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Angel of Darkness

Tyr Dieanell - The last royal Beast

Chapter 3

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Informationen

 

Das Ratsjäger-Team Dingo, bestehend aus Anführer Gill, Moony, Rider und James befand sich endlich in seinem Urlaub. Nach dreihundert Jahren Jagd auf abtrünnige Vampies, hatten sie sich endlich frei genommen. Gewiss ohne richtige Erlaubnis, doch Gill war es Leid weitere hundert Jahre vor Tyrs Füßen zu kreuchen, bis dieser auch endlich die Notwendigkeit einsah.

Für ihn mochten dreihundert Jahre nämlich ein Kaffeekränzchen sein und für die anderen Dämonen auch noch ein Frühlingsspaziergang, doch für Gill und sein Team war es ein höllischer Trip gewesen. Sie waren eben nicht dämonischer Abstammung und konnten auch nicht einfach jede Energie, die es rund um sie gab, anzapfen, um immer auf vollem Leistungslevel zu sein. Sie brauchten ab und an Pausen, um ihren Körper wieder zu stärken. Vampies hatten eben leider immer noch Schwächen und deswegen war es ihm gleich, ob er den Ausraster von Tyr erdulden musste, wenn dieser von seinem Eigenwillen erfuhr. Sein gesamtes Team war schier ausgezehrt und das war Grund genug für eine Auszeit.

Es wurde sowieso von Jahr zu Jahr immer schwieriger die Gesetzlosen zur Strecke zu bringen. Generell hätte Gill nochmal so viele Männer benötigt, doch die bekam er nicht. Keiner wollte sich die Arbeit antun und das konnte er auch sehr gut verstehen. Wobei er vergeblich darauf gehofft hatte, dass ein paar dämonische Jäger sich beteiligen würden. Immerhin war bisher nur ein Jäger nötig für abtrünnige Vampire und der Rest war quasi frei, allerdings sah sich bisher keiner für die – in ihren Augen – niederen Vampies zuständig.

Gill hatte insgeheim die Vermutung, dass keiner zugeben wollte, dass Vampies einfach nur viel raffinierter waren und sich kein Dämon irgendwann eingestehen wollte, dass diese Jagd tatsächlich anstrengender war. Es war einfacher die schwachen und überforderten Vampie-Jäger zu verhöhnen und aufzuziehen. Dabei waren die Planungen von Nestbauten der menschlichen Vampire oft überdimensional und weitgefächert.

Sie zogen keine auffälligen Blutspuren hinter sich her und benutzten selten ihre telepathischen wie –kinetischen Fähigkeiten, um Menschen zu kontrollieren. Sie manipulierten sie subtiler. Sie erschlichen sich das Vertrauen der Menschen und zogen sie langsam auf ihre Seite. Man konnte ihre sozialen Netzwerke mit Sekten vergleichen. Man wollte den Menschen das geben, was sie sich wünschten und somit bekam man Stück für Stück mehr von ihrer Loyalität. Die war nicht selten am Gefährlichsten beim Ausheben eines Baus, denn diese Anhänger kämpften für ihren Herrn und das unerbittlich.

Die Rekruten der echten Vampire, waren hingegen nie mehr als nur Marionetten und verschwanden schnellstens, wenn sie während einer Attacke die Gelegenheit dazu bekamen, weil ihre Meister ihre Konzentration für andere Dinge benötigten und so die Kontrolle verloren. Schwieriger wurde es nur, wenn Abtrünnige, ganz gleich welcher Art, anfingen, unschuldige Menschen zu wandeln, dann wurde es mitunter knifflig.

Aber das Alles lag vorerst hinter ihm und er musste sich auch über den letzten, fehlgelaufenen Einsatz keine Gedanken mehr machen. Er hatte Ersatz gefunden und die würden sich um das übriggebliebene Chaos kümmern. Sein Team war eigentlich dabei gewesen, ein neues Nest auszuheben, doch aufgrund ihrer Ermüdung waren sie dem Ansturm nicht gewachsen gewesen. Alle zogen sich erhebliche Verletzungen zu, doch das Ärgerlichste war einfach, dass viele frisch Verwandelte flüchten konnten. Normalerweise müssten sie jetzt solange hinter ihnen her sein, bis sie alles in Ordnung gebracht hatten, doch das würde Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, in ihrer Verfassung.

Gill war daher umso erfreuter, dass ihm eine alte Legende über den Weg gelaufen war. Es war ein unglaublicher Zufall, so dass Gill lieber Argo, als Vico um Hilfe bat. Dieser war auch sofort einverstanden und so konnte sein Team jetzt sechs Monte ruhen.

Argo war einer der berühmtesten Ratsjäger aller Zeiten. Er schien irgendwie zu wissen, wie die Abtrünnigen dachten. Er war so gut gewesen, dass es schon angsteinflößend war, umso irritierender war es eben, als er plötzlich zurückgetreten war. Keiner verstand damals Tyrs Anweisung, dass er in eine Auszeit zu gehen hatte, nicht zuletzt, da nie eine Begründung folgte. Doch Gill war klar, dass es nur zu Argos Besten gewesen sein konnte. Er sollte wohl etwas Abstand gewinnen und hatte den Befehl erhalten, eine Familie zu gründen, um einen Halt im Diesseits zu bekommen. Verstanden hatte er diese Order nicht, doch er vermutete, dass ältere Vampire, nach einer gewissen Zeit so ganz allein, den Sinn des Lebens aus den Augen verloren.

Egal was es war, es war gut, dass er wieder zurück war. Denn während seiner Abwesenheit, gab es unzählige und viel zu viele unschuldige Opfer. Vico allein hatte ebenso zu kämpfen gehabt, wie Gill und sein Team. Ihnen fehlte immerhin ein erfahrener Jäger. Allerdings musste man auch fair bleiben, denn ohne Tyr selbst, hätte es wohl noch schlimmer werden können. Er hatte nämlich, nachdem er die Probleme mitbekam, sich hier und da mit eingemischt und hatte bei den wenigen Einsätzen, die er bestritt, das Gleichgewicht extrem schnell wieder hergestellt und zwar so, dass er nur wenige Monate darauf sich wieder zurückgezogen hatte von der Jagd.

Zwar wurde es, mit den Jahrzehnten danach, doch wieder schlimmer, doch Tyr fand es nicht besonders notwendig wieder einzugreifen oder ihnen weitere Jäger abzustellen. Sie waren, mit Vico, die Einzigen und obwohl er diesen zu arrogant und zu selbstverliebt empfand, war Vico ein guter Mann und hielt das Terrain gut in Schuss. Erfreulicherweise würde das nun auch bei ihnen so sauber werden, da war er sicher. Immerhin übernahm jetzt der Bluthund Numero Duo das Feld, wahrscheinlich würde es erst auffallen, dass Gill sich zurückgezogen hatte, wenn plötzlich alles in Ordnung war.

Er bereute es jedoch nicht, Tyr übergangen zu haben und einfach ohne sein Wissen in den Urlaub gegangen zu sein. Ihm würde es wahrscheinlich sowieso noch früh genug auffallen. Dem Luchs entging nichts und dann konnte er sich immer noch rechtfertigen. Ihm war es sogar gleich, welche Strafaktion auf ihn wartete, alles was zählte war, dass er in den nächsten Monaten sich nicht damit abquälen musste, unschuldige Opfer zu eliminieren.

Er liebte die Jagd auf Abtrünnige, doch er konnte mit den Kollateralschäden nur schlecht umgehen. Vampies, vor allem schwache oder junge Vampies, konnten meist nur Halb-Vampies erschaffen. Das Problem dabei war, dass diese Geschöpfe dann weder Vampie noch Mensch waren. Sie konnten sich nicht mehr von menschlicher Nahrung ernähren, aber Blut vertrugen sie auch nicht. Ihnen blieb meist nur der qualvolle Tod des Verhungerns.

Natürlich war es fürs Gills Gewissen einfacher sich einzureden, dass man ihnen einen Gefallen tat, aber was war mit denen, die zu Vampies geworden waren. Sie mussten ebenso sterben. Sie hatten keine Hoffnung auf Begnadigung. Tyrs Anweisungen waren strickt und hart. Sie konnten alle gefährlich werden und deshalb durften sie kein Risiko eingehen. Manchmal wäre es einfach besser wie Argo oder Vico zu sein, gestand er sich ein.

Sie jagten, weil gejagt werden musste. Sie töteten, weil es überlebenswichtig war. Abtrünnige und alle ihre Opfer stellten eine Gefahr für die Menschen sowie die Vampire dar und mussten deswegen vollständig getilgt werden. Angeblich diente es dem kontrollierten Wachstum. Ob es stimmte oder nicht war gleichgültig. Tyr wurde nie müde, immer wieder zu betonen, dass es auf jeden Vampir hundert Menschen geben müsse, damit ihre Nahrung auch gesichert bliebe.

Diese Rechnung hatte Gill bisher zwar noch nicht nachvollziehen können, doch er stellte sie auch nicht direkt in Frage. Tyr war ihr Hüter und wenn er von ihnen verlangte, dass tausend Menschen auf einen Vampir kommen sollen, dann war auch das Gesetz. Obgleich er sicher war, dass die Welt kaum untergehen würde, wenn ein paar mehr oder weniger gewandelte Vampies die Erde bevölkerten. Die meisten waren sowieso nicht verpicht darauf, ewig zu leben und hörten irgendwann auf, Blut zu sich zu nehmen und alterten normal weiter, bis sie starben oder starben ohne je erfahren zu haben, dass sie hätten ihre Lebensspanne hinauszögern können.

Er selbst, als Ratsmitglied, war dazu verpflichtetet, regelmäßig Blut zu sich zu führen, um bei Kräften zu bleiben, aber mehr wollte er nicht und so alterte er weiterhin, wenn auch beträchtlich langsamer. Mittlerweile war er vierhundertdreiundzwanzig Jahre alt und wurde vom Aussehen auf Anfang fünfzig geschätzt, denn er hatte erst mit Mitte dreißig erfahren, was er war und sich dann relativ schnell dem Rat verschrieben, um unter anderem, den Tod seiner Mutter zu rächen. Er wusste nicht, dass es Unterschiede gab und hatte geglaubt, er wäre nun ein verfluchtes, seelenloses Geschöpf. Er hatte immerhin keinen Mentor gehabt, der ihm alles beibringen konnte und deswegen wusste er es einige Jahre nicht besser. Dennoch konnte er sich nicht von Menschen nähren und wandte sich dann an den Rat, der ihn in ihren Kreis aufnahm.

Dort erfuhr er auch seine Geschichte. Ein abtrünniger Vampir hatte seine Mutter, die ihn liebte, erst infiziert und dann mit ihm geschwängert, so dass er halb Vampir und halb Mensch wurde. Seine Mutter wusste davon wahrscheinlich nichts, sonst hätte sie ihn kaum ausgetragen, so wie er sie kennengelernt hatte. Doch der Rat hätte eingreifen können, der es scheinbar nur tat, wenn auch geborene Vampies dann zu Gesetzlosen wurden. Gill hingegen, hatte sich daraufhin für die Jagd auf Abtrünnige entschieden, da er die Unschuldigen beschützen wollte.

Allerdings sah er Tag ein, Tag aus wie sinnlos diese Sichtweise war, denn er und sein Team konnten fast nie Unschuldige retten und deswegen verblasste seine Motivation immer mehr. Er wollte eigentlich nicht mehr, doch man kam nur raus, wenn man starb oder Tyr einen gehen ließ. Das war wohl auch letztlich der kleine Tropfen, der Gill dazu brachte mit Argo zu sprechen, als sich an Vico zu wenden oder Tyr zu informieren. Vielleicht würde seine Chance jetzt kommen und er würde entlassen werden.

Ihre Fähigkeiten waren sowieso nicht zu vergleichen, es sei denn, man versuchte auch Speedy Gonzales und Micky Maus in einen Topf zu werfen. Aber so ging es jedem menschlichen Vampir in Betrachtung zu den Dämonischen. Das Alter, so hatte Gill es mit Entsetzen festgestellt, spielte gar keine Rolle unter ihnen, jedenfalls nicht unter Vampies. Deshalb lohnte sich ein langes Leben wahrlich nicht. Sie wurden weder stärker noch bekamen sie mehr Macht über ihre Fertig- und Fähigkeiten. Dieses Phänomen war nur den richtigen Vampiren vorbehalten.

Leider, wie Gill fand, aber nun würde Argo sein Revier übernehmen und ihm konnte keiner entfliehen, wenn er einmal Fährte aufgenommen hatte. So brauchte Gill nicht mehr betteln und diskutieren, denn jetzt würde der Praxisbeweis kommen, wie dringend notwendig es war, einen richtigen Vampir dabeizuhaben.

Der Gedanke, wie Argo den Abtrünnigen gerade an die Wäsche ging, ließ Gill sich mit einem seligen Lächeln zurücksinken und seinen heilsamen Erholungsschlaf genießen. Er wollte lieber die Gedanken noch eine Weile von sich schieben, bevor er Tyr aufzusuchen hatte.

Es galt zwar als Faustregel solche Informationen, wie eine Pause, weiterzureichen, da Tyr, für alle Fälle, immer gern Bescheid wissen müsse, wer wo war oder wer was tat, um im Notfall schneller und flexibler koordinieren und planen zu können. Allerdings konnte sich Gill absolut nicht vorstellen, dass dem wachsamen Auge irgendwas entschlüpfte. War es noch nie, seit er sich erinnern konnte und er hatte auch noch von keinem Älteren das Gegenteil gehört.


Tyr fand einfach keine Ruhe. Er war abgelenkt, unkonzentriert und alles andere als bei der Sache. Er konnte nur von Glück reden, dass er sich diese Ablenkung auch leisten konnte, immerhin hatte er loyale und fähige Leute um sich herum, die ihn schon rechtzeitig warnen würden, wenn seine Rolle als Hüter mal wieder benötigt werden würde. Solange aber, würde er sich ausgiebig dem neuen und ungewöhnlichen Fall widmen, mit dem Vornamen Callan.

Er hatte den Menschen schon am Samstag nach Hause gebracht, da dieser sich an ihre Begegnung nicht erinnern konnte und ihm die Geschichte mit dem Autounfall abnahm, doch es zog ihn beständig zu ihm.

Er hatte ihn seither jede Nacht besucht, sich mit ihm unterhalten und doch noch nicht gefunden, was ihn so zu bannen vermochte. Er hatte nicht einmal im Ansatz eine Idee und so schickte er ihn immer wieder in die Ohnmacht, damit er sich an ihre Gespräche nicht erinnern können würde. Schließlich konnte Tyr nicht zulassen, dass ein Sterblicher um seine Schwäche wusste. Nicht, solange er nicht alles herausbekam.

Er hatte sein Dasein zu verwischen und dennoch konnte er nichts gegen sein Verlangen ausrichten, welches ihn zu dem Jungen zwang. Er wollte seinen Geruch in der Nase haben, seine Wärme fühlen und auch dessen Körper spüren. Selbst sein Hunger auf Blut war noch nie so schlimm, wie er es war, wenn er das des Menschen roch. Es war zum verrückt werden, wie hilflos er auf einmal war. Schier unerträglich! Er, der große Krieger und Uraltvampir war besessen von einer zerbrechlichen Hülle aus Knochen und Fleisch. Wie ironisch war das nur? Was hatte dieser Mensch nur mit ihm gemacht? Verfiel er langsam dem Wahnsinn und bekam es nur nicht mit? Was lief nicht mehr richtig mit ihm?

Tyr würde das Rätsel schon entziffern und das Geheimnis des Menschleins lüften. Ganz gewiss, dafür jedoch entschied er sich, dem Kind auf Schritt und Tritt zu folgen und er würde nicht eher ruhen, bis er raus hatte, warum es ausgerechnet ihn betraf, weshalb sich ein Band geknüpft hatte oder wieso dieser Sterbliche ihm nicht mehr aus dem Schädel ging. Aber spezifisch interessierte ihn, weshalb ausgerechnet jetzt solch ein Wesen aufgekreuzt war. Er hatte in seiner gesamten Geschichte nicht einmal ansatzweise von etwas Ähnlichem erfahren und das war spannend genug. Darüber hinaus, war er absolut sicher, dass sein komisches Verhalten mit der Zeit abflauen würde.

Er war immerhin Jahrtausende alt und wusste nur zu gut, dass jede Faszination irgendein Verfallsdatum hatte, so war es mit Liebe und so würde es auch mit einem Bann sein. Irgendwann ließ die Magie einfach nach und dann würde er sich bitter rächen, an dem Fluch, mit dem er belegt wurde. Vielleicht steckte auch was ganz einfaches hinter dieser Geschichte und der Sterbliche war einfach nur ein Werkzeug.

Ganz gleich was es war, Tyr lebte einfach zu lange, als sich von solchen Emotionen, gar von einem Menschen, kontrollieren zu lassen. Er schwor bei seiner Unsterblichkeit, dem ein Ende zu setzten und verschwand erneut weit vor Einbruch der Nacht.


Callan spürte schon wieder diesen Schatten im Nacken. Seit Tagen hatte er das Gefühl verfolgt zu werden. Doch immer, wenn er sich umdrehte, war nichts zu sehen. Wenn das so weiter ging, würde er noch irre werden. Er hatte genug damit zu tun, das Durcheinander zu bändigen, was sein unfreiwilliger Black-Out mit sich gebracht hatte. Doktor Zwieber hatte sich zwar erweichen lassen, doch dafür musste er binnen zwei Wochen die Studiengebühr begleichen und einen Nachhilfekurs nachweisen. Er hatte sich zwar gefreut um den Aufschub, doch im Nachhinein war er sich nicht mehr sicher, ob der Rausschmiss nicht weniger Probleme nach sich gezogen hätte.

Er wusste, dass er mit seiner Mutter reden sollte, doch immer wieder schob er diese Alternative auf. Er wollte seinen Vater nicht sehen, gar treffen müssen. Es würde sowieso nur in Anschuldigungen und wüsten Beschimpfungen enden. Es reichte, wenn sein Spiegelbild ihm das große „L“ auf die Stirn zauberte. Er brauchte es nicht auch noch um die Ohren geworfen bekommen, was für ein Loser er war.

„Verdammt, zeigt euch schon.“, brüllte Callan, am Ende seiner Nerven, in die leere Gasse und drehte sich einmal um die eigene Achse. Die Nervosität fraß sich jeden Schritt, den er weiterging, durch seine Adern. Er war sicher, nicht allein zu sein. Er konnte die Anwesenheit fühlen und die Angst schnürte ihm beinahe die Luft ab. Es war nicht auszuhalten, diese Anspannung, darauf zu warten, jede Sekunde angesprungen zu werden.

Er war wie ausgewechselt, ständig hatte er ein warnendes Kribbeln in den Fingern und sein Herz schlug im Daueralarm. Von seiner Gelassenheit, die er sonst so an den Tag legte, war nichts mehr übrig. Mittlerweile reagierte er schon mit einem Schrecken auf den Piep- Ton einer Kaffeemaschine. Es würde sicher nicht mehr lange dauern und er konnte die Gummizelle mit seinem Onkel teilen. Ob es ihm wohl genauso ergangen war? Fing Wahnsinn so an? Dann gute Nacht.

Er konnte die unsichtbare Bedrohung deutlich wahrnehmen, wieso dies so war, wusste er zwar nicht, aber er fühlte sie eindeutig. Sie war heute so präsent, dass sie im Grunde greifbar sein müsste, jedoch war Luft nun einmal Luft. Er konnte nichts gegen einen unsichtbaren Feind unternehmen, auch sein bisschen Schulkarate würde da nicht helfen. Diese Techniken konnte er nur gegen etwas festes, geformtes anwenden. Nie hatte er einen Gedanken daran verschwendet, ob es übernatürliche Wesen gab. Nicht einmal die seltenen Menschen, die sich Vampies nannten, hatten ihm je Anlass gegeben, an die Behauptung, dass es richtige Vampire und Dämonen gab, zu glauben. Er hatte noch nie welche gesehen und Mediziner hatten sehr gute Argumente hervorgebracht, wieso die Menschen so waren. Er hatte nur nicht aufgepasst! Wozu auch? Er kannte ja doch keinen von dieser Art oder solche Freaks, die denen nachzueifern versuchten.

Die Kälte kroch unbarmherzig unter jedes von Callans Kleidungsstück, so dass er begann zu bibbern. Seine Gänsehaut war allerdings nicht mehr zu toppen. Wieso war er auch so leichtsinnig, nach Einbruch der Dunkelheit noch, durch die unbewohnten Gassen zu laufen. Nur weil es eine Abkürzung war, musste er nicht so blöd sein, mit seinem Leben zu spielen. Wer wusste schon, welche Irren sich hier heimisch fühlten und nur darauf warteten, ihm die Kehle aufzuschlitzen. ‚Brr, was für eine Vorstellung‘ durchfuhr es ihn und dann stockte er. Panisch blickte er sich, wie gehetzt, um.

Er hatte doch ganz plötzlich ein Geräusch gehört oder bildete er es sich nur ein. ‚Verfluchte Scheiße‘ murrte er innerlich. Sein Selbstbewusstsein war im Keller, die Panik hatte Vollmast gesetzt, sein Herz hämmerte wie verrückt und seine Brust schmerzte bereits unheimlich von dem dumpfen Druck, welcher sich um ihn gelegt hatte. ‚Jetzt, oder nie‘ machte er sich selbst Mut. Er blieb stehen, schloss seine Augen, atmete nochmal tief durch, bevor er die Luft anhielt und lauschte in die einsame Nacht. Irgendwo war ein Hundebellen zu hören, quietschende Reifen, doch in seiner Umgebung war alles still. Kein Atmen, keine Schritte, einfach nichts und doch brodelte sein Blut heiß in seinen Gefäßen. Wollte ihn warnen und dann…

„Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaah“

… ein durch Mark erschütternder Schrei ließ Callan seine Augen aufreißen und seinen Körper ganz automatisch in Bewegung setzen. Er rannte, wie von einer Hummel gestochen, durch die Gasse und bog in die zweite Abbiegung ein und sah eine schwarze Gestalt über einem anderen Körper hocken. Die sichtbaren Schuhe und das kurze, hellblaue Kleidungsstück bis zu den Knien ließ die Vermutung offen, dass der untenliegende Körper zu einer Frau gehörte. Der Schrei, den er gehört hatte, könnte wirklich von ihr gekommen sein. Sofort ging er zwei weitere Schritte auf die Zwei zu und rief deutlich:

„Hey, was machen sie da? Ist sie verletzt? Soll ich einen Notarzt rufen?“.

Daraufhin zuckte ein Kopf zu ihm, viel zu schnell und das ohne seinen Körper. Callan jedoch war viel zu sehr von dem Blut um den Mund und den blitzenden Augen abgelenkt, um sich über die unnatürliche Körperhaltung zu wundern. Ein fauchen ließ ihn kurz zusammenzucken und dann sah er auch schon den ausdruckslosen, wie verängstigten Ausdruck auf dem Gesicht des leblosen Körpers, in den Fängen der schwarzen Erscheinung.

Sie war ziemlich sicher tot, denn jeder Glanz war aus den Augen gewichen und die Kehle war weit aufgerissen. Callan wich entsetzt einen Schritt zurück, doch bevor er reagieren konnte, bemerkte er schon wie das Wesen sich aufgerichtet hatte und auf ihn zukam.

Nun schrie er selbst und wartete auf den Ruck, der ihn auf den Boden brettern und alle Luft aus den Lungen stoßen würde. Doch der blieb aus. Langsam öffnete er eines seiner Augen und blickte in schreckgeweitete Katzenaugen, viele Zentimeter über ihm. Er schluckte hart und dann erblickte er eine Hand um den Hals des Geschöpfes. ‚Oder war das eine Klaue, Hilfe‘ piepste Callans Verstand, auf der Suche nach einem Versteck.

Die Arme des Wesens hingen kraftlos an dem Körper hinab und Callans Blick wich zur Seite und da erkannte er einen Mann. ‚Gut, dann ist es eine Hand, puh‘ wich die Erleichterung in ihm, so dass er mit seinen Augen an dem attraktiven und gut gekleideten Mann hängen blieb. Dieser stand ruhig, mit seinem ausgestreckten Arm, da und drückte dem Wesen die Kehle zusammen. Er konnte sein Gesicht nicht sehen, doch er sah sehr genau, wie dieser seine Augen auf das andere Geschöpf gerichtet hatte. Er sah konzentriert und wütend aus, wenn Callan den mahlenden Kiefer richtig interpretierte.

Er kam sich irgendwie vor wie in einem fremden Film und war fassungslos. Einerseits war er erleichtert, wenn er daran dachte, vielleicht der nächste Snack geworden zu sein, doch andererseits, schrie jede Zelle in seinem Körper, dass die größere Gefahr für ihn von dem anderen Mann dicht neben ihm ausging.

Innerlich wollte er nichts lieber, als sich von dem Ort zu entfernen, doch seine Beine bewegten sich nicht. Genaugenommen solange nicht, bis er ein plauzten hörte und einen fallenden Körper wahrnahm. Das war zu viel für ihn, denn der Kopf befand sich noch immer dort, wo er zuvor war und zwar in der Hand des anderen Mannes. Doch der Körper, der vor einigen Sekunden noch in der Luft hing, lag nun auf dem Boden.

Callan konnte nicht mal mehr seinen Schreck hinausschreien, sondern er fiel ebenso rückwärts nach hinten und seine Synapsen hatten sich verabschiedet. Es war einfach zu viel des Guten für seinen Verstand.

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