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Aliencatcher

Teil 1 - Kleine grüne Männchen

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Informationen

Kapitel 1

6.00 Uhr (Erdenzeit) - Reptilianisches Imperium

„Invasion! Invasion!”

Der riesige Raum, der von einer gigantischen, transparenten Kuppel überdacht wurde, war erfüllt von tausenden von Stimmen, die immerzu das selbe Wort grölten. Wenn die Besitzer dieser Stimmen nicht nur etwa 1,50 Meter groß gewesen wären, grüne Haut und riesige, rote, pupillenlose Augen gehabt hätten, hätte man beinahe meinen können, es wäre der Auftakt der nächsten Fußball-WM oder das Jahrestreffen der anonymen Eroberer gewesen. Doch der findige Beobachter hätte auch - abgesehen von dem ungewöhnlichen Aussehen der „Invasion!”-brüllenden Wesen - gemerkt, dass sich diese Halle nicht mal auf der Erde befand. Ja, noch nicht mal in der Nähe unseres Sonnensystems und noch nicht mal in der Milchstraße. Die genaue Entfernung zwischen der Halle mit den kleinen, grünen Wesen und dem ersten Planeten, wo menschliches Leben stattfindet (meines Wissens kommt da zur Zeit nur ein einziger Planet dafür in Frage) weiß ich nicht, aber der Platz dazwischen hätte bestimmt ausgereicht, um mehr als einen Mount Everest dazwischen zu stellen. Und wenn man bedachte, wie klein die vermeintlichen Erbauer der Halle waren, war es doch ein Wunder, dass sie es trotz ihrer Körpergröße geschafft hatten ein Gebäude zu bauen, in das ganz Manhattan, der Petersdom oder Obelix höchst persönlich reingepasst hätte.

Beherrscht wurde die Halle von einer riesigen, kreisrunden Bühne mit einer gigantischen Filmleinwand, die (in einer uns Menschen fremden Sprache, aber diesem Buch liegt zufällig die terranische Übersetzung vor) in riesigen, roten Buchstaben das Wort INVASION! zeigte. Vor der Kinoleinwand an einem Rednerpult stehend, sprach eines dieser grünen Wesen - in einem langen, blauen, edel aussehenden Gewand gekleidet - in eine Art Mikrofon zur grölenden Menge.

„Seid gegrüßt meine teuren Miteroberer in unserer schönen Hauptstadt Vasion auf unserem schönen Hauptplaneten Reptilion in unserem Hauptsternensystem Großer Kürbis Alpha Eins!”

Die Begrüßung des Obersten Eroberungssenators - diesen Rang besaß nämlich jenes Wesen am Rednerpult - wurde von tosendem Applaus begrüßt. Rax und Wax, die Leibwächter und Sicherheitsberater des Senators, setzten sich einen Gehörschutz über ihre Kopffühler - das waren die Ohren jener Wesen - und glotzten gelangweilt und mit verschränkten Armen ins Leere.

Senator Box - so hieß der „Obereroberer” der Eroberungsabteilung des Reptilianischen Imperiums - erhob die Hände und das Jubeln und der Lärm verstarben abrupt.

„Es stehen uns wieder einige nette, kleine Eroberungen bevor, aber bevor ich Euch, meine lieben Mitreptilien, die Planeten vorstelle, die in Kürze schon bald Teil des Reptilianischen Imperiums und ein wichtiger Schokoladenlieferant sein werden, will ich Euch die fünf neuen, mutigen Reptilianer vorstellen, die die Invasion auf diese ebenfalls fünf neuen, ahnungslosen Planeten mit ihren so jämmerlich dummen und ahnungslosen Bewohnern vorbereiten soll.”

Auf den Fernsehschirmen im gesamten Reptilianischen Imperium waren die fünf „Kandidaten” für die große kommende Mission zu sehen. Der Reporter, der vor Ort bei diesem Spektakel dabei war, kommentierte die Bilder:

„Hier sehen Sie als erstes Wox, der vom System Riegel Schoko Eins stammt und sich vor allem im Schnellessen und Dauer glotzen für die Mission bewährt hat. Sehen Sie sich nur diese Augen an, die wie zwei riesige Blutteiche aussehen; ein Besitzer mit solch großen Augen kann nur ein Eroberer werden! Mit diesen Glotzern wird er die zukünftigen Sklaven des Imperiums Bauklötze glotzen lassen. Wir wünschen ihm auf jeden Fall viel Erfolg für seine Mission!”

Die Kamera wechselte das Bild zu einem besonders arrogant vor sich hin stolzierenden Reptilianer, der seine langen, gebogenen Kopffühler lässig hintergekämmt hatte und seine mandelförmigen Augen hinter einer Sonnenbrille verbarg.

„Arox, der Superstar unter den Bewerbern, ist der einzige, der es geschafft hat, alle Fragen des insgesamt zweihundertseitigen Tests mit nur jeweils einem Wort zu beantworten - richtig zu beantworten wohl bemerkt! Ohne Zweifel ein wahres Eroberungstalent, was sich bei dieser Arroganz und Überheblichkeit gezeigt hat!”

Arox kippte lässig seine Brille nach vorne und die Menge grölte und jubelte dem grünhäutigen Megastar zu.

„Kandidat drei und vier fielen bei den Tests als eher stillere Zeitgenossen auf. Die Kraft- und Ausdauerübungen auf Klonkos, dem Planeten, auf dem - wie wir alle wissen - die dreifache Schwerkraft herrscht- meisterten diese unscheinbaren Reptilien mit Bravour!”

Die Kamera zeigte zwei dickliche Reptilianer mit ängstlichen Gesichtern und eingeknickten Fühlern.

„Ich glaube aber eher -”, fügte der Reporter noch hinzu. „- dass auch ihre Ausbilder an deren unerträglicher Langsamkeit verzweifelt sind und sie deshalb die Tests hatten bestehen lassen.”

Das Publikum pfiff und klatschte (Reptilianer besitzen nur vier Finger, die keine Fingernägel sondern so eine Art Krallen hatten; eben typisch für Reptilien) als der fünfte Kandidat die Bühne betrat, wo Senator Box immer noch am Rednerpult stand und sich gelangweilt seine Krallen betrachtete.

„Der fünfte und letzte Kandidat braucht wohl keine großen Worte der Vorstellung -”

Alle Blicke richteten sich nach links, wo sich das gigantische Eingangsportal der Halle befand.

„- er ist der absolute King, der Obereroberer der Obereroberer in Spe!”

Eine Gestalt, die doppelt so groß war wie ein normaler Reptilianer ...

„- jemand, der es würdig ist, die Schokoladenvorräte des gesamten Imperiums aufzustocken -”

Armmuskeln so dick wie Baumstämme, Füße so groß wie Elefantentreter, ein Brustkorb, der vor Muskeln zu platzen drohte und Augen, so groß und rot und tief wie der tiefste See auf Metros zwei ...

„Meine Mitreptilien - Soldaten, Arbeiter und Sklaven - darf ich Ihnen den Meister aller zukünftigen Eroberer vorstellen: Prox der Kraftprotz!”

6.01 Uhr - Ungebetener Gast

Etwa 100.000 Meter entfernt im Orbit um den Planeten Reptilion sauste ein kleines, dreieckiges Raumschiff an den Kontrollposten vorbei. Den Kontrollposten - man konnte ihn ruhig mit dem vergleichen was man auf der Erde Zoll nennt - bestand aus einer im Weltraum schwebenden Kugel in der ein gelangweilter Reptilianer am Fernsehschirm saß und gebannt die Live-Übertragung verfolgte, die gerade den Muskelprotz Prox zeigte, der seinen athletischen Körper zur Schau stellte.

„Als ich noch jung war, hätte ich das auch gekonnt”, murmelte der Zollbeamte mit den violetten, müden Augen. Seine Kopffühler waren weiß und hingen schlaff herunter.

In dem Augenblick, wo das kleine Raumschiff ohne auch nur im mindesten zu bremsen einfach am Kontrollposten vorbei sauste, war der alternde Beamte putzmunter und hellwach, betätigte die Sprechfunktaste und rief ins Mikrofon:

„He, das ist ein abgegrenzter Bereich. Nur mit Sonder -”

„Hab’ nix zu verzollen du alte Knitterfalte”, fuhr ihm eine kratzige, heisere Stimme über den Mund. „Bin auf dem Weg nach ganz oben und muss deshalb da runter zur Großen Senats -”

Dann brach die Verbindung ab und es war nur noch Rauschen im Lautsprecher zu hören. Der Zollbeamte kratzte sich nachdenklich seinen kahlen, großen Kopf, dann zuckte er mit den Achseln und betätigte eine andere Funktaste.

6.12 Uhr - Warum ausgerechnet jetzt?

Einer der Leibwächter des Senators bekam in dem Augenblick eine Nachricht über seine „Kopfhörer” (eigentlich Fühlerhörer), als Prox seine Arme in siegessicherer Pose erhob und sich von dem Publikum bejubeln ließ. Mit seinem unbeweglichem Gesicht flüsterte der Leibwächter dem Senator die Nachricht auf die Fühler, woraufhin der Senator sich mit der Handfläche an die Stirn schlug und ein langgezogenes „Oh-Neiiiin” hervor stöhnte. „Warum ausgerechnet jetzt?!”

Der Moderator kommentierte die Fernsehbilder weiterhin, ohne auch nur die geringste Ahnung davon zu haben, was in den nächsten Sekunden passieren würde:

„Das ist wirklich ein Superheld! Dieser Prox ist so stark, dass er einen Planeten mit einem Handkantenschlag in zwei Teile zerschlagen könnte, wenn das nicht zufällig verboten wäre!”

Keiner ahnte etwas von einem herannahendem Raumschiff, das auch an den Grenzposten der Stadt einfach vorbei sauste ohne die Warnungen und Verbote zu beachten, geradewegs auf die Halle des REPTILIANISCHEN SENATS zu.

„Nichts und niemand wird diesen Kerl von einem Reptil jemals aufhalten und umhauen können! Mit Sicherheit -”

Dann ein lauter Schlag, eine ohrenbetäubende Explosion und ...

„Ach du grüner Schleim”, kreischte der Moderator und die Fernsehschirme im gesamten Imperium zeigten, wie ein riesiges, dreieckiges Etwas durch das Kuppeldach der Halle krachte und riesige Trümmer aus Glas und Stein auf die grüne Menge regnete. Die Leibwächter warfen sich gleichzeitig, wobei sie sich die kahlen Köpfe anstießen, auf den Senator und pressten ihn auf den Boden.

„Uns bietet sich jäh ein Bild des Schreckens, des Chaos' und der Zerstörung meine lieben Zuschauer, denn das, was Sie hier sehen ist keine Show, aber vielleicht der unfassbare Beginn einer Invasion auf UNSERE Welt! Ein dreieckiges Etwas - vermutlich ein feindliches Raumschiff - steckt in der Kuppel fest. Die Zuschauer wurden vom Sicherheitspersonal gebeten auf ihren Plätzen zu bleiben, da die ohnehin zu wenig vorhandenen Notausgänge blockiert werden würden.”

Die Leibwächter pressten weiterhin den ächzenden Senator auf den Boden. Box konnte mit Mühe und Not gerade noch „Ich kriege’ keine Luft mehr ...” krächzen.

„So wie es aussieht, wurde jedoch niemand verletzt”, sagte der Reporter erleichtert. „Nur - ach du meine Güte! Unsere Kameras fangen diese schrecklichen Bilder jetzt erst ein - Prox, unser vermeintlicher Nationalheld, liegt am Boden, begraben unter Trümmern, die den wunderschönen Boden verdreckten, der heute morgen noch gewischt worden war. Wer auch für diese Katastrophe verantwortlich sein mag, er hat den Zorn der fleißigen Reinigungskräfte auf sich gezogen - verständlicherweise!”

Das Geschrei der Panik verstummte plötzlich, als ein lautes, zischendes Geräusch ertönte und sich an dem dreieckigem Raumschiff eine Luke öffnete. Alle blickten zu dem Raumschiff empor, das immer noch in der Kuppel steckte wie eine Waffel in einer Kugel Eiscreme, und hielten den Atem an.

„Ich sehe gerade”, sagte der Reporter, „dass das Schiff die Insignien des REPTILIANISCHEN IMPERIUMS trägt! Jetzt frage ich Sie - welcher Reptilianer kann nur so dumm sein und ein solch großes Gebäude wie die Senatshalle übersehen?!”

Aus der Luke drang violettes Licht, verwandelte sich in eine Säule und bewegte sich langsam auf den Boden direkt vor das Rednerpult und das Publikum zu und verharrte dann dort. Eine kleine Gestalt - kahler Kopf, lange schwarze Fühler, Krallenhände, grüne Schuppenhaut; unverkennbar ein Reptilianer - schwebte auf diesem, wie die Techniker ihn nennen, „Traktorstrahl” langsam herunter.

Senator Box, der es endlich geschafft hatte sich aus den Fängen seiner Leibwächter zu befreien, ballte seine Krallenhände zu Fäusten und brüllte:

„CRAX!!!”

Ein Stöhnen ging durch die Menge. Die vier „Eroberungskandidaten” (Prox lag ja unter Trümmern begraben am Boden) verschränkten die Arme und schüttelten seufzend die Köpfe.

Mit in den Hüften gestemmten Krallenhänden, herausgestreckter Brust und arrogant erhobenem Kopf schwebte der Pilot des „abgestürzten” Raumschiffs auf seinem violetten Traktorstrahl langsam auf das Rednerpult zu. Auf seinen dünnen Lippen lag ein selbstsicheres, überhebliches Grinsen; seine riesigen, roten, pupillenlosen Augen, die aussahen, als wären sie aus roter Gelatine gegossen, waren halb geschlossen. Crax trug eine hellrote Uniform aus glänzendem Stoff, das man dem Aussehen nach am ehesten mit Gummi oder Latex vergleichen konnte. An den Schultern waren Polster aus dickem schwarzen Leder angebracht und um seine Taille war ein breiter, ebenfalls schwarzer Gürtel mit dem Reptilianersymbol geschnallt, dessen Metalleinlagen im Scheinwerferlicht glänzten und funkelten, genau wie die Augen des Senators funkelten - allerdings nicht vor Stolz, sondern vor Zorn.

„Crax”, zischte Senator Box zwischen seinen im Alter gelb aber keinesfalls stumpf gewordenen Zähne hervor; und Crax grinste weiterhin siegessicher und überheblich.

„So ist es, werter Senator. Höchst persönlich und -”

Weiter kam Crax nicht, denn in diesem Augenblick versagte irgendwo in den Tiefen der Elektronik seines Raumschiffs ein Schaltkreis und der Traktorstrahl erlosch. Crax plumpste wie ein nasser Sandsack die letzten knapp zwei Meter auf den Boden, wobei er ein erschrockenes „UFF!” von sich gab.

An den Fernsehschirmen konnten die Bewohner des Reptilianischen Imperiums weiterhin alles mitverfolgen - kommentiert von immer noch demselben Reporter:

„Crax der IV. aus der XX. Brutkolonie der II. Generation violetter Hilfsarbeiter in Sektor BGXI ist uns, meine werten Mitreptilien, wohl bekannt. Manche werden berühmt, indem sie alle Fragen der Tests richtig beantworten oder herausragende sportliche Fähigkeiten besitzen; Zeitgenossen wie Crax jedoch fallen jedoch viermal bei den Aufnahmetests durch, beantworten auch beim fünften mal immer noch alle Fragen falsch und schreiben sogar das Wort INVASION auf dem Anmeldebogen falsch. Oder um konkreter zu werden: Crax ist bisher der Einzige, der es geschafft hat so viele Fehler zu machen wie gerade beschrieben.

Benommen, aber in seinem Kämpfersinn und Ehrgeiz alles andere als gebremst, rappelte Crax sich wieder auf, bewegte seine Augen nach rechts, dann nach links und sondierte seine Umgebung, ohne seinen Kopf auch nur einen Millimeter zu bewegen. Er sah die Wachen - zu erkennen an den grauen Helmen, schwarzen Brustpanzern und Elektroschock-Stäben - bereits näher kommen. Seine Kopffühler vibrierten und sein Unterkiefer bewegte sich vor- und zurück.

„ICH DARF MICH NICHT UNTERKRIEGEN LASSEN!“ schrie es in seinem Gehirn und Crax krabbelte auf allen Vieren die Stufen empor zur Bühne. Dort waren einige Sanitäter gerade dabei, ein dickes Metallrohr von Prox' massigem Körper zu rollen, das aus der Dachkonstruktion der riesigen Kuppel heraus gebrochen war.

„Senator! Senator!”, kreischte Crax atemlos und kroch immer noch wie eine Spinne auf Box zu, der bereits von vier weiteren bewaffneten Leibwächtern umringt war.

„Bleib’ mir vom Leibe du KakerQuentinsfutter!”, brüllte Senator Box und Crax verharrte in ehrfürchtiger Haltung. Er saß da wie ein junger Hund und sah Box mit unschuldigen Augen an.

„Er lebt noch!”, rief einer der Sanitäter.

„Aber so zerquetscht wie der ist, wird er wohl die nächsten Sonnenmonate im Krankenhaus verbringen müssen!”, fügte ein anderer Sanitäter hinzu. Sie hievten Prox den Muskelprotz und „Helden des Imperiums” auf eine schwebende Trage und schoben ihn davon.

„Das war ein Unfall!”, rief Crax. „Er stand eben ungünstig. Außerdem war da was mit meiner Steuerung und -”

„SCHWEIG!”, brüllte Box und Crax nahm wieder seine ‘Unschuldiges-Hündchen-Haltung’ ein. „Nicht nur, dass du unsere schöne Halle kaputtgemacht und den Boden dreckig gemacht hast, du hast auch noch den HELDEN DES IMPERIUMS außer Gefecht gesetzt! Dafür wirst du auf den Gefängnisplaneten SINGSING kommen und -”

Jäh wurde Senator Box von Crax unterbrochen, der wieder seine selbstsichere, arrogante Miene aufsetzte:

„Aber das geht nicht. Wer soll denn an Prox Stelle jetzt als neuer Eroberer dem Imperium Schokolade und Sklaven bringen?”

Crax sprach mit langsamer und ruhiger, beinahe schon müder Stimme; wie ein Politiker, der sich seiner Sache ziemlich sicher war, weil er die Dinge, von denen er sprach längst beschlossen und ausgeführt hatte.

Der Senator wollte Crax gerade widersprechen und die Wachen aufrufen, den kleinen grünen Wicht zu verhaften, als einer seiner Berater ihm auf die Schulter klopfte und an den Fühler flüsterte:

„Er hat recht, Senator! Crax ist trotz miserabler Testergebnisse der Ersatzmann für Prox.”

„Sagt wer?”, zischte Box misstrauisch.

„Der Computer.”

Crax verschränkte die Arme und grinste so breit, dass seine spitzen, weißen Zähne im Scheinwerferlicht funkelten und blitzten.

„Der Computer will wohl, dass das ganze Imperium untergeht”, sagte Box und seufzte als er Crax in Siegerpose sah.

„Aber Senator”, flüsterte der Berater mit verschwörerischer Stimme. „Vielleicht will der Computer auch, dass Crax untergeht. Ich könnte mir jedenfalls vorstellen, dass die Königin sehr angetan davon wäre, wenn wir eine saubere und elegante Lösung dafür finden würden, Crax endlich loszuwerden!”

Plötzlich grinste Senator Box breit und rieb sich die Krallenhände. Aber ja, natürlich! Eroberer werden zu relativ unbekannten Planeten geschickt. Unbekannte Planeten bergen unbekannten Gefahren und Gefahr bedeutet -

„Werte Reptilianer!”, sprach Box mit erhobener Stimme ins Mikrofon. „Durch den unglücklichen Unfall, den unser beliebter Held des Imperiums, Prox, ereilt hat, ist Crax der IV. offiziell der fünfte Eroberungskandidat!”

Er sah Crax mit einem falschen Lächeln an und dieser blickte den Senator wiederum mit einem ‘Ich-habe-es-von-Anfang-an-gewusst’ - Blick an und verbeugte sich dann vor seinem neuen Vorgesetzten.

„Habt meinen Dank, ehrenwerter Senator”, sagte Crax und dachte: ‘Du bist wirklich der größte Volldepp den ich je kennengelernt habe!’

„Willkommen im Team”, sagte Senator Box und dachte: ‘Du bist wirklich der größte Volldepp den ich je kennengelernt habe!’

„Damit wäre die offizielle Zeremonie beendet, die”, Box blickte kurz zur Decke, wo immer noch das Raumschiff im Dach der Kuppel steckte, „durch kleine Zwischenfälle unterbrochen worden war. Die fünf Eroberungskandidaten werden nun ihre Ausrüstung und alle Informationen über ihren Zielplaneten erhalten. Danke für ihre Aufmerksamkeit und noch einen schönen Abend. Am Ausgang nehmen Sie bitte noch die Stimmzettel für die nächste ‘Senator-Box-Senatorwahl” mit.

Preist das Imperium - lang lebe die Königin!”

Die Zuschauer erwiderten mit erhobenen Fäusten den Gruß: „Preist das Imperium - lang lebe die Königin!”

Crax rieb sich grinsend die Krallenhände.

„Das ging ja einfacher als ich gedacht habe!”

6.42 Uhr - Crax, neuer Eroberer

Bereits eine halbe Stunde später bekamen die fünf neuen Eroberungskandidaten ihre Eroberungsausrüstung sowie „ihren” Planeten zugeteilt.

„Arox wird die unfassbare Aufgabe haben, den kleinen aber feinen Planeten Rydor im Planquadrat Null Zehn Drei Zehn zu erobern.”

Wer hier sprach war nicht Senator Box - der saß mit seinem Beraterstab im Konferenzsaal und beriet sich darüber, wohin man denn Crax schicken könnte - sondern General Ix, ein für einen Reptilianer ungewöhnlich großer, schlanker Kerl mit schmalen, orangeroten Augen und langen, scharfen Krallen an den Fingern. Seine Stimme klang tief und brummig.

„Die Ausrüstung besteht - wie bei allen Eroberern - aus einem eigenen Raumschiff mit Tarnschirm, holografischer Täuschungsprojektion, Traktorstrahl und Lichtgeschwindigkeitsantrieb, sowie ein Schutzanzug, Kommunikationsapparatur, Nahrungsreplikator, Computer und so weiter und so fort. Lest einfach die Anleitung durch, ich habe keine Lust das jetzt alles vorzukauen.”

Die Augen der zukünftigen Eroberer wurden immer größer, als sie die Ausrüstungsgegenstände sahen, die Ix präsentierte. Nur Crax gab sich ganz cool und gelassen. Er betrachtete mit gelangweiltem Blick seine Krallen und sagte leise: „Das ist doch für einen echten Eroberer wie mich ein alter Hut.”

Keiner achtete auf Crax Äußerung; er stand schließlich fünf Meter weit vom Rest der Gruppe entfernt in der Ecke.

„Jetzt stelle ich euch noch ein zusätzliches Gerät vor, das ganz neu auf dem Markt ist. Ihr seid die Ersten, die es testen dürfen. Jedes Raumschiff ist nämlich noch mit einem Teleporter ausgerüstet”, fügte Ix seinen Ausführungen hinzu und da machte sogar Crax plötzlich große Augen (als wenn sie nicht schon groß genug wären).

Während Ix ein kleines, schmales Kontrollpad hervorholte und an seinem Arm befestigte - es war eine Art Klettverschluss, wären wir hier auf der Erde – hielt er den Kandidaten das Wunderwerk der reptilianischen Technik vor Augen.

„Es ist mit einem hochempfindlichen Abtaster und Lasersensor ausgestattet, was es diesem kleinen Kerlchen ermöglicht, Gegenstände und sogar lebendige Wesen über große Entfernungen zu transportieren.”

Crax schob zwei seiner Mitstreiter zur Seite und starrte das Kontrollpad mit offenem Mund und funkelnden Augen an. Seine lange, gestreifte und gespaltete Zunge (wie es übrigens ebenfalls bei allen Reptilianern so ist) hing ihm bis zum Kinn heraus und tropfte vor Speichel.

„Teleportation!”, keuchte er. „Damit werde ich unbezwingbar auf jedem Planeten sein, der mir -”

„Dieses Wunderwerk der Technik wird aber nur EINER von euch bekommen. Steht im Regelbuch für künftige Eroberer in der Ausbildung”, erklärte Ix ruhig, als hätte er mit solch einem Ausbruch von diesem kleinen Angeber von Crax gerechnet.

„W-w-waaaaas?!”, kreischte Crax und hielt sich den kahlen Kopf. „Das ist eine Schaaaandeeee! Wie kann man MIR, dem größten und gerissensten -”

„Verlogensten, am meisten betrügendsten ...”, flüsterte Arox mit verächtlicher Stimme und grinste Crax dann falsch an, als dieser abrupt verstummt war und ihn misstrauisch annunkelte. Weiß Arox vielleicht etwas über ... nein, das war völlig unmöglich. Crax begann sich allmählich wieder innerlich zu entspannen, verschränkte die Arme und wandte sich wieder Ix zu.

„Nun, General Obermacker”, sagte Crax ruhig, und Ix schien diese vermeintliche Beleidigung zu ignorieren, denn der General verschränkte ebenfalls die Arme und blickte Crax gelangweilt an. „Ich denke mal, dass dieser Eine ...”

„Nicht du sein wirst, Crax.”

„Danke, ich dachte mir schon -” Sein Gesicht blieb, wie man nicht nur auf der Erde sehr gerne sagte, regelrecht stehen. Ein Auge zusammengekniffen, das andere geweitet und der Mund immer noch offen; Crax machte ein total blödes Gesicht und das amüsierte seine Mitstreiter, allen voran natürlich Arox der sich heimlich ins Fäustchen zu lachen schien.

„Arox wird den Teleporter als erster Reptilianer in der Geschichte der Reptilianischen Eroberungszüge benutzen dürfen”, erklärte Ix mit ruhiger Stimme und übergab Arox das an einen irdischen Taschenrechner erinnernde Gerät und blickte den immer noch fassungslosen Crax mit einem breiten, hämischen Grinsen an.

Arox wedelte vor Crax' Gesicht mit dem Gerät herum.

„Es kann nicht jeder ein Gewinner sein, Crax. Finde dich damit ab.”

Crax grunzte und winkte dann ab.

„Pah, welcher echte Reptilianer und Eroberer braucht schon solch einen technischen Schnickschnack. Bei einer Eroberung ist etwas mehr von Nöten als ein paar kleine Kästchen mit Knöpfchen und Hebelchen.”

Doch alle in dem Raum wussten, dass Crax nur spielte; er war stinkneidisch auf Arox, der als erster Reptilianer überhaupt dieses Wundergerät benutzen durfte. Aber was Arox nicht wusste - und Crax hätte es sich mit seinem „überragenden, einmaligen” Intellekt eines Eroberers auch denken können, doch er war zu aufgebracht im Augenblick - war, dass er tatsächlich der ERSTE war, der ÜBERHAUPT dieses Gerät benutzen durfte. Es gab vor ihm noch nicht mal eine Zwergassel von Schoko Riegel Sieben, die mit diesem Gerät ent- und wieder rematerialisiert worden war.

6.46 Uhr - Genau den Anforderungen

Was auf die technischen Einweisungen der zukünftigen Eroberer folgte, war der übliche Papierkram und Bürokratie, was nun mal nötig war, da man bei achtzig eroberten Planeten im Monat (ein Reptilienmonat entspricht einer Erdenwoche) und etwa einer Milliarde Eroberer im gesamten Imperium schon mal leicht den Überblick verlieren konnte. Zwar hieß es, dass die Königin alle Eroberungen im Gedächtnis hatte, genauso wie sie alle ihre „Kinder” kannte (sie legte pro Stunde zehn Eier; aus jedem dritten entschlüpfte ein Eroberer), aber neulich, so hießt es in der Reptilianischen Tagesschau am blauen Mondtag, hatte sie tatsächlich Reptilie Nr. 7 014 335 899 003 442 mit Reptilie Nr. 7 014 335 899 003 443 verwechselt, weil diese kurz hintereinander geboren worden waren (oder um genauer zu sein: aus ihren Eiern geschlüpft waren). Deshalb waren Computer und Bürokraten nötig. Crax hielt dies alles übrigens für Zeitverschwendung. Das Imperium hätte seiner Meinung schon längst die gesamte Galaxis erobert, würden die Eroberer vorher nicht immer diese „Aufnahmefragebögen für zukünftige Eroberer” ausfüllen müssen, wo zum Beispiel gefragt wurde:

Hatten Sie schon eine außerplanetarische Schleimhäutung?

Wie oft am Tag putzen Sie sich die Zähne?

Wie viele eroberte Planeten kannten Sie bevor Sie sich zu den Aufnahmeprüfungen angemeldet hatten?

Hatten Sie schon mal Krallenkrätze?

Hatten Sie schon mal Fußpilze? Und wenn ja, wie groß waren sie und waren sie essbar, ungenießbar oder giftig (zutreffendes ankreuzen; eventuell Kochrezept angeben!)

Und so weiter und so fort.

Während Crax zusammen mit seinen Konkurrenten in einem gesonderten Raum saß und alle Fragen mit NEIN beantwortete, saß Senator Box mit seinem Beraterstab im großen Konferenzsaal im Gläsernen Turm, wie man das Hauptgebäude der Reptilianischen Eroberungsbehörde nannte und seufzte.

„Kommen denn keine Planeten in Frage, wo wir Crax hinschicken können?”, fragte er seinen Stab.

„Tailos Neun wird nur von Schildkröten bewohnt”, sagte einer seiner Berater, doch Box schüttelte den Kopf.

„Die Königin liebt Schildkrötensuppe. Crax würde alle Arten dieser Tiere ausrotten und dann müsste die Königin auf ihre alten Tage noch Vegetarierin werden.”

„Wie wär's mit Calla? Ruhig, unspektakulär und -”

„Nicht gefährlich genug für Crax.” Box erhob sich und lief mit auf dem Rücken verschränkten Armen zum großen Panoramafenster, das einen gigantisch schönen Blick auf die Stadt bot, die von riesigen, gigantischen Gebäuden beherrscht wurde. „Wir müssen einen total trotteligen Idioten der vor Selbstüberschätzung und Arroganz nur so schäumt, aber auch sonst nichts drauf hat, auf eine Zivilisation loslassen, der er nicht gewachsen ist. Eine Welt, die jeden Außerirdischen zur Verzweiflung bringen würde.” Der Senator drehte sich langsam wieder zu seinen Beratern um und grinste. „Und ich glaube, ich wüsste da einen Planeten, der genau diesen Anforderungen entspricht.”

6.49 Uhr - Abflug!

Der weinrote, hautenge Raumanzug fühlte sich auf Crax’ Haut an, als wäre er seine zweite Haut. Er betrachtete sich selbst verliebt im Spiegel der Umkleidekabine der Raumstation die sich im Orbit von Reptilion befand, während er den Raumhelm noch unter einem Arm geklemmt hielt. Vor allem die kniehohen, kegelförmigen, schwarzen Stiefel gefielen ihm. Der schwarze Gürtel mit dem Reptilienemblem (zwei große, blutrote Augen) schlang sich ebenfalls eng um seine Taille und funkelte in der spärlichen Beleuchtung (Reptilianer hassen helles Licht; habe ich so viel ich weiß noch nicht erwähnt).

„Hach, die neuen Welten werden mir zu Füßen liegen. Sie werden mich anbeten, die Füße und Stiefel küssen -”

„Hey, andere wollen sich auch umziehen!”

Crax grunzte verächtlich, als er Arox’ Stimme von der anderen Seite des Vorhangs hörte. Das war eine Frechheit! Da probierte er gerade mal eine halbe Stunde lang seinen neuen Raumanzug an und schon musste dieser geleckte Schönling mit seinem „Ach so tollen” Teleporter, den er bestimmt für die Extrapunkte im Schleimen und A-Kriechen bekommen hat den Drängler spielen.

„Ja, ja, ja!”, zischte Crax und verließ die Umkleidekabine.

„Wenn ich erst mal Herrscher eines ganzen Planeten geworden bin, dann wirst du noch froh sein, überhaupt einen eigenen Raumanzug tragen zu dürfen”, sagte er mit erhobener Stimme, doch Arox ließ sich davon nicht beeindrucken.

Wenig später standen die zukünftigen Eroberer an einer Art Terminal in einer Halle, die etwas mit einem Saal in einem Flughafen zu vergleichen war (nur, dass sich dieser Flughafen im Weltraum befand), über dem ein riesiger Bildschirm mit leuchtenden Buchstaben BITTE WARTEN! verkündete.

Crax verschränkte die Arme. Sein Koffer mit dem Helm und anderen, tragbaren Utensilien stand neben ihm auf dem Boden. Er sah sich ungeduldig um, beobachtete leicht amüsiert, wie sich zwei Soldaten darum stritten, wer als erster die Toilette benutzen durfte, sah einen älteren Reptilianer die Fensterscheiben putzen und einen anderen mit einer Pflanze sprechen, die mit ihren Blättern wedelte und surrende Geräusche von sich gab.

BITTE WARTEN! erlosch und EROBERER EINS erschien. Das war natürlich Arox. Er bekam von einem uniformierten Reptilianer eine Karte ausgehändigt, einen guten Flug und eine erfolgreiche Eroberung gewünscht. Arox lachte, als er den Zielplaneten auf der Karte las, drehte sich halb um und sagte zu Crax:

„Valium Vier! Das wird ein Kinderspiel. Die haben noch nicht mal Antimaterie, aber dafür jede Menge Schokolade.”

Lachend begab sich Arox zur SCHLEUSE A, wo er in sein Raumschiff stieg und wenige Minuten später auf dem Weg zum „Langweilerplaneten Valium Vier” unterwegs war, wie Crax ihn heimlich nannte.

Dann erschien EROBERER ZWEI und Crax trat vor, bekam eine kleine Karte in die Krallen gedrückt (auf der Erde hätte man diese Karte leicht mit einer Kreditkarte verwechseln können), einen guten Flug und eine erfolgreiche Eroberung gewünscht. Crax erhob beide Arme und brüllte so laut, dass alle im Saal des Weltraumflughafens vor Schreck zusammen zuckten. Aus dem Brüllen wurde ein Lachen; ein dreckiges, gemeines Lachen, das in etwa sagte: ‘So, jetzt habe ich es geschafft, ihr Dumpfbacken!’.

Er begab sich zur Schleuse und zu seinem Raumschiff.

6.50 Uhr - Ziel: Erde

Senator Box und sein Stellvertreter, Trax, standen an einem Panoramafenster, welches die Abflugrampe jener Raumschiffe zeigte, die für die neuen Eroberer reserviert worden war. Trax schraubte bereits am Verschluss der großen, roten Flasche herum, die er die ganze Zeit in seinen Krallen gehalten hatte und Box sah mit ängstlichem Gesichtsausdruck zur Rampe. Schließlich verließ ein kleines Raumschiff die Station und flog in die Tiefen des Weltalls. In diesem Augenblick machte es PLOP! und Trax ließ den Korken der Flasche mit ‘Blutegelsekt’ herausschießen. Rosa Schaum blubberte aus der Flasche und Box hielt Trax lachend ein Glas hin und ließ sich Sekt einschenken.

„Das wäre erledigt! Diesen arroganten Sabberlappen sehen wir nie mehr.”

Trax, der sich ebenfalls ein Glas rosa Sekt eingeschenkt hatte, stieß mit dem Senator an.

„Ob wir wirklich den geeigneten Planeten ausgewählt haben?!”, fragte Trax zweifelnd und Box prustete vor Lachen los.

„Mein lieber, lieber Trax! Seit über sechzig Sonnenjahren beliefern wir diesen Trottel-Planeten mit riesigen Untertassen für ihr Gebräu das sie Kaffee nennen, mit Puppen die diese dummen Wesen für uns selbst halten und jeden Menge Wetterballons; und sie glauben immer noch nicht an uns. Obendrein vergiften sie ihre Atemluft freiwillig mit Abgasen und Rauch und stehen vielleicht kurz davor sich selbst mit primitiven Atomwaffen auszurotten. Dieser Planet wäre für das Reptilianische Imperium keine Bereicherung, sondern würde unsere Kultur um Jahrhunderte zurückwerfen. Diese Wesen sind so doof, dass sie noch nicht einmal gemerkt haben, wie viel Schwein sie hatten. Erst neulich wäre ihre Welt fast von einem Kometen zerstört worden. Nee, nee! Das war die richtige Entscheidung.”

Box grinste breit. „Crax wird auf diesem Planeten seinen Untergang finden, da bin ich mir sicher!”

Er nahm einen Schluck Sekt, betrachtete die Identitätskarte von Eroberer Nr. 12 344 776 009 112 756 353 011 221 / CRAX VI. / 000 und warf sie dann auf den Boden und zertrat sie. Das Glas, aus dem die Karte gemacht war, knirschte unter seinem Stiefel. Eine Scherbe zeigte jedoch immer noch deutlich lesbar folgende Worte:

EROBERER: 002 / CRAX / -->

ZIEL: --> SONNENSYSTEM / ERDE

6.58 Uhr - Quentins Hollow / Erde

Eine unheimliche, beklemmende Dunkelheit lag über Cellville, oder besser gesagt, dem Vorort von Cellville, einer große Stadt mit Hochhäusern, großen Banken und Versicherungen, Einkaufspalästen und Universitäten. Der Vorort von Cellville hieß Quentins Hollow und dieser Name passte irgendwie, denn abgesehen von allen anderen Bewohnern gab es einen unter ihnen, der wahrlich - zumindest nach Meinung seiner Schulkameraden - einen echten „Schatten” hatte. Dieser Junge war dreizehn Jahre alt und alleine schon dafür, dass er zu all seinen anderen Verrücktheiten auch noch abergläubisch war, war Deacon Clementi davon überzeugt, dass dieser Lebensabschnitt, das dreizehnte Lebensjahr (nun, eigentlich das vierzehnte, aber Deacon zählte immer nur die Geburtstage), jenes sein würde, das sein Leben verändern würde. Für immer. Nur dumm, dass Deacon das schon bei seinem zwölften Geburtstag gesagt hatte und damit die Hälfte seiner Gäste aus dem Astronomiekurs der Schule vertrieben hatte, als er verkündete, dass die magische Zahl zwölf die Wiedergeburt eines Dunkeldämons bedeuten würde. Mit Zehn war er überzeugt, dass die Zahnfee doch existieren würde, mit neun ... was war noch mal mit neun?

Nun, Dunkeldämonen hin und Zahnfeen her, im Augenblick war wieder etwas ganz anderes bei Deacon Clementi Thema Nummer Eins. Eigentlich war es schon immer Thema bei Deacon gewesen, nur schon seit geraumer Zeit nicht mehr Nummer Eins: Außerirdische! Und genau das verkündete er laut brüllend in jener Nacht, die bis vor kurzem noch friedlich vor sich hin schlummerte um halb fünf Uhr in der Früh:

„AUßERIRDISCHE! AUßERIRDISCHE! SIE KOMMEN! SIE KOMMEN!!!”

Das Geschrei, das aus dem „Kinderzimmer” ihres kleinen Bruder drang, weckte Amber auf, ließ sie hochfahren und dann ihren Wecker gegen die Wand, die ihr und Deacons Zimmer trennte, werfen. Nicht schon wieder! Deacon hatte wieder eine seiner „Eingebungen”, wie er sie selbst meinte. Träume von Monstern und anderen Wesen die in der heutigen Zeit nur noch Spinner und Verrückte interessierten. Und Deacon war ein Spinner und verrückt.

„Halt’ die Klappe, andere Menschen versuchen zu schlafen!”, rief Amber und Deacon verstummte.

Seufzend ließ sich Ambrosia Clementi wieder ins Kissen sinken, da ging das Geschrei wieder von vorne los:

„ALIENS! SIE PLANEN EINE INVASION! SIE WOLLEN UNS VERNICHTEN!!!”

Amber wälzte sich in ihrem Bett auf die Seite und drückte sich das Kissen an die Ohren. Nicht beachten! Ihn einfach nicht beachten und versuchen weiter von Rick zu träumen, dem Traumboy von der High School mit dem sie noch diesen Sommer ins College gehen würde, und -

Ruhe. Deacon gab endlich wieder Ruhe. Vielleicht würde sie doch noch Schlaf finden und wenigstens von Rick träumen, wenn sie sich schon nicht traute, ihn anzusprechen.

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