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Auf der Tour

Teil 3

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Inhaltsverzeichnis

Chris: Marc empfängt uns

Während des Fluges spürte ich meine Schulter wieder mehr. Es war einfach zu eng im Flugzeug und ich konnte mich nicht bewegen. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass insbesondere Dustin mich beobachten würde. Seine Gedanken waren mir in den letzten Stunden irgendwie entgangen. Fynn und Maxi hatten sich mit mir ausgetauscht, Dustin hingegen war während des Fluges sehr still. Ich wusste noch nicht, wie er mit dem Vorfall umgehen würde. Eine Aufgabe für mich, das in Genf herauszubekommen.

Ich hatte doch noch alles von Kitzbühel aus organisiert bekommen, auch wenn es mich ärgerte, auf die Hilfe anderer zurückgreifen zu müssen. Ohne die Hilfe von Karl und Marc wäre unsere Reise in Kitzbühel zu Ende gewesen. Das war mir absolut bewusst und wie weit meine Reise noch gehen würde, konnte ich nicht absehen. Dennoch tat es gut zu wissen, dass ich Freunde hatte, auf die ich mich verlassen konnte.

Sollten die Schmerzen nicht weniger werden, musste ich über eine Heimreise nachdenken. Auch meine Ängste, sobald ich allein war, waren nicht weniger geworden. Komischerweise hatte ich keine Angst vor einem weiteren Angriff, sondern ich machte mir Gedanken, ob ich in der Situation richtig gehandelt hatte. Mein Selbstbewusstsein hatte gelitten.

„Chris, wo müssen wir eigentlich jetzt hin? Du hast noch gar nicht gesagt, wie es weitergeht.“

Ich zuckte zusammen, denn wir hatten gerade den Terminal betreten und Fynn war sich unsicher.

„Vielleicht erst einmal das Gepäck holen?“, grinste Maxi.

Das gefiel mir. Meine Jungs waren gut gelaunt und ich musste auch schmunzeln. Maxi brachte mich auf andere Gedanken.

„Guter Plan, Maxi. Ich sollte dich zum Reiseleiter befördern.“

„Ne, besser nicht. Dann würden wir doch nie ankommen. Spätestens beim ersten McDoof wären wir gestrandet.“

Hallo? Das kam von Dustin. So eine Schlagfertigkeit hatte ich nicht erwartet und musste lachen. Das führte leider dazu, dass ich einen stechenden Schmerz spürte und zusammenzuckte.

„Hey Chris, du sollst doch aufpassen. Lachen scheint keine gute Strategie zu sein. Sollen wir dir Trauergeschichten erzählen? Lieber nicht, oder?“

„Ihr seid doof. Macht euch nur lustig. Jeder nimmt jetzt seine Taschen vom Band und dann raus hier. Marc wartet bestimmt schon auf euch Trödeltanten.“

Irgendwie tat mir das Herumalbern gut. Ich konnte mich entspannen. Erst recht, als wir im Eingangsbereich von Luc abgeholt wurden.

Als er uns entdeckt hatte, kam er uns entgegen und umarmte die Jungs der Reihe nach. Als er vor mir stand, wurde er unsicher. Ich umarmte ihn vorsichtig und es tat auch nicht weh.

„Hi. Schön, dass ihr da seid. Chris, wie geht es deiner Verletzung? Hast du den Flug gut überstanden?“

„Ja, dank meiner sehr fürsorglichen Jungs, die mich immer ärgern, alles bestens.“

Luc führte uns aus der Halle zum Parkdeck. Ich wunderte mich, denn wie konnte er uns abholen? Er hatte doch noch keinen Führerschein oder hatte ich etwas verpasst?

„Sag mal Luc, bist du mit dem Auto gekommen? Seit wann hast du denn schon deine Lizenz?“

Luc begann zu lachen.

„Nein, ich habe erst morgen früh meine Fahrprüfung, aber Papa bleibt lieber im Auto. Es könnte sonst länger dauern, bis wir aus der Halle sind.“

„Ist das immer noch so extrem, wenn dein Vater irgendwo auftaucht?“, fragte Fynn.

„Hier bei uns geht es mittlerweile, aber insbesondere in Deutschland ist das ganz heftig.“

Wir marschierten auf das oberste Deck und ein großer amerikanischer Van stand dort. Es war mir klar, das musste unser Auto sein und die Fahrertür öffnete sich, als wir näher kamen. Marc stieg aus und ich freute mich, ihn wiederzusehen.

„Na, da sind ja unsere Tenniscracks. Herzlich willkommen in der Schweiz.“

Er umarmte jeden von uns. Es war eine sehr warme und herzliche Begrüßung.

„Luc, hilfst du bitte beim Einladen der ganzen Taschen. Chris kann sich vorn schon einmal hineinsetzen.“

Er öffnete mir die Tür und mit einem Lächeln sagte Marc:

„Wenn der Herr bitte Platz nehmen möge. Die Reise wird gleich beginnen.“

Ich musste lachen.

Wenige Minuten später waren wir unterwegs. Ich hatte allerdings gedacht, er würde uns in unser Hotel bringen. Schließlich lebten die Steevens ja etwas außerhalb von Genf. Das wäre für uns während des Turnieres unpraktisch.

„Wir haben uns gedacht, wir gehen erst einmal richtig etwas essen, bevor ich euch in das Hotel bringe. Chris hatte mir gesagt, ihr wollt heute noch ein Training absolvieren, dafür muss man ja gestärkt sein oder seid ihr anderer Meinung?“

„Bevor wir etwas Falsches sagen, du hast sicher einen Plan und ich werde mich hüten, mich da einzumischen.“

Marc schaute zu mir und hatte sein vielsagendes Lächeln im Gesicht. Luc sagte von hinten:

„Papa, Chris hat es begriffen. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen.“

Meine Jungs staunten und wussten überhaupt nicht, wovon gesprochen wurde. Luc erklärte es ihnen und Maxi brachte es auf den Punkt:

„Das heißt also, wenn Marc sich einmischt, sollten wir einfach das machen, was er möchte.“

„Bingo, der Kandidat hat hundert Punkte.“ Luc grinste dabei.

„Naja, Chris ist angeschlagen und soll sich schonen, da muss ja jetzt jemand anderes das Zepter in die Hand nehmen, damit Chris euch auf dem Platz gut betreuen kann.“

Alle schauten sich an und dann fing einer meiner Jungs an, leise zu lachen und innerhalb weniger Sekunden herrschte große Heiterkeit im Auto.

Es dauerte nur noch wenige Minuten und wir standen auf einem großen Parkplatz vor einem fürstlichen Chalêt. Wow, dass beeindruckte mich.

„Das ist eines unserer berühmtesten und ältesten Restaurants in Genf. Ich habe gedacht, ich biete euch mal zu Beginn etwas Geschichte zum Essen.“

Das Restaurant lag zwar am Genfer See, allerdings direkt in der Stadt. Also auf der anderen Seite des Sees, wo die Steevens ihr Domizil hatten. Es war beeindruckend und eigentlich nicht in unserer Preisliga vorgesehen. Ich hatte aber gelernt, Marc an diesen Stellen davon abbringen zu wollen, wäre eh nicht von Erfolg gekrönt.

Schön fand ich, dass Dustin und Fynn wieder sehr eng beieinander standen und sich offen als Paar zeigten. Wir standen noch vor dem Gebäude, als Dustin fragte:

„Wo ist eigentlich Stef? Ich fänd es schade, ohne die andere Hälfte der Steevensfamilie zu essen. Außerdem würde ich gern auch Leif kennenlernen, Luc.“

Luc lachte und zeigte auf einen roten Ferrari La Ferrari Aperta. Ein unfassbar schönes, aber auch extrem seltenes Exemplar der roten Renner.

„Wenn ihr dieses Auto irgendwo findet, könnt ihr davon ausgehen, dass die Familie Steevens nicht weit ist. Mama ist mit Stef schon vorgefahren und wartet auf uns. Leif ist bei seiner Freundin. Den treffen wir erst beim Turnier.“

„Du lässt deine Frau mit dieser Rakete fahren?“, fragte ich etwas erstaunt.

Marc lachte und erwiderte: „Natürlich. Ich weiß, dass sie das kann und ich denke keine Sekunde darüber nach, dass etwas passieren könnte. Sie darf alle Wagen von uns fahren.“

„Du hast immer noch ein Faible für die roten Cavallino Rampante. Ich kann dich gut verstehen. Leider wird das für mich immer ein Traum bleiben, dennoch kann ich mich genauso dafür begeistern, weil sie einfach schön sind.“

„Ja, da hast du recht. Sie sind einfach wunderschön. Klar, ich habe das große Privileg, mir jedes Kunstwerk leisten zu können. Dennoch kannst du dieses Modell nicht einfach kaufen, es sind nur sehr wenige gebaut worden und alle wurden an handverlesene Kunden verteilt. Ohne meine Erfolge für die Scuderia hätte mein Geld allein nicht ausgereicht, um einen zu bekommen. Umso mehr freut es mich, ihn fahren zu können.“

Meine Jungs waren natürlich bereits mit Luc um das Auto herum gelaufen und hatten mit ihren Smartphones Bilder gemacht. Ich wollte das aber jetzt beenden, denn Marc war das unangenehm, im Mittelpunkt zu stehen.

„Leute, ich habe Hunger. Die Kunstsammlung von Marc wird noch später zu besichtigen sein. Erst kommt aber die Arbeit. Lasst uns hineingehen. Und bevor einer von euch auf komische Ideen kommt, eure Bilder bleiben bei euch. Die werden nicht bei Facebook oder sonst wo gepostet.“

Marc nickte erleichtert, als ich das so deutlich gesagt hatte. Es gab auch keine Kommentare meiner Jungs, also war das angekommen. Marc ging voraus und ich neben ihm. Als wir eintraten, wurden wir von einer sehr freundlichen Bedienung empfangen und zu unserem Tisch geleitet. Stef und Sabine, saßen bereits am Tisch.

Es wurde eine herzliche Begrüßung. Insbesondere für Dustin schien dieses Wiedersehen etwas Besonderes zu sein. Mir war bewusst, dass Stef und ihn eine Seelenverwandtschaft verband. Beide hatten eine ähnliche Vita aufzuweisen und das spürte ich bei jedem Treffen. Sie verstanden sich bestens.

Während des Essens hatte ich mit Marc den Zeitplan abgesteckt und unser Turnierplan sah vor, dass es morgen um zehn Uhr auf dem Platz los ging. Das hieß, sehr früh aufstehen und sich einschlagen. Hier in Genf spielten wir ein Future-Turnier. Das hieß, dass alle bis auf Dustin im Hauptfeld waren. Hier sollten die Jungs die Chance haben, recht weit zu kommen. Ich hatte Dustin allerdings nicht für die Qualifikation angemeldet, weil ja noch nicht klar gewesen war, ob er überhaupt spielen konnte. Es gab aber immer eine Chance auf einen freien Platz, falls jemand kurzfristig absagen würde. Eigentlich war Dustin auch nur für das Doppel vorgesehen. Es sollte als Test angesehen werden, damit die weitere Turnierplanung wieder normal vorgenommen werden konnte.

Das Essen war einfach grandios und nahezu fürstlich. Marc hatte uns einen Empfang der ersten Garnitur bereitet.

Ich war auch von Sabines offenem Wesen sehr angetan. Es war nicht zu übersehen, dass sie Lucs Mutter ist. Auch in ihrer Art sich zu unterhalten. Immer sehr freundlich und dennoch bestimmt. Sie wusste immer, um was es geht und was ihre Kinder taten. Und das, ohne sie einzuengen. Mir wurde deutlich, von wem Luc sein tolles Benehmen hatte. Auch meinen Jungs gegenüber war sie sehr freundlich und interessierte sich für jeden einzelnen.

Jetzt wurde es aber für uns Zeit, ins Hotel zu kommen. Marc hatte allerdings einen anderen Plan, insbesondere für mich.

„Ich habe nach diesem schönen Essen noch eine Sache. Sabine wird euch ins Hotel bringen, ich werde mit Chris noch einen Besuch machen. Ich bringe ihn dann später ins Hotel. Ihr wisst ja, was ihr heute noch zu tun habt. Von daher kann euch Chris auch mal allein lassen, oder nicht?“

Dustin gefiel das überhaupt nicht und ich hatte eine Ahnung, warum das so war.

„Leute, macht euch keinen Stress. Im Hotel seid ihr absolut sicher. Es gibt eine hauseigene Security. Wir müssen so schnell wie möglich wieder in den Alltag zurückfinden. Macht eure Vorbereitungen wie immer.“

„Das sagst du so einfach“, entgegnete Dustin, „mein Kopf sagt mir, dass du recht hast, aber mein Bauch spielt da nicht so einfach mit. Ganz ehrlich, ich habe einfach Angst, dass es wieder passiert.“

Jetzt war ich als Therapeut und nicht als Trainer gefragt.

„Ich kann dich sehr gut verstehen. Dieses Gefühl habe ich auch, aber wir müssen an dieser Stelle diesmal dem Kopf mehr vertrauen, als dem Bauch. Allerdings finde ich es gut und richtig, dass du es offen ansprichst. Ich nehme dich damit sehr ernst und biete euch allen an, solltet ihr Probleme bekommen mit euren Gefühlen, ruft mich an. Sofort. Egal, wo ich gerade bin.“

„Und was ist mir dir? Dir geht es doch selbst nicht so gut, wie du uns glauben lassen willst.“

Dustin hatte ins Schwarze getroffen. Was sollte ich jetzt sagen? Da brachte sich Marc jetzt ins Spiel. Wie auf Zuruf.

„Leute, ich werde jetzt dafür sorgen, dass es Chris wieder besser gehen wird. Ich möchte mit ihm zu einem Spezialisten, der mich damals nach meinem schweren Unfall in Le Mans wieder auf die Beine gebracht hat. Er soll sich Chris` Schulter anschauen. Wir sind in spätestens zwei Stunden wieder bei euch.“

„Chris, können Stef und Luc nicht mit ihnen ins Hotel fahren? Sie könnten ihnen Gesellschaft leisten, bis du wieder da bist.“

Das war auch typisch für Sabine. Sie hatte einen sechsten Sinn für die Situation.

„Aber nur, wenn sie die drei nicht von der Vorbereitung abhalten. Wir sollen sie ja unterstützen. Hat Thorsten zumindest gesagt“, warf Marc mahnend ein.

Moment mal, wie konnte das sein? Thorsten hatte mit Marc telefoniert? Das war ja ganz was Neues.

„Thorsten? Wie geht das denn?“, fragte ich.

„Na, ganz einfach. Nachdem du mit Thorsten telefoniert hattest, hatte er sich bei mir gemeldet. Immerhin habe ich hier doch die ein oder andere Verbindung in der Schweiz. Deshalb haben wir uns abgesprochen, dass du hier auf Schonzeit bist und ich dich ein wenig unterstützen werde. Schließlich wirst du noch gebraucht.“

Ich hatte vollkommen vergessen, dass Marc ja Sponsor unseres Projektes war. Also wurde er natürlich auch von Thorsten über die Vorfälle informiert. Da hätte ich auch selber drauf kommen können.

„So, genug diskutiert. Also meinetwegen, Luc und Stef fahren mit ins Hotel, Chris fährt mit mir mit. Und eines möchte ich klarstellen. Hier in Genf habe ich mit Chris das Zepter in der Hand. Chris ist angeschlagen und ich werde ihn entlasten.“

„Ja, Chef.“

Wie auf Kommando hatten meine Jungs reagiert und Marc damit zum Lachen gebracht. Ich wusste es, meine Jungs hatten verstanden, wo der Hase lang lief.

„Also gut, dann macht euch bitte auf den Weg. Chris, wir tauschen die Fahrzeuge. Ich nehme den La Ferrari und Sabine den Van. Wäre sonst schwierig, den ganzen Haufen im Ferrari unterzubringen.“

Dieser Spruch sorgte für Auflockerung der angespannten Situation. Wir warteten, bis Sabine mit den Jungs den Parkplatz verlassen hatte. Marc öffnete das fahrende Kunstwerk und die Tür schwenkte nach oben. Ich hatte so die einmalige Gelegenheit, in dieser Rakete auf Rädern mitzufahren.

Als ich mich anschnallen wollte, warnte mich Marc: „Sei vorsichtig mit den Gurten. Es gibt nur Sechspunktgurte, nicht, dass deine Schulter Schaden nimmt. Soll ich dir dabei helfen?“

„Ja, das wäre nett. Mein rechter Arm ist doch nicht so belastbar wie ich dachte.“

Schnell hatte er das erledigt und dann sagte er:

„Ich weiß, dass du dich wunderst über mein Telefonat mit Thorsten. Allerdings hat er alles korrekt gemacht. Du bist angeschlagen und ich kann euch hier gut unterstützen. Nun musst du mir aber auch vertrauen und dir helfen lassen. Wir fahren jetzt zu einem exzellenten Physiotherapeuten. Der soll sich deine Wunde ansehen.“

Er startete den Motor und meine Nackenhaare standen sofort auf Alarm. Ein gigantischer Sound breitete sich aus. Marc legte den ersten Gang ein und wir rollten vom Parkplatz. Das kuriose an diesem Wunderwerk der Technik war, dass es durch einen Hybridantrieb aus der Formel 1 in der Stadt auch rein elektrisch gefahren werden konnte. Bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h. In Deutschland mit den strengen Umweltgesetzen war das ein Vorteil, um damit auch in Bereiche der Stadt fahren zu können, die sonst für andere Autos gesperrt waren.

Ich genoss jeden Meter in diesem Traum von Auto. Marc kurvte sehr gekonnt auch durch die engsten Gassen und so kamen wir bald am Ziel an. In seinen Kreisen war es anscheinend üblich, auch beim Arzt in der Tiefgarage zu parken. Das Aussteigen wurde mit meiner kaputten Schulter zu einer Turnübung. Es wird vermutlich sehr albern ausgesehen haben.

Marc ging voraus und im Fahrstuhl sagte er: „Der Heikki ist ein Genie auf seinem Gebiet. Er hat mich während meiner Karriere als Rennfahrer ständig begleitet und hat sich hier eine Praxis aufgebaut. Ich bin, seitdem er hier ist, wieder bei ihm in Behandlung. Meine Kinder gehen auch zu ihm. Er wird dir sicher helfen können, dass du schnell wieder gesund wirst.“

„So lange kennst du ihn schon? Ok, das erklärt einiges. Er kennt sich also mit Sportlern aus.“

„Genau. Also lass dich von ihm behandeln und hör dir an was er sagt.“

„Ich nehme an, ich soll es nicht nur anhören, sondern auch umsetzen.“

Jetzt lachte Marc und das zeigte mir erneut, dass wir viele Ähnlichkeiten hatten. Deshalb kamen wir auch so gut miteinander aus. Von Beginn an.

Wir betraten einen hellen großen Raum mit einem Empfang. Marc wurde fast freundschaftlich begrüßt und wir brauchten nicht im Wartebereich Platz zu nehmen, sondern gingen direkt in den Behandlungsbereich. Marc kannte sich bestens aus und als wir einen Raum betraten, wartete eine nette junge Dame auf uns. Sie hatte sogar kaltes Wasser für uns auf einem Tablett bereitgestellt. Marc unterhielt sich kurz mit ihr und ich schaute mich um. An den Wänden waren viele Bilder von Prominenten aufgehängt. Aber die meisten Bilder zeigten Marc während seiner Zeit als Rennfahrer.

„Sag mal, ist das hier dein persönliches Behandlungszimmer? So viele Fotos von dir habe ich noch nicht auf einmal gesehen.“

„So ungefähr. Heikki hat es so eingerichtet. Wenn ich hier bin, behandelt er mich nur in diesem Raum. Überhaupt habe ich zu ihm ein besonderes Verhältnis. Er behandelt ja auch meine Familie und wir sind bestens zufrieden. Ein richtiger Wunderkerl. Er hat goldene Hände.“

Dann öffnete sich eine Tür und Heikki betrat den Raum.

„Hallo Marc. Schön, dass wir uns mal wieder sehen. Und Sie sind der Freund, der Opfer eines Attentats geworden ist?“

Ich gab ihm die Hand und sagte: „Ja, das könnte man auch so sagen. Ich hätte es aber anders formuliert.“

„Ja. Am besten noch so, dass du es hättest verhindern können, oder wie?“

Ich schaute Marc verdutzt an und er verzog keine Miene. Im Gegenteil, er setzte nach.

„Wenn du nicht sofort aufhörst, an dir zu zweifeln, werde ich dich sowas von lang machen. Ich glaub es ja wohl nicht.“

Heikki schaute zwischen uns beiden hin und her und fing an zu lachen. Er kannte Marc wirklich sehr gut, denn er unterbrach ihn schnell und sagte zu mir:

„Das Beste wäre, Sie machen mal den Oberkörper frei. Dann kann ich anfangen und Marc hört auf, sich aufzuregen.“

Das tat ich auch, allerdings war das doch nicht ganz so einfach. Denn die Fäden in der Wunde spannten doch noch ganz schön. Heikki sah sich zuerst den Verband ganz genau an.

„Also, wer auch immer das gemacht hat, der hat keine Ahnung von Schulterverbänden. Kein Wunder, dass Sie ständig Schmerzen haben. Das werden wir gleich anders machen.“

Überrascht schaute ich Marc an, der jedoch nur sein Lächeln auflegte.

Eine halbe Stunde später hatte ich eine gereinigte Wunde, einige Übungen bekommen und einen neuen Verband, der in der Tat um Welten besser war, als der alte. Das war beeindruckend, wie Heikki mir hier Entlastung verschafft hatte.

„Wie lange seid ihr in der Stadt?“, fragte er dann Marc.

„Also wir sind einige Tage in der Stadt. Das Turnier geht ja bis Sonntag. Allerdings werden seine Jungs vermutlich nicht bis zum Ende dabei sein.“

„Gut, dann möchte ich Sie jeden Tag hier in der Praxis sehen. Wenn alles gut verläuft, wird in drei bis vier Tagen der Schmerz so gut wie verschwunden sein.“

„Gut, das richte ich mir schon ein. Am besten wäre es früh morgens, bevor ich auf die Anlage fahre.“

Wir machten die Zeiten aus und bevor wir gehen konnten, fragte Marc:

„Kann er damit schon Autofahren? Oder noch nicht?“

„Ich denke schon. In zwei Tagen sollte das kein Problem mehr sein.“

Ich war schwer beeindruckt, als ich in der Garage wieder im Ferrari saß. Diesmal konnte ich viel einfacher einsteigen und mich auch selbst anschnallen.

„Also eins muss ich sagen, Heikki versteht wirklich sein Handwerk. Erstaunlich, wie schnell eine Verbesserung eintritt. Vor allem, der neue Verband sitzt viel besser.“

„Sag ich doch. Und bevor ich das vergesse, Leif wird auch beim Turnier zuschauen. Das Problem ist nur seine Freundin. Sie möchte auch dabei sein, allerdings hatte ich für sie keine Karte bestellt. Denkst du, das geht dennoch?“

„Aber sicher doch. Ich werde einen Ausweis mehr beantragen. Morgen sollte das dann alles bereit liegen. Hast du ein Foto von ihr? Von euch habe ich ja bereits die Bilder bekommen.“

„Warte, ja, hier. Ich habe es extra noch ausgedruckt.“

Mittlerweile waren wir unterwegs zum Hotel. Er setzte mich dort ab und wir vereinbarten, uns morgen früh um acht hier wieder zu treffen. Dann wollte er mit mir zuerst bei Heikki vorbei und anschließend zum Tennisplatz fahren. Leif würde meine Jungs etwas später abholen. Marc hatte alles bestens organisiert. Das beeindruckte mich. Eigentlich war das ja alles mein Job. Für ihn war es aber überhaupt keine Frage, mich zu entlasten.

Ich meldete mich bei den Jungs zurück. Sie hatten schon die Zimmer belegt und meine Tasche in mein Zimmer gebracht.

„Toll, danke schön. Ich freue mich, dass ihr so gut mitdenkt. Wenn ihr wollt, können wir in einer halben Stunde unsere erste Gegneranalyse machen.“

Sie waren einverstanden und so konnte ich mich schnell noch umziehen.

Die Auslosung war gar nicht so schlecht für Maxi und Fynn. Dustin spielte nur Doppel und stand den anderen beiden als Trainingspartner zur Verfügung.

Fynn: Leif

Der erste Tag in Genf hatte uns deutlich gezeigt, dass Marc und Chris sehr ähnlich waren. Marc hatte einfach die Rolle von Chris übernommen. Er organisierte alles um unser Tennis herum. Die Tennisangelegenheiten überließ er Chris.

Die Zeit mit Luc und Stef war wieder toll. Sie erzählten uns von ihren Erlebnissen und was so in den letzten Wochen passiert war. Dabei stießen wir auch auf das Problem mit zwei Jungs aus Lucs Schule. Marco, einer der beiden war vorübergehend bei ihnen untergekommen, da es große Probleme sowohl mit den Eltern, als auch mit einer Drogenbande gibt. Mittlerweile war Marco nur noch tagsüber bei ihnen. Die Situation mit den Eltern hatte sich etwas verbessert.

„Sag mal Luc, finden das deine Eltern nicht manchmal etwas viel? Ihr bringt einfach einen dreizehnjährigen Jungen bei euch unter. Das wäre bei uns nicht möglich. Mein Vater würde da nicht mitmachen.“

„Ach Fynn. Das war doch Papas Idee, ihn bei uns erst einmal unterzubringen. So konnten wir Zeit gewinnen und Marco ist in Sicherheit. Außerdem konnte Papa dann auch mit seinen Eltern Kontakt aufnehmen und vieles dafür tun, dass sie sich wieder annähern.“

„War das denn der einzige Grund, dass er Drogen vertickt hatte oder gab es noch ein anderes Problem zu Hause?“

Dustin schien zu ahnen, dass das nur die halbe Geschichte war. Stef überlegte einen Augenblick, bevor er antwortete:

„Naja, es gab aus Marcos Sicht noch ein Problem. Er ist mit einem anderen Jungen halt sehr eng befreundet und hatte Angst, er könnte schwul sein. Seine Eltern sind katholisch und sehr religiös. Er hatte einfach Sorgen, dass sie ihn nicht verstehen. Vor allem, weil sein Freund noch ein Jahr jünger als er selbst ist.“

„Wie sah Sascha denn diese Sache? Oder wusste er davon nichts?“

„Sascha hat uns ja darüber informiert, weil er damit überfordert war. Dadurch haben wir das ja erst erfahren. Papa hat sich dann eingemischt und erst mit Marco ein langes Gespräch geführt und dann auch mit seinem Freund. Beim zweiten Gespräch war ich dabei. Das war total niedlich. Sowohl Marco als auch sein Freund haben sich in dieser Sache wohl zu viel Druck gemacht. Sie sind tolle Freunde, haben sicher auch entdeckt, dass es zusammen mehr Spaß macht, sich mal einen zu rubbeln, aber von schwul zu sprechen, ist einfach falsch. Als wir das geklärt hatten, entspannte sich das Ganze doch deutlich. Wegen der Drogengeschichte wird es allerdings noch etwas schwieriger werden, weil Papa die Eltern überzeugt hat, eine Anzeige zu machen. Jetzt wird sowohl gegen Marco als auch gegen die eigentlichen Dealer ermittelt. Marco ist bei uns tagsüber einige Stunden, um auch in Ruhe und ohne Angst lernen zu können. Seine Eltern sind halt den ganzen Tag arbeiten.“

Luc `s Erklärung löste bei uns einerseits Erleichterung aus, aber auch Beklemmung. Denn Drogen an einer Schule sind ein ernstes Problem. Aber dass das Problem mit den beiden Jungs sich auflöste, war ein wichtiger Schritt.

„Das ist echt klasse von deinen Eltern, sich da zu engagieren. Ich glaube, an dieser Stelle ist es auch ein Vorteil, dass dein Vater so berühmt ist, oder nicht?“

Luc wog seinen Kopf hin und her und ich spürte, dass ihm diese Frage gar nicht so recht war. Ich wollte die Frage schon zurückziehen, als Stef sagte:

„Das ist schwer zu sagen, aber in manchen Situationen kann Marc es schon auch nutzen. Gerade, wenn es um Behörden geht. Die sind dann manchmal kooperativer. Zumindest bei mir war das damals so. Sonst wäre sicher Einiges schwieriger geworden.“

„Du möchtest eigentlich keine Sonderbehandlung, oder – Luc?“

Mein Freund hatte ein gutes Gefühl für die Lage und ich konnte Luc auch verstehen.

„Nein, ich würde am liebsten alles selbst regeln, aber es ist schon toll, Eltern zu haben, die sich kümmern, wenn man sie braucht und sich raushalten, wenn es nicht nötig ist. So gesehen bin ich sehr glücklich mit meiner Familie.“

„Lasst uns jetzt mal das Thema wechseln und über euch sprechen. Wie genau ist das in Kitzbühel denn passiert? Und sind die Täter eigentlich gefasst worden?“

Stef verschaffte Luc auf diese Weise ein wenig Luft. Es war deutlich zu erkennen, dass er seinem Freund sehr dankbar war, von ihm abzulenken.

„Danke Stef. Das war ein guter Gedanke.“, sagte Luc mit einem Lächeln und gab seinem Freund einen Kuss.

„Ich kenne doch meinen Luc. Du redest lieber über andere Probleme, als über dich.“

Ich erzählte dann von den Vorfällen aus meiner Sicht und auch Dustin brachte sich mit ein. Maxi hielt sich weitestgehend heraus. Aber er war sehr aufmerksam dabei. Ich glaube, er wollte uns das überlassen.

„Habt ihr jetzt mehr Angst als vorher?“, fragte Stef.

„Schwierig zu sagen. Angst ist vielleicht das falsche Wort, aber ich mache mir Gedanken, was wir anders machen sollten. Am meisten besorgt bin ich aber um Chris. Er hat sich seit diesem Vorfall verändert. Ich habe manchmal das Gefühl, dass er sich Vorwürfe macht.“

„Obwohl das sicher Unsinn ist, verständlich ist das schon. Er nimmt seine Position euch gegenüber sehr ernst. Das habe ich gemerkt, als ich mit Papa gesprochen hatte, kurz nachdem Thorsten angerufen hatte. Papa hatte sofort verstanden, was jetzt passieren würde und dass er sich einmischen würde. Das tut er nur, wenn es wirklich brennt. Sehr klar hat er mir gesagt, dass er sich um Chris kümmern würde.“

„Weißt du, Luc, es ist schön, echte Freunde zu haben, die in jeder Lage für einen da sind. Danke! Das tut einfach gut, keine Erklärungen abgeben zu müssen. Chris hat schon so viel für uns gemacht, wir würden ihm so gern helfen.“

„Wenn ich Papa richtig verstanden habe, könnt ihr das am besten, indem ihr einfach so weitermacht, wie vor dem Übergriff. Dann wird sich Chris schneller wieder stabilisieren. Und redet mit ihm über eure Gefühle. Das hilft ihm vielleicht, sich euch mehr zu öffnen und nicht mehr zu denken, er kann euch damit nicht belasten. Chris wird lernen, sich mit euch anders zu beschäftigen und sich selbst nicht immer zurückzunehmen. Dafür wird Papa sorgen. Das kann er richtig gut. Das hat er bei Stef auch hinbekommen.“

Nach dem letzten Satz schauten sich Stef und Luc tief in die Augen und Stef umarmte seinen Freund wortlos. Es sprach für sich, was Stef von Lucs Worten hielt.

Dass Luc und Stef mit uns gefahren waren, hatte sich als Glücksgriff entpuppt. Wir haben viel erfahren und mir ging es viel besser. Hoffentlich würde es Marc auch bei Chris gelingen, Erfolg zu haben.

Als Chris später im Hotel ankam, konnte ich eine viel bessere Stimmung bei ihm bemerken. Und als wir mit Dustin noch einen kleinen Test auf dem Platz machten, wurde auch den anderen deutlich, dass sich Chris viel besser und weniger vorsichtig bewegte.

„Der Physio muss echt gut sein. Du scheinst weniger Schmerzen zu haben. Oder täuscht das?“

Maxi hatte es also auch bemerkt.

„Es scheint nicht nur so. Es ist auch so. Er hat mir einen anderen Verband angelegt und der Unterschied ist gewaltig. Viel besser als vorher.“

„Die Auslosung ist ja eigentlich ganz ok, hast du auch schon eine Spielfolge für morgen? Wer muss von uns wann spielen?“

Auch wieder typisch, Dustin musste immer genau wissen, was wann passierte.

„Als ob ich es schon geahnt hätte, habe ich für jeden der möchte einen Plan ausgedruckt. Dort steht alles drauf, was ihr wissen müsst.“

„Du kommst langsam wieder in deine Normalform. Das ist beruhigend.“

Chris schaute mich an und für einen Moment hatte ich das Gefühl, so etwas wie Nachdenklichkeit zu erkennen. Er reagierte aber sehr schnell und erwiderte:

„Ich fühle mich auch besser. Das macht wohl doch einiges aus, mich wieder auf Tennis zu konzentrieren. Marc hat mir dir Organisation drumherum abgenommen. Das macht es mir deutlich einfacher.“

Am frühen Abend saß ich mit Dustin und Chris allein auf dem Balkon in seinem Zimmer. Maxi wollte in Ruhe mit seinen Eltern telefonieren. Luc und Stef waren nach Hause gefahren. Wir würden die ganze Familie Steevens morgen auf der Anlage wieder treffen.

„Ist das nicht alles unheimlich aufwändig für Marc? Er muss dich morgens hier abholen, dann muss uns jemand zum Platz bringen. Es ist sicherlich schön, dass sich Marc kümmert, aber können wir nicht allein zum Platz kommen?“

Mir wäre es auch lieber, wenn wir nicht so viel Umstände machen würden, aber Dustin hatte damit ein Problem. Allerdings ein Problem, dass sich als schwieriger darstellte, als ich angenommen hatte.

„Ich will nicht allein durch die Stadt fahren. Was da passieren kann, haben wir ja gesehen. Darauf habe ich keinen Bock mehr.“

Ich schaute Chris an, der auch sehr überrascht über diese Aussage schien. Sollte ich dazu etwas sagen? Chris kam mir zuvor.

„Dustin, ich kann zwar verstehen, dass du mit der neuen Situation Probleme hast, aber je länger wir uns verstecken, desto schlechter wird es uns gehen. Wir müssen wieder zum Alltäglichen übergehen. Außerdem haben wir mit dem offiziellen Beginn des Turnieres einen Fahrdienst des Veranstalters. Also braucht uns Marc nur morgen zu fahren. Danach übernimmt das der Fahrdienst.“

„Was ist mit dir? Belastet dich das alles überhaupt nicht?“

„Doch, Dustin. Genau wie es auch deinen Freund belastet. Ich versuche nur, mich damit zu arrangieren. Das Leben muss weitergehen. Wir haben nichts falsch gemacht. Warum sollte ich jetzt alles in Frage stellen. Fynn macht das auch nicht. Dennoch ist das Ereignis noch bei ihm zu spüren.“

Woher Chris das alles nur immer erkennen konnte. Es war wirklich so, ich versuchte, so schnell wie möglich in den Alltag zurückzukommen. Aber manchmal gelang es mir einfach nicht, diese Bilder auszublenden, als Chris blutend am Boden lag.

„Sag mal Chris, hat Luc nicht morgen seine Fahrprüfung? Wie kommt er dann zur Anlage?“

„Ach ja, irgendwie wird er schon hinkommen. Ganz sicher. Vielleicht bringt ihn ja auch der Fahrlehrer dann im Anschluss an die Prüfung dort vorbei. Mach dir darüber jetzt mal echt keine Gedanken.“

Dustin, Maxi und ich gingen noch eine Runde laufen und anschließend waren wir gemeinsam essen. Heute passierte nicht mehr viel und das war eine gute Gelegenheit, meinem Freund mal wieder die volle Aufmerksamkeit zu widmen. Wir hatten noch etwas Nachholbedarf.

Obwohl ich nachts einmal aufgewacht war, fühlte ich mich sehr wohl. Das lag sicher auch an der Tatsache, dass mein Freund wieder neben mir lag.

Luc: Führerschein

„Schaatz, du musst jetzt aufstehen. Sonst kommst du noch zur eigenen Prüfung zu spät.“

Verdammt. Mama stand bei uns im Schlafzimmer und versuchte, mich aus dem Bett zu holen. Ich hatte die ganze Nacht unruhig geschlafen und das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein. Stef hatte bereits unser Schlafzimmer verlassen.

„Mhgrr, ich steh ja schon auf. Macht jetzt bloß keinen Stress.“

Meine Mutter verließ kopfschüttelnd unser Schlafzimmer. Ich machte mich auf den Weg ins Bad, sprang ganz schnell unter die Dusche und saß wenige Minuten später am Frühstückstisch. Es war gerade halb acht.

„Wo ist denn Stef?“

„Ach Luc, denk doch mal nach. Ob er vielleicht in die Schule ist? Er hat im Gegensatz zu dir heute vollen Unterricht. Du bist wohl etwas durcheinander. Nimm mal einen anständigen Schluck heißen Kakao. Dann wirst du endlich wach werden.“

„Oh, man. Danke. Ich bin noch nicht in Bestform. Habe auch nicht sonderlich gut geschlafen.“

Meine Mutter lächelte nur und in diesem Moment hörte ich Papas Stimme.

„Na, das ist aber nicht gut. Allerdings kann ich mich daran erinnern, dass ich bei meiner Fahrprüfung auch extrem nervös war. Aber ich weiß ganz genau, du wirst das ganz sicher schaffen. Du kannst das.“

„Danke Papa, das baut mich etwas auf. Ich habe schon Ewigkeiten nicht mehr verschlafen.“

Er setzt sich zu mir an den Tisch und erst jetzt wurde mir bewusst, dass Papa auch schon auf war. Sonst waren wir morgens immer allein. Er legte die Zeitung auf den Tisch und wir sprachen noch über vollkommen andere Dinge. Vor allem über den Tag mit unseren Gästen. Ich hatte dadurch die Prüfung gar nicht mehr im Kopf. Erst, als er sagte:

„Komm, ich bringe dich zum Treffpunkt für die Prüfung. Das tut dir ganz gut, noch etwas Begleitung zu haben.“

„Wow, danke Papa. Ich bin wirklich nervös. Das kenne ich von mir absolut nicht. Warum ist das so? Es ist doch nur die Fahrprüfung. Wenn ich vor der Abiturprüfung nervös wäre, könnte ich das verstehen.“

Mein Vater lachte und legte seine Hand auf meinen Oberschenkel. Das hatte er schon lange nicht mehr gemacht. Aber es fühlte sich gut an. Ich wusste jetzt, dass er absolutes Vertrauen in mich hatte. Das gab mir Kraft und Selbstvertrauen zurück.

„Pass auf, Luc. Ich setze dich ein paar Straßen vorher ab. Die letzten Meter gehst du zu Fuß, dann bist du wieder voll konzentriert und außerdem fällt es nicht so auf, dass du mein Sohn bist. So wie ich dich kenne, weiß das nur dein Fahrlehrer und die Klassenkameraden.“

„Du kennst mich wirklich gut. Ja, das stimmt.“

„Hihi, na hör mal. Wenn ich dich nicht gut kennen würde, hätte ich vieles versäumt. Also, los. Du schaffst das. Mach es einfach so, als ob der Prüfer gar nicht im Auto sitzt. Das hilft.“

„Danke Papa. Du bist in Gedanken bei mir und deshalb wird das sicher klappen. Bis nachher dann. Ich melde mich.“

Ich umarmte ihn noch kurz und stieg dann aus der Cobra aus. Allerdings stellte ich mir gerade die Frage, warum er nicht meinen Camaro genommen hatte? Warum waren wir nicht mit meinem Auto gefahren? Egal, die Prüfung bestehen und dann war alles egal.

Der Treffpunkt war ein Café im Zentrum von Genf. Von dort starteten die Prüfungsfahrten und während einer die Prüfung fuhr, konnten sich die anderen bei einer Tasse Kaffee oder einem Kaltgetränk im Café aufhalten und warten, bis sie selbst an der Reihe waren.

Ich betrat das Café und ein Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee kam mir entgegen. Heute standen zehn Prüfungen an. Ich war einer von drei Prüflingen, die auch ihren Motorradführerschein machten. Das war Papa ziemlich wichtig, dass ich auch Motorrad fahren konnte. Über Mama staunte ich dabei, denn sie hatte keine Einwände. Sonst war sie generell gegen alles, was für mich gefährlich sein könnte.

Außer mir war noch ein anderer Junge aus meiner Jahrgangsstufe mit der Prüfung dran. Rico war schon da und saß an einem kleinen Tisch in der Ecke. Er winkte mir zu, als ich mich umschaute. Also setzte ich mich zu ihm an den Tisch.

„Hi Rico. Bei dir alles klar?“

„Klar, Luc. Läuft alles. Bin nur etwas nervös. Wie ist das bei dir?“

„Ja, nervös bin ich auch. Hast du den Prüfer schon gesehen?“

„Nein, der kommt vermutlich mit Christian zusammen.“

Christian war unser Fahrlehrer. Einige andere Fahrlehrer waren bereits anwesend und sprachen mit ihren Schülern über den Ablauf der Prüfung. Ich hätte mir gewünscht, Christian würde das mit uns auch tun. Nun denn, ich bestellte mir eine heiße Schokolade und wir warteten auf die Dinge, die da kommen würden.

Es dauerte nur Minuten und Christian betrat das Café in Begleitung eines Mannes. Das dürfte unser Prüfer sein. Christian begrüßte uns beide und erklärte dann:

„Lucien, du wirst der zweite Prüfling sein. Da du ja später noch die Motorradprüfung machen willst, haben wir festgelegt, dass alle Motorradprüflinge mit der PKW-Prüfung beginnen werden, um sich anschließend in Ruhe umziehen zu können.“

Sehr schön, dann brauchte ich wenigstens nicht mehr so lange zu warten. Leider wurde meine Nervosität aber nicht kleiner. Vor allem, als mein Prüfungsvorgänger schon nach einer Viertelstunde zurück war. Er war durchgefallen.

Christian kam zu mir und sagte: „So, Lucien. Es geht los. Kommst du bitte mit.“

Ich stand auf und folgte ihm nach draußen. Der Prüfer stand vor dem Fahrzeug und begrüßte mich freundlich. Christian stieg auf der Beifahrerseite ein und ich nahm hinter dem Steuer Platz, schnallte mich an und stellte die Spiegel ein. Es wurde ernst, aber nach den ersten Metern fühlte ich mich plötzlich doch wieder sicher. Es lief einfach. Ich konzentrierte mich nur auf den Verkehr und die Ansagen vom Prüfer und bemerkte überhaupt nicht, wie die Zeit verging. Als der Prüfer von hinten plötzlich sagte „Bitte fahren Sie zurück zum Ausgangsort“, wurde mir etwas mulmig. Schon vorbei? Mist, jetzt habe ich doch einen Bock geschossen und es verhauen. Als ich das Auto auf dem Parkplatz eingeparkt und den Motor abgestellt hatte, schaute ich unsicher zu Christian, der mich aber anlächelte. Also doch nicht so schlecht gewesen? Meine Gedanken waren gerade sehr konfus. Wir stiegen aus und der Prüfer kam zu mir.

„So, Herr Steevens. Ich darf gratulieren. Sie haben eine sehr gute Leistung gezeigt und ich wünsche Ihnen in Zukunft allseits gute Fahrt. Allerdings seien Sie bitte immer so vorbildlich, wie ihr Vater.“

Er gab mir die Hand und ich bekam eine Prüfbescheinigung. Damit konnte ich meine Führerscheinkarte nach dem Geburtstag abholen.

Es war geschafft. Ich hatte bestanden. Christian gratulierte mir und dann ging er wieder hinein ins Café, um den nächsten Kandidaten zu holen. Jetzt hieß es für mich warten, bis ich mit dem Motorrad an der Reihe war.

Chris: Der erste Turniertag

Marc war ein Organisationsgenie. Alles was wir am Vortag besprochen hatten, funktionierte auf die Minute genau. Der Termin bei Heikki tat mir erneut sehr gut. Er hatte wirklich phantastische Hände und wusste exakt, was zu tun war, um mir die erwünschte Entspannung zu verschaffen.

Als Marc und ich aus der Praxis gingen, fühlte ich mich viel besser. Marc schaute zu mir und schmunzelte:

„Na, du siehst aus, als ob du gleich wieder selbst den Schläger in die Hand nehmen möchtest.“

„Nun ja, das stimmt sogar. Es fühlt sich großartig an. Und wenn das so weitergeht, kann ich auch bald wieder selbst Auto fahren.“

Er lachte, sagte aber nichts dazu. Wir stiegen in seine Cobra, mit der wir heute unterwegs waren. Ein Monster von Auto, aber auch ein fahrendes Kunstwerk. Mein Autoherz schlug wieder höher, als er den Motor startete. Ich war mittlerweile sehr neugierig geworden, welche anderen Auto-Schätze er noch in der Garage hatte. Das musste allerdings bis nach dem Turnier warten.

„Leif sollte deine Jungs bereits zur Anlage gebracht haben. Hat das mit dem Ausweis für seine Freundin eigentlich geklappt?“

„Klar doch, ich habe Maxi die Ausweise gegeben. Das sollte also in Ordnung gegangen sein. Hast du von Luc schon etwas gehört? Er hat doch heute Fahrprüfung oder nicht?“

„Was du alles im Kopf hast. Ja, er hat gerade geschrieben, dass er die erste Fahrprüfung bestanden hat. Er muss jetzt warten, bis er mit dem Motorrad dran ist.“

„Das wundert mich jetzt aber. Meine Jungs haben mir mal erzählt, dass sich Luc über seine Mutter oft aufregt, weil sie ihm alles, was gefährlich sein könnte, verbieten will.“

„Stimmt. Allerdings fährt sie ja selbst wieder Motorrad und von daher wäre das nicht klug, es dann Luc zu verbieten. Wie ist das mit dir? Kannst du auch Motorrad fahren?“

„Ob ich das kann, weiß ich nicht so genau, aber ich fahre gerne, ja. Ich habe auch selbst eine Maschine. Das macht mir oft den Kopf frei.“

„Genau, deswegen habe ich uns vor einiger Zeit zwei Motorräder bauen lassen. Ich weiß nicht, ob du Marcus Walz kennst?“

„Klar, das ist ein Künstler für Motorräder. Allerdings nicht mehr meine Preisliga.“

„Wir haben zwei Maschinen von ihm. Ich habe sie extra bauen lassen und was Luc noch nicht weiß, er bekommt auch eine eigene Maschine von Marcus gebaut. Sie wird sehr ähnlich zu unseren sein.“

„Warum habe ich mir das nicht denken können? Wie ist das mit Stef? Ist er nicht neidisch auf Luc. Sein Freund bekommt diese Dinge von euch und was ist mit ihm?“

„Weißt du, das ist für mich ganz einfach. Stef ist wie ein Sohn für mich. Er bekommt auch meine volle Unterstützung. Er möchte das nur nicht immer so offen. Also muss ich das geschickt einfädeln. Ich habe ihn bereits zur Fahrschule angemeldet und er darf sicher auch Lucs Camaro dann fahren. Er ist ein Teil unserer Familie geworden.“

Na, da wird aber jemand sehr erleichtert sein. Luc war, genau wie Marc, technikverliebt.

„Was für ein Motorrad fährst du denn?“

„Ich habe eine Ducati. Eine Panigale.“

„Oha, das ist aber auch nicht gerade ein Bike für Nasenbohrer.“

Danach mussten wir lachen. Es tat mir gut, auch über andere Dinge als Tennis zu sprechen.

Wir trafen zügig auf dem Anlagengelände ein und ich übergab Marc seinen Ausweis, so dass er sich ab sofort frei auf der Anlage bewegen und ebenfalls in allen Bereichen sein konnte, zu denen nur Spieler und Trainer Zutritt hatten.

Ich suchte zuerst meine Jungs und war sehr erfreut, dass sie sich bereits eigenständig auf dem Trainingsplatz einschlugen. Marc wollte nach Sabine und Leif Ausschau halten.

In dem Moment, wo ich allein am Platz der Jungs stand, überkam mich wieder dieses Gefühl der Unsicherheit und der Unruhe. Mein Blick scannte die Umgebung und ich versuchte, mir ein Bild meines Umfeldes zu machen. Gab es verdächtige Personen?

Richtig erstaunt war ich, als ich Sabine am Zaun entdeckte. Sie stand mit einem jungen Pärchen in einer angeregten Unterhaltung zusammen und ich vermutete, dass es sich dabei um Leif und seine Freundin handeln würde. Ich ging am Zaun entlang über den Platz.

„Hallo Sabine. Hat Marc dich noch nicht gefunden?“

Sie lächelte und erwiderte: „Ich nehme an, dass er sich noch etwas zu trinken holt. Darf ich dir Leif und Monique vorstellen. Ihr kennt euch ja noch nicht.“

„Gern. Hallo ihr zwei. Ich bin Chris und der Coach dieser drei Verrückten dort.“

„Ja, wir haben von Luc schon viel von euch gehört, aber die drei sind nicht verrückt. Sie sind sehr nett. Heute früh habe ich sie abgeholt und alles lief bestens.“

„Hey, Chris“, rief Maxi über den Platz, „wir sind nicht verrückt. Wir haben genau gehört, was du gesagt hast. Wir sind nur leicht verwirrt.“

„Ja, schon klar. Leute, ich möchte jetzt ernsthafte Arbeit sehen. Wir können Leif doch nicht so einen Eindruck geben. Los jetzt, gebt mal Gas.“

Ich drehte mich zum Platz und konnte aber weiterhin mit Sabine, Leif und Monique sprechen. Einige Minuten später tauchte Marc auf und hatte doch tatsächlich zwei Flaschen Fassbrause in der Hand.

„Hey, wo hast du die denn her? Ich wusste gar nicht, dass ihr das in der Schweiz auch habt.“

„Na, hör mal. Ich kann doch nicht verantworten, dass du keine Nervennahrung bekommst. Also hab ich uns zwei Flaschen besorgt. Prost.“

Er gab mit eine Flasche und wir stießen an. Das schmeckte richtig gut. Außerdem war es eine tolle Geste. Meine Jungs mussten das aber auch kommentieren und entsprechend bekam ich zu hören:

„Du bist gemein. Wir schuften hier und ihr gönnt euch ne Fassbrause.“

„Jo, und wenn ihr nicht ordentlich arbeitet, bekommt ihr hinterher auch keine.“

Ich schaute Marc völlig verdutzt an. Mit dem Spruch hatte ich überhaupt nicht gerechnet.

„Hey, wir arbeiten zusammen und ich soll dich entlasten, also bekommen sie auch doppelte Sprüche zurück.“

Er hielt mir die Hand hin und ich schlug ein. Das ging ja gut los. Sogar Leif und seine Freundin mussten lachen. Sabine schüttelte dezent ihren Kopf und ließ auf seinen Spruch hin hören:

„Du wirst wohl nie erwachsen, Schatz.“

Das Training verlief ab diesem Moment wieder absolut konzentriert. Ich war zufrieden mit der Leistung und schickte die Jungs zum umziehen. Fynn würde in etwa einer Stunde auf den Platz gehen und etwas später dann Maxi.

Dustin kam als erster aus der Umkleide. Ich stand mit den Steevens auf dem Rasen. Leif machte einen ruhigen Eindruck. Eigentlich hatte ich ihn mir anders vorgestellt. Eher der Draufgänger. Aber hier war er bislang sehr ruhig. Vielleicht lag es auch daran, dass seine Freundin dabei war.

„Na Dustin, wie geht es dir nach dem Training?“, fragte ich.

„Sehr gut, ich bin froh, dass ich wieder spielen kann. Auch wenn es nur das Doppel ist.“

Marc fragte nach: „Und wie geht es dir sonst? Chris hat mir berichtet, dass es ihm noch schwerfällt, alle Erlebnisse aus Kitzbühel zu verarbeiten. Ich hoffe, es belastet euch nicht zu stark.“

„Nun ja, wenn ich ehrlich bin, doch, es belastet. Allerdings nicht auf dem Platz, eher außerhalb, wenn wir nicht an Tennis denken. Insbesondere für Fynn ist es schwierig. Er kann auch nicht darüber sprechen. Ich habe es schon versucht, aber ab einem bestimmten Punkt blockt er ab. Klar, ich habe auch oft Angst, allein unter fremden Leuten zu sein und manchmal wache ich auch nachts auf. Ich versuche dann aber darüber zu sprechen. Chris, du hast uns immer gesagt, wir sollen offen die Probleme ansprechen.“

Das war für mich eine Steilvorlage.

„Genau, das ist auch richtig so. Du bist auf einem guten Weg. Du versuchst nicht, das Problem allein zu lösen. Du sagst mir, dass du Angst hast. Wenn ich auch keine Wunderlösung habe und dir die Angst sofort nehmen kann, so wirst du jeden Tag mehr doch deine Angst überwinden können. Mit Fynn und Maxi wird das schwieriger werden. Allerdings gibst du uns mit deiner Information einen Hinweis, den wir nutzen können.“

„Was ist denn mit deinen Erlebnissen, Chris? Du bist das eigentliche Opfer gewesen. Das muss für dich doch noch schwerer sein als für uns. Du denkst schon wieder nur an uns und wer denkt an dich?“

„Wir.“

Ich drehte mich um und schaute in vier lachende Gesichter. Die Steevens hatten im Chor geantwortet und das führte bei mir zu einem Lachanfall.

„Hahahahaha! Siehst du Dustin. Ich werde gut umsorgt und ich verspreche auch, dass ich mir helfen lasse. Aber jetzt wird es langsam Zeit für Fynn. Ich werde mal schauen gehen, wo er bleibt.“

Auf dem Weg zu den Umkleiden kamen mir die beiden diskutierend entgegen. Maxi redete auf Fynn ein und von dessen Gesicht her zu urteilen, war Fynn genervt.

„Hey Fynn, wo bleibst du denn? Du musst gleich auf den Platz.“

„Ja, ja. Bin doch schon da. Keine Panik.“

„Gibt es ein Problem?“, fragte ich beide.

Fynns Gesicht sprach Bände. Ich vermutete, dass Maxi auf Fynn eingeredet hatte und er davon nur genervt schien.

„Nein, schon gut. Ich mach mich mal fertig. Kommst du mit an den Platz?“

„Sicher kommen wir mit an den Platz. Wir haben noch ein paar wenige Minuten Zeit. Möchtet ihr noch etwas mit mir besprechen?“

Maxi schüttelte nur seinen Kopf, während Fynn mit den Schultern zuckte. Das war für mich ein Zeichen, dass ich mit ihm gehen sollte. Einige Meter weiter konnten die anderen unser Gespräch nicht mehr verfolgen. Fynn begann mit den Worten:

„Sorry, dass ich nicht offen reden möchte. Ich habe ein Problem mit Maxi. Er will mir einreden, dass ich mit euch über den Vorfall in Kitzbühel reden muss. Aber weißt du, ich habe eigentlich damit gar kein Problem.“

„Eigentlich?“

„Ja, du hast es erfasst. Ich verstehe es einfach nicht. Seit einigen Tagen ist Dustin wie ausgewechselt und ständig macht er sich Gedanken über das, was mit dir passiert ist. Warum redet er nicht mit dir darüber? Mir geht es gerade auf den Keks. Ich weiß, dass wir einfach nur Schwein gehabt haben. Es hätte viel schlimmer werden können, aber ich möchte nach vorn schauen und in Zukunft besser aufpassen, aber ich möchte mir nicht vorstellen müssen, was wäre passiert, wenn….“

Ich hörte ihm aufmerksam zu und fand, dass das Gespräch zu einem ungünstigen Zeitpunkt stattfand. Er sollte sich konzentrieren. Ich antwortete ihm deshalb nicht darauf, ich hatte einen anderen Ansatz.

„Sehr gute Einstellung. Schau auf das kommende Match und konzentriere dich auf den Gegner. Wir können jederzeit sprechen, aber jetzt muss das nicht sein.“

Er schien zufrieden zu sein, nur, als wir am Platz ankamen auf dem er spielen sollte, fragte er mich direkt:

„Wie geht es dir wirklich? Hast du Probleme mit diesem Übergriff? Dustin meint, du seist so abgebrüht, das wäre nicht normal.“

Ich legte meinen Arm auf seine Schulter und schaute ihm in die Augen.

„Ich bin keine Maschine und sicherlich belastet es mich phasenweise. Aber ich kenne Dustin auch gut und weiß genau, sollte ich meine Gefühle zu offen zeigen, wird er anfangen zu zweifeln. Ich möchte aber auch nach vorn schauen. Also macht euch nicht zu viele Gedanken.“

„Du versprichst mir aber jetzt, dass du uns ehrlich sagst, wenn es dir nicht gut gehen sollte.“

„Ja, das ist versprochen. Ich schlage euch außerdem vor, dass wir uns mal gemeinsam darüber unterhalten können, wenn wir hier fertig sind. Was hältst du davon?“

Er lächelte wieder und nickte nur. Anschließend schlug ich seine Hand ab und wünschte ihm viel Erfolg. Mit dieser Geschichte waren wir noch nicht fertig. Allerdings hatte ich das auch nicht erwartet. Eher im Gegenteil. Ich rechnete noch mit größeren Problemen. Wäre schön, wenn ich mich irren würde.

Stef: Turnier in Genf

Mein Schatz hatte mir gerade die ersehnte Nachricht geschrieben. Er hatte auch die Motorradprüfung bestanden und würde sich auf den Weg zum Tennisplatz machen. Ich war noch in der Stadt, um etwas für Marc zu erledigen. Es sollte nach dem Turnier eine Überraschung für unsere Gäste geben. Also verrate ich natürlich an dieser Stelle auch nicht, was Marc sich ausgedacht hatte.

Treffen wollte ich Luc am Busbahnhof, um dann gemeinsam zur Anlage zu fahren. Heute Abend würden Marco und Sascha bei uns zum Essen sein und Mama hatte darauf bestanden, dass Luc und ich zum Essen zuhause sein sollten. Eigentlich wollte ich lieber mit Fynn und Dustin die Zeit verbringen, aber Marc hatte es uns erklärt. Damit war es für mich in Ordnung. Er wollte uns seinen Plan erklären, was er mit unseren Freunden vorhat. Außerdem wusste ich, dass Marc unbedingt wollte, dass Chris später noch mit Sascha und Marco spricht. Deshalb war es notwendig, heute Abend zu Hause zu sein.

Wenige Minuten später stand ich am vereinbarten Treffpunkt und wartete auf meinen Freund. Leif hatte mir gerade per Whatsapp geschrieben, dass Fynn schon auf den Platz gegangen sei und Maxi in Kürze spielen müsste. So langsam wurde ich doch etwas nervös. Schließlich hatte ich unsere Freunde noch nicht bei einem Turnier in Aktion gesehen.

Der Bus kam nicht pünktlich und ich wurde langsam etwas unruhig. Luc hatte mir nicht geschrieben, dass es später würde. Doch dann sah ich den Bus um die Ecke kommen und bevor die Türen aufgingen, hatte ich Luc schon erspäht. Er stieg zügig aus und kam direkt auf mich zugelaufen.

„Glückwunsch, Schatz.“

Ich umarmte meinen Freund und er gab mir einen leidenschaftlichen Kuss zur Begrüßung.

„Danke, Stef. Ich bin froh, dass die ganze Sache vorbei ist. Jetzt haben wir wieder mehr Zeit für andere schöne Sachen.“

Dabei grinste er schelmisch. Was er wohl dabei gerade dachte? Ich wollte es nicht wissen. Jedenfalls nicht jetzt.

„Wir müssen uns etwas beeilen. Das Match von Fynn hat bereits begonnen und Maxi wird auch bald spielen müssen. Ich möchte sie beide gern sehen.“

„Nicht nur du. Also los. Papa möchte heute Abend mit uns und Marco und Sascha sprechen. Also können wir nicht mit unseren Gästen zusammen was machen.“

„Ich weiß. Also lass uns die Zeit nutzen.“

Eine halbe Stunde später betraten wir die Anlage. Unsere Ausweise, die uns Chris besorgt hatte, wurden kontrolliert und danach machten wir uns direkt auf den Weg zum Platz von Fynn. Das Match war bereits in vollem Gang und Chris machte einen angespannten Eindruck. Er bemerkte unser Erscheinen gar nicht. Erst beim nächsten Seitenwechsel drehte er sich zu uns um.

„Oh, da seid ihr ja. Sorry, aber das Spiel läuft nicht so, wie ich es gedacht hatte und so hatte ich euch gar nicht bemerkt.“

Er stand auf und begrüßte uns mit einer Umarmung. Das hatte Chris bisher noch nicht so oft gemacht. Allerdings empfand ich das als sehr vertraut. Auch gratulierte er Luc zum bestandenen Führerschein.

„Wie steht es denn?“, fragte Luc.

„Fynn hat den ersten Satz verloren. Er spielt ungeduldig und nicht das, was wir besprochen haben.“

Marc fragte leise: „Kommt das häufiger vor, dass sich die Jungs nicht an die Absprachen halten?“

„Nein, aber sie können natürlich eigenständig entscheiden, was sie auf dem Platz machen. Nur wenn es so negativ läuft wie jetzt, macht es wenig Sinn.“

„Aber du kannst ihm doch jetzt nicht mehr helfen. Warum bist du dann so angespannt?“

Diese Frage stellte ich mir allerdings auch. Chris war aber bereits wieder vollkommen in das Spiel abgetaucht. Er hatte die letzte Frage gar nicht mehr wahrgenommen.

Chris versuchte immer wieder, mit Fynn Kontakt aufzunehmen. Anfang des zweiten Satzes passierte dann etwas. Chris begann, sich mit Fynn über Zeichen zu verständigen und das Spiel drehte sich. Fynn wurde ruhiger. Parallel dazu wurde auch Chris wieder entspannter.

Erstaunlich, wie die beiden miteinander kommunizierten, ohne reden zu können. Aber es funktionierte und Fynn gewann das Match im dritten Satz ohne Probleme. Nach dem Matchball konnte ich die Erleichterung bei Chris erkennen. Er sackte in seinem Stuhl zusammen und atmete tief durch, erst danach applaudierte er Fynn.

Chris drehte sich zu uns um und schmunzelnd meinte er:

„Also dies muss ich nicht so oft haben. Ich altere bei solchen Spielen um Jahre. Wie hat es euch gefallen?“

„Was? Das Fynn noch gewonnen hat oder dass ich Angst haben musste, du könntest gleich einen Herzinfarkt bekommen. Das erste hat mir gut und das andere gar nicht gefallen.“

Ich schaute Sabine an, die das vollkommen überraschend gesagt hatte. Auch die anderen waren sprachlos. Aber Chris hatte sie sofort verstanden.

„Ja, so ist das einfach. Es ist extrem anstrengend. Ich geh dann mal zu Fynn und danach zu Maxi. Der müsste auch inzwischen angefangen haben.“

Chris gönnte sich keine Pause und war verschwunden. Marc sah ihm nachdenklich hinterher, während ich meinen Freund anschaute und dieser mich aufforderte:

„Komm Schatz, wir gehen schon mal zu Maxi, damit der nicht so lange allein spielen muss.“

„Klar, aber wo ist eigentlich Dustin? Hat der gar nicht bei Fynn zugesehen?“

Mir war aufgefallen, dass Dustin nicht bei uns gewesen war. Die ganze Zeit nicht.

„Äh, stimmt. Jetzt, wo du es sagst. Keine Ahnung, aber das frage ich ihn gleich mal, wenn wir ihn sehen. Jetzt dürfte er erst einmal anderes zu tun haben.“

„Wenn Chris ihn denn lässt.“

Das konnte ich mir nicht verkneifen. Luc und ich mussten lachen. Aber wir waren schon auf dem Weg zum Platz von Maxi. Da störte das niemanden.

Einige Minuten später waren wir wieder alle versammelt, außer Fynn. Er sollte noch auslaufen und sich dann eine Massage geben lassen. Leif war für seine Verhältnisse bislang sehr still gewesen. Seit er Monique kennengelernt hatte, war er viel solider geworden und nicht mehr fast jedes Wochenende unterwegs. Monique fühlte sich zu Beginn bei uns nicht so wohl. Sie hatte Schwierigkeiten, mit der offenen Art von Marc und Sabine umzugehen. Zumal sie ja auch wusste, wie berühmt Marc ist.

Chris stand ganz dicht am Zaun dieses Nebenplatzes und versuchte mit Maxi direkten Kontakt zu haben. Allerdings spielte Maxi erkennbar souveräner als Fynn. Chris machte sich immer wieder Notizen und ich fragte mich ständig, was er dort wohl schrieb?

Marc kam mit Sabine zu mir: „Hast du eine Ahnung, was sich Chris da ständig notiert?“

„Nein Marc, ich habe mich das auch schon gefragt. Vielleicht frage ich ihn jetzt einfach mal.“

Marc hinderte mich nicht daran, also ging ich die wenigen Meter zu Chris und fragte ihn. Leider hatte ich einen schlechten Moment erwischt, denn es war gerade ein wichtiger Ballwechsel im Spiel. Chris schüttelte nur seinen Kopf. Maxi machte den Punkt und er machte in seiner Liste wieder eine Notiz.

„Sorry, Stef. Jetzt kann ich kurz antworten. Ich führe eine Matchstatistik. Normalerweise habe ich dafür eine App auf dem Tablet. Leider habe ich das aber im Hotel vergessen. Jetzt muss ich das heute mit der Hand machen.“

Der nächste Ballwechsel begann und Chris konzentrierte sich wieder auf das Spiel. Ich wollte ihn nicht weiter stören, ging zurück zu den anderen und erklärte den Sachverhalt.

„Ok, er will es aber auch echt ganz genau wissen. So hat er doch kaum Gelegenheit, sich um Maxi auf dem Platz zu kümmern. Ich werde das mal regeln.“

Marc ging langsam zu Chris, stellte sich neben ihn und nahm ihm einfach den Zettel und den Stift weg. Chris drehte sich verwundert um und Marc schüttelte nur den Kopf und steckte den Zettel ein. Sie begannen eine kurze Unterhaltung. Wir konnten nicht verfolgen, was gesprochen wurde, aber nach einigen Augenblicken, fing Chris leise an zu lachen. Das war beruhigend, denn im ersten Moment hatte ich gedacht, sie würden sich streiten.

Chris machte sogar etwas vollkommen Unerwartetes. Er kam mit zu uns und stellte sich neben mich. Maxi spielte ein für mich gutes Match. Er führte und gewann die erste Runde in zwei Sätzen.

Der mittlerweile zu uns gestoßene Fynn ging mit Dustin zuerst zu Maxi und gratulierte. Irgendetwas hatten die drei aber noch auf dem Platz zu besprechen. Die drei redeten angeregt und das direkt nach dem Spiel. Es schien so auszusehen, dass sie sich etwas ausgedacht hatten. Denn sehr gelöst kamen die drei zu uns und Maxi fragte Chris:

„Na, war das so in Ordnung? Ich finde, ich habe gut gespielt.“

Chris nickte und erwiderte:

„Ja, das kannst du so sagen. Es war ein sehr gutes Match von dir. Ich bin absolut zufrieden. Da könnte sich Fynn mal eine Scheibe von abschneiden und auch mal an meinen Blutdruck denken.“

Fynn schaute Chris an, aber bevor der etwas sagen konnte, schoss Dustin zurück:

„Du hast doch Fynn immer gesagt, er soll selbst auf dem Platz entscheiden und auch eine Strategie ändern, wenn sie nicht funktioniert. Jetzt….“

Weiter kam er nicht, weil Fynn dazwischen fuhr.

„Stopp, Schatz. Diese Nummer von heute ist ganz allein mein Unvermögen gewesen. Also halt dich da raus.“

Die Stimmung wurde plötzlich ein wenig giftig, doch nahm Chris die Schärfe schlagartig heraus.

„Leute, habt ihr sie noch alle? Hört auf euch zu streiten. Beide haben gewonnen und an der Kommunikation auf dem Platz arbeiten wir noch. Wir haben noch ein paar Turniere vor uns.“

„Bevor jetzt weiter gestritten wird. Chris, heute Abend haben wir Besuch. Wir werden also am Nachmittag das Turnier verlassen. Aber Morgen früh werde ich dich wieder zur gewohnten Zeit abholen. Deine Jungs werden vom Fahrdienst des Turnieres gefahren. Richtig?“

„Genau. Stef hatte mir das bereits erklärt. Er sagte aber auch, dass ihr uns morgen Abend zu euch eingeladen habt. Bleibt es dabei?“

„Richtig, wir essen gemeinsam bei uns. Sabine und Luc wollten für euch etwas in der Küche zaubern. Also seht zu, dass ihr da noch im Turnier seid. Dann schmeckt es gleich doppelt gut.“

Durch diese lockeren Sprüche, löste sich die Stimmung. Dustin entschuldigte sich sogar bei Chris, der ihm nur lächelnd den Arm auf die Schulter legte und ihn beruhigte.

Chris: Es läuft wieder rund

So langsam stellten sich die eingespielten Abläufe wieder ein. Vor allem Dustin fand immer besser zu seinen Fähigkeiten zurück. Auf dem Platz hatten wir alles gut im Griff und ich war sehr zufrieden.

Morgen Vormittag würde sich für Dustin auf dem Platz zeigen, wie weit er schon wieder an seiner Normalform sein würde. Ich hatte mich bei diesem Turnier entschieden, Dustin mit Fynn spielen zu lassen. Es sollte für beide ein positiver Einstieg werden. Maxi war damit einverstanden. Er wollte sich noch bis heute Abend überlegen, ob er sich einen Partner für das Doppel suchen oder doch nur Einzel spielen würde.

Den Nachmittag wollten wir gerne mit Luc und Stef verbringen. Spielen musste keiner von meinen Jungs. Erst wieder am nächsten Tag. Luc und Stef hatten die Idee, einen Cafébesuch zu machen. Natürlich kein normales Café. Es war ein Schwulen- und Lesbentreffpunkt, der auch von einem schwulen Paar geführt wurde. Das Le Concorde lag mitten in der Stadt. Ich hatte bei uns in Halle noch keine Gelegenheit gefunden, nach einem akzeptablen Café zu suchen. Hier in der großen Stadt war das deutlich einfacher.

Luc und Stef holten uns im Hotel ab und sie zeigten uns auch ein wenig die Stadt auf dem Weg in das Café. Genf war eine schöne Stadt, aber es war auch deutlich sichtbar, dass hier viele wohlhabende Menschen lebten.

Wir saßen an einem gemütlichen Tisch in einer Ecke des Cafés. Jeder hatte sich ein Getränk nach Wahl bestellt und die Stimmung war gut. Es war mit Maxi sehr einfach und angenehm, sich in einem Szene-Café aufzuhalten. Er hatte damit überhaupt keine Probleme. Nur einmal wurde es etwas kritisch. Es gab einen anderen Jungen, der ihn ansprechend fand und dann versuchte, mit Maxi Kontakt aufzunehmen. Innerlich musste ich schmunzeln, denn ich war gespannt, wann es Maxi wohl bemerken würde, worauf der andere Junge aus war.

Luc und Stef spielten auch mit, obwohl sie sicher sehr früh bemerkt hatten, was hier ablief. Fynn und Dustin schauten mich immer wieder fragend an. So ganz wohl war ihnen offenbar nicht dabei, aber Maxi machte eine gute Figur. Erst, als Robert, so hieß der andere Junge, ihn zu sich einladen wollte, machte es bei Maxi klick im Kopf. Ich konnte es an seinen Augen erkennen, dass er verstanden hatte, was gespielt wurde. Ein wenig Unruhe machte sich bei ihm breit. Robert war aber überhaupt nicht aufdringlich oder gar unfreundlich. Er konnte ja schließlich auch davon ausgehen, dass Maxi von der gleichen Orientierung sein würde. Man saß schließlich in einem Schwulen-Café.

Maxi wollte ihn aber nicht vor den Kopf stoßen. Amüsiert beobachtete ich diese Situation. Mir war jetzt allerdings wichtig, dass es auch für Robert nicht peinlich oder bitter würde und hatte eine Idee.

„Möchtet ihr noch etwas trinken? Ich glaube, ich bin mal dran euch einzuladen. Also, was möchtet ihr?“

„Warum bist du mal dran? Eigentlich hast du doch die meisten Sachen bezahlt, wenn wir essen waren.“

Fynn hatte natürlich recht, aber das lief ja sonst alles über die Spesenabrechnung. Ich erklärte das und fragte dann Robert:

„Du bist auch eingeladen. Was möchtest du trinken?“

Mit einem herrlichen Dialekt antwortete er: „Merci, am liebsten eine heiße Schokolade mit einem Schuss Baileys.“

Ich nickte und meine Jungs blieben alle bei alkoholfreien Getränken. Von Cappuccino über Latte Macchiato bis hin zur Cola von Dustin. Luc und Stef blieben wie ich bei Latte Macchiato. Ich gab einer Servicekraft ein Zeichen und der junge Mann kam an unseren Tisch.

Ich gab ihm unsere Bestellung und bat anschließend gleich um die Rechnung.

Luc und Stef mussten in Kürze nach Hause. Sie hatten dort ja noch einen Termin und wir wollten zum Essen im Hotel sein.

Als unsere Bestellung kam, nahm ich das zum Anlass, Robert einen Hinweis zu geben.

„So, ich möchte euch mal danken für die tolle gemeinsame Arbeit. Insbesondere möchte ich heute Maxi meinen Dank und Respekt aussprechen. Schließlich ist er hier vermutlich einer der wenigen, die sich nicht ganz so wohl fühlen dürften. Ich finde es toll, dass du mit uns hier hergekommen bist. Wie ist es dir hier ergangen? War es sehr schlimm?“

Robert hatte sofort verstanden, was ich damit gesagt hatte. Er wurde sofort rot und wollte schon aufstehen.

„Bleib sitzen Robert. Ich finde es überhaupt nicht schlimm. Es tut mir nur leid, dass du bei Maxi vermutlich keine Chancen auf Erfolg hast. Maxi ist der einzige Hetero bei uns. Sorry. Aber du hast eine außerordentlich nette Art zu flirten. Heute hast du dir leider den Falschen ausgesucht.“

Maxi atmete erleichtert aus und ergänzte:

„Danke, Chris. Ich wusste schon nicht mehr, wie ich da raus kommen würde, ohne Robert zu verletzen. Robert, es tut mir wirklich leid, aber ich bin doch eher auf eine Freundin aus, als auf einen Freund.“

Robert beruhigte sich nur langsam. Es war ihm unangenehm.

„Sorry, Maxi. Ich wollte dir nicht zu Nahe treten. Allerdings ist es hier auch sehr selten, auf hetero Jungs zu treffen.“

„Ist doch nicht schlimm. Das kann jedem passieren.“

So beruhigte sich die Situation und wir plauderten noch einen Moment. Dann verabschiedete sich Robert und wir blieben allein an unserem Tisch zurück.

„Ausgerechnet Maxi wird angebaggert. Echt, zu komisch.“

„Warum findest du das komisch?“, fragte ich Fynn. „Es ist doch offensichtlich, dass ihr beide ein Paar seid und ich bin ein wenig zu alt für so einen Bengel. Da blieb doch nur Maxi übrig.“

Ich musste lachen. Es war für mich eine komische Situation. Aber auch Maxi nahm es mit Humor und lachte mit uns.

Dieser Nachmittag zeigte mir, was für ein gutes Team wir waren. Es gab mir die Bestätigung, ihnen immer mehr Freiheiten geben zu können, was ihr Denken und Handeln betraf. In Zukunft wollte ich mehr beobachten und weniger vorgeben.

Meine Jungs wollten den Abend gemeinsam im Hotel verbringen. Ich hatte vor, mir erst noch meine Emails vorzunehmen und dann auch etwas zu entspannen. Die Jungs sollten den Abend für sich sein können. Mir war es ganz wichtig, dass sie auch Zeit für sich und ohne mich bekamen. Schließlich waren wir schon sehr viel Zeit auf den Anlagen zusammen.

Als ich abends auf dem Balkon von meinem Zimmer saß und die E-mails durchschaute, fand ich eine Nachricht, die mich verwunderte. Sie kam vom Turnierveranstalter hier in Genf. Was sollte das bedeuten?

Ich öffnete die Mail und las etwas Erstaunliches. Sie hatten von dem Vorfall in Kitzbühel gehört und baten mich um eine Stellungnahme zu dem Vorfall. Der Grund war, laut Veranstalter, dass sie sich um unsere Sicherheit sorgten und dies mit mir besprechen wollten. Ich sollte am nächsten Tag beim Turnierdirektor im Büro vorbeischauen.

Außerdem telefonierte ich mit Thorsten und holte mir die neuesten Informationen aus der Heimat. Carlo und Tim entwickelten sich sehr positiv und hatten ein Jugendturnier gewonnen. Thorsten war von der Arbeitsmoral der beiden sehr angetan. Das war erfreulich.

Ich konnte mich also ausschließlich auf meine Jungs konzentrieren. Was ich nur nebenbei bemerkt hatte: meine Schulter schmerzte immer weniger und wenn ich nicht immer wieder an bestimmten Stellen gezweifelt hätte, hätte ich den Zwischenfall in Kitzbühel abgehakt.

Leider geschah das aber nicht. Immer wieder plagte mich mein Gewissen. Ich fragte mich, ob ich wirklich alles richtig gemacht hatte oder ich besser einfach hätte gehen und mich nicht auf diese Auseinandersetzung einlassen sollen. Diese Gedanken quälten mich, insbesondere dann, wenn ich zur Ruhe kam.

Aus meiner beruflichen Erfahrung kannte ich diese Reaktion, allerdings konnte ich dort immer aktiv etwas für meine Patienten tun. Hier war ich als direkt Betroffener ziemlich unsicher. Wie lange würde das andauern, bis ich wieder normal damit umgehen konnte?

Erst sehr spät fand ich Ruhe und konnte einschlafen.

Am nächsten Morgen hatten wir gut gefrühstückt und meine Jungs wurden vom Shuttledienst abgeholt. Mich hatte Marc erneut zu Heikki gebracht und anschließend zum Platz. Was ich nicht wusste, sowohl Sabine, als auch Leif mit Freundin, waren bereits auf der Anlage und schauten sich Spiele an.

Maxi schlug sich mit Fynn ein und Dustin saß auf der Bank. Er schaute zu, wie sich seine beiden Freunde einschlugen.

„Hi Dustin, warum sitzt du auf der Bank? Du musst doch heute auch Doppel spielen.“

„Ja, das stimmt schon. Fynn und Maxi wollten aber unbedingt ein paar Punkte ausspielen. Ich gehe gleich wieder mit auf den Platz. Keine Sorge.“

Sollte ich das durchgehen lassen oder eingreifen? Ich entschied mich, sie machen zu lassen. Ich wollte ihnen ja mehr Eigenverantwortung geben. Also sollte ich sie auch machen lassen. Wenn das nicht klappen würde, konnte ich jederzeit eingreifen. Ich stellte mich also zu Marc und Sabine an den Zaun und beobachtete meine Truppe.

„Guten Morgen Sabine. Wo sind denn Luc und Stef heute? Habt ihr sie gestern Abend abgefüllt?“

„Hahaha, nein. Sie haben Schule. Luc war ja nur gestern für die Prüfung vom Unterricht befreit.“

„Mensch, da hätte ich auch selbst drauf kommen können. Und was ist mit euch beiden? Habt ihr keine Schule?“

Diese Frage hatte ich an Leif und seine Freundin gerichtet.

„Nein, ich bin bereits fertig mit dem Abitur und werde im Herbst mit dem Studium beginnen. Monique ist in der Ausbildung zur MTA und hat extra für das Turnier Urlaub genommen.“

Marc beobachtete derweil meine Jungs sehr aufmerksam. Mein Eindruck war gut und auch Dustin war mittlerweile wieder auf dem Platz aktiv. Ich hielt mich weitestgehend aus dem Geschehen heraus und beobachtete nur.

„Ich finde, deine Jungs machen einen guten Eindruck. Sie sind schon sehr selbständig und ernsthaft bei der Vorbereitung. Du könntest dich etwas mehr entspannen.“

„Ich? Ich bin entspannt. Meistens jedenfalls. Aber es stimmt. Heute sieht das sehr gut aus, was sie da tun. Der nächste Gegner kann kommen. Für Fynn wird es etwas einfacher sein. Sein Gegner liegt ihm. Maxi muss sich mehr anpassen, sollte aber auch eine gute Chance haben.“

„Na, so konzentriert wie du zuschaust, kann ich keine Entspannung erkennen. Aber passt schon. Ich freue mich, dass du zufrieden mit deinen Jungs bist.“

Jetzt fiel mir wieder ein, dass ich mich ja beim Turnierdirektor melden sollte.

Ich erklärte Marc kurz mein Vorhaben und informierte die Jungs. Der Weg zum Turnierbüro war nicht weit und so betrat ich wenige Minuten später das Büro des Turnierdirektors.

„Schönen guten Morgen. Sie baten mich herzukommen.“

„Ja, ebenfalls einen guten Morgen. Bitte nehmen Sie Platz. Möchten Sie einen Kaffee?“

Ich bejahte und bedankte mich für das Angebot. Er nahm ebenfalls Platz und dann eröffnete er mir sein Anliegen.

„Wissen Sie, ich habe die Berichte aus Kitzbühel gelesen und war sehr erstaunt, dass sie im direkten Anschluss nach Genf gekommen sind. Sie wurden schwer verletzt und dennoch haben Sie sich mit Ihren Spielern auf den Weg hierher gemacht. Sie beeindrucken mich und mein Team. Aber es erfüllt mich auch mit Sorge. Der Bericht ist lückenhaft und wenig aufklärend über die Gründe des Angriffes. Es gibt nur Gerüchte und Vermutungen. Können Sie mir mehr dazu sagen? Ich möchte, dass Sie sich und Ihre Spieler hier sicher fühlen.“

„Danke für die freundliche Begrüßung und Ihre Besorgnis. Ich vermute, Sie haben auch die Presseberichte von der Siegerehrung gelesen. Dort hatte Andreas Seppi bereits Stellung genommen und es stimmt, der wahre Grund des Angriffes war die Abneigung der rechtsradikal orientierten Täter gegenüber Homosexuellen. Nichts weiter und es gibt keinen Grund, darüber zu spekulieren. Fynn und Dustin sind homosexuell und ein Paar. Das ist mittlerweile in der Tennisszene kein Geheimnis mehr.“

Ich wunderte mich zwar selbst über meine direkte Aussage, aber ich war es leid, darüber zu schweigen. Es war an der Zeit, neue Schritte im internationalen Profisport zu gehen. Mein Gegenüber blieb ruhig und freundlich.

„Das ist bedauerlich und beschämend. Ich hatte mit dem Turnierleiter in Kitzbühel Kontakt. Er wollte mir diese Information wohl nicht geben.“

„Nun, er wollte es vielleicht nicht tun, ohne uns vorher gefragt zu haben. Wir waren aber vermutlich nicht mehr dort, sondern bereits auf der Anreise nach Genf.“

„Ja, das verstehe ich. Also gut. Wie können wir helfen? Ich möchte Ihnen zusichern, dass wir einen Sicherheitsdienst haben und könnte Ihnen anbieten, sie auf der Anlage besonders zu schützen.“

„Danke, das weiß ich zu schätzen, aber ich möchte so schnell wie möglich wieder in den Alltag zurückfinden. Meine Jungs haben noch Angst, aber je mehr wir besondere Maßnahmen ergreifen, desto stärker wird ihre Angst bleiben. Ich würde es begrüßen, wenn ihr Sicherheitspersonal darauf hingewiesen wird, verstärkt auf Waffen zu achten. Dadurch würde die Sicherheit für alle erhöht.“

„Sehr interessante Sichtweise. Darf ich Sie etwas Persönliches fragen? - Was hatte Sie vermuten lassen, dass die Täter ihre Spieler angreifen würden? Warum haben Sie sich dazwischen gestellt? Sie hätten sterben können.“

„Wenn ich es nicht getan hätte, wäre vielleicht einer der Jungs gestorben. Das war inakzeptabel. Ich musste so handeln. Außerdem haben die Skins auch mich angegriffen.“

Der Turnierdirektor schaute mich irritiert an. Ich konnte seine Unsicherheit spüren.

„Ich dachte die Typen wollten die Jungs angreifen. Warum sollten auch Sie das Ziel sein?“

„Weil ich genau wie meine Jungs homosexuell bin und ich mich genauso angegriffen fühlte.“

Ein kurzer Moment Stille stand im Raum, dann schlug er vor:

„Ich bin beeindruckt. So eine offene Aussage ist bislang im Profitennis nicht vorgekommen. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen. Wir als Veranstalter laden zu einer Pressekonferenz ein. Ich werde den Turnierdirektor aus Kitzbühel ebenfalls dazu einladen und den Sachverhalt darstellen. Hier geistern zu viele Gerüchte herum. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, den homophoben Menschen zu zeigen, dass auch im Profisport Homosexualität zur Normalität zählen muss.“

„Ich wäre sofort einverstanden, aber lassen sie mich mit meinen Spielern sprechen, ob sie dabei mit von der Partie sein möchten oder ob ich das besser allein mache.“

Darauf verständigten wir uns. Der Termin sollte heute am späten Nachmittag, nachdem die Spiele der Jungs beendet waren, stattfinden. Ich sollte mich nur mit den Jungs verständigen. Um alles andere würde sich der Turnierdirektor mit seinem Team kümmern.

Damit verließ ich das Büro wieder und ging im Laufschritt zurück zum Platz. Mit einem Blick auf die Uhr war mir klar, dass Fynn bereits auf dem Platz sein musste. Hoffentlich waren Marc und Sabine noch da, damit Fynn nicht allein spielen musste. Aber ich hätte es auch wissen können, dass meine Jungs natürlich bei Fynn waren. Als ich eintraf, standen alle am Zaun und schauten sich das Match an. Marc gab mir eine kurze Lagemeldung und Dustin schilderte mir den Verlauf aus seiner Sicht. Fynn spielte sehr gut und hielt sich konsequent an die besprochene Strategie. Sein Match verlief glatt und endete mit einem Sieg ohne große Schwierigkeiten.

„Wo bist du so lange gewesen? Das kennen wir gar nicht, dass du bei einem Match nicht von Beginn an anwesend bist?“

„Ich hatte ein Gespräch mit dem Turnierdirektor. Er hat sich nach unserem Befinden erkundigt und fragt an, ob wir zu dieser Sache an einer Pressekonferenz teilnehmen möchten. Es gibt ein großes Interesse an unserem Team und viele Spekulationen über die Gründe des Angriffes.“

Dustin, der mich gefragt hatte, schaute verwundert. Marc hingegen machte einen gelassenen Eindruck, gab aber eine klare Meinung ab:

„Solltet ihr unbedingt machen. Das ist doch eine gute Möglichkeit, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass ihr euch nicht verstecken wollt und vor allem nicht braucht. Ich finde diese Einladung ein wichtiges Zeichen.“

„Gut, wie seht ihr das? Dustin, dich und Fynn würde ich gern dabei haben. Mach dir jetzt aber keinen Druck. Du musst das nicht. Ich gehe da auch allein hin. Jetzt kümmern wir uns aber vordringlich um unsere Aufgabe hier. Und die heißt: Tennis spielen.“

Wir standen etwas später beim Spiel von Maxi, als Dustin mit Fynn hinzu kam. Fynn sah total frisch aus, obwohl er schon sein Einzel gespielt hatte. Gleich stand noch ihr erstes Doppel an.

„Wie sieht es bei Maxi aus?“, fragte Fynn.

„Ganz ordentlich. Er tut sich erwartungsgemäß sehr schwer. Es ist nicht sein Spiel. Aber dafür läuft es gut. Ich glaube nicht, dass er das verlieren wird. Er wird wenig Freude an diesem Spiel haben. Wie geht es dir? Bist du für das Doppel noch fit?“

„Klar, kein Problem. Dustin ist auch richtig heiß drauf, endlich wieder zu spielen.“

Dafür bekam er von seinem Freund einen kleinen Schlag in die Seite.

„Au, warum haust du mich?“

„Weil du Chris doch nicht sagen solltest, dass ich heiß aufs Spiel bin. Du Depp.“

Ich schaute in die Gesichter der beiden und konnte die Freude erkennen. Sie waren wieder mit Spaß dabei. Das tat mir gut, denn ich konnte wieder ein Stück Alltag erkennen. Der Zwischenfall in Kitzbühel trat in den Hintergrund. War es jetzt richtig, mit ihnen diesen Pressetermin zu machen? Oder sollte ich das lieber allein machen. Ich war unsicher.

Luc: Pressekonferenz, warum?

Nachdem ich endlich seit gestern meinen Führerschein hatte, war ich mit Stef heute nach der Schule verabredet. Wir wollten unsere Freunde auf dem Tennisplatz unterstützen. Allerdings hatte mir Fynn bereits eine Nachricht geschrieben.

Er hatte sein Spiel gewonnen und Maxi war zwar mit Mühe in das Turnier gestartet, aber hatte ebenfalls gewonnen. Eigentlich war damit das Tagesprogramm bereits durch. Nur Dustin sollte noch mit Fynn ein Doppel spielen. Das erste offizielle Match seit seiner Verletzung. Da wollte ich unbedingt rechtzeitig vor Ort sein.

Es wäre uns nicht gelungen, hätten wir den Bus genommen. Also hatte sich Papa auf den Weg gemacht. Zuerst holte er Stef vom Internat ab und dann fuhren sie gemeinsam auf den Parkplatz meiner Schule. Stef grinste wie ein Honigkuchenpferd. Was hatte sich in den letzten beiden Jahren alles verändert. Hier wurde es mir so deutlich. Sein Lachen, seine Körpersprache, einfach alles hatte sich so unglaublich positiv verändert.

Er sprang aus dem alten Caddie und zur Begrüßung gab es für mich einen stürmischen Kuss. So überschwänglich wurde ich schon lange nicht mehr begrüßt.

„Ist etwas passiert?“, fragte ich deshalb verwundert.

„Nein, warum?“

Stef schaute mich fragend an und schon hatte ich erneut einen Kuss bekommen. Papa saß lachend im Auto und hupte kurz. Wir sollten endlich einsteigen.

„Wenn die Herrschaften sich anschnallen mögen, sonst kommen wir zu spät zum Doppel der beiden.“

Papa legte den Automatikhebel auf D und dann glitten wir im offenen Cadillac durch die Genfer Straßen. Unterwegs unterhielten wir uns über die Schule und die Tage nach dem Turnier. Chris würde mit seinen Jungs bei uns noch ein paar Tage länger bleiben.

„Schatz, bist du nicht langsam ungeduldig? Du hast deinen Führerschein und kannst dennoch nicht fahren.“

„Nein, ich wusste ja vorher, dass ich noch einige Wochen bis zum Geburtstag zu warten habe. Papa, wie haben denn Fynn und Maxi heute gespielt. Du hast doch bestimmt beide Spiele gesehen.“

„Ich fand sie gut. Chris war auch zufrieden, was schon ein großes Lob ist. Chris sagt ja selten, das war grandios oder ich bin begeistert.“

„Das stimmt nicht, Papa. Wenn er mit den Spielern direkt spricht, dann lobt er auch richtig. Ich habe das bereits selbst erlebt.“

Papa nickte leicht mit dem Kopf. Irgendetwas stimmte nicht. Er hatte wieder diesen Gesichtsausdruck, der mir zeigte, dass er etwas ausbrütete. Es dauerte auch nicht lange, da sagte er:

„Hört mal bitte zu, ihr beiden. Das, was ich jetzt sage, bleibt bitte noch unter uns. Ihr sprecht darüber nicht mit Chris und auch nicht mit einem der Jungs, verstanden?“

Oha, das hörte sich ernst an. Hoffentlich war nicht wieder etwas passiert.

„Was ist denn los, Papa? Du machst es wieder sehr spannend.“

„In der Tat. Chris hat eine Einladung zu einer Pressekonferenz bekommen. Dort soll über den Vorfall in Kitzbühel gesprochen werden. Der Veranstalter hatte ihn darum gebeten, weil doch einige Gerüchte entstanden sind. Es soll auch ein Vertreter der ATP anwesend sein. Ich finde, dies ist eine optimale Situation, um endlich einmal einigen Leuten klar zu machen, dass sie immer noch im Mittelalter leben.“

Oha, dachte ich. Das hörte sich nach Angriff an. Wenn Papa so eine Andeutung macht, wusste ich aus der Vergangenheit, dass das erheblichen Wirbel geben würde. Hoffentlich würde er damit unseren Freunden nicht noch mehr Kopfschmerzen bereiten. Letztlich stand auch Gerhard Weber als Sponsor im Fokus. Ob es da richtig war, einen Alleingang zu machen. Ich war mir nicht sicher.

„Sag mal Papa, hast du mit Chris besprochen, was er dort sagen soll? Oder wie meinst du das?“

„Nein, ich werde dort ohne vorherige Ankündigung für die Presse auftreten. Nicht einmal Chris möchte ich das vorher sagen. Ich habe sonst Sorge, dass Fynn und Dustin vielleicht Angst haben.“

Wow, das war jetzt aber echt ein Hammer. Dann hatte Papa wohl das ganz große Kino geplant.

„Und was soll unsere Rolle dabei sein? Du hast doch sicher auch für uns eine Aufgabe“, fragte Stef sichtlich beeindruckt.

Papa fing an zu grinsen. Das war immer ein gutes Zeichen.

„Du hast mich gut durchschaut. Klar, habe ich für euch auch eine Aufgabe. Ihr geht mit Sabine nach Hause und bereitet das Essen vor.“

Nanu? Warum war Papa jetzt beim Tennis so auf Krawall gebürstet? Was hatte er überhaupt damit zu tun, außer, dass es ihm immer um die Akzeptanz von homosexuellen Sportlern ging?

Mittlerweile waren wir auf dem Parkplatz angekommen und Papa schloss das Verdeck. Bevor wir zum Spielereingang gingen, sagte er noch kurz:

„Geht ihr bitte schon einmal vor. Ich möchte mit dem Turnierdirektor sprechen. Und bitte sagt kein Wort von meinem Plan.“

Mit Stef im Arm betrat ich die Anlage und suchte nach unseren Freunden. Ich schaute auf das große Tableau. Dort wurden alle aktuell laufenden Partien angezeigt. Ich fand das Doppel unserer Freunde auf Platz 11.

Dort standen nicht viele Zuschauer. Aber Mama und auch Maxi konnte ich erkennen. Sofort stellten wir uns zu ihnen.

„Hallo, mein Sohn. Schön, dass ihr schon da seid. Dann könnt ihr noch etwas vom Doppel sehen.“

Ich umarmte meine Mutter und konnte aber Leif nicht finden. Stef begrüßte sie auch mit einer Umarmung.

„Wo ist denn Leif hin? Hat er schon wieder was anderes vor?“

Mama verdrehte die Augen und erwiderte:

„Ach Luc, Leif interessiert sich nicht so stark für das Tennis. Momentan macht er mehr mit Monique. Lasst sie doch.“

„Solange er mich nicht zum Onkel macht, soll er machen was er will. Wie steht es eigentlich?"

„Das sage ich dir, wenn du mir sagst, wo du deinen Papa gelassen hast. Sag nicht, dass er schon wieder weg ist.“

„Nein, nein, Mama. Er wollte noch kurz ins Turnierbüro. Wo ist eigentlich Chris?“

„Na, schau doch mal da rüber.“

Sie zeigte mit dem Arm auf die andere Seite des Platzes. Dort stand im Schatten unser Chris. Er hatte sich also versteckt. Erst beim genauen Hinsehen verstand ich auch warum. Er hatte eine Kamera in der Hand und filmte das Doppel.

Ich blieb bewusst bei meiner Mutter und Maxi. Chris wollte vermutlich keine Störung beim Filmen haben. Es gab auch keinen Grund dafür, denn Dustin spielte wirklich gut. Es sah nicht danach aus, dass er lange nicht gespielt hatte. Nur bei ganz wichtigen Punkten spielte er vielleicht nicht so konsequent wie Fynn.

Es dauerte auch nicht mehr lange und sie hatten ihren ersten Matchball. Leider verschlug Dustin diesen recht leichtfertig. Er ärgerte sich mächtig und lautstark. Fynn gelang es aber schnell, seinen Freund zu besänftigen und schließlich reichte der zweite Versuch dann aus, um das Match zu beenden. Dustin war selbst auf der Bank noch ungehalten über seinen Fehler. Jetzt tauchte Chris aus seinem schattigen Versteck auf und ging über den Platz zur Bank.

Fynn verließ sofort die Bank neben Dustin. Er schien zu ahnen, dass Chris seinem Freund ein paar freundliche Worte mitteilen würde. Fynn packte beide Taschen zusammen und nahm auch Dustins Tasche mit. Er kam zu uns, während Chris mit Dustin noch ein paar Meter an die Seite ging. Ich konnte allerdings sehen, dass Chris überhaupt nicht verärgert schien. Er redete ruhig auf Dustin ein und plötzlich lachten beide. Dustin schüttelte seinen Kopf, aber sie kamen beide lachend zu uns.

„Na, welchen Witz hast du Dustin gerade erzählt?“, fragte Maxi.

Chris lachte erneut auf und antwortete:

„Das bleibt mein Geheimnis. Sonst wirkt das ja nicht mehr.“

Ich nutzte die Gelegenheit, Dustin auch zu gratulieren. Für heute war das Tennisprogramm abgearbeitet. Alle drei waren noch im Wettbewerb. Morgen wurden die Achtelfinals gespielt. Vielleicht hatten wir ja auch mal Glück, dass die Spiele nicht alle am frühen Vormittag stattfinden würden. Dann hätten Stef und ich auch die Möglichkeit zuzuschauen.

Deshalb fragte ich Chris: „Kannst du nicht fragen, ob ihr erst nachmittags spielen könnt? Wir würden gern auch mal ein Einzel sehen.“

„Kann ich verstehen, Luc. Allerdings habe ich darauf keinen Einfluss. Das legt allein die Turnierleitung fest. Kann aber gut möglich sein, dass wir morgen erst später spielen. Es wird nach Möglichkeit bei den Zeiten immer gewechselt. Ich gehe das gerade klären. Lasst uns doch auf der Terrasse treffen. Ich hätte Lust auf ein Eis. Wie ist das mit euch? Und wo habt ihr Marc gelassen?“

Ich hatte es geahnt. Papa hatte ein längeres Gespräch mit dem Turnierdirektor. Er brütete etwas aus. Sollte ich Chris nicht doch einen Hinweis geben? Ich war unsicher.

„Er wollte noch etwas beim Turnierdirektor klären. Er kommt sicher gleich zu uns.“

Stef hatte mir damit die Entscheidung abgenommen.

Chris: Pressekonferenz und die Folgen

Nachdem ich mit meinen Jungs die Nachbesprechung gemacht hatte, gab es noch eine Sache zu klären. Wollten sie an der Pressekonferenz teilnehmen und wenn ja, wäre es richtig, sie dort auftreten zu lassen? Ich war mir noch nicht sicher.

Als ich zum Turnierbüro ging, um den neuen Zeitplan für morgen abzuholen, begegnete ich Marc.

„Hey, wo kommst du denn her?“, fragte ich ihn.

„Hi Chris, ich hatte etwas mit einem Freund zu besprechen. Hier ist es eben so, dass ich immer Leute treffe, die mich kennen.“

„Ach, ist das nicht überall so. Du bist eben kein unbekannter Tenniscoach. Ich kann mich immer frei bewegen, ohne ständig Autogramme schreiben zu müssen.“

Ich hatte das gesagt, weil in diesem Moment einer der Ballkinder von Marc ein Autogramm haben wollte. Marc lachte über meinen Spruch, gab dem Jungen die Unterschrift und sagte:

„Ok, was macht ihr jetzt? Wir sollten den weiteren Ablauf besprechen. Ihr habt ja gleich noch einen Termin, bevor es zu uns zum Essen geht.“

„Ich hatte den anderen gesagt, dass wir uns auf der Terrasse treffen. Ein Eis essen und den Ablauf dabei klären.“

„Das ist gut. Dann sehen wir uns gleich dort.“

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Marc mir zum ersten Mal etwas vorenthielt. Vielleicht sah ich aber auch Gespenster. Ich öffnete die Tür zum Turnierbüro und bat um den aktuellen Zeitplan.

Mit einem Blick hatte ich erfasst, dass wir, wie erhofft, erst am Nachmittag spielen mussten. Das hatte zwar zur Folge, dass Fynn und Maxi nahezu parallel spielten, aber das war eben so. Jetzt war es doch ein Vorteil, dass Dustin nur Doppel spielte. Er konnte mich unterstützen.

Wenige Minuten später betrat ich die große Terrasse des Clubhauses. Der Veranstalter hatte diesen Bereich für die Spieler reserviert. Also keine Presse und keine Zuschauer. Ich schaute mich um und eigentlich hätte ich es mir denken können. Marc hatte bereits zwei Tische zu einer kleinen Tafel zusammengestellt. Alle Augen waren auf mich gerichtet, als ich an den Tisch herantrat.

„Hab ich was verpasst?“

„Nö, nur, dass wir schon das Eis bestellt haben. Wir haben dir auch was bestellt. Ich hoffe mal, das war richtig.“

Luc grinste mich an und da wusste ich ganz genau, sie hatten sich irgendetwas ausgedacht. Mal schauen, was mich erwarten würde. Ich nahm neben Sabine Platz und gab den Zeitplan für morgen an meine Jungs weiter. Sie nickten und waren erfreut über diesen Ablauf.

„Sieht gut aus. Da können wir heute Abend ja mal etwas länger unterwegs sein. Schließlich will Luc ja für uns kochen.“

Dustin war bester Laune und auch Fynn genoss es, dass sein Freund neben ihm saß und es allen gut ging. Es dauerte nicht lange und ein großer Teewagen wurde an unseren Tisch gerollt. Darauf war ein großes Eiskunstwerk und Teller mit Löffeln. Als ich sah, was uns da serviert wurde, konnte das nur von Sabine oder Marc kommen. Meine Jungs wären nicht so mutig, um so eine Sache anzuleiern. Entsprechend schaute ich Sabine an, die nur lachte und mir zuzwinkerte.

„Lass sie doch einfach etwas Spaß haben. Außerdem darfst du dir auch mal etwas gönnen. Da hab ich mir gedacht, ich nehme das in die Hand.“

„Ok, ok. Ich sag doch gar nichts. Sieht richtig gut aus. Also ok, dann lasst uns das mal in Angriff nehmen.“

Mit Begeisterung machten wir uns alle über diese Kalorienbombe her und natürlich blieb nichts übrig. Doch nun musste ich meine Jungs fragen, ob sie an der Pressekonferenz teilnehmen wollten oder eher nicht.

„Leute, es tut mir leid, aber wir müssen jetzt besprechen, wer mit auf die Pressekonferenz geht. Wie ist eure Meinung dazu?“

Maxi, Fynn und Dustin tauschten kurz ihre Blicke und dann sagte ausgerechnet Maxi:

„Für uns drei vollkommen klar, wir gehen mit. Verstecken ist vorbei und war einmal. Auch wenn du jetzt vielleicht denkst, ich wäre der falsche für diese Aussage, aber ich stehe voll hinter deiner Arbeit und wir werden den homophoben Typen mal ordentlich den Kopf waschen.“

Ok, damit hatte ich nun nicht gerechnet und auch Marc schien beeindruckt zu sein, denn er klopfte anerkennend auf den Tisch:

„Gut gebrüllt, Löwe. Macht ihnen klar, dass die Leistung von euch im Team entsteht. Dann werden sie euch in Zukunft in Ruhe lassen. Luc und Sabine werden uns gleich verlassen. Sie müssen das Essen vorbereiten. Also seid bitte pünktlich am Treffpunkt. Ich hole euch dann dort ab.“

Dass uns Sabine mit Luc, allein nur zum Kochen, früher verließ, wunderte mich. Marc hätte sicher auch einen Caterer bestellen können. Das hatte also einen anderen Grund. Vielleicht sollte es ein besonderes Essen geben. Ich ließ das also unkommentiert. Nur Stef bestand natürlich darauf, dass er mitfahren wollte. Das führte wiederum bei Marc und mir zu Heiterkeit. Er ließ da auch nichts anbrennen und Sabine versuchte erst gar nicht, das abzuwenden.

Für uns wurde es Zeit, zum Pressetermin aufzubrechen. Ich bat darum, die Teamanzüge anzuziehen. Es sollte klar erkennbar sein, wo wir herkamen und dass wir ein geschlossenes Team sind.

Warum ich das Gefühl hatte, dass Marc mir vielleicht etwas vorenthielt, konnte ich nicht begründen. Es war einfach so.

Vor dem Presseraum empfing uns der Turnierdirektor. Er führte uns zuerst in einen Nebenraum und besprach mit uns den Ablauf. Jetzt wurde ich doch etwas nervös, denn so oft hatte ich bislang nicht an offiziellen Pressekonferenzen teilgenommen.

Wir gingen nach dem Turnierdirektor in den eigentlichen Presseraum. Es war erstaunlich, wie viel dort bereits los war. Sogar ein Kamerateam eines lokalen Senders war anwesend und die Blitzlichter der Fotografen wollten gar nicht enden. Soviel Aufmerksamkeit hatte ich wirklich nicht erwartet. Herr Bauer, der Turnierdirektor, wies uns unsere Plätze zu und bat uns Platz zu nehmen. Dustin flüsterte mir ins Ohr:

„Bist du nicht aufgeregt. So etwas hatte ich nicht erwartet. Was wollen die alle von uns?“

„Keine Ahnung. Aber ich bin genauso gespannt wie ihr. Also ruhig bleiben und abwarten.“

Nachdem Herr Bauer die Fotografen gebeten hatte, ebenfalls Platz zu nehmen, begrüßte er alle Anwesenden. Er hielt eine kurze Einführung und weshalb sie mit Absprache der Turnierdirektoren von Kitzbühel und der ATP diesen Termin einberufen hatten. Es ging um den gezielten Angriff gegen uns, weil wir halt zwei homosexuelle Spieler hatten. Der Supervisor der ATP hörte sich die Berichte an und plötzlich meldete sich ein Journalist aus den hinteren Reihen und fragte provokant:

„Warum haben Sie sich als homosexuelle Spieler geoutet? Sie hätten diese Situation doch vermeiden können, wenn sie als ganz normale Spieler aufgetreten wären. Jetzt zu sagen, die ATP oder die Presse hat sich gegen Sie gewandt, ist doch recht einfältig.“

Die Reaktion meiner Jungs war direkt. Dustin wollte sofort aufstehen und gehen. Er war sehr wütend. Nur wollte ich genau das jetzt nicht. Das war genau das, was ich erwartet hatte, allerdings die Reaktion der ATP überraschte mich. Der Supervisor bat um das Wort.

„Bevor hier etwas in die falsche Richtung läuft. Ich weiß nicht woher Sie die Information haben, dass das „Breakpoint-Team“ gegen uns Vorwürfe erhoben haben soll, aber dem ist einfach nicht so. In keinster Weise hat ein Vorwurf stattgefunden. Ganz im Gegenteil. Wir von der ATP sind froh, dass es endlich ein Team gewagt hat, offen mit diesem Thema umzugehen. Also versuchen Sie nicht, hier falsche Tatsachen zu verbreiten.“

Er schaute zu mir und das war für mich das Signal, dazu Stellung zu nehmen.

„Meine Gegenfrage an Sie. Was für einen Grund hätten wir, an dieser Pressekonferenz teilzunehmen, wenn die Sachlage so wäre, wie Sie es dargestellt haben? Wir sitzen hier gemeinsam mit der ATP, dem Veranstalter aus Genf und dem Veranstalter aus Kitzbühel. Es soll aus dem Vorfall gelernt werden. Sowohl in sicherheitstechnischen Dingen, als auch in der Grundhaltung der Medien gegenüber homosexuellen Leistungssportlern. Solange die Medien Homosexualität als etwas Außergewöhnliches oder gar Krankes darstellen, was zu verheimlichen ist, wird sich an der Situation für die betroffenen Sportler nichts ändern. Also gebe ich diese Frage an Sie zurück, warum sind Sie uns gegenüber so ablehnend? Begründen Sie ihre Haltung doch einmal. Ich wäre gespannt, wie die übrigen hier Anwesenden darauf reagieren.“

Alle Augen gingen jetzt zu dem Mann, der diese Frage gestellt hatte. Leider schwieg er jetzt und war auch nicht bereit, einen einzigen Satz dazu zu sagen. Ich wollte eigentlich noch etwas nachlegen, aber Herr Bauer übernahm das für mich.

„Ihr Schweigen interpretiere ich als Unfähigkeit, hier klar Stellung zu beziehen. Wir als Veranstalter sind froh darüber, dass uns diese beiden jungen Nachwuchstalente zeigen, dass es sehr wohl möglich ist, als homosexuelles Paar Tennis auf Weltklasseniveau zu spielen. Sicherlich ist das für die meisten noch ungewohnt, aber warum sollte es im Tennis anders sein, als in anderen Bereichen. Die Täter sollten wir zum Thema machen und nicht die Opfer. Wie können wir in Zukunft diese Sportler besser schützen? Das muss die Frage sein. Sie sind genauso normal wie andere Sportler. Wer das nicht begreifen kann oder will, sollte sich fragen, ob er selbst vielleicht nicht normal ist.“

Es meldete sich eine junge Frau. Nachdem die Unruhe beendet war, stellte sie an meine Jungs eine Frage:

„Wie ist das für Sie als Spieler? Herr Freise, Sie sind Teamkollege von den beiden. Gibt es für Sie einen Unterschied zu, ich sage es bewusst, heterosexuellen Spielern?“

Maxi schüttelte seinen Kopf. Er musste einen Augenblick nachdenken und antwortete dann:

„Nein, es ist überhaupt kein Unterschied. Ganz ehrlich, ich finde es überhaupt pervers, dass es immer noch Menschen gibt, die Homosexualität als etwas Ungewöhnliches oder gar Krankhaftes halten. Diese Menschen sind für mich nicht normal. Meine Freunde im Team sind jedenfalls ganz sicher vollkommen normal. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“

Maxi lehnte sich kopfschüttelnd zurück. Dustin und Fynn tat seine Aussage gut. Sie entspannten sich ein wenig. Eine weitere Frage kam von einem Anzugträger.

„Was ich hier vermisse, wo sind die Sponsorenvertreter? Sie tragen auf Ihren Anzügen das Logo von Gerry Weber. Wie gehen Ihre Sponsoren mit dieser Situation um? Wussten Sie das überhaupt?“

Jetzt platzte mir echt der Kragen.

„Was glauben Sie denn eigentlich? Für wie naiv halten Sie uns? Selbstverständlich waren alle Sponsoren über die Situation informiert. Und im Gegensatz zu den meisten hier anwesenden Pressevertretern hat Gerhard Weber sofort seine Zusage gegeben und dieses Projekt sehr großzügig unterstützt. Und um es klar zu sagen, Sie können froh sein, dass Herr Weber heute nicht anwesend ist, denn dann hätten Sie diese Frage erst gar nicht stellen dürfen, weil sie vorher bereits beantwortet gewesen wäre. Vermutlich würde Gerhard Weber Sie jetzt in der Luft zerreißen für diese überflüssige Frage. Abgesehen davon haben wir auch einen weiteren Hauptsponsor, der aber ungenannt bleiben möchte.“

Als ich diesen Satz gesagt hatte, biss ich mir auf die Zunge. Das war eine Steilvorlage für unsere Gegner. Verdammt, Chris. Schalte dein Gehirn ein.

„Warum will er denn wohl seinen Namen nicht in Verbindung mit einem schwulen Tennisspieler sehen? Er zieht sich aus der Verantwortung und möchte nicht geschäftsschädigend in der Öffentlichkeit stehen.“

In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Nebenraum und ich traute meinen Augen nicht. Da kam Marc herein. Marc hatte ein Gesicht, dass mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Was würde jetzt passieren? Auch meine Jungs staunten nicht schlecht. Was hatte dieses Auftreten jetzt zu bedeuten? Auch bei den Presseleuten herrschte Unruhe. Immerhin war Marc immer noch eine Legende in der Sportszene.

Herr Bauer schien aber gewusst zu haben, dass dieser Auftritt kommen würde. Er übernahm sehr professionell die Führung.

„Ich begrüße einen weiteren Gast auf dieser Pressekonferenz. Herrn Steevens muss ich niemandem mehr vorstellen. Allerdings hat er das Bedürfnis, hier einige Dinge zu erklären. Bitte, Herr Steevens. Sie haben das Wort.“

„Danke, Herr Bauer. Bevor hier weitere Gerüchte oder sogar Falschmeldungen entstehen. Ich habe von Beginn an diese Veranstaltung verfolgt. Also ich kenne auch Ihre Unterstellungen und Vorwürfe. Der Gipfel war allerdings die Frage des Kollegen dort hinten. Ich bin jahrelang als Profisportler unterwegs gewesen und ich glaube, ich kann sagen, auch recht erfolgreich. Sie werden sich fragen, was hat das mit diesem Tennisteam zu tun? Sehr viel, aber vorab möchte ich sagen, ich habe glücklicherweise auch sehr viel Erfahrung, was den Umgang mit homosexuellen jungen Menschen betrifft. Meine ältesten Söhne sind bekanntermaßen homosexuell. Ich habe es immer gehasst, Sponsoren gegenüber die Homosexualität meiner Kinder zu verheimlichen. Nicht weil es mir peinlich war, sondern um sie vor Ihnen, der Presse, zu schützen. Heute ist aber der Moment gekommen, in dem ich mich genötigt sehe, der Presse den Kampf anzusagen. Was in Kitzbühel passiert ist, darf nicht noch einmal geschehen. Wenn wir uns alle einig wären, dass kein junger Mensch sich das aussucht, homosexuell zu sein, dann würde es auch keine unsinnigen Diskussionen mehr geben. Diese Diskussion mit Ihnen ist nämlich überflüssig, weil hier Leute sitzen, die nur die Absicht haben, schlecht über die hier sitzenden Nachwuchstalente zu berichten. Ich finde es beeindruckend, was Chris hier mit seinen Jungs auf die Beine stellt. Da beziehe ich Gerry Weber mit ein. Der hat früh erkannt, welche besonderen Talente hier sitzen. Ich habe die Arbeit in Halle kennengelernt und meine Söhne haben Freundschaft mit diesem Team geschlossen. Ihre Frage nach den Sponsoren möchte ich beantworten. Der Sponsor dieses Teams ist sehr wohl anwesend. Er steht Ihnen gerade gegenüber. Und er war auch in der Vergangenheit immer informiert. Und ich versichere Ihnen, ich schäme mich keine Sekunde dafür. Wofür ich mich schämen muss ist, dass in der Schweiz immer noch Menschen leben, die im Mittelalter stehen geblieben sind. Ich werde auch weiterhin die Arbeit dieses Teams mit Chris als verantwortlichem Coach unterstützen. Sowohl finanziell, als auch moralisch menschlich. Wenn meine Popularität nutzen kann, Homosexualität als etwas vollkommen Normales darzustellen, dann nutze ich die gerne. So, haben Sie noch Fragen? Dann stellen Sie die bitte jetzt.“

Wow, was war das denn für ein Auftritt. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber damit überhaupt nicht. Von meinen Jungs ganz zu schweigen. Fynn schaute mit großen Augen zu mir und auch Dustin brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, was Marc gerade gesagt hatte.

Eine einzige Wortmeldung gab es noch.

„Heißt das, Sie persönlich unterstützen das Team finanziell? Also kein großer Firmensponsor?“

Jetzt war es an mir, für Gerry Weber eine Lanze zu brechen.

„Also wenn ich jetzt mal dazu etwas sagen darf. Gerhard Weber ist wohl ein echtes Schwergewicht in der Modebranche und er hat von Beginn an das Talent der drei Jungs erkannt und er war auch über die Tatsache informiert, dass Fynn und Dustin ein Paar sind. Er hat sich mutig an die Front gestellt und auch bei uns in der Heimat damit viele Türen geöffnet. Marc haben wir über seinen Sohn Lucien in München kennengelernt. Und genau wie er es eben gesagt hat, kam sofort von ihm der Entschluss, sich hier zu engagieren. Es tut mir persönlich sehr gut, so eine Person im Hintergrund zu haben. Er hat keine Bedingungen an sein Engagement gestellt. Es war und ist ihm wichtig, anderen sportlichen Talenten eine unabhängige Förderung zu ermöglichen. Viele Tennisverbände haben damit nämlich noch erhebliche Probleme, homosexuelle Spieler zu fördern. Genau das haben wir hautnah im Westfälischen Tennis Verband erlebt. Gerhard Weber hat durch sein Engagement die Unabhängigkeit ermöglicht. Dafür sind wir ihm sehr dankbar.“

Es entstand noch eine gute Diskussion und sehr schnell schwenkte die Stimmung um. Ich wurde nach den Folgen des Angriffs befragt.

Als Herr Bauer die Veranstaltung schließlich beendete, musste ich erst einmal an die frische Luft.

Plötzlich sagte Marc, der sich heimlich von hinten angeschlichen hatte:

„Ach, hier hast du dich versteckt. Wie hast du das Ganze überstanden? Deine Jungs waren total geflasht von deiner Ansage.“

„Baoh, Marc. Du bist aber auch nicht übel. Als du da hereinkamst, hatte ich gedacht, was geht jetzt ab. Da sagst du vorher kein Wort und warum hast du dein Sponsoring jetzt doch öffentlich gemacht?“

„Ich habe gemerkt, dass wir gemeinsam sehr viel mehr erreichen können, wenn ich mit meiner Persönlichkeit und Bekanntheit und du mit deinem Fachwissen, offensiv das Thema abhandeln. Fynn und Dustin sind bereit, ihr Versteck zu verlassen und ihr Leben offen in die Hand zu nehmen. Ich habe es mir die letzten Tage angesehen und gespürt, dass es Zeit ist, den Funktionären mehr Druck zu machen. Von allein werden sie nichts verändern. Also müssen die betroffenen Spieler sich zusammentun und Veränderungen fordern.“

Ich war erstaunt und erleichtert zugleich.

„Das heißt also, du wirst uns weiterhin unterstützen?“

„Aber hallo! Ich werde dich mit meinen Erfahrungen mit meinen Kindern in der Öffentlichkeit unterstützen und kann dir jederzeit auch rechtliche Unterstützung geben. Durch meine finanzielle Unabhängigkeit werde ich den Funktionären gehörig auf die Füße treten können. Du bist genauso von dem Projekt überzeugt wie Gerhard Weber und auch dein Bruder. Also lasst es uns anpacken.“

„Ok, da bin ich dabei. Aber eine Frage habe ich noch. Warum hast du uns nicht vorher gesagt, was du vorhast?“

„Weil ich den Effekt nutzen wollte. Ich wollte nicht, dass du darüber nachdenkst, ob es richtig ist, meine Prominenz dafür zu nutzen. Denn du hättest es sehr wahrscheinlich überdacht.“

Da hatte er absolut recht. Ich hätte das hinterfragt, ob er nicht dafür einen sehr hohen Preis bezahlen würde.

„Was sagen deine Jungs dazu? Oder wussten sie das auch nicht?“

„Doch, Mick und Lukas hatte ich zuvor voll eingeweiht und Luc und Stef habe ich es heute Morgen mitgeteilt und mit ihnen kurz besprochen. Sie stehen voll dahinter und gerade Mick hat gesagt, mit dem Wissen und der Unterstützung von heute, wäre es bei ihm nicht so kompliziert gewesen. Das war mir eine Lehre. Diese Situation wollte ich jetzt anders bearbeiten. Viel offensiver.“

„Ich glaube, ich wäre nicht so offensiv gewesen. Vorhin hatte ich mich geärgert, als mir der Satz mit dem Großsponsor, der ungenannt bleiben wollte, herausgerutscht ist. Aber dieser Typ hat mich so aufgeregt, ich war kurz davor, richtig böse loszulegen, aber mein Bruder hat mir gesagt, dass es wichtig ist, auch in solchen Situationen die Haltung zu bewahren.“

„Ich verstehe das gut. Das kenne ich von damals mit den Sponsoren auch. Umso wichtiger war es, genau in dem Moment hinzuzukommen. Das hat den Presseleuten mächtig imponiert. Ich bin neugierig, was morgen in der Presse stehen wird.“

Mir war nicht ganz so wohl dabei. Vor allem hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt, das mit Thorsten oder gar mit meinem Bruder zu besprechen.

„Ich möchte mir das gar nicht so genau vorstellen. Ich habe weder mit Thorsten noch mit Jan schon gesprochen. Das gefällt mir überhaupt nicht.“

Marc begann zu lachen.

„Mir auch nicht und deshalb habe ich das im Vorfeld bereits getan. Thorsten hatte ich angerufen und er wollte deinen Bruder informieren. Thorsten findet das sehr gut, jetzt in die Offensive und Öffentlichkeit zu gehen. Er wird das mit deinem Bruder besprechen. Du sollst dich nur auf deine Aufgabe hier konzentrieren. Das Drumherum ist seine Aufgabe. Das soll ich dir ausrichten.“

„Meine Güte, dazu hätte ich überhaupt keine Zeit gehabt. Ich war ja schon froh, dass ich überhaupt rechtzeitig mit den Jungs hier war. Ich glaube so langsam, ich bin nicht gut genug für diesen Job.“

„Hast du ne Meise? Es gibt kaum jemanden, der so viele Dinge parallel mit seinen Spielern regelt. Auch außerhalb des Platzes. Thorsten hat sofort gesagt, dass er sich kümmern wird. Also komm runter und wir machen das gemeinsam. Ab jetzt werden wir das Zepter in die Hand nehmen. Ich habe auch ein professionelles Management zur Verfügung, wenn es nötig und sinnvoll ist. Also beruhige dich. Jetzt geht es erst richtig los.“

Luc: Ein Abend bei uns

Ein bisschen unruhig war ich doch. Papa wollte Chris in der Pressekonferenz den Rücken stärken. Allerdings kannte ich Papa so gut, dass seine Art im Vorfeld auf einen sehr spektakulären Auftritt schließen ließ. Chris war aber nicht der Typ, der diese Auftritte bevorzugte.

Mama und ich standen in der Küche und bereiteten Rindersteaks zu. Dazu sollte es Folienkartoffeln und verschiedene Beilagen geben. Stef kümmerte sich um die Vorspeise. Eine Tomatensuppe. Das war seine Spezialität.

Ich schaute zur Uhr während ich die Steaks zuschnitt. Eigentlich müsste Papa schon längst zurück sein. Er wollte den Van holen, um unsere Gäste abzuholen. Schließlich passten sie in Papas Sportwagen nicht rein.

„Mama, hast du von Papa eine Nachricht bekommen? Das wird doch viel zu eng mit der Zeit.“

„Nein, Luc. Vielleicht rufst du ihn mal an. Bestimmt hat die Pressekonferenz länger als geplant gedauert. Wir sollten auf jeden Fall mit den Steaks warten bis alle hier sind.“

Mama kannte Papas Marotten sehr gut und ich ahnte bereits, dass wir sicherlich eine Überraschung zu hören bekämen, wenn unsere Freunde bei uns sein würden.

Stef hatte seine Suppe soweit zubereitet und fragte mich: „Du Schatz, kannst du bitte mal probieren? Ich würde noch etwas Knoblauch hinein hacken. Aber ich weiß nicht, ob das für unsere Freunde richtig ist.“

„Gern. Moment, ich nehme mir einen Löffel. Mama, probierst du auch bitte.“

Wir nahmen einen Löffel von der Tomatensuppe und es schmeckte köstlich. Ich schaute Mama an und wir waren uns einig.

„Lass sie so wie sie ist. Perfekt!“, lobte Mama seine Suppe.

Stef freute sich über Mamas Bemerkung und ich sah keinen Grund das anders zu sehen. Stef legte seinen Löffel an die Seite und setzte sich für einen Moment an den kleinen Esstisch.

„Wo sind eigentlich Sascha und Marco geblieben? Ich habe gedacht, Papa wollte, dass sie heute Abend mit uns essen.“, fragte ich Mama.

„Ach, mein Sohn. Manchmal denke ich, du hast viel mehr von Marc als von mir. Du musst immer alles ganz exakt wissen und planen. Die beiden wollten noch etwas besorgen und dann herkommen. Sie werden wie vereinbart pünktlich zum Essen hier sein.“

Ich schaute meine Mutter an und wusste sofort, sie wusste mehr als sie jetzt sagen wollte. Stef schien das gleiche zu denken und reagierte.

„Komm Luc, lass uns etwas frische Luft schnappen. Der Garten wird uns Entspannung bieten.“

Mein Freund kannte mich genau. Stef wusste, wie sehr ich diese taktischen Spielchen meiner Mutter hasste. Allerdings war mir bewusst, dass sie mir nichts von dem erzählen würde, was sie Papa versprochen hatte. Also gab ich nach und verließ mit Stef die Küche in den Garten.

Vor der Magnolie blieb er stehen und legte seinen Arm um mich.

„Du machst dir schon wieder viel zu viele Gedanken. Vertraue deinen Eltern, sie wissen sicherlich ganz genau, was sie tun und warum sie dir jetzt noch nicht alles erklären.“

„Also du glaubst auch, dass Mama mehr weiß, als sie eben gesagt hat.“

Stef nickte kurz und gab mir einen Kuss. Mir fiel es schwer, ruhig zu bleiben, aber Stef hatte an dieser Stelle einen großen Vorteil. Er konnte warten. Das war für mich sehr schwierig.

Das Klingeln meines Handys störte uns in dieser intimen Situation. Am liebsten hätte ich es weggedrückt, aber ich konnte am Ton erkennen, dass es Papa war.

„Hallo Papa, was liegt an? Kommt ihr später? Und wie war die Pressekonferenz?“

„Hallo, mein Sohn. Ganz ruhig. Alles der Reihe nach. Pressekonferenz ist vorbei, aber wir haben viel länger gebraucht. Ich kann also nicht mehr nach Hause kommen und das Auto wechseln. Sagst du deiner Mama bitte, wir kommen etwas später. Unsere Gäste kommen mit dem Shuttledienst. Ich zeige ihnen den Weg und fahre vorweg.“

„Wie ist es denn nun gelaufen? Ich bin etwas unruhig. Schließlich wirst du den Journalisten nicht nur Nettes gesagt haben.“

„Haha! Das erzähle ich euch dann zu Hause. Sei aber beruhigt. Es sind alle noch lebendig und heile. Also wir brauchen noch etwas Zeit bis nach Hause.“

Manchmal könnte ich meinen Papa auch ohrfeigen. Er sah das so locker, aber für mich und die anderen Jungs war das bestimmt nicht so einfach.

„Und? Brauchen sie länger?“, fragte Stef mit einem Grinsen.

„Jop. Wir sollen Mama informieren und uns etwas gedulden. Die Truppe kommt jetzt mit dem Shuttledienst. Papa zeigt ihnen den Weg.“

Stef brach einen kleinen Ast mit einer Magnolienblüte ab, steckte sie mir ins Hemd und küsste mich.

„Dann ist ja alles gut. Lass uns deine Mutter informieren. Damit das Essen nicht Schaden nimmt.“

Als wir die Küche betraten, hatte Mama schon alles soweit fertig und sie lächelte, als wir uns an den Kühlschrank lehnten.

„Na, braucht Marc wieder etwas länger? Ich habe es doch geahnt. Wann kommen sie jetzt?“

„Die Pressekonferenz hat wohl länger gedauert. Jetzt kommen sie mit dem Fahrdienst und deshalb etwas später. Was ist mit Marco und Sascha?“

„Die müssten gleich wieder zurück sein. Gut, dann warten wir noch einen Moment.“

Es klingelte und Stef verließ die Küche, um an die Haustür zu gehen.

„Mama, warum möchtet ihr eigentlich, dass Marco und Sascha heute Abend mit uns essen. Chris hat doch mit dem Turnier genug um die Ohren.“

„Das stimmt, Luc. Aber Marc ist der Meinung, dass Chris sich ein erstes Bild von den beiden machen soll. Schließlich geht es um ein Drogenproblem, das noch sehr undurchsichtig ist. Vielleicht fällt Chris etwas auf, was wir nicht bemerkt haben. Keine Sorge, Chris soll sich nur um das Turnier kümmern. Erst, wenn sie danach bei uns ein paar Tage zum Ausspannen sind, wird ein richtiges Gespräch stattfinden.“

In diesem Moment hörte ich die Stimmen von den beiden und Stef führte sie in die Küche.

„Hi Luc. Wo sind denn die Tennisspieler?“

„Hi Marco. Die sind noch nicht hier. Sie kommen aber sicher gleich. Papa hat angerufen, dass es etwas später wird. Ihr könnt ruhig noch etwas in den Garten gehen.“

„Kommt ihr mit? Wir könnten noch etwas Frisbee spielen.“

„Nein, lasst gut sein. Wir müssen auf das Essen aufpassen.“

„Geht ruhig mit raus. Die Steaks legen wir erst auf den Grill, wenn alle hier sind.“

Leider half mir meine Mutter damit nicht wirklich. Ich hätte gern noch ein paar Minuten mit ihr geredet. Hätte sie gefragt, was sie mir verheimlicht. Egal, also machten Stef und ich uns mit den beiden Jungs auf den Weg in den Garten.

Dort waren sie sehr schnell wieder die netten und offenen Jungs. Sie hatten Freude beim Spiel mit uns. Es fiel mir schwer zu glauben, dass Marco zu Hause oft mit seinen Eltern richtig aneinander geraten war, dass er mit Schwerkriminellen zu tun hat und dass er um sein Leben fürchten muss. Ein dreizehnjähriger Junge. Das wollte mir nicht in den Kopf, obwohl ich mit Stef einen Freund habe, der ähnliches durchlitten hatte.

Stef hatte mich ständig im Blick und mein Gefühl wurde immer stärker. Es war so, als ob er meine Gedanken lesen könnte. Er fing die Frisbeescheibe und kam zu mir, legte seinen Arm um mich und küsste mich sanft. Ein tolles Gefühl durchströmte meinen Körper. Eine Gänsehaut bildete sich.

„Du sollst doch nicht immer nur an die anderen denken. Heute ist mal entspannen angesagt. Wir haben ein tolles Essen vor uns und sicher eine spannende Geschichte von der Pressekonferenz.“

„Was ist los, Stef. Warum spielen wir nicht weiter?“

Ich nahm meinem Freund die Scheibe ab und warf sie in Marcos Richtung.

„Spielt mal einen Moment allein. Wir müssen noch etwas besprechen.“

Glücklicherweise kamen keine Nachfragen und sie tobten weiter durch unseren Garten.

Bevor ich weitere negative Gedanken wälzen konnte, hörte ich das Auto von Papa in die Einfahrt biegen. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass sie fast eine Stunde zu spät waren. Das musste eine heftige Pressekonferenz gewesen sein. Ich war sehr gespannt, was sie zu berichten hatten.

„Jungs, kommt ihr bitte rein. Unsere Gäste sind angekommen. Wir wollen essen.“

Mama stand in der Terrassentür und winkte mir zu.

„Wir kommen, Mama.“

Ich holte Sascha und Marco vom Rasen und zu viert machten wir uns auf ins Haus.

Chris: Ein vorzügliches Essen entschädigt für den Stress

Unsere Fahrt von der Anlage zu den Steevens verlief zuerst sehr ruhig. Jeder von uns hatte noch mit den Geschehnissen zu tun. Erst als wir fast da waren, fragte mich Dustin:

„Wusstest du wirklich nicht, dass Marc so einen Auftritt geplant hatte?“

Ich drehte mich nach hinten zu den Jungs und schüttelte den Kopf:

„Nein, ich habe rein gar nichts gewusst und genauso blöd geschaut wie ihr. Allerdings, was dann folgte, war ganz großes Kino. Das hatte ich nicht erwartet. Immerhin hat er seine Karten komplett auf den Tisch gelegt.“

„Richtig, aber diesem einen Typen auch dermaßen die Hosen runtergezogen, das war echt geil. Der Typ war einfach nur Panne.“

Maxi war immer noch in Kampfstimmung und ich fand das ziemlich gut, wie er für seine Freunde mitgekämpft hatte.

Marc war uns vorausgefahren und unser Fahrer folgte ihm bis zur Hofeinfahrt. Dustin und Fynn waren verdächtig still. Ich war mir auch nicht zu hundert Prozent sicher, ob wir das richtig gemacht hatten. Das würde sich erst in den nächsten Tagen zeigen.

Wir nahmen unsere Taschen aus dem Wagen und bedankten uns beim Fahrdienst. Ich wurde sogar gefragt, ob wir hier noch abgeholt werden möchten. Ich verneinte das, der Fahrer verabschiedete sich und wir schauten, wo Marc geblieben war.

In diesem Augenblick öffnete sich die Haustür und Marc kam uns entgegen.

„So, kommt herein. Die Taschen lasst ihr am besten hier vorn im Flur stehen. Die brauchen wir heute ja nicht mehr.“

„Äh, ich hab da aber ein Problem.“, meldete sich Dustin.

Ich drehte mich zu ihm um.

„Naja, wir haben verschwitzte Sachen in den Taschen und für morgen müssten wir die eigentlich im Hotel waschen lassen. Von gestern sind ja auch noch die Sachen nicht gewaschen.“

Mist, da hatte ich überhaupt nicht dran gedacht.

„Ok, ich werde echt alt. Das stimmt leider. Wie gut, dass ihr erst am Nachmittag spielen müsst. Bis dahin sind die Sachen im Trockner gewesen.“

„Alles kein Problem.“, meldete sich Marc, „wir stecken eure Garnituren bei uns in die Waschmaschine und anschließend in den Trockner. Die könnt ihr frisch mit ins Hotel nehmen. Packt eure Taschen aus. Ich hole eben eine Wanne, da könnt ihr alles hereinlegen.“

Also das war wieder so typisch. Es gab ein Problem und Marc fand in kürzester Zeit eine Lösung. Nach wenigen Minuten waren alle Sachen in der Waschmaschine verschwunden.

Sabine hatte uns gebeten, in den Garten zu gehen. Von dort konnten wir einen Blick auf das Haus bekommen. Das ganze Anwesen war nicht pompös, aber sehr schön und praktisch angelegt. Klar, das war ganz sicher nicht preiswert, aber es war kein Palast oder eine kitschige Villa. Nein, ein sehr schön modern eingerichtetes Haus. Marc brachte uns eine Fassbrause nach draußen. Dieses Getränk entwickelte sich zu einem Kultgegenstand. Entsprechend lustig wurde sein Servierversuch von Fynn kommentiert.

„Ohje, immer wenn uns Chris eine Fassbrause spendiert, heißt das für uns, wir müssen entweder etwas für ihn machen oder wir müssen mehr arbeiten. Mal sehen, ob das bei Marc auch so ist.“

Die Jungs brachen in Gelächter aus und das führte dazu, dass zwei weitere Jungs aus dem Haus kamen. Ich hatte sie noch nie zuvor gesehen und war doch verwundert. Sie passten altersmäßig überhaupt nicht in die Familie. Marc hatte sie bereits gesehen und rief sie zu sich.

„Darf ich euch vorstellen? Das sind Marco und Sascha. Ich nehme an, Luc hat schon etwas von ihnen erzählt.“

Die Jungs waren eingeschüchtert und wussten nicht so recht, was das alles zu bedeuten hatte.

„Hi, ich bin Chris und der Trainer der Jungs.“

Dabei hielt ich ihnen meine Hand hin und sie griffen doch zu einer Begrüßung zu. Danach stellte ich meine Jungs vor und zum Schluss sagte ich:

„Bevor ihr euch unnötig Gedanken macht, Dustin und Fynn sind ein Paar. Wenn ihr Fragen dazu habt, stellt sie einfach. Ansonsten sollte das als normal angesehen werden.“

Marco schaute verwundert zu den beiden und dann Sascha an. Der fing an zu lächeln und sagte:

„Cool. Ihr seid die ersten Jungs, die das offen sagen. Bei uns in der Schule würde man dafür gleich verprügelt werden.“

In diesem Moment war Sabine lautstark von der Terrasse zu hören.

„Wenn die Herrschaften ihre Unterhaltung bitte im Haus fortführen mögen, das Essen ist serviert.“

Marc führte unsere Gruppe ins Haus und es duftete herrlich nach unterschiedlichsten Aromen. Wir hatten eine richtige Tafel, an der gegessen wurde.

„Sag mal Sabine, habt ihr häufig Gäste? So ein großer Tisch ist ja eher ungewöhnlich. Da ist die Größe des Hauses doch auch von Vorteil.“

„Nein Chris, eigentlich nur Freunde und Familie. Aber wenn du mal zusammenzählst, dann sind wir schon eine recht große Familie geworden. Da macht es Sinn, für diese Tage die Möglichkeit zu haben, an einem Tisch essen zu können.“

„Kommen Mick und Lukas euch auch noch regelmäßig besuchen?“, fragte Dustin.

„Natürlich. Sehr regelmäßig sogar. Sie haben hier immer noch viele Freunde, auch wenn mittlerweile einige von ihnen nicht mehr zu Hause leben. Es ist immer wieder schön, auf den Familienfeiern der Freunde zu sein. Unser Haus steht für unsere Freunde immer offen. Das ist uns sehr wichtig, gerade in der Zeit, als Marc gerade aufgehört hatte. Da war unser Haus oft Anlaufstelle für alle.“

Meine Jungs tauten so langsam auf und sie erkundigten sich nach der Situation damals, als Stef häufig aus München hier war und auch Micks Freunde bemerkten, dass er einen berühmten Vater hat. Die Zeit rannte uns einfach weg. Es war sehr interessant und auch für Marco und Sascha war es eine spannende Zeit. Sie erfuhren viel über die Familie Steevens. Ich konnte es spüren, ihr Respekt stieg, aber auch das Vertrauen. Wir hatten gerade das Eis als Nachtisch verarbeitet, als Luc fragte:

„Was ist denn nun eigentlich auf der Pressekonferenz passiert? Warum wolltest du unbedingt dort auftauchen, Papa?“

Es war zu erwarten, dass gerade Luc sich nicht damit zufrieden geben würde, nur vorab kurz informiert worden zu sein. Marc blieb gelassen, aber sehr bestimmt.

„Es wird einfach Zeit, den Funktionären zu zeigen, dass homosexuelle Spieler genauso gut Tennis spielen wie heterosexuelle Spieler. Es darf nicht sein, dass Veranstalter Angst vor schwulen Spielern haben. Die Rechten nutzen doch genau das aus. Sie nutzen die Unsicherheit der Veranstalter und die Unfähigkeit der Verbände. Würden sich alle zusammentun und an einem Strang ziehen, wäre die Möglichkeit nur noch sehr gering, solche sinnlosen Aktionen zu machen. Warum muss es erst Verletzte und vielleicht sogar Tote geben, bevor sich die Menschen Gedanken machen?“

„Aber was ich nicht ganz verstehe, warum hast du dich heute in diese Pressekonferenz eingemischt? Klar, du bist berühmt und du hast Kinder wie mich, die schwul sind. Dennoch hast du ja keine Verantwortung für das „Breakpoint-Team“. Wie hat denn die Presse deinen Auftritt aufgenommen?“

Fynn und Dustin schauten mich fragend an. Sie hatten wohl gedacht, dass Luc gewusst hatte, dass Marc sich bei uns als Sponsor engagiert. Ich musste das aufklären.

„Luc, ich muss dich aufklären. Dein Vater hat sehr wohl mit dem „Breakpoint-Team“ eine Verantwortung übernommen. Er ist einer der Hauptgeldgeber neben Gerhard Weber. Marc hat uns ein Sponsoring angeboten und seitdem ist er voll in alle Prozesse eingebunden.“

„Bitte? Wow, jetzt verstehe ich das Ganze. Na, dann kann ich mir aber auch vorstellen, dass das heute für die Pressefuzzis kein guter Tag war. So wie ich Papa kenne, hat er den Typen gehörig in den Allerwertesten getreten.“

„Allerdings, das hat er. Wir haben da gesessen und plötzlich geht die Tür auf und Marc betritt den Raum. Die Gesichter der Presseleute waren geil. Die bekamen große Augen und waren überhaupt nicht darauf vorbereitet, was dann folgen sollte. Das war schon großes Kino, wie es eigentlich sonst nur Chris kann.“

„Hey, spinnst du? So einen Auftritt habe ich noch nie gemacht. Ich versuche das immer ohne großes Ballyhoo zu machen. Allerdings muss ich zugeben, Marcs Auftritt war reif für das Kino. Echt geil.“

Sabine schüttelte ihren Kopf und nahm Marc in den Arm.

„Ehrlich, dich kann ich aber auch keine Minute allein losschicken. Sofort hast du wieder den Schalk im Nacken. Naja, aber deswegen mag ich dich auch so.“

Das führte bei Luc und Stef zu Heiterkeit und meine Jungs klatschten, als sich Marc mit einem Kuss dafür bedankte. Sascha und Marco waren irritiert über unser Verhalten. Erst nachdem Marc ihnen die ganze Geschichte erzählt hatte, verstanden sie die Zusammenhänge. Marco fragte mich dann:

„Heißt das, du bist von diesen rechten Vollidioten schwer verletzt worden? Und dennoch stellst du dich vor deine Jungs. Das ist geil. Wow. Ich versteh so langsam, warum Luc immer so von euch geschwärmt hat. Ihr seid ein Team und da ist wirklich jeder für den anderen da.“

„Genau so ist es, Marco. Darum sind wir auch sehr froh darüber, dass uns Chris begleitet. Er hat gerade mir wieder Kraft und Mut gegeben, für mein Ziel zu kämpfen. Ohne Chris und Fynn wäre für mich vieles total anders gelaufen….“

Dustin wollte mehr erzählen, aber seine Stimme wurde sehr dünn und auch Fynn spürte, dass es für seinen Freund schwierig wurde. Er legte seinen Arm um Dustin und das war mein Einsatz.

„Dustin, du musst nicht weiter erzählen. Es ist gut. Ich glaube, Marco und Sascha haben es auch so verstanden. Stef hat doch sicher auch von seiner Geschichte berichtet. Dustins Entwicklung war sehr ähnlich und auch bei Stef war eine positive Wendung möglich. Ich finde es auch gar nicht schlimm, wenn Dustin gerade von seinen Gefühlen übermannt wird. Wollt ihr kurz nach draußen gehen oder geht es, Dustin?“

Dustin nickte nur und ganz niedlich war, wie Fynn seinem Freund über den Rücken strich.

„Habt ihr eigentlich keine Angst, dass die Presse morgen über euch negativ schreiben könnte? Immerhin habt ihr ihnen ja ordentlich vor das Schienbein getreten. Papa ist nicht auf der Tour dabei, ihr müsst aber beim nächsten Turnier wieder antreten.“

Das war auch wieder eine typische Reaktion von Luc. Er dachte immer einen Schritt weiter.

Meine Truppe überraschte mich jetzt allerdings auch. Maxi sagte trocken:

„Angst war gestern. Wir sind überzeugt, dass diese Aktion bei vielen anderen Spielern ankommen wird. Die Vollidioten können wir nicht ändern, aber wir werden nicht mehr allein dastehen. Ich bin sicher, dass wir beim nächsten Turnier Reaktionen der Spieler bekommen werden. Und zwar Positive. Marc hat uns geholfen, den Funktionären die Augen zu öffnen und seine Popularität genutzt, uns Gehör zu verschaffen. Jetzt müssen wir nur noch durch die Tür gehen, die er uns aufgemacht hat.“

„Du solltest Werbestratege werden. Wo hast du denn das auswendig gelernt? Was lässt dich so sicher sein, dass nicht Jan oder Thorsten total sauer sein werden, weil wir sie nicht eingeweiht haben. Gerade Jan wird bestimmt nicht begeistert sein.“

„Du bist ein Pessimist, Fynn.“

„Nein, das bin ich nicht, aber ich weiß auch, dass Jan solche Alleingänge nicht sonderlich mag. Gerade wenn es um die Außendarstellung des „Breakpoint-Teams“ geht. Da erwartet er einen positiven Auftritt.“

Ich konnte Fynns Bedenken nachvollziehen. So ganz wohl war mir auch nicht bei dieser Aktion. Es ging ja alles rasend schnell, so dass ich nicht einmal persönlich mit Thorsten habe darüber sprechen können. Von meinem Bruder ganz zu schweigen. Wie Jans Reaktion sein würde, konnte ich überhaupt nicht einschätzen. Aber ich hatte auch wirklich keine große Wahl, es anders zu machen. Da würde wohl noch ein längeres Gespräch anstehen. Bevor ich Fynn und Maxi etwas erwidern konnte, meldete sich Marc zu Wort:

„Das stimmt im Normalfall sicher. Und es ist ebenso wichtig, dass niemand ein Statement abgibt, welches kritisch sein könnte, ohne dies mit der Teamleitung vorher abgesprochen zu haben. Hier ist das jedoch etwas anders. Thorsten hatte klar signalisiert, dass er sich darum kümmert. Jan wird sich ganz bestimmt noch melden. Keine Sorge.“

„Dass er sich melden wird, davon kannst du ausgehen. Die Frage ist nur, wie er sich melden wird.“

Warten wir mal ab, dachte ich bei mir. Heute macht es wenig Sinn, ihn anzurufen. Ich hatte vorhin aber noch eine kurze Email an ihn geschrieben. Jetzt war abwarten angesagt, was passieren wird.

Marco und Sascha hörten erstaunlich aufmerksam zu und blieben die ganze Zeit bei uns am Tisch sitzen. Marc wechselte das Thema. Ob er von sich ablenken wollte oder lieber mir einige Fragen zu meinem alten Job stellen wollte, war nicht genau zu erkennen. Jedenfalls hatte er mich nach Erfahrungen in den Schulen gefragt. Eine etwas eigenwillige Art, das Thema zu wechseln. Ich wurde aufmerksamer, weil ich bei Marc eine Strategie vermutete.

„Bereust du mittlerweile deinen Wechsel im Beruf? Immerhin hast du gerade einen tätlichen Angriff überstanden.“

„Nein, auf keinen Fall. Angriffe gab es auch in meinem Beruf als Suchttherapeut. Vielleicht nicht mit einer Waffe, aber ungefährlich war das auch nicht. Gerade bei Drogenkonsumenten oder Drogendealern.“

Meine Jungs reagierten auffällig unruhig. Gerade Dustin wollte es genauer wissen.

„Heißt das, du bist auch früher schon einmal angegriffen worden? Was ist da passiert?“

„Eigentlich nichts Besonderes. Ein zugedröhnter Junge hat es nicht gut gefunden, dass ich ihm sein Dope weggenommen habe. Da ist er aggressiv geworden. Ich habe einfach gar nicht reagiert und bin ihm aus dem Weg gegangen. Als er wieder nüchtern war, hat er sich sogar entschuldigt. Heute haben wir immer noch Kontakt. Schlimmer waren immer Eltern mit einem Suchtproblem. Da gab es schon häufiger Gewalt, auch gegen die eigenen Kinder. Das macht mich heute noch wütend, sollte ich davon etwas mitbekommen.“

„Was könnte man denn dagegen tun? Es heißt doch dann oft, die sind unzurechnungsfähig und dann passiert eh nichts. Oder sie reden sich heraus und uns glaubt doch eh keiner.“

Marco schien verbittert zu sein und Erfahrungen in dieser Richtung zu haben. Jetzt musste ich aufpassen mit meinen Bemerkungen. Eigentlich wäre es mir lieber gewesen, das Thema zu wechseln. Ich wollte kein Fass aufmachen und mich anschließend verabschieden, weil wir morgen wieder beim Turnier waren. Mein Blick ging zu Marc und er hatte sofort verstanden, was mir durch den Kopf ging.

„Was haltet ihr eigentlich von einer Partie Billard? Ich finde, wir sollten heute keine schwierigen Themen mehr anfassen. Heute soll uns noch etwas Spaß den Abend versüßen.“

„Ihr habt einen echten Billardtisch?“, fragte Fynn erstaunt.

„Nein, keinen echten Billardtisch, aber einen Snookertisch.“, grinste Luc.

Das war doch mal eine Überraschung. So wurde der Abend sehr unterhaltsam. Sascha und Marco trauten sich leider gar nicht an den großen Tisch und sie schauten uns nur aus der Sitzgruppe im Keller zu. Das wollte ich ändern. Es hatte den Anschein, dass sie Angst hatten den Tisch zu beschädigen. Immer, wenn Luc oder Stef ihnen einen Queue in die Hand geben wollte, lehnten sie ab.

Nach dem dritten Match wollte ich das ändern.

„So, nachdem unsere beiden Youngster sich immer wieder vor dem Tisch gedrückt haben, werde ich die Regeln ändern. Wir machen jetzt etwas vereinfachte Regeln. Wir spielen nur mit fünf roten Bällen und wir bilden neue Teams. Luc und Stef müssen auseinander, meine Jungs auch. Ich schlage vor, ich spiele mit Sascha und Dustin. Marc mit Stef und Fynn und Luc mit Maxi und Marco.“

„Oh nein, dann hast du schon verloren. Ich habe noch nie an so einem großen Tisch gespielt.“, stöhnte Sascha.

„Na, das macht doch gar nichts. Irgendwann muss man ja mal anfangen. Also los. Hier ist der Queue und los geht es. Keine Angst, wir helfen dir.“

Jetzt konnten oder wollten sie sich nicht länger dagegen wehren. Sehr vorsichtig nahm Sascha den Queue und versuchte den weißen Ball anzustoßen. Er rutschte ab und die Kugel rollte wenige Zentimeter nach vorn. Sascha lief rot an und wollte direkt vom Tisch gehen. Maxi hingegen ging zu ihm, zeigte ihm die Haltung und half ihm, den Ball erneut anzustoßen. Jetzt klappte es viel besser.

„Na, geht doch.“, unterstützte Luc.

Ein leichtes Lächeln tauchte auf Saschas Gesicht auf. Das Spiel entwickelte sich schnell und die beiden Jüngsten wurden immer sicherer. Der Abend wurde noch sehr lustig und ich konnte komplett abschalten. Marc und Luc übernahmen einfach die Regie und erst als Sabine in den Raum kam, wurde es wieder ruhiger.

„Habt ihr mal auf die Uhr geschaut? Sascha und Marco sollten eigentlich schon längst im Bett sein. Schließlich können die beiden morgen nicht ausschlafen. Sie müssen in die Schule.“

Oh je, ich hatte überhaupt nicht auf die Uhr geschaut, geschweige denn an Schule gedacht.

„Verdammt, da hätte ich auch mal dran denken können. Wie gut, dass wenigstens einer aufpasst. Wissen denn eure Eltern, dass ihr bei den Steevens seid?“, fragte ich die beiden.

Die beiden nickten und Marc pfiff mich umgehend zurück.

„Also damit das klar ist, du hast überhaupt nicht daran zu denken. Wenn das jemand zu tun hat, dann ich. Also beruhige dich und ich rufe bei ihren Eltern an. Die beiden bleiben heute Nacht hier und ich bringe sie morgen zur Schule. Also kein Ding, um sich zu stressen, Chris.“

„Ich bin genauso verantwortlich für…“

Sabine legte mir ihre Hand auf die Schulter und schüttelte ganz langsam, mit einem Lächeln im Gesicht, ihren Kopf.

„Lass es einfach mal sein. Du bist Gast und Gäste haben nicht zu arbeiten, wenn sie nicht im Dienst sind.“

Ich musste einsehen, dass ich besser das tat, was die Steevens wollten. Marc hatte innerhalb weniger Minuten mit Lucs und Stefs Hilfe eine Übernachtungsmöglichkeit vorbereitet und mit den Eltern telefoniert. Als er sein Handy einsteckte kam er zu mir.

„Sorry Chris, ich wollte dich nicht angreifen. Aber hier ist mein Revier und du hast einfach mal Pause. Ich weiß, wie ernst du deine Aufgaben nimmst. Dennoch musst du auch mal ausspannen. Morgen hast du wieder einen stressigen Tag und du bist hier unser Gast. Also lass dich verwöhnen und du bist morgen auf dem Platz wieder der Chef. Hier sind Sabine und ich die Chefs.“

Ich schaute ihn ziemlich ratlos und verdattert an. Luc kam zu uns und mischte sich ein.

„Papa hat recht. Du musst nicht ständig in Alarmbereitschaft sein und dich für alles verantwortlich fühlen. Was Tennis betrifft, mischt sich von uns auch niemand in deine Entscheidungen ein, also vertrau uns hier und es wird für alle entspannter sein. Du brauchst deine Kraft morgen noch.“

Ich zuckte mit den Schultern und fühlte mich gerade nicht gut. Ein wenig deplatziert, und so wählte ich den Weg nach oben in den Garten. Ich brauchte frische Luft zum Runterkommen. Ein paar tiefe Luftzüge und ich spürte, wie sich meine Lunge mit frischer Luft füllte. Leider fühlte ich auch wieder das Kribbeln in meinen Händen. Insbesondere in der rechten Hand. Ein leichter Schwindel kam hinzu. Ich versuchte, mich zu konzentrieren und schnell hatte ich wieder alles unter Kontrolle. Dennoch war ich beunruhigt. Vielleicht sollte ich doch einmal mit Heikki darüber sprechen.

Bevor ich weiter nachdenken konnte, kam Sabine von hinten zu mir und stellte sich neben mich.

„Wie geht es dir? Du bist eben wortlos gegangen. Das irritiert mich. Was geht dir wirklich durch den Kopf?“

„Es ist komisch. Ich kann es dir im Moment nicht sagen. Ich fühle mich verwirrt. Seit diesem Vorfall in Kitzbühel schlafe ich schlecht, bin leicht gereizt und versuche dennoch, meinen Job normal weiter zu machen, ohne dass meine Jungs meine Probleme bemerken. Sie sollen sich auf das Tennis konzentrieren können. Gerade bei Dustin weiß ich, dass er sich Gedanken und Sorgen um mich macht. Soll er aber nicht. Ich muss für sie da sein und nicht umgekehrt.“

Sabine hörte sehr aufmerksam zu, unterbrach mich nicht, aber nach meinem letzten Satz sprach sie sehr ruhig:

„Du verlangst zu viel von dir und deiner Seele. Warum machst du deinen Freunden etwas vor? Ich glaube, dass du mehr erreichst, wenn du ehrlich zu dir und zu deinen Freunden bist. Jeder kann sich vorstellen, dass es schwer für dich ist, wieder in den Alltag zurückzufinden. Gönne dir mehr Pausen und mehr Zeit für dich. So wirst du sehr bald ausgebrannt sein.“

„Ja, ich weiß. Das hatte ich alles schon und will das auch vermeiden. Aber ich bin mit den Jungs unterwegs und für sie verantwortlich. Mein Bruder erwartet von mir, dass ich seine Philosophie umsetze. Ich kann nicht einfach sagen, ich nehme mir mehr Zeit für mich. Oder besser gesagt, ich weiß nicht, wie ich das machen sollte?“

Sabine lächelte und sie legte mir ihre Hand auf die Schulter. Es war erstaunlich welche Ruhe und Gelassenheit sie ausstrahlen konnte.

„Du solltest gar nichts an dir ändern. Ändere die Situation und den Umgang mit dir selbst. Deine Jungs haben ganz sicher Verständnis für deine Situation. Gerade Dustin kann dich extrem gut verstehen und fragt sich bereits, wie du das so cool aushältst. Sei ehrlich und hör auf, dich selbst zu belügen.“

Ihre Worte berührten mich, aber nicht negativ. Es war einfach richtig. Ich schwieg und sie lächelte, bevor sie wieder ins Haus ging, sagte sie noch:

„Wenn du dich etwas beruhigt hast, komm bitte wieder ins Haus. Die anderen warten auf dich und lass uns den Abend ruhig ausklingen. Deine Jungs wollen ins Bett, aber nicht so. Sie wollen wissen, wie es ihrem Trainer und Freund geht.“

Ich schaute sie an und wusste, sie hatte ganz genau meinen wunden Punkt getroffen. Ich musste mir eingestehen, dass ich nicht so stark bin, wie ich vorgab. Der Angriff nagte in mir.

„Warte“, sagte ich, „ich komme mit dir und danke für deine Worte. Luc hat recht. Er hat eine tolle Mutter.“

Sabine fing richtig an zu lachen und dann gingen wir gemeinsam ins Haus zurück.

Marc: Chris ist am Limit

Ich wusste genau, wie sehr es Chris treffen würde, als ich ihm klar gesagt hatte, dass er sich hier einfach raushalten sollte. Allerdings sah ich keine andere Möglichkeit. Er fühlte sich immer und überall verantwortlich. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Dustin und Fynn hatten mich über Luc informieren lassen, dass sie sich Sorgen machten. Ihre Sorge war berechtigt und das wollte ich ändern. Chris brauchte mehr Abstand und mehr Freiräume für sich. Meine Idee war es nun, ihn nach dem Turnier komplett herauszunehmen und ein paar Tage hier entspannen zu lassen. Nur Spaß haben und nicht an Tennis denken.

Ich ärgerte mich über mich selbst. Das Gespräch mit Sascha und Marco war zu viel gewesen. Ich hätte es besser wissen müssen, dass sich Chris sofort einbringen würde. Luc hatte wohl doch zurecht gewarnt. Wie gut, dass Sascha und Marco schon im Gästezimmer waren als Chris zurückkam.

Sabine war dem geflüchteten Chris hinterher gegangen. Luc und Stef waren angefressen. Das konnte ich an ihren Augen erkennen, während Dustin, Fynn und Maxi recht besorgt waren.

Bevor ich etwas erklären konnte, kam Sabine mit Chris zurück. Luc war richtig sauer auf mich.

„Papa, was habe ich dir gesagt? Lass es einfach sein. Chris hat genug mit dem Turnier um die Ohren. Er soll sich nur um seine Leute kümmern. Sascha und Marco laufen nicht weg. Darüber können wir doch nach dem Turnier sprechen.“

Ich musste meinem Sohn zustimmen. Chris schien sich etwas erholt zu haben, denn er hatte ein breites Lachen im Gesicht, als er mit Sabine den Raum betrat.

„Sorry Chris, es war überhaupt nicht meine Absicht dich anzugreifen. Ich wollte dir nur Freiraum verschaffen. Hast du dich wieder beruhigt?“

„Es geht so. Aber vielleicht sollte ich doch mehr auf mich achten und nicht ständig im ´Helfermodus` sein.“

„Vielleicht, aber ich verstehe dich sehr gut. Ich habe in meiner aktiven Zeit als Rennfahrer auch nur das nächste Rennen im Sinn gehabt und erst viel später lernen können und lernen müssen, dass es auch etwas neben dem Leistungssport gibt.“

Wir schauten uns an und da wusste ich, dass Chris meine Worte verstanden hatte. Er fing an zu lächeln und erwiderte:

„Wie lange hast du gebraucht, es zu lernen?“

„Lange, ich lerne immer noch.“

Er nickte und sagte: „Gut, dann kann ich ja noch Hoffnung haben, es auch irgendwann zu lernen.“

„Gut gesagt, Chris.“

Die drei Jungs standen hinter ihm und es war ein tolles Bild. Wie ein Team standen sie beisammen und Maxi setzte noch einen oben drauf:

„Wir wissen, was wir mit dir gewonnen haben und wir werden auf dich aufpassen. Schließlich brauchen wir dich noch. Der erste Sieg auf der ATP-Challenger-Tour ist bald möglich und das wollen wir mit dir erleben und feiern. Also werden wir auch dafür sorgen, dass du genug Erholung bekommen wirst.“

Wir begannen zu lachen und der Abend nahm ein entspanntes Ende. Chris seine Jungs gingen vor uns zu Bett. Chris machte einen erschöpften Eindruck, wollte aber noch nicht ins Bett gehen. Obwohl es bereits Mitternacht war, hatte ich die Idee, dass wir uns noch ein wenig auf die Terrasse setzen sollten. Sabine machte einen ihrer berühmten Kräutertees und brachte noch etwas Süßes dazu.

Der Sternenhimmel war klar und deutlich, als sich Sabine mit dem Tablett zu uns setzte.

„So, die Herren. Hier habt ihr die passenden Betthupferl. Lasst uns den Tag entspannt ausklingen.“

„Danke, Sabine. Genau das habe ich jetzt noch gebraucht. Eine schöne Tasse frischen Kräutertee. Mischst du den Tee eigentlich selbst oder hast du einen guten Lieferanten?“

Chris entspannte sich erkennbar, seit die Jungs im Bett waren. Als ob eine große Last von ihm fiel. Diese Beobachtung musste ich abspeichern. Wenn das für ihn eine Befreiung wäre, sollte ich für mehr Ablenkung sorgen, ohne Verantwortung für die Jungs haben zu müssen.

Chris lehnte sich in den Stuhl zurück und atmete tief aus.

„Ihr habt es wirklich schön hier. Ein tolles Haus mit einem wundervollen Garten. Sehr vielseitig und dennoch praktisch. Kein reiner Ziergarten. Das gefällt mir gut.“

Ob er wusste, dass er bei Sabine damit genau ins Schwarze traf. Vermutlich nicht, dennoch ließ es sich Sabine nicht nehmen mit einem Lächeln zu antworten:

„Das freut mich sehr. Ich habe viel Wert darauf gelegt, dass unsere Jungs hier auch herumtoben konnten, gerade als Luc noch jünger war. Nach seiner Krankheit brauchte er viel Schutz, aber auch Forderung von mir. Als er Marc dann traf, war das wie eine Wiedergeburt. Sowohl für mich, als auch für Luc. Luc liebt diese Magnolie. Das ist die einzige Pflanze, die wir aus unserem alten Haus mitnehmen mussten. Darauf hatte er bestanden.“

„Ja, Marc hat mir diese Geschichte erzählt. Ich finde das ganz großartig. Als wir ankamen, hatte Luc wieder eine Blüte an seinem Hemd. Ich vermute, dass sie ihm Stef angesteckt hatte.“

Chris hatte unbewusst für Sabine etwas ganz wichtiges gesagt. Er schaute sehr genau hin und teilte sich mit. Sabine freute sich über diese Kleinigkeiten. Ich wollte dazu aber etwas erklären.

„Das war sicherlich so. Die beiden haben eine ganz besondere Verbindung. Stef hast du am Anfang nicht gekannt. Er war so zerbrechlich und hatte ganz furchtbare Dinge erlebt. Luc hatte auch seine Schicksalsschläge zu tragen, war aber wieder auf der Sonnenseite, als sie sich das erste Mal in München trafen. Als es sich abzeichnete, dass auch Luc homosexuell ist, war diese Freundschaft für beide überlebenswichtig. Diese Beziehung ist für mich als Vater immer wieder lehrreich. Mick und Lukas leben mittlerweile ihr eigenes Leben und brauchen nicht mehr viel Unterstützung. Luc hingegen wird es ganz schwer fallen, von hier wegzugehen. Er hat eine andere Bindung zu seiner Mutter und seiner Heimat.“

Chris hörte aufmerksam zu und nickte. Sabine reagierte mit Verwunderung.

„Das ich das von dir noch zu hören bekomme. Ich habe wirklich gedacht, dass ginge an dir vorbei. Warum hast du ihm noch nie gezeigt, dass du das akzeptierst, dass er nicht gerne weggehen will. Seine mögliche Ausbildung in München fällt ihm gar nicht so leicht. Ich hatte gehofft, du würdest es ihm leichter machen können.“

„Ja, das mag sein, dass ich nicht so viel mit Luc darüber gesprochen habe. Ich wollte es nicht. Ganz bewusst. Luc macht sich viele Gedanken über seine Zukunft und ist schon sehr weit für einen erst fast achtzehnjährigen Jungen. Er soll es allein entscheiden können. Ich denke, er weiß, dass er jederzeit zu mir kommen kann und sich mit mir beraten kann.“

„Aber bist du dir sicher, ob Luc das auch tut? Ich glaube, dass der Druck momentan sehr groß ist, den er sich macht. Manchmal glaube ich, er würde sich mehr von dir wünschen. Warum er es dir nicht sagt, kann ich nicht beurteilen. Ich kenne ihn zu wenig im Detail. Aber manchmal glaube ich, ist sein Stressfaktor sehr hoch. Er hat viele Dinge, die ich bei mir auch finde. Er neigt zum Perfektionisten. Das ist nicht immer einfach, gerade wenn man einen so berühmten Vater hat.“

Hm, darüber hatte ich zwar schon oft nachgedacht, aber bislang noch nicht oft darüber gesprochen. Chris beobachtete seine Umwelt wirklich sehr genau.

„Kannst du deine Gedanken etwas genauer ausdrücken? Was meinst du mit, er wünscht sich manchmal mehr von mir?“

„Er will, so lange es geht, dich als berühmte Persönlichkeit herauszuhalten. Ständig versucht er, sich als Lucien Maergener eine eigene Lebenslinie aufzubauen. Nur wenn es nicht anders geht, kommst du ins Spiel. Einerseits sicher sehr bemerkens- und anerkennenswert, nicht den einfachen Weg gehen zu wollen, aber manchmal auch zum Scheitern verurteilt, weil er dich als normalen Vater nicht nutzen kann. Du bist eben kein normaler Vater. Auch wenn du dich noch so sehr für Normalität einsetzt und bemühst. Du wirst immer der berühmte Marc Steevens bleiben. Das ist ganz sicher nicht einfach für Luc.“

Ich schaute meine Frau an und ihr Gesicht war für mich aussagekräftiger als jedes Wort. Sie unterstützte jedes Wort von Chris. Mir tat es weh, denn ich war immer bemüht, für Luc ein normaler Vater zu sein. Klar, es wäre naiv zu glauben, dass ich das auch tatsächlich sein würde. Dennoch tat es mir weh, so deutlich gesagt zu bekommen, dass meine Berühmtheit für Luc eher Last, als Erleichterung ist.

„Was soll ich machen? Ich kann meine Vergangenheit nicht einfach löschen. Es sind doch auch die Medien, die mich dazu machen, was ich bin. Ich habe mich immer bemüht, für meine Kinder ein guter Vater zu sein. Sicher war ich das nicht immer. Gerade mit Mick und Lukas habe ich viele Fehler gemacht. Ich würde mir einfach nur wünschen, Luc würde mir sagen, wenn er mich braucht.“

„Das tut er bereits, du hörst nur nicht richtig zu. Er sagt es eben nicht so direkt. Aber gerade was seine Entscheidung für seine Ausbildung betrifft, möchte er mehr Dialog mit dir. Er wird dich aber nicht direkt fragen. Das ist nicht seine Art. Es verletzt seinen Stolz, selbständig zu werden und Verantwortung für sich zu tragen. Außerdem weiß er ganz genau, dass du viele Dinge regeln könntest, weil du so berühmt bist. Die Leute sind von dir beeindruckt, aber Luc möchte, dass die Leute von ihm und seiner Persönlichkeit beeindruckt sein sollen.“

Chris brachte seine Beobachtungen auf den Punkt. Seine Sicht war klar und deutlich formuliert und ich musste zugeben, dass vieles genau so war. Ich hatte nur oft die Augen geschlossen und gehofft, dass mir Luc das sagen könnte.

„Hm, eigentlich wollte ich ja mit dir über ein ganz anderes Thema sprechen, aber ich finde es gut, dass du mir so klar deine Beobachtungen mitteilst. Auch wenn es sich jetzt vielleicht wie ein Ablenken von mir anhört, ich würde gern wissen, wie geht es dir ? Du versuchst auch ständig, von dir abzulenken und dich immer nur um die anderen zu kümmern. Um dich selbst kümmerst du dich jedenfalls zu wenig.“

Seine Antwort verblüffte mich vollkommen.

„Das ist doch das Problem meines Berufes. Ich habe die Aufgabe, mich zuerst um die anderen zu kümmern. Da bleibt wenig Zeit, sich um sich selbst zu kümmern.“

„Das ist aber doch ganz wichtig, sonst wirst du sehr schnell ausgebrannt sein oder noch schlimmer, krank werden. Du musst mehr auf dich achten. Deine Jungs hatten das vorhin schon gut erkannt. Sie brauchen dich noch und werden auf dich aufpassen. Sie sollen dich auch mal ausbremsen.“

Chris: ein besonderer Tag für alle

Das Gespräch am Abend ohne die Jungs hatte mir gut getan. Insbesondere Sabine konnte mir neue Kraft geben. Sie hatte eine ganz eigene Sicht auf die Dinge und es half mir, mich neu auszurichten.

Heute war ein neuer Tag und ich hatte lange überlegt, ob ich meine Jungs schon am frühen Morgen zum Training hole. Meine Entscheidung, sie doch erst um elf trainieren zu lassen, begründete ich mit der späten Spielansetzung.

Allerdings war Marc bereits von vornherein davon ausgegangen, denn er hatte mit mir einen besonderen Termin bei Heikki vereinbart. Ohne die Jungs und ohne Zeitdruck. Heikki hatte sich viel Zeit genommen, um mich in Ruhe zu behandeln. Mit einer Massage und anderen kleinen Tricks.

Auch wenn es hin und wieder unangenehm zwickte und zwackte, als ich aus dem Behandlungszimmer kam, fühlte ich mich großartig. Marc grinste und fragte:

„Na, hat sich Heikki wieder mal selbst übertroffen? Du schwebst ja förmlich.“

„Stimmt, ich finde es unglaublich, wie er das macht. Ehrlich jetzt. Es tut zwar manchmal unangenehm weh, aber wenn du aus dem Raum gehst, fühlt sich der Körper toll an. Jetzt kann ein weiterer Tag mit den Jungs kommen.“

„Das ist doch wunderbar. Wann will er dir die Fäden ziehen? Hat er was gesagt?“

„Ja, morgen sollte das schon möglich sein. Die Wunde sieht trocken und gut aus. Ich kann die Schulter schon wieder fast frei bewegen. Zuhause hätte das vermutlich Wochen gedauert.“

„Das glaube ich nicht. Eure Physiotherapeuten sind auch sehr gut. Du wärest wahrscheinlich nur nicht so oft hingegangen wie hier.“

„Das stimmt wohl. Ich habe es mir einfach nicht vorstellen können, dass es Heikki so schnell gelingen würde.“

„Gut, dann hoffe ich für die Zukunft, dass du mehr für dich tun wirst und es dir häufiger gut gehen lassen wirst. Und um dir gleich jeglichen Wind aus den Segeln zu nehmen, ich habe Thorsten gesagt, er soll für dich zweimal die Woche einen Termin beim Physio machen. Kolja soll dich regelmäßig bearbeiten.“

„Ich sollte dich als Manager einstellen. Kann ich eigentlich noch irgendwelche Entscheidungen selbst treffen?“

Wir schauten uns an und mussten lachen. Marc wusste mittlerweile genau, wo ich meine Schwachstellen hatte.

„Ok, du hast es begriffen. Denk einfach mehr an dich. So, wir sollten uns jetzt aber auf den Weg zur Anlage machen. Sabine hat heute den Fahrdienst übernommen. Sie wird jetzt die Jungs hinfahren und anschließend Stef und Luc aus der Schule abholen.“

„Ok, das hört sich gut an. Danke, dass ihr mich so unterstützt. Die ersten Tage nach dem Angriff waren echt nicht so einfach für mich. Ich habe sogar darüber nachgedacht, nach Hause zu fahren. Ich schlafe momentan nicht sonderlich gut.“

„Das kann ich mir gut vorstellen. Deshalb ist es so wichtig, dass du dir helfen lässt. Es wird noch etwas Zeit brauchen, bis alles wieder normal läuft. Hat sich dein Bruder eigentlich schon gemeldet?“

„Nein, aber das habe ich auch nicht erwartet. Er ist unterwegs mit Gilles.“

„Das ist doch kein Argument. Du bist auch unterwegs und hast dich mit Thorsten verständigt.“

„Das ist ja auch der normale Weg. Alle Informationen gehen über Thorsten. Vielleicht meldet Jan sich noch, sonst wird das sicher besprochen, wenn ich wieder in Halle bin.“

Marc war nicht erfreut über diese Situation. Aber er sagte nichts weiter dazu. Wir gingen zum Auto und wollten zur Anlage aufbrechen, als er fragte:

„Kannst du mich bitte in meiner Werkstatt absetzen? Ich habe dort noch etwas für Luc vorzubereiten. Ich bin aber zum Spielbeginn pünktlich auf der Anlage. Er soll noch eine Besonderheit für seinen Camaro bekommen. Das kann ich aber nur ungestört machen, wenn er mit euch beschäftigt ist.“

Ich schaute ihn fragend an. Immerhin stand dort ein Ferrari 488 Spyder, den ich noch nie gefahren war. Abgesehen vom Wert des Autos und meiner angeschlagenen Schulter.

„Klar kann ich dich dort absetzen, aber soll ich dann allein mit deinem Auto fahren?“

„Genau, ich bin sicher, dass du damit keine Probleme hast. Fynn hat mir erzählt, dass du früher auch Rallys gefahren bist. Also weißt du auch, wie man damit umgeht. Steig ein, ich erkläre dir auf der Fahrt in unsere Werkstatt, wie das mit dem Ferrari geht.“

Die Fahrt war ein Erlebnis. Ich hatte noch nicht oft die Gelegenheit, in einem Supersportwagen zu fahren. Jans Wiesmann durfte ich schon häufiger bewegen, aber ein Ferrari war doch etwas ganz Besonderes. Und erstaunlicherweise verursachte meine Schulter überhaupt keine Schmerzen mehr.

„Wie kommst du nachher zur Anlage? Und wie kommt der Ferrari wieder zu dir nach Hause? Wir werden ja wieder ins Hotel fahren.“

„Ich komme mit der Cobra oder Lucs Camaro. Die stehen beide in der Werkstatt. Der Ferrari wird erst wieder zu mir kommen, wenn das Turnier beendet ist. Du sollst den behalten, damit du morgens zu Heikki kommst. Deine Jungs fahren mit dem Shuttledienst. Ich muss ja nicht ständig dein Begleiter sein. Du kennst jetzt den Weg zu ihm und außerdem hast du ein Navi im Auto.“

„Äh ok, aber du bist dir ganz sicher, dass das so in Ordnung ist? Immerhin ist das ja kein kleiner Betrag, den du mir da anvertraust.“

„Kein Problem. Ich vertraue dir. Also los, du fährst.“

Ich stieg mit leichtem Herzklopfen auf der Fahrerseite ein und orientierte mich. Da ich viel über die Technik dieser Boliden wusste, konnte ich recht schnell die nötigen Bedienungselemente finden und den Motor starten. Sofort ging mein Puls ein wenig nach oben, denn die Geräuschkulisse war gigantisch. Ich zog an der rechten Schaltwippe und rollte los.

Nach den ersten Metern der Eingewöhnung stellte ich fest, dass diese Rakete recht einfach zu fahren war. Zumindest, solange ich nicht schnell fahren würde.

Marc gab mir immer wieder kleine Hinweise und ich bekam so überhaupt nicht mit, dass wir schnell an seiner Werkstatt angekommen waren. Marc stieg aus und sagte zum Abschied:

„Fahr zurück zur Anlage. Deine Jungs brauchen dich vor Ort. Ich zeige euch die Werkstatt in Ruhe nach dem Turnier.“

Ich nickte und er schloss die Tür von außen. Ich legte erneut den ersten Gang ein und folgte dem Navigationssystem. Schließlich war ich noch nie in Genf mit einem Auto unterwegs, geschweige denn mit einem Ferrari. Entsprechend vorsichtig war ich mit diesem Kunstwerk.

Ich bog in die Straße der Tennisanlage und wollte auf den Parkplatz fahren. Dort stand aber ein Securitymitarbeiter, der mir sagte, dass hier nur Spieler und deren Trainer Zutritt hätten. Ich lächelte und zeigte ihm meinen Coaching-Ausweis. Danach durfte ich dort parken. Wir waren auf einem Challenger-Turnier. Dort waren derartige Autos eher selten anzutreffen.

Ich dachte nur, hoffentlich wird niemand den Ferrari beschädigen. Das wäre unangenehm und peinlich.

Ich betrat die Anlage und komischerweise hatte ich heute das Gefühl, unter besonderer Beobachtung zu stehen. Ich fühlte mich von vielen Augen beobachtet. Allerdings war das vermutlich eine subjektive Fehlwahrnehmung.

Meinen Blick ließ ich über die Plätze schweifen und fand meine Jungs fleißig auf einem Platz beim Training. Das freute mich, denn ich hatte schon ein wenig befürchtet, dass sie nach dem gestrigen Tag und Abend heute ein bisschen durchhängen würden. Dem war nicht so und sie empfingen mich sehr aufgekratzt und euphorisch mit einem lauten:

„Hallo Chris. Wie bist du heute drauf? Wir sind jedenfalls bestens motiviert und gut drauf.“

Maxi sprudelte vor Energie. Das verwirrte mich etwas. Aber es sollte mir sehr recht sein. Ich betrat den Platz und beobachtete das Treiben der Jungs. Ich hatte keinen Grund einzugreifen. Sie spulten ihr Programm vor einem Match souverän ab und trotzdem kamen immer wieder kleine Späße zum Vorschein. Nach einer Dreiviertelstunde unterbrach ich ihre Arbeit.

„Ok, Jungs. Einmal hier zusammenkommen, bitte.“

Mit einer gewissen Spannung und Neugier stellten sich die drei vor mir auf. Dustin schaute sehr aufmerksam auf meine Schulter und stellte fragend fest:

„Du hast ja gar keinen Verband mehr um die Schulter! Ist die Wunde so schnell verheilt?“

Ich musste lachen. Damit hatte ich nicht gerechnet, dass meine Jungs auf diese Kleinigkeit achten würden.

„Ja, das stimmt. Heikki hat ihn heute abgenommen und nicht wieder erneuert. Er war sehr zufrieden und wahrscheinlich können morgen sogar schon die Fäden gezogen werden.“

Das freute mein Team und ich bekam eine freundliche Umarmung von allen drei Jungs. Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich bedankte mich und musste jetzt aber doch noch auf die kommenden Matches eingehen. Schließlich stand heute noch ein kompletter Turniertag auf dem Programm.

Ich gab die letzten Informationen über die Gegner heraus und nachdem ich geendet hatte, fragte ich:

„Gibt es von euch noch Fragen?“

„Fragen zum Gegner nicht, aber eine Frage habe ich schon noch.“

„Ja, Fynn. Was liegt an?“

„Hast du schon mal in die Zeitung geschaut und die Internetseite des WTV besucht?“

„Äh, nein. Also die WTV Seite ganz bestimmt nicht und für die Zeitung hatte ich noch keine Zeit, warum?“

Fynn ging zu seiner Tasche und holte doch tatsächlich eine Tageszeitung heraus. Er faltete sie mit einem Grinsen im Gesicht auseinander und reichte sie mir.

„Hier, lies mal bitte.“

Ich nahm die Zeitung und las eine Überschrift und dann weiter:

Deutsches Tennisnachwuchsteam sorgt in Genf für Furore!

Bei einer Pressekonferenz in Genf hat das Breakpoint-Team klar Stellung bezogen zum Thema Homosexualität im Profisport. Zwei ihrer Spieler sind schwul und treten sehr selbstbewusst auf. Auf die provokanten Fragen einiger Reporter reagierte der Coach sehr offensiv und zeigt den Pressevertretern sehr deutlich die Grenzen auf. Das Highlight allerdings war der spektakuläre Auftritt von Marc Steevens, der Rennfahrerlegende. Sein Plädoyer für homosexuelle Sportler war bewegend und auch aufrüttelnd.

...

Hoffentlich wird diese Reaktion auf ein Attentat in Kitzbühel Schule machen und Nachahmer finden. Wir als Sportzeitung distanzieren uns von der Diskriminierung von homosexuellen Sportlern.

Das hatte ich nicht erwartet. Umso erfreuter war ich über diese Berichterstattung. Maxi kommentierte den Artikel:

„Das ist doch mal eine freudige Überraschung, oder nicht? Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so eine positive Resonanz geben würde. Da kann man die negative Darstellung des Verbandes auf der Homepage wohl getrost ignorieren.“

Natürlich hatten sie mir auch diese Stellungnahme ausgedruckt und zum Lesen gegeben. Was dort stand, rang mir nur ein müdes Lächeln ab. Darum würden sich garantiert Thorsten und unsere Rechtsabteilung kümmern. Das war einfach nur peinlich und böse. Aber was hatte ich anderes erwartet?

„Wirst du dazu etwas schreiben? Wir finden, dass das so nicht stehen bleiben darf.“

„Nein, ich werde mich dazu ganz sicher nicht äußern. Das können Thorsten und Gerry Weber viel besser. Die werden den Deppen beim Verband dermaßen in den Arsch treten, dass sie ganz lange nicht mehr sitzen können.“

Ich konnte mir schon sehr gut vorstellen, wie das ablaufen würde. Von daher sah ich das vollkommen entspannt. Meine Aussage dazu, löste bei meinen Jungs einen echten Lachanfall aus. Damit war das Thema erledigt und wir machten uns auf, den heutigen Tag erfolgreich zu gestalten. Maxi begann zuerst. Allerdings musste Fynn nahezu zeitgleich spielen. Das hatte ich ihnen erklärt und entsprechend würde ich jeweils auf beiden Plätzen schauen und dort, wo ich am meisten gebraucht würde, bleiben. Außerdem wollten Stef und Luc mit Sabine und Marc auch gleich eintreffen. Das Doppel von Fynn und Dustin würde den Spieltag abschließen.

Heute hatte ich seit Tagen wieder gute Laune und fühlte mich irgendwie befreit. Warum sich das so verändert hatte, konnte ich nicht genau sagen, aber ich spürte meine Kräfte zurückkehren. Dass ich meine Jungs hinter mir wusste, war auch ein wunderbares Gefühl. Marc und Sabine hatten mir die Augen geöffnet und jetzt wurde wieder angegriffen. Weg mit den negativen Gefühlen und den Zweifeln an den eigenen Fähigkeiten.

Eine Stunde später war ich wieder voll im Spielgeschehen eingetaucht und pendelte zwischen den Plätzen, wo meine Jungs spielten. Stef und Luc hatten sich entschieden, bei Fynn zu bleiben, während Marc und Sabine ebenfalls pendelten. Es lief gut für uns. Alle beide hatten den ersten Satz gewonnen und spielten gutes Tennis. Fynn hatte sogar gleich im ersten Spiel des zweiten Satzes ein Break geschafft. Im Gegensatz zu früheren Spielen setzte er direkt nach und war hoch konzentriert. So führte er bald 3:1 und agierte dominant nahezu jeden Ballwechsel. Sehr imposant, was er uns zeigte.

Bei Maxi war der zweite Satz nicht so beruhigend und deshalb blieb ich dort jetzt etwas länger am Platz. Beim Spielstand von 5:5 im zweiten Satz tauchten Luc und Stef bei mir auf. Luc lächelte.

„So, das erste Viertelfinale ist erreicht. Fynn hat gewonnen.“

„Das ist schön. Wenn Maxi jetzt noch einmal alle Kraft und Konzentration zusammenbringt, sehe ich uns gut im Viertelfinale. Das wäre echt cool.“

„Seit wann schaust du während eines Spieles schon in die nächste Runde? Das kenne ich von dir gar nicht.“

Ich drehte mich um und schaute in das lachende Gesicht von Fynn. Ich musste lachen und gratulierte ihm zu seinem guten Spiel. Er freute sich und auch Marc klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Beim nächsten Seitenwechsel führte Maxi mit 6:5 und war schon einmal sicher im Tie-break. Ich blieb erstaunlich gelassen. Heute hatte ich ein Gefühl des Sieges. Für mich gab es komischerweise keinen Grund, an einem Sieg zu zweifeln. Maxi spielte souverän und konstant. Sein Gegner war gut und bislang gab es für mich keinen Grund zu meckern.

Entgegen der üblichen Regel war Fynn nicht sofort auslaufen gegangen, sondern mit Dustin zu Maxi an den Platz gekommen. Eigentlich hätte ich schimpfen müssen, tat es aber nicht. Bei jedem Punkt feuerten wir Maxi fair an. Es ging nun in den Tie-break. Maxi blieb unverändert fokussiert und gewann den Satz und das Match mit 7:1. Das löste bei mir Befreiung aus. Ich umarmte meine Jungs und ging direkt zu Maxi auf den Platz, um zu gratulieren. Er kam mir entgegen und umarmte mich. Es fühlte sich für mich gut an, die Bestätigung unserer gemeinsamen Mühen zu ernten. Als wir zu den anderen stießen, musste ich aber meine Truppe noch zum Auslaufen schicken.

„Leute, auch wenn ich total zufrieden und glücklich mit euren Leistungen bin, muss ich euch …“

„Stopp, Chris. Wir wissen auch so, dass wir noch auslaufen müssen. Allerdings finden wir es klasse, dass du mich hast zu Ende schauen lassen. Jetzt machen wir das Auslaufen gemeinsam und bereiten uns dann auf das Doppel vor.“

Mit diesem Spruch drehten sich die beiden um und gingen gemeinsam zum Auslaufen. Dustin wollte sie begleiten. Marc, Luc und Stef lachten sich über mein Gesicht kaputt. Sabine lächelte nur und nickte. Ich war nicht auf diese Reaktion meiner Spieler vorbereitet. Marc brachte es auf den Punkt:

„Hey, freu dich doch. Du musst nicht ständig hinter ihnen her sein. Sie haben begriffen, dass sie dir vertrauen können und du nichts von ihnen verlangst, was keinen Sinn macht. Außerdem haben sie bemerkt, dass du auch mal fünf gerade sein lassen kannst, selbst wenn es um Tennis geht.“

Etwas ratlos schaute ich Marc an. Der lachte wieder und ergänzte:

„So gefällst du mir richtig gut. Du weißt einmal nicht, was du tun sollst. Das habe ich so noch nie bei dir erlebt. Du bist doch noch menschlich und keine Maschine. Mach weiter so, das wird dich als Trainer noch besser machen, als du eh schon bist.“

Luc und Stef schauten zu Sabine, die weiterhin nur ein vielsagendes Lächeln im Gesicht hatte. Dann sagte sie völlig ruhig:

„Denk nicht so viel über das nach. Genieße euren Erfolg und geh weiter deinen Weg mit ihnen. Sie werden dir folgen. Sie haben begriffen, wie wertvoll du für sie bist. Jetzt liegt es an dir, ob du das für dich nutzen und dich von deinen Zwängen befreien kannst. Du bist Chris und nicht Jan. Du wirst mit diesen Jungs erfolgreicher werden, als Jan es sich vorstellen kann. Ich glaube, dass gerade bei Dustin und Fynn noch ganz viel Potenzial zu entwickeln ist. Maxi wird der Leitwolf werden. Er ist ein Schritt weiter. Gib ihm dein Vertrauen und er wird dafür sorgen, dass die beiden folgen und sich weiter entwickeln werden. Du hast ganz großen Einfluss auf deine Jungs. Jetzt musst du deine Sorgen ablegen und den Erfolg auch mal genießen können. Klar, der Weg ist noch weit, aber ein Zwischenziel ist erreicht. Da darfst du auch mal deine Freude ausleben und entspannen.“

„Ok, ich werde mich jetzt hüten, euch zu widersprechen. Ja, es stimmt. Es fühlt sich gut an, was die Jungs bislang hier erreicht haben. Beide sind im Viertelfinale und haben wieder reichlich Punkte gesammelt. Jetzt noch das Doppel und dann können wir den Tag gelassen ausklingen lassen. Morgen wird anstrengend genug.“

Nur zwei Stunden später hatten Fynn und Dustin auch ihr Doppel gewonnen. Dustin war deutlich stabiler als im ersten Doppel.

Luc und Stef waren schon einen Schritt weiter. Sie machten sich Gedanken über die Planung für den Abend.

„Wir könnten mal zusammen ne Runde darten gehen. Ich kenne da einen tollen kleinen Pub. Dort stehen ein paar Dartscheiben und auch Billardtische. Wir müssen ja nicht so lange unterwegs sein.“, argumentierte Stef.

Luc freute sich über diese Möglichkeit und ich hatte mich entschieden. Die Jungs sollten ohne mich losziehen. Ich wollte mal einen Abend ohne sie haben und sie sicherlich auch mal ohne mich.

„Fragt sie doch einfach, Stef. Wenn sie Lust haben, dann ist das in Ordnung. Sie sollten selbst wissen, wann sie zurück sein müssen. Schließlich ist morgen Viertelfinale um elf.“

Luc und Stef schauten mich an, sagten aber nichts. Sie hatten mich verstanden und gingen zu den beiden in die Umkleide. Dort sollten sie sicher bald wieder sein. Ich blieb mit Marc und Sabine zurück. Marc fragte:

„Was möchtest du mit dem freien Abend machen? Wir könnten gemeinsam Essen gehen und uns etwas Entspannung gönnen. Was denkst du?“

„Ja, sehr gern. Ich würde auch gern mal an den See. Ich hab bislang nur das Hotel und die Tennisanlage gesehen.“

„Das ist verständlich. Wir holen dich dann im Hotel ab, sobald die Jungs weg sind.“

Maxi: Ein gutes Turnier

Beim Auslaufen trafen wir auch auf andere Spieler des Turniers. Es entstanden zum ersten Mal auch Gespräche. Sonst waren wir bislang immer unter uns. Dustin und Fynn hielten sich in diesen Gesprächen merklich zurück. Bis zu dem Moment, als uns Sven über den Weg lief. Im wahrsten Sinn des Wortes. Wir drei liefen locker über einen Weg außerhalb der Anlage und plötzlich kam von rechts ein junger Mann aus dem Wald. Er hatte Kopfhörer in den Ohren und er stieß mit Fynn zusammen. Sichtlich erschrocken nahm er seine Ohrstöpsel heraus und entschuldigte sich:

„Oh, sorry Jungs. Ich war nicht ganz bei der Sache. Hast du dir wehgetan?“

Fynn schüttelte seinen Kopf und erwiderte: „Nein, schon ok. Ich hatte dich aber auch nicht bemerkt.“

Jetzt hatte er uns wohl erkannt.

„Ich glaube, ihr seid vom „Breakpoint-Team“, oder?“

„Ja“, sagte ich, „woher weißt du das?“

„Ich habe den Bericht in der Zeitung gelesen und euch heute auf dem Platz beobachtet. Ihr seid gut. Ich heiße übrigens Sven. Ich spiele noch im Doppel mit.“

Ob das ein gutes Zeichen sein würde, dass er den Bericht gelesen hatte, wusste ich nicht. Das wurde jedoch deutlich als er ergänzte:

„Es ist echt cool, dass ihr den Presseleuten in den Arsch getreten habt. Ich finds cool, dass ihr offen gesagt habt, dass ihr schwul seid. Es wird Zeit, dass die Funktionäre endlich wach werden oder zumindest ausgetauscht werden. Ich weiß, dass es Spieler gibt, die genau wie ihr schwul sind, aber sich nicht trauen, das offen zu zeigen. Sie haben oft Angst, ihre Sponsoren zu verlieren.“

„Genau deshalb haben wir jetzt gesagt, das muss sich ändern. Als wir in Kitzbühel angegriffen wurden, haben wir gemerkt, es ist genug. Wir müssen die Leute mobilisieren und Flagge zeigen. Vielleicht ändert sich etwas, wenn einer den Anfang macht. Chris, unser Trainer hat für uns sein Leben riskiert. Er wurde schwer verletzt und das darf nicht wieder passieren.“

Sven war zwar betroffen, als Dustin das gesagt hatte, aber seine Antwort eindeutig:

„Ich habe es gelesen und finde es klasse, dass ihr Sponsoren habt, die hinter euch stehen. Jetzt mit Marc Steevens im Rücken wird euch so schnell keiner mehr dumm anmachen. Dafür ist Marc viel zu berühmt. Das wird sich wahrscheinlich kaum jemand trauen.“

Mittlerweile liefen wir alle vier in die gleiche Richtung. Zurück zur Anlage. Dort erwartete uns nicht wie erwartet Chris, sondern wir trafen auf Luc und Stef.

„Ah, da seid ihr ja wieder. Chris hat gesagt, wir sollen euch fragen, ob ihr Lust habt, mit uns heute Abend ein wenig Ablenkung zu suchen?“

„Chris hat das gesagt? Wow, der ist aber gut drauf heute. Darf ich vorstellen? Das ist Sven, der ist uns beim Auslaufen über den Weg gelaufen.“

Sie begrüßten sich und Sven verabschiedete sich danach. Dustin und Fynn waren unsicher. Durften wir das? Während eines laufenden Turnieres abends einfach mal weggehen? Ich hingegen nahm diesen Vorschlag als Steilvorlage.

„Cool, da bin ich dabei. Ihr kennt euch ja aus. Das wird bestimmt lustig. Wir müssen nur rechtzeitig wieder zurück sein. Wenn uns Chris schon losziehen lässt, dürfen wir das auf keinen Fall überziehen.“

Jetzt noch nein zu sagen, war fast unmöglich. Also verabredeten wir uns im Hotel. Dort würden uns die beiden abholen.

Ich hatte noch kurz mit Chris gesprochen. Er wünschte uns viel Spaß und ich hatte den Eindruck, dass er heute sehr gelöst und entspannt war. Seit wir in Genf waren und Marc ihn unterstützte, war er nicht mehr so selbstkritisch oder nachdenklich. Hoffentlich würde sich das nicht wieder ändern, wenn wir beim nächsten Turnier spielen würden.

Der Shuttledienst hatte uns ins Hotel gebracht. Ohne Chris. Das wunderte uns doch etwas. Als ich in mein Zimmer gehen wollte, fragte mich Dustin:

„Hat Chris dir etwas gesagt, warum er nicht mit uns gefahren ist?“

„Nein, aber ich vermute, dass er mit Marc noch etwas besprechen möchte. Er wird schon irgendwie ins Hotel kommen.“

„Ok. Chris war heute gut drauf. Endlich mal wieder. So kann es bleiben. Dann macht es gleich noch mehr Spaß. Kommst du gleich rüber, wenn du soweit bist?“

„Jap. Wie viel Zeit haben wir noch?“

„Zwanzig Minuten. Unten auf dem Parkplatz hat Luc gesagt. Dort wollen sie hinkommen.“

„Alles klar. Dann bis gleich. Ich will noch schnell mit meinen Eltern telefonieren.“

Meine Mutter war beruhigt, als ich mich gemeldet hatte. Seit dem Angriff in Kitzbühel war sie beunruhigt, wenn ich mich nicht jeden oder jeden zweiten Tag zuhause meldete.

Ich klopfte bei Dustin und Fynn an die Tür und die beiden standen schon fertig im Zimmer. Sie schlossen ihr Zimmer ab und wir fuhren nach unten in die Lobby. Ich gab meine Zimmerkarte ab und gemeinsam verließen wir unser Hotel.

Als wir an den vereinbarten Treffpunkt kamen, bog gerade ein roter Ferrari 488 auf den Parkplatz. Luc und Stef waren bereits da, aber sie waren nicht allein. Der Ferrari hupte einmal kräftig und Luc winkte dem Fahrer zu. Das verstand ich irgendwie momentan gar nicht. Der Wagen rollte auf uns zu und hielt neben uns an. Die Fensterscheibe surrte nach unten und ich konnte in das lachende Gesicht von Chris schauen.

„Na, wollt ihr los?“, fragte er mich.

„Äh, ja. Wow, was für ne geile Karre ist das denn?“

„Naja, ich muss ja morgens immer bei Heikki vorbei und da hat mir Marc einen Wagen geliehen. Ihr fahrt ja mit dem Shuttle zur Anlage. So muss Marc nicht ständig den Chauffeur spielen. Und Heikki hat zugestimmt, dass ich wieder selbst fahren darf.“

Mittlerweile waren Luc und Stef mit den beiden anderen Jungs zu uns gekommen. Chris hatte den Ferrari abgestellt und war ausgestiegen.

„Na, Chris. Wie fährt sich Papas 488 er? Ist nicht so schwierig, oder?“

„Nein, Luc. Der fährt sich toll. Ein Traumwagen. Ich fühle mich auch echt geehrt, dass er mir den anvertraut hat. Und jetzt, wo wollt ihr hin? Habt ihr schon einen Plan?“

„Klar, wir nehmen deine Jungs mal mit in unsere Szene. Aber keine Sorge, wir werden aufpassen, dass sie sich korrekt verhalten und morgen wieder fit sein werden.“

„Wenn ich daran Zweifel hätte, würde ich sie nicht gehen lassen. Aber sie sind selbst dafür verantwortlich. Kannst du mir noch sagen, wen ihr noch mitgebracht habt?“

Chris hatte mir die Frage aus dem Mund genommen.

„Danke, Chris. Das wollte ich gerade auch fragen.“

Dustin und Fynn fingen an zu lachen und Luc stellte uns seine Begleiter vor.

„Das sind Tommy und Nico. Beide sind schon ganz lange unsere Freunde. Tommy war früher der Zimmerkollege von Leif im Internat. Nico ist mein bester Freund. Er hat mich damals auch während meiner Leukämieerkrankung niemals aufgegeben und war immer für mich da.“

Chris begrüßte die beiden und wünschte uns viel Spaß. Dann machten wir uns auf den Weg in die Stadt.

Ich empfand es irgendwie komisch, auf einer Turnierreise ohne Chris unterwegs zu sein. Klar, ich hatte schon oft mit Freunden abends etwas unternommen. Hier waren wir jedoch bei einem Turnier. Da war Chris bislang immer mit uns unterwegs gewesen. Jedoch sorgten Luc und Stef schnell dafür, dass uns keine Zeit blieb, weiter darüber nachzudenken.

Nico und Tommy waren lustige Typen, die immer einen lockeren Spruch auf Lager hatten. Allerdings trank keiner der vier am Abend einen Tropfen Alkohol. Ich hatte erwartet, dass sie schon das ein oder andere Bier trinken würden. Für uns war eh klar, dass wir bei alkoholfreien Getränken bleiben würden. Ich wollte Chris nicht enttäuschen und sein Vertrauen in uns nicht aufs Spiel setzen.

In der Szenekneipe war ich eindeutig in der Minderheit. So viele schwule Jungs auf einen Haufen hatte ich bislang noch nicht erlebt. Allerdings habe ich mich in keinster Weise unwohl gefühlt. Im Gegenteil, ich war immer an den Gesprächen beteiligt. Luc kannte hier unglaublich viele Leute. Es entstanden gute und auch lustige Unterhaltungen. Einmal wurden wir sogar erkannt. Ein Junge, der ebenfalls Tennis spielte, hatte uns aus dem Zeitungsbericht wiedererkannt. Er bedankte sich für unseren Mut, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Tommy und Nico waren auch ein Paar. Mir fiel das erst relativ spät auf. Dustin und Fynn waren den Abend sehr entspannt. Sie fühlten sich sichtlich wohl und ließen auch keine Gelegenheit aus, ihre Zuneigung zueinander zu zeigen. Ich konnte ansatzweise nachfühlen, wie sich wohl die homosexuellen Jungs in den Heterokneipen oder Bars fühlen mussten. Eigentlich schade, denn für mich wäre es viel interessanter, wenn alle gemeinsam feiern könnten, ohne dass es Stress geben würde.

„Wie bist du denn mit deinem Turnierverlauf zufrieden? Immerhin stehst du mit Fynn im Viertelfinale.“

Ich empfand die Frage von Stef etwas irritierend, freute mich aber gleichzeitig, dass er sich gerade für mein Befinden interessierte. Er war sonst eher der Zurückhaltende.

„Bislang ist es richtig gut gelaufen. Gerade nach dem Vorfall in Kitzbühel hatte ich befürchtet, dass es viel schwerer sein würde, wieder gutes Tennis zu zeigen. Aber es läuft gut für uns.“

„Könnt ihr vielleicht sogar noch weiter kommen?“

„Warum nicht? Es muss immer erst gespielt werden. Allerdings ist mein Gegner morgen schon ein anderes Kaliber. Immerhin ist er an Position eins gesetzt. Aber ich habe nichts zu verlieren und kann entsprechend befreit aufspielen.“

„Warum solltest du das auch nicht tun? Wir werden beide locker spielen. Das Soll ist erfüllt und jetzt kommt der Bonus.“

Fynn hatte sich von mir unbemerkt hinter mich gestellt und wohl unser Gespräch verfolgt. Ich drehte mich um und musste lachen, denn Fynn blieb total cool dabei und tat so, als ob es das normalste der Welt für uns war, ein Viertelfinale auf der Future Tour zu spielen.

„Dann möchte ich aber von dir auch so eine Leistung sehen. Wenn du so tust, als ob wir das schon so oft gemacht hätten, dann mach es doch vor.“

Wir alberten noch einige Zeit herum und die Zeit lief uns davon. Es war einfach toll, mit unseren Freunden unterwegs zu sein. Ich habe nicht einmal an das kommende Match am nächsten Tag gedacht. Auf dem Weg zurück ins Hotel fragte uns Nico:

„Was bedeutet Chris eigentlich für euch? Ist er nur euer Trainer oder wie muss ich das verstehen? Aus euren Erzählungen würde ich das anders vermuten. Ihr scheint ihn sehr zu mögen und er euch auch.“

Ich musste keine Sekunde nachdenken.

„Chris ist viel mehr für mich. Er hat immer ein gutes Gefühl für die Situation. Auch in Halle hat er immer das Ganze gesehen. Nicht nur das Tennis auf dem Platz. Er hat mir in allen Dingen seine Unterstützung gegeben. Ich sehe ihn eher als Freund und Ratgeber, auch wenn er unser Trainer ist.“

„Das stimmt, Maxi. Ich verdanke ihm ganz viel. Ohne seine Unterstützung und seine Ideen, wäre ich heute wahrscheinlich nicht mehr beim Tennis. Jetzt gerade erst wieder bei meiner Verletzung hat er mir immer das Gefühl gegeben, dass er an mich glaubt. Das hat mir sehr geholfen, hart zu arbeiten. Auch wenn ich mal keinen Bock mehr hatte. Ein toller Mensch.“

„Aber warum wirkt er oft so niedergeschlagen oder nachdenklich? Er scheint nicht sonderlich glücklich zu sein.“

Luc hatte es auf den Kopf getroffen. Er beobachtete immer sehr genau und hatte ein gutes Gespür für den Menschen.

„Ich glaube, er ist schon sehr zufrieden mit uns. Er will es aber immer perfekt machen. Sein Bruder ist ja sozusagen sein Chef. Jan ist Headcoach und sehr erfolgreich auf der ATP-Tour. Manchmal glaube ich, dass die beiden nicht immer eine gute Beziehung hatten. Vielleicht liegt es daran.“

„Kann sein, Maxi. Aber warum zweifelt er? Wir haben doch Erfolg und das Team unterstützt uns, also auch ihn. Können wir nicht vielleicht mal etwas für ihn tun?“

Dustins Frage löste bei uns Nachdenken aus. Fynn war der erste, der darauf reagierte. Er gab seinem Freund einen Kuss und sagte:

„Das ist ein guter Gedanke. Wir sollten uns etwas ausdenken. Vielleicht für die Tage bei euch nach dem Turnier. Chris sollte sich ausruhen und ausspannen. Kein Tennis und kein Programm, für das er verantwortlich ist.“

„Ja Fynn, das ist eine gute Idee. Stef und ich nehmen das in die Hand. Ihr sorgt nur dafür, dass Chris entsprechend gut gelaunt in die freien Tage kommt. Am besten kommt ihr ins Halbfinale. Dann wird seine Laune bestimmt eher auf Freizeit gestimmt sein.“

Wir schlugen uns gegenseitig mit den Händen ab und damit war unser Plan besiegelt. Leider waren wir dann doch ein wenig später als sonst üblich im Hotel. Um halb zwölf lag ich in meinem Bett. Meine Gedanken kreisten noch einige Minuten um Chris. Wir hatten so viel Glück, dass Chris unser Coach auf der Tour ist. Mit einem Lächeln konnte ich sehr schnell einschlafen.

Chris: Ein freier Abend bringt Erkenntnisse

Nachdem ich die Jungs noch auf dem Parkplatz getroffen hatte, ging ich mit dem Gefühl von Müdigkeit und Erschöpfung auf mein Zimmer. Ich ließ mir ein heißes Kräuterbad ein. Das sollte mich entspannen und auf andere Gedanken bringen. Ich hatte mir ganz fest vorgenommen, heute nicht mehr an Tennis zu denken und auch keine Vorbereitungen mehr zu machen. Die Matches für morgen hatte ich bereits auf der Anlage vorbereitet und mir eine Strategie zurechtgelegt. Heute war Tennis nicht mehr auf dem Plan.

Im heißen Wasser kehrten meine Lebensgeister zurück. Ich schaute zur Uhr und irgendwie bekam ich Hunger. Ich stieg aus dem Wasser, zog mir zivile Kleidung an und überlegte, ob ich mir noch etwas zu Essen bestellen sollte. Ich war unsicher, ob Marc und Sabine schon gegessen hatten. Also rief ich Marc an.

„Steevens“, meldete er sich.

„Hallo Marc, hier ist Chris. Ich wollte nur fragen, ob ihr schon etwas gegessen habt? Ich habe heute noch nicht viel gehabt und jetzt richtig Hunger. Sonst bestelle ich mir im Hotel noch etwas.“

„Nein, nein. Hatte ich dir das denn nicht gesagt? Wir gehen gleich zusammen essen. Du brauchst also nichts mehr zu bestellen. Wir sind übrigens schon unterwegs. Also bis gleich.“

Ich steckte das Handy ein und nahm meine Brieftasche aus den Teamklamotten und schloss mein Zimmer. Ab jetzt wollte ich entspannen und den Akku aufladen.

Unten in der Lobby nahm ich noch für einige Minuten in den bequemen Ledersesseln Platz. Auch, wenn unser Hotel nicht zu den Luxushotels zählte, hatte es eine Ausstattung mit Stil. Mir gefiel die sehr persönliche Atmosphäre. Es dauerte auch nicht lange und ich bekam von einem Angestellten ein kaltes Getränk gereicht. Plötzlich meldete sich mein Handy. Am Klingelton konnte ich erkennen, entweder meine Eltern oder mein Bruder. Ich schaute auf das Display. Es war mein Bruder.

„Hallo Jan. Wie geht es dir mit Gilles zurzeit?“

„Hi Chris. Danke, ich kann mich nicht beklagen. Allerdings möchte ich viel mehr wissen, wie es dir geht. Nach den Ereignissen in Kitzbühel bin ich sehr besorgt. Was macht deine Verletzung und brauchst du noch etwas?“

„Die Wunde verheilt sehr gut. Heikki ist ein Wunderheiler und hilft mir sehr. Kein Wunder, dass Marc früher immer so fit war.“

„Also bist du immer noch mit den Steevens in Kontakt? Das freut mich wirklich. Ich habe deine Mails gelesen und muss sagen, dass ich begeistert bin, wie du die Jungs nach vorne bringst. In so kurzer Zeit ist das außergewöhnlich. Allerdings hat mir der Bericht von Thorsten auch ein wenig Kopfschmerzen gemacht. Wie war es denn zu der Pressekonferenz gekommen? Wer hatte das angeleiert?“

Ich hatte es geahnt, dass das für ihn ein Problem sein würde.

„Das war die Entscheidung des Turnierveranstalters hier in Genf. Er hatte mich gefragt und Dustin und Fynn waren dafür, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Verstecken zu spielen. Ich habe sie nur dabei unterstützt.“

„Und Marcs Auftritt? Wessen Idee war das? Damit habt ihr natürlich die Medien aufgeschreckt. Der Verband hat hier umgehend reagiert und die Vorwürfe vehement abgestritten.“

„Das wundert mich nicht. Es ist mir mittlerweile egal, was der Verband sagt oder tut. Ich weiß, wie die Realität aussieht. Und ich weiß, wie ich meine Spieler schützen muss. Ich konnte euch nicht vorher befragen. Es war eine spontane Aktion der Turnierleitung. Sorry, wenn das für euch negative Folgen hat.“

„Stopp, es hätte für uns als Team negative Folgen? Du bist Teil unseres Teams. Aber beruhige dich. Ich möchte dich gar nicht kritisieren. Ich finde, dass du dich absolut korrekt verhalten hast. Ich hätte vermutlich noch viel mehr auf den Tisch gehauen und noch mehr Staub aufgewirbelt. Marcs Auftritt hat viel bewegt. Das ist gut. Ich mache mir nur Sorgen, ob du damit allein nicht überfordert bist. Wie geht es dir heute? Was macht der Angriff mit dir? Kannst du die Jungs weiter begleiten oder brauchst du etwas Freiraum?“

„Mittlerweile geht es wieder. Die Nächte sind manchmal noch sehr unruhig. Tagsüber geht es gut. Marc und Sabine passen auf mich auf und zeigen mir meine Grenzen auf. Wenn wir wieder zu Hause sind, würde ich gern mal zwei Wochen für mich nutzen.“

„Das ist kein Problem. Da werden wir uns zusammensetzen und das planen. Aber bist du dir sicher, dass du diese Reise beenden kannst?“

„Ich glaube schon. Morgen sind Viertelfinals und Halbfinals. Übermorgen wäre Finale und danach haben uns die Steevens für vier Tage eingeladen. Ich glaube, dass das für uns alle gut sein wird. Oder wird das für die Jungs doch problematisch in der Schule?“

„Nein, das wird kein Problem sein. Ihr habt ja eh erst einmal keine Turniere, wenn ihr in Genf fertig seid. Da waren drei Wochen Training angesetzt. Ich bin einverstanden. Macht das so und versprich mir bitte, wenn du Hilfe brauchst, melde dich bei Thorsten. Wir haben schon darüber gesprochen, dir vielleicht Toto als Verstärkung zu schicken. Also mute dir nicht zu viel zu. Ich kenne dich. Du wirst freiwillig nicht klein beigeben. Aber wir brauchen dich noch etwas länger. Mach dir vor allem keine Gedanken über die Reaktionen hier. Gerry fand eure Stellungnahme grandios. Er hat dem Verband auf die Veröffentlichung eine Klage an den Hals geworfen und ist richtig auf Krawall aus. Ich glaube, dass es für einige der verkalkten Funktionäre jetzt eng wird. Du machst deine Aufgabe dort richtig gut. Lass dir nichts anderes einreden.“

„Danke, das höre ich gern. Ich war schon besorgt, ob das so richtig war.“

„Keine Sorge. Du hast schon ein gutes Gefühl für die Situation vor Ort. Alles andere regelt Thorsten von hier. Ich möchte dich nur bitten, halte uns weiterhin auf dem Laufenden und melde dich nach dem Turnier. Erholt euch bei den Steevens.“

„Danke. Das mache ich und dir viel Erfolg mit Gilles.“

Erleichtert steckte ich das Handy wieder ein.

„Na, hat sich Jan endlich gemeldet?“

Ich zuckte leicht zusammen, denn ich hatte während des Gesprächs nicht bemerkt, dass sich Sabine an meinen Tisch gesetzt hatte. Sie lächelte.

„Meine Güte, hast du mich jetzt erschreckt. Ja, das war Jan.“

„Gut, Marc wartet draußen im Auto auf uns. Wollen wir los? Du kannst uns gleich von deinem Bruder berichten.“

Es war schon etwas seltsam. Sabine hatte eine Art, Ruhe auszustrahlen, das war beeindruckend. Ich begrüßte Marc und stieg in den riesigen, alten Cadillac ein. Das Verdeck war unten und der Wind blies mir um die Nase. Eines musste ich den Steevens lassen, sie hatten einfach Geschmack.

„Wir fahren zuerst mal an den See. Wir stellen das Auto bei uns zu Hause ab und wechseln das Fortbewegungsmittel. Dann zeigen wir dir ein wenig vom See und gehen etwas essen.“

Ich wusste mittlerweile, hatte sich Marc etwas ausgedacht, war es klug, nicht dagegen zu arbeiten. Auf der Fahrt zu ihrem Haus bat mich Sabine, vom Telefonat mit meinem Bruder zu berichten. Ich gab ihnen eine Inhaltsangabe von den Dingen und Marc sagte spontan:

„Hört sich doch gut an. Was habe ich gesagt? Er macht sich sehr wohl Sorgen um dich. Er hat begriffen, was du für die Jungs bedeutest und was er an dir hat. Du bist sehr wichtig für den Erfolg dieses Projektes. Und wir sorgen dafür, dass du diese Arbeit erfolgreich hier beenden kannst.“

„Ja, ich war auch recht angetan von diesem Gespräch. Das hatte ich so nicht erwartet. Umso schöner fühlt sich das für mich an, Rückendeckung zu haben und zu spüren, dass auch Jan damit einverstanden ist.“

„Das wollte ich ihm auch geraten haben. Sonst hätte ich ihm mal ein paar Takte dazu gesagt. So ist es natürlich viel besser.“

Marc meinte das ernst. Er hätte keine Scheu gehabt, meinem Bruder klar zu sagen, wenn etwas aus seiner Sicht nicht in Ordnung sein würde. Ich hatte da schon noch mehr Probleme.

Einige Minuten später parkte Marc den Caddie in der Garage. Sabine und ich warteten vor dem Haus.

„Sag mal, was für ein anderes Fortbewegungsmittel benutzen wir jetzt eigentlich? Wenn wir das Auto nicht nutzen, was denn dann?“

„Lass dich überraschen. Es ist das neueste Spielzeug der Steevens Familie. Und es ist diesmal meine Idee und mein Spielzeug.“

In diesem Moment öffnete sich die andere, kleinere Garage und Marc stand neben drei wunderschön hergerichteten Motorrädern. Sabine und ich gingen ein paar Schritte auf die Garage zu und ich konnte sofort erkennen, dass es sich um Motorräder von Marcus Walz handelte.

„Wow, was für Kunstwerke. Wem gehört denn die dritte Maschine? Oder ist das Lucs Motorrad?“

Marc nickte und erwiderte:

„Genau, das ist Lucs Geburtstagsgeschenk. Er weiß noch von gar nichts und normalerweise steht die hier auch nicht. Heute soll sie sozusagen eingeweiht werden. Du wirst meine Maschine fahren und ich seine. Sie ist sozusagen noch jungfräulich und bedarf einer besonderen Fahrweise. Deshalb fahre ich das selbst. Hier ist ein Helm und sind Handschuhe. Heute brauchen wir nicht die volle Montur. Es geht nur gemütlich um den See.“

Ich bekam noch einen Nierengurt und eine Jacke von ihm und dann durfte ich Platz nehmen. Marc und ich waren etwa gleich groß. Also passten die Maße für mich recht gut. Er erklärte mir die Maschine und was sie an besonderen Gimmicks hatte.

Dann ging es los und die Anlasser surrten. Ein donnerndes Brabbeln ertönte von allen drei Motoren. Marc fuhr vorweg, ich in der Mitte und Sabine hinten dran.

Ich musste zugeben, auch wenn die Walz bislang nicht so ganz meinen Vorstellungen von Motorradfahren entsprach, ließ sie sich erstaunlich gut fahren. Vor allem auch durch Kurven ansprechend dirigieren. Immer wieder hatten wir einen wunderschönen Blick auf den Genfer See. Es dauerte nicht lange und ich konnte mich komplett dem Cruisen widmen. Tennis spielte in meinem Kopf keine Rolle mehr. Marc setzte den Blinker und wir bogen nach rechts in einen kleinen Weg ab. Am Ende des Weges kamen wir an ein großes Blockhaus.

Vor dem Holzhaus standen viele Motorräder, alle ordentlich in einer Reihe geparkt. Das sah verdächtig nach einem Bikertreff aus. Marc fuhr an die Seite und stellte das Bike ab. Ich parkte links neben ihm und Sabine rechts von ihm. Erst, als ich den Helm abnahm und mich umsah, stellte ich fest, dass wir uns direkt am Wasser befanden. Das Holzhaus war ein Gasthaus mit Biergarten. Entsprechend der vielen Maschinen war gut was los. Ich war sehr neugierig auf das, was mich hier erwarten würde. Marc war sicherlich kein Kostverächter. Wenn es ums Essen ging, machte er wenige Kompromisse. Vor allem bei der Qualität nicht.

Wir betraten den Gastraum und sofort wurde mir klar, das musste ein besonderes Gasthaus sein. Überall an den Wänden hingen Bilder von Bikern und ihren Fahrzeugen. Marc wurde freundlich von einer älteren Frau empfangen. Vielleicht Mitte bis Ende fünfzig. Sie unterhielten sich kurz und dann folgten wir der Frau nach draußen. Was für ein Anblick. Der Garten mündete direkt an das Ufer des Genfer Sees und man konnte über den ganzen See blicken. Beeindruckend!

Wir wurden zu einem schönen und massiven Holztisch geführt. Dort nahmen wir Platz und bekamen auch die Speisekarte gereicht. Bei der Frage nach unseren Getränkewünschen musste ich schmunzeln. Fassbrause dürfte hier wohl eher unbekannt sein. Ich wählte daher eine Cola.

Bei der Wahl der Speise war ich etwas überfordert. Die Karte war umfangreich und ich fragte deshalb:

„Könnt ihr mir etwas empfehlen? Ich kann mich nicht so wirklich entscheiden.“

„Aber sicher doch. Schau dir die Nummer 44 an. Das ist eine Spezialität. Echte Berner Rösti mit einem Filetsteak. Dazu einen großen Salat und vorweg eine Suppe.“

Ich stimmte zu und so machte Marc unsere Bestellung mit der Bedienung aus. Ich schaute mich währenddessen einmal um. Es war eigentlich ein Biker-Restaurant, aber alle Personen waren sehr gesittet und dezent. Die Schweizer Biker waren wohl von einem anderen Schlag als die Deutschen.

Der Ausblick auf den See war einfach gigantisch. Es waren auch einige Sportboote zu sehen, die über den See fuhren. Noch war genug Sonnenlicht vorhanden, dass man auf dem Wasser alles erkennen konnte.

„Na, ist das ein Ausblick?“, fragte mich Sabine.

„Das ist phantastisch. Ein Traum. So eine Lage für einen Biergarten ist unfassbar schön.“

„Das stimmt. Deswegen fahren wir auch oft hier hin. Außerdem werden Motorradfahrer hier gern gesehen und Tourenfahrer bekommen hier einen besonderen Service. Wer mit einem ausländischen Kennzeichen unterwegs ist, bekommt sogar zehn Prozent Rabatt.“

„Eine gute Idee. Wer hier herkommt, hat einfach den idealen Punkt für eine Pause gefunden. Ich habe mal eine Frage zu euren Bikes. Warum hast du dir bei Marcus Walz die Motorräder bauen lassen? Es gibt auch in der Schweiz einige sehr gute Customizer.“

„Stimmt. Ich war aber von seinem Design und seiner Qualität überzeugt. Er war der einzige, der mir maßgeschneiderte Rahmen bauen konnte. Sabine braucht eine niedrige Sitzhöhe und auch für Luc habe ich ein leichteres Bike gewählt. Er ist ja auch nicht der größte und kräftigste. Außerdem muss er mit einem gedrosselten Bike beginnen. Ich finde trotz der Cruiseroptik lassen sie sich gut fahren.“

„Das stimmt. Ich bin auch sehr überrascht, wie gut sie sich durch die Kurven dirigieren lassen. Das hätte ich nicht erwartet.“

Sabine blieb bis jetzt sehr ruhig, aber es ging ihr doch etwas auf die Nerven, dass wir nur über die Bikes sprachen. Deshalb fragte sie mich:

„Bist du beruhigt, dass sich dein Bruder so positiv geäußert hat? Du warst doch sehr besorgt, ob euer Auftreten bei der Pressekonferenz nicht zu heftig gewesen ist.“

„Auf jeden Fall beruhigt mich das. Es hat mich die ganze Zeit beschäftigt, ob ich es richtig gemacht hatte. Auch die Rückendeckung von Gerry Weber ist sehr wichtig. Er wird dem Verband jetzt gehörig in den Hintern treten und sie in Erklärungsnot bringen.“

Wir sprachen noch einen Moment über diese Pressekonferenz, aber Marc machte sehr deutlich, dass er jederzeit bereit war, der Presse den Kampf anzusagen. Mein Gedanke dazu war, dass es kaum jemand wagen würde, eine lebende Legende anzugreifen, ohne gute Argumente zu haben. Marc ließ keine Zweifel aufkommen, dass er voll hinter uns und seinen Kindern stand.

„Bevor das Essen kommt, habe ich eine Frage an dich.“

Sabine schien schon die ganze Zeit auf diesen Augenblick gewartet zu haben. Ich nickte ihr zu und sie fragte:

„Warum bist du immer für die anderen da, aber verlierst dich dabei oft selbst aus den Augen. Du hast eine sehr soziale Ader, aber du betreibst Raubbau an dir und deiner Psyche. Warum gönnst du dir nicht mehr Ruhe?“

„Ich weiß es nicht. Ich bin immer auf der Suche nach einer Lösung für ein Problem. Da sehe ich mich selbst nicht so sehr im Mittelpunkt. Meine Aufgabe ist es doch, anderen zu helfen. Außerdem macht es mir Freude, wenn ich erfolgreich ein Problem gelöst habe.“

„Bevor du mal Nein sagst, würdest du vermutlich eher alles versuchen, eine Lösung zu finden. Du lebst gefährlich, das weißt du hoffentlich?“

Sabine war sich ihrer Position sehr sicher, im Gegensatz zu mir. Ich hatte zum ersten Mal Zweifel und war verunsichert. Worauf wollte sie hinaus?

„Inwiefern lebe ich gefährlich? Klar, ich war Opfer eines Angriffs. Oder was meinst du?“

„Nein, das meine ich nicht. Kennst du das Prinzip des Aufladens eines Akkus? Wenn du mehr Strom nimmst, als du zufügst, ist der Akku irgendwann leer. Obwohl er ständig geladen wird. Ich befürchte, dass du auf dem besten Wege bist, genau das zu tun. Und das ist gefährlich.“

Darüber musste ich nachdenken. Zeit hatte ich dazu, denn unser Essen wurde gebracht.

„Einen guten Appetit. Lass es dir schmecken.“, sagte Marc und während des Essens sprachen wir nur über weniger problematische Themen.

Marc erzählte mir aus seiner Zeit als aktiver Rennfahrer und den daraus resultierenden Problemen mit Mick und später dann auch mit Lucas. Ich konnte mich sehr gut in die Lage der Kinder versetzen. Sie waren zu der Zeit noch jünger als Luc heute.

„Hast du deine Prominenz nicht auch manchmal verflucht? Du oder deine Kinder konnten sich nicht frei bewegen. Schon gar nicht als schwules Paar. Das wäre doch bestimmt auch für deine Sponsoren ein ziemliches Problem geworden.“

„Jein, es gab schon Tage, wo ich es gehasst habe. Gerade im Umgang mit den Medien. Ich kann mich noch gut an das Rennen erinnern, bei dem Mick und Lukas sich öffentlich geoutet hatten. Da hatte ich Sorge, ob sie sich richtig entschieden hatten. Es ging mir da nicht mehr um meine Sponsoren. Ich war zu dem Zeitpunkt bereits in der glücklichen Lage, nicht mehr für Geld fahren zu müssen. Meine Sorge war die Zukunft meiner Kinder.“

„Wie hat denn dein Arbeitgeber damals reagiert. Du warst immerhin auch für sie als Werbeträger sehr attraktiv. Gab es da keine Probleme, als Mick und Lukas sich geoutet hatten und sie als deine Söhne bekannt wurden.“

„Nein, mein damaliger Chef, Wolfgang Ullrich, hatte sich total hinter mich gestellt und wir haben das sehr gut gemeistert. Von daher freue ich mich sehr, dass Gerry Weber sich auch so hinter euch gestellt hat. Diese Konstellation wird euch sehr viel Luft verschaffen. Es ist eine tolle Chance etwas zu bewegen.“

„Das stimmt. Ich bin auch sehr froh darüber. Sonst wäre das nicht zu machen gewesen. Leider sieht der WTV das anders. Er möchte keine schwulen Spieler in seinem Kader haben. Offen geben sie das nicht zu, aber faktisch ist es so.“

„Das sollte ihr Problem bleiben. Wenn sie es sich leisten können, dass zwei ihrer besten Spieler nicht für den Verband spielen, dann ist es halt so. Allerdings sollten sie es einfach akzeptieren, dass es eben schwule Tennisspieler genauso gibt, wie andere schwule Sportler. Es ist einfach lächerlich, wie sich diese Funktionäre aufführen.“

Er sprach mir aus der Seele und er spürte das. Er wechselte das Thema und fragte:

„Was ich dich fragen möchte. Wir wissen, wie du mit den Jungs arbeitest und was für eine Lebenseinstellung du hast. Was mich aber neugierig macht, warum ist jemand, der so nett und offen mit anderen Menschen umgeht, immer noch solo? Du lebst allein. Warum ist das so?“

Das empfand ich jetzt als einen Frontalangriff und fühlte mich total unwohl. Sabine hatte es sofort bemerkt. Sie wollte Marc bremsen, aber es war eine berechtigte Frage. Ich hatte sie auch nicht zum ersten Mal gestellt bekommen.

„Schatz, du bist unfair. Wir sitzen noch beim Essen. Wir sollten Chris nicht so bedrängen. Schließlich ist er unser Gast. Und Gäste werden freundlich behandelt. Gerade, wenn sie sich vorbildlich benehmen und immer für andere da sind.“

„War das unfair? Ich wollte dich nicht angreifen oder dich in Bedrängnis bringen. Du musst auf diese Frage auch nicht antworten. Es interessiert mich einfach nur.“

„Schon gut, Marc. Diese Frage habe ich schon öfter gestellt bekommen. Aber ob ich sie ausreichend beantworten kann, weiß ich nicht. Ich fühle mich als Single wohler. Wenn ich in einer Beziehung leben würde, müsste ich mehr Verantwortung übernehmen. Ich möchte aber in meiner Freizeit nicht noch zusätzliche Verantwortung tragen. Und wenn ich ehrlich bin, gibt es auch einen Grund, den aber nur sehr wenige Menschen kennen. Ich habe bereits einmal eine Beziehung gehabt, die ein sehr tragisches Ende fand. Es hat mich sehr lange belastet und ich fühlte mich verantwortlich für dieses Unglück.“

Mittlerweile waren wir beim Nachtisch angelangt und ich fühlte mich immer unwohler. Alte Wunden wurden aufgerissen. Wollte ich das? Eigentlich hatte ich das aufgearbeitet, aber heute war dennoch nicht mein Tag, es wühlte mich auf.

„Ich möchte, dass wir dieses Thema heute nicht weiter besprechen. Lass es einfach mal so stehen. Vielleicht können wir nach dem Turnier darüber sprechen, wenn du magst. Heute möchte ich lieber mit dir am See entlang laufen und über andere Dinge sprechen.“

Sabine hatte einfach ein unfassbares Gefühl für die Situation. Ich war ihr sehr dankbar für diese Entscheidung.

„Danke, heute fühle ich mich nicht so gut in der Lage, das weiter zu bearbeiten. Lasst es uns verschieben. Ist das ok?“

„Natürlich ist das ok. Sorry, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Möchtest du vielleicht noch einen Cappuccino?“

„Ja, sehr gern. Es tut mir leid, dass ich immer noch Probleme mit dieser Geschichte aus meiner Vergangenheit habe. Ich werde sie euch aber bei anderer Gelegenheit erzählen.“

„Das ist vollkommen ok. Du brauchst sie uns auch gar nicht zu erzählen, wenn es dir nicht behagt. Wir wollen mit dir heute einen schönen Abend verbringen. Du sollst dich erholen und keine Probleme bearbeiten müssen.“

Marc war es auch unangenehm geworden, mich so in Bedrängnis gebracht zu haben.

„Erholen, was ist das? Ich war seit Ewigkeiten nicht mehr im Urlaub. Irgendwie habe ich aber auch nie wirklich Lust gehabt wegzufahren. Zu Hause fand ich es immer schön genug.“

„Gut, daran arbeiten wir jetzt. Dann lass uns doch mal aufbrechen und wir zeigen dir den schönen Genfer See.“

Marc stand auf und Sabine folgte ihm. Ich war etwas erstaunt, weil wir noch nicht bezahlt hatten. Marc schien das nicht zu stören, er ging am Tresen vorbei und verabschiedete sich einfach nur. Ich wollte schon fragen, aber Sabine drehte sich zu mir um und lachte.

„Keine Bange, wir brauchen hier nicht mehr jedes Mal zu bezahlen. Wir sind Stammgäste und Marc hat mit der Besitzerin ausgemacht, dass wir monatlich eine Rechnung erhalten.“

„Ah ja, ich hatte schon Bedenken. Aber was bekommt ihr denn jetzt von mir für das Essen?“

Während Marc das Lokal verließ, schüttelte Sabine lächelnd ihren Kopf und sagte leise:

„Das musst du noch lernen. Bei uns heißt Gast sein, dass man Gast ist. Gäste zahlen bei uns nicht. Egal, was wir gemeinsam tun werden. Versuche auch nicht mit Marc darüber zu diskutieren. Das ist einfach so und damit ist es gut.“

Ich nickte anerkennend und erwiderte:

„Nun gut. Ich werde mich hüten, Marc zu verärgern. Aber dennoch vielen Dank.“

Marc drehte sich um und nickte. Er hatte das wohl doch mitbekommen.

„Kluge Entscheidung. Ich bin in Halle von euch genauso gut betreut worden. Das gehört sich so. Hier werdet ihr die Gäste sein und wir betreuen euch. Und jetzt lass uns ein Stück um den See laufen.“

Sabine hakte sich bei ihm ein und ich ging neben den beiden her. Wir folgten einem Pfad, der direkt am Ufer entlang führte. Ein toller Blick auf den See inklusive. Es waren die Vögel im Hintergrund zu hören und ein leises Plätschern des Wassers. Diese Stille war wunderschön und ich hatte das Gefühl, dass ich Energie aus dem See aufsaugte.

„Ich möchte euch jetzt doch etwas erzählen. Vorhin war ich noch nicht dazu bereit, aber ich glaube, dass es jetzt an der Zeit ist, euch etwas zu erklären.“

Sabine schaute mich prüfend an.

„Bist du dir wirklich ganz sicher? Wir möchten dich nicht zu etwas drängen.“

„Ich weiß, aber ich möchte es euch erzählen. Vielleicht versteht ihr bestimmte Dinge dann besser. Es geht um eine Zeit in meiner Jugend. Ich war achtzehn und hatte zu der Zeit eine Freundin. Sie hieß übrigens auch Sabine. Sie war ein paar Monate jünger als ich und sie war genauso motorradverrückt wie ich. Ich hatte allerdings bereits den richtigen Motorradführerschein und sie noch den der Klasse 1b. Ich fuhr eine Yamaha Fj 1100. Das war damals eines der stärksten Serienmotorräder überhaupt.“

„Hm. vernünftig war aber anders. Du hattest doch gar keine Erfahrung.“

„Natürlich war das unvernünftig. Aus heutiger Sicht war es ein Wunder, dass ich mir damit nicht wehgetan hatte. An einem schönen Tag wollte sie mit mir in den Tennisclub fahren, um ein Eis zu essen. Leider war sie damals oft eigensinnig. Sie wollte nicht mit mir fahren, sondern unbedingt selbst fahren. Ich wiederum hatte allerdings keine Lust, auf sie zu warten und bin also vorweg gefahren. Wir wollten uns im Club treffen.“

Es war nicht zu glauben. Obwohl ich genau wusste, was mich erwartete, wühlte mich diese Erinnerung erneut auf. Sabine wusste es sofort. Sie lenkte uns zu einer Bank, die nicht weit von uns entfernt stand. Zu dritt saßen wir nebeneinander und schauten auf den See. Marc wurde ungeduldig. Er ahnte, was kommen würde.

„Sie kam am Treffpunkt nicht an und du machst dir bis heute Vorwürfe. Deshalb bist du nie wieder eine Beziehung eingegangen.“

Mir fehlten einfach die Worte. Erst nach Minuten des Schweigens sagte ich leise:

„Sie starb auf dem Weg in den Club. Und ich hätte es verhindern können. Es tut heute noch immer weh. Auch wenn ich weiß, dass ich keine Schuld trage. Ich möchte nie wieder so eine Situation erleben.“

„Wer möchte das schon, aber ist das wirklich der Grund, weshalb du keinen Partner hast?“

„Ich kann euch das nicht wirklich beantworten. Ich weiß es nicht. Vielleicht.“

Danach musste ich schweigen. Meine Gedanken gingen zurück in diese Zeit und ich war ganz weit weg von der Gegenwart. Es tat wieder weh, wenn auch nicht mehr so heftig wie noch vor einigen Jahren.

Sabine legte ihre Hand auf meine Schulter. Es tat gut zu spüren, dass beide mich verstanden hatten. Sie stellten keine weiteren Fragen und ich beruhigte mich wieder. Erst einige Augenblicke später fragte mich Marc:

„Wissen die Jungs von deiner Geschichte?“

„Nein, nur Thorsten habe ich das erzählt. Ich möchte sie nicht damit belasten. Es ist heute nicht mehr wichtig für unsere Zusammenarbeit.“

„Das sehe ich allerdings anders. Ihr arbeitet nicht zusammen, ihr lebt zusammen. Du bist viel mehr als ihr Trainer und das weißt du ganz genau. Ich denke, dass sie sich manchmal fragen, warum du so wenig von dir erzählst.“

„Sie können mich jederzeit fragen. Ich habe ihnen immer gesagt, dass ich offen für alle Fragen bin.“

„Würdest du deinen Trainer nach sehr persönlichen Dingen fragen, wenn du spürst, dass es ihm nicht gut geht?“

Marc hatte mich im Zentrum getroffen. Warum war mir das nicht selbst aufgefallen? Ich sollte mit ihnen bei Gelegenheit darüber sprechen. Vielleicht würde ich aufhören, mich manchmal vor ihnen zu verstellen.

„Nein, vermutlich nicht. Ich bin gerade etwas entsetzt über mich selbst. Ich sollte eigentlich wissen, wie es für die Jungs ist. Vielleicht sollte ich mich mit ihnen mal hinsetzen und ein paar Dinge besprechen.“

„Nur wenn du davon wirklich überzeugt bist, dass es richtig ist und sie es weiterbringen kann. Wenn du glaubst, es könnte eine Belastung darstellen, dann lass es sein.“

Komisch, jetzt war ich Patient und Marc und Sabine meine Therapeuten. Ich fühlte mich wie ein ertappter Schuljunge. Aber vielleicht brauchte ich diese Ohrfeige, um wach zu werden.

„Ich werde darüber nachdenken und vielleicht haben wir ja noch hier eine Gelegenheit, das zu besprechen. Irgendwie fühle ich mich momentan nicht sonderlich wohl. Einige Dinge gehen mir durch den Kopf.“

„Es ist ok. Lass dir Zeit damit. Wir wollten dich nicht drängen, aber vielleicht ist es eine Befreiung für dich. Du hast es sicher nicht ohne Grund Thorsten erzählt.“

„Richtig. Es hat mir gut getan. Anschließend hatte ich das Gefühl, eine wichtige Entscheidung getroffen zu haben. Was ja Blödsinn war.“

„Warum das denn? So eine Entscheidung ist niemals Blödsinn. Du hast dir etwas dabei gedacht und die Reaktion von Thorsten war vermutlich nicht negativ.“

„Das stimmt. Woher habt ihr eigentlich gewusst, was mir widerfahren ist? Ihr konntet es doch gar nicht wissen.“

„Wissen ist nicht richtig. Ich habe nur ein Gefühl gehabt, dass deine Geschichte nicht so glatt gelaufen ist, wie es den Anschein hatte. Du bist mir viel zu ernsthaft in allen Dingen. Mir fehlt das Lachen. Nur manchmal blitzen deine Augen auf. Das solltest du dir häufiger gönnen.“

Sabine hatte eine für mich faszinierende Art, Menschen zu beobachten.

„Dein Gefühl hat dich, wie schon so oft auch bei Luc, nicht getäuscht. Dafür liebe ich dich auch so.“

Marc hatte seine Frau umarmt und gab ihr einen Kuss. Das hatte ich bisher so noch nicht erlebt. Eigentlich war Marc auch eher der Kopfmensch. Hier zeigte er viel Gefühl. Vielleicht war er durch seine Prominenz oft eingeschränkt in seinem Verhalten. Ich war beeindruckt von Sabines Fähigkeiten.

„So langsam verstehe ich, woher Luc seine Empathie anderen gegenüber hat. Ich habe gedacht, ich hätte gute Fähigkeiten, mich mit anderen Menschen auseinanderzusetzen, aber gegen dich bin ich ein Waisenknabe.“

„Unsinn, du bist ein unglaublich einfühlsamer Mensch. Du hast tolle Eigenschaften und eigentlich nur eine Schwachstelle. Das bist du selbst. Du bist dir selbst gegenüber viel härter als allen anderen Menschen gegenüber. Du solltest viel mehr das Leben genießen. Du hast es dir verdient. Und ich habe beschlossen, das mit dir zu üben. Wir werden heute damit beginnen. Ich habe noch nicht viele Menschen wie dich getroffen. Marc hatte Recht, dich zu unterstützen ist wichtig. Sehr wichtig.“

Was sollte ich dazu sagen? Ich entschied mich, nichts zu sagen. Marc war zum ersten Mal tief bewegt und genau wie ich schwieg er. Sabine stand von der Bank auf und sagte:

„Kommt mit. Wir haben noch viel vor. Die Jungs brauchen uns noch. Ich möchte jetzt aufhören, dir etwas zu erklären. Du hast es schon lange begriffen, jetzt fang an, es zu tun. Fang an zu leben. Deine Freunde werden sich mit dir freuen. Du bist ein außergewöhnlicher Mensch mit wundervollem Charakter. Luc hat es sehr früh gespürt und uns eindringlich gebeten, dich zu unterstützen. Er hatte absolut recht.“

Plötzlich fing Marc an zu lachen. Er stand auf und umarmte seine Frau, dann drehte er sich zu mir um.

„Los, steh auf. Wir haben noch viel Spaß vor uns. Willst du mitkommen oder weiter mit dir hadern?“

Als ob bei mir ein Blitz einschlug, wurde mir bewusst, ich könnte hier etwas Neues beginnen.

„Ich komme mit und werde lernen, mein Leben mehr zu genießen.“

Sie lächelten beide und Marc sagte:

„Dann hast du eine gute Entscheidung getroffen und komm mit uns. Wir werden dir dabei helfen.“

Wir machten noch einen großen Spaziergang am Wasser entlang. Die Gespräche waren vielfältig, aber nicht mehr über Tennis. Es ging um die Zukunftsplanungen von Luc und bevor wir auf die Motorräder stiegen, sagte Marc:

„Eine Sache habe ich noch, die ist Luc sehr wichtig. Er möchte, dass du zu seinem achtzehnten Geburtstag mit deinen drei Jungs zu uns kommst. Er wird sich vermutlich nicht trauen, euch einzuladen. Er ist da etwas schüchtern, weil er in diesem Fall glaubt, dass es nicht in euren Turnierplan passt. Dennoch finde ich seinen Wunsch gut. Hier ist eine Einladungskarte mit allen wichtigen Daten. Besprecht das in Halle nach eurer Rückkehr.“

Ich nahm die Karte und steckte sie ein.

Auf der Rückfahrt ins Hotel fühlte ich mich komplett anders als am Morgen. Meine Kräfte schienen viel stärker und mit einem sehr positiven Gefühl betrat ich die Lobby, nachdem ich mich von Marc verabschiedet hatte. Am nächsten Morgen würden wir uns auf der Anlage wieder treffen.

Meine Jungs waren bereits zurück und schliefen. Das beruhigte mich sehr. Immerhin war es bereits weit nach Mitternacht als ich entspannt einschlief.

Dustin: Viertelfinale und mehr

Auch wenn wir uns vorgenommen hatten, vor Chris beim Frühstück zu sein, gelang uns das nicht. Chris saß bereits am Tisch und hatte seinen Laptop aufgeklappt. Fynn und Maxi mussten im besten Falle heute zwei Matches bestreiten. Deshalb begann unser Tag schon um kurz nach halb acht.

„Guten Morgen, Chris.“, sagte Maxi als wir uns dem Tisch genähert hatten.

Chris schaute vom Monitor auf und bekam große Augen.

„Guten Morgen zusammen. Sehr schön, dass ihr schon so früh da seid. Hattet ihr auch einen schönen Abend?“

Chris lächelte und hatte offensichtlich beste Laune. Mich freute das besonders, denn in letzter Zeit hatte ich mir ab und an Sorgen um Chris gemacht.

„Auf jeden Fall, wir sollen dir schöne Grüße von Stef und Luc bestellen. Sie kommen heute auch wieder zum Platz. Da Samstag ist, haben sie keine Schule.“

„Danke, sehr nett. Ich finde die beiden sind die perfekte Ergänzung für euch. Oder wie seht ihr das? So viele gleichgesinnte Freunde habt ihr ja noch nicht.“

Wir hatten uns zum Frühstück an den Tisch gesetzt und komischerweise hatte Chris noch nicht ein Wort zu den anstehenden Spielen gesagt. Sonst war dies das einzige Thema beim Frühstück. Er machte sogar den einen oder anderen Scherz und wir waren alle bestens gelaunt, als Chris, nachdem wir mit Essen fertig waren, fragte:

„Wo machen wir die letzte Besprechung vor dem Spiel? Wollt ihr das hier oder lieber auf der Anlage machen?“

„Ich würde es lieber noch hier machen. Dann hab ich mehr Ruhe auf der Anlage.“, bat Fynn.

Maxi schaute nicht so begeistert. Er hatte es lieber direkt vor dem Match, die letzten Dinge zu klären. Chris wusste das auch, dennoch schaute er Maxi fragend an. Der sagte wenig begeistert:

„Na gut, wenn es sein muss. Dann machen wir das aber beim nächsten Mal anders.“

„Warum beim nächsten Mal?“, fragte Chris.

„Na, weil ich das lieber anders möchte. Heute bekommt Fynn sein Recht und ich beim nächsten Mal.“

„Unsinn. Wo ist das Problem? Ich gehe mit Fynn kurz nach oben auf mein Zimmer. Und wir beide setzen uns auf der Anlage zusammen. Also das ist doch gar kein Problem. Du solltest es nur klar sagen, was dir wichtig ist. Es geht um deine Vorbereitung.“

Maxi schaute Chris mit wachen Augen an, was in Anbetracht der Uhrzeit erfreulich war, und erwiderte:

„Wenn dir das nichts ausmacht, würde ich das gern so machen. Ich warte dann hier unten mit meinen Sachen.“

„Nein, ihr werdet mit dem Shuttle fahren und ich fahre erst zu Heikki für meine Schulter. Ich bin aber rechtzeitig vor Ort. Oder andere Möglichkeit, du kommst mit mir mit und wir machen die Vorbereitung dann auf dem Weg zur Anlage nach dem Termin bei Heikki. Vielleicht kann er dir ja auch noch was Gutes tun.“

Chris war heute schon in Hochform und das strahlte er auch zu uns herüber. Ich war bester Laune und hatte ein starkes Gefühl, als ob heute etwas Außergewöhnliches auf dem Platz passieren würde. Und ich war motiviert wie selten, um mit meinem Schatz das Doppel zu gewinnen.

Maxi entschied sich, mit Chris zu fahren, sicher nicht nur wegen der Vorbereitung. Er hatte auf diese Weise auch eine Fahrt in Marcs rotem F 488 Spyder frei. Dafür beneidete ich ihn schon etwas. Aber es war auch ok. Dafür hatte ich mit meinem Schatz den Shuttle für uns. Ein wenig Ablenkung während der Fahrt war auch nicht verkehrt.

Das einzige Problem war dann nur unser irritierter Fahrer. Immer wieder schaute er in den Rückspiegel, weil Fynn und ich uns doch näher kamen, als es vielleicht anständig war. Jedenfalls hatten wir eine kurzweilige Fahrt.

„Ich möchte nicht wissen, was der Mann während der Fahrt über uns gedacht hat. Ich glaube, wir müssen beim nächsten Mal etwas anständiger bleiben.“

Ich schaute meinen Freund an und musste lachen. Mir hatte die Fahrt außerordentlich gut gefallen. So könnte es häufiger sein.

Chris hatte uns gesagt, dass wir uns im Turnierbüro melden sollten, um einen Trainingsplatz zugewiesen zu bekommen. Fynn war bereits unterwegs dorthin und ich stand allein auf dem Rasen vor dem Clubhaus. Die Taschen von Fynn und mir hatte ich zusammengestellt. Plötzlich kam ein Balljunge auf mich zu. Ich konnte an seinem Outfit erkennen, dass er zu den Ballkindern gehörte.

„Hi, bist du nicht einer aus dem Breakpoint Team, die hier die Pressekonferenz gemacht haben?“

Ich sah direkt in sein Gesicht, denn er war vor mir stehen geblieben. Für einen Augenblick bekam ich Panik, denn ich wusste nicht, wie er diese Frage gemeint hatte. Erst als er nach meinem Nicken mir die Hand entgegenstreckte und sich mit Kai vorstellte, entspannte ich mich wieder.

„Hi, ich bin Dustin und ja, ich bin aus dem Breakpoint Team. Warum fragst du?“

„Weil ihr cool seid. Ich hätte mich das nie getraut, so offen zu sagen, dass ich schwul bin. Meine Angst ist viel zu groß vor den negativen Folgen.“

„Also bist du auch einer von uns? Wie alt bist du denn?“, fragte ich überrascht.

„Ja, und ich bin fünfzehn.“

„Ok, und du hast dich bislang nicht geoutet? Hast du einen Freund oder noch nicht?“

Verdammt, ich sollte mich zurücknehmen. Ich wusste doch gar nichts über Kai. Chris hatte uns immer wieder gesagt, wir sollten anderen gegenüber vorsichtig und respektvoll sein.

„Sorry, ich wollte dich nicht bedrängen. Nur haben wir noch nicht allzu oft Gleichgesinnte getroffen. Ich freue mich einfach, dass wir nicht mehr ganz allein im Tennis sind.“

„Ist ok. Kein Problem. Aber ich habe noch keinerlei Erfahrungen damit. Es ist nur echt schwer, sich ständig verstellen zu müssen und nicht zu sich selbst stehen zu können. Ich habe einfach Angst.“

Ich konnte sehen, dass Fynn auf uns zu kam. Einerseits wollte ich mich mit Kai weiter unterhalten, aber ich sollte Fynn auch einschlagen.

„Sag mal, hast du gerade ein Match, was du betreuen musst oder möchtest du mit uns auf den Trainingsplatz kommen?“

Fynn war mittlerweile bei uns angekommen und ich hatte ihm Kai vorgestellt. Leider durfte Kai nicht mit uns kommen. Es war für die Ballkinder nicht erlaubt mit den Spielern auf den Trainingsplatz zu gehen. Musste ich nicht verstehen, aber wir akzeptierten das. Deshalb ging ich mit meinem Freund auf den uns zugewiesenen Platz zehn. Chris war noch nicht angekommen, aber wir spulten unser Pensum wie gewohnt ab. Mittlerweile war das zur Routine geworden. Ich hatte die Wichtigkeit des Aufwärmens und Einschlagens vor einem Match verinnerlicht. Genau wie Fynn und Maxi. Hier musste Chris nicht mehr ständig Anweisungen geben. Heute war es sogar so, dass er mit Maxi erst zwanzig Minuten später als vereinbart kam. Chris holte uns direkt am Netz zusammen, als er den Platz betreten hatte.

„Sorry Jungs, dass ich zu spät bin. Heikki hat mir die Fäden gezogen und das hat doch etwas länger gedauert, als es geplant war. Ich freue mich, dass ihr selbstständig und ernsthaft die Vorbereitungen begonnen habt.“

„Kein Problem. Das ist schön, dass du die lästigen Dinger jetzt wieder los bist. Wie fühlt sich das an?“

„Ist sehr schön, Fynn. Ich darf auch wieder selbst etwas spielen. Ich denke, wenn wir zu Hause sind, kann ich wieder den Ball rein spielen.“

„Geil, so muss das sein. Was machen wir jetzt? Maxi muss sich einspielen. Die Zeit wird knapp.“

Ich hatte mit einem Blick zur Uhr etwas Sorge, dass es für Maxi zu spät werden könnte.

„Ja, Maxi soll bitte direkt auf den Platz und mit Fynn ein paar Bälle schlagen. Fynn, bei dir ist alles geklärt?“

Fynn nickte und dann schlug er Maxi warm. Ich blieb mit Chris auf der Bank sitzen. Chris hatte immer noch beste Laune und machte auch den ein oder anderen lockeren Spruch. Das freute mich sehr, dass Chris sich entspannte und wieder fröhlicher war. Sofort war auch die Stimmung auf dem Platz wieder richtig gut. Luc und Stef waren mittlerweile mit Marc und Sabine eingetroffen. Luc und Stef kamen direkt an unsere Bank, währen Marc und Sabine mehr in der Beobachterposition stehen blieben. Sie hatten uns aber zugewunken.

Eine Viertelstunde später hatten Chris und ich den Platz bereits verlassen, während Fynn und Maxi noch ihre Taschen packten und uns dann auf die Terrasse folgten. Das Viertelfinale sollte beginnen und ich war sehr gespannt, ob einer von uns das Halbfinale erreichen würde.

Maxi musste gegen die Nummer eins der Setzliste antreten und war daher Außenseiter.

Chris hatte die Strategie genau auf diesen Punkt ausgerichtet. Maxi sollte unkonventionell spielen. Und das tat er auch. Er zerstörte jeden Versuch seines Gegners, einen Rhythmus zu entwickeln. Das führte zu immer wiederkehrenden Wutausbrüchen bei seinem Gegner und einfachen Konzentrationsfehlern. Eine kleine Sensation bahnte sich an und ich hatte Mühe ruhig auf meinem Stuhl zu bleiben. Chris hingegen blieb äußerlich vollkommen ruhig und machte stoisch seine Aufzeichnungen. Wie konnte man bei diesem Spiel so ruhig bleiben? Selbst Luc und Stef waren angespannt und feuerten Maxi frenetisch an.

Fynn hatte gerade erst begonnen und eigentlich hätte ich jetzt dort sein sollen. Aber in diesem wichtigen Moment wollte ich Maxis Spiel nicht verlassen. Chris allerdings sah das anders. Er drehte sich zu mir um und gab eine klare Anweisung heraus:

„Gehst du bitte zu Fynn. Das war so besprochen und er wird sonst unruhig sein.“

„Kann ich nicht noch etwas hier…“

„Nein, bitte geh rüber. Fynn wird auf dich warten und sich nicht konzentrieren können. Das weißt du genau. Also keine Diskussionen bitte.“

Ui. Chris hatte eine Tonlage gewählt, die für mich bedrohlich klang. So bestimmt hatte ich Chris noch nicht erlebt. Ich wagte auch keinen weiteren Versuch und stand von meinem Platz auf und machte mich zu Fynns Platz auf. Luc und Stef schauten auch etwas verdutzt, blieben aber bei Maxi. Während Marc zu mir kam und mich begleitete.

Sichtlich erleichtert schlug Fynn sich noch ein. Chris hatte mich zu recht so bestimmt losgeschickt. Das musste ich einsehen. Fynn wurde deutlich ruhiger, seit ich mit ihm Sichtkontakt hatte. Im Gegensatz zu mir. Mein Puls stieg schlagartig an. Fynn fing gut an und spielte sicher seinen Stil herunter. Schnell war mir klar, dass er gute Chancen hatte zu gewinnen.

Nach dem ersten Satz gab es eine Satzpause und Fynns Gegner verließ kurz den Platz. Fynn winkte mich zu sich an die Bank. Eigentlich war das nicht erlaubt. Der Schiedsrichter wollte schon eingreifen, aber Fynn erklärte ihm etwas und danach konnte ich den Platz betreten. Hoffentlich gab es kein ernstes Problem.

„Wie steht es bei Maxi? Hat er Chancen gegen die Nummer eins?“

Ich dachte, ich höre nicht recht. Da fragt er mich mitten in seinem Spiel nach Maxi. Und der Schiedsrichter konnte alles mithören. Das würde mit Sicherheit eine Strafe nach sich ziehen. Allerdings lächelte der Schiedsrichter, als ich Fynn erklärte, dass Maxi kurz vor einer großen Überraschung stehen würde. Mein Freund ballte die Faust und ein lautes „Yes“ folgte.

„Wir wollen im Halbfinale gegeneinander spielen. Dann ist auf jeden Fall einer im Finale.“

Es war echt unfassbar. Er hatte gerade mal den ersten Satz gewonnen und dachte schon an das Finale. Chris würde im Dreieck springen, wenn er das mitbekommen hätte. Ich schickte meinen Liebsten wieder auf den Platz zurück und der zweite Satz ging noch schneller vorbei. Fynn spielte extrem entspannt und locker. Das machte ihn sehr stark. Marc war beeindruckt.

„Das sieht extrem cool aus, was Fynn da spielt. Ist er immer so ruhig und souverän?“

„Ich staune auch, aber finde das mega geil. So dominant habe ich ihn selten gesehen.“

Und kurz bevor Fynn seinen ersten Matchball hatte, tauchte Chris mit Maxi bei uns auf. So wie Maxi strahlte, hatte er gewonnen. Chris war auch entspannt und als sie neben uns standen, schlug Fynn zum Matchball auf. Chris fragte:

„Na, wie steht es?“

„Matchball!“

„Wie Matchball?“, fragte Maxi.

„Fynn hat Matchball.“, sagte ich.

Stille.

Chris war sprachlos und wir schauten uns den Ballwechsel gemeinsam an. Als Fynn den Punkt gemacht hatte, sagte Chris überraschenderweise nur noch ein Wort:

„Geil!“

Dann umarmte er uns und wir freuten uns gemeinsam über diesen tollen Erfolg in Genf. Jetzt konnte das Halbfinale kommen.

Chris: Entspannt ist besser

Ich hatte ein extrem gutes Match von Maxi gesehen und war mit ihm in einem entspannten Gespräch beim Match von Fynn angekommen. Luc und Stef begleiteten uns zum Platz. Luc freute sich wie ein Schneekönig. Stef schien das etwas peinlich zu sein. Ich freute mich mit Luc und sagte zu Maxi:

„Das war ein richtig geiles Match und so machst du es mir sehr einfach, das Spiel zu begleiten. Jetzt schauen wir mal was Fynn so treibt.“

Wir stellten uns zu Dustin und ich fragte:

„Na, wie steht es?“

„Matchball!“

Ich dachte, ich höre nicht recht. Fynn hatte bereits Matchball? Meine Güte, wie scharf war das denn bitte? Fynn machte den Punkt und meine Begeisterung war groß.

„Geil!“, sagte ich nur und umarmte die Jungs.

Danach musste ich einfach schnell auf den Platz und Fynn gratulieren. Es fühlte sich so toll an, beide Jungs im Halbfinale zu haben. Und damit sogar einen im Finale, denn sie mussten jetzt gegeneinander antreten. Beim letzten Aufeinandertreffen hatte Maxi klar die Oberhand behalten. Da war ich mir jetzt gar nicht mehr so sicher. Fynn war viel besser auf dem Platz und vor allem im Kopf geworden. Da könnte es dieses Mal durchaus anders ausgehen.

„Leute, ich lade euch zur Feier des Tages zu einem Eis ein. Richtig essen werden wir erst heute Abend. Am besten gehen Maxi und Fynn Nudeln essen und anschließend lade ich euch zum Eis ein.“

Ich schlug meine Jungs ab und auch die Steevens Familie beglückwünschte die beiden. Nur Fynn schien nachdenklicher zu sein als Maxi. Irgendetwas beschäftigte ihn. Dieses Mal wollte ich abwarten, ob er zu mir kommen würde oder nicht. Die Jungs machten sich auf den Weg ins Clubhaus. Marc und Sabine blieben bei mir und Marc fragte mich:

„Was hat Fynn für ein Problem? Hat er was gesagt?“

„Nein, ich weiß es nicht. Aber du hast es also auch bemerkt?“

„Sabine ist es aufgefallen. Und dann hab ich genauer hingesehen und muss zugeben, dass es auffällig war.“

„Du wirst jetzt aber nicht hinterher gehen und fragen. Wage es nicht.“

Sabine grinste mich an und verwirrte mich komplett. Ich schaute sie fragend an.

„Na, ich kenn dich doch. Du bist sonst immer gleich der Sache auf den Grund gegangen. Fynn ist kein Kleinkind mehr und er weiß, dass er dich bei allen Problemen fragen kann. Also entweder kommt er von sich aus oder eben nicht. Du wirst jedenfalls nicht fragen.“

Marc schaut sie streng an und schüttelte seinen Kopf.

„Sag mal Sabine, glaubst du nicht, du solltest Chris das entscheiden lassen? Es ist seine Verantwortung, wie er diese Situation regelt.“

„Lass gut sein, Marc. Ich glaube, dass es richtig ist, nicht hinterher zu gehen. Er muss das allein entscheiden können, ob er mit mir sprechen möchte oder nicht. Ich muss mehr loslassen. Sonst werden sie nie selbstständig.“

„Du machst dich langsam. Sehr schön. Ich habe also noch Hoffnung.“

Das war einfach zu viel. Marc und ich lachten befreit auf. Dieses Lachen tat richtig gut. Es zeigte mir erneut, dass ich lockerer werden musste und es gab auch keinen Grund, das nicht zu tun. Meine Truppe wurde immer eigenständiger und arbeitete ernsthaft an ihrer Entwicklung.

Zwei Stunden später standen die Familie Steevens und ich auf der Tribüne beim Halbfinale. Dustin hatte sich noch einmal zu seinem Freund begeben und es hatte sich mittlerweile geklärt, was für ein Problem Fynn hatte. Er wollte auf das Doppel mit seinem Freund verzichten, weil es für ihn zu anstrengend war, noch beides spielen zu müssen. Er wollte aber andererseits seinen Freund und Partner nicht enttäuschen. Ich brauchte mich also gar nicht einzumischen, denn Dustin hatte die gleiche Beobachtung gemacht wie wir. Die beiden hatten das ganz allein geklärt und ich freute mich über Dustins Reaktion. Er unterstützte seinen Freund dabei, allerdings hatte er scherzhaft eingefordert, dass Fynn jetzt auch gefälligst gewinnen müsse.

Ich wollte mir dieses Match in aller Ruhe und ohne Stress ansehen. Luc hatte sogar seine Kamera dabei und wollte das Spiel aufnehmen. Marc hatte für uns alle Getränke besorgt und somit hatte dieses Halbfinale für mich eher den Charakter eines entspannten Genießens.

Es entwickelte sich zwar ein spannendes und hochklassiges Match, aber in sehr entspannter Atmosphäre. Die beiden saßen entgegen allen Gepflogenheiten bei einigen Seitenwechseln auf einer Bank. Das irritierte selbst den Schiedsrichter.

Wie ich bereits vermutet hatte, schlug Fynn viel stärker auf und setzte Maxi unheimlich unter Druck. Es entwickelten sich tolle Ballwechsel und hier wurde es offensichtlich, wie sehr die Psyche beim Tennis Einfluss nehmen konnte.

Luc filmte das gesamte Match, inklusive der Pausen. Ich fragte mich, warum er das machen würde. Allerdings tat er das sehr sorgfältig und ich kannte Luc lange genug, um zu wissen, dass er einen Plan hatte.

Immer wieder musste ich applaudieren für tolle Ballwechsel und Punkte. Mir war es natürlich egal, wer gewinnen würde. An einer Stelle hatte ich allerdings von beiden noch eine Lehrstunde in Sachen Fairness sehen können.

Maxi hatte einen Ball an die Linie gespielt, den der Schiedsrichter ausgegeben hatte. Das bei einem Spielstand von 5:5 im ersten Satz und 0:30. Also wäre das ein 0:40 gewesen und damit drei Breakbälle für Fynn. Fynn ging zum Abdruck an die Linie, schaute sich den Ball an und wischte über die Linie. Er gab den Ball gut und wollte den Punkt wiederholen. Der Schiedsrichter hatte aber entschieden und wollte seine Entscheidung nicht zurücknehmen. Ich war sehr gespannt, wie sie das regeln würden und auch Stef fragte mich:

„Warum akzeptiert der Schiedsrichter Fynns Entscheidung nicht? Jetzt könnte das doch richtig Stress geben.“

„Das weiß ich nicht, aber Stress gibt das nicht. Ich bin mir sicher, die beiden werden eine deutliche Lösung finden.“

Ich hatte es noch nicht ausgesprochen, da standen beide am Netz und sprachen miteinander. Innerhalb von Sekunden hatten sie sich geeinigt und der nächste Punkt war eine Demonstration für den Schiedsrichter. Maxi schlug von unten auf und Fynn reagierte nicht. Er verweigerte den Ball. Damit bekam Maxi den Punkt und es stand 15:40. Das gleiche passierte noch beim nächsten Punkt und erst dann spielten beide normal weiter. Es ging noch in den Tie-break, den sich Fynn dann sicherte.

So ein Turniermatch hatte ich schon lange nicht mehr so entspannt erlebt. Ich konnte mich mit meinen Freunden unterhalten und musste nicht jeden Ball mitspielen. Auch das Ende des Matches war wenig spektakulär. Fynn war heute der bessere Spieler und als sie sich am Ende am Netz die Hände gaben, umarmten sie sich zusätzlich. Ich freute mich, dass meine Jungs es schafften, auch auf dem Platz so miteinander umgehen zu können.

Ich wollte auch keinen Kommentar zu diesem Spiel abgeben. Meine Aufgabe war es nun, Fynn auf sein Finale am nächsten Tag vorzubereiten. Beide kamen gemeinsam zu uns und Maxi hatte akzeptiert, dass Fynn heute verdient gewonnen hatte. So machte mir meine Arbeit noch mehr Freude.

Mit einem Blick zur Uhr verabschiedeten sich Marc und Sabine von uns. Sie wollten sich das Finale natürlich nicht entgehen lassen und Marc erinnerte mich noch daran, dass wir nach dem Finale dann zu ihnen nach Hause fahren und Tennis dort kein Thema mehr sein würde.

„Schon gut, ich habe es begriffen. Sollen wir die Schläger schon nach Hause schicken oder dürfen wir die noch mitbringen?“

Das führte insbesondere bei den Jungs zu großer Heiterkeit.

Leider mussten Fynn und Maxi auslaufen und sich beim Physio melden. Komischerweise brauchte ich sie gar nicht daran zu erinnern und Dustin ging freiwillig mit. Sie kümmerten sich darum eigenständig. Mir verschaffte das Luft, um mit Thorsten zu telefonieren.

„Leibig“, meldete sich am anderen Ende die mir bestens bekannte Stimme.

„Hi, Thorsten. Chris hier. Ich wollte dir kurz einen Bericht geben. Wir haben Fynn morgen im Finale. Er hat heute das Halbfinale gegen Maxi gewonnen.“

„Wow, das ist ja geil. Glückwunsch. Das freut mich sehr. Wie geht es dir? Macht deine Verletzung Fortschritte?“

„Danke. Ja, Heikki hat heute die Fäden gezogen und ich kann wieder fast alles machen. Wenn ich zurück in der Heimat bin, werde ich wohl auch wieder mit Schläger auf dem Platz stehen.“

Thorsten lachte und ich gab ihm einen Überblick. Er hörte sich alles an und fragte:

„Wie lange bleibt ihr noch in Genf bei den Steevens? Wir müssen das in der Schule melden, wann ihr zurück seid. Und hier läuft es auch richtig gut. Carlo und Tim machen sich prima. Allerdings fragen sie schon nach dir. Sie wollen, dass du sie wieder trainierst. Gerade für Tim ist das nicht so einfach hier.“

„Ok, ich werde Tim mal eine Mail schreiben. Wir sind ja bald zurück. Es ist schon krass, wie sehr sich meine Truppe positiv entwickelt. Sie arbeiten auch eigenständig und verantwortlich. Ich muss nicht mehr ständig den Aufpasser spielen.“

„Wenn du das nicht hinbekommen hättest, wäre vermutlich jeder andere daran gescheitert. Können wir euch fest für das nächste Bundesliga Spiel einplanen? Thomas muss das wissen, wie er planen kann.“

„Ja, wenn sich keiner verletzt, werden wir rechtzeitig zurück sein. Grüß mal schön. Was habt ihr mit dem Verband erreicht?“

„Nichts, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Gerry hat die Rechtsabteilung von ihm auf diese Sache angesetzt. Mach dir bitte keinen Kopf darum. Das ist nicht deine Baustelle. Gerry nimmt das sehr ernst und wird sich dazu auch noch einmal öffentlich äußern. Vermutlich mit dir gemeinsam bei einer Pressekonferenz an einem der nächsten Turniere hier bei uns. Sei dir ganz sicher, du hast alles richtig gemacht. Gerry steht voll hinter dir.“

Mir tat das natürlich sehr gut. Es war meine große Unbekannte. Wie würde Gerry wirklich damit umgehen. Wir hatten ihn schließlich nicht vorher informiert.

„Danke, das beruhigt mich schon. Ich hab schließlich nicht vorher …“

„Hey, das Thema ist erledigt. Wir haben das besprochen und das passt so. Schau nach vorn mit den drei Jungs.“

Wir tauschten noch kurz ein paar organisatorische Dinge aus und dann steckte ich das Handy wieder ein.

Luc und Stef verabschiedeten sich von uns. Luc hatte noch eine Verabredung mit seinem Vater in dessen Werkstatt. Stef hingegen wollte zu Hause für die Schule lernen. Wir würden sie am nächsten Tag zum Finale wiedersehen.

Was mich allerdings wunderte waren meine drei Jungs. Sie waren noch immer nicht vom Auslaufen zurück. Normalerweise dauerte das etwa fünfzehn Minuten. Ich schaute mich um und begann, nach ihnen zu suchen. In unserer auffälligen Teamkleidung waren sie eigentlich nicht zu übersehen. Mein Blick über die Anlage wurde aber nicht fündig. Etwas Unruhe kam bei mir auf. Hoffentlich war nichts passiert.

Plötzlich kamen meine drei Jungs durch den Spielereingang auf das Gelände zurück. Erleichterung machte sich bei mir breit. Ich ging ihnen entgegen und sah, dass Maxi leicht humpelte.

„Hey, was ist passiert?“

Fynn holte tief Luft und antwortete: „Maxi ist beim Auslaufen umgeknickt. Deshalb hat es auch länger gedauert bis wir jetzt zurück sind.“

„Lass mal sehen.“, sagte ich und kniete mich hin, um den Fuß zu untersuchen. Die Schwellung war deutlich fühlbar. „Ok, das sollte untersucht werden. Wir gehen zum Turnierarzt.“

„Mensch Chris, muss das echt sein. Morgen merke ich davon doch nichts mehr.“

Maxi wollte das herunterspielen. Da eine richtige Schwellung fühlbar war, ließ ich mich auf keine Diskussionen ein.

„Nichts da. Wir gehen zum Doc. Fynn und Dustin, ihr könnt schon ins Hotel fahren. Ich komme mit Maxi dann nach.“

Beide nahmen das zwar mit einem Lächeln auf, ich konnte dennoch die Besorgnis erkennen. Diese Verletzung bei Maxi beunruhigte die beiden.

„Leute, macht euch nicht verrückt. Maxi kann noch laufen und der Fuß ist noch dran. Es ist eine Routineuntersuchung. Sollte es etwas Ernsteres werden, melde ich mich bei euch.“

Kurze Zeit später saß ich mit Maxi beim Turnierarzt. Er untersuchte den Knöchel und machte einige Aufnahmen. Nach dem Röntgen mussten wir noch einige Minuten auf die Bilder warten. Maxi war ungehalten und verärgert.

„Hey, reg dich ab. Du änderst es eh nicht mehr. Das kann halt immer mal passieren. Ich glaub nicht, dass das ein großes Problem ist.“

„Du magst recht haben, aber es ist dennoch ärgerlich. Ich war einen Moment abgelenkt und schon knicke ich um. Einfach zu blöd.“

In diesem Moment betrat der Arzt unseren Raum und bat uns in das Nebenzimmer.

„Setzt euch bitte. Ich habe mir die Bilder schon genau angesehen und kann Entwarnung geben. Es ist nichts gebrochen und auch nichts gerissen. Mach einfach zwei Tage Trainingspause. Dann sollte die Schwellung wieder verschwunden sein.“

Ich war erleichtert, aber Maxi ärgerte sich über diesen Fauxpas. Egal, ich bedankte mich für die Untersuchung und nahm Maxi mit nach draußen.

„Komm, wir verschwinden hier. Sieh es doch mal positiv. Du darfst jetzt noch mal im Ferrari mitfahren, während die anderen den Shuttle nehmen mussten.“

„Ok, das stimmt. Das werde ich genießen. Aber können wir offen fahren?“

„Natürlich fahren wir offen. Es regnet nicht, also wird offen gefahren.“

Maxi konnte wieder lachen. Ich hatte innerlich allerdings tief durchgeatmet. Eine weitere Verletzung wäre echt blöd gewesen.

Marc: Finaltag

Meine Güte waren Luc und Stef heute aufgedreht. Ich hatte den Verdacht, dass die beiden sich doch schon viel enger mit Dustin und Fynn angefreundet hatten, als ich das bisher bemerkt hatte. Beim Frühstück war nur das Finale Thema und wie wohl die Siegerehrung verlaufen würde. Luc hatte den Gedanken, dass Fynn mit Dustin gemeinsam zur Siegerehrung gehen würde. Egal ob er gewinnt oder verliert. Das wäre eine Provokation für den Verband und vielleicht einige der Sponsoren vom Turnier. Andererseits fand ich das genau richtig. Sie hatten sich entschieden, sich offen zu ihrer Beziehung zu bekennen und dann wäre es nur konsequent, dies auch zu dokumentieren. Mal abwarten, was heute geschehen würde.

„Ich geh schon mal das Auto holen.“, rief uns Luc auf die Terrasse.

Sabine schaute mich fragend an: „Hast du ihm das erlaubt? Nicht, dass etwas kaputt geht.“

„Ja, aus der Garage fahren und wieder hinein darf er. Aber auf der Straße darf er noch nicht. Schatz, er hat seinen Führerschein bestanden. Also wird er wissen, was er tut.“

Stef schien das auch nicht zu beunruhigen. Er blieb bei uns am Tisch sitzen und las weiter in der Tageszeitung. Bis er mir einen Artikel zeigte.

„Schau mal hier, Marc. Da gibt es einen Bericht über das Turnier bisher. Auch mit einigen Bildern von uns auf der Tribüne.“

Ich nahm die Zeitung, die mir Stef hingelegt hatte und las den Bericht. Ich musste schmunzeln, denn die Autorin schrieb sehr humorig über Fynns und Dustins Beziehung. Sogar mein Statement aus der Pressekonferenz wurde zitiert. Mir gefiel das gut. So wurde das Thema öffentlich und nicht mehr im Geheimen diskutiert.

„Hoffentlich lockt das keine rechten Typen an. Immerhin wird ja hier auch für das Finale heute geworben.“

Ich schaute Stef an und irgendwie konnte ich seine Bedenken auch verstehen. Allerdings durfte das kein Grund sein, sich zu verstecken. Ich war bereit, meine Freunde immer zu verteidigen. Auch gegen rechte Deppen.

„Denkst du ernsthaft, dass es Probleme geben könnte? Soll ich mit dem Veranstalter noch einmal vor dem Finale sprechen?“

Stef zuckte mit den Schultern. Es schien ihm auch etwas unangenehm zu sein. Ich fand es jedoch gar nicht unangenehm, denn ich musste zugeben, dass ich mich bis jetzt nicht mit diesem Gedanken beschäftigt hatte.

„Was denkst du dazu? Es interessiert mich wirklich. Hast du Bedenken, dass etwas passieren könnte?“

„Ja, habe ich. Es wird zu viel darüber berichtet. Und nur positiv. Das ist doch eine Provokation für diese Vollpfosten. Ich würde die Sicherheitsleute darauf vorbereiten.“

Wenn Stef so etwas sagte, sollte ich das ernst nehmen. Er fürchtete sonst nie um die Sicherheit. Ich stand vom Tisch auf und nahm das Handy in die Hand. Ich wählte die Nummer vom Turnierbüro.

Nach einem kurzen Gespräch versprach mir der Turnierdirektor, die Security darauf vorzubereiten. Außerdem sollten Fynn, Dustin und vor allem Chris einen Sicherheitsmann zur Seite bekommen. Ein weiteres Drama wie in Kitzbühel durfte es nicht geben. Chris würde sicher nicht begeistert sein, aber ich stand hinter dieser Entscheidung.

„Marc, vielleicht solltest du Chris vorher informieren. Er wird sonst bestimmt sauer werden. Er mag das doch überhaupt nicht, abgeschirmt zu werden.“

„Den gleichen Gedanken hatte ich auch gerade. Sagst du Luc bitte, dass wir noch ein paar Minuten brauchen. Ich spreche noch mit Chris, dann können wir losfahren.“

Es wäre auf jeden Fall besser, Chris zu informieren bevor die Security seinen Schutz übernahm. Also wählte ich seine Nummer. Nach nur zweimaligem Klingeln hörte ich seine Stimme.

„Hi Marc, was gibt es? Wir sehen uns doch gleich.“

„Hi Chris. Ja, wir sehen uns gleich, aber ich habe eine wichtige Information für dich.“

„Oha, schieß los. Was gibt es?“

Ich erklärte ihm den Sachverhalt und dass wir uns entschieden hatten, ihm und den Jungs einen Securitymann an die Seite zu stellen.

„Ihr habt also ernsthaft Sorge, dass es zu Zwischenfällen kommen könnte?“

„Leider ja. Stef hatte mich darauf hingewiesen und wenn Stef sich schon Gedanken macht, dann sollte ich das ernst nehmen. Und du auch.“

Für einen Moment schwieg Chris und er atmete tief aus. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er sich fühlen musste. Umso bemerkenswerter war seine Reaktion.

„Also gut. Ich akzeptiere eure Sorge und werde die Jungs informieren. Außer Fynn. Wenn ich ihm das vor dem Match erzähle, wird er keine Minute mehr angstfrei spielen. Dustin werde ich aufklären und Fynn bekommt bitte dezent den Sicherheitsmann. Er darf nicht merken, dass er nur für ihn da ist.“

„Geht in Ordnung. Pass auf, Chris. Wir fahren gleich hier los und ich kümmere mich sofort um diese Geschichte, sobald ich auf der Anlage bin. Der Turnierdirektor weiß bereits Bescheid und wird die Leute anweisen. Heute darf nicht wieder etwas passieren, auf gar keinen Fall.“

„Schon gut. Ich habe dich verstanden. Wir passen auf und danke, dass du mich noch angerufen hast. Bis gleich.“

Ich legte sehr nachdenklich mein Handy auf den Tisch. Stef schaute mich an und sein Blick sagte viel. Er war verängstigt. Das hatte ich seit ganz langer Zeit bei ihm nicht mehr gesehen. Mir wurde bewusst, heute musste ich höllisch aufpassen und mich um meine Jungs kümmern.

Die Fahrt zum Club nutzte ich, um mit meiner Familie die Lage zu besprechen. Bevor wir aus dem Van ausstiegen, sagte ich:

„Also passt bitte auf unsere Gäste auf und über jede Situation, die euch komisch vorkommt, möchte ich sofort informiert werden. Ansonsten haltet Fynn diesen Stress vom Hals. Er soll sich nur auf sein Match konzentrieren. Alles andere ist unsere Aufgabe. Habt ihr noch Fragen?“

Keiner sagte noch etwas, also konnte es losgehen.

„Gut, dann lasst uns dennoch so viel Spaß haben, wie es möglich ist. Wir werden unsere Freunde unterstützen.“

„Darauf kannst du dich verlassen, Papa. Keiner dieser Verrückten und Kranken darf sich hier sicher fühlen.“

Ich legte meine Arme um die beiden Jungs und Sabine schmunzelte über das Bild.

„Na, das ist doch mal ein Anblick. So wird heute nichts, aber auch gar nichts schiefgehen. Mein Gefühl sagt mir, Fynn wird das Turnier gewinnen.“

Gedanklich war ich schon auf der Anlage und schärfte meine Sinne. Heute würde ich vermutlich beim Spiel wenig Ruhe haben.

Chris empfing uns bereits hinter dem Eingang. Er schien sehr angespannt zu sein und mit einem Rundblick erkannte ich sofort den Sicherheitsmann, der für ihn zuständig war.

„Hi, Chris. Wie ist die Lage bei euch? Alles gut?“

„Soweit schon, aber ich bin sehr angespannt. Einerseits ist das ein Finale und andererseits beunruhigt mich deine Sorge um unsere Sicherheit. Fynn habe ich komplett abgeschirmt und mit Dustin in die Kabine geschickt. Er soll sich konzentrieren. Ich gehe gleich zu ihm und bleibe dann auch bis zum Beginn des Finals bei ihm. Ihr könnt schon auf eure Tribünenplätze gehen. Ich komme auch dort hin, sobald Fynn auf den Platz geht.“

Luc und Stef hatten das mitbekommen und wünschten Fynn viel Glück. Chris sollte das ausrichten. Auf dem Weg zu unseren Plätzen musste ich etliche Autogramme schreiben und damit lenkte ich die Aufmerksamkeit der Leute eher auf mich. Am Platz angekommen, begrüßte mich der Turnierdirektor und gab mir einen kurzen Lagebericht. Alles schien ohne besondere Vorkommnisse zu sein. Hoffentlich blieb das bis zum Schluss auch so.

Das Spiel begann mit dem Einmarsch der Spieler und deren Vorstellung. Fynns Gegner hieß Malte Neumann, war 21 Jahre alt und galt als klarer Favorit. Ein Linkshänder. Das sollte für Fynn kein Problem darstellen, da Chris auch Linkshänder ist. Für die Nichtexperten sei erklärt, dass der Ball eines Linkshänders eine entgegengesetzte Rotation hat. Er fliegt also anders, als bei einem Rechtshänder. Gerade beim Aufschlag ist das gravierend.

Es wurde noch der Schiedsrichter vorgestellt und anschließend spielten sich die beiden ein. Fünf Minuten dauerte das, dann kam das bekannte Signal „Time“ und das Spiel begann.

Fynn war sofort nur noch auf jeden Ball fokussiert und startete sehr stark.

Chris kam zu uns, als es bereits 30:0 für Fynn im ersten Spiel stand. Chris begrüßte meine Familie jetzt herzlich mit einer Umarmung. Er war sehr angespannt und konzentrierte sich unmittelbar auf das Spiel. Was mich verunsicherte, wo war der Sicherheitsmann für Chris? Ich schaute mich um und erst auf den zweiten Blick konnte ich ihn finden. Er saß nur drei Stühle von uns entfernt, aber sehr unauffällig. Ich hatte also drei Sicherheitsleute in unmittelbarer Nähe. Hinter den Spielerbänken stand bei jedem Seitenwechsel ein Sicherheitsmann. So wie bei den großen Profiturnieren. Eigentlich war das schon extrem. Nun gut, lieber ein Sicherheitsmann zu viel, als ein Attentat zu viel.

Das Spiel begann für mich als Laien normal und ausgeglichen. Chris spielte jeden Punkt im Geiste mit. Ich konnte es an seinen Körperreaktionen sehen. Das Publikum sah ein hervorragendes Spiel und die Spannung stieg mit jedem weiteren Aufschlagspiel an. Beim Spielstand von 4:3 für Fynn, hatte er einen Breakball. Leider wehrte sein Gegner diesen mit einem As ab und glich anschließend zum 4:4 aus.

Für mich war es immer wieder faszinierend, wie Chris mit Fynn kommunizierte. Allein durch Blickkontakt konnte Chris Sicherheit ausstrahlen. Wir feuerten Fynn bei jedem Punkt an und auch ich spürte die steigende Anspannung.

Chris hatte sich komplett abgeschirmt und ich wusste, wie wichtig es jetzt war, ihn nicht zu stören. Luc wurde unruhig. Er wollte Chris etwas fragen, aber das mochte Chris nicht sonderlich, in so einer kritischen Phase gestört zu werden.

„Luc, warum bist du so unruhig? Was hast du bemerkt?“

„Ich glaube, dass Fynn ein Problem hat. Er ist mit seinem Schläger nicht zufrieden. Immer wieder testet er die Besaitung. Vielleicht sollten wir Chris darauf hinweisen.“

„Nein, das wird Chris sicher bemerkt haben. Er kennt Fynn so gut wie kein anderer. Außerdem wäre es Fynns Aufgabe, Chris das zu signalisieren. Du lässt Chris in Ruhe arbeiten.“

Chris hatte natürlich unser Gespräch in der Wechselpause verfolgt und es war keine Überraschung für mich, dass er Luc eine Antwort gab:

„Du hast sehr gut beobachtet. Es stimmt, seine Saiten sind ihm zu weich. Er hat keine optimale Kontrolle über den Ball. Wenn du für mich etwas tun möchtest, geh bitte zum Saitenservice und hol die beiden Schläger für Fynn dort ab. Sie sollten in zehn Minuten fertig sein.“

Luc nickte und machte sich sofort auf den Weg. Ich schaute ihm nach und auch Stef blickte für einen Augenblick seinem Freund nach. Was mir dabei entging, unten auf dem Platz passierte etwas. Fynn hatte Probleme, seinen Aufschlag durchzubringen und das gerade zum Ende des ersten Satzes. Jetzt ein Break wäre gleichzusetzen mit dem Satzverlust. Chris reagierte umgehend und beruhigte Fynn. Es war beeindruckend zu erleben, wie wichtig Chris auf der Tribüne für Fynn war.

Der Junge nahm sich einfach etwas mehr Zeit vor dem nächsten Aufschlag und servierte exzellent. Somit hatte der Gegner keine Chance, sich das Break zu holen. Fynn führte 6:5 und war sicher im Tie-break.

Luc brachte ihm die Schläger und kam anschließend wieder zu uns.

Allerdings spürte ich die knisternde Spannung auf dem Platz. Beide Spieler wussten genau, dass es jetzt im ersten Satz um alles ging. Fynn nutzte seine etwas bessere Position der Führung aus. Er begann sehr druckvoll zu spielen und holte zwei gute Punkte. 0:30, noch zwei Punkte und Fynn hätte den Satz gewonnen. Leider stand es schnell 30:30 und Fynn musste kämpfen. Chris saß zwar äußerlich ruhig auf seinem Platz, aber jeder Muskel war angespannt.

Ich hatte mittlerweile auch den Blick für unser Umfeld verloren. Ich konzentrierte mich nur noch auf das Geschehen auf dem Platz. Fynn spielte erneut zwei grandiose Punkte und da war der Satz unser. Chris sprang vom Stuhl und applaudierte stürmisch. Fynn hatte die Faust geballt und reckte sie uns entgegen. Dustin hüpfte vor Freude herum und verließ für einen Moment unsere Position. Chris reagierte sofort.

„Luc, begleitest du Dustin bitte. Er soll nirgendwo allein hingehen.“

Luc zuckte zusammen. Wir hatten alle die Sicherheitslage vergessen. Zu meiner Schande, ich auch. Chris hatte das sogar noch während des Spiels im Kopf. Unglaublich. Luc sprang sofort auf und lief Dustin hinterher. Aus den Augenwinkeln konnte ich allerdings erkennen, dass ein Sicherheitsmann bereits bei Dustin war und ihn begleitete. Das funktionierte hervorragend. Die Leute machten einen guten Job.

Schnell erkannte ich Dustin mit Luc unten am Platz. Sie stellten sich hinter die Bank von Fynn und wurden sofort vom Sicherheitspersonal angesprochen. Dustin zeigte wohl seinen Spielerausweis und so durften sie dort bleiben. Chris musste lachen.

„Warum lachst du jetzt?“, fragte ich.

„Schau doch mal da runter. Dustin konnte es wohl nicht mehr hier aushalten.“

Er zeigte auf die beiden Jungs und auch Sabine fing an zu lachen. Es war ein tolles Bild, Stef machte auch gleich einige Bilder mit dem Handy.

Die Satzpause nutzte ich, um uns mit frischen Getränken zu versorgen. Auch meine Bewegungen wurden ständig von der Security überwacht. Hier sollte wirklich nichts passieren. Oder wenn doch, würde es den Deppen sehr schwer gemacht werden.

Selbst als ich am Getränkestand von einem Balljungen um ein Autogramm gebeten wurde, stand sofort ein Sicherheitsmann neben mir und schaute ganz genau hin. Der Veranstalter hatte Wort gehalten und ich fühlte mich sehr gut beschützt. Vielleicht sogar etwas übertrieben.

Bei meiner Rückkehr erlebte ich einen sehr entspannten Chris, einen erstaunlich entspannten. Was hatte ich verpasst. Das Spiel lief weiter und Fynn führte bereits 3:0 und sein Gegner begann sich aufzuregen. Der Schläger flog mehrfach auf den Boden und der Schiedsrichter verwarnte ihn.

„Was ist denn passiert? Ist das normal, dass ein ausgeglichenes Spiel nach einem Satz so auseinander bricht?“

Chris nickte und erwiderte:

„Ja, das kommt durchaus häufiger vor. Gerade bei jungen Spielern findet man das. Sie haben noch nicht die innere Ruhe und Ausgeglichenheit, um in dieser Situation gelassen zu bleiben. Das habe ich bei Dustin auch schon häufiger erlebt. Ist aber sehr normal.“

„Heißt das, Fynn wird das jetzt locker nach Hause spielen?“

„Nein, ganz sicher nicht. Das kann auch ganz schnell wieder kippen.“

„Hast du Stef irgendwo gesehen?“

Sabine saß noch auf ihrem Platz, aber sonst war ich mit Chris allein. Chris schmunzelte und zeigte auf die Bank auf dem Platz. Hinter der Bank standen die Jungs. Wie eine Wand und feuerten ihren Freund an. Ich musste lachen.

„Ok, da hätte ich auch selber drauf kommen können. Wenn Luc unten bleibt, wird sich Stef hier oben nicht lange halten. Dustin und Maxi sind ja auch bereits dort.“

„Lass sie doch, dort unten helfen sie Fynn jetzt am meisten. Er muss ruhig bleiben und sich gut fühlen. Wenn sein Freund bei ihm ist, wird das am ehesten so sein.“

Chris kannte seine Truppe sehr gut und ich hatte keinen Grund, dies anders zu sehen. Auch Sabine lächelte. Ich war unruhig, denn sollte Fynn sein erstes Finale ausgerechnet in Genf auf der Profitour gewinnen, wäre das schon etwas ganz Besonderes.

Sabine schimpfte schon: „Setz dich wieder hin. Du störst vielleicht die Spieler.“

„Ok, ok. Schon gut. Ich setze mich ja schon hin.“

Chris grinste, aber er war extrem angespannt. Er fieberte bei jedem weiteren Punkt mit. Aber das ging allen von uns so und auch das Publikum spürte wohl, dass sich hier eine kleine Sensation anbahnte.

Chris sollte allerdings recht behalten, Fynns Gegner fing sich wieder und es wurde keineswegs ein einfacher zweiter Satz. Dennoch führte Fynn weiterhin mit einem Break. Das hieß, beim Spielstand von 5:3 schlug Fynn zum Matchgewinn auf. Luc und Stef standen mit Maxi und Dustin direkt am Platz und waren aufgeregter, als Fynn auf dem Platz. Sie hatten die Arme verschränkt und bildeten eine Einheit. Mir ging es ähnlich, ich fieberte bei jedem Punkt mit, während Chris äußerlich ruhig blieb. Nur nach einem Ballwechsel feuerte er Fynn entweder an oder beruhigte ihn wieder. Faszinierend, wie er mit Fynn kommunizieren konnte. Fynn schaute jetzt nach jedem Punkt und vor jedem Aufschlag zu Chris.

Das Publikum war eindeutig auf der Seite von Fynn. Der Underdog war kurz vor einer Sensation. Das gefiel den Zuschauern, die alle sehr fachkundig und fair waren. Es wurde bei jedem guten Ball applaudiert, egal, wer gerade den Punkt gemacht hatte.

Dann war es soweit, Fynn hatte beim Spielstand von 40:15 seinen ersten Matchball. Es wurde ein langer Ballwechsel und die Spannung war spürbar. Leider wehrte Malte den Ball erfolgreich ab und es stand 40:30. Zweiter Matchball. Fynn wollte es zwingen und nahm sich nicht genug Zeit vor dem Aufschlag. Ein Doppelfehler folgte und ein Raunen ging durch die Zuschauer. Chris schloss nur für eine Sekunde die Augen, bevor er sofort Blickkontakt mit Fynn aufnahm. Er nickte Fynn beruhigend zu und strahlte eine Gelassenheit aus, die beneidenswert war.

Fynn servierte sehr gut und machte einen schnellen Punkt. Dritter Matchball!

Jetzt hielt es auch Chris nicht mehr auf seinem Stuhl. Er stand auf und schaute gebannt auf den Platz. Fynn nahm sich viel Zeit vor dem Aufschlag, tippte den Ball mehrfach auf den Boden. Die Zuschauer hielten den Atem an. Der Ball ist in der Luft und Fynn schlägt auf.

Sein Gegner reagiert nicht und eigentlich ist das Match vorbei. Aber der Schiedsrichter signalisiert Netzaufschlag.

Also noch ein Versuch.

Jetzt ist der Ball im Spiel. Fynn spielt druckvoll und rückt nach vorn, ein Volley und der Ballwechsel ist vorbei. Fynn gewinnt das Turnier. Ich kann es kaum glauben. Auch Chris ist emotional angefasst. Wir umarmen uns und tosender Applaus lässt uns erzittern. Fynn hat sein erstes Turnier auf der Profitour gewonnen! Die Jungs unten haben bereits den Platz gestürmt und tanzen auf dem Platz.

„Los, Chris. Geh nach unten. Du musst bei den Jungs sein.“

„Du kommst mit. Du hast uns genauso unterstützt.“

„Nein, das ist euer Auftritt. Ich bleibe mit Sabine hier. Wir feiern später gemeinsam.“

Chris verließ uns nur widerwillig, aber ich konnte die Jungs schon ungeduldig winken sehen. Sie forderten Chris auf, auf den Platz zu kommen. Die Helfer bauten bereits die Siegerehrung auf und jetzt war ich gespannt, was passieren würde.

Chris war unten angekommen und Fynn empfing ihn sehr emotional mit einer innigen Umarmung. Dustin und Maxi standen bei ihnen und strahlten. Luc und Stef hielten sich in ihrer Nähe auf und die Sicherheitsleute schirmten sie ab. Niemand außer ihnen durfte den Platz betreten.

Wenige Augenblicke später hatte der Turnierdirektor das Mikrophon in der Hand und es wurde beeindruckend still. Er sagte ein paar einleitende Worte und übergab an den Zweitplatzierten den Scheck und den Pokal. Dann bat er den Vertreter des Hauptsponsors nach vorn. Fynn erhielt aus seinen Händen den Siegerpokal und den Scheck. Diese Summe war sicherlich etwas Besonderes für das noch junge Team um Chris.

Was dann folgte, war bewegend. Fynn holte seinen Freund zu sich und bekam vom Veranstalter das Mikro überreicht, um ein paar Worte sagen zu können:

„Ähm ja. Ich muss vorab um etwas Nachsicht bitten. Dies ist meine erste Ansprache nach einem Turnier und ich hoffe, ich vergesse nichts Wichtiges.“

Eine Welle der Heiterkeit ging über den Platz und Applaus kam auf, bevor Fynn wieder das Wort ergriff.

„Zuerst möchte ich dem Veranstalter danken für diese tolle Organisation und der trotz schwieriger Bedingungen für unser Wohlbefinden gesorgt hat. Die Sponsoren gehören natürlich auch zu den Personen, denen unser Dank gebührt. Allerdings möchte ich jetzt die Gelegenheit nutzen, ein paar persönliche Worte zu sagen.

Chris, unser Coach und Freund ist bereits bei mir und ihm gebührt der größte Dank.“

Dustin und Maxi stellten sich neben Fynn und demonstrierten Geschlossenheit. Chris musste jetzt zu ihnen gehen. Mir gefiel das sehr gut, wie die Jungs Chris einbanden.

„Ich weiß, Chris, dass du es nicht so magst, im Vordergrund zu stehen. Allerdings hat niemand sonst so viel für uns getan wie du. Gerade in Kitzbühel und auch hier hast du uns den Rücken frei gehalten und sogar fast mit dem Leben dafür gezahlt. Dazu möchte ich hier noch etwas sagen. Es ist beschämend, dass Sportler weniger unterstützt werden oder gar angefeindet werden, nur weil sie homosexuell sind. Ich habe heute bewiesen, dass ich gutes Tennis spielen kann und wir uns nicht verängstigen lassen. Auch dafür ist Chris mit verantwortlich. An dieser Stelle möchte ich mich für die sehr gute Betreuung hier bedanken. Der Veranstalter hat Wort gehalten und für unsere Sicherheit gesorgt. Es ist nur traurig, dass dafür extra Sicherheitsleute abgestellt werden mussten. Ihnen als Zuschauer ist das vielleicht nicht aufgefallen, aber Dustin und ich haben hier unter Personenschutz spielen müssen. Das, so hoffe ich, muss in der Zukunft anders werden. Im Tennis, genau wie in anderen Sportarten, muss Homosexualität als normal anerkannt werden. Solange das nicht der Fall ist, kann ich nicht zufrieden sein. Ich wünsche allen Zuschauern einen guten Heimweg und vielen Dank für die Unterstützung.“

Lauter Applaus hallte über den Platz. Ich war berührt über diese Rede von Fynn. Einem gerade mal siebzehnjähren Jungen. Selbst Chris schien überrascht über diese klaren Worte. Dustin stellte sich demonstrativ neben seinen Freund, der ihm offen einen Kuss gab. Eine tolle Geste. Dann wurde die Siegerehrung beendet und ich konnte mich endlich auch zu den Gratulanten gesellen.

Etwa zwanzig Minuten später, stand ich mit Chris und meiner Familie auf dem Parkplatz und Chris verlud die Taschen der Jungs. Fynn war noch mit Dustin auslaufen gegangen. Maxi hatte sich schon zu uns gestellt und bei Chris war immer noch die Verwunderung über dieses Turnier spürbar.

„Hey Chris, warum so still? Es war ein tolles Turnier und jetzt muss auch mal gefeiert werden dürfen.“

Chris lachte und antwortete: „Ok, Marc. Du wirst es dir sowieso nicht nehmen lassen, mit uns zu feiern. Aber denk dran, dass die Jungs noch nicht so im Training beim Feiern sind.“

Chris fing an zu grinsen und Maxi lachte, als er das gehört hatte. Ich hatte spontan eine Idee, wo und wie wir diesen Erfolg richtig feiern würden.

„Gut, also ich darf die Feier organisieren? Sehr gut. Sabine, bestellst du für übermorgen bei unserem Hausschlachter bitte genug Fleisch. Wir werden etwa 15 Personen sein. Heute wollen wir nur noch ausruhen und eine entspannte Feier im kleinen Kreis haben. Für morgen ist bereits schon etwas geplant.“

Meine Frau musste lachen, denn sie hatte natürlich schon mit so etwas gerechnet und sie nickte nur. Luc freute sich mit Stef über meine Entscheidung und Luc setzte schnell nach:

„Heute wird aber nichts mehr geplant. Ich möchte mit unseren Gästen in Ruhe gelassen werden.“

Stef umarmte seinen Freund und Maxi schaute Chris fragend an. Chris nickte nur.

„Ok, genehmigt. Macht euch einen schönen Abend. Ich werde dann mit Marc und Sabine einen ruhigen Abend genießen. Ich glaube, ich brauche nicht dabei zu sein, wenn ihr euch vergnügt.“

„Du lässt uns wirklich von der Leine?“ Maxi schien überrascht zu sein.

„Klar, warum nicht? Ihr kennt die Regeln und ich vertraue euch. Das sei euch echt gegönnt. Aber morgen seid ihr fit beim Frühstück. Sonst gibt das Ärger.“

Na, jetzt staunte ich aber doch über Chris. Er ließ die Jungs in der Obhut von Luc und Stef. Ohne weitere Einschränkungen. Als Fynn mit Dustin kam, stiegen wir in die Autos und machten uns auf den Weg, um mit unseren Gästen ein paar schöne und sicher auch ereignisreiche Tage bei uns zu verleben.

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