut. Du hast ja recht. Lass uns gehen.“

Glücklicherweise lief uns in der WG niemand über den Weg und wir verschwanden schnell in unserem kleinen Reich. Dort stellte mich Dustin unter die Dusche und erst dann durfte ich mit ihm ins Bett zum Kuscheln.

Dieser Tag würde sicherlich in meinem Gedächtnis einen besonderen Platz haben. Ich war einfach wunschlos glücklich. Sogar meine Familie schien wieder eine Familie zu werden und das mit Dustin als Zuwachs.....

Allerdings begann der Montag mit Schwierigkeiten für mich. Mir taten sämtliche Knochen weh und auch mein Kopf war nicht in Bestform. Entsprechend mühsam quälte ich mich aus dem Bett, als der Wecker geklingelt hatte.

Mein Freund grinste nur und schien selbst in bester Verfassung zu sein. Irgendwie konnte ich mir das nicht erklären. Schließlich hatte er auch einige Biere getrunken.

„Wie kann das sein, dass du so fit bist und ich mich wie ein alter Mann fühle? Du hast doch nicht viel weniger getrunken als ich.“

Er lachte und antwortete:

„Das stimmt zwar, aber ich habe auch kein Einzel spielen müssen und mich dabei total verausgabt. Kein Wunder also, dass der Alkohol bei dir eine deutlich stärkere Wirkung zeigt.“

Im Bad machte er mich immer wieder mit kaltem Wasser nass. Das führte dazu, dass wir deutlich lauter waren als gewöhnlich. Ohne dass wir es bemerkt hatten, stand Martina plötzlich bei uns im Wohnzimmer, als wir nackt aus dem Bad kamen. Sie schaute uns an, fing furchtbar an zu lachen und fragte:

„Was ist denn bei euch heute los? An einem Montag so früh am Morgen schon das totale Leben. Ich habe mir Sorgen gemacht.“

Sie tat so, als seien wir bereits angezogen. Mir war das so etwas von unangenehm, während Dustin total entspannt reagierte:

„Es ist alles in Ordnung, nur wollte Fynn nicht wachwerden. Da habe ich mit kaltem Wasser etwas nachgeholfen.“

„Ahja“, grinste Martina, „und wie ich sehe, ist er jetzt wach. Dann kann ich ja beruhigt wieder gehen. Macht schnell, sonst habt ihr nicht genug Zeit zum Frühstück.“

Und schon war sie wieder weg.

„Boah, wie peinlich war das denn bitte? Du musstest es aber auch auf die Spitze treiben. Ich möchte nicht wissen, was Martina da wohl gedacht hat.“

„Reg dich ab, Fynn. Wenn du weniger getrunken hättest, wäre alles anders gelaufen. Ich fand es übrigens lustig.“

Dann begann er mich zu kitzeln. Wie gemein mein Freund doch sein konnte. So kamen wir erst auf den letzten Drücker zum Frühstück. Maxi empfing uns entsprechend mit einem Spruch.

„Na, haben die Herrschaften sich ausgetobt?“

„Maxi, kein Wort mehr oder du wirst genauso ein Opfer meiner Kitzel-Attacken wie Fynn.“

Was war denn mit Dustin los? So locker und redselig war er sehr selten. Hatte ich etwas verpasst?

Maxi überlegte erst, ob er noch einen Spruch riskieren sollte, widmete sich dann jedoch lieber wieder seinem Brötchen. Aber das war wohl eher dem Zeitmangel geschuldet. Normalerweise hätte er es sicher versucht.

Martina, Tim und Carlo schauten uns an und grinsten sich eins. Überhaupt war die Stimmung bestens, nur in meinem Körper und insbesondere meinem Kopf nicht. Deshalb drängte ich meinen Schatz, dass wir uns auf den Weg zur Schule machten. Das Radfahren sollte mich wach machen.

Tatsächlich brachten mich die Bewegung und der Sauerstoff wieder etwas besser auf Touren. Dustin fuhr die ganze Zeit schweigend neben mir her. Er hatte gespürt, dass ich heute Morgen nicht sehr gesprächig war und ließ mich wach werden. Erst an der Schule fragte er mich:

„Na, bist du jetzt etwas besser drauf? Was macht der Kopf?“

„Danke, es geht so. Das Radfahren hat mir gut getan. Allerdings werde ich in Zukunft besser aufpassen. Ich hoffe, bis nachher wieder okay zu sein. Sonst wird mich Chris vierteilen, wenn er merken sollte, dass ich zu viel getrunken habe und keine Leistung bringen kann.“

„Bis dahin hast du ja noch etwas Zeit, aber sollte es beim Training noch nicht gut sein, solltest du Chris besser gleich sagen, was los ist. Sonst könnte es richtig unangenehm werden.“

Mein Freund hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Mir war das auch vollkommen klar. Entweder fit und normale Leistung zeigen oder gleich sagen, dass ich nicht in der Lage sein würde, heute gutes Tennis abzuliefern.

Wir trennten uns mit einem Kuss und als ich die Treppen zu meiner Klasse hochging, spürte ich meine schweren Beine. Ich war schon erstaunt, dass diese Menge an Bier bereits solche Wirkungen nach sich ziehen würde. Ich stellte meine Tasche an meinen Platz und begrüßte dann Frank. Der schaute mich nur einmal kurz an und fragte:

„Na, bist du doch zu spät nach Hause gekommen? Du siehst nicht so wirklich gut aus.“

Wortlos schüttelte ich nur den Kopf. Frank schien Mitleid zu haben, denn entgegen seiner sonstigen Gepflogenheiten, machte er keinen Spruch, sondern entschuldigte sich sogar.

„Mist, ich habe nicht gedacht, dass das so problematisch sein würde. Ich wollte dich nicht abfüllen. So viel hast du doch gar nicht getrunken, aber okay, ist dann wohl meine Schuld. Tut mir leid.“

„Unsinn, ich bin schon selber für mich verantwortlich. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass mich das derart aus den Schuhen hauen würde. Hoffentlich geht es bald wieder besser. Chris wird recht schnell ungehalten, wenn man sich nicht an die Regeln gehalten hat.“

In diesem Augenblick betrat unser Biologielehrer den Raum. Er stellte seine Tasche am Pult ab und begrüßte uns mit bester Laune. Er erwähnte meinen Einsatz in der Bundesliga und erzählte, dass er mich sogar hat spielen sehen, da er bei der Bundesligapartie als Zuschauer dabei gewesen war. Das hatte ich nicht erwartet und auch den positiven Nebeneffekt, dass die Unterrichtsstunde heute sehr schnell vorbeiging.

Überhaupt war der Unterricht heute sehr entspannt. An einem Montag wie diesem sehr vorteilhaft. Dustin war überrascht, dass ich in der Pause wieder gut gelaunt war und wir über den Nachmittag sprechen konnten. Heute in der Frühe wäre das nicht gut ausgegangen.

„Hey, du siehst viel besser aus als heute früh. Haben die Lehrer Schonprogramm gemacht? Oder gar Mitleid gehabt?“

„Haha, sehr witzig. Mach dich noch lustig. Du bist mir ja ein toller Partner.“

Dustin grinste. Das freute mich, denn so locker war er erst seit wenigen Wochen. Früher wären solche Frotzeleien nicht möglich gewesen. Jetzt erwiderte er sogar frech:

„Klar, ich muss schließlich schauen, dass Chris mich gut behandelt. Da wäre es doch besser, wenn er nur dich quält.“

So kam es erneut zu einer kleinen Rangelei. Natürlich rein aus Spaß. Entsprechend schnell waren wir beim gegenseitigen Kitzeln angekommen. Die Pause war schneller zu Ende als gedacht und die Klingel hatten wir sogar im Eifer des Gefechtes überhört. Erst als wir realisierten, dass wir so gut wie allein auf dem Schulhof waren, beendeten wir unsere Albereien. Ich gab meinem Schatz noch einen Kuss und dann liefen wir schnell die Treppe zu unseren Klassen hoch.

Etwas außer Atem betrat ich meine Klasse. Glück gehabt, der Lehrer war noch nicht da, aber Frank grinste mich an.

„Was ist? Warum grinst du so?“

„Schau mal in den Spiegel, dann weißt du was los ist. Außerdem würde ich mal die Hose zu machen. Man könnte denken, dass ihr in der Pause unanständig gewesen seid.“

Das war mir einfach nur unangenehm und ich versuchte mich herauszureden, aber je mehr ich argumentierte, desto stärker fing Frank an zu lachen. Irgendwie eine komische Situation, aber ich bemerkte dann bald, dass er mich nur auf den Arm nehmen wollte.

Plötzlich passierte aber etwas Unschönes. Einer unserer Klassenkameraden fing an zu lästern. Und zwar mit Ausdrücken wo „Schwuchtel“ noch harmlos war. Jetzt lernte ich Frank von einer anderen Seite kennen. Er drehte sich um, ging auf diesen Deppen zu und baute sich bedrohlich vor ihm auf. Für eine Sekunde glaubte ich, Frank würde ihn umhauen. Aber ich hatte mich geirrt. Der Rest der Klasse stand hinter Frank und machte diesem geistigen U-Boot klar, dass so ein Umgang in unserer Klasse nicht geduldet würde.

Als unser Klassenlehrer den Raum betrat, war diese Auseinandersetzung noch nicht ganz geklärt. Er fragte deshalb nach und Claudia erklärte den Sachverhalt. Daraufhin wurde ich von ihm gefragt:

„Fynn, ist das so korrekt, was Claudia gerade geschildert hat?“

„Ja, sie hat das noch harmlos dargestellt. Die wahren Ausdrücke möchte ich nicht wiederholen.“

Er drehte sich um und erteilte dem Verursacher dieser Pöbeleien einen Verweis aus der Schule für diesen Tag. Dadurch sollte er darüber nachdenken, wie er sich zu verhalten habe.

Für mich war das zwar ein sinnloses Unterfangen, aber ich hatte heute wenigstens meine Ruhe und die Gewissheit, meine Klasse stand zu mir. Das war toll.

Unser Lehrer wollte dann mit dem Unterricht beginnen, aber ich bat darum, noch etwas sagen zu dürfen:

„Leute, ich danke euch für diese Unterstützung. Für einen Moment fühlte ich mich wie neulich in Kitzbühel. Es ist schön zu wissen, dass ihr hinter Dustin und mir steht.“

Meine Klasse klatschte spontan Beifall nach meinen Worten und ich fühlte mich einfach gut. Dieses Erlebnis wollte ich unbedingt heute Nachmittag Chris erzählen. Auch Dustin war nach der Schule über dieses Ereignis erstaunt, aber ebenso begeistert. Auf dem Heimweg sprachen wir darüber und Dustin freute sich mit mir.

„Wir sollten vielleicht wirklich häufiger mit deiner Klasse etwas unternehmen. Auch wenn wir wenig Zeit dafür haben.“

Ich war überrascht, weil Dustin genau das bislang immer abgelehnt hatte. Er hatte Angst vor Anfeindungen wie die heutige. Dass meine Klasse aber so eine Reaktion zeigen würde, war eine tolle Erfahrung.

„Das können wir machen. Aber wir verstecken uns nicht.“

Dustin schüttelte lachend seinen Kopf.

„Nein, das tun wir ganz sicher nicht mehr.“

Bis zum Training verlief der Tag ohne besondere Ereignisse. Nur Tim hatte mich gebeten, ihm etwas in Englisch zu erklären. Das war schon ungewöhnlich. Tim war eigentlich nicht dafür bekannt, dass er von sich aus für die Schule lernte.

Ich half ihm aber gerne, allerdings wunderte ich mich schon etwas über sein Zimmer. Es hatte sich verändert. Einige Poster waren an der Wand, aber von doch eher Hardrockbands. Das passte eigentlich so gar nicht zu Tim. Jedenfalls bislang nicht. Und die Ordnung in seinem Zimmer war gelinde gesagt verbesserungswürdig. Mal abwarten wie lange Martina da mitspielen würde.

Als ich meine Tasche für das Training packte, ist mir ein Briefumschlag auf meinem Schreibtisch ins Blickfeld geraten. Das war die Einladung von Luc zu seinem 18. Geburtstag. Verdammt, diesen Termin mussten wir noch mit Chris abstimmen.

Nicht, dass wir da auf einer Turnierreise waren. Ich wollte unbedingt an dieser Feier teilnehmen. Luc hatte Chris ja auch eingeladen. Der Termin war bereits in zwei Wochen. Es wurde Zeit, das zu planen.

Chris: Da waren noch Termine abzuklären

Über einen freien Montagvormittag freute ich mich. Ich konnte also mal etwas länger schlafen. Am Nachmittag stand Training mit Dustin, Fynn und Maxi an. Außerdem würde ich mit Tim und Carlo arbeiten.

Vorbereitet hatte ich die Einheiten bereits. Am Schreibtisch sitzend, bearbeitete ich meine Post der letzten Tage. Dabei fiel mir auch die Einladung von Luc wieder in die Hände. Das hätte ich fast aus den Augen verloren. Er hatte uns zu seinem 18. Geburtstag eingeladen. Und aufgrund seiner schriftlichen Einladung konnte ich erkennen, dass es ihm sehr wichtig war, dass wir dazu erneut in die Schweiz reisen würden.

Heute war es also an der Zeit, meine Jungs zu fragen und mit Thorsten die Vertretungsregel zu treffen. Schließlich würde dafür ein Freitagstraining mit Tim und Carlo ausfallen. Im Kalender konnte ich sehen, dass kein wichtiges Turnier anstand. Lediglich ein Bundesligaspieltag stand am Sonntag an. Thomas sollte allerdings bis dahin wieder hier sein.

Ich packte also meine Trainingstasche. Ein paar neue Griffbänder steckte ich auch ein. Anschließend sah ich mir noch den Wetterbericht an und stieg in meinen Dienstwagen. Carlo hatte mich gebeten, ihn von der WG abzuholen, da sein Fahrrad einen Defekt hatte. Die WG lag auf dem Weg, das war also kein großes Problem. Allerdings störte es mich, dass sein Rad bereits seit einigen Tagen defekt und damit nicht fahrbereit war und er sich offenbar nicht darum gekümmert hatte. Immerhin stand er bereits vor dem Haus, als ich ankam. So brauchte ich nicht einmal auszusteigen. Carlo warf seine Tasche in den Kofferraum und stieg ein.

„Hi Chris. Danke, dass du mich abholst. Und bevor du mich fragst, warum ich mich nicht um die Reparatur gekümmert habe, muss ich mich mit dem Grund verteidigen, dass ich leider nicht weiß, wie man eine hydraulische Bremse wieder in Betrieb nimmt. Und unser Fahrradladen hat erst übermorgen einen Platz für mein Rad frei.“

„Hey Carlo. Ich muss zugeben, genau diese Frage hätte ich dir jetzt ganz gewiss gestellt. Wenn du möchtest, kann ich dir auch zeigen, worauf du achten musst. Ich habe selbst hydraulische Bremsen an meinem Fahrrad.“

„Cool, das kannst du auch? Du bist technisch wohl sehr begabt. Ich hab mir gedacht, dass ich das nicht selbst machen sollte. Du hast mal gesagt, bei Bremsen darf man keine Experimente machen.“

„Da hast du gut zugehört. Es stimmt, bei hydraulischen Bremsen muss man wissen, was zu tun und vor allem was zu lassen ist.“

Durch unser lebhaftes Gespräch war die Zeit bis zur Anlage sehr schnell vorbei. Ich parkte den Wagen und wir nahmen beide unsere Taschen aus dem Kofferraum.

„Du hast also einen Termin in der Werkstatt?“

„Ja, Chris. Bis dahin habe ich leider kein Fahrrad.“

„Ich glaube, ich muss mich entschuldigen. Du hast dich absolut korrekt verhalten. Ich hole dich morgen dann auch aus der WG ab. Danach sollte dein Rad ja wieder intakt sein. Und wenn du es zurück hast, machen wir eine kleine Unterweisung wegen der Reparatur. Ist das okay?“

Carlo lachte mich an. Dieses Lachen war etwas Besonderes. Es zeigte mir, dass Carlo ein ganz toller Junge war. Ich wurde erneut darin bestätigt, mich um ihn zu kümmern. Es war für ihn überhaupt kein Thema, dass er nun einige Zeit bis zu seinem Training warten musste. Er hatte sich mit einem anderen Jungen zu einem Match verabredet.

Auf mich wartete Thorsten im Büro. Vor dem Training hatten wir einige organisatorische Dinge zu klären.

„Komm rein, Chris. Ich habe uns schon zwei Latte bestellt. Wie hast du den gestrigen Tag verkraftet?“

„Ganz gut. Aber gestern Abend war ich gar und froh, als ich endlich zu Hause war. Heute habe ich etwas länger geschlafen. Das tat mir gut.“

„Das glaube ich gern. Wie läuft es mit Tim und Carlo beim Training? Und ist Maxi eigentlich wieder da?“

„Training läuft gut. Ich bin der Meinung, wir sollten die beiden in einem ernsthaften Turnier testen. Hast du eine Idee innerhalb der nächsten zehn Tage?“

Er schaute in den Turnierkalender und er fand ein Turnier der Klasse J-4. Ein Ranglisten- Turnier nur für Jugendspieler. Allerdings gab es auch eine Konkurrenz für U21 Spieler. Aber dies erschien mir eigentlich für Maxi, Dustin und Fynn nicht mehr interessant. Sie sollten größere Turniere spielen.

„Für die drei großen Jungs ist das nichts mehr. Aber du solltest Tim und Carlo auch auf einem Turnier begleiten. Deine drei Nachwuchscracks werde ich bei Jan unterbringen. Er bereitet sich in der Woche auf die Rasensaison vor. Da könnten deine Jungs bei ihm trainieren. Sie haben ja noch kaum Rasenerfahrungen.“

„Na, das wäre bestimmt noch etwas heftig. Allerdings würde Jan auch einen direkten Eindruck von ihren Stärken und den noch vorhandenen Schwächen bekommen. Wenn Jan sie für diese Tage nehmen würde, wäre das gut.“

„Das kläre ich. Er wird sie nehmen, keine Sorge. Er weiß ja, dass sie gut sind. Du sagtest, dass du in zwei Wochen an dem Wochenende kein Turnier haben möchtest, weil du wegfahren willst. Ist das richtig?“

„Genau. Ich nehme da aber Dustin, Maxi und Fynn auch mit. Wir sind eingeladen zu Lucs achtzehntem Geburtstag. Ich glaube, wenn ich mit ihnen da nicht erscheine, bekomme ich Ärger.“

„Okay, das kann ich verstehen. Macht das. Und bestell Marc bitte schöne Grüße. Er ist hier immer willkommen.“

„Das werde ich ihm ausrichten. Meldest du Tim und Carlo bitte bei diesem Turnier an. Ich möchte sie in der U16 spielen lassen. Damit sie spüren, dass dort die Luft dünner ist. Wo findet das Turnier statt?“

„Das ist nicht so weit zu fahren. In der Nähe von Wuppertal. Da könntet ihr sogar jeden Tag nach Hause kommen.“

Wuppertal? Da fiel mir spontan etwas ein. Das müsste ich noch klären, aber vielleicht würden wir nicht jeden Tag zu fahren brauchen.

„Gut, melde uns dort an. Ich werde es Tim und Carlo nachher sagen. Meinen drei großen Jungs erkläre ich dann schon einmal, dass sie während des Turniers bei Jan trainieren werden. Danach fahren wir dann in die Schweiz und ich schlage jetzt mal vor, die drei sollten dann ein Rasenturnier spielen. Wenn sie mit Jan schon auf Rasen trainieren, sollen sie auch ein Rasenturnier spielen. Oder denkst du da anders?“

„Nein, du siehst das vollkommen richtig. Aber Rasenturniere gibt es nicht so viele im Future- oder Challenger-Bereich.“

„Dann halt ein Turnier, wo sie auch Qualifikation spielen müssen. Sie sollen ja auf Rasen nur die Spielerfahrungen machen.“

Thorsten lächelte, als er das gehört hatte.

„Okay, ich sag dir später, was ich erreicht habe. Du fährst dann also mit Tim und Carlo nach Wuppertal?“

„Ja. Kein Ding. Kann ich jetzt zum Training gehen oder hast du noch etwas zu besprechen?“

„Nein, alles gut. Du kannst auf den Platz gehen. Bis später.“

Ich holte mir meine Trainingsutensilien und ging mit den Sachen zum Platz. Heute hatte ich den Platz CC1. Das war einer der Plätze, die auch für die Bundesliga benutzt wurden und Tribünen hatte. Ich wollte von oben mit der Videokamera Bewegungsstudien erstellen.

Fynn, Dustin und Maxi erschienen gemeinsam am Platz und nach dem Warmmachen ließ ich sie sogenannte Zehner spielen. Das verschaffte mir die Zeit, die Videoausrüstung mit der Zeitlupenkamera zu holen.

Ich baute die Anlage oben auf der Tribüne auf und begab mich dann zu den Jungs, die gerade eine Trinkpause machten.

„Na, was wird das denn heute?“, fragte mich Maxi.

„Heute ist das Fernsehen da und wird Aufnahmen von euch machen, also seid nett und freundlich.“

Meine Erwiderung sorgte bei ihnen für ein Grinsen im Gesicht.

„Oh nee, du willst uns aufnehmen und uns dann die Fehler aufzeigen, am besten auch noch in Zeitlupe.“

„Richtig, Fynn. Gut erkannt. Aber zuvor habe ich noch eine Neuigkeit für euch. Ihr werdet in der nächsten Woche nicht bei mir trainieren. Ich bin nämlich nicht hier. Außerdem werden wir dann am Ende der nächsten Woche erneut in die Schweiz aufbrechen.“

Es herrschte für einen Moment Stille. Erst als Dustin zu lachen begann, wurde die Stille unterbrochen.

„Welchen Witz hast du dir denn gerade erzählt?“

„Mensch Fynn, an dem Samstag feiert Luc Geburtstag. Hast du das etwa vergessen? Chris ist doch auch eingeladen. Cool, dann fahren wir also gemeinsam zu den Steevens?“

„Sehr richtig erkannt. Ich wollte euch nur fragen, ob ihr dann mit mir fahren oder lieber allein reisen wollt?“

„Was soll denn diese Frage? Natürlich fahren wir gemeinsam nach Genf. Ich freu mich schon auf diese Feier. Wird bestimmt lustig.“

Fynn hatte also klare Vorstellungen von diesem Wochenende, Maxi hingegen war noch mit der kommenden Woche Training beschäftigt.

„Wenn du mit Tim und Carlo unterwegs bist, was ist dann mit unserem Training?“

„Gute Frage“, sagte ich, „so wie es jetzt aussieht, werdet ihr mit Jan und Gilles auf Rasen trainieren. Außerdem ist geplant, mit euch ein Rasenturnier zu spielen, wenn wir aus Genf zurück sind. Also macht das Sinn.“

Meine Jungs schienen etwas beunruhigt zu sein, denn Begeisterung kam nicht wirklich auf.

„Habt ihr ein Problem damit, dass Jan euch trainieren wird?“

„Naja“, sagte Dustin, „er wird mehr von uns verlangen, als wir leisten können. Er kennt uns doch kaum.“

„Er kennt euch besser, als ihr denkt. Und natürlich wird er euch fordern, aber nicht überfordern. Trotzdem müsst ihr ihm selbstverständlich auch sagen, wenn ihr ein Problem mit seinen Forderungen habt. Ich glaube, dass das aber nicht nötig sein wird.“

Es gab auf meine Aussage keine Reaktion mehr. Ich wollte das aber nicht so stehen lassen, bevor wir mit dem Training beginnen würden.

„Passt auf. Ihr denkt noch einmal in Ruhe darüber nach, ob ihr das machen wollt oder nicht. Bis nach dem Training brauche ich aber eine klare Aussage von euch.“

Das war für meine Truppe in Ordnung und wir starteten unser Training. Wie immer war das ein gutes Training und die Jungs waren voll motiviert. Am Ende waren sich alle einig, dass sie bei Jan trainieren wollten. Damit war der einzige noch unklare Punkt erledigt. Ich konnte in Ruhe mit Carlo und Tim auf die Reise gehen und anschließend mit meinen großen Jungs für drei Tage in die Schweiz zu Lucs Geburtstag reisen.

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