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Denn gemeinsam sind wir stark

Teil 3

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Glücklich schmuste Thore sich in die Umarmung, seufzte lächelnd. Kilian war der Einzige, der ihm noch Zuneigung in dieser Form zukommen ließ; und Thore war verdammt froh darüber. Bei ihm hatte er das Gefühl wirklicher Geborgenheit, ohne Heuchelei oder Bedingung.

Deswegen war es für ihn auch keine Frage, auf Kilians Bitte, ihm bei der Einrichtung zu helfen, zuzusagen.

Wenn er sich diesen Raum alleine ansah, durchfluteten ihn die Ideen wie ein wahrer Gewittersturm.

"Natürlich helfe ich dir", gab der 15-Jährige zur Antwort, "als erstes müssen wir aber die Wände neu streichen", mäkelte er schon herum. "Dieses Weiß ist viel zu steril, ein kräftiges Rot wäre extrem genial."

Thore löste sich nur ungern aus dieser warmen Umarmung, doch das Element des Innenausstatters hatte ihn vollkommen gepackt. So wie immer, wenn er einen Raum sah, der unvollständig aussah. Seine Eltern meinten immer, er hätte diesen Spleen von seinem Onkel geerbt, und darauf waren sie überhaupt nicht stolz. Denn Onkel Christian war einer 'von denen';

abartig in seiner ganzen Existenz.

Thore konnte es nicht verstehen. Nur weil sein Onkel lieber Männer mochte? Der Braunhaarige schüttelte den Kopf. Nein, er konnte es wirklich nicht verstehen. Wie wohl Kilian darüber dachte? Ob er ihn, Thore, auch für schwul hielt, nur weil er sich gerne kreativ betätigte?

Er beschloss, den Grauhaarigen zu fragen, denn schließlich konnten sie über alles reden. Warum nicht auch über Homosexualität? Interessant war das Thema allemal, und da er Kilian vertraute, mehr als jedem anderen, fragte er ihn einfach.

"Du, findest du Schwule eigentlich eklig?" Er hoffte, dass die Antwort nicht negativ ausfallen würde.

Im ersten Moment zuckte Kilian zusammen. Warum hatte Thore ihn das jetzt gefragt? Hatte er etwa etwas geahnt, wegen der Umarmung oder waren Kilians Gefühle so durchschaubar? Seine Stimme zitterte leicht, als er antwortete. „Wieso eklig? Nein. Ich finde es nicht eklig. Ich... ich denke, dass Liebe zwischen Männern genauso normal ist wie Liebe zwischen Mann und Frau. O..oder nicht?“ Er war sich nicht sicher, was Thore über das Thema dachte. Hatte er vielleicht jetzt zu viel verraten? War es vielleicht nur eine Art gewesen, Kilian sein angreifbarstes Geheimnis zu entlocken? Unsicher blickte er Thore an. Selbst wenn dieser sein Geheimnis bis jetzt noch nicht durchschaut hatte, spätestens in diesem Augenblick konnte man es an Kilians Gesichtsausdruck ablesen. Und doch hoffte der Grauhaarige mehr als alles andere, dass Thore genau in diesem Augenblick nicht richtig hinsehen würde.

Lächelnd fiel er seinem besten Freund um den Hals. Er hatte auch nicht verstanden, was daran falsch sein sollte, und Kilian hatte ihn in seiner Meinung bestärkt. Innerlich war er ihm sehr dankbar, denn er mochte seinen Onkel furchtbar gern.

"Vielen, vielen Dank für deine Toleranz", flüsterte Thore dem Älteren ins Ohr, schmiegte sich währenddessen eng an ihn.

Für einen Moment dachte er, in Kilis Augen so etwas wie Angst gesehen zu haben, als ob er etwas zu verbergen hatte, doch nach einem Moment des Innehaltens kam ihm wieder zu Bewusstsein, dass so ziemlich alles an seinem Freund ein Rätsel war. Doch es störte ihn ja nicht mehr so arg.

Der Braunhaarige lehnte weiterhin an Kilian, lauschte wie so oft einfach nur dessen Herzschlag, und fühlte die innere Unruhe des Anderen.

"Was ist los, Großer?" fragte Thore mit leiser Stimme und warmem Atem, der Kilians Hals umschmeichelnd streifte.

//Toleranz! Wenn du wüsstest. Mein Gott, wieso? Wieso musste ich solche Gefühle für dich entwickeln? Warum konnte es nicht einfach bei einer normalen Freundschaft bleiben? Mein Vater hat schon recht, ich mache alles kaputt!// Kilian gingen so viele Gedanken durch den Kopf. Was sollte er denn jetzt sagen? Wie sollte er Thore das alles erklären? Konnte er es erklären? Sollte er es erklären? Sein Herz raste. „Ich... ich weiß nicht. Wahrscheinlich bin ich nur so aufgeregt, weil ich bald hier wohnen werde und weil du mir alles einrichten willst.“ Was sonst hätte Kilian in dieser Situation sagen sollen? Ein großes Liebesgeständnis war wohl kaum angebracht. Kilian legte seine Arme um Thore, ganz egal, selbst wenn dieser seine Gefühle jetzt entdeckte. Ja, Kilian war ein ziemlich gespaltener Charakter, das wusste er selbst. Vielleicht war es der Wunsch, der tief in ihm wohnte, dass Thore sein Geheimnis aufdecken würde. In ihm gab es einen winzigen Funken Hoffnung, dass Thore vielleicht seine Gefühle erwiderte. Ganz egal wie unwahrscheinlich das auch scheinen sollte.

"Ich freue mich auch schon drauf, aber ich brauche natürlich auch deine Hilfe, weil allein werde ich das kaum schaffen", murmelte der 15-Jährige an der Brust des Anderen. Gleichzeitig wurde ihm unglaublich kalt, so dass er noch ein Stück weiter in der intimen Umarmung verschwand, denn ein Gedanke durchzuckte ihn urplötzlich. 'Warum liebe ich es so, wenn er mich so festhält?'

Doch Thore war zu fröhlich, um diesen Gedanken weiter ernst zu nehmen. Sein Freund würde eine Wohnung haben. Eine eigene Wohnung, in der er tun lassen konnte, was er wollte!

Vielleicht dürfte der Braunhaarige sogar mal bei Kilian übernachten. Dann konnten sie bis in die Nacht fernsehen, Chips futtern, Cola trinken, vielleicht sogar Alkohol! Alles das, was er zu Hause nicht durfte. Und am Schönsten wäre es, wenn er die ganze Zeit dabei in Kilians Armen liegen dürfte.

Ja, in zwei Wochen schon würde sich beider Leben verändern, das hatte Thore im Blut; das fühlte er einfach.

Je enger sich Thore an Kilian schmiegte umso nervöser wurde er. Wie lange konnte er sich noch zurückhalten? „Klar helfe ich dir auch. Ich will dich doch nicht für mich arbeiten lassen, während ich rumsitze und zugucke.“ Er lächelte sanft. Seine Gefühle schienen ihn zu zerreißen. Er hatte fast panische Angst davor, dass Thore sein Geheimnis aufdecken würde. Auf der anderen Seite hatte er in Momenten wie diesen das Gefühl, dass Thore vielleicht so dachte wir er. Doch je länger er darüber nachdachte, umso bewusster wurde ihm, dass Thore lediglich seine Nähe brauchte; ihn, seine Wärme, aber nie im Leben seine Art von Liebe. Thore konnte sich gar nicht vorstellen, wie viel er Kilian bedeutete. Ohne ihn hätte sich dieser wahrscheinlich schon lange das Leben genommen. Thore wusste es nicht, aber Kilian dachte oft an den Tod. Oft sah er in ihm den einzigen Ausweg. Doch dann fiel ihm irgendwann Thore ein. Dieser brauchte ihn doch. Er zwang sich dazu durchzuhalten – wegen Thore. Das war ein weiterer Punkt, warum er so große Angst davor hatte, dass der Braunhaarige seine Gefühle durchschauen konnte. Dadurch bestand die Gefahr, Thore zu verlieren, und das war das, wovor Kilian am meisten Angst hatte.

Ohne sich von seinem Freund zu lösen, fragte Thore leise: "Eigentlich könnten wir ja heute schon anfangen, oder? Ich meine, ich bin so kreativ gerade." Mit lachenden Kinderaugen blickte er Kilian an, sich der ausstrahlenden Erotik und Leidenschaft seiner Kohleaugen nicht bewusst seiend.

Sofort redete er, ohne Punkt und Komma und ganz in seinem Element versunken weiter, dabei immer die verschwenderische Wärme des Grauhaarigen genießend.

"Ich habe noch ganz viele knallige Farben auf unserem Dachboden stehen, und ein Sofa, das man aufmöbeln könnte. Dann kann man ja auch noch die Fensterrahmen verzieren..." Eine ganze Weile lang murmelte Thore vor sich hin, während Kilian schon lange Ohren haben musste, doch ein arbeitseifriger Thore war nicht aufzuhalten.

Irgendwann jedoch verstummte der 15-Jährige und lächelte den Älteren nur an.

"Ich bin froh, dass du mich so gerne hast."

Kilian hörte geduldig zu. Die meisten von Thores Ideen waren einfach genial. Wie fast alles, was Thore in die Hand nahm. Er lächelte still vor sich hin, während der Braunhaarige seine Gedanken aufzählte, und blickte tief in diese wunderschönen Augen. Bei Thores letztem Satz erwachte er allerdings wieder aus seiner Trance. Ein leichter Rotschimmer zeichnete sich auf seinen Wangen ab. „Natürlich habe ich dich gern. Sogar sehr. Das weißt du doch. Warum sollte es denn anders sein?“ Und ganz leise fügte er hinzu, „Du bist mir sogar mehr als nur wichtig.“ Direkt nachdem er das ausgesprochen hatte, zuckte er zusammen. Was hatte er getan? Eine stumme Hoffnung machte sich in ihm breit, dass Thore genau in diesem Moment nicht mehr hingehört hatte und doch war seine Aussicht auf diesen Zufall gering. Er war so ein Idiot! Mit aller Kraft versuchte er den Kleineren abzulenken. „Willst du wirklich schon heute beginnen? Meinetwegen, aber dann müssen wir erst in den Baumarkt und die restlichen Materialen besorgen... und... und…“, Kilian versuchte zwanghaft, ein anderes Thema zu finden. Seine Bemühungen schlugen fast in panische Angst um.

Ein Finger auf Kilians Mund stoppte diesen in seinen Versuchen, ein anderes Thema anzuschneiden, von seiner Aussage einen Moment zuvor abzulenken. Thore war bei dessen Worten, die wie nebenbei gesagt wurden, merklich wärmer geworden, eine zarte Röte breitete sich auf seinem Gesicht aus.

"Ich.. ich mag dich auch... sehr gerne...", lächelte er schüchtern. Dann nahm er all seinen Mut zusammen und reckte sich nach oben, um dem sichtlich verwirrten Halbrussen einen liebevollen Kuss auf die Wange zu geben. Verlegen blickte er den Größeren an, bevor er in ein leises Kichern ausbrach, welches in Kilians Ohren sehr angenehm klang, das wusste Thore.

"Also, dann lass uns mal losziehen, ich will dein Heim heimelig machen!"

Als er Thores Lippen auf seiner Wange spürte, weiteten sich Kilians Augen angsterfüllt. //Hör auf. Bitte hör auf. Ich kann nicht mehr. Wieso? Wieso muss ich alles kaputt machen?// All das, was ihm sein Vater all die Jahre eingetrichtert hatte, wallte in ihm auf. Auch wenn er sich immer dagegen gewehrt hatte, in diesem Moment glaubte er es, musste er es glauben. Nach einigen Sekunden starren Schreckens schloss Kilian die Augen. Er vernahm Thores sanftes, leises Kichern und das beruhigte ihn. Auch wenn ihn die Worte des Jüngeren sehr verwirrt hatten, in diesem Moment drängte er sie soweit von sich weg, wie es nur irgendwie möglich war. Er nickte Thore zu. Es war kein bewusstes Zustimmen. Es war, als hätte sich sein Körper selbstständig gemacht, um aus dieser Lage zu entkommen. „Ja... ja, lass und einkaufen gehen.“ Kilians Stimme war brüchig und zitterte leicht, aber es war nur sehr gering, so dass er davon ausging, dass dies Thore nicht auffallen sollte. Er musste sich einfach wieder beruhigen.

"Also dann, auf gehts!" grinste Thore und entfernte sich ein Stück von seinem besten Freund. Das Herz des 15-Jährigen klopfte so stark, als ob es jeden Augenblick aus seiner Brust springen würde. Eine leichte Röte bedeckte seine sonst so blassen Wangen, doch er wusste, dass er nicht der Einzige war, den seine eigene Reaktion eben verwirrt hatte. Er merkte es daran, wie Kilians Stimme zitterte. Im Kopf schwirrten ihm allerdings schon zu sehr die Verschönerungsarbeiten der Wohnung herum, so dass er sich weiter keine Gedanken machte. Thore setzte sich auf den Boden und zog seine Schuhe an. Er wusste genau, dass Kilian das niedlich fand. Er selbst bekam immer ein gutes Gefühl, wenn Kilian so etwas zu ihm sagte, obwohl er auch so wusste, dass er für den Grauhaarigen der wahrscheinlich wichtigste Mensch war.

Kilians Puls raste. Mein Gott, er musste sich wieder beruhigen. Sein Gesicht war rot angelaufen und sein Atem ging schneller. Und jetzt auch noch das. Musste Thore sich gerade jetzt so vor ihn hinsetzen? Das war mehr als grausam. Scheu drehte Kilian sich um und ging zur Haustür, wo seine Schuhe standen. Schnell zog er diese an und streifte sich auch die dünne Jacke über. Dann drehte er sich wieder Richtung Wohnzimmer. „Kommst du?“ Er wartete eine Weile auf Thore und als dieser kam, hielt er ihm seine Jacke hin. Sein Gesicht hatte wieder seine normale Farbe angenommen und auch sein Puls war wieder normal – zum Glück. Er überprüfte noch einmal, ob er seine Schlüssel und sein Geld eingesteckt hatte, und dann konnte es losgehen. Er öffnete die Tür und wartete, bis Thore hinausgegangen war. Dann verließ auch er mit einem letzten Blick die Wohnung. //Bald, bald kann ich das hier mein Zuhause nennen.// Ein glückliches Lächeln umspielte seine Lippen und er schritt neben Thore die Straße entlang.

Kaum dass die Haustür zu war, fing Thore schon furchtbar an zu frieren. Das war immer so.

Darum ging er normalerweise auch nur raus, wenn es unbedingt notwendig war. Und dies war so ein Fall, denn die Dekorationswut hatte den Braunhaarigen gepackt und ein Fluss von Euphorie durchströmt seinen Körper, als er daran dachte, wie Kilian ihn in den Arm nehmen würde um ihm zu danken wenn die Wohnung erst fertig war.

Automatisch rückte er ein Stück dichter zu dem 17-Jährigen, hakte sich bei ihm ein. Das gab ihm ein bisschen mehr Wärme und das Kribbeln in seinem Bauch, welches sich so schön anfühlte, verstärkte sich. "Ich freue mich schon so. Und ab Freitag haben wir ja auch Ferien, dann könnten wir sogar dort bis spät in die Nacht renovieren und ich könnte bei dir schlafen!!" Seine Wangen röteten sich abermals, diesmal allerdings aus purer Freude.

Bei Thores letzten Worten errötete er wieder. Er wusste ganz genau, dass er keinen Schlaf finden würde, wenn Thore neben ihm lag. Das würde die schwerste Probe für ihn werden, die er sich vorstellen konnte. Trotzdem nickte er leicht. Er spürte, wie sehr Thore zitterte. Ohne groß nachzudenken, löste er sich von dem Kleineren und zog seine Jacke aus. Dann legte er sie dem Braunhaarigen um die Schultern. Thore hätte sie leicht über seine normale Jacke ziehen können, da Kilians Jacke um einige Größen größer war als seine. Ihm war nicht kalt. Ihm war nie kalt. Dann jedoch hakte er sich wieder bei Thore ein. Auch er wollte nicht auf diesen Körperkontakt verzichten. Leise begann er zu summen. Er hatte noch eine Überraschung für den Kleineren, die er ihm aber erst an seinem Geburtstag geben wollte. Das hatte er sich fest vorgenommen. Bei dem Gedanken an dieses Geschenk lächelte er sanft.

Dankbar blickte Thore den Älteren an. Er hatte es aufgegeben, sich über Kilians Unvernunft der Kälte gegenüber aufzuregen. Er würde den fast volljährigen eh nicht ändern können, also ließ er es gleich bleiben. "Ich schlage vor, wir gehen erst mal zur Bank", grinste Thore, "sonst können wir das mit dem Renovieren knicken."

Der Kleinere richtete seinen Blick wieder auf die Straße und schloss Kilians Jacke um seinen schmalen Körper, atmete genießerisch dessen Geruch ein. Lächelnd summte er dieselbe Melodie, die sein Freund auch summte. Es war ihr Lied, bei dem sie das erste richtige Gespräch geführt hatten, nachdem Kilian ihn vor einer Horde Schülern gerettet hatte. In dem kleinen Gothic-Café fanden sie dann die Worte, die sie aneinander banden, die zur Folge hatten, dass die Faszination am Gegenüber stetig stieg. Spontan blieb der Braunhaarige stehen und zog den verwirrten Älteren in seine Arme, drückte sich fest an ihn.

"Danke für deine Freundschaft."

Kilian nickte. Er hatte wirklich nicht genug Geld dabei um groß einkaufen zu gehen. Doch als der Kleinere ihn auf einmal in seine Arme zog war er leicht überrascht. „Hey. Ist doch normal. Ich muss mich bedanken, dafür, dass du für mich da bist. Danke!“ Er gab dem Braunhaarigen einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Er wollte und durfte nicht zu weit gehen. Glücklich schloss er Thore in seine Arme. Wie sehr er diese Nähe doch genoss. Er wollte sich nie wieder von dem Kleineren lösen, doch er wusste, dass er keine Wahl hatte. Langsam nahm er seine Arme zurück und ging dann weiter. Endlich waren sie bei der Bank angekommen. Die Türe öffnete sich automatisch und ließen die beiden eintreten.

Schnurrend blickte der Kleinere Kilian an, als sie die Bank betraten. Er schob sich etwas hinter den Halbrussen, da er sich irgendwie angestarrt fühlte. Das lag wahrscheinlich daran, dass sich alle Bankangestellten beim Eintreten Kilians zu ihnen umgedreht hatten, um das seltsame 'Objekt' von Mensch zu betrachten. Wenn Thore die Blicke nicht so furchtbar gefunden hätte, hätte er wahrscheinlich darüber gelacht. Doch nun siegte wieder einmal seine Angst vor Menschen, die ihn veranlasste, Kilians Hand zu suchen und fest zu drücken.

Nachher würden die beiden sich bestimmt wieder amüsieren über die verwirrten Blicke der Leute, doch jetzt beschränkte sich Thore darauf, sein Gesicht tiefer in die Jacke zu graben.

Kilian merkte sofort, was in Thore vor sich ging. Er kannte seine Angst vor solchen Blicken. Dass er jetzt seine Hand nahm, machte Kilian im ersten Moment ein wenig verlegen, was er aber sofort wieder verdrängte. Er ging an einen der vielen Automaten und kramte nach seiner Karte, die er letztendlich auch fand. Er steckte sie in den vorgesehenen Schlitz und tippte seine Nummer ein. Es war ihm egal, dass Thore daneben stand, denn dieser kannte die Nummer sowieso schon. Also machte auch das keinen Unterschied mehr. Bei dem Blick auf sein Guthaben schmunzelte Kilian leicht. Noch vor einem Jahr hätte er sich nicht vorstellen können, dass er so viel Geld sparen könnte. „Was meinst du, wie viel Geld werden wir brauchen?“ Bei dem folgendem Gedanken, dass dies ja noch nicht einmal sein ganzes Geld war, musste er unwillkürlich lächeln. Was Thore nicht wusste war, dass Kilian vor kurzem von seiner Tante geerbt hatte. Der einzige Mensch, der ihm je Liebe entgegen gebracht hatte.

Thore lehnte sich an den Anderen, sah erstaunt auf die Zahl, die ihm da entgegenleuchtete.

Kilian war immer wieder für eine Überraschung gut. Schnell überschlug er die Summe, die sie in etwa brauchen würden und sah den 17-Jährigen lächelnd an.

"Ich denke, dass wir so um die 200 bis 300 Euro brauchen werden... für den Anfang."

Das sollte dann für die Farben, Pinsel und so weiter reichen. Vielleicht würden sie noch ein wenig Mörtel zum Verputzen der Wände brauchen aber das konnten sie ja später auch noch entscheiden. Als Kilian das Geld in sein Portemonnaie steckte, war Thore sehr erleichtert, das hieß nämlich, dass sie jetzt in den Baumarkt gehen würden, der ja sehr viel mehr Anonymität versprach als diese Bank, in der sie immer noch angestarrt wurden.

Auch Kilian fühlte sich bei dem Gedanken, die Bank verlassen zu können, besser. Sobald er sein Geld weggesteckt hatte, zog er Thore deshalb schnell aus dem modernen Gebäude. „Puh, dass die einen nicht einmal in Ruhe lassen können“, seufzte er leise. Dann aber lächelte er Thore wieder an, „Na dann, auf zum Baumarkt. Ich verlass mich jetzt ganz auf deinen Geschmack.“ Er zog Thore an sich. Konnte sich dieser eigentlich nur im Geringsten vorstellen, was er ihm bedeutete?

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