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Heißkalte Bengel

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Sicher kennen viele von euch "Gefährliche Liebschaften" bzw. als moderne Variante "Eiskalte Engel". Hier nun eine etwas abgewandelte Version davon, die aber im Kern natürlich der be-kannten Handlung folgt. Hoffentlich gelingt es mir, die Brücke zwischen dem Altbewährten und gewagten Neuen zu schlagen und euch halbwegs gut zu unterhalten. Eine etwaige Vul-gärsprache sei mir verziehen, aber ich will möglichst unterschiedliche Werke schaffen, die sich nicht ähneln. Daher habe ich diesmal eine eher schonungslose Sprache gewählt. Hoffentlich findet daran niemand Anstoß.

Prolog

Sven sah über den Rand seines Laptops hinweg und klappte diesen augenblicklich zu.

"Was willst du denn hier?", fragte er gehetzt. "Kannst du nicht anklopfen?"

Sein Gegenüber grinste nur. "Dann wäre es doch keine Überraschung mehr für dich, oder? Und ich hatte nun mal vor, dich zu überraschen." Ein Messer erschien in seiner Hand, die Klinge blitzte auf.

"Was willst du?" Sven schluckte schwer und rutschte samt Laptop so weit es ging vor dem anderen zurück.

"Ich? Hmm, nicht viel." Seine Augen blitzten wütend. "Nur die Wahrheit."

"D…d…d…die Wahrheit?", stammelte Sven. "Welche Wahrheit?"

"Versuch mich nicht für dumm zu verkaufen!", schrie der andere. "Du weißt genau, was ich meine. Hat dein Bruder recht mit dem, was er über dich erzählt hat?"

"Das kommt darauf an, was …"

"HÖR endlich auf abzulenken, du mieser, kleiner … Stimmt die Geschichte?"

"Ich weiß ja nicht, was …"

"Wenn du noch weiter Scheiße laberst, redest du bald nur noch mit den Radieschen - und zwar von unten, klar!?" Er fuchtelte mit dem Messer vor Svens Gesicht herum. Diesem stand der Angstschweiß auf der Stirn.

"Was willst du hören?"

"Alles, jedes noch so kleine Detail. Dein Bruder hat sich nur recht vage gehalten, ich will aber alles wissen, alles … verstehen." Er schien sich etwas zu beruhigen, was Sven Mut einflößte. Vielleicht ließ sich dieser Irre besänftigen. Allerdings konnte Sven natürlich nicht wissen, was sein Bruder ihm erzählt hatte. Also sollte er sich vielleicht doch an die Wahrheit halten, auch wenn die ihn in nicht allzu gutem Licht darstellen würde. Aber vielleicht konnte er damit auch den größten Fehler seines Lebens rückgängig machen.

"Also gut", sagte Sven. "Ich erzähl dir alles. Aber du musst mir versprechen, mich nicht zu unterbrechen."

"Kann ich nicht. Ich will es hören, aber wie ich es aufnehme, ist immer noch meine Sache."

"Na schön", meinte Sven widerwillig. "Alles begann vor gut vier Monaten: …"

Die Wette

… Ich saß auf meinem Bett und blätterte wie gewöhnlich in meinen zahllosen Pornoheften, in denen sich mir geile, eingeölte Männerkörper in den unmöglichsten Positionen entgegenreck-ten, ebenso ihre Schwänze und Ärsche. Gerade als ich mich mit dem Gedanken anfreundete, mir einen runterzuholen, wurde schlagartig meine Tür aufgestoßen.

"Diese blöde Schlampe!", schimpfte mein Bruder Jens und ließ sich neben mir aufs Bett fallen. Er sah sich um, sein Blick fiel auf die Hefte und die Taschentuchbox.

"Ich stör dich doch nicht gerade bei was Wichtigem? Wie zum Beispiel wichsen?" Er grinste dreckig und blätterte die Heftchen durch. Angewidert verzog er das Gesicht.

"Ich versteh echt nicht, was du daran toll findest. Pralle Titten sind doch viel geiler als dicke Schwänze."

"Zu schade, dass du keins von beiden hast, sonst könntest du an dir oben- und untenrum gleichzeitig rumfummeln."

"Sehr witzig. Ich bin echt froh, dass nur du so abnormal bist. Und das, obwohl wir ja eineiige Zwillinge sind. Hab echt Glück gehabt, dass ich nix von dieser Neigung gekriegt hab."

"Dank meiner Neigung hab ich wenigstens ab und zu mal was zu ficken."

Jens versenkte seine Faust in meinem Bauch. "Klappe zu, Arschspaltenforscher! Ich hätte ja Sex, wenn mich nicht immer diese billigen Schlampen abservieren würden. Diese grenzdebile Bella zum Beispiel …"

"Isabella di Villiano?" Ich bekam fast einen Lachkrampf. "Die wollte nicht mit dir? Die nimmt doch sonst auch jeden Schwanz, den sie kriegen kann."

"Ja ja, lach du nur. Sie hat jetzt einen Freund und meint, deshalb wird sie zur Schutzheiligen der monogamen Exnutten. Ein Witz, ey!" Er lachte trocken auf. "In der waren doch schon mehr drinnen, als dass man es noch mitzählen könnte. Ich hab sogar gehört, dass sie's mal mit 'ner ganzen Fußballmannschaft auf einmal getrieben haben soll."

"Was willst du dann von so einer? Ruiniert das nicht deinen Ruf?"

"Spar dir deine Ironie! Sie ist halt nun mal einfach geil! Ich seh' das halt so, dass 'ne Menge anderer Leute den gleichen, guten Geschmack haben wie ich. Hast du schon mal ihre Titten gesehen? Wow, das sind vielleicht Oschis."

"Ich kenne Bella. Und ich weiß auch, dass sie der feuchte Traum eines jeden pubertierenden Schwanzes ist. Aber du? Du solltest doch höhere Ziele haben."

"Von denen krieg' ich aber nichts zu ficken, verdammt! Bella wär endlich mal wieder 'ne geile Ische zum Poppen gewesen und gerade jetzt kommt sie auf den Trip der ewigen Treue."

"Vielleicht fand sie dich bloß zu abtörnend und hat dich angelogen", meinte ich grinsend. Da-für erntete ich einen erneuten Hieb in die Magengegend.

"Laber nicht blöd rum, du Schwachmat. Ich hab mich da schon erkundigt. Sie geht tatsächlich mit so 'nem weichgespülten Fußballheini. Versteh echt nicht, was sie an dem findet, so be-sonders sieht er nicht aus. Vielleicht kennst du ihn ja sogar: Edward Hunter, du weißt schon, der Sohn von diesem Immobilienhai."

"Eddie? Der? Ich wusste bisher nicht mal, dass der überhaupt weiß, wie 'ne Frau aussieht. So weit ich weiß, hatte er bisher nie 'ne Freundin."

"Na ja, jetzt hat er eine. Und zwar eine, die ich will."

"Ja und? Warum laberst du mich eigentlich mit dem Scheiß zu? Ich war beschäftigt, wie du ganz richtig bemerkt hast."

"Ganz einfach: Du musst sie flachlegen."

"Hey hey, mal ganz langsam, ja?! Das ist deine Schnalle. Was hab ich damit zu tun?"

"Ach komm schon. Wir wissen beide, dass du der bessere Aufreißer von uns bist. Du sollst sie ja nur flachlegen, damit sich ihr dämlicher Freund von ihr trennt. Schließlich will ja ich mit ihr ficken. Und so lange sie diese Ich-will-niemand-anderen-als-meinen-Freund-Masche abzieht, geht das nicht. Ich weiß, dass dir so was leichter fällt."

"Ich steh auf Männer, Jens."

"Sven, ich weiß genau, dass du auch gern mal Mädels flachlegst. Was nicht bei drei auf dem Baum ist, ist vor dir eh nicht sicher. Da kannst du doch …"

"Nein, Jens. Das ist deine Sache. Ich will damit nichts zu tun haben. Du willst sie? Dann musst du sie flachlegen, weil ich mich da raushalten werde."

"Hmm, dann fick halt Edward, ist mir auch egal!"

"Ich dachte, der ist ihr Freund. Solche Sachen mach' ich nicht!"

"Und was war mit Jakob? Da hast du auch …"

"Das war was ganz anderes", schrie ich.

"Hmm, also soweit ich mich erinnere, hast du mit ihm gevögelt, obwohl er auch mit 'nem Mädchen zusammen war. Bei so was fühlst du dich doch wie der ganz große Stecher: Sven der Hetenverführer." Jens grinste böse. "Aber weißt du, was ich glaube? Du hast nur Angst, dass du ihn nicht kriegst."

"Ich kriege jeden, den ich will!"

"Wetten?"

"Pah, da brauch ich nicht drum wetten, ich weiß es!"

"Glaub ich nicht. Edward wirst du nie rumkriegen. Und das ist es, was du weißt!"

"Warum sollte ich ihn nicht kriegen? Er war bis jetzt solo. Das schreit förmlich danach, dass er sich noch nicht festlegen konnte. Ich werde ihm dann nur bei der Entscheidung helfen. Aber schwer wird das sicher nicht."

"Das sagst du jetzt so! Du hast nur Angst, dass du's nicht mehr bringen könntest. Dass sich irgendjemand deinem Charme entzieht. Dass …"

"Halt den Mund!", schrie ich. "Ich krieg' jeden Arsch und jeden Schwanz, den ich will! Und dieser schmalbrüstige, mondgesichtige Eddie ist garantiert keine große Herausforderung!"

"Dann dürfte es dir doch leichtfallen, darum zu wetten, oder?" Jens grinste hinterlistig.

"Das ist doch kindisch! Warum sollte ich wetten, wenn ich weiß, dass ich eh nur gewinne. Das ist keine Wette, sondern purer langweiliger Entjungferungssex mit einem Typen, der nicht mal in mein Beuteschema fällt. Was soll ich mit dem? Ich gehe normalerweise nur mit reichen Schnöseln ins Bett, die von Beruf Sohn sind - so wie wir beide auch. Eddie ist nicht mein Geschmack und ich versteh' ehrlich gesagt auch nicht, was diese Dorfschlampe mit dem will."

"Dann gilt die Wette?"

"Nein, verdammt! Das Ganze ist deine Sache. Ich will damit nichts zu tun haben."

"Feigling", ätzte Jens. "Und ich dachte, ich hätte einen richtig begnadeten Stecher als Bruder. Hmm, vielleicht stimmen deine ganzen Geschichten ja auch gar nicht und du bist selber noch Jungfrau."

"Fresse! Na schön, wenn du unbedingt verlieren willst, dann können wir von mir aus auch gerne wetten."

"Das ist der Sven, den ich kenne!"

"Und worum geht's? Ich meine, ich will ja schließlich auch 'ne Gegenleistung dafür, dass ich mit 'nem Loser ins Bett gehe."

"Also, ich hab mir das schon überlegt." Jens' Augen blitzten. Anscheinend hatte er damit ge-rechnet, dass ich auf die Wette eingehen würde. Hatte er etwa das ganze Gespräch so ge-plant, wie es gerade abgelaufen war? Jens war ja schon immer der Denker von uns beiden gewesen. Ich sah ihn fragend an. "Schieß los", sagte ich.

"Also", meinte Jens gedehnt. "Wir wetten also darum, dass du es nicht schaffen wirst, Edward bis - sagen wir mal - zum Ende der Sommerferien zu ficken. Es sind unsere letzten Sommer-ferien, also fallen andere Sommerferien im nächsten Jahr raus - nur für den Fall, dass du gera-de nach Schlupflöchern in unserer Abmachung suchst. Wenn ich gewinne, bekomme ich dei-nen Audi TT Silbermetallic - und zwar umsonst."

"Waaaas! Niemals, da mach ich nicht mit!"

"Ich dachte, du wärst dir so sicher?" Jens grinste böse. "Noch hast du Zeit, den Schwanz ein-zuziehen, Feigling."

"Vergiss es! Was willst du mir bieten, damit ich auf diese blöde Wette eingehe?"

"Etwas", erwiderte Jens und seine Stimme wurde tief, rauchig und … irgendwie sexy, "das nur ich dir geben kann."

"Und was soll das sein?"

"Sven, ich weiß genau, wie sehr du auf dein Aussehen achtest, wie du deine Muskeln jeden Tag im Spiegel bewunderst, manchmal auch vor deinem Spiegelbild wichst, weil es dich so geil macht. Ich weiß, dass du jeden beneidest, den du vögelst - weil er mit dir ficken darf. Du würdest am liebsten mit dir selber vögeln. Und ich biete dir das, was dem am näch-sten kommt. Ich bin zwar nicht ganz so gut gebaut wie du, aber die anatomische Ähnlichkeit lässt sich nun mal nicht verleugnen. Wenn du gewinnst - was nicht der Fall sein wird - werde ich dich ficken, damit du einmal mit dir selbst fickst. Na, gilt die Wette?"

Ich glaubte, mich verhört zu haben. "Wie war das?! Das soll wohl ein Scherz sein?"

"Wenn ich 'nen Scherz machen will, sag' ich Bella interessiert mich wegen ihres Intel-lekts. Aber das eben war kein Scherz."

"Du bist widerlich! Ich fick' doch nicht mit meinem Zwillingsbruder!"

Jens verdrehte die Augen. "Also zuerst einmal ficke ich dich - mehr ist echt nicht drin - und zweitens sollst du es ja auch eher als Sex mit dir selbst ansehen."

"Das ändert aber an der Tatsache nichts. Solche Sachen mach ich nicht!"

"Dann verbind' dir meinetwegen die Augen dabei, damit du nichts sehen musst."

"Nein! Weil es nämlich nie dazu kommen wird. Steck dir deine dämliche Wette doch sonst wohin!"

"Wie du meinst. Ich gebe dir genau eine Stunde zum Nachdenken. Dann erwarte ich von dir, dass du deinen süßen Schwuchtelarsch in mein Zimmer schwingst und wir auf unsere Wette einschlagen."

"Wart doch bist du schwarz wirst!"

Jens grinste und ging. Ich blieb zurück inmitten meiner Pornohefte, die mich alle plötzlich gar nicht mehr anmachten. Hatte mein Bruder den Verstand verloren? Wie war er nur auf diese dämliche Idee gekommen. Auf diesen hirnverbrannten Gedanken, mit mir zu vögeln. Als ob ich darauf scharf wäre! Nein, ich würde niemals darauf eingehen. Ich hatte genug Bettpartner und war nicht so frustriert, um auf ein solches Angebot einzugehen.

Mein Blick fiel auf den Spiegel neben meinem Bett und ich konnte nicht anders, als mich wieder einmal darin zu bewundern. Meistens verachtete ich mich wegen dieser narzisstischen Neigung, doch Jens hatte schon recht: Manchmal fand ich mich einfach nur wahnsinnig geil. Und auch was das Wichsen vor dem Spiegel betraf, wusste er offensichtlich viel. Irgendwie wurde er mir unheimlich. Während ich mich so betrachtete, beugte ich gewohnheitsmäßig meinen Arm, um den Bizeps zu bewundern, schob mein Shirt hoch, damit ich jede einzelne Wölbung meines Waschbrettbauchs sehen konnte. Ich war einfach verdammt geil. Und ich wusste, dass Jens eigentlich genauso aussah wie ich - auch nackt. Ohne es zu wollen, began-nen meine Gedanken sich zu verselbstständigen und ich malte mir diese Szene aus. Aber nein, ich würde es niemals in die Tat umsetzen!


"Ich wusste, dass du nicht widerstehen würdest", meinte Jens grinsend, als ich genau eine Stunde später seine Tür aufriss.

"Ja schön, du hast gewonnen", sagte ich zerknirscht. "Die Wette gilt."

"Schön. Ich hab' das Ganze hier schon mal schriftlich festgehalten, um späteren Scherereien aus dem Weg zu gehen." Er hielt mir ein Blatt Papier hin. Ich las es oberflächlich, legte es auf den Schreibtisch und bat um einen Stift.

"Und ich dachte immer, du stehst nur auf Frauen", murmelte ich, als ich den Vertrag unter-schrieb.

"Daran hat sich auch nichts geändert. Aber manchmal muss man eben Opfer bringen."

"Opfer? Irgendwie kommt mir das eher wie mangelnde Selbstachtung vor."

"Pass auf, was du sagst, ja! Ich habe ja auch nicht vor, die Wette zu verlieren. Drum zerbrich dir mal nicht meinen Kopf. Ich weiß schon, was ich da mit dir ausgemacht hab'."

Ich sah Jens lange durchdringend an, aber mir blieb seine Motivation nach wie vor schleier-haft. Er hatte immer betont, nicht so zu sein wie ich, war stets stolz darauf gewesen, dass er sich - obwohl wir ja eineiige Zwillinge waren - in vielerlei Hinsicht von mir unterschied. Mir war das immer egal gewesen. Wenn es zwei umwerfend gutaussehende, junge Männer gab, die sich ja nicht einmal in die Quere kamen, was ihren Geschmack betraf, warum sollte es nicht so sein. Wir hatten beide bei der Verteilung von gutem Aussehen mit vollen Händen zu-gegriffen und ehrlich gesagt, verstand ich nicht, warum Jens so scharf auf eine Dorfmatratze wie Bella war.

"Ich weiß zwar immer noch nicht, warum du dieses ganze Spektakel veranstaltest, aber eines weiß ich sicher: Nämlich, dass ICH gewinne und nicht du."

"Wenn du meinst, Bruderherz." Jens grinste nur. Plante er bereits irgendwelche hinterhältigen Tricks? Und wenn ja, welche? Ich musste mir ja ebenfalls Gedanken machen, wie ich die Sa-che am dümmsten angehen könnte. SO etwas war ja nicht alltäglich und forderte daher detail-lierte Planung.

"Sobald ich mit ihm im Bett war, hab' ich gewonnen, oder?"

"Nein, wenn die beiden sich getrennt haben. Aber das dürfte wohl aufs Gleiche rauslaufen. Ich glaub kaum, das Bella mit 'ner Schwuchtel zusammen sein will. Das würde ja ihrem Ruf schaden." Wie Jens das Wort Ruf aussprach, machte deutlich, dass er genau wegen dieses Ru-fes mit Bella zusammen sein wollte. Er wollte derjenige sein, dessentwegen sie ihr Schlampendasein aufgab. Ihn sollte sie lieben, einfach nur weil er es so wollte. Ja, mein Bruder war eingebildet und arrogant.

Und ich war kein Stück besser.

Schließlich hatte ich ja gerade eingewilligt, einen an dem Konflikt unbeteiligten Menschen zu verführen und ihn damit auch in gewissem Maße der Lächerlichkeit preiszugeben.

Aber nun hatte ich erst einmal einiges zu erledigen.

Der Überfall

Ich lag auf meinem Bett und fragte mich immer noch, ob die Entscheidung, welche ich gerade getroffen hatte, die richtige war. Jens' Wetteinsatz klang so absurd wie zu Beginn und genau so absurd erschien es mir, dass ich darauf eingegangen war. Sex mit deinem Bruder? Bist du bescheuert? Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf und verdrängten meine Überlegungen darüber, wie ich es überhaupt anstellen wollte, die Wette zu gewinnen. Ich wusste so gut wie nichts über mein Opfer, was vor allem daran lag, dass meine Inter-essen anderswo lagen. Also musste ich jemanden um Rat fragen, der Bescheid wusste.

"Hey Alice, Schätzchen!"

"Sven? Seit wann sprichst du wieder mit mir, du dämlicher Schwanzlutscher?", kam es aus dem Telefonhörer zurückgeblafft. "Reicht's dir nicht, dass du mit meinem Bruder gevögelt hast? Willst du jetzt auch mich, oder was?"

"Mal ganz langsam, Alice. Erstens: Was kann ich dafür, wenn dein Bruder mich geil findet? Zweitens: Wie kommst du darauf, dass ich dich geil finde? Und drittens: Das mit dem Schwanzlutscher will ich mal überhört haben, du machst in der Hinsicht nämlich keinem was vor."

"Jetzt verstehen wir uns!" Ein schrilles Kichern erklang. "Also, van Buuren, schieß los, was gibt's?"

"Was kannst du mir über Edward Hunter erzählen?"

"Eddie? Wieso interessiert dich denn der Schwachmat? Der ist doch seit neuestem mit … na wie heißt die Schlampe gleich nochmal …"

"Bella."

"Ah ja, genau. Mit Isabella zusammen, das ist er. Oder meint er. Ich glaub' kaum, dass die sich länger als 'n Monat mit der Monogamie anfreunden kann. Ich wette mit dir, wenn die Schule wieder anfängt, vögelt sie wieder jeden, der ihr über den Weg läuft."

"Will ich doch hoffen", murmelte ich.

"Was hast du da grade gesagt?"

"Ich? Oh nichts, nein. Nichts Wichtiges zumindest. Also was ist jetzt mit Eddie? Was weißt du über ihn?"

"Wie kommst du darauf, dass ich dir was über den erzählen könnte?"

"Ach komm schon Alice! Du willst mir doch nicht erzählen, dass du deinen Ruf als größte Klatschtante unserer Schule nicht gezielt aufgebaut hättest?! Wenn du über irgendjemanden nichts zu erzählen hast, ist er entweder physisch tot oder sozial tot, weil du eben nichts über ihn erzählst. Jeder auch nur minimal interessante Idiot, der über unsere Schulgänge spaziert, hofft darauf, dass du irgendwas über ihn weißt. Und jetzt erzähl mir nicht, dass du nichts über Eddie weißt!"

Eine kurze Pause entstand. "Café Anson? In 'ner halben Stunde?"

"Du bist ein Schatz, Alice Newfarm!"

"Ach leck mich doch!"

"Ich dachte, das willst du nicht?" Ich lachte.

"Wenn du nicht augenblicklich deine dämliche Schwuchtelfresse hältst, kannst du dir deine Infos auch woandersher holen, blöder Lackaffe."

"Oh, Entschuldigung, falls ich Eure holden Gefühle verletzt habe, Baronesse von Schlam-penstein!"

Ich hörte nur noch ein Klicken in der Leitung und kicherte leise. Ich wusste, dass Alice trotz der Beleidigung überpünktlich erscheinen würde. Wenn es eines gab, dem Alice Newfarm nicht widerstehen konnte - neben Männern natürlich - dann war es Klatsch und Tratsch. Und daher war sie eine der besten Anlaufstellen, um Informationen und die beinahe intimsten Ge-heimnisse über nahezu jeden Schüler an unserer Schule herauszufinden. Von den Schülerinnen ganz zu schweigen, denn von ihren mutmaßlichen Konkurrentinnen wusste Alice tatsächlich alles - ungelogen.


Wie erwartet saß Alice bereits im Café, als ich genau eine halbe Stunde später dort eintraf.

"Da bist du ja endlich!"

"Kannst es ja kaum erwarten, über den armen Eddie herzuziehen." Ich grinste.

"Papperlapapp! DU willst Infos, nicht ich."

"Komm schon, Alice, wir wissen doch beide, wie gern du über andere redest. Ist manchmal schon fast krankhaft."

"Wenn du nur hier bist, um mich zu beleidigen, kann ich auch wieder gehen." Alice machte tatsächlich Anstalten wieder aufzustehen.

"Halt, nein, warte!" Ich ergriff ihren Arm und zog sie mit etwas mehr als sanfter Gewalt wie-der zurück.

"Autsch, das tut weh, dämlicher Grobmotoriker!"

"Also, haben wir jetzt genug Beleidigungen ausgetauscht und können endlich zum Punkt kommen?" Ich sah sie fragend an und sie nickte. "Gut, was gibt dein Nähkästchen denn über Eddie her?"

"Nun ja, bevor wir uns hier getroffen haben, bin ich nochmal die Kartei durchgegangen." Alice hatte über jeden Schüler ein Karteikärtchen angelegt - über manche auch mehrere - auf dem sie alles Wissenswerte zusammenfasste. "Über Edward Hunter steht da nicht viel. Fußballer, Hang zu schnellen Autos und Alkohol, sonst eher unauffällig. Vor Isabella keine anderen Freundinnen, aus denen man etwas herausbekommen könnte. Edward war ein stiller, ver-schlossener Junge, bis er diese Schlampe gezähmt hat - was ich allerdings ernsthaft bezweifle. Jetzt spielt er sich wie der große Stecher auf, der alle haben kann, bla bla bla."

"Was gibt's noch?"

"Immer langsam, Schätzchen. Gerade das ist der springende Punkt. Er spielt sich nur auf, im Grunde ist er noch derselbe Waschlappen wie vorher. Und jetzt hat er sogar eine große Schwachstelle."

"Und die wäre?"

"Sag' mal, van Buuren, wer hat dir eigentlich ins Hirn geschissen? Checkst du's wirklich nicht?"

Ich schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf, denn ich hatte ehrlich keine Ahnung worauf Alice hinauswollte.

"Bella! Wenn man sie ihm wegnimmt, wird er angreifbar, wieder verletzlich und schwach."

Verdammt! Das war etwas, das mir gar nicht gefiel, weil es genau auf den Eingangsvorschlag von Jens hinauslief, mit Bella zu vögeln.

"Du siehst etwas blass aus, mein Freund. Ist das etwa eine unlösbare Aufgabe? Wobei ich ja noch nicht einmal weiß, warum du überhaupt was von Edward willst."

"Ich will nichts von ihm", blaffte ich.

"Ja, klar. Und warum dann dieses Theater hier? Warum willst du was über den Spacko wissen, wenn er dir am Arsch vorbeigeht?"

"Sagen wir, es ist eine Art … Bestätigungssuche."

"Ach du willst sehen, ob du's immer noch so bringst wie bei Jakob, was?" Alice lachte. "Der Arme kann sich inzwischen fast nirgendwo mehr sehen lassen. Lässt sich von 'nem Kerl fi-cken, obwohl er 'ne Freundin hat. Wirklich traurig. Und das willst du jetzt bei Eddie auch durchziehen. Respekt, du bist ein noch größeres Arschloch, als ich gedacht habe."

"Also die Sache mit deinem Bruder hat gar nichts mit Eddie zu tun. Ich … finde … naja … ich … schätze, ich brauch mal was Andres als diese reichen Muttersöhnchen. Die haben immer die gleichen Storys drauf: 'Neulich beim Golfen, hab' ich meinen geilen Golflehrer gebumst, der hatte vielleicht 'nen süßen Arsch.' und so weiter. Ist verdammt langweilig auf Dauer."

"Und deshalb willst du mal wieder 'ne Hete verführen, damit du andere Geschichten hörst? Verdammt, das ist so was von schwachsinnig, van Buuren. Wenn ich nicht wüsste, dass es bei dir unmöglich wäre, würd' ich sagen, du suchst die große Liebe."

Ich musste laut lachen. "Liebe? So was Antiquiertes gibt's bei mir nicht. Das Leben besteht aus Spaß, Sex, sehr viel Spaß und noch viel mehr Sex. Liebe stört nur. Warum soll ich für den Rest meines Lebens nur noch einen Arsch ficken, wenn es doch so viele gibt?"

"Du bist echt ein wandelndes Klischee, Sven." Alice schüttelte nur den Kopf. "Über dich hab ich schon zehn Karteikarten angelegt, nur um deine Partner festzuhalten. Wenn du nur ein bisschen so wärst wie dein …"

"…wie mein Bruder, meinst du?", höhnte ich. "Glaub mir, Alice, Jens ist tausendmal schlim-mer als ich. Es gibt nichts, vor dem er zurückschrecken würde, um etwas zu bekommen."

"Aber du bist anders, wie?"

"Das hab' ich nicht gesagt." Ich winkte ab. "Hören wir doch mit dem Psycho-Scheiß auf! Was schlägst du vor, damit ich an Eddie so schnell wie möglich rankomme?"

"Mein Gott, van Buuren, bin ich die Partnervermittlung!? Seit wann hast du denn bitte Prob-leme, Leute rumzukriegen? Du siehst gut aus, hast Geld, von gewissen anderen Qualitäten ganz zu schweigen, über die genug Gerüchte kursieren."

"Hast du nicht vielleicht einen klitzekleinen Tipp?" Ich setzte mein unschuldigstes Lächeln auf und klimperte ein bisschen mit den Wimpern.

"Lass das! So bekommst du mich eh nicht rum."

"Dann vielleicht so?" Ich warf ihr ein Bündel Geldscheine zu.

"Hm, das ändert die Sachlage etwas." Sie steckte das Geld ein und beugte sich zu mir herüber. "Ich hab' gehört, dass du da einen ganz cleveren Anmachtrick gefunden hast. Du weißt schon, die Sache mit dem edlen Ritter. Ich könnte mir vorstellen, dass Edward dafür anfällig ist." Dann erläuterte sie mir ihre Idee und ich musste gestehen, dass sie verdammt gut war.

"Danke, Alice. Du bist ein Schatz." Ich gab ihr noch ein kleines Abschiedsküsschen, das sie mit einem angewiderten Gesicht erwiderte.

"Bäh, lass das. Und jetzt verzieh dich. Deine Zeit ist recht begrenzt."

Ich nickte und zog ab.


Bist du wirklich so verkommen, dass du auf diese Wette eingegangen bist? Diese Frage stellte ich mir immer wieder, als ich auf meinem Bett lag und die Decke anstarrte. Fand ich mich tatsächlich so geil, dass ich mich hatte überreden lassen, mit meinem Bruder zu schlafen? Wie tief war ich gesunken?

Konnte ich das wirklich? Einen unschuldigen Jungen derart demütigen, dass er sich später wahrscheinlich nicht einmal mehr selber im Spiegel sehen konnte, während ich nachher fröh-lich weitervögelte? Die Sache zwischen Bella und Jens ging mich nichts an, warum also sollte ich mich einmischen? Mein Bruder war schon immer der Klügere von uns beiden gewesen, ihm wäre doch auch sicherlich eine andere als DIESE Möglichkeit eingefallen. Warum hatte ich mich bloß für diesen Mist instrumentalisieren lassen? Dummerweise war die Sache nun schon im Rollen und ich konnte nichts mehr daran ändern. Der Anruf, den ich nun entgegen-nahm, bestätigte das nur noch.

"Herr van Buuren?"

"Ja, Ivan?"

"Sie können jetzt kommen. Zielperson gesichtet und verfolgt. Aktion wird durchgeführt in zehn Minuten. Ort ist vereinbart." Es klickte. Ivan hielt sich nicht mit Smalltalk auf, warum hätt‘ er es auch? Seine Anweisungen waren deutlich gewesen. Ich hatte das Ganze schon mindestens zehnmal durchgeführt, langsam wurde es zur Routine und Ivan, seine Leute und ich zum eingespielten Team. Ich warf mir eine Jacke über und verließ unser Haus in Richtung Stadt. Ich wusste genau, welches Tempo ich einschlagen musste, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Schon von Weitem hörte ich das Stimmengewirr und konnte daraus auch deutlich eine verängstigte ausmachen.

"Was wollen sie von mir?"

"Na was schon? Dein Geld, Kleiner!"

"Aber … aber … ich hab doch gar nichts! Wie kommen sie darauf, dass …"

"Klappe zu, Geld her!"

"Was ist hier los?", rief ich laut und baute mich drohend vor der kleinen Gruppe auf, die sich um ihr Opfer geschart hatte.

"Was geht dich das an?", fauchte einer.

"Ihr bedroht die öffentliche Sicherheit, also verpisst euch endlich." Ich hob einen Stein auf und schleuderte ihn auf die Angreifer.

"Kommt, hauen wir ab!", meinte der Größte von ihnen und sie zogen von dannen. Ich rannte ihnen noch bis hinter die nächste Biegung nach, wo ich bereits erwartet wurde.

"Hier, für dich." Ich warf dem Großen ein Bündel Geld zu.

"Die Firma dankt", meinte Ivan nur und verschwand dann mit den anderen. Ich dagegen dreh-te mich um, um zum Opfer zurück- …

Intermezzo - Teil 1

"Das war von dir geplant?", unterbrach Svens Gegenüber diesen und ließ sich auf das Bett fallen. "Oh Mann, wie konnte ich nur so blind sein?"

"Du kannst gar nichts dafür", meinte Sven. "Wenn jemand überhaupt was dafür kann, dann mein dämlicher Bruder. Es war alles seine Idee."

"Das hörte sich aber ganz anders an, als er es erzählt hat! Er hat gemeint, dass du das alles …"

"Hör nicht auf Jens! Er labert Scheiße von früh bis spät, solange es ihm nützt. Du hast ja ge-rade gehört, wozu er fähig ist. Dass er mit seinem Bruder …"

"DU hast doch eingewilligt! Nur weil DU es wolltest, würde er mit dir ficken. DU warst schuld, DU bist auf die Wette eingegangen, DU hast …" Er stoppte kraftlos mitten im Satz. Sein Messer hatte er schon lange fallen lassen, während er Svens Geschichte gelauscht hatte. Das Ganze schien zu viel für ihn zu sein.

"Das mag alles sein", murmelte Sven. "Aber du weißt ja noch nicht alles."

"Ich weiß genug. Ich weiß gerade so viel, dass ich nicht übel Lust hätte, dir die Fresse zu po-lieren! Ich weiß, dass du mich benutzt hast …"

"Das stimmt nicht!"

"… dass du mit mir gespielt hast, dass du mich verarscht hast, dass du mich niemals …"

"Hör auf! Du weißt, dass das nicht wahr ist - zumindest das letzte."

"Weißt du, was das Letzte ist? Du! Ich hasse dich, ich hasse dich, ich hasse dich!" Er trom-melte wie wild gegen Svens Brust, wobei er anfing hemmungslos zu schluchzen. Sven sah ihn mit glasigen Augen an, darauf bedacht, nicht ebenfalls losheulen zu müssen. Vielleicht hätte das vieles einfacher gemacht. Vielleicht hätte es gezeigt, dass Sven doch nicht so ein herzloses Arschloch war. Doch 'vielleicht' war so ein feiges Wort. Dieses dämliche 'vielleicht' hatte ihn erst in diese Lage gebracht, als er es seinem Bruder gegenüber geäußert hatte. Aber diesen Teil der Geschichte kannte die Person in seinen Armen ja noch nicht.

"Soll ich dir erzählen, was dann passierte, Eddie?"

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