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Bund

Teil 4 - Besuch

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Meine Eltern waren begeistert. Den war ausgesucht höflich, dabei zugleich herzlich, und dass wir gut miteinander klar kamen, sah man auch. Ich hatte Den von der Einladung meiner Eltern erzählt, und er hatte spontan gefragt: „Nächstes Wochenende?“ Die Zugfahrt war spitze. Normalerweise hasse ich überfüllte Züge. Aber als wir einen einzigen freien Sitzplatz ergatterten, einen Sondersitzplatz für Behinderte, nahe der Tür, zu breit für einen und zu schmal für zwei... Den forderte mich auf: „Setz dich!“, und als ich saß, fragte er: „Darf ich?“ Klar durfte er, und er sorgte dafür, dass er nicht nur auf einer Backe saß. Ich saß richtig schön eng, konnte mich gar nicht rühren, und hatte nichts dagegen. Gegenüber saßen zwei dicke Frauen, na, die hatten eigentlich auch nicht viel mehr Platz. Die dachten wohl, Soldaten müssen was abkönnen. Und ich konnte das ab.

Jetzt saßen wir beim Abendessen. Mutti hatte sich wieder richtig ins Zeug gelegt. Den dachte sicher, das sei seinetwegen. Nach dem Abendessen war erst mal ein wenig Small-talk angesagt. Ich sah Vati an, wie gerne er jetzt eine Zigarre rauchen würde, aber es war schon etwas zu kühl, um sich draußen hinzusetzen. Ich schlug vor, dass wir einen kleinen Spaziergang machen, und alle waren begeistert dabei. Nun kam die Zigarre zu ihrem Recht. Im Gehen war es auch nicht zu kühl. Wir zeigten Den die spärlichen Attraktionen des Dorfes: Den Springbrunnen, wo früher mal die Dorflinde gestanden hatte, die ehemalige Grundschule (aber jetzt sind ja keine Schulen mehr auf dem Dorf), die jetzt als Festhalle diente, und die Fußballwiese.

Dann zeigte ich Den mein Zimmer. Es war nicht klein, aber eher sparsam eingerichtet. Meine Eltern hatten die Möbel ausgesucht. Meine Stereoanlage bestand in einem CD-Ghettoblaster der unteren Preisklasse plus ein paar gute Kopfhörer. Mutti hatte schon das Gästebett aufgebaut. Wir setzten uns auf mein Bett, und schauten durch meine bescheidene CD-Sammlung. Jazz und Orgelmusik. Meine neueste Errungenschaft war eine CD mit Jazz auf der Kirchenorgel, von Barbara Dennerlein. Die CD hieß "Spiritual Movement No. 1", und ich hatte sie bestimmt schon zwanzigmal gehört. Ich legte sie ein und setzte ihm die Kopfhörer auf. Er drehte noch etwas lauter, und legte sich dann auf mein Bett und schloss die Augen. Ich konnte leise mithören, und da ich die Stücke alle kannte, wusste ich, wann ein Stück zu Ende war. So konnte ich auf die schönsten Stücke weiterschalten. Am Ende kam ein schöner Jazz-Standard, „Ain't misbehaving“ von Fats Waller, und dann das Finale... das war einfach umwerfend... aber er lag ja schon.

Als es vorbei war, sagte er:

„Ich komme am Sonntag mal mit zu dir auf die Orgelempore.“

Wir machten uns fertig für die Nacht. Er war als erster im Bad. Als ich aus dem Bad kam, streichelte er mein Bettzeug:

„Sag, was ist das für ein Material?“

„Glanzsatin, 100% Polyester. Meine Mutti wollte erst nicht, die sagt, Baumwolle ist viel gesünder. Aber ich hab ihr erzählt, das ist gut für Allergiker, denn das ist ziemlich staubdicht. Man kann es natürlich nicht so heiß waschen, aber wenn man es nachher ins Gefrierfach legt, gehen die Milben auch kaputt.“

„Bist du Allergiker?“

„Nee, aber ich find das Zeug einfach geil“, und dann grinste ich: „Es schadet ja nicht, mal vorsorglich darauf zu achten, dass man nicht in Allergenen badet.“

„Wie schläft man denn darin?“

„Wie man's nimmt: Es ist schon super glatt, und es streichelt einen überall. Aber es kann auch schon ganz schön warm darunter werden; das Zeug atmet halt nicht. Na, dann streck ich einfach ein Bein raus, und dann stimmt das wieder.“

„Darf ich heute Nacht in deinem Bett schlafen?“

Ich wusste schon, wie er's meinte. Nicht zusammen mit mir, sondern ich auf dem Gästebett und er in meinem Bett. Er wollte das Bettzeug ausprobieren.

„Klar. Aber pass auf, das ist auch ganz schön kratzig, nämlich dort wo die Haut rau ist. Probier mal deine Ellenbogen.“

Er streifte mit seinen Ellenbogen die Decke, und in der Tat: vorbei mit glatt, man hörte deutlich, wie es kratze. Er schaute mich etwas ratlos an, und ich holte eine Tube Hautcreme hervor, die ich genau deswegen im Nachttisch hatte. Er streckte mir seine Ellenbogen hin, und ich massierte ihm eine erbsgroße Menge in die Haut. Dann kniete ich vor ihm nieder, und ehe er sich versah, hatte ich schon seine Fersen in Arbeit. Als Dank (oder zur Strafe?) zupfte er mir an den Haaren, dabei kicherte er. Als ich fertig war, sagte er „Danke“, drehte er sich um und war im Nu unter der Bettdecke verschwunden; nur noch ein Büschel Locken schaute hervor. Ich kitzelte ihn etwas durch die Decke, und er zuckte und kicherte dementsprechend, blieb aber tapfer unter der Decke. Ich machte das Licht aus, sagte „Schlaf gut“ (gedämpft kam durch die Decke etwas, was wohl „Du auch“ heißen sollte) und legte mich ins Gästebett.

Ich schlief lange und fest. Beim Bund schläft man doch immer etwas zu wenig, und das hole ich gerne am Wochenende auf. Als ich aufwachte, schlief Den noch. Er konnte es wohl auch gebrauchen. Ihm wurde offensichtlich nicht so schnell zu warm wie mir: er war immer noch fast vollständig unter der Decke verborgen. Das Büschel Locken war etwas größer geworden, wohl auf Grund der Notwendigkeit, zu atmen, aber ansonsten war das Bild fast identisch zu dem, das sich mir am Abend geboten hatte. Regelmäßig hob und senkte sich die Decke unter seinen tiefen Atemzügen. Gern schaute ich diesem friedlichen Bild zu.

Den erwachte recht schnell, nicht aufgeschreckt, aber von jetzt auf gleich war es vorbei mit dem ruhigen, tiefen Atmen, er drehte sich um, sah mich an und fragte:

„Bist du schon lange wach?“

„Zehn Minuten vielleicht.“

„Und weckst mich nicht?“

„Warum sollte ich?“

Er räkelte sich etwas, und fragte:

„Warst du schon im Bad?“

„Nee, aber geh nur.“

Und dann war er auch schon weg. Dann machte auch ich mich fertig,  und wir erschienen zum Frühstück. Meine Eltern hatten den Tisch schon gedeckt, aber noch nicht angefangen. Beim Frühstück besprachen wir unsere Pläne für den Tag. Da meine Eltern den Wagen nicht brauchten, konnten wir ihn haben. So fuhren wir beide kurz darauf in die benachbarte Kleinstadt. Ich zeigte Den die Schule, auf die ich gegangen war, und die sonstigen Sehenswürdigkeiten. Nichts besonderes, aber schon etwas mehr als in unserem Dorf. Die alte, romanische Kirche war sogar in einem Touristenführer aufgeführt. Dann gingen wir durch die kleine Fußgängerzone. Da war auch das Eiscafé, in dem wir oft nach der Schule oder in den Pausen gewesen waren.

„Wir könnten ja ein Eis essen. Magst du?“

„Jetzt? Vor dem Mittagessen?“

„Klar. Muss ja kein Copa Maxima sein. Aber wenn du da oft warst, will ich es kennenlernen.“

So setzten wir uns an einen der freien Tische, die vor dem Café standen, und studierten die Karte. Den wollte ein kleines gemischtes Eis und ich einen Milchshake. Ich bestellte für uns beide. Eigentlich war es schon etwas zu kühl, um draußen zu sitzen; das Café hatte die Tische wohl hauptsächlich deshalb aufgestellt, damit man sofort erkannte, dass dort ein Eiscafé ist. Aber die Luft war gut, und so hatten wir den Platz ganz für uns. Es war in der Tat ein Bad in Erinnerungen an die Schulzeit und (natürlich, es war ja das Eiscafé) an die angenehmeren Seiten des Schülerdaseins. Hier waren wir unter uns gewesen, ohne Lehrer und die Anforderungen, die wir mit diesen assoziierten. Herr Schwarz allerdings hatte uns hier gelegentlich Gesellschaft geleistet, wenn auch mit einer heißen Zitrone (auch im Hochsommer), da er Eis nicht mochte.

Wir zahlten, und dann bummelten wir noch etwas durch das kleinstädtische „Einkaufsparadies“. Viel hatte sich nicht getan seit meiner Schulzeit. Den kaufte sich ein paar Kleinigkeiten in einer Drogerie. Dann wurde es auch schon Zeit, wieder zurückzufahren, damit wir rechtzeitig zum Mittagessen da waren. So konnten wir noch beim Tischdecken helfen, und dann gab es eine gemäßigte Form vom Menu à la Mama, so dass wir zwar gut gesättigt, aber nicht gelähmt in den Nachmittag gehen konnten. Ich schlug Den vor, den Schreiner zu besuchen, bei dem ich gelernt hatte. Er war hier im Dorf, und da er selbständig war, kannte er keinen Dienstschluss. Er würde sicher offen haben.

Herr Marr freute sich, mich zu sehen. Er war in der Tat dabei, einen größeren Auftrag für eine Dachbodenrenovierung zu bearbeiten. Dachböden waren ein Segen für die Zunft: Während viele Arbeiten, die früher vom Schreiner erledigt wurden, heute oft vom Heimwerker mit vorgefertigten Teilen aus dem Baumarkt bewältigt werden konnten, waren die Schrägen und Winkel eine Überforderung für den Heimwerker, und der Baumarkt stieß ebenfalls an seine Grenzen. Bei diesem Auftrag bestand kein Zeitdruck, und so zeigte uns Herr Marr, was er gerade machte, aber auch seine kleinen Liebhabereien, für die er eigentlich gar keine Zeit haben dürfte, die ihn aber manchmal mehr beschäftigten als sein Brotgeschäft. Er sah zwar zu, dass der Zeitaufwand dafür nicht überhandnahm, aber mit Gedanken war er öfter bei seiner Windharfe oder dem Schach-Doppelstuhl (Lehnen gegeneinander, Schachbrett dazwischen, zum rittlings Draufsetzen) als bei dem fünften schrägen Fenster mit immer neuen Winkeln und Schrägen. Letzteres erforderte für ihn ja auch kaum ein Nachdenken mehr. Und ab und zu kam ein Liebhaber und kaufte ihm dieses oder jenes Stück ab, so dass es doch nicht brotlose Kunst war. Wir probierten den Schach-Doppelstuhl gleich aus (mit Decken auf den Sitzen, denn er war noch nicht endbehandelt), aber gegen Den war ich ein hoffnungsloser Stümper, und so war das nur ein kurzes Vergnügen.

Wir verabschiedeten uns von Herrn Marr, und gingen weiter spazieren. Ich führte Den in meinen Lieblingswald, ein vernachlässigtes Stück mit dichtem Unterholz, wo man seinen Weg kennen musste, um nicht ständig durch das Unterholz brechen zu müssen. Dafür wurde man mit kleinen Lichtungen der romantischsten Art belohnt, und mit einer kleinen Höhle unter einem Felsvorsprung. Den war ganz absorbiert von den unterschiedlichsten Pflanzen: immer gab es eine, die er zwar kannte, aber schon ewig lange nicht mehr gesehen hatte. Woher kannte er sie dann so genau, dass er sich sicher sein konnte?

Es wurde schon dunkel, und wir gingen wieder nach Hause. Auf meinen besonderen Wunsch hin gab es ein ganz einfaches Abendessen; ich wusste ja, was uns morgen Mittag erwarten würde. Im Fernsehen kam ein alter Tatort, aber außer mir kannte den keiner (mehr), und so schauten wir ihn gemeinsam. Wir blieben noch etwas im Wohnzimmer, und Den erzählte von seiner Familie. Dann zogen wir uns auf mein Zimmer zurück.

„Ich mag deine Eltern.“

„Ich auch. Sind auch ganz liebe Menschen.“

„Aber du hast ihnen nichts gesagt?“

„Nee, könnt ich auch nicht.“

„Sie sind sehr konservativ. Sie würden es vielleicht nicht verstehen. Man muss nicht jedem alles erzählen. Selbst in den besten Beziehungen gibt es schon mal Dinge, die man gerade seinem besten Freund nicht erzählen will. Oder kann.“

„Hast du es deinen Eltern erzählt?“

„Ja und nein. Sagen wir, sie wissen, dass ich nicht auf Mädchen stehe. Die Menschen sind halt verschieden. Es gibt Menschen, die weder auf Jungs noch auf Mädchen stehen, und das sind gar nicht so wenige. Vielleicht halten sie mich für asexuell. Oder sie denken, das kommt noch. Jedenfalls stellen sie keine Fragen. Auch nicht, als ich von dir erzählt habe.“

Klar, stimmt, daran hatte ich gar nicht gedacht: Den hatte zu Hause sicher über mich erzählt, so wie ich meinen Eltern über ihn erzählt hatte. Und wenn die zwei und zwei zusammenzählen konnten... Aber offensichtlich machten sie sich keine Gedanken.

„Und? ... Bist du sicher, dass du nicht asexuell bist?“

Den grinste mich an: „Gerade so wie du.“

Gute Antwort.

Den wollte wieder in meinem Bett schlafen. Das Bettzeug gefiel ihm sehr gut. Er hatte allerdings schon die Hautcreme selbst aufgetragen... schade, eigentlich. Diesmal schaute er mich an, als ich ihm „Gute Nacht“ sagen wollte, und so setzte es noch einen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn. Dann war wieder das Licht aus. Gutes Essen und Bewegung an der frischen Luft taten das ihrige, und bald schlief ich tief und fest.

Hatte ich geträumt? Ich erwachte mit einem Gefühl der Nähe zu Den, als ob er bei mir im Bett gewesen sei. Er lag aber friedlich atmend im anderen Bett, nicht ganz so eingehüllt wie gestern, ein halbes Bein schaute unter der Bettdecke hervor. Und doch... na, es kann nur ein Traum gewesen sein. Ein schöner Traum: ich kann nichts Genaues sagen, aber irgendwie war er mir ganz nahe gewesen. ... Aber weshalb...  Da lag sein Kopfkissen neben meinem. Ich lag fast drauf. Das war ja wohl kaum von selbst dahin gewandert. ... Dann war es also doch kein Traum... Den musste in der Nacht wach geworden sein, und meine Nähe gesucht haben. Er hatte sich wohl Decke und Kissen mitgebracht und sich neben mich gelegt. Das ging problemlos, da ich die Angewohnheit habe, oft an einer Kante des Betts zu schlafen. Diesmal kam dies sicher auch dadurch, dass ich abends noch zu Den hingeschaut hatte. Hatte er an der anderen Bettkante gelegen? Jetzt traute ich meinen Traumerinnerungen mehr: ich hatte auf der Seite gelegen, den Rücken zu ihm, und er hatte sich auch auf die Seite gelegt, ganz dicht hinter mich, und hatte seinen Arm über mich gelegt. Wie lange das gedauert hat? Keine Ahnung. Dafür taugen Traumerinnerungen nicht: die sind quasi zeitlos. Jedenfalls war er irgendwann wieder in sein Bett zurück, hatte aber das Kopfkissen bei mir vergessen. Vielleicht wäre es ihm peinlich, wenn er sich so verriete. Ich nahm das Kopfkissen und stand leise auf. Neben seinem Kopf war noch Platz, dort legte ich es hin. War es das Geräusch, oder dass ich jetzt über ihm stand: Den erwachte langsam aus dem Reich der Träume. Und so setzte es zum Wecken noch einen Guten-Morgen-Kuss auf die Stirn. Den lächelte, und kam langsam zu sich.

Oooooaaaaaahhhh....  ta ta ta ti ta ta ta taa tiiieee, TA TI. Die Schallwellen drangen durch meinen Körper, und ich wurde ein Teil der Musik. Fugen hatten es mir besonders angetan. Nicht wegen ihrer klaren Struktur: bei einer guten Fuge war die Struktur nicht mehr als ein Gerüst; die Ausführung war entscheidend. Aber die ständige Wiederkehr des Themas, in leichten Abwandlungen: das war wie das Leben. - Die Organistin war doch etwas überrascht gewesen, als sich auf einmal zwei junge Menschen auf die Sitzbank legten. Aber man musste sie schon genau kennen, um den kurzen Anflug von Überraschung bei ihr überhaupt wahrzunehmen: Tolerant, wie sie war, behandelte sie uns beide genauso herzlich, wie ich es von ihr gewohnt war. Nun knieten wir beide am Geländer.

„Messdiener hätte ich werden sollen. Die haben immer was zusammen unternommen. Aber irgendwie hatte ich den Zeitpunkt verpasst, wo man sich dafür anmeldet.“

„Quatsch, da gibt es kein zu spät. Wenn du willst, frag ich meinen Pfarrer, und wenn du bei uns bist, können wir das mal zusammen machen.“

„Jetzt noch? In meinem Alter?“

„Bei uns kommen manchmal Rentner und wollen mitmachen. Warum auch nicht?“

Klar, warum nicht, aber es war natürlich nicht dasselbe, ob man als Kind mitmacht, oder später. Aber so aus einer gewissen Sentimentalität heraus sagte ich:

„O.k., frag mal nach.“

Getrocknete Tomaten und ein Dip mit einer zarten Meerrettichnote, eine Rinderkraftbrühe mit einem Schuss Cognac, Putenbrustfilets à la Provencale, ein Ruccolasalat mit Schafskäsewürfeln, und dann ein Zimt-Soufflé mit einer Zabayone... Mutti hatte sich mal wieder selbst übertroffen. Vati hatte diesmal nur zwei Flaschen Wein aufgemacht, aber was für welche: einen alten St. Emilion (1988) und eine kleine Flasche Trockenbeerenauslese aus Baden. Diesmal würde er nicht in den Genuss halbleerer Flaschen bei unserer Abreise kommen. - Wir wollten einen früheren Zug nehmen als meinen normalen Zug, damit wir nicht in Hektik einräumen mussten. Wir bedankten uns bei meinen Eltern für das schöne Wochenende. Irgendwie waren sie gerührter als sonst: Ihnen hatte es wohl auch gut gefallen, ihren Jungen so gut gelaunt und in so angenehmer Gesellschaft zu sehen. „Kommen Sie gerne mal wieder zu uns“, aber da müssten sie sich ehrlicherweise sagen: weniger wäre mehr gewesen, denn man traut sich ja nicht, oft zu Gast zu sein, wo man mit soviel Aufwand empfangen wird. Na, vielleicht könnte ich ihnen das in einer ruhigen Stunde mal beibringen, und künftige Besuche könnten etwas moderater und alltäglicher ausfallen. - Der Zug war leider nicht überfüllt. Wir fanden ein leeres Viererabteil für uns und machten es uns bequem. Aber vielleicht hätten wir jetzt auch nicht mehr Platz nebeneinander gehabt, auf dieser verkürzten Sitzbank, die wir auf der Hinfahrt in Anspruch genommen hatten. Es ist schon ein Unterschied, ob man zu seinen Eltern fährt, oder von seinen Eltern kommt. Viel zu schnell vergeht die Zeit, und dann war das Wochenende definitiv um: Wir waren in der Kaserne damit beschäftigt, unsere Spinde in Ordnung zu bringen, und lagen bald im Bett, und das Licht war aus. Das gute Essen und der Wein taten das ihrige, und bald war ich eingeschlafen.


Daniel wollte uns beide ficken. Am liebsten wäre es ihm gewesen, Den und ich hätten uns nackt nebeneinander auf den Bauch gelegt, mit Kissen in Positur gebracht, vielleicht noch Händchen haltend, und er hätte erst den einen, dann den anderen... Wir hatten Daniel in der Kantine kennengelernt. Er hatte sich einfach eines Abends zu uns gesetzt, mit einem Bier in der Hand, und er war ein lustiger Kerl, der einen mit seinem Lachen für sich einnahm, und so konnten wir gar nichts dagegen haben. Daniel war nicht hübsch und nicht hässlich; er war vor allem lustig. Er war aus einer anderen Kompanie, aber seit diesem Abend grüßten wir uns beim Mittagessen in der Kantine, und immer öfter saßen wir auch gemeinsam abends beim Bier. Tagsüber war er mit der Wartung von Fahrzeugen beschäftigt: unter Anleitung von gelernten KFZ-Mechanikern machte er sich die Finger mit Öl und Motorfett schmutzig. Ihm lag das, mit seinen Händen zu arbeiten. Es war noch keine Woche um, wir saßen wieder einmal abends in der Kantine, ein Fernseher war eingeschaltet worden und eine Girlgroup zog die Aufmerksamkeit der meisten Anwesenden auf sich, da strahlte er uns beide an, als wollte er uns von einem Lottogewinn erzählen, und sagte:

„Ich find da nichts dran. Ich bin schwul.“

Sein Blick hatte etwas Herausforderndes. Den schaute ihn prüfend an, und fragte dann:

„Und du meinst...“

„Klar. Sieht man doch. Bin ja nicht blind.“

Ich war schon etwas schockiert, dass es so offensichtlich sein sollte. Ich fragte mich, was uns denn verraten hätte. Wir waren eigentlich immer sehr vorsichtig gewesen. Auch jetzt hatten wir einen Tisch, der etwas abseits stand, so dass man unser Gespräch nicht mithören konnte.

„Ihr seid viel zusammen. Ihr kommt meistens zusammen in die Kantine. Und ihr sitzt immer an diesem Tisch, den man nicht abhören kann.“

Oh je, was man für Vorsicht hielt, konnte unvorsichtig sein. Würden wir in Zukunft gestaffelt einlaufen müssen? Und was würde dann auffallen?

„Keine Sorge, das fällt nur dem auf, der danach sucht.“

Und Daniel suchte. Suchte immer. Und wurde fündig. In seiner eigenen Kompanie hatte er schon zwei Schwule ausgemacht, und mit einem davon war er auch schon zusammen gewesen. Und natürlich hatte er auch außerhalb der Bundeswehr seine Bekanntschaften. Daniel hielt nichts von Treue. Es gab ja Kondome. Hier beim Bund verhielt er sich so vorsichtig, dass seinen Stubenkameraden nichts auffiel. Gerne zeigte er uns das Foto seiner Schwester, das er mit sich herumtrug, um wie alle anderen auch mit einem hübschen Mädchen angeben zu können. Ich hatte das albern gefunden und mich geweigert, mich dieser Sitte zu unterwerfen. Daniel sah das lockerer. Er war ganz schön verblüfft, als er mitbekam, dass Den und ich es noch nicht gemacht hatten und auch nicht machen würden, auch nicht mit ihm. Aber er war von rascher Auffassungsgabe, und so verschob er sein Projekt „Zwillinge“, bis er ein willigeres Pärchen finden würde. Und das würde er, da war er ganz optimistisch.

Daniel wohnte allein. Er verstand sich gut mit seinen Eltern, und sie wussten auch Bescheid, aber ihm war lieber, er hatte sein Reich für sich. Ein Zimmer, Küche, Bad: wäre es nicht auf dem Land gewesen, hätte er es sich nicht leisten können. Er bekam einen kleinen Zuschuss von den Eltern, aber für den Rest mussten Sold und Erspartes herhalten. Er hatte genug Matratzen, um uns beide unterzubringen. Wir waren erst Samstagvormittag angereist, und nun saßen wir nach einem einfachen, aber herzhaften Mittagessen (Bratkartoffeln mit Spiegelei), das wir in der Küche zu uns genommen hatten, in seinem Wohn-, Arbeits, und Schlafzimmer. Wenn er das SM-Spielzeug weggepackt hätte, das auf einem Tischchen unter dem Hochbett herumlag, wäre es eine ganz unauffällige Wohnung gewesen, sogar einigermaßen aufgeräumt. Wir hatten uns gut unterhalten, und nun trat eine gewisse Ruhe ein. Ich kippelte mit meinem Stuhl gegen eine hinter mir befindliche Säule, die das Hochbett stützte. Meine Hände hatte ich hinter dem Kopf verschränkt. Daniel stand auf, holte etwas hinter mir, und ehe ich mich versah, hatte ich Handschellen an den Händen. Dabei waren die Hände hinter der Säule zusammengefesselt, so dass ich sie nicht nach vorne nehmen konnte.

„Was machst du? Was soll das?“,

kam mein schwacher Protest. Daniel hielt es nicht für nötig, darauf zu antworten. Er zog mich an den Handschellen vom Stuhl hoch, den er dann wegnahm, und klickte die Handschellen irgendwo oben ein, so dass ich stehen musste. Er verkürzte irgendwie die Kette zwischen den Schellen, ein Vorhängeschloss klickte, und meine Stellung war fixiert. Den war genauso überrascht wie ich von dieser Aktion, aber er ließ sich nichts anmerken. Er sagte zu mir:

„Du rufst mich, wenn du mich brauchst“,

und zog sich mit einer Zeitung in die Küche zurück. Das war nicht als Misstrauen Daniel gegenüber zu verstehen, sondern sollte mir einfach eine zusätzliche Sicherheit geben. Daniel war wieder an dem Tisch unter dem Hochbett zugange, und kam wieder mit einer Tube mit Gleitcreme. Ich wollte etwas sagen, aber Daniel tat zuerst einen Batzen Creme auf meinen Mund. Dann verteilte er auch davon im Gesicht und im Haar. Vorsichtig brachte ich raus:

„B..B..Bäh, das ist ja ein widerliches Zeug.“

Dann holte er eine schwarze Latexmaske, dehnte den Halsteil und sagte, kurz bevor er sie mir überzog:

„Wehr dich, wenn du nicht magst.“

„Nicht ficken!“,sagte ich ganz leise, und dann zog er mir auch schon das Gummi über das Gesicht. Die Maske hatte nur winzige Löcher für die Nasenlöcher, ansonsten war alles bedeckt, auch die Augen und der Mund. Ein irres Gefühl - wenn man so etwas mag. Für mich war es das erste Mal, denn ich hätte mir so etwas nicht kaufen wollen. Aber ich mochte es sofort. Ich nehme an, mein Fehler war gewesen, seine Auslage an SM-Spielzeug etwas zu ausgiebig zu studieren. Und dann natürlich dieser unglaubliche Zufall, dass ich mich genau so an diese Säule lehnte, dass er nur noch die Handschellen einrasten lassen musste. Oder hatte mir da mein Unterbewusstsein einen Streich gespielt? Denn bewusst hätte ich mich nicht eingelassen auf das, was jetzt kam. Aber wenn es sich so ergab... und ich konnte mich ja auch nicht wehren. Eingeengt und wehrlos ausgeliefert, das hatte in meinen Phantasien immer eine Rolle gespielt. Nun, so ganz wehrlos war ich in Wirklichkeit nicht: die Maske lässt zwar keine besonders gut artikulierten Äußerungen mehr zu, aber ich hätte schon so laut werden können, dass Den nach dem Rechten geschaut hätte. Und außerdem waren meine Beine noch frei. Andererseits brauchte ich nun nichts mehr zu sagen, und konnte das weitere Vorgehen Daniel überlassen. Der begann, mich zu kitzeln. Ich musste lachen, und konnte nicht. Glucksende Laute drangen aus meiner Maske. Daniel tat nicht zuviel des Guten: er ließ mir Energie für den Rest. Jetzt hob er mir Pullover und T-Shirt über den Kopf und nahm eine weiche, kurze, mehrschwänzige Lederpeitsche, die ich vorhin schon bewundert hatte. Damit bearbeitete er sanft meinen Oberkörper. Ich sage: sanft, und das stimmt. Es tat nicht weh, oder so gut wie nicht, es war mehr wie eine Massage, wenn auch eine recht wärmende. Mein Glied war längst steif. Daniel löste mir den Gürtel und zog mir die Hose herunter. Er zog sie mir nicht aus, sondern zog in Kniehöhe den Gürtel wieder zu. Dazu musste der Gürtel allerdings zweimal um meine Beine. Nun konnte ich auch meine Beine nicht mehr frei bewegen.

Noch hatte ich die Shorts an. Daniel ließ ab von mir. Er setzte sich an den Tisch und trank aus seiner Kaffetasse. Er nahm eine Zeitung, und ließ mich ganze zehn Minuten (oder so kam es mir vor) in meiner Position. Erst fand ich das besonders erregend: ausgeliefert und ignoriert. Aber ohne weitere Stimulation ließ die Erregung nach, und mein Glied wurde wieder schlaff. Das schien Daniel nicht entgangen zu sein: er legte die Zeitung weg und nahm wieder die Peitsche. Diesmal bearbeitete er sowohl meinen Oberkörper, als auch meine Oberschenkel. Sehr schnell war ich wieder erregt. Daniel zog mir langsam die Shorts herunter und streifte mir ein Kondom über mein steifes Glied. Nun begann er, mich zwischen den Beinen zu streicheln. Noch nie hatte mich jemand dort berührt (naja, Mutti, als ich klein war). Ich konnte nicht mehr denken. Aber das brauchte ich auch nicht. Erst küsste er die Eichel, dann nahm er zart mein Glied in seinen Mund und massierte es mit Lippen und Zunge. Ich war kurz davor, zu kommen. Er zog sich zurück, zögerte es etwas hinaus, spannte mich dann aber nicht allzu lange auf die Folter, sondern umfasste wieder mein Glied mit seinem Mund, bis ich kam. Wohlige Schauer liefen mir am ganzen Körper entlang. Meine Knie wurden weich, und ich hing nur noch an den Handschellen. Daniel packte mich unter den Achseln und hob mich wieder hoch. Er küsste mich auf den Mund, und ich küsste zurück, so gut das durch die Maske ging. Dann nahm er noch mal die Peitsche für eine Art Ausklang. Das gab mir doch tatsächlich Kraft, und ich konnte wieder sicher auf meinen Füßen stehen. Dann zog er mir die Hose ganz aus, die Shorts allerdings wieder hoch, löste die Handschellen, und führte mich ins Bad. Dort half er mir aus meinem Pullover, der immer noch hinter meinem Kopf hochgezogen war, legte meine Klamotten ab, drehte das Wasser in der Dusche auf, und sagte:

„Die Maske kriegst du schon alleine ab.“

Dann war er auch schon raus. Ich zog erst einmal die Shorts und die Socken aus, und dann tastete ich mich mit der Maske unter die Dusche. Ich hatte mir diese Masken im Internet angesehen, und wenn es billiger gewesen wäre, hätte ich so eine vielleicht auch schon mal ausprobiert. Jetzt wollte ich nicht zu schnell von ihr loskommen. Das Wasser lief weich und warm über meinen Körper. Die gepeitschten Stellen brannten ein wenig dabei, aber nicht sehr. Der Duschkopf war sehr hoch gestellt: ich konnte ungebückt darunter stehen. Es war schon ein eigenartiges Gefühl, das Wasser auf dem Kopf prasseln zu spüren, ohne dass es einen direkt berührt. Ich drehte das Wasser aus und tastete um mich, bis ich die Seife fand. Dann seifte ich mich ein: mit Hindernissen. Denn wenn man nichts sieht, tendiert die Seife noch eher dazu, aus der Hand zu flutschen. Und finde dann mal blind eine flutschige Seife. Aber ich fand sie stets wieder, wenn auch einmal auf allen Vieren durch das Bad kriechend. Ich gab nicht auf, bis ich vollständig eingeseift war. Dann drehte ich das Wasser wieder auf und duschte mich ab. Eigentlich hätte ich nun die Maske ausziehen müssen, um die Gleitcreme aus den Haaren zu kriegen. Aber ich wollte noch nicht. Also tapste ich aus der Dusche und suchte, bis ich das Handtuch fand, das Daniel mir rausgelegt hatte. Dann zog ich mich komplett an. Es war etwas mühsam, wenn man die Sachen nicht sah, aber es ging.

Ob ich so zu denen gehen sollte? Mir würde es Spaß machen. Aber sicher würde ich ständig hinfallen. Ach, was soll's, wenn ich vorsichtig bin? Ich wischte noch mit dem Handtuch den Boden auf, soweit man das blind richtig machen kann, dann tapste ich zur Tür und ins Schlafzimmer. Keiner da. Jedenfalls war es ganz leise. Mal sehen: der Pfosten vom Hochbett musste ganz in der Nähe sein. Ja, den fand ich leicht. Von dort aus zur Küchentür war nicht ganz so einfach: da war der Tisch und die Stühle dazwischen. Aber ich fand meinen Weg, indem ich einfach ganz, ganz langsam machte. So stieß ich zwar an vieles an, aber niemals so, dass es weh tat. Am Ende hatte ich die Küchentür erreicht, drückte die Klinke und trat ein. Die beiden hatten sich unterhalten, verstummten jetzt aber für einen kurzen Augenblick. Dann lachten sie beide, und Daniel sagte:

„Was hab ich dir gesagt? Es hat ihm gefallen.“

Ich sagte nichts. Ging ja auch nicht. Daniel stand auf und führte mich an den Küchentisch. Ich kam neben Den auf die Eckbank zu sitzen. Ich rückte recht dicht ran, und Den wich nicht aus.

„Soll ich uns noch was zu essen machen? Es ist ja noch etwas früh fürs Abendessen, aber dann können wir nachher noch die Stadt etwas unsicher machen.“

Ich nickte, denn die Veranstaltung vorhin hatte mich doch etwas Kraft gekostet. Daniel kommentierte:

„Der Herr ist auch einverstanden? Aber daraus wird nichts werden: du kriegst ja den Mund nicht auf.“

Ich zuckte mit den Schultern, und die anderen beiden lachten. Dann half Den beim Tischdecken. Erst als alles fertig war, machte ich Anstalten, die Maske abzunehmen.

„Warte, ich helfe dir.“

Und Daniel hatte mir mit geübten Fingern die Maske rasch abgenommen. Es war doch auch wieder schön, keinen Druck mehr auf dem Gesicht zu spüren. Ich atmete tief durch. Daniel reichte mir ein kleines Handtuch, das er an einer Ecke feucht gemacht hatte, und ich nahm es auch gerne, um mein Gesicht erst mal notdürftig zu säubern. Dann ging ich aber doch noch mal rasch ins Bad und wusch mir über dem Waschbecken meine Haare aus. Ein Blick in den Spiegel: so viel sah man gar nicht davon. Vielleicht war der Kopf etwas röter als sonst. Als ich wiederkam, waren die beiden anderen schon eifrig beim Essen.

„Setz dich. Hat's dir gefallen?“

„Es war echt geil. Vielen Dank. Aber mach's nie wieder.“

Daniel war doch etwas schockiert. War er zu weit gegangen? Ein wenig entspannte sich sein Blick, als ich mir noch im Stehen das Nutellaglas griff und mit dem Finger eine ordentliche Portion in meinen Mund beförderte. Wenigstens hatte ich noch Appetit. Aber er schaute doch etwas ratlos, und Den klärte ihn auf:

„Er meint, es hat ihm gefallen, und er mag so etwas, will es aber nicht ausleben.“

Daniel kannte das nicht. Wenn ihm was gefiel, dann lebte er das auch aus. Aber er hatte bei uns ja schon Pech mit seinem Projekt „Zwillinge“ gehabt. Wir waren eben komische Typen, die sich was vorenthielten, obwohl sie nicht mussten. Aber so unterschiedlich wir auch waren: unserer Freundschaft tat das keinen Abbruch. Daniel war für mich eine unendliche Auskunftsquelle für viele Fragen, die ich sonst keinem zu stellen gewagt hätte. Ich war ja total unerfahren. Bisher hatte ich noch nicht mal ein Kondom benutzt. Wozu auch? Aber man sollte schon wissen, wie man damit umgeht, und Daniel erklärte es mir. Tat ficken weh? Nur beim ersten Mal, oder auch noch später? Nicht dass mir danach wäre, aber ich wollte es wissen. Als Daniel erst einmal seine Rolle als unbeteiligter Ratgeber begriffen hatte, gab er bereitwillig und ohne Anzüglichkeiten und Angebote Auskunft. Wie war er denn auf SM gekommen?

„Durch meine erste große Liebe. Wir waren 14, und ich war so verschossen, dass ich alles auf eine Karte setzte und ihm sagte, dass ich schwul bin, und in ihn verliebt. Er überlegte etwas, und sagte mir dann, er könne sich schon vorstellen, es mit mir zu machen, aber nur wenn ich bei einem Rollenspiel mitmachen würde. Er wäre der Herr und ich der Sklave. Für ihn hätte ich alles getan, also sagte ich zu. Seine Eltern hatten ein Gartenhaus in einer entlegenen Kolonie, und dort trafen wir uns. Das war ein ideales Terrain für alle Arten von SM. Es gab alles, was man zum Fesseln brauchte, und keine Zeugen. Er gab mir Aufgaben auf, wie zum Beispiel den Rasen mit einer kleinen, stumpfen Spielzeugschere zu schneiden, oder Unkraut jäten mit einem Bleistift.“

„Der ist nicht zufällig nachher Unteroffizier geworden?“

„Keine Ahnung. Ich hab ihn aus den Augen verloren. Ich kroch jedenfalls in der größten Sommerhitze auf allen vieren durch den Garten. Er schnappte sich dann das Rad und ließ mich allein. Er wollte leise zurückkommen und mich beim Faulenzen überraschen, aber das gelang ihm nicht: ich würde stundenlang so weitermachen, weil er es gesagt hatte. Aber er fand immer etwas auszusetzen, und dann bestrafte er mich. Mit der Zeit machte ich auch absichtlich Fehler: Ich genoss es, von ihm bestraft zu werden. Er dachte sich jedesmal eine neue Strafe aus. So musste ich mich ausziehen, und er schlug mich mit seinem Gürtel. Wenn ich schrie, musste ich mich selber knebeln, und dann schlug er weiter. Oder er schloss mich stundenlang in einen Schrank ein - und es wurde sehr heiß und stickig in diesem Gartenhaus. Ich war dann völlig nassgeschwitzt. Einmal musste ich in die Hose machen. Er fesselte mich solange an einen Baum und gab mir zu trinken, bis ich nicht mehr anders konnte. Oder er fesselte mir die Handgelenke an die Fußgelenke, legte mir ein Halsband an, und führte mich wie einen Hund im Entengang durch die Kolonie. Wenn uns jemand begegnete, musste ich lachen und nett grüßen, damit keiner dachte, mir würde übel mitgespielt. Er war wirklich nicht sehr rücksichtsvoll, das kann man in dem Alter vielleicht auch nicht erwarten. Aber mir war das egal: ich liebte ihn, und wenn er nach der Strafe zur Belohnung schritt, war ich der glücklichste Junge der Welt.“

„Aber er ist nicht dein Freund geblieben?“

„Als ich ihn einmal gesehen habe, wie er einen anderen Jungen küsste, war es aus. Wäre es ein Mädchen gewesen, dann hätte ich mir gesagt, o.k., der macht das mit mir nur mir zuliebe, und in Wirklichkeit steht er auf Mädchen. Vielleicht hätte ich ihn dann noch mehr geliebt. Aber der andere Junge musste gar nichts für ihn tun, und bekam doch seine Küsse. Ich habe mir nichts anmerken lassen, und ging wieder zum Gartenhaus. Sein Auftrag war, ich sollte mich selbst mit Kabelbindern in der Laube an einen Pfosten fesseln. Das hatten wir schon manches Mal gemacht, und er ließ mich dann oft noch zwei Stunden auf ihn warten. Diesmal aber hatte ich mich nicht gefesselt, sondern einen Sack mitgebracht, wie man ihn für einen Fußball hat, mit einer Kordel zum Zuziehen. Als er in die Laube kam, stand ich plötzlich hinter ihm und stülpte ihm den Sack über den Kopf, zog zu und machte einen Knoten. Nicht so fest, dass er keine Luft mehr bekam, aber er konnte den Sack nicht abnehmen. Dann holte ich einen Stock raus und drosch auf ihn ein, bis er um Gnade flehte. Er ließ sich dann willenlos fesseln, ich knebelte ihn durch den Sack, steckte ihn in einen Schlafsack, drosch noch mal drauflos, damit ihm auch ja schön warm wurde, und ließ ihn dann dort liegen. Nach drei Stunden kam ich wieder, nahm ihm den Knebel ab und den Sack vom Kopf, und küsste ihn, wie schon lange nicht mehr. Er flennte vor Erleichterung, dass ich wieder da war. Dann knebelte ich ihn wieder, pellte ihn aus seinem Schlafsack, zog ihm die Hose runter, und fickte ihn. Das hatten wir bisher nicht gemacht. Er dachte, dass sei der Höhepunkt und die Erlösung, aber ich habe ihn wieder in den Schlafsack gesteckt, ihm den Sack übergestülpt, und dann nochmal draufgedroschen. Dann habe ich in seiner Gegenwart mit seinem Handy seine Eltern angerufen und gefragt, ob wir heute im Gartenhaus übernachten dürften. Das hatten wir schon mehrmals gemacht, und auch diesmal erlaubten sie es. Das bekam er natürlich mit, und wusste also, dass er die Nacht würde aushalten müssen. Dann habe ich ihn in die Laube eingeschlossen, und bin nach Hause. Am nächsten Tag bin ich wieder hin, nicht zu früh, klar, und hab meinen Ex-Lover befreit - nicht ohne ihm erst noch eine prächtige Tracht Prügel zu verpassen. Er hat sich aber zu Hause nicht über mich beschwert, denn dann hätte er auch erzählen müssen, dass es sonst immer andersherum gelaufen war. - Heute würde ich das nicht mehr machen. Weder auf der einen noch auf der anderen Seite. SM ist eine sehr rücksichtsvolle Sache, jedenfalls, wenn man es richtig macht.“

Diesen Abend waren wir ausgelassen, und die Stadt hatte zu leiden. Aber ich nehme an, wer in der Innenstadt wohnt, weiß, dass es mit pünktlicher Nachtruhe nicht weit her ist. Spät und müde kamen wir abends in Daniels Wohnung zurück, und ganz nüchtern waren wir auch nicht mehr. Wir machten uns fertig fürs Schlafengehen. Daniel machte eine Geste in Richtung des Tischchens unter dem Hochbett:

„Und womit kann ich dienen für die Nacht?“

„Nein danke“, lachte ich, und verkroch mich in meinen Schlafsack. Aber recht hatte er: so liebevoll und verantwortungsbewusst, wie er mit mir umgegangen war, das hatte was mit Dienen zu tun. Das war keineswegs reine Selbstbefriedigung, und ich konnte verstehen, dass es für ihn und seine Freunde eine schöne und gute Sache war. Aber es war nichts für mich, jedenfalls nicht auf Dauer. Die Erregung stand zu sehr im Mittelpunkt, und es war zu wenig spontan, zu sehr herbeigeführt. Daniel würde das nicht verstehen... aber Den bestimmt.


„In die Kirche?“

Daniel schaute ungläubig. Wir waren dieses Wochenende bei Dens Eltern zu Besuch. Da war Platz, und jeder von uns bekam ein Gästezimmer. Das war auch gut so, denn Dens Schwestern standen ihrem Bruder an detektivischer Neigung nicht nach. Wir waren gerade auf dem Rückweg von einem kleinen Spaziergang und hatten Daniel unsere Pläne für den morgigen Tag erzählt. Ach ja, er erinnerte sich: Den wollte ja Priester werden. Aber dass auch ich mitging... Er fragte mich:

„Gehst du regelmäßig?“

„Nee, wie ich Lust habe. Und morgen hab ich Lust.“

Den sagte: „Du kannst ja in der Zeit meine CD-Sammlung durchforsten, oder die Stadt verunsichern.“

„Quatsch. Wenn ihr dahin geht, geh ich auch dahin. Das muss ich sehen.“

Was wir Daniel nicht gesagt hatten: wir würden Messdiener sein. Den hatte seinen Pfarrer gefragt, und dem passte es sogar ganz gut in den Kram, weil etliche Messdiener krank waren. Die anderen hatten „Überstunden“ zu leisten, und da kam jede Entlastung recht. Den hatte mich schon während der Woche auf unseren Dienst vorbereitet. Die Grundzüge kannte ich ja schon vom Zusehen, aber passives Wiedererkennen und aktives Mitmachen war doch zweierlei. Es waren nur wenige Faustregeln und Merkhilfen, die hatte ich in zehn Minuten kapiert, und als er sie dann noch zwei-, dreimal in der Woche abfragte, konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Ich verließ mich außerdem ganz auf ihn. Er sagte: „Wenn einer von uns beiden weiß, wo's lang geht, und der andere ein wenig aufmerksam ist, wird's schon werden.“

Wir gingen am Sonntagmorgen also zu dritt zur Kirche, und ein wenig vor der Zeit, aber das fiel Daniel nicht auf, da er ja die Sitten nicht kannte: Vielleicht gehörte es zum guten Ton, zehn Minuten vorher da zu sein. Wir setzten uns erst in eine Bank, und dann ließen wir ihn „nur mal kurz“ allein, „um den Pfarrer zu begrüßen.“ In der Sakristei war ein geschäftiges Treiben. Küster, Pfarrer, Lektor und nun auch wir zwei wuselten durcheinander. Dabei war meine einzige Sorge, niemandem im Weg zu stehen. Der Pfarrer nahm sich immerhin die Zeit, uns kurz, aber herzlich zu begrüßen. Man sah, dass er Den mochte (er nannte ihn Dennis), und sich auch auf ihn verließ. Den drückte mir Talar und Rochett in die Hand und ich schaute ihm einfach zu, wie er es anzog, und machte es ihm nach. Er richtete dann noch etwas an mir herum, und schon standen wir vor dem Pfarrer bereit zum Einzug.

„Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn“,

„der Himmel und Erde erschaffen hat.“

Der Küster zog an der Sakristeiglocke, die Gemeinde erhob sich, die Orgel spielte, und ab ging's. Daniel schaute sich ungeduldig um, wo wir denn blieben, und dabei fiel sein Blick auf uns. Ich musste mich total zusammennehmen, um nicht laut loszuprusten. Ein schräger Seitenblick auf Den zeigte mir, dass es ihm ähnlich ging. Daniel schaute uns an, als ob eine apokalyptische Vision wahr würde und der Heiland persönlich auf einem weißen Pferd direkt aus dem Himmel dahergeritten käme. Bis wir an ihm vorbei waren, hatte er jedenfalls den Mund noch nicht wieder zu.

Ich war schon immer mal gerne in der Messe gewesen, und oft auch mit Andacht. Aber aktiv mitzumachen war noch etwas ganz anderes. Den hatte recht: Es gab keine Schwierigkeiten. Wenn ich mir unsicher war, schaute ich ihn an. Ein Blick, ein Nicken, eine kleine Handbewegung, und mir war klar, was jetzt dran war. Als Messdiener sollte man die Kirchenlieder mitsingen, und das fiel mir auch nicht schwer. Anders als Den musste ich dazu ins Gesangbuch schauen, aber der Pfarrer tat das auch manchmal, sei es aus Solidarität, oder weil es ihm besonders peinlich gewesen wäre, wenn er sich vertan hätte. Er hatte ja das Mikrofon vor sich. Mit Den an der Seite hatte ich keinerlei „Podiumsangst“ oder dergleichen, und so konnte ich die Messe in dieser für mich ganz besonderen Form genießen.

„Danke, Den“,

sagte ich ihm in der Sakristei und umarmte ihn.

„Dann hat's dir also Spaß gemacht?“

„Und ob.“

„Das könnt ihr gerne öfter haben. Ihr seid ja richtig ein eingespieltes Team, man könnte meinen, das habt ihr schon öfters gemacht“, ließ sich der Pfarrer grinsend vernehmen.

„Helmut ist sehr aufmerksam.“

Der Pfarrer wechselte noch ein paar nette Wort mit uns, wo ich herkäme, und ob wir mit dem Bund klar kämen. Dann machten wir uns - wieder in Zivil - durchs Kirchenschiff zum Ausgang. Dort wurden wir von einem grinsenden Daniel empfangen. Den rief ihm zu:

„Na, du hast ja schon wieder den Mund zu!“

„Da habt ihr mir ja eine schöne Überraschung bereitet. Macht ihr das öfter?“

„Nee, war mein erstes Mal. Ich hatte Den mal gebeten, den Pfarrer zu fragen, und dem kam's gerade gelegen.“

„Das hat man aber nicht gemerkt. Also ich verstehe ja nichts davon, aber auf mich wirkte das professionell. Und jetzt? Wo es so gut geklappt hat?“

Ich schaute zu Den, der lächelte mich an, aber ließ mich antworten:

„Keine Ahnung. Wollte mal wissen wie das ist. Hab es als Kind nie gemacht. Ist schon was anderes als hinten rumsitzen. Mal sehen...“

Tatsächlich war ich später noch einige Mal Messdiener zusammen mit Den. Nur von Weihrauch habe ich die Finger gelassen. Ich weiß nicht... irgendwie ist mir Weihrauch zu hoch. Er hebt die Feierlichkeit gewaltig, und insgeheim beschuldige ich die Messdiener, die das Weihrauchfass mit stoischer Miene schwenken, der Gefühlslosigkeit. Ist natürlich Quatsch, aber müssten sie nicht ergriffener dreinschauen? Ich fürchte, ich würde mit offenem Mund den Schwaden nachschauen, die sich vom Weihrauchfass lösen. Und das macht sich nicht gut für einen Messdiener.

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