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Die Türen des Zuges schlossen sich und schon bald begann der Zug, langsam zu rollen. Ich lehnte mich in meinen Sitz zurück, total nervös und kribbelig. Was würde mich wohl da erwarten, in dieser fremden Stadt? Endlich durfte ich mal alleine in eine fremde Stadt fahren, für eine Woche lang bei meinem Onkel bleiben. Ich packte meine Computer BILD–Zeitschrift aus und blätterte uninteressiert darin herum. Hektisch steckte ich sie wieder weg und zog ein Buch hervor. Auch dieses verschwand bald wieder in meiner schweren Reisetasche; meine Mutter hatte es mal wieder etwas zu gut gemeint mit Klamotten. Hungrig ließ ich meine Sachen im Abteil und setzte mich in den Speisewagen, um etwas zu essen. Hastig verdrückte ich zwei kleine Brötchen und drei Tassen heiße Schokolade. Ich machte mir Gedanken darüber, was es da wohl alles zu sehen gäbe, doch auch das linderte meine Aufregung und Vorfreude kaum. Nach unzähligem Umsteigen und vier Stunden Fahrt war es endlich soweit. Ich durfte den Zug verlassen. Die Tasche war so schwer, dass ich sie einfach quer durch den Zug zum nächstgelegenen Ausgang nachzog. Was hatte wohl meine Mutter nun wieder alles eingepackt?

Mein Onkel stand schon weit vorne am Bahnsteig und wartete auf mich. "Hallo Chris!" begrüßte er mich freudig. "Bist du aber groß geworden", fügte er noch bei. Kaum hatten wir uns begrüßt, nahm er meine Tasche und trug sie zum Auto. "Sag mal, wie alt bist du denn inzwischen?" fragte er mich. "Ich werde in einem Monat 16! Hast du das etwa schon vergessen?" "Nein, wollte mich nur vergewissern, - 16? Na, dann hast du bestimmt schon eine Menge netter Mädchen kennen gelernt?!" Er klopfte mir auf die Schulter, und in diesem Moment lief es mir kalt den Rücken hinunter - wusste er denn noch nicht? Es war eine Menge Verkehr, so dass wir viel Zeit hatten, um miteinander zu reden. Es ging um alles Mögliche: Autos, von denen ich nichts verstand, Fußball, den ich hasste, und Frauen. Doch plötzlich wich er vom Thema ab: "Ach, das wollte ich dir noch sagen, ich hatte es total vergessen - mein Patenkind, Philipp, ist auch noch bei mir. Ihr werdet euch sicher gut verstehen!" Was? Wie bitte? Und was war mit mir? "Na ja, ich weiß nicht", erwiderte ich mulmig.

Sicher war es so ein kleiner mühsamer Schnösel, der noch in die Windeln machte, und Teletubbies schaute. Wieso musste er sein Patenkind ausgerechnet dann zu sich einladen, wenn ich ja schon eingeladen war. Das versaute mir die Stimmung, und ich hatte keine Lust mehr, eine Woche Ferien bei ihm zu verbringen. Mein Onkel parkte das Auto, und wir gingen ins Haus. Er schloss die Türe auf, streifte sich die Schuhe ab und hängte seine Jacke auf. "So, nun werde ich dich mit Philipp bekanntmachen!" sagte er freudig. Wohl wird er ihn aus dem Kinderbett holen müssen, dachte ich. "Philipp! Wir sind zurück!" Im oberen Stock hörte ich eine Türe aufgehen. Kurz darauf sah ich jemanden die Treppe herunter kommen. Ich war starr. War das nun dieser Philipp? Ein großer, ca. 17-jähriger Junge stand vor mir. "Na, hallo! Du bist also Chris. Hab schon viel von dir gehört!" Mit einem Lächeln und einem halben Herzstillstand konnte ich mich mit knapper Not noch halten. Ich glaubte, meine Augen würden gleich aus meinem Kopf fallen. "Hi!" war alles, was ich sagen konnte. "Philipp, zeig ihm doch das Zimmer, ja?" "Joa klar! Also, komm mit!" Er lächelte mich an und trug meine Tasche in den oberen Stock, in ein großes Zimmer. Ich machte die Tür hinter mir zu. Ein großes Doppelbett füllte den größten Teil des Zimmers aus. Außerdem war an der Wand eine Matratze mit Decke und Kissen und ein kleiner Schreibtisch mit Schreibmaschine darauf. Ein großer Wandschrank war auf der rechten Seite der Tür. "Hier kannst du deine Klamotten reinstopfen!" Er zeigte auf eine freie Seite im Schrank.

Ich konnte kein Wort sagen, meine Kehle war wie zugeschnürt. Mit diesem absolut süßen Boy kann ich nun eine Woche Ferien machen? "Also, ich habe bis jetzt auf dem großen Bett gepennt, ich weiß nicht, wie du das hast, von mir aus kannst du auch da schlafen, oder auf der Matratze am Boden!" Was? Auch noch im selben Zimmer schlafen? Im selben Bett? Es würde wohl nicht lange gehen, bis mein Herz total versagen würde und ich vor Freude gleich tot umfalle. "Ähm, wenn's dir nichts ausmacht, schlafe ich gerne auch auf dem großen Bett!" "Ja klar! Weißt du was, schmeiß das Zeugs einfach hin, wir werden heute Abend sehen, wie das geht!" Ich legte mein Gepäck neben das Bett und folgte Philipp nach unten. "Jungs!!!" schrie mein Onkel aus der Küche. "Kommt und helft mir beim Kochen!"

Mein Onkel, der hatte es echt schön. Ein riesengroßes Haus, einen dicken BMW und genug Geld, um sich fast alles leisten zu können. Er war irgend so ein wichtiger Bankkaufmann, mit einer leitenden Position oder so ähnlich. Philipp deckte den Tisch, und ich erwischte mich immer wieder dabei, wie ich ihm heimlich nachschaute. Schließlich saßen wir zu dritt in dem großen Esszimmer und mampften Steaks. "Heute Abend spielt Bayern! Das sehen wir uns an, oder?" "Ohne mich!" sagte Philipp. Total verwundert schaute ich ihn an und sagte bald darauf: "Das möchte ich lieber auch nicht sehen!" "Was? Es ist das Endspiel, das müsst ihr euch einfach ansehen! Aber wenn ihr nicht wollt!" "Nee, ich hab noch an meiner Semesterarbeit zu arbeiten!" Mein Onkel machte ein enttäuschtes Gesicht. Ich hatte auch überhaupt keine Lust, mir irgendein doofes Fußballspiel anzusehen. Nach dem Essen verschwand Philipp schnell ins Zimmer.

Ich half meinem Onkel in der Küche. "Chris, ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich dir verschwiegen habe, dass Philipp da ist!" "Nein, ist doch nicht so schlimm", sagte ich. Wenn der bloß gewusst hätte, wie froh ich darüber war. "Weißt du, er hat zuhause ziemliche Probleme, und deshalb ist er auch vor drei Tagen hierher gekommen." Er verzog sein Gesicht. Ich wunderte mich etwas, dass gerade dieser Junge zuhause Probleme haben sollte. Womöglich eine schwangere Freundin! Dieser Gedanke brachte mich zum Lachen. "Worüber lachst du?" "Nichts, nur ein Gedanke. Was ist denn bei ihm los?" "Keine Ahnung, er wollte es mir nicht sagen. Scheint aber was Ernsteres zu sein!" Langsam wurde ich neugierig.

Nach der Küche ging ich ins Zimmer. Philipp saß an seiner Schreibmaschine und tippte. "Bin wieder zurück!" Ich schloss die Tür. Er drehte sich zu mir um. "Und, hat er dich überredet, das Spiel trotzdem zu schauen?" Ich lachte: "Nein, das hätte er auch nicht geschafft!" "Ach ja? Da kennst du deinen Onkel wohl ziemlich schlecht." "Kann sein, ich sehe ihn auch nur alle vier Jahre mal." Ich setzte mich aufs Bett. "Ich hab ihn bis jetzt auch nicht so oft gesehen." Da erinnerte ich mich ans Gespräch von vorhin. "Ach ja, und wieso bist du nun eigentlich hier?" "Das ist eine zu lange Geschichte, um sie jetzt zu erzählen!" "Ach was, ... du hast Krach mit den Eltern?" Sein Lächeln verschwand vom Gesicht. "Ja, hab ich." Ich wagte nicht, weiter zu fragen. Es wurde totenstill. Plötzlich packte Philipp ein Kissen und schmiss es mir an den Kopf. "Da, du Kröte!" Er lachte laut. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, schnell packte ich ihn am Ärmel, schmiss ihn aufs Bett und stopfte ihm das Kissen ins Gesicht. Es artete aus in eine kleine Kissenschlacht; ich schmiss knapp einen Meter von ihm entfernt wild mit Kissen und Decke um mich und er auch.

Nach einer Weile ließ ich mich erschöpft aufs Bett fallen. Meine Batterien schienen völlig leer zu sein, und ich keuchte auf dem Rücken liegend vor mich hin. Philipp jedoch schien die Luft noch nicht ausgegangen zu sein. Er packte sich ein Kissen, setzte sich auf meinen Bauch und klemmte mir die Arme so ein, dass ich mich nicht mehr wehren konnte. Er kitzelte mich aus. Ich versuchte freizukommen und schaffte es auch nach langem, einen Arm freizubekommen. Philipp hörte auf, mich zu kitzeln. Eine knappe Minute blieb es still. Niemand wagte sich zu rühren. Mein Herz pochte heftig. Wenn er bloß wüsste, mit was für einem er da rumalberte. Womöglich würde er mich verhauen und nicht mehr im selben Zimmer schlafen wollen. Ich verdrängte diese Gedanken. Meine freie Hand legte ich auf seine Brust, und drückte ihn zur Seite. Er ließ sich ohne Kraft auf die Seite fallen. Ich starrte die Decke an. Philipp lag etwa einen Meter neben mir und schaute in die Luft. "Was schreibst du da eigentlich, wenn ich fragen darf?" "Ja, kannst du, aber du wirst es eh nicht kapieren. Ich muss eine Semesterarbeit schreiben über die Entwicklung der Blattläuse." Ich lachte. "Und über so was kann man echt schreiben? Muß ja furchtbar interessant sein. Sag jetzt, wieso bist du hier?" fragte ich, besessen. "Nun ja, meine Eltern sind nicht so ganz einverstanden und finden das, was ich denke, eben…", er zögerte, "falsch... ja, ... falsch!" Ich kapierte nicht ganz. "Ist das echt ein Grund, einfach wegzugehen?" "Ich bin ja hier nur in den Ferien. Wir haben ja keine Schule zurzeit!" Er schaute auf die Uhr. "Was? Schon halb zwölf??" Erschrocken setzte er sich auf und schaute mich an. "Ich muß schlafen. Ich hab morgen noch viel zu tun!" Ich schaute in seine Augen und glaubte, darin zu versinken. "Hey!" Er lächelte verlegen. "Schau mich nicht so an!" Er wandte seinen Blick ab. Erschrocken sah ich ihn an. Hatte ich ihn etwa angestarrt? Hatte er was gemerkt? Ich bekam es mit der Angst zu tun. "Wie schaue ich dich denn an?" fragte ich, ängstlich. "Na, eben so halt!" Er lachte. "Na ja - egal, ich muß trotzdem schlafen gehen!" "Das heißt, dass ich jetzt schlafen soll, oder?" "Nein, du kannst ja nach unten gehen und dir das Fußballspiel ansehen!"

Ein Lächeln zog mir übers Gesicht. "Sehr komisch, na, dann werde ich mich auch schlafen legen. Ich schlaf aber auf der Matratze!" Ich hätte mir am liebsten selbst eine geklebt. Wieso hatte ich das bloß gesagt? "Schade, sonst hätten wir noch etwas quatschen können. Wie du willst!" Sein Lächeln durchbohrte mich. Eine Weile später lag ich alleine auf der Matratze an der Wand und ich hätte mich am liebsten selber geohrfeigt, so was Doofes zu sagen. Philipp und ich sprachen noch eine Weile, dann war es still. Was würde er wohl sagen, wenn ich nun einfach auf das große Bett umziehen würde? Bald darauf kam mein Onkel ins Zimmer, es war dunkel, und das Licht aus dem Gang blendete mich total. "Gute Nacht, ihr beiden. Ich gehe jetzt auch schlafen!" "Gute Nacht!" sagte ich noch. Philipp blieb ruhig. 'Also, wenn er nichts sagt, dann wird er wohl schlafen', dachte ich. Kurzerhand packte ich mein Kissen und meine Decke und schmiss es auf das große Bett. Schnell kroch ich frierend unter meine Decke. Ich legte mich hin, mit dem Gesicht zu Philipp und schloss meine Augen. "Na, anders entschieden?" schmunzelte er, ohne die Augen zu öffnen. Ich riss erschrocken meine Augen auf. Sein Finger fuhr über meine Nase. "Schlaf gut!" sagte er zu mir. "Danke", stotterte ich. Wieder pochte mein Herz heftig und ich war aufs Äußerste aufgeregt. Wieder versuchte ich, meine Augen zu schließen und endlich zu schlafen, als er seine Hand auf meine legte, aber nichts sagte. Ich rührte mich nicht. Bald darauf musste ich eingeschlafen sein. Als ich das Morgenlicht erspähte und mich nach Philipp umdrehte, war er nicht mehr da. Kurz darauf kam er zur Tür rein.

"Na, ausgeschlafen?" Er setzte sich neben mich aufs Bett und legte seine Hand auf meine Schulter. "An deiner Stelle würde ich langsam aufstehen, wir fahren heute ins Deutsche Museum." Er rümpfte die Nase. "Nicht ins Museum, und vor allem nicht heute!" murmelte ich. "Tja, du kennst ja deinen Onkel, wenn der mal was im Kopf hat!" Er stand auf: "Chris, nicht zu lange liegen bleiben!" schmunzelte er und verschwand. Den ganzen Tag verbrachten wir dort und dennoch schafften wir nicht die Hälfte des weltberühmten Museums. Es war riesengroß und mein Onkel drohte damit, am anderen Tag wieder hin zu gehen. Ich freute mich so sehr auf den zweiten Teil seiner Führung, dass ich am liebsten wieder nach Hause gefahren wäre. Doch als mir das durch den Kopf schoss, folgte auch der Gedanke: 'Aber nur mit Philipp.' Ich lächelte. Dieser Junge... er ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Nach dem Abendessen bei meinem Onkel zuhause legte ich mich vor Erschöpfung gleich aufs Bett. Draußen war es noch hell. Ich stand auf, um die Läden runterzulassen, um es etwas dunkel im Zimmer zu machen, als ich im Garten draußen Philipp sah. Er schrieb in einem Buch. Es sah aus, als würde er Tagebuch schreiben. Ich ging nach draußen zu ihm. "Da bist du ja", sagte er, als er mich sah. "Wieso? Hast du mich gesucht?" Komisch... "Nein, aber gerade an dich gedacht!" lächelte er mir zu. Dieses Kribbeln im Bauch tauchte wieder auf. "Schreibst du Tagebuch?" fragte ich vorsichtig. "Ja." Sein Lächeln verschwand plötzlich. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Es blieb still. Ich setzte mich neben Philipp ins weiche Gras. Noch immer sagte niemand etwas. Es wurde mir etwas mulmig, vor allem, weil ich ihm am liebsten gesagt hätte, was ich wirklich dachte. Nach einer Weile stand ich auf und ging in unser Zimmer, um mich schlafen zu legen. Bedrückt und mit einem absolut komischen Gefühl machte ich mich fertig, um schlafen zu gehen. Betrübt ließ ich mich auf das große Bett fallen und wickelte mich in die Bettdecken ein. Müde schloss ich die Augen und schlief bald ein. Ich hörte eine Türe aufgehen. Der alte Holzboden knarrte, als würde jemand in Richtung Bett gehen. Ich musste geschlafen haben. Zu müde um aufzuschauen, lauschte ich neugierig, was los war. Philipp schmiss seine Kleider auf einen Berg an der Wand. Ich hörte die leisen Geräusche der auf den Boden fallenden Klamotten. Einen kurzen Moment verschwand er noch aus dem Zimmer, ich vernahm erst wieder ein Geräusch, als er zur Türe rein kam, und sich unter die Bettdecke legte. Er rollte mich leicht beiseite, da ich immer noch quer auf dem großen Bett lag.

"Schlaf gut, und träum was Süßes", sagte er noch. Ich spürte seine Hand über meinen Kopf fahren. Dann wurde es wieder ruhig. Geweckt wurde ich am anderen Morgen dadurch, dass sich Philipp im Schlaf über meinen ausgestreckten Arm gerollt hatte. Der plötzliche Schmerz riss mich schlagartig aus dem Schlaf. Auch Philipp riss seine Augen auf und setzte sich auf. Er entschuldigte sich hundert Mal, und immer sagte ich, dass es nichts ausmachen würde. Ich kam mir dabei etwas doof vor. Diesen Tag nahm ich mir einen Stadtbummel vor und mein Onkel entschied kurzerhand, dass Philipp die mir unbekannte Stadt zeigen sollte. Mein Onkel hatte geschäftlich etwas zu tun. Wir gingen früh aus dem Haus zu der nächsten Bushaltestelle, wo wir etwa 20 Minuten auf diesen bescheuerten Bus warten mussten. "Was von der Stadt willst du denn sehen?" "Wenn ich ehrlich bin, lieber keine Sehenswürdigkeiten mehr, lass uns doch einfach Einkaufen gehen!" sagte ich und rümpfte die Nase. Auf keinen Fall mehr langweilige Sehenswürdigkeiten. "Wenn du magst, gerne. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du gerne Einkaufen gehst!" "Klar doch, immer." Ich lächelte ihn an und da war es wieder, dieses Strahlen in seinen Augen, das mich fesselte. Es ließ mich nicht mehr los, und ich konnte auch nicht mehr denken. Das wurde mir aber erst bewusst, als er mit dem Finger auf meine Nase tippte und mich anlächelte: "He du, willst du mich etwa auffressen?" Sein Lächeln verwandelte sich in ein kurzes Lachen. Wir setzten uns auf eine Bank, das heißt, Philipp zog seine Füße auf die Bank und stützte sein Kinn auf seinen Knien ab. Mit den Armen hielt er die Beine fest. Ich setzte mich ihm gegenüber genauso hin. Sollte ich ihm sagen, was ich wirklich von ihm hielt? Wie würde er wohl reagieren? Es wäre ein geeigneter Zeitpunkt... "Philipp, ..." Ich konnte es nicht. "Was?" "Nichts, vergiss es!" Wieder warf er mir einen dieser absolut süßen Blicke zu.

"Sag schon!" Er spielte mit meiner Hand. Irgendwas lag in der Luft, das spürte ich an seinem Verhalten, an seiner Art, an allem, aber... Glücklicherweise kam in diesem Moment der Bus an. Ich hätte an dieser Stelle nicht mehr gewusst, was sagen. Als wir wieder am Bahnhof ankamen und ausstiegen, sah ich am überdachten Bürgersteig an der Wand des großen Bahnhofes einen Passfotoautomaten. Ich zog Philipp am Ärmel wie wild geworden zu diesem Automaten und überredete ihn, mit mir in diesen Kasten zu steigen. Obwohl er es anscheinend nicht so gerne hatte, machte er mit. Wir setzten uns rein. Philipp legte seinen Kopf auf meine Schulter. Mein Kopf lehnte sich an seinem an. Am liebsten wäre ich noch eine Stunde oder mehr in dieser Position sitzen geblieben. Als die Fotos aus dem Automaten kamen, riss sich Philipp alle vier sofort unter den Nagel und wollte sie mir nicht zeigen. "Nein, so toll. Die darf ich sicher behalten? Daaaaaaanke!" Ich konnte gar nichts sagen. Ehe ich mich dagegen wehren konnte, verschwanden alle in seiner Tasche. Nicht einmal anschauen durfte ich sie. Den ganzen Tag streiften wir in der Stadt umher und durchkämmten fast alle Läden und Boutiquen.

Am Schluss des ganzen Einkaufbummels setzten wir uns in ein McDonalds und Philipp lud mich zu einem kleinen Imbiss ein. "Das ist als Entschädigung dafür, dass ich dich heute Morgen so unsanft geweckt habe..." sagte er und stellte zwei Portionen Pommes frites und Cola auf den Tisch. "Morgen werde ich es bestimmt etwas sanfter tun!" Er lachte. "Echt? Na da bin ich aber gespannt!" Was hatte er bloß vor? Als die Dunkelheit einbrach, kehrten wir wieder nach Hause zurück. Mein Onkel war nicht zuhause, ein Zettel hing an der Tür: "Bin morgen Abend wieder zuhause, musste geschäftlich verreisen!" Und Unterschrift zuunterst. "Ts... und was machen wir nun hier?" Philipp machte die Tür auf. Das ganze Haus war aufgeräumt. Ich schleppte die Einkaufstasche in das Zimmer. Die Betten waren frisch bezogen und alles schön aufgeräumt. "Er hat die Putzwut!" schrie Philipp aus der Küche. "Ich seh's eben, die Betten sind frisch bezogen und meine Kleider in den Schrank eingeräumt!" "Das Essen ist in der Mikrowelle!" las Philipp laut vor. "Nein danke, ich hab genug gegessen!" Ich ging die Treppe hinunter in die Küche. "Kein Essen mehr für mich!" meinte Philipp. Er holte sich ein Glas Tee aus dem Kühlschrank. "Ich werde noch etwas an meiner Arbeit schreiben!" "OK!" Philipp verschwand im Zimmer. Ich schaute mich ein wenig im Wohnzimmer um, die Bilder, die auf dem Kästchen standen. Auf der Seite des Sofas lag ein Stapel Zeitschriften, die ich etwas durchblätterte. Gelangweilt zappte ich die Programme im Fernseher durch und weil ich da auch nichts Schlaues fand, ging ich nach einer guten Stunde auch ins Zimmer hoch. Philipp schrieb an seinem Tagebuch. Als ich ins Zimmer kam, sah ich, wie er gerade eines der Fotos aus dem Automaten in sein Buch klebte. "Ach ja, die will ich aber nun auch noch sehen, das hätte ich ja fast vergessen!"

"Ich hab dir zwei weggelegt, die ich dir später mal geben werde!" Er lächelte mich wieder so an... Wieso konnte er mir die nicht einfach jetzt geben? Unterdessen war es ganz dunkel geworden und es begann zu regnen. Philipp packte sein Tagebuch weg. "Bitte, bitte, bitte", flehte ich, "gib mir die Bilder, ich möchte zu gerne sehen, wie sie geworden sind." Er zögerte: "Bist du echt sicher, dass du sie sehen willst?" Ich lachte, was hatte er bloß damit gemacht, dass es ihm so schwer fiel, sie mir zu geben? Er setzte sich auf den Schreibtisch und stellte die Füße auf den Stuhl. Ich stand daneben und stützte mich auf seinen Oberschenkel. Er rollte seine Augen. "Nun denn...", er zögerte ein weiteres Mal, "hier sind deine beiden!" Er streckte mir ein Couvert entgegen. Aufgeregt stützte er sich mit den Armen auf den Schreibtisch. "Danke", meinte ich. Gespannt öffnete ich den Briefumschlag. Darin lagen die beiden Fotos. Schnell nahm ich sie raus. "Ist ja schräg", grinste ich. Ich sah sie mir lange an, legte sie dann wieder lachend auf den Schreibtisch und machte einen kleinen Schritt nach hinten. Philipp nahm mich sanft am Arm. Er hielt meine Hand. "Ach was, die Fotos sind echt gut, war eine gute Idee, die zu machen, können wir ja morgen wieder tun!" Philipp lachte mich an. Wieder fesselte mich sein Blick. Seine Hand fuhr mir sanft durch die Haare. Um mich von seinem Blick loszureißen, schaute ich auf den Schreibtisch, und da entdeckte ich erst, dass hinten auf dem einen Foto was geschrieben war. Ich schaute ihn fragend an. "Was ist das?"

Er sagte nichts. Es wurde still. Ich nahm das Foto und drehte es um, um den Schriftzug zu lesen, doch bevor ich es lesen konnte, hielt Philipp meine Hand und verdeckte das Bild. Etwa eine Minute wagte wieder niemand, was zu sagen oder sich zu bewegen. Ich schaute in seine tiefen braunen Augen, die mich jedes Mal aufs Neue verzauberten. Er nahm seine Hand weg, so dass ich es lesen konnte: 'Ich hab dich lieb'. Ich schaute ihm in die Augen, lange, und regungslos. "Du bist echt süß", flüsterte ich ihm zu. "Danke!" Es war, als hätte in diesem Moment etwas Großes begonnen, etwas Bewegendes. "Du bist derjenige, der hier süß ist!" lachte er. Seine Hand streichelte mir sanft übers Gesicht. Meine Hände streichelten über seinen Oberkörper. "Ich hab dich auch lieb!" sagte ich noch, bevor er mich ganz sanft und lieb in den Arm nahm. Ich spürte seine Wärme, und seine Nähe, mehr, als ich mir jemals erträumt hatte.

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