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Warum ich nicht glücklich bin

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Vorwort

Für Christopher

Anmerkung: Die Story ist fiktiv und enthält keine autobiographischen Elemente.

 

Ich möchte euch heute von Christ erzählen.

Christ, nicht Chris.

Zugegeben, es ist nicht der 'normalste' Name aber Christ hat auch keine normalen Eltern.

Nein, es sind keine bibeltreuen Christen. Eher im Gegenteil.

Christs Eltern sind Buddhisten. Und meiner Ansicht nach nicht aus Überzeugung, sondern weil es einfach chic ist Buddhist zu sein. Außerdem versuchen sie verzweifelt jung zu wirken. Und natürlich gehört zu einem jungen Erscheinungsbild, dass man möglichst viele englischsprachige Worte in seine Gespräche einbaut.

»Amazing«, »fancy«, »wonderful« - um nur ein paar zu nennen.

Und natürlich war es für Christs Eltern überhaupt kein Problem, dass ihr Sohn schwul ist. Es passt sogar ganz hervorragend in ihre unkonventionelle kleine Welt. Und jeder der auf einer ihrer berühmten Gartenfeste war, kennt sicherlich den Spruch: »Unser Sohn lebt die gleichgeschlechtliche Liebe«, der mit stolzgeschwellter Brust vorgetragen wird.

Christ findet es schrecklich peinlich und ich kann ihn da voll und ganz verstehen.

Bei mir und meinen Eltern ist das ein wenig anders. Meine Eltern sind zwar nicht besonders glücklich damit, dass ihr einziger Sohn »vom anderen Ufer« ist aber sie haben eingesehen, dass sie eh nichts daran ändern können. Und so haben wir einen Konsens gefunden: Wir schweigen das Thema tot. Und außerdem heißt das bei meinen Eltern zu Hause nicht schwul, sondern homosexuell. Und dieses 'homosexuell' wird benutzt, als handele es sich um die lateinische Bezeichnung einer Pflanze - Stinkwurz oder etwas Ähnliches.

Nun, es geht in dieser Geschichte nicht darum, wie Christ und ich uns auf gar wunderbare Weise kennengelernt haben, wie es auf vielen Internetseiten mit großer Theatralik und blumigen Worten erzählt wird - Schwule lieben das »große Kino«, auch wenn sie es nicht zugeben wollen. Es geht auch nicht darum, wie wir das erste Mal miteinander schliefen - schließlich sind wir hier nicht bei RTL 2 zur besten Sendezeit.

Zum einen kannten wir uns eigentlich schon immer, das heißt solange ich mich erinnern kann. Wir gingen nämlich in denselben Kindergarten und haben uns dort mit Sand beworfen.

Und zum anderen haben wir noch nie miteinander geschlafen. Woher kommt eigentlich das Gerücht, dass es keine Freundschaften zwischen Schwulen gibt? Dass die ganze Sache immer auf Sex hinauslaufen muss?

Die Geschichte fing an, als Christ und ich uns beinahe gleichzeitig verliebten.

Nein, nicht in denselben Typen - wir sind hier nicht in einem Groschenroman.

Christ verliebte sich in Matthias. Einem ziemlich gutaussehenden Musicalsänger von Mitte zwanzig. Der, wie das Schicksal so spielt, nicht schwul war.

Ja, so was gibt es. Schaut nicht so unglaubwürdig. Für seinen Beruf war er sogar verhältnismäßig intolerant.

Als Christ ihm nach einer Vorstellung mit großen Worten seine unsterbliche und grenzenlose Liebe gestand lachte Matthias nur und zeigte auf eine Gruppe anderer Schauspieler und meinte, er solle es da doch noch mal versuchen.

Bei den anderen Schauspielern handelte es sich um die Creme de la Creme der Tucken. Diesen seltsamen Schlag Menschen der Schuhe und die neuste Gesichtscreme höher bewertet als alles andere auf der Welt und dabei nicht dem weiblichen Geschlecht angehört.

Nach diesem Erlebnis war Christ ziemlich fertig und schwebte in den bitter-süßen Sphären der Melancholie.

Sagte ich bereits das Schwule oft theatralisch sind? Christ kann sehr theatralisch werden.

Und während Christ in seinen Sphären schwebte musste ich als bester Freund ran und ihn da irgend wie wieder herunter bekommen - eine ziemlich nervenaufreibende und langwierige Aufgabe mit vielen Rückschlägen, die man als Freund aber gerne übernimmt.

Brachte ich das Argument vor, Matthias wäre es überhaupt nicht wert, dass man um ihn trauere, dann konterte Christ, dass er niemals den Richtigen finden würde.

Und während ich dann da saß und ihn vom Gegenteil zu überzeugen versuchte, wie ich es einige Male zuvor schon getan hatte, begann sich in mir die Frage zu formen, ob ich nicht vielleicht der Richtige sei.

Soviel zum Thema Schwule und Freundschaften.

Und während Christs Stimmung wieder stieg, stieg bei mir dieses Gefühl von Schmetterlingen im Bauch.

Und was macht man, wenn man sich in den Menschen verliebt, den man bereits seit Anbeginn der Zeiten seinen besten Freund nennt?

Genau - man verschweigt es ihm zunächst.

Habt ihr euch schon mal in jemanden verliebt, in den ihr euch besser nicht verliebt hättet? Den netten Jungen von nebenan zum Beispiel, der aber ganz bestimmt nicht schwul ist, weil er seine Freundinnen mindestens so oft wie seine Unterwäsche wechselt?

Oh, jetzt schaut nicht so entsetzt. Kann ich ahnen, dass ihr nicht schwul seit? Bei den ganzen Metros heute kann man sich eh nicht mehr sicher sein.

Ich wollte eigentlich auch nur sagen, dass das ein äußerst unangenehmes Gefühl ist. Den einem Moment schwebt man auf der Wolke mit der Aufschrift 'Nr. 9' im nächsten Moment fällt man in den siebten Zirkel der Hölle.

Unglückliche Liebe halt - das werdet ihr wohl kennen, oder etwa nicht?

Dabei hätte es doch eigentlich ganz einfach sein müssen.

Wir sind beide schwul, was schon mal ein riesiger Pluspunkt ist. Wir kennen uns schon ewig und wie wir ja aus unzähligen Schlagern wissen macht's bei der tausendsten Begegnung 'Klick'. Und wir können über alles reden - etwas was unzählige Pärchen seit Jahren versuchen aber niemals schaffen.

Aber als Schwuler von Welt hat man sich schon so dermaßen daran gewöhnt sich unglücklich zu verlieben, dass man es irgendwie nicht schafft sich einmal ganz normal zu verlieben.

Gibt es eigentlich so etwas wie 'normal verlieben'?

Es gibt ein großes Problem beim unglücklich verliebt sein - es bleibt den engsten Freunden nicht verborgen, dass man unter extremen Stimmungsschwankungen leidet. Meist merkt man es daran, dass der Liebeskranke irrationell aggressiv wird, wenn man ihn ganz triviale Dinge fragt oder völlig abwesend ist, während man ein spannungsgeladenes Gespräch über das neueste Spears-Machwerk führt.

Und natürlich bemerkte auch Christ meinen Zustand und so sprach er mich eines Abends darauf an, ob ich verliebt wäre.

In solchen Situationen hat man vier Möglichkeiten:

1. Die Wahrheit

Aber da wir Menschen im Normalfall ziemlich feige sind fällt diese Möglichkeit auch flach.

2. Schreiend aus dem Haus rennen

Da diese Möglichkeit äußerst irritieren auf die Mitmenschen wirkt, gestrichen.

3. Leugnen

Schon in der Bibel ein beliebtes Mittel.

4. Die Blaubär Methode

Schwule haben hierin meist jahrelange Erfahrung: »Nein Mama ich bin nicht schwul. Wie kommst du bloß auf so was?«

Nachdem ich alle Möglichkeiten abgewägt hatte - für genau 2 Sekunden und 3 Zehntel - entschied ich mich für die altbewerte Blaubär Methode.

Nach einer herzzerreißenden Geschichte über einen wahnsinnig gutaussehenden Typen, der natürlich nicht schwul ist und etwa drei Stunden Therapie von Prof. Dr. Christ, wurde ich in die Nacht entlassen.

Vier Stunden später lag ich immer noch wach im Bett und konnte nicht schlafen.

Was machen, wenn man gerade seinen besten Freund eine riesen Lüge aufgetischt hat?

Klar, sie aus der Welt schaffen. Aber wie?

Sicher, ich hätte am nächsten Tag zu ihm gehen können und die Sache aufklären können. Aber wie gesagt Menschen neigen zur Feigheit und um ehrlich zu sein; ich besonders.

Oder ihm einen Brief schreiben und die Reaktion aus sicherer Entfernung abwarten.

Also ich aus dem Bett an den Computer und eine Email geschrieben und ihm mit großen Worten meine unsterbliche und grenzenlose Liebe gestanden. Schwule lieben das große Kino der Gefühlen und können sehr theatralisch werden.

Oh, hatten wir das schon mal? Entschuldigt, ich wollte euch nicht langweilen.

Und nach der Email? Warten auf was da kommt.

Und das beinhaltet alle zehn Minuten den Email-Postkasten zu kontrollieren und neben dem Telefon Wache zu halten.

Die Antwort kam dann per SMS.

»Es tut mir leid aber ich kann deine Gefühle nicht erwidern. Aber das muss an unserer Freundschaft nichts ändern. Kommst du heute Abend vorbei?«

145 Zeichen, die mein Weltbild von einem glücklichen und sorgenfreien Leben mit Christ in sich zusammenstürzen ließen.

Am Abend hab ich abgesagt, weil mein Meerschweinchen erkältet war oder so etwas in der Art.

Jetzt sind wir immer noch befreundet - genau wie früher.

Aber ich möchte nicht, dass es ist wie früher. Ich möchte es anders haben.

Meine bisherigen Vorstöße in die Richtung einer Beziehung zwischen uns beiden, verliefen leider im Sand und langsam bin ich sogar so verzweifelt, dass ich meinen Weltschmerz - und der ist verdammt groß - in das Internet hineinschreien muss und ihr müsst darunter leiden.

Ob mir das leid tut? Nein, sicherlich nicht.

Ich weis einfach nur nicht, was ich eigentlich noch tun soll. Kann mir denn niemand helfen?

Nachwort

Anmerkung: Die Story ist fiktiv und enthält keine autobiographischen Elemente.

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