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Meine Erinnerungen

Teil 1

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Inhaltsverzeichnis

Einige Worte am Anfang

Diesen Text habe ich schon vor vielen Jahren geschrieben, seitdem wurde er vielmals verändert und verbessert, leider war ich nie imstande, das zu Ende zu bringen. Der Text beschreibt die Zeit, die schon der Vergangenheit gehört. Ich lebe in Polen, wo mir jetzt geistige Anregung total fehlt. Der rechtsradikale Ruck und die Verdummung der Massen ist dort jetzt nicht zu übersehen, und es ist schwer vorauszusehen, wie weit das gehen wird. Möglicherweise werde ich nie Gelegenheit haben, das zu Ende zu bringen. Da mein Text nur die erste Version ist und ich im Alltag keine Gelegenheit habe, deutsch zu sprechen, hoffe ich, dass mir meine Fehler nicht allzu schwer zur Last gelegt werden. Ich freue mich schon voraus auf Ihre Meinung. tyrsos -at- poczta.onet.pl

I

Wir leben nicht nur in Polen, sondern wohl auf der ganzen Welt, in einer Zeit des Umbruchs. Ganz langsam und nicht ohne Rückwärtsbewegungen geht all das zugrunde, was die Probe der Zeit nicht besteht, was noch in tiefer Vergangenheit verwurzelt ist. Und gerade in dieser Epoche bin ich in einem hochinteressanten Ort geboren. Meine Heimatstadt, obwohl mitten in Polen gelegen, war immer eine Stadt an der Grenze zwischen verschiedenen Staaten, Nationen und Kulturen gewesen, wo national gemischte Familien keine Ausnahme, sondern die Regel waren; und auch noch heute lässt sich nicht ganz leicht erkennen, was polnisch und was deutsch ist, und welcher Nation einzelne Personen oder Familien angehören. In Wirklichkeit ist alles viel komplizierter. Es gibt in beiden Nationen viele unterschiedliche Völker, die kulturell und sprachlich voneinander abweichen und erst heutzutage vereinheitlicht werden. Bis zum heutigen Tag bestehen noch immer große kulturelle Unterschiede zwischen den ehemaligen polnischen und deutschen Einwohnern Preußens, den Kaschuben und den Zuwanderern aus Mittel- und Südpolen und aus dem Osten. Deshalb lässt sich das Leben unserer Generation von der Vergangenheit in preußischen Zeiten nicht trennen. Die Polen sind ein stolzes Volk, mit großer Geschichte und großen kulturellen Werten. Und ohne Zweifel, nachdem das polnische Königreich im 18. Jahrhundert geteilt worden war, haben sehr lange besonders die reichen privilegierten und gebildeten Bevölkerungsschichten das Fehlen des eigenen Staates als sehr schmerzhaft empfunden. Trotzdem wage ich hier folgende, wahrscheinlich sehr unpopuläre These: Sehr lange hätte die Möglichkeit bestanden, die polnische Bevölkerung in den preußischen Staat zu integrieren, ohne dass sie die eigene Kultur und Sprache hätte aufgeben müssen, wie es mit der deutschsprachigen Bevölkerung im Elsass und in Lothringen im Rahmen von Frankreich geschah, trotz aller deutscher Versuche, diese Integration zu stoppen oder rückgängig zu machen. Das war so lange möglich, wie der Begriff "preußischer Bürger" hoch über den nationalen und kirchlichen Begriffen stand, und die Beamten dieses Staates vernünftige alltägliche Ziele verfolgten und sich nicht Ideologie unterwarfen. Aber im Jahr 1870, als Deutschland vereinigt wurde, gab es eine gewaltige Wende. Es wurde der Versuch gewagt, einen Staat auf einer einheitlichen Basis zu bauen. Diese Politik musste scheitern und schuf zwei schwerwiegende Sachverhalte: Erstens: Als eine Reaktion wurde der polnische Nationalismus geboren. Zweitens: Durch den Kulturkampf unter Kanzler Bismarck gegen die katholische Kirche wurde die allumfassende Verbindung des polnischen Nationalismus mit der katholischen Kirche, damit die Wiederbelebung der traditionellen Vorstellung des Christentums als Bollwerk - und zwar nun nicht nur gegen den Osten, sondern auch gegen den Westen, verursacht. In dieser Epoche liegen die Wurzeln der heutigen katholischen Kirche. Dieser wachsende Nationalismus hat sich dann immer mehr wie eine Pest ausgebreitet.

Aber alle diese Phänomene hatten eher mit der Ideologie als mit dem Alltagsleben zu tun. Die einfachen Leute sind weiterhin nach Westen, insbesondere nach Berlin und Rheinland-Westfalen übergesiedelt, um sich dort bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Vielleicht kehrten sie dann eines Tages mit wohlverdientem Geld zurück. Es wurden oft national - und sogar trotz aller Gegenwehr der katholischen Geistlichen - konfessionell gemischte Ehen geschlossen.

Wer damals als Katholik eine Person evangelischer Konfession heiraten wollte, musste sich verpflichten, die Kinder katholisch zu erziehen, was auch bei meiner Großmutter der Fall war. Auch meine Vorfahren sind ins Rheinland oder nach Berlin ausgewandert, um dort ein besseres Leben zu genießen.

Im Jahre 1920 kam der große Umbruch, als Westpreußen polnisch wurde. Es gab große Umsiedlungen: Die einen kamen, die anderen gingen weg, viele verloren ihr Vermögen oder wurden rasch reich. Es wurde der Hass geboren zwischen den Deutschen, die in ihrem Nationalstolz gekränkt wurden, und den aufstrebenden Polen, die sich nun ihrer Kraft bewusst waren. Für viele Menschen entstand plötzlich die schmerzhafte Notwendigkeit, sich selbst zu bekennen: „Wer bin ich? Deutscher? Pole? Kaschube? Wer sind meine Verwandten in Deutschland und Polen?“ Allmählich wurden die alten familiären Bindungen immer lockerer und die alte gute Tradition der Toleranz und Verständigung verschwand, und es ist wirklich schwer zu sagen, welcher Nationalismus, der deutsche oder der polnische, schneller gedieh und schlimmere Folgen brachte.

Objektiv betrachtet ist es auch schwer zu sagen, welcher Hass damals größer war, beiden Seiten fehlte es die Zeit danach nicht an nationalistischem Eifer, nur die Deutschen wurden dann doch stärker. Am Ende gab es die herzzerreißende Abgrenzung, der Krieg 1939, und der Kriegsbeginn war der schmerzhafte Schlusspunkt dieser Entwicklung. Es ist so, wie darüber geschrieben wurde, was damals in Bromberg geschah (was als "Bromberger Blutsonntag" berühmt geworden ist), dass es keinen Sinn hat, das nochmals zu besprechen. So vielen Leuten bereitet allein die Erinnerung daran noch Schmerz. Zuerst, Anfang September 1939, hatte es Verluste unter der deutschen Bevölkerung gegeben, darauf wurden wieder viele Polen erschossen.

Wie auch immer das heute bewertet wird, für die zahlreichen gemischten Familien, deren Mitglieder auf beiden Seiten nun beteiligt waren, war das ganz tragisch; sie wurden zerrissen. Das war wie eine Frage, die man Kindern zu stellen pflegt: Wen liebst du mehr, den Väter oder die Mutter? Entsetzlich! Eine ganz ähnliche Situation entstand wieder im Jahr 1945. Diejenigen Deutschen, die nicht schnell genug geflohen waren, egal, ob sie 'gut' oder 'schlecht' waren, mussten nun leiden. Wieder einmal hat die Administration, diesmal die kommunistische, den polnischen Nationalismus benutzt, um ihre Politik gegen diesen Bevölkerungsteil zu richten, der nun verächtlich als "Volksdeutsche" bezeichnet wurde, aber auch gegen Polen, die zu unbequem waren, und damit das Herrschen über die Gedanken der Menschen erleichtert. Viele Leute hat bald der Kommunismus erschreckt und enttäuscht, und sie wanderten aus, wieder andere, darunter auch meine Großeltern, gaben sich einer Täuschung hin: „Diese Zeit wird sich wieder einstellen und ihre ehemalige gute materielle Lage dazu.“ Wieder andere versuchten, sich an die neuen Zeiten anzupassen. So ging die Zeit irgendwie weiter. Bis an dem Tag, als ich 1955 zur Welt kam, hatte sich vieles verändert. Der Stalinismus war schon Vergangenheit, und als ich ein Kind war, versuchte das Regime Gomulkas seine schwankende Macht wiederum auf den aufsteigenden Nationalismus zu stützen. Mit großem Geschick hat man in Leuten die schlimmsten Instinkte wiederbelebt. Alles, was aus dem Westen kam, wurde mit Misstrauen betrachtet. Man unterstützte den Hass gegen Juden, gegen Intellektuelle und gegen alle, die anders waren. Gerade in dieser Epoche wurde das Bewusstsein von vielen jetzigen polnischen Parteiführern und Politikern geprägt, ebenso die Parolen, die noch heutzutage auf den polnischen Straßen zu hören sind. Gerade diese wahrlich primitive Mentalität wurde zu einer Basis für die gegenwärtige Mentalität. Auch die katholische Kirche vermochte in ihrer Propaganda den polnischen Nationalismus zu nutzen, und zwar noch viel wirksamer als der Staat. Gerade in der Gomulka-Zeit entstand in der Politik des Staates und der Kirche diese widersprüchliche Haltung von Kampf und Zusammenarbeit. Beiden Institutionen war vieles gemeinsam: Sie knüpften an die nationalistischen und volkstümlichen Traditionen an (die meisten Parteiführer und Priester stammten vom Lande). Daher (und schließlich) die engen, von semitischen Traditionen geerbten moralischen Anschauungen sowie eine gewisse Neigung zur Askese. Das Problem bestand nun darin, dass die beiden Institutionen und Ideologien sich für einzigartig betrachteten, als die einzigen, die zur Rettung der Menschheit fähig waren und jede Ideologie strebte die volle Beherrschung der menschlichen Seelen an. So war auf Dauer zwischen ihnen kein Kompromiss möglich. Abhängig von der aktuellen Situation überwog entweder die Zusammenarbeit oder die Konfrontation. Deshalb unterstützte die katholische Kirche gelegentlich auch Randgruppen der Intellektuellen, deren Vorstellungen zwar nicht in ihre Ideologie passten, der Staatsgewalt gegenüber aber feindlich gesinnt waren.

Das verursachte, dass meine Kindheit voll Tabus war; es gab Sachen, über die man einfach nicht sprechen durfte. So hatte z.B. meine Mutter damals Angst, zu Hause deutsch zu sprechen, und es ist heute schwer zu beurteilen, ob diese Angst berechtigt war und ob die Denunziationen unseres Nachbarn wirklich hätten schaden können. In der Gierek-Ära hat sich dieser Zustand teilweise verändert, als die Grenze zur DDR geöffnet wurde.

Man durfte nicht über die Vergangenheit unserer Familie sprechen, das war keine Tradition, auf die man damals hätte stolz sein können. Ansonsten war meine Familie ganz normal: Ich wurde getauft und in mäßig katholischer Tradition erzogen, aber auch da gab es einen Unterschied zwischen mir und meinen Kollegen - meine Großmutter war evangelisch und mein Vater konnte nie vergessen, dass ein katholischer Priester seine Mutter betrog, indem er Geld stahl, das ihm zur Verwahrung gegeben worden war. Deswegen vielleicht waren meine Ansichten immer kritischer und ich beobachtete alles genau und war nicht so bereit, unkritisch zu glauben, wie meine Kollegen. Dazu war ich von meiner Natur aus immer ein Einzelgänger, eher zum Nachdenken geneigt als zu fröhlichen Spielen mit Gleichaltrigen. Ich war immer ein Individualist, im Kindergarten nicht besonders gewillt, mich den erzieherischen Maßnahmen oder dem Druck der Gruppe unterzuordnen.

II

Endlich kam die Schulzeit und bescherte mir soviel Anregungen von der Seite der Erwachsenen, dass ich genug Geduld, Fleiß und Ehrgeiz fand, um immer bessere Schulleistungen zu erreichen. Bald hatte ich das Prinzip verstanden - in der Schule gab es nur eine einzige Möglichkeit, Ruhe, Erfolg und eigene unabhängige Ansichten zu behalten: Es galt, sich so gut wie nur möglich konform zu verhalten. Leider war mein Konformismus nie vollkommen, weil er nicht von meiner tiefen inneren Überzeugung kam, und auch meine Abscheu vor den Gruppen- oder Herdeninstinkten war zu tief, um nicht wahrgenommen zu werden. Es fehlte mir an diesem krankhaften Enthusiasmus, der so charakteristisch für die zukünftigen Jugend- und Parteifunktionäre war. Meine Eltern waren beide arbeitstätig, und wir hatten am Ende der Ära Gomulkas einen bescheidenen, aber stabilen Lebensstandard erlangt, der hoffen ließ, einen richtigen Platz im sozialen Gefüge zu finden. Mein Vater war Bahnangestellter, weshalb wir fast umsonst durch ganz Polen reisen konnten. Ich teilte diese Reiselust mit meiner Mutter, und wir waren oft an der Ostsee in Swinoujscie (Swinemünde), Gdansk (Danzig) oder in Warszawa (Warschau), in Krakow (Krakau) und in Poznan (Posen). Ich konnte unterschiedliche Lebensformen in Polen kennen lernen. Jedes Jahr verbrachten wir den April in Karkonosze (Riesengebirge), weil mein Vater Urlaub für führende Arbeitskräfte bekommen konnte. Die großen Ereignisse dieser Epoche geschahen nebenbei. Ich war noch damals zu klein, um etwas davon zu verstehen, und das ruhige Leben in Bydgoszcz war zu weit davon entfernt. Ich kann mich noch erinnern, wie verwundert ich war, als man ganz plötzlich 1967 in der dreibändigen Enzyklopädie einige Bände auswechseln wollte, weil sie von Juden geschrieben worden waren - es hieß, sie wären voller Fehler, und an all jene dogmatischen Parteidebatten und jene eifrigen Erörterungen - Ausbrüche von Emotionen und Hass, die damit verbunden waren, waren mir völlig fremd. Das entsprach einfach nicht meiner Natur. Dasselbe galt auch für die Auseinandersetzung zwischen der Kirche und dem Staat. Wie die meisten meiner Zeitgenossen verstand ich damals die Kirche nicht als eine bestimmte Ideologie, sondern ich sah in ihr eine Abfolge von fröhlichen, prächtigen Feiern, etwas Festliches, den schönen Rahmen für den Alltag. Im polnischen katholischen Kult, ganz ähnlich wie in der ganzen polnischen Kultur, werden gewisse östliche und westliche Züge zusammengemischt. Zum Osten gehört vor allem der sehr verbreitete Bilder- und Reliquienkult, die Pracht, der feierliche Aufwand und die Ernsthaftigkeit der kirchlichen Feiern, sowie die ganz außergewöhnliche Position der Priester.

Der Kaplan, besonders auf dem Lande, vor allem in Ost- und Südpolen, gilt als eine heilige Person. Er wird als ein Bote Gottes auf Erden angesehen und kein Skandal vermag diese Position zu schwächen. Wer einmal Priester geworden ist, wird nicht mehr durch irgendwelche irdische Beurteilung getroffen. Es ist daher kein Wunder, wenn es hierzulande nicht an Männern fehlt, die Priester werden wollen. Westlich ist die Verbindung zwischen den kirchlichen Feiern und der Volkstradition, die Spontaneität und die grobe Fröhlichkeit. Meiner Meinung nach war die Kirche im Osten bzw. in Russland immer viel enger mit dem Staat verbunden als die Kirche im Westen, natürlich war auch dort die Volkstradition gewissermaßen berücksichtigt, die Feste dienten aber vor allem der Entfaltung der Macht von Kirche und Staat, in Polen dagegen war eher eine Verbindung der katholischen Kirche mit dem Volk als eine solche mit dem Staat vorherrschend. Die Tradition der Kirche in Polen stammt meistens aus Italien, wo sich die Kirche früher besser an das Volk angepasst hat, und Doppelmoral war die Regel. Die grobe Fröhlichkeit und sogar Obszönität des Volkes wurden lange geduldet. Erst nach dem zweiten Weltkrieg, und zwar durch den "Kalten Krieg" und Feindschaft gegen die Kommunisten, ist dieses Missionarische entstanden, das der polnische Papst in der ganzen Welt durchzusetzen versucht. Nach dem Sieg über den Kommunismus ist im Klerus der falsche Eindruck entstanden, es sei nun die richtige Zeit gekommen, den Staat Gottes auf Erden aufzubauen, man versucht sogar zu erreichen, alte Gewohnheiten des Volkes zu brechen, die solange schweigend geduldet wurden. Aber der durchschnittliche Pole denkt nicht über Religionsgrundsätze nach, noch bemüht er sich, sich in religiöse Probleme zu vertiefen. Außer den Zeugen Jehovas bemühen sich nur wenige, die Bibel zu lesen. Ein Pole denkt in der Kirche nicht, er nimmt die Religion gefühlsmäßig auf und empfindet nicht diesen leidenschaftlichen Drang wie im protestantischen Norden, alles zu verstehen und kennen zu lernen, der für die Deutschen so charakteristisch zu sein scheint. In dieser Hinsicht gehen die polnische und die deutsche Mentalität völlig verschiedene Wege. Für die Polen ist in der katholischen Kirche vor allem das von Bedeutung, was ihre nationale Tradition und den Nationalstolz verstärkt, die moralischen Grundsätze treten dabei etwas in den Hintergrund.

Als Gierek die Macht in Polen an sich riss, hatte ich, wie die meisten Polen, großes Vertrauen in ihn und auch große Hoffnungen. Ich sah in dieser Machtergreifung den Sieg des Rationalismus über den Dogmatismus. Das war aber für mich damals nicht so wichtig wie die guten Noten und die Eintrittsprüfung für die Mittelschule. Das Wissensniveau in meiner Grundschule war so niedrig, dass an ein gutes Lyzeum nicht zu denken war. Ich war dennoch zufrieden, in ein gutes Technikum zu gelangen.

Am Anfang der 70er Jahre hat sich unser Lebensstand wesentlich verbessert. So konnten wir es uns sogar leisten, ein gebrauchtes Auto - als ein gesellschaftliches Prestigesymbol besonders beliebt - zu kaufen. Mein Vater trat in einen Jägerverein ein. So war Wildfleisch bei uns keine Seltenheit mehr. Mit dem Wagen konnten wir auch dorthin gelangen, wohin wir früher mit dem Zug nicht kommen konnten, z.B. an die schönen Strände bei Kolobrzeg (Kolberg) und ins Gebirge Gory Swietokrzyskie und Bieszczady; diese Gebiete waren damals - und sind auch heute - ziemlich wild und kaum bewohnt. Das ist mit einem Wort eine ruhige bürgerliche Existenz ohne besondere Ereignisse.

III

Ich gelangte ganz unbemerkt in diese Entwicklungsphase, zum Anfang der Pubertät, wenn man die Geheimnisse des eigenen Körpers entdeckt, und diese Lust, die mit dem Erleben der Sexualität verbunden ist. Die Anfänge waren ganz unschuldig, einige mehr oder weniger zufällige Berührungen, das Verlangen, jemanden, besonders einen anderen Jungen, nackt zu beobachten, um sich zu überzeugen, ob sein Körperbau größere Unterschiede im Vergleich zum eigenen aufweise. Dieselbe Neugier lenkte auch die anderen beim Unterricht, in den Pausen, in der Toilette, unter der Dusche oder beim Umziehen vor und nach dem Sportunterricht, in diese Richtung. Überall lauerte das Interesse für Sex, es lag einfach in der Luft, was wahrscheinlich für dieses Alter ganz typisch ist. Eines Tages, es war wohl in der zweiten Klasse der Grundschule, ging ich wie üblich mit meinem Schulfreund nach Hause. Ganz plötzlich kam ein großer Schauer und wir wurden ganz nass. In diesem Zustand kamen wir zu meiner Wohnung. Um sich vor einer Erkältung zu schützen, zogen wir schnell alle nassen Sachen aus, damit sie trockneten. Inzwischen warteten wir, in die warmen Decken eingehüllt, bis wir wieder die trockenen Sachen anziehen konnten. Es fing an mit Kissenwerfen, dann wälzten wir uns wild auf den Decken, plötzlich die Fröhlichkeit entdeckend, diejenige, die die Nähe der nackten Körper hervorgerufen hatte. Unmerklich kam es zur Erektion, vielleicht sogar einer ersten in meinem Leben. Eine sanfte, belebende Wärme floss durch meinen ganzen Körper. Das war ein köstliches Spiel, noch so unschuldig, und trotzdem so mit erotischen Empfindungen angefüllt, die so frisch und stark waren, wie vielleicht nie mehr später in meinem Leben.

Nach diesem ersten Treffen kamen die nächsten, die schon nicht mehr so zufällig waren. Vielleicht noch stärker, als das sexuelle Erlebnis selbst, hat uns das gemeinsame Geheimnis verbunden. - Was hätten meine Eltern dazu gesagt, wenn sie unerwartet gekommen wären. Sie wären bestimmt ganz schön schockiert. Das hatten sie doch nicht verdient - sie bemühten sich so sehr, mir mein Leben angenehm zu machen, und das Einzige, was sie erwarteten, waren gute Schulnoten. Warum sollte ich sie dann enttäuschen und ihre Wünsche nicht erfüllen? Gute Schulleistungen waren das Einzige, das außer Kraft und Geschicklichkeit in der Klasse zählte, und ich wollte nicht zu denjenigen gehören, die von allen verachtet waren. Auch was Sex betrifft, im Laufe der Zeit entdeckte ich, dass der Konformismus immer der Preis für eine gewisse bedingte Freiheit ist. Ich ahnte noch nicht, welche Gefahren das mit sich bringt, ganz ähnlich wie die Verstellung der Geisteskrankheit, um den Militärdienst zu vermeiden, was damals sehr populär war. Es sollten noch viele Jahre vergehen, bis ich verstanden habe, wie sehr das konforme Verhalten die Seele tötet und die Persönlichkeit vernichten kann. In jenem Augenblick aber wollte ich nur glücklich sein, die Anerkennung meiner Eltern und Verwandten sowie der Umgebung erringen. Mit der Zeit war mir immer mehr bewusst, was Erwachsene über solche erotischen Spiele denken und wie sie sie missachten.

Kurz danach haben wir dann eine größere Wohnung bekommen und ich musste die Schule wechseln. Wieder war ich ganz allein auf mich gestellt. In der neuen Schule fühlte ich mich nicht gut. Früher waren die meisten meiner Kollegen aus der Mittelschicht - die Kinder von Beamten, Ingenieuren, Ärzten und Anwälten usw. - nett, artig und fleißig. Es konnte passieren, dass ihre Eltern in ihrer Kindheit noch das Vieh gehütet hatten. Sie wollten aber diese bescheidenen Anfänge möglichst schnell vergessen haben, und wie das oft bei Arrivierten vorkommt, waren sie bürgerlicher als das wahre Bürgertum selbst. Jetzt stammten die meisten meiner Kollegen aus armen, kinderreichen Familien, wo Trunksucht die Regel war. Auch die Sitten waren nicht so streng. Fleiß und Wissen waren hier nicht besonders geschätzt. Gewalt und Erpressung waren Normalzustand. Ich wagte nicht zu gestehen, auch mir selbst nicht, wie ich diese starken, jungen, geschickten Leiber bewunderte. Aber ihre Spontaneität, Kulturlosigkeit und Abscheu vor allem, was mit ihrer Welt nicht direkt verbunden war, fand ich widerlich. Erschreckend habe ich eine Entdeckung gemacht: Sex ohne Kultur ist nur eine Art der Gewalt, der Beherrschung eines Menschen durch einen anderen, ein Spiel, worin der eine dominant ist, und der andere Untertan. Ich wollte und könnte diese Spielregeln nicht anerkennen. Ich verabscheue die Unterwerfung, aber auch die Dominanz bedeutet für mich paradoxerweise, die Verantwortung für eine andere Person zu übernehmen, und das wollte ich damals auch nicht. Ich wollte dieses "sündige" Begehren bekämpfen und wieder ein normales, ehrliches Mitglied der Gesellschaft werden, das allen anderen ähnlich ist, und ich glaubte, das sei mir auch gelungen, und zwar für einen hohen Preis - den der geistigen Einsamkeit. Ich hatte noch keine Ahnung, wie hoch dieser Preis sein kann.

Solange man jung ist, scheint alles so leicht! Ich entdeckte die Interessen für Kunst, Literatur, deutsche Sprache, Geographie und Geschichte. Ich las möglichst viel, verschlang einfach ein Buch nach dem anderen.

Meine Sehnsüchte wurden ins Unterbewusstsein verdrängt, und die Einsamkeit war eine bequeme Zuflucht vor der Welt. Ich begann damals meinen "Elfenbeinturm" zu bauen. Trotz aller Mühe lernte ich in dieser Schule zu wenig, um wirklich an eine gute Mittelschule zu denken. Deshalb musste ich im ersten Schuljahr im Technikum fleißig arbeiten, um diese Mängel zu beheben. Im zweiten Schuljahr gehörte ich schon zu den besten Schülern. Sehr viele waren inzwischen durchgefallen, und wer nicht genug Fleiß und Disziplin entwickelte, musste die Schule verlassen. Die Anzahl der Mädchen und der Jungen war ungefähr gleich, und es sind daraus verschiedene Freundschaften entstanden. Das Interesse für Mädchen wurde auch immer größer. Außerdem gab es eine große Vielfalt unterschiedlicher Verhaltensweisen zu sehen. Es gab einige Jungen, die bei jeder Gelegenheit versuchten, ihre schön gebauten Körper zu zeigen, mit dem Vergnügen, die neidvollen Blicke der anderen Jungen zu erleben. Einer davon zeigte sich immer nackt vor und nach dem Leibesunterricht und sein Prachtstück war nicht zu übersehen. Noch ein anderer war immer so erregt, dass er oft die Klasse verlassen musste, um sich in der Toilette zu befreien, oder er befriedigte sich direkt in der Klasse in der letzten Bank ganz offen vor aller Augen. Die Lehrer haben das nicht bemerkt oder sich so verhalten, als ob sie das nicht gesehen hätten. Er fand sich bald einen Freund und machte davon kein Geheimnis. Leider war er allzu sehr darauf konzentriert, um noch an den Unterricht zu denken. Deshalb wurde er nach dem ersten Schuljahr gefeuert. Am Schluss des zweiten Schuljahres war ein Praktikum vorgesehen. Ich habe Gozdnica gewählt, eine kleine gemütliche Stadt dicht an der Grenze, 7 km von der Oder entfernt, ein Ort von Menschen und Göttern vergessen. Die Tage verbrachten wir in einer Ziegelfabrik, die Abende mit Freundschaftstreffen bei Tanz und Kartenspiel. Das erste Mal in meinem Leben konnte ich das Leben einer Provinzstadt beobachten, mit all seiner Langeweile und der Hoffnungslosigkeit der kaum qualifizierten Arbeiter, die kaum zu schreiben und zu lesen verstanden, und deren einziges Vergnügen der Wodka war. Aber die katholische Kirche sorgte dafür, dass alles dort ordentlich und anständig war, und über Sex wurde nie öffentlich gesprochen. Es blieb Geheimsache. Wehe dem, der in einer so kleinen Stadt wagen würde, etwas üppiger zu leben oder dem Pfarrer oder dem Ersten Parteisekretär zu widersprechen. Wehe dem, der so dumm, rechtgläubig und aufrecht war, einem Priester seine Begehren oder Erlebnisse zu beichten. Bald würde die ganze Stadt davon wissen. Das Beichtgeheimnis ist in der polnischen Provinz etwas Illusorisches, und wehe dem, der das nicht rechtzeitig erkannte. Gozdnica ist von großen, schönen Wäldern umgeben, die mit kleinen Entwässerungskanälen durchzogen sind. Es gibt dort kleine Brücken und üppiges Unterholz. Am Wochenende war es schön, dort stundenlang herumzuirren und Himbeeren zu lesen. Etwas weiter war die Grenze, nah, aber unerreichbar. Nirgendwo in der Gegend gab es einen Grenzübergang. In der Gierek-Ära wurde ein Vertrag ratifiziert, der uns erlaubte, ohne Reisepass, nur mit einem Ausweis, in die DDR zu verreisen, leider hatte man beide Nationen nicht darauf vorbereitet. Die Polen und die Ostdeutschen wussten nicht viel voneinander, der Zivilisationsunterschied war oder schien damals ganz groß. Bald wurde die DDR ein Einkaufsplatz für polnische Händler, die dort Waren kauften, die in Polen sehr teuer oder nicht zu haben waren. Billige, von Herstellungskosten unabhängige Preise, machten dieses Unwesen sehr profitabel. Für die DDR-Regierung war diese Entwicklung sehr günstig, man konnte immer sagen, falls irgendwelche Waren fehlten, die Polen haben diese ausverkauft. In Polen war das ein bisschen anders, vielleicht war damals die polnische Propaganda nicht mehr so nationalistisch wie früher gesinnt, weil man gerade eine Annäherung an die BRD anstrebte. Dagegen haben die DDR-Bewohner die schönen polnischen Ostseestrände und eine gewisse Freiheit nach Polen gezogen, die zur orthodoxeren SED-Herrschaft einen scharfen Gegensatz bildeten. In dieser Zeit gab es schon in der polnischen kommunistischen Partei nur wenige Orthodoxe, die streng an Marxismus-Leninismus glaubten, die Partei war voll von Opportunisten, die sicherlich überzeugt waren, diese Staatsordnung würde für immer und ewig dank der Militärmacht der Russen und der Passivität des Westens bestehen (einige Jahre früher gab es doch eine Intervention in der Tschechoslowakei, bei der die Westmächte untätig zuschauten), 0pportunisten, die danach strebten, im herrschenden Rahmen möglichst gut zu leben.

Auch wir haben diese Möglichkeit genutzt, in die DDR zu verreisen. Ich war mit meiner Mutter in Dresden, Potsdam und vor allem in Ost-Berlin. Meine Mutter wollte das Haus sehen, in welchem meine Großmutter einst gewohnt hatte und in dem ihre Geschwister geboren waren. Ich wollte dort vor allem das Pergamonmuseum besuchen. Hinter der Mauer war West-Berlin, ganz in der Nähe, und doch für uns damals unerreichbar. Dort wohnten zwar noch immer unser Onkel Erich und eine Kusine meiner Mutter, Senta, aber alle unsere Passanträge sind abgelehnt worden. Ohne hochgestellte Bekannte zu haben oder Bestechungsgeld zu zahlen war es damals kaum möglich, einen Reisepass zu bekommen, den man nach der Reise sofort dem Passbüro zurückzugeben hatte. Und bei der nächsten Reise fing alles von Neuem an. So reich waren wir nicht. Deshalb hatten wir auch keine Chance, West-Berlin zu besuchen, konnten nur einige Male unseren Onkel in Ost-Berlin treffen, weil er als Rentner diese Stadt besuchen durfte. Die Berliner Mauer blieb damals für uns unüberwindbar.

Die Grenze bei Gozdnica war ganz in der Nähe. Sie hatte jedoch auf das Leben dort keinen Einfluss. Für uns war sie auch nicht besonders von Bedeutung, man nahm sie kaum zur Kenntnis. Wir wurden in den vermieteten Privatwohnungen einquartiert und wohnten zu zweit in einem großen Zimmer mit alten Eichenmöbeln, wohl noch aus deutscher Vergangenheit, und einem großen Ehebett mittendrin, für zwei Personen, das ich einen Monat lang mit einem meiner Kollegen teilen sollte. Wir waren nicht besonders befreundet, so waren unsere Beziehungen anfangs nicht allzu freundlich. Manchmal täuschte ich vor, eingeschlafen zu sein, um dann beobachten zu können, wie er sich heimlich selbst befriedigte. Eines Abends war ich plötzlich aufgewacht und habe seine Hand gefasst. Zunächst war er sehr geniert gewesen, aber bald näherten wir uns einander, und ich weiß nicht, was uns größere Freude machte, die Berührung der Leiber oder die Entdeckung, dass jeder dieselben Probleme bekämpfen musste. Noch mehrmals berührten wir unsere Körper und fühlten die noch in diesem Alter so frische Freude an Lusterfüllung. Das hielten wir damals für kein großes Ereignis, das für unsere Zukunft von Bedeutung sein sollte. Mein Freund Jacek lernte schon im nächsten Jahr eine Freundin kennen und danach entwickelte er sich in der Richtung, die ihm die Natur vorbestimmt hatte. Für mich verging nach dem Praktikum ein weiteres Jahr ruhigen, bürgerlichen Lebens. In der dritten Klasse war ein Praktikum in der Porzellanfabrik vorgesehen und ich wählte Chodziez, eine schöne Stadt zwischen Hügeln und Seen gelegen, in Mittelpolen, sehr konservativ und sehr proletarisch zugleich. Die meisten Bewohner arbeiteten in einer der beiden Porzellanfabriken; bei der neuen oder bei der alten. Die neue, Anfang der 60er Jahre gebaut, war schon damals völlig veraltet. Man arbeitete dort in einem schrecklichen Lärm, in Staub und Schmutz. Es gab enge Gänge, kleine Hallen, kaum Lagerplatz und keine mechanischen Transporter, nur handgeschobene Wagen. Der Alltag dort war langweilig, und die Sonntage waren ganz komisch, die meisten Männer gingen ganz besoffen mit unsicherem Schritt nach Hause. Ein Beispiel kann bezeugen, wie konservativ damals die Bewohner von Chodziez waren: Eines Nachmittags kehrte ich heim, als ich plötzlich bemerkte, dass die meisten Leute auf der Straße in eine Richtung gingen. Neugierig ging ich hinterher. Am See bemerkte ich eine Menge Leute, versteckt hinter den Büschen, die einigen Deutschen zuschauten, die nackt im See badeten. Auf den Gesichtern sah man die Bewunderung und Ablehnung sogleich. So war das Provinzpolen damals und gewissermaßen ist es so bis heute geblieben. Diesmal sollte ich mein Zimmer mit einem meiner Kollegen teilen, der jeden Tag vom Land zur Schule pendelte. Ich wusste von ihm nur, dass er viele Geschwister hatte, für die er sorgen musste. Der Juni war schön heiß, sogar unter der Decke war es nachts zu heiß und morgens wachte man in Schweiß gebadet auf. Wir waren in einem Internatsgebäude einquartiert, mit ziemlich großen Zimmern, wo der Weg vom Lichtschalter bis zum Bett lang war. Im Dunkeln hat Josef, so hieß der Kollege, den Weg zufälligerweise nicht gefunden und ist in meinem Bett gelandet. Seine enge, nicht mehr neue Turnhose wirkte reizend, und ich zitterte bei der Berührung seines starken Körpers, aber gerade diese Erregung wollte ich nicht zeigen. Einige Tage später war es sehr warm und Josef schlug vor, zusammen zu baden, und danach kleidete er sich blitzschnell aus. Er stand nackt vor mir, sein Glied stand hoch, schön erregt und zeigte seine bloße Eichel in schöner Größe. Ich war kaum noch imstande, mein Erstaunen zu verbergen, ich hatte zuvor nie so einen großen Penis gesehen, und seine weiche, weiße Haut zog mich dahin und ich konnte nicht widerstehen. Ich berührte seinen Schwanz, und er bebte erwartend. Das war mir schon zuviel. Im selben Augenblick zog ich mich aus, und wir wälzten uns auf der großen Bettfläche zusammen. Das war ungewöhnlich, dass solch ein starker Bursche gleichzeitig so zärtlich sein konnte.

Wir wiederholten das immer und immer wieder, tags und nachts, und diese Wollust schien kein Ende zu haben. Das war wunderbar und unvergesslich.

Ein Monat war schnell vorbei, ich kam nach Hause zurück. So konnte ich nun meine Ferienreisen beginnen, und Josef musste auf dem Feld arbeiten. Auch nach den Ferien haben wir uns, nicht allzu oft, getroffen. Bei mir zu Hause war das kaum möglich, und er musste seine Arbeit zu Hause auf dem Feld leisten. Wir mussten uns anstrengen, nicht aufzufallen. Damals (ob es heute anders ist, ist schwer zu sagen) war die sozialistische Moral streng bewacht - man musste gut vortäuschen können, an die sozialistischen Ideale zu glauben, gut zu arbeiten, eine gesunde Familie mit vielen Kindern zu haben und nicht allzu viel zu denken - eigentlich fast bürgerliche Tugenden, die man auch ganz leicht mit katholischen verwechseln könnte, und manche machten es auch so, wenn der Kampf um die Vorherrschaft nicht auch in den Individuen stattgefunden hätte. In Polen war es immer schon üblich, moralische Prinzipien für politische Zwecke zu verwenden. Und der Sozialismus war krank an Erfolgsbedürfnis. Man hat das später in Polen die Propaganda des Erfolgs genannt, ich glaube aber, so was war in allen sozialistischen Ländern üblich. Es sollte keine Sozialprobleme, keine Drogensüchtigen, keine Schwulen geben, und wenn es schon Probleme gab, sollte man sie mit allen Mitteln beseitigen oder einfach verschweigen. Man glaubte, wenn man über etwas nicht sprach, existierte es auch nicht. Die Gesellschaft sollte doch immer und immer vollkommener werden. Das hieß das Prinzip des Fortschritts. Alles sollte schön und gesund aussehen, alles war Lüge, das war auch damals irgendwie zu sehen. Bewundernswert fand ich bloß, dass das Rad sich immer weiterdrehen konnte, trotz aller Probleme - war das nicht ein Wunder? Wir waren aber noch lange nicht in der Lage, die Konsequenzen für die Zukunft zu verstehen. Jedenfalls war es sehr leicht, jemanden aus der Schule rauszuschmeißen, und mit der Etikettierung "amoralisch und antisozialistisch" war es außerordentlich schwer, eine neue Mittelschule zu finden.

Und die Welt sah so riesig aus, alles schien den Kommunisten gnädig zu sein, sogar der Himmel über uns. Nie früher oder später waren die Sommer so schön und die Ernten so gut, und volle Geschäfte sorgten für Ruhe und Stabilität, auch nach außen wurde der Frieden durch die Verträge mit Kanzler Willy Brandt gesichert. Das war das Goldene Zeitalter gewesen, das verlorene Paradies, nie ließ sich später so gut in Polen leben, bis heute wurde dieser Lebensstandard nicht mehr erreicht. Dass große Staatsschulden gemacht worden sind, wussten wir nicht. Wir waren ja eigentlich noch Kinder, die am Rand der Städte in eher konservativen Schulen ihre Jugend erlebten, wo man noch konservative Werte, mit Toleranz und Verständnis für andere geschickt verbunden, verstand, ohne den immer größer werdenden ideologischen Druck allzu ernst zu nehmen. Deswegen bleiben meine Erinnerungen an das Technikum ewig gut. Gegenwärtig versuchen sehr viele zu sagen, wir waren dagegen - das stimmt aber meistens nicht. Die meisten Leute waren damals mit ihrem Schicksal zufrieden und irgendwelche Gedanken, wie etwa diese Ordnung zu verändern, waren ihnen total fremd.

Auch zwischen Staat und katholischer Kirche herrschte damals ein wackeliges Gleichgewicht, das von Zeit zu Zeit von den extremen Kräften von beiden Seiten bedroht und gebrochen wurde. Der katholische Glaube der Polen war immer eher stark als streng, eher patriotisch als religiös gemeint, und auch der Marxismus-Leninismus wurde nie ernst genommen, auch in der Partei nicht. Der Atheismus war nur ein Mittel, um an der Macht zu bleiben und nichts mehr. Diejenigen Priester, die dem System gehorsam dienten und zu einer Zusammenarbeit bereit waren, lebten im Wohlstand, vielleicht noch besser als heute, und wenn etwas hinderte, eine neue Kirche zu bauen, so war da eine fehlende Erlaubnis der Behörde oder Mangel an Baumaterial, aber nie Mangel an Geld. Die Kirche hat damals die Zeichen der Zeit gut verstanden und schuf eine Oase für Freiheit, Liberalismus und Toleranz, eine Zuflucht für liberale Oppositionelle, einige waren sogar dem Atheismus nah, was auch bewundernswert war, all das war benutzt, um der Staatsideologie standzuhalten. Erst heutzutage nach der Wende hat sich diese Haltung verändert.

Wir hatten vor allem das Abitur im Kopf und überlegten, was wir danach machen wollten. Damals war der Treibstoff sehr billig, ich konnte viel Zeit im Wald verbringen, wo es immer noch viele wilde Tiere gab. In der letzten Klasse war ein großer Lehrausflug geplant - wir besuchten viele Keramikbetriebe in Südpolen. Auch mein Vater nahm daran teil, es war einige Monate vor dem Abitur, und ich musste immer auf der Hut sein. Dort habe ich das erste Mal Wodka getrunken und einen neuen Kollegen namens Pawel kennen gelernt. Anfangs gingen mir eigentlich seine Frechheit und seine übermäßige Selbstsicherheit auf die Nerven, er verhielt sich so, als ob ihm alle dienen sollten. Sein Lebensstil war aber so entzückend und leichtsinnig - man musste ihn einfach gern haben. Ich habe mich auch mit einer meiner Schulfreundinnen angefreundet, die sich in mich verliebt hatte. Das reizte mein Selbstwertgefühl, und ich konnte nun von meinen Kollegen Respekt erwarten, so habe ich diese Beziehung bestehen lassen, obwohl ich keine größere sexuelle Befriedigung gespürt habe. Am zweiten Ausflugstag imponierte uns einer der Kollegen mit seiner Kraft und Geilheit. Er lud uns in sein Zimmer ein und machte danach mehrmals Liebe mit einem Mädchen unter unserer Anwesenheit und freute sich, unsere Bewunderung zu genießen. Er war imstande, alle bürgerlichen Regeln über Bord zu werfen. Da wir so an Komplexen gelitten hatten, schien es uns bewundernswert, solche Freiheit vorzuspielen. Nach dem Abitur, das ich reibungslos über die Bühne brachte, war es Zeit, an die Zukunft zu denken. Ich wollte jetzt studieren, hauptsächlich aus Angst vor dem zweijährigen Militärdienst. Man hatte uns viel Schreckliches darüber gesagt, was in der Armee passiert sei, wie die jüngeren Kollegen von älteren gequält würden. Und obwohl nicht alles wahr sein konnte, für eine sensible und nicht allzu sehr starke Person musste das fürchterlich sein. Man sollte zwei Jahre hoffnungslos verlieren, um etwas ganz Nutzloses zu machen, in einer Armee, das war mir schon damals bewusst, die nicht imstande wäre, uns vor irgendjemandem zu beschützen.

Dann traf ich eine Entscheidung, die wohl die unklügste meines Lebens war. - Ich habe die Prüfungen an der Pädagogischen Hochschule bestanden. Eigentlich wollte ich anfangs Psychologie an der Universität in Poznan (Posen) studieren, dann entschied ich mich aber, in meiner Heimatstadt zu bleiben. Ich fand es nämlich entsetzlich, mit einigen fremden Leuten in einem Zimmer zusammenzuwohnen. In jener Zeit war ich sehr an der deutschen Sprache interessiert. Ich und ein Cousin von mir kauften und lasen mit großem Eifer viele Bücher und wir vertieften uns mit großen Schwierigkeiten in deutsche Texte. Warum wollte ich Pädagogik studieren? Neue Schulen sprangen wie Pilze aus dem Boden und die Erfolgspropaganda ließ uns an die Zukunft glauben. Es fehlte mir leider an Vorstellungsvermögen, neue Gefahren zu erkennen. Wer aber konnte das! Auch die Politiker im Westen hat Gierek bezirzt, und seine Liberalisierungspolitik schien so der Zeit angepasst. Was konnte man mehr verlangen?

Auch viele Leute aus der späteren Solidarnosc arbeiteten damals eifrig für die Regierung, was sie heute verleugnen wollen.

Nach den Prüfungen, entspannt und gut gelaunt, habe ich mit meinem Vater eine Reise nach Nordwesten gemacht. Über Malbork (Marienburg), Braniewo (Braunsburg) und Olsztyn (Allenstein), die berühmten ostpreußischen historischen Orte, gelangten wir zu einem kleinen Städtchen ganz im Osten, dicht an der Grenze des ehemaligen Ostpreußens, wo Pawel wohnte und wohin auch wir eingeladen waren. Wir fanden dort einen Campingplatz auf einer kleinen Insel zwischen drei schönen Seen, nur über kleine Pässe mit dem Festland verbunden. Das war ein interessanter 0rt, wo Polen, Masuren, Deutsche, Ukrainer und Litauer nebeneinander lebten, ohne sich zu vermischen, fast ohne Kontakt, jeder in seiner Gruppe. Es war gerade die Zeit einer immer größer werdenden Emigration der Masuren nach Deutschland unter dem Druck einer erstarkenden nationalistischen Einstellung der polnischen Bevölkerung. Hierbei wurden auch praktisch Ziele verfolgt: Viele Parteibonzen wollten sich ein Stück Grund und ein gemütliches Häubchen verschaffen; deshalb sollten Einheimische bewogen werden, ihre Heimat zu verlassen. Gerade waren die ersten wirtschaftlichen Probleme aufgetreten, und der aufkommende Nationalismus sollte wieder einmal Heilmittel dagegen sein. Es ging bergab und dieses kleine Städtchen ließ uns ahnen, was noch auf uns zukommen sollte. Das Jahr 1974 war der goldene Herbst des Sozialismus in Polen.

Man muss sagen, die polnische Parteileitung war nicht dumm; sie wussten, was passieren würde, wenn es so weiterginge, aber Prinzipien sollten dabei nicht angetastet werden. Es war sehr heiß und sonnig, man sollte nur baden oder im Schatten sitzen. Manchmal liehen wir ein Kajakboot aus und ruderten zusammen mit Pawel auf dem See, um sich dann im dicken Gebüsch und im Schilf nackt in der Sonne zu bräunen. Dann von der Sonne erhitzt, bekamen wir Lust auf Spiele und die Hand wanderte wie von selbst an der glatten, warmen Haut und man konnte sein gewaltiges, von serbischen Vorfahren geerbtes Temperament spüren. Das war schon nicht mehr dieses frische Leibentzücken wie bei den ersten Kontakten, sondern das reife Erforschen der Grenzen, die dem männlichen Körper gesetzt sind, um neue unbekannte Tatsachen zu ergründen, und all das vollkommen im Geheimen. Ich habe mir später oft die Frage gestellt, wie hoch der Preis damals für die Aufrichtigkeit gewesen wäre, und ob ich bereit gewesen wäre, diesen Preis zu zahlen. Ich sollte ja gerade mein Studium beginnen und mir war bewusst, dass ich noch lange von meinen Eltern finanziell abhängig sein würde: Und ich bezweifelte, ob sie imstande wären, das zu akzeptieren. Und ich selbst? Könnte ich ihnen Ärger machen? War ich bereit, auf mein bequemes Leben zu verzichten? War es nicht schön, als Konformist in allen Kreisen Zutritt zu finden? Ich war weder so sinnlich, noch so gesellig, um ohne echte Freundschaft schwer zu leiden. Ich musste zuerst eine alte Wahrheit für mich selbst entdecken: Man kann nicht von anderen Akzeptanz erwarten, ohne sich selbst zuerst akzeptieren zu können, und dazu war ich noch nicht bereit. Es fehlte mir leider diese gesunde, plebejische Fähigkeit, sich an jedem glücklichen Augenblick zu erfreuen, ohne an die späteren Konsequenzen zu denken. Als ich so auf dem Campingplatz ein Paar Burschen nebenan in einem Zelt beobachtet hatte, erkannte ich die Gefahr, die es bedeutete, wenn man in einem geschlossenen Kreis leben musste, mit eigener Sprache, Sitten, Ansichten, getrennt von der Gesellschaft, vielleicht von meiner eigenen Familie. Ich wollte zuerst lernen, die anderen Menschen und ihre Beweggründe zu verstehen und diese berücksichtigen können, ich wollte von vielen Quellen Wissen trinken, und nicht unbedingt nur von einer, ich wollte keine Tür vorzeitig vor mir verschließen.

So ist unser Körperkontakt wieder nur eine Episode gewesen, und ich kehrte als gehorsamer Sohn und fleißiger Student zurück. Von Natur aus waren meine Eltern so unterschiedlich, wie es unterschiedlicher nicht sein konnte, sie passten ganz und gar nicht zueinander. Mein Vater war extravertiert, ein wenig cholerisch, ebenso fähig zu Nervenausbrüchen wie zu Versöhnung, ein Mensch, der immer Bewegung, Gesellschaft und neue Erlebnisse brauchte. Einsamkeit war für ihn die höchste Strafe, er musste immer einige Menschen um sich herum haben. Schon nach ein paar Minuten lernte er immer alle Leute um sich herum kennen. Meine Mutter war introvertiert, immer verschlossen, und ein bisschen langsam denkend, ihre Reaktion auf Ärger war immer Schweigen, was die Versöhnung immer schwer machte. Die Gefahren, die sie in der Jugendzeit erfahren hatte, hatten sie gelehrt, langsam und vorsichtig zu handeln. Sie bevorzugte Ruhe, Stille und Einsamkeit, und es war für sie nicht leicht, sich an eine neue Situation oder neue Leute anzupassen.

So ist es kaum möglich, sich Harmonie und Verständnis zwischen so verschiedenen Menschen vorzustellen. Mit der Zeit lernten sie aber, ihre Gewohnheiten, ihre Schwächen und ihre Autonomie zu akzeptieren. Auf diese Weise habe ich im Elternhaus die erste Lektion in der schweren Kunst bekommen, wie man andere ganz unterschiedliche Menschen akzeptieren und verstehen kann, auch wenn sie nicht meiner Idealvorstellung entsprechen, eine Lektion, die mir half zu begreifen, dass es unendlich viele menschliche Charaktere und Handlungsweisen gibt. Man muss es verstehen, sich damit abzufinden, dass nicht alles durch den eigenen Willen bestimmt werden kann.

IV

Das Studium bedeutete für mich einen radikalen Bruch mit meinem bisherigen ruhigen Abseitsleben, obwohl die Entscheidung, in Bromberg zu bleiben, auch gleichzeitig hieß, fern von allen großen und aufgeklärten Ideen zu leben, die gerade in den großen Universitätsstädten entwickelt wurden. An meine Hochschule gelangten nur Bruchstücke dieser Ideen, aber genug, um ein wenig geistige Gärung unter Studenten zu erregen und große Wachsamkeit unter denen, die bestehende ideologische Ordnung beibehalten sollten, und die, fast verzweifelt, zu beweisen versuchten, in der besten Gesellschaftsordnung zu leben, die es je in der menschlichen Entwicklung gegeben hat. Diese Bemühung war um so mehr sichtbar, als gerade in jener Zeit die wirtschaftliche Entwicklung ins Stocken geriet, und alle ökonomischen Mängel und wirtschaftlichen Absurditäten ließen sich nicht mehr übersehen. Der wachsende Kampf um die Macht in der kommunistischen Partei verursachte ein Bedürfnis, alle besiegten, unzufriedenen Gegner irgendwie befriedigen zu müssen. Weil wer einmal in die Nomenklatur aufgenommen wurde, konnte nicht mehr zu den „gewöhnlichen" Leuten gehören. Deswegen sind statt der bisher 17 50 neue Bezirke - Woiwodschaften - geschaffen worden, natürlich viel kleiner als früher, was administrativ gesehen völlig sinnlos war, um viele neue Partei- und Verwaltungsposten zu schaffen. Ganz ähnlich werden heutzutage immer neue Pfarreien und Bistümer geschaffen, um alle neu geweihten Priester zu beschäftigen. Da aber in einer Zentralwirtschaft alles von Direktiven von oben abhängig war, war das wirtschaftliche und administrative Chaos einige Jahre lang in Polen vollkommen, gerade als in der Welt technologische Entwicklungen und wirtschaftliche Veränderungen in immer kürzerer Zeit vonstatten gingen. Die Hauptaufgabe für Leute, die einen sozialistischen Betrieb leiteten, war immer, den Plan quantitativ zu realisieren, was am bequemsten zu erreichen war, wenn möglichst lange dasselbe, ohne jegliche technologische Veränderungen, hergestellt wurde, in möglichst langen Serien. Irgendwelche Entwicklungen, Änderungen, Erfahrungen waren hier nur ungern gesehen. Sie hätten nur die Planproduktion gestört, und man wurde ja für die Menge und nicht für die Qualität bezahlt. Der Markt war monopolgesichert, Konkurrenz fast ausgeschlossen. Kein Wunder, dass auch die neuen Technologien, die im Westen gekauft waren, dann nicht weiterentwickelt wurden. Wenn jemand schon einmal in die Nomenklatur eingestiegen war und solange er der Partei gehorsam und treu blieb, brauchte er nicht mehr um seine Zukunft zu fürchten und konnte für immer seine Leitungsposition behalten, unabhängig davon, wie viele Fehler er inzwischen gemacht hatte: „Mittelmäßig, aber treu“ hieß die Devise. Ich wage aber zu behaupten, dass diese Devise, ähnlich wie in Russland, früher als der Sozialismus entstanden ist und sie existiert auch nach der Wende gewissermaßen weiter. Seit je war Polen immer und bleibt bis heute ein Land der sich gegenseitig bekämpfenden Cliquen und Koterien, die zuerst die Magnaten, dann die Kommunisten und gegenwärtig die Leute, die der kirchlichen Solidarnosc oder der postkommunistischen Eliten angehören, beherrscht haben. In Polen war und ist die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder die Bekanntschaft mit bedeutenden Personen wichtiger als alles, was man sagt oder macht. Alle Angelegenheiten werden in engen Kreisen in Warszawa (Warschau) entschieden, und deswegen ist es so schwer, die Machtbefugnisse zu dezentralisieren oder wahre Marktwirtschaft einzuführen. Gehen wir aber nicht so weit voraus.

Dank der prowestlichen Einstellung Giereks war es aber damals möglich, eine gewisse Gruppe fähiger Ingenieure und Manager zu schaffen, die, obwohl sie der Partei formell angehört haben, ein gutes Arbeitsethos hatten, und für die die Ideologie kaum noch eine Rolle spielte. Die kommunistische Partei zog auch wie eine Honigwabe eine Schar konformer Postenjäger und Streber an. Die beste Voraussetzung, einen guten Posten zu erwerben, war die Tätigkeit während der Studienzeit in der einzigen Studentenorganisation, die eine Kaderschmiede war. Deswegen gab es unter den Studenten eine Menge von Denunzianten und Agenten des Sicherheitsdienstes. Jedes illoyales Wort wurde weitergegeben, manchmal auch viel gelogen, um die Gunst der Parteihierarchie zu gewinnen. Viele von diesen Aktivisten vernachlässigten ihre Studien, weil sie glaubten, durch Parteidruck diese sowieso beenden zu können und meistens haben sie sich nicht verrechnet. Einbildung und Übermut dieser Leute kannten keine Grenzen. Ich kann mich noch daran erinnern, direkt nach dem Abschluss des Studiums, als ein Freund von mir mit einer Doktorarbeit anfangen wollte. Dazu brauchte er u.a. auch die Einwilligung der Studentenorganisation. Vor uns stand ein junger, selbstsicherer Vorsitzender, von dem wir wussten, dass er das erste Studienjahr gerade zweimal wiederholt hatte, klopfte meinem Freund freundlich auf die Schultern und sagte: „Wir fördern die Wissenschaftsentwicklung!“ In seinem Mund klang das fast wie eine Beleidigung. Viele von ihnen stammten vom Lande; in ihrer Kindheit wurden sie streng katholisch erzogen, was zahlreiche innerliche Konflikte mit sich brachte und verursachte, dass sie sehr konservativ, was Sitten und Moral anging, eingestellt waren. Für viele von ihnen wurde dann der Marxismus-Leninismus eine wahre Religion, die sie eifrig verehrten und zelebrierten. Ich kann mich noch an die jungen Agenten des Sicherheitsdienstes erinnern, die im Gebäude der Studentenorganisation zuviel getrunken hatten und ein polnisches Kirchenlied sangen - "Wir wollen den Gott".

Einige der Fächer, die an der Hochschule gelehrt wurden, waren eng mit Ideologie verknüpft. Mir bleibt noch der Philosophieunterricht im Gedächtnis und eine Frau, die uns schön eifrig beweisen wollte, dass die Gottesbeweise von Thomas von Aquin falsch sind.

Ihre Befangenheit und Verbissenheit konnten bei uns lediglich eine feindselige Abwehrhaltung und auch Verachtung hervorrufen, sonst nichts. Und ich war immer ein Skeptiker und fest überzeugt, dass Glaubenssachen das Erkenntnisvermögen der Menschen einfach übersteigen. Man kann einfach an etwas glauben oder nicht, man kann aber keinen Glauben wissenschaftlich beweisen. Solange das anderen nicht schadet, soll jeder an das glauben, was er für richtig hält. Seitdem ist mein Optimismus, was den technologischen Fortschritt betrifft, ungebrochen, aber es wächst in mir eine gewisse Art von Skeptizismus und Agnostizismus in allen Geistesfragen. Dazu kam damals noch ein Fach, nämlich Ökonomie des Sozialismus, das aus einem außerordentlich unlogischen Buch unterrichtet wurde. Dessen Thesen waren eher den theologischen ähnlich. Danach sollten Menschen immer wie Automaten nach bestimmten rationellen Regeln wirken, und die Gesellschaft war wie eine von oben gelenkte Maschine, die sich in Richtung auf eine strahlende Zukunft bewegte. In Psychologie lehrte man uns, dass die Persönlichkeit eines Menschen sich nach Belieben steuern lasse, wenn man nur dazu entsprechende Formeln kenne. In Pädagogik wurde uns beigebracht, Kinder seien wie ein Kunststoff, der sich beliebig gestalten lasse. Die negativen Spuren dieser Bildung und Erziehung sind bis heute geblieben, und zwar nicht nur bei alten Kommunisten, sondern in allen Bevölkerungsschichten. Priester nicht ausgeschlossen. In mir wuchs, anfangs ganz schwach und dann immer stärker werdend, Widerstand gegen diese Manipulation heran und auch das Bewusstsein, dass menschliche Psyche wesentlich komplizierter sein muss. Aber irgendwelche öffentliche Opposition war mir eigentlich fremd, sowie der Glaube an jegliche von oben bestimmte Autoritäten. Ich glaubte noch sehr vieles lernen und mich vervollkommnen zu müssen, damit ich dann den anderen etwas zu sagen hätte.

Wie das die neueste Geschichte der verschiedenen Parteien, Organisationen usw. in Polen lehrt, ist es viel leichter, Leute unter eine Fahne zu bringen, wenn man etwas Ausstrahlung hat, als ihnen konkrete Ziele zu setzen und ein durchgedachtes Programm aufzubauen. Das Studium war für mich auch die Zeit, als ich eigentlich begann, die äußerst komplizierte Weit der Frauen richtig zu entdecken. Das konnte nicht ohne Bedeutung sein, an einer Hochschule, wo meistens Frauen studiert haben. Meine Freundinnen waren in der Masse keine hervorragenden Persönlichkeiten, meistens ohne besondere Moralprinzipien, selten hochbegabt. Ihre Ziele waren einfach und menschlich: Sich während des Studiums sexuell austoben und dabei einen Mann kennen lernen, der genug vermögend wäre, ihnen dann eine ruhige, sichere und wohlhabende Zukunft zu gewährleisten, damit sie sich nicht allzu sehr anstrengen mussten. Sie hatten auch meistens keine besondere Lust an ihrem zukünftigen Beruf. Ich habe bemerkt, dass eine Frau, ähnlich wie ein Weibchen, oft nur ein bequemes und ruhiges Nest für ihre zukünftigen Nachkommen sucht. Die meisten Frauen lassen sich auch viel leichter als Männer manipulieren, weil sie alles, woran sie glauben, tiefer ins Herz nehmen. Gleichzeitig bringen sie durch ihre Fürsorge eine gewisse Ordnung zwischen die verschiedenen Generationen und Versöhnung zwischen verzankte Gruppen, und sie sind manchmal wie ein Pflaster auf eine gesellschaftliche Wunde.

Die Frauen im Polen der 70er waren selbstsicherer und voller Lebensfreude und viel offener als ihre unter Kriegskomplexen leidenden Mütter, weil damals auch in Polen, obwohl ganz begrenzt, eine gewisse sexuelle Revolution stattgefunden hatte. Viele Mädchen wollten in die Stadt, damit sie sich von der strengen Sozialkontrolle, die in den Dörfern herrschte, befreien konnten. Und in der Stadt wohnten sie in einem Studentenheim, wo sie sich bald hemmungslos dem Sex mit dem ersten besten hingaben, noch ohne Angst, an AIDS krank zu werden, was für unsere Zeit so charakteristisch ist. Weil man öffentlich glaubte, immer mehr Arbeitskräfte zu brauchen, so wurden uneheliche Kinder nicht mehr so wie früher verachtet. Da ich damals sehr zurückhaltend war, fand ich manchmal meine Kolleginnen ganz schön unverschämt. Es ärgerte mich, dass Sex so oft benutzt wurde, um andere Menschen zu beherrschen. Ich war damals noch nicht imstande zu begreifen, welche komplizierte Rolle Sexualität im Leben einer Gesellschaft spielt, und in welchem Maß sie Menschen miteinander zusammenhält. Um das zu verstehen, musste ich noch viel erlernen. Was das Wissen angeht, verdanke ich meinem Studium nicht besonders viel. Was zählt? Man hat mir beigebracht, selbst zu forschen, zu wählen und gewisse Sachen oder Gedanken zu behalten und andere zu vergessen. Alles andere musste ich jedoch allein erlernen. Das Interesse, etwas Neues zu lernen, war damals eher selten, in einer Welt, wo nur das Mittelmäßige zählte, und das trennte mich von meinen Studiumskommilitonen. Es fehlte mir leider an Kraft, sich den anderen zu widersetzen. Heutzutage bedauere ich etwas, dass ich damals nicht offener sein konnte. Hatte ich wirklich die Wahl? Als ich so am ersten Studientag an der Tafel stand, wo die Namen derer aufgezeichnet waren, die das Eintrittsexamen bestanden hatten, traf ich ein Mädchen, das nervös ihren Namen suchte. Bald stellte sich heraus, dass wir in derselben Gruppe waren. Später lud sie mich in ihr Haus ein, und ich lernte ihren Bruder, ihre Schwester und ihre Eltern kennen. Das war der Anfang einer langjährigen Freundschaft, für die damalige Zeit war das eine ziemlich reiche Familie mit einer schönen Wohnung in einem Hochhaus, dazu ein Häuschen in der Vorstadt, wo ich draußen, unter der Linden netter Atmosphäre, viele Tassen Kaffee getrunken habe. Die Familie war sehr konservativ. Manchmal überlegten wir, was uns in Zukunft erwarten würde, die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich ständig. Diese Familie verkörperte meine Sehnsucht nach einem ruhigen bürgerlichen Leben in einer stabilen Welt der Familie und der Welt der alten Werte. Ich konnte noch nicht ahnen, dass diese Welt schon langsam, aber unwiderruflich, der Vergangenheit angehören sollte, was später auch an dieser Familie zu sehen war.

Eines Tages machte ich ganz zufällig eine neue Bekanntschaft. Als ich durch eine riesengroße Halle ging, stieß ich plötzlich mit einem zusammen. Er hatte sich zuerst entschuldigt, dann sagte er: „Ich heiße Adam und lade dich für heute Abend zu meiner Geburtstagsparty ein!“ Danach gab er mir seine Anschrift und die Sache war erledigt. Abends kam ich in eine Wohnung, die er zusammen mit einigen anderen Studenten gemietet hatte. Zunächst hatte ich Bedenken und sagte: „Ich kenne dich doch eigentlich nicht“, und er erwiderte: „Das macht nichts, du sollst trotzdem kommen.“ Und auf diese Weise habe ich ihn kennen gelernt. Da gab es viele interessante Leute. Da war ein hübscher blonder Mann, Sohn des Milizkommandanten aus Slupsk (Stolp). Der spielte professionell Gitarre und sang mit einer geschulten, zarten Stimme. Adam selbst spielte elektrische Orgel, und es gab noch einige andere, die spielten und sangen. Oft kam der Sohn eines Direktors von einem großen Betrieb aus meiner Heimatstadt. Der hatte immer viel Geld und war tadellos gekleidet. Seine Trunksucht war allgemein bekannt, und es wurde oft erzählt, was er gemacht hatte, wenn er besoffen war. Er war immer selbstsicher, eingebildet. Dann war da noch der Sohn eines Offiziers aus Grudziadz (Graudenz), ein sehr geschickter und sportlicher Typ. Er hatte eine große Vorliebe für Pferde. Und es gab noch viele andere, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Wir haben viele angenehme Stunden bei Musik verbracht, dabei war auch stark getrunken. Das erste Mal lernte ich, was eine wahre männliche Freundschaft bedeutet, die so unschuldig war. Nicht einmal war ich gezwungen, meine wahren Gefühle zu verbergen, das aber hatte ich schon früher ganz gut gelernt.

Im Laufe der Zeit wurde unser Leben immer mehr durch die Politik geprägt. Ich lernte Adams Bruder kennen, der Thaddäus hieß, und dieser Thaddäus hatte manchmal große Schwierigkeiten, seiner scharfen Zunge wegen.

Nach zwei Jahren verschärften sich diese Probleme so, dass er das Psychologiestudium in Poznan (Posen) aufgeben musste und glücklich war, dieses Studium in Gdansk (Danzig) fortsetzen zu können. Das war auch eine merkwürdige Familie, ganz anders, als die, die ich früher gekannt hatte. Ihre Eltern stammten aus Galizien in Südpolen, wo sie auch vor dem Krieg geheiratet hatten. Das war eine ungewöhnliche Ehe: Er war ein reicher Bauernsohn, sie stammte aus einer sehr armen halbjüdischen Familie und war fleißig und sparsam. Die Mutter war streng katholisch, was wohl für alle Konvertiten charakteristisch ist. Der Vater war vor dem Krieg ein Sozialist und nicht so sehr konservativ wie die Mutter. Vor dem Krieg konnten sie keine Kinder zeugen. Dann während des Krieges waren sie in der polnischen Untergrundbewegung sehr aktiv. Da es in ihr verschiedene Gruppen gab, die sich untereinander oft noch schärfer bekämpften als gemeinsam die Deutschen, hatte diese Familie nach dem Krieg dort so viele Feinde, dass sie es ratsam fanden, nach Norden zu fliehen, wo sie niemand kannte. Bald wurden sie sehr reich. Direkt nach dem Krieg waren die Kommunisten noch sehr großzügig, und ganz leicht bekam man, was früher die Deutschen besessen hatten. Ihr Glück war aber nicht von Dauer. Als die Kommunisten schon ihre Macht gefestigt hatten, fingen sie an, alle Betriebe, Fabriken, Geschäfte und Ackerboden zu enteignen. Und diese Politik wurde dann mehr oder weniger konsequent fortgesetzt. Nach ein paar Jahren blieb ihnen nur dieses Haus, geteilt und ohne Geschäft, und auch das wollte man ihnen wegnehmen, und der Streit dauerte jahrelang. Im Jahr 1965 erhielten sie wieder ein Stück Acker und einen Garten. Sie sind aber nicht verarmt, weil ihre Mutter rechtzeitig Geld gegen blankes Gold getauscht hatte, das sie dann vergraben konnte. Kein Wunder, dass ihr Hass gegen Kommunisten keine Grenzen kannte. Als Kinder hatten sie eine Pflegerin, ein paar Leute arbeiteten auf dem Hof und den Feldern, und die Eltern waren immer unterwegs. Später waren sie gezwungen, selbst Acker zu bebauen, was sie als Elend empfanden. Ihr Ehrgeiz war groß, beide wollten studieren. Ihre Mutter hatte sogar Adam überredet, Priester zu werden, und ein Jahr hindurch besuchte er auch ein Priesterseminar, dann hatte er aber genug davon. Sie lebten im großen Stil, auch wenn manchmal Geld dazu fehlte. Ihre Manieren waren makellos. Sie imponierten mir mit ihrer Großherrlichkeit, die mir immer fremd blieb. Wir unterhielten uns manchmal stundenlang, dabei wurden so unterschiedliche Themen berührt wie Psychologie, Philosophie, Ökonomie und Politik. Niemand aber von uns, auch Thaddäus nicht, wagte es zu glauben, dass der Kommunismus noch zu unseren Lebzeiten fallen würde. Die UdSSR von Breschnew schien so mächtig und die Rote Armee die stärkste in der Welt zu sein. Solange diese Armee für Ordnung zuständig war, schienen irgendwelche größeren Veränderungen einfach unmöglich. Das einzige, was wir erhofften, war mehr persönliche Freiheil; und die Möglichkeit, problemlos nach Westen reisen zu dürfen. In Polen bin ich weiterhin viel gereist, ich war oft in Warszawa, meine Ferien verbrachte ich an der Ostsee in Rowy oder Krynica Morska, ich besuchte sogar das wilde Gebirge Bieszczady. Im September 1978 kam zu mir der Bruder meiner Studiumsfreundin, Gregor, mit einem Vorschlag, mit ihm und seinen Kollegen per Anhalter nach Ungarn zu verreisen. Das erste Mal sollte ich so weit verreisen und dazu noch in netter Gesellschaft einiger junger Männer, die 3-4 Jahre jünger als ich waren. Bald wurden unsere Rucksäcke und Zelte verpackt. Zuerst fuhren wir nach Zakopane, danach nach Trnava in die Slowakei und schließlich nach Budapest und unterwegs lernten wir mehrere interessante Leute kennen. Budapest machte einen großen Eindruck auf mich. Die große wunderschön an der Donau gelegene Stadt mit so vielen breiten Straßen, war viel schöner als Warszawa. Ich war auch von den türkischen Bädern begeistert, wo so viele Jungs nackt badeten, mit denen war aber leider schwer in Kontakt zu kommen, nicht nur der sehr schweren Sprache wegen. Ich bewunderte auch die Ruinen der römischen Stadt Aquincum sowie viele kleine Kneipen und Lokale, voll von Leuten aus ganz Europa, wo alle möglichen Sprachen zu hören waren. Wir konnten leider legal nur 2000 Forint pro Person tauschen, und das war nicht viel. Eines Tages ging ich über unseren Zeltplatz, plötzlich hörte ich eine Stimme, die ich erst kaum beachtete. Mein Geld hatte ich schon fast ausgegeben und ich dachte daran, nach Polen zurückzukehren. Die Frage, die zu mir auf Deutsch laut gerichtet wurde, lautete: „Hast du einen freien Platz in deinem Zelt?“ Ich schaute verwundert in Richtung des Mädchens. Vor mir stand eine schöne, gut gebaute Blonde und betrachtete mich aufmerksam. Ich trat näher an sie heran, und dann nach einigen Worten gingen wir zu meinen Kollegen. In unserem Zelt stellte sich heraus, dass sie aus Ost-Berlin stammte und auf ihre Freunde wartete, die bald kommen sollten. Sie war sogar entfernt mit meinem Vater verwandt, weil ihr Vater aus Jarotschin stammte, von einer uns verwandten Familie. Nach einigen Tagen lernten wir ihre Freunde aus Ost-Berlin kennen, und es begann ein herrliches Leben. Sie kauften DM von den Westdeutschen, und wir verkauften sie für Forint an die Polen. Die offiziellen Kurse waren ja völlig absurd. Am Abend tranken wir immer zusammen in einer Kneipe den blutroten ungarischen Wein und tanzten bis in den Morgen zu Zigeunermusik. Leider hatte eines Tages einer meiner Kollegen, Daniel, zu viel getrunken und er drehte durch. Daniel war eigentlich ein netter und hübscher Junge, aber urplötzlich war er nationalistisch gesinnt und wollte Krieg führen. Er zog bei unseren Nachbarn einige Heringe heraus, beschädigte die Zelte und verängstigte die Leute, bis wir ihn fangen, zähmen und beruhigen konnten. Viel später studierte er an der Danziger polytechnischen Hochschule, arbeitete für Solidarnosc und musste schließlich Polen verlassen. Gegenwärtig wohnt er in Australien. Der andere Kollege wohnt jetzt in Kanada und mein Freund Gregor und seine Frau mit ihren zwei Kindern wurden später deutsche Bürger und jetzt wohnen sie in Berlin. Die meisten dieser Leute sind schon längst ausgewandert. Der schöne Traum war zu Ende, am nächsten Tag mussten wir weg. Ich ahnte aber noch nicht, dass beinahe auch eine Epoche zu Ende war.

V

Mein Studium war auch beendet und ich musste zum Militärdienst. Nach warmen regnerischen Weihnachtstagen kam plötzlich an Silvester starker Frost bis -30˚C. Bald fing ein Schneesturm an und es schneite und schneite. Schneewehen machten Straßen und Eisenbahnlinien fast unpassierbar. Man arbeitete aber fleißig, weil alle wussten, dass wenn Kohle aus Schlesien nicht bald käme, die Menschen, dort in ihren Wohnungen, erfrieren würden. Deshalb waren auch viele Männer bereit, freiwillig an der Schneeräumung teilzunehmen; so brauchte ich Anfang Januar 1978 drei Tage, um 220 km nach Elblag (Elbing) zu gelangen, mit einem Aufenthalt unterwegs in Malbork (Marienburg). In der Kaserne lief das Leben, wie es beim Militär üblich ist. Wir bekamen Uniformen und Ausrüstung und wurden dem Rekrutendrill unterzogen. Jede Minute unseres Lebens sowie auch alles, was wir besaßen, unterlag nun strenger Kontrolle, es gab so gut wie kein Privatleben mehr. Man begann mit mehrstündigem Exerzieren und nicht kürzerem politischen Unterricht, was für die meisten von uns, die eher gewöhnt waren, über Büchern zu brüten als den Körper zu üben, sehr anstrengend war. Wir fanden es auch schlimm, keine Ersatzuniformen zu haben, da unsere immer nass waren und in der Wärme dämpften. Glücklicherweise wurde es früh genug dunkel, und des Energiemangels wegen musste das Exerzieren abgebrochen werden. Die Stimmung unter uns war nicht besonders gut, die schreckliche Kälte machte uns zu schaffen, obwohl die Kaserne gut beheizt war. Viele, insbesondere patriotisch gesinnte Leute aus Südpolen, dachten mit Abscheu an den bevorstehenden Militäreid. Wir sollten nämlich nicht nur auf Polen, sondern auch auf die UdSSR einen Eid leisten, und das war unerträglich für die Polen. Eine Alternative bestand darin, sich in eine normale Armeeeinheit verlegen zu lassen, wo die Bedingungen noch viel schlimmer waren, und zwei Jahre lang als einfacher Soldat zu dienen, und das war nicht gerade verlockend. Sonst musste man nach dem Studium nur ein Jahr dienen und man wurde automatisch Offizier. Die Intensivierung des politischen Unterrichts lag an der im vorigen Jahr vollzogenen Wahl Karol Wojtylas zum Papst, der damit verbundenen patriotischen Gefühle, auch der politischen Aktivität der katholischen Kirche und der Wiederbelebung der Opposition. Noch nie vorher war die führende Rolle der Partei so bedroht, und der strenge Winter machte die Lage der sowieso kranken Wirtschaft noch schlimmer. In der Kaserne gab es keine Intimität, wir lebten in großen Sälen für 18 Personen, schliefen auf Etagenbetten, und überall stank es nach Schweiß, Nässe und Fürzen, in der Umgebung von Leuten aus verschiedenen Gegenden von Polen, die unterschiedliche Dialekte sprachen und auch ganz unterschiedlich erzogen worden waren. Unter einem gewissen Aspekt war es ähnlich wie während des Studiums. Viele haben ihre Kollegen bespitzelt, um sich bei den Vorgesetzten einzuschmeicheln und einen Passierschein zu bekommen. Das war für mich nichts Neues, nur war es viel unerträglicher wegen des ständigen, direkten, physischen Kontakts, von dem man nirgendwo ausweichen konnte.

Am Anfang machte mir der Anblick von so vielen hübschen, jungen Rekruten viel Freude, besonders unter der Dusche, als ich ihre gut aussehenden Leiber sehen konnte. Darunter war auch ein alter Bekannter von mir aus Bromberg. Früher schien er mir eher unscheinbar, mit seinen dicken Brillen, und nun sah ich erstaunt sein über 30 cm langes Glied, als es eingeseift hervorragte. Bald wurde ich aber der ständigen Anwesenheit immer derselben Menschen müde und konnte sie nicht mehr ausstehen.

Es gab unter uns weder Vertrauen noch echte Solidarität. Es war erstaunlich, in welcher Weise in einem relativ kurzen Zeitabschnitt sich eine kultivierte, gebildete Person plötzlich in ein Tier verwandeln konnte, das ist aber in einer bedrohlichen Situation nicht selten der Fall. Ich konnte und wollte mit niemandem darüber reden, was ich wirklich fühlte, und nirgendwo fühlte ich mich einsamer als unter diesen Jungen. Ich war zu schwach, um ihren Respekt zu gewinnen und zu stolz, um ihr Mitleid zu erwarten. Von Zeit zu Zeit brauchte ich ein bisschen Freiheit, um in dieser schwülen Atmosphäre nicht zu ersticken. Zum Glück war alles in dieser Militäreinheit käuflich. Nach kurzer Zeit gelang es meinem Vater, sich mit einem der Offiziere zu befreunden, und für einen halben Liter Wodka konnte ich einen Passierschein kriegen. Jeder versuchte dasselbe auf seine Weise.

Einige haben, um dasselbe zu erreichen, sich mit Kompaniechef befreundet, der, es was ein öffentliches Geheimnis, gern mit hübschen Jungen zu tun hatte.

Eines Tages wandte sich derselbe Chef mit der Bitte an mich, einen Text aus dem Deutschen ins Polnische zu übertragen, den er für seine Magisterarbeit unbedingt brauchte. Dieser Text stammte aus einem Kriegsarchiv und befasste sich mit dem Kämpfen der deutschen Polizei gegen polnische Partisanen in der Umgebung von Danzig. Zu meinem Erstaunen habe ich dort plötzlich unseren Familiennamen gefunden, mit dem für unsere Familie typischen Vornamen Johann. Ich erfuhr, dass jemand mit diesem Namen als Offizier bei der Polizei gedient hatte. Ich hätte gern mehr darüber herausgefunden, das war aber nicht der richtige Zeitpunkt. Auch meine Sachen wurden dort regelmäßig überprüft. Unter diesen Bedingungen konnte diese Entdeckung verhängnisvoll und gefährlich werden, weshalb ich diese eine Seite einfach vernichtet habe!

Mit dem Zeitablauf wurde es immer wärmer, es taute der Schnee und damit wuchs meine Hoffnung, diese angenehme Umgebung zu verlassen. Im Juni beendete ich diese Militärschule, bekam Urlaub und konnte einige Tage zu Hause verbringen. Die zweite Jahreshälfte war ganz anders als die erste. Nach langer Kälte wurde es plötzlich sehr warm. Ich wurde in eine Militäreinheit nach Walcz (Deutsch Krone) geschickt, in eine Stadt, die wunderschön zwischen drei Seen gelegen war, mit einem früheren deutschen Olympiazentrum. Diese Einheit hatte unter den Soldaten einen schlechten Ruf, das aber spürten wir nicht. Wir wohnten nun in einem Offizierinternat in der Stadt, und die Offiziere im Bataillon, denen wir zugeteilt wurden, waren nicht so übermütig wie in Elbing in der Schuleinheit. Es war nicht zu übersehen, dass sie besser mit dem Militärleben und polnischen Soldaten vertraut waren. Zu dieser Zeit gab es in den Kasernen nur wenige Soldaten, die meisten waren an der Ernte beteiligt. Bald konnte ich alle meine neuen Kollegen kennen lernen. Der eine von ihnen, Marek, stammte wie ich aus Bromberg und wollte später eine wissenschaftliche Karriere machen. Soviel ich weiß, schrieb er später eine Doktorarbeit und wurde Assistent an der technisch-landwirtschaftlichen Akademie in Bromberg. Er war sehr strebsam und diszipliniert und wurde der echte Schrecken für die ihm unterstehenden Soldaten. Der andere, Stefan, stammte aus Szczecin (Stettin), wo er Journalistik studiert hatte. Immer lebhaft und aktiv, hatte er für diese Zeit sehr umstürzlerische Ansichten und scheute sich auch nicht, diese öffentlich zu verkünden. Kein Wunder, dass er mit vielen Problemen und mit Ärger zu rechnen hatte. Der dritte, Olek (Alexander), stammte aus der Umgebung von Bialystok und er hatte einen sehr merkwürdigen Akzent. Wie ich später erfahren habe, wurde bei ihm zu Hause Weißrussisch gesprochen und er hatte auch eine Mittelschule mit russischer Sprache besucht, erst im Studium hat er richtiges Polnisch erlernt, seine Sprache war leicht zu erkennen. Wegen dieser Aussprache musste er viele Demütigungen über sich ergehen lassen, so hatte er viele Komplexe und war sehr gestresst. Sonst war er ein netter, hübscher, stark gebauter Blonder, mit schönen blauen Augen. Bald befreundeten wir uns und machten lange Spaziergänge an den Ufern des Sees und in schönen Wäldern in der Umgebung der Stadt. Und er erzählte mir von seinen zahlreichen Misserfolgen bei den Mädchen und beim Pinkeln zeigte er mir sein dickes Glied. Eines Abends besuchte ich ihn zufällig in seinem Zimmer. Nach einigen Gläsern Wodka waren alle Hemmungen weg, und Olek zog sich aus und blieb nur in der Unterhose. Nach seinen Muskeln war leicht zu erkennen, dass er auf dem Land schwer körperlich hatte arbeiten müssen. Wir tranken noch einige Gläser Wodka, dann stürzte er sich plötzlich auf mich wie ein wilder Wolf. Obwohl er ganz scheu war, war er, was Sex betraf, nicht so unerfahren, wie ich anfangs geglaubt hatte. Wir trafen uns dann öfter in seinem oder in meinem Zimmer und spielten ein subtiles Spiel um Überlegenheit. In einem Zimmer wohnten zwar zwei Personen, aber mein Mitbewohner war nachts manchmal nicht da, weil (obwohl er verheiratet war und schon ein Kind hatte) er immer eine neue Bekanntschaft suchte und viele Mädchen und Frauen auch inzwischen gewonnen hatte. Gleichzeitig war ich an anderen Liebesspielen beteiligt, ganz dem Sex ergeben.

Es gab natürlich auch dort Geschichten, die nicht so romantisch waren. Einige Soldaten erzählten mir von einem dicken, hässlich aussehenden Fähnrich, der manchmal die Sauberkeit der Soldaten überprüfen sollte und dabei betatschte er sie in unverschämter Weise oder ließ sie die Vorhaut herunterziehen, angeblich um zu prüfen, ob sie das Glied richtig gewaschen hätten. Wer empörte sich für die einfachen Soldaten? Was kann man aber bei solch frecher Unverschämtheit und Ausnutzung des Amtes anderes fühlen als Abscheu und Ekel! Dann nahm ich noch an einem Feldmanöver teil, und mein Militärdienst war zu Ende.

Als Reserveoffizier kam ich in meine Heimatstadt zurück. Es war gerade Januar, eine sehr schlechte Zeit, eine Stelle in der Schule zu suchen. Erst zu Hause bemerkte ich, wie viel schlimmer es inzwischen geworden war. Überall traf man Sparmaßnahmen, viele Posten wurden abgeschafft. Mit meiner Fachspezialisierung hatte ich nun überhaupt keine Chance, eine Arbeit zu finden, und ich konnte nicht länger als drei Monate warten, sonst hätte ich viele Arbeitsrechte verloren. Nach längerem Suchen fand ich eine Beschäftigung, für nur drei Monate als Erzieher in einem Internat (einem Zentrum für die berufliche Weiterbildung) außerhalb der Stadt. Das war für mich eine schwierige Periode, meine erste Arbeit und dazu mit Jungen vom Lande oder aus armen Stadtfamilien aus der Umgebung. Ich war noch grün hinter den Ohren und unerfahren, und es fehlte mir an dem, was man bei der Arbeit mit Jugendlichen am meisten braucht, nämlich an Authentizität. Ich war von Natur aus nie besonders offen, und nun wollte ich "supernormal" sein, der normalste Mann der Welt, um meine wahre Persönlichkeit zu vergessen. Das machte die Arbeit dort nicht gerade leichter. Einer dieser Jungen sagte mir einmal, wenn ich mein wahres Selbst nicht fände, würde ich nie glücklich leben können. Alles das fand ich damals nicht so wichtig, ich träumte, wie ein Kommilitone von mir, eine Doktorarbeit in Psychologie zu schreiben. Zu diesem Zweck lernte ich einen Dozenten kennen, der gerade promovierte. Später wurde er Professor, und ich besuchte ihn einige Male. Ich sollte sogar in Lodz wohnen und dort an der Universität beschäftigt werden. Der Gedanke aber, in Lodz zu wohnen, machte mir Angst, in einem Ort, wo die Mentalität ganz anders war, einer Stadt, wo die Kontraste zwischen arm und reich, Kultur der hoch gebildeten Schichten und der Primitivität der Arbeiterkultur mit überall verbreiteter Sauferei, zwischen der schönen Oper, der Piotrkowska-Straße und der Hässlichkeit von verkommenen Häuser ein paar Straßen weiter. In meiner Heimatstadt war alles kleiner, auch in menschlichen Dimensionen. Auch die Atmosphäre, die in polnischen Universitäten und Hochschulen herrschte, fand ich entsetzlich. Ein Professor war dort der Herrgott, alles sollte nur seiner wissenschaftlichen Arbeit dienen, an freies, objektives Forschen war gar nicht zu denken. Alles diente eher der Eitelkeit einzelner Menschen als dem Fortschritt der Wissenschaft, und das galt insbesondere in humanistischen Wissenschaften. Ohne Zustimmung der Partei war eine wissenschaftliche Karriere nicht möglich, was in besonderem Maße Dozenten und Professoren betraf. Heutzutage bin ich immer erstaunt, wenn ich höre, wie viele oppositionelle Professoren es damals gegeben haben soll, wenn diese sich auch noch wundern, weshalb die Leute sie unglaubwürdig finden.

Ich hatte also keine Lust, nach Lodz überzusiedeln, und nach drei Monaten fand ich in einem Internat der Bauberufsschule Beschäftigung, wo ich nun mit starken Bauernjungen zu tun hatte. Es mag jetzt nach so vielen Jahren lächerlich klingen: Die größte Mühe machte es mir damals, jegliche nähere Bekanntschaft mit ihnen zu vermeiden. Bei ihrem Arbeits- und Unterrichtsplan hatten sie nur selten die Gelegenheit, in näheren Kontakt mit Mädchen zu kommen, kein Wunder also, dass die meisten von ihnen sich fast offen selbstbefriedigt haben, und einige trieben es auch untereinander. Viele zeigten sich gern nackt, sie waren auch meistens gut gebaut und strebten nach näherem Kontakt. Aus meiner jetzigen Sicht möchte ich bezweifeln, ob dafür nur die sexuelle Begierde bestimmend war, vielmehr fühlten sie sich in fremder Umgebung, weit von ihren Familien entfernt, ganz einsam und brauchten Unterstützung von jemandem, um diese für sie schwere Lebensphase zu überstehen, und sie waren auch bereit, das Einzige zu geben, was sie noch im Überfluss besaßen. In diesem Alter empfindet man die sexuelle Kraft eher noch als Störung als etwas Positives, und diese Kraft scheint noch unerschöpft zu sein. Deswegen betrachtet man diese ersten sexuellen Kontakte eher als Spiel, nicht so ernsthaft wie später.

Aber ich selbst brauchte gerade psychische Unterstützung, obwohl mir das noch nicht vollkommen klar war. Ich lernte noch nicht die Kunst, zu unterscheiden, welche Menschen mein Vertrauen verdienen und welche nicht, sofern man das überhaupt erlernen kann. Zu meinem Mangel an Erfahrung kam noch die giftige Atmosphäre zwischen den Mitarbeitern im Internat. Es handelte sich um kleine, menschliche Sachen: Überstunden, Prämien, Anerkennung und Beförderung. Besonders ein älterer Erzieher, der im Internat wohnte, war teuflisch boshaft. Einmal hatte er mich unter irgendeinem Vorwand in sein Zimmer eingeladen. Dort standen schon zwei volle Gläser und eine Flasche Wodka auf dem Tisch. Er unterhielt sich mit mir, dann wurde der Internatsleiter geholt, man versuchte mir nachzuweisen, dass ich in meiner Arbeitszeit Wodka getrunken hatte, was sonst bei anderen Erziehern nicht selten der Fall war. Ich ließ mich aber nicht einschüchtern und verlangte, dass man mich zwecks einer Blutprobe in ein Krankenhaus transportieren sollte. Nur so konnte ich die ernsten Folgen dieser Boshaftigkeit zu vermeiden. Von Monat zu Monat verschlechterte sich auch die allgemeine Stimmung in Polen, die Preise stiegen und die Geschäfte wurden immer leerer, und die Leute immer unzufriedener. Die goldene Zeit der Gierek- Ära war vorbei, obwohl viele das noch nicht begreifen konnten. Im Scheinfrieden, der uns umgab, lauerte eine unbestimmte Gefahr. Da ich weiterhin bei meinen Eltern wohnte, waren für mich diese Alltagssorgen nicht so beschwerlich. Jeder Tag bei der Arbeit brachte neue Ereignisse. Besonders ein Zimmer dort gab mir zu schaffen. Es wohnten dort Jungen im Alter von 17 Jahren, und jeder von ihnen versuchte, mit seinem Verhalten mein Interesse auf sich zu ziehen. Einer davon, ein sehr schlanker Blonder mit grünen Augen, zog oft in meiner Anwesenheit seinen Schlafanzug an und blieb dabei ziemlich lange entblößt und zeigte wie zufällig sein Glied in voller Erektion. Er bemerkte schnell, dass meine Augen daran hafteten, ein bisschen länger als sich geziemte. Bald befreundete er sich immer mehr mit einem anderen Jungen, der pflegte sich in Indianerfarben am ganzen Körper zu bemalen und ganz nackt, nur mit einem Federbusch, nachts die Korridore des Internats zu durchstreifen. Der dritte von ihnen besuchte mich einmal im Erzieherzimmer am Samstag, als das Internat fast leer war, nur in der Turnhose und zeigte mir seine prächtigen Muskeln und dann begann zu erzählen, wie einsam er sich fühlte. Nach langen inneren Kämpfen musste ich sein kaum übersehbares Angebot ablehnen. Im Laufe der Zeit war ich mit meinen Zöglingen immer mehr befreundet, und ich unterhielt mich öfter mit ihnen. Worüber konnten denn diese einfachen Jungen sprechen, die kaum lesen und schreiben konnten - meist über Sex, über das, was nachts in ihren Zimmern passierte, über Onanieren, Mädchen, und wie stark sie wären, besonders, wenn sie Alkohol tränken, was, trotz aller Verbote, oft vorkam. Einer zeigte gern sein langes, dichtes, blondes Haar, der andere seine starke Muskeln. Mit einem anderen führte ich lange Gespräche und ich schaute gelegentlich auf seine Unterhose, wo sich ein enorm langes Glied unter dem Stoff ganz deutlich zeigte. Es war mir nicht leicht, die Gleichgültigkeit zu wahren und oft wirkte ich dann unnatürlich gezwungen und unpersönlich. Ich bezweifle, ob ich ihnen damals viel Trost geben konnte, ich selbst fand diese Situation widerlich und fühlte mich unglücklich. Außerdem war diese Arbeit sehr anstrengend, machte mich nervös und hinderte mich daran, meinen intellektuellen Interessen nachzugehen. Es kostete mich sehr viel, meine Natur zu überwinden und Gleichgültigkeit zu bewahren, und dazu wurde meine Umgebung immer unfreundlicher. Es näherte sich ein Sturm. Es kam der Sommer 1980. Auf den Straßen wurde es unsicher, es wimmelte von Milizstreifen, bis wir zufälligerweise im Rundfunk "Radio Free Europe" über Streiks an der Ostseeküste erfuhren. Die Schulleitung reagierte nun sehr ideologisch empfindlich auf alles, was in der Schule oder im Internat passierte. In einigen Mittelschulen war auch die Jugend an den Protesten beteiligt, aber diese einfachen Burschen waren zu dumm und naiv dafür, so gab es keine Zwischenfälle. An einem Julitag ließ uns unser Internatsleiter beschädigte Scheiben ausbrechen, und plötzlich waren viele Milizfunktionäre da, weil jemand gemeldet hatte, dass es im Internat zu einem Sabotageakt gekommen sei. Dann musste der Leiter seine Entscheidung ganz lange erklären. Eines Tages kam eine unerwartete, ungewöhnliche Nachricht: Die Parteileitung und die Regierung gaben den Forderungen der Streikenden nach und bewilligten die Entstehung der freien Gewerkschaft Solidarnosc. Noch heute kann ich mich an die riesige Freude und den Enthusiasmus der Leute erinnern, ihr Glaube, dass nun bald alle Schwierigkeiten überwunden werden und ein neues Leben beginnen sollte, ohne so starken ideologischen Druck. Man glaubte recht naiv, die wirtschaftliche Lage Polens würde sich bessern. Nach relativ kurzer Zeit hatte Solidarnosc fast zehn Millionen Mitglieder. Kaum jemand hatte Ahnung, wie schlimm die Wirtschaft in Polen strukturell erkrankt war, die Fabriken unwirtschaftlich. Die meisten Gründer von Solidarnosc und bestimmt die Arbeiter, die diese Idee unterstützt haben, wollten keine Änderung der Gesellschaftsordnung, sie wollten nur "eine verbesserte Version des Sozialismus" schaffen, mit Marktwirtschaft und ohne den politischen Sicherheitsdienst und Misshandlungen, eine Gesellschaft, in der die Leute besser leben könnten. Auch das Verlangen der katholischen Kirche, in Presse und Fernsehen besser vertreten zu werden, wurde allgemein unterstützt. Warum auch nicht? Für alle sollte ja der legale Zutritt zur Presse gewährt werden. Niemand wusste Bescheid, wieweit die Ambitionen der oberen Hierarchie der Kirche reichten, und dass sie ihre Doktrin als allgemeingültig für alle verkünden wollte. Damals zeigte sich die Kirche noch demokratisch. Bald wurde auch der mächtige, weil jahrelang unterdrückte Nationalismus wach, und auch naiver Glaube, dass der Kommunismus schon geschlagen wäre. Die nationalistische und antikommunistische Propaganda wurde immer stärker und sogar für die politisch unbeteiligten Personen wurde sichtbar, dass es zu einer Konfrontation kommen musste. Trotzdem blieb eine unbestimmte, irrationale Hoffnung, es gäbe auf beiden Seiten genug vernünftige Leute und die Auseinandersetzung ließe sich vermeiden. Ganz plötzlich wurde für ein paar Tage meine Heimatstadt das Zentrum aller Ereignisse. Als die Vertreter von Solidarnosc auf der Tagung des Stadtrats eine Entscheidung erzwingen wollten, wurden sie verjagt und mit Knüppeln geschlagen. Das wurde öffentlich im ganzen Polen bekannt, und beide Seiten verkündeten die Mobilisierung aller Kräfte. An diesem Tag war ich gerade im Kino und am Ausgang bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte. Auf der Straße spürte ich Tränengas, von weitem waren die Demonstranten zu hören und es wimmelte überall von Milizkräften. Ich konnte kaum den Weg nach Hause finden.

VI

Nach dieser Kraftprobe wurde es etwas ruhiger. Es kam Dezember und der kalte, verschneite Winter. Am 13. Dezember wachte ich wie üblich auf, und ohne etwas zu ahnen, ging ich zur Arbeit. Ich musste sehr lange warten, bis ein Bus und dann eine Straßenbahn kamen, das war aber nicht ungewöhnlich. Es war ganz leer auf den Straßen, bei dieser Kälte und einem Schneesturm war das auch nicht erstaunlich. Als ich zum Internat kam, versuchten die Jungen gerade, an der Antenne und am Fernseher herumzubasteln, es war aber kein Fernsehprogramm zu sehen. „Vielleicht ist die Antenne kaputt“, dachte ich. Plötzlich gegen elf Uhr erschien der Leiter, und alle wurden vor den Schirm gerufen. Gerade wurde die Rede von General Jaruzelski gesendet. Überrascht hörten wir, dass der Kriegszustand verkündet wurde, und die Ausgangssperre von 21 Uhr bis 6 Uhr. Dann hörten wir noch, dass die meisten bekannten Aktivisten von Solidarnosc interniert wurden und die anderen gesucht. Viele, darunter auch unser Schuldirektor und der Internatleiter, wollten ihre Treue für die Partei und die kommunistische Ideologie unter Beweis stellen, die meisten, darunter auch ich, warteten, was weiter auf sie zukommen würde. Die Atmosphäre der Bedrohung, die wir damals spürten, kann ich an einigen Beispielen zeigen.

Meine Studienfreundin lud uns zu ihrem Namenstag ein. Ausnahmsweise kam ich diesmal sehr früh. Kaum dass ich meine Schuhe ausgezogen hatte, hörten wir ein starkes Klopfen an der Tür. Meine Freundin war ganz erschrocken. Die Tür wurde aufgemacht, und einige Milizfunktionäre kamen herein. Der Offizier wollte unsere Dokumente sehen. Wir wussten nicht, dass unsere Bekannten, die auch eingeladen waren, hinter der Mauerecke standen und darüber lachten. Der Scherz war aber ein bisschen zu grob. Meine Freundin begann zu weinen, weil sie in dieser Wohnung noch nicht angemeldet war, und nach damaligem Recht konnte sie deswegen sogar verhaftet werden. Auch später, als die Gäste sich zeigten und uns zu beruhigen versuchten und sagten, die Funktionäre wären ihre Freunde, blieb die Stimmung gestört. Für die ersten Tage des Kriegsrechts war dieser Scherz wirklich zu grob. Ganz anders verhielt sich der Ehemann meiner Kusine, der in die ZOMO (Hilfskräfte der Miliz) einberufen wurde. Er dachte, nun wäre ihm alles erlaubt und war auch entsprechend dazu frech, ohne seine Frau, Familie und alte Bekannte zu beachten. Da er tagelang zu Hause abwesend war, konnte er inzwischen eine andere jüngere Frau finden und seine Frau verlassen. Manchmal war es aber auch wirklich schrecklich. Einige Wochen später wurden wir zum Geburtstag zu unseren Bekannten nach Torun (Thorn) eingeladen, ich und der Bruder dieser Studienfreundin, der einst mit mir nach Ungarn verreist war und viel später nach Berlin übersiedelte. Da er in Thorn Jura studierte und alle Universitäten geschlossen worden waren, wollte er bei dieser Gelegenheit auch seine Sachen aus dem Studentenheim holen. Ich bat ihn, keine Flugblätter mitzunehmen, und ich hatte Recht. Zunächst hatten wir den Zug nicht rechtzeitig erreicht, dann wurden wir durch eine ZOMO-Patrouille aufgehalten und in eine Warte am Bahnsteig geführt. Wie Soldaten gekleidet, waren diese jungen Leute nicht älter als 19 und sichtbar unter Drogenwirkung. Sie verstanden zwar kaum zu lesen aber waren sehr aggressiv. Gerade solche Leute waren dazu am besten geeignet. Sie vollzogen Befehle, ohne über etwas zu fragen. Zuerst wurden unsere Dokumente geprüft, dann unser Gepäck durchsucht. Ein Glück, dass wir nichts Verdächtiges dabei hatten. Ganz plötzlich schrie einer von ihnen: „Du Arschloch, bist du auch ein Solidarnosc-Mitglied?“ Und ich antwortete so ruhig, wie ich in dieser Lage imstande war: „Ist das vielleicht die neue Amtssprache?“ Es sah für uns schlimm genug aus, ich weiß nicht, was noch hätte geschehen können, dann aber kam ein älterer, erfahrener Milizbeamter herein, und wir wurden nun professioneller verhört, und endlich entlassen. Unter anderem fragte er uns nach den Passierscheinen, und die sollten erst am nächsten Tag eingeführt werden. Viele Leute waren trotz aller Schwierigkeiten gezwungen, eine Dienstreise zu machen, weil alle Telefonverbindungen für viele Monate unterbrochen waren. Später wurden sie in jeder Stadt nur getrennt eingeschaltet und man hörte die charakteristische Stimme: „Das Gespräch wird abgehört.“ Wie ich schon sagte, endlich konnten wir in einen Zug einsteigen und wir atmeten auf, aber ein bisschen zu früh. Als der Zug endlich den Bahnhof verlassen hatte, rollte er nach einigen Minuten wieder zurück und stand stundenlang auf der Station. Wir waren ernsthaft besorgt, ob wir noch vor der Polizeisperre nach Bromberg kommen würden. Ich fragte den Bahnhofsvorsteher danach, er antwortete mir nur: „Das geht mich nichts mehr an, jetzt gibt es einen Bahnhofskommandanten, der ist nun dafür verantwortlich.“ Man kann sich vorstellen, wie glücklich wir waren, nach allen diesen Strapazen gesund und munter nach Hause zurückzukommen.

Und besonders unangenehm war es damals in Danzig. Als ich im Sommer nächsten Jahres diese Stadt besuchte, war noch am Hauptbahnhof das erstickende Tränengas zu spüren, ein Andenken an die Demonstrationen, die in der nah gelegenen Werft brutal niedergeschlagen wurden. In jener Zeit haben sich viele Leute sehr verändert und gezeigt, wie viel Bosheit in der menschlichen Natur stecken kann, wenn die Polizeigewalt die Regierung erobert hatte. Viele denunzierten ungeliebte Nachbarn und Bekannte, es wurde aber auch viel Solidarität gezeigt, so unterschiedlich sind die Menschen.

Im Laufe der Zeit wurden die Leute immer härter, apathischer, ganz mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Diese Unterdrückung, Verfolgung und das Unglück vieler Solidarnosc-Aktivisten machte sie dann so hartnäckig, unerbittlich und fanatisch, dass für sie jede Verständigung mit den ehemaligen Kommunisten einfach nicht mehr denkbar war.

Fast alles - Lebensmittel, Alkohol, Zigaretten, Wodka, Schuhe usw. - konnte man nur mit einer Lebensmittelkarte bzw. Zuteilungskarte bekommen, und nur in kleinen bestimmten Mengen. Der Umtauschhandel wurde wieder üblich, wie früher in den Nachkriegsjahren. Wenn rare Waren wie z.B. Kaffee zu kaufen waren, warteten die Leute stundenlang in der Reihe oder stürmten die Geschäfte wie verrückt.

Obwohl Wodka offiziell nur in kleinen Mengen auf Zuteilung zu kaufen war, wurde die Sauferei in Polen immer größer. Immer mehr Leute machten Wodka zu Hause und nicht nur für den eigenen Bedarf, obwohl der Zucker auch nur begrenzt zu bekommen war. Eine meiner Bekannten kehrte einmal sehr spät von einer Geschäftsreise zurück, und da sie keinen Passierschein hatte, konnte sie den Bahnhof nicht verlassen und nach Hause zu kommen. Sie wandte sich an die Milizfunktionäre, die den Bahnhof bewachen sollten, und die zeigten sich bereit, sie nach Hause mit einem Milizwagen zu bringen. Als sie dorthin kam, wollte sie ihnen gegenüber ihre Dankbarkeit zeigen und lud sie zum Kaffee ein. Es war nach Mitternacht, und ihr Mann war ruhig mit der Wodkadestillation beschäftigt, in der Überzeugung, niemand könnte ihn so spät ertappen. Als die Milizbeamten in die Wohnung kamen, war es zu spät: Sie rochen den Dampf und wussten sofort Bescheid. Es wurde kein Federlesens gemacht. Der Mann wurde sofort verhaftet und mit drei Monaten Gefängnis bestraft. Danach ließ er sich scheiden. Er sagte: „Mit einer so dummen Frau möchte ich nicht mehr zusammenleben.“

Manchmal war es aber auch ganz komisch. Einer meiner Freunde, ein Priester, kehrte einmal ganz schön betrunken um zwei Uhr nachts von einem Gesellschaftstreffen zurück und wurde durch eine ZOMO-Patrouille aufgehalten. Er hielt seinen alten Wagen schnell an, sprang heraus und schrie: „Mein Starter ist kaputt, mein Motor springt nicht mehr an, jetzt müsst ihr mich nach Hause schieben!“ Kaum zu glauben, aber weil die Funktionäre einen Priester vor sich sahen, wurde dieser Befehl ausgeführt, und er wurde in seinem Auto einige Kilometer bis zur Pfarrei geschoben. Als sie schon angekommen waren, lud er sie alle ein, und bis zum Morgen wurde Wodka getrunken. Dann fuhren sie weg, und später rief einer davon den Priester an, um nach seiner verlorenen Pauke zu fragen.

Die Menschen wurden in verschiedene Klassen aufgeteilt, und man entschied, Lehrer brauchten nicht so viel Fleisch und Wurst wie Arbeiter zu essen, und die Zuteilung von Fleisch und Wurst war für mich zu klein, und wir wurden gezwungen, mit unserem Wagen zu unseren Bekannten auf das Land zu reisen, um dort eine I. Hälfte vom Schwein zu kaufen. Das haben wir einige Male gemacht, obwohl es verboten war. Das Fleisch wurde unter dem Hintersitz versteckt, und oben auf dem Sitz saß unser Hund, die Dogge. Man kann sich vorstellen, wie aggressiv er war, als er das Fleisch roch. Kein Fremder würde es wagen, hereinzukommen. So konnten wir die zahlreichen Sperren und Militärposten unterwegs überlisten. Das war ein reiner Kampf ums Überleben. Später wurde es wieder besser und das Kriegsrecht wurde immer mehr gelockert, bis es endlich ganz aufgehoben wurde.

Und ich wollte unbedingt einen neuen Arbeitsplatz finden. Ich wollte ganz ruhig und bequem arbeiten, weit von allen Versuchungen entfernt. Zuerst dachte ich an Lodz und an die wissenschaftliche Arbeit an der Universität, dann entschied ich mich für eine kleine Beratungsstelle in einem kleinen Städtchen unweit von Bromberg. Da gab es keine schönen Jungen mehr, aber dafür eine angenehme Atmosphäre, viel Freiheit und nur Frauen. Zu meinem Arbeitsbereich gehörte Berufsberatung, Untersuchung von Schulleistungen der Kinder und Besuche in kleinen Dorfschulen, wo ich viele ganz nette Leute treffen konnte. Ich lernte das Leben auf dem Lande draußen kennen, weil meine Welt immer nur eine Großstadt gewesen war. Da ich nun viel Freiheit hatte, konnte ich Englisch lernen und mein Deutsch vervollkommnen. Ich las viel und begann mit der Holzschnitzerei. Meine frische Jugendzeit war nun vorbei, und ich lernte meine Umgebung immer besser verstehen. Nach einem Schuljahr bekam ich einen Vorschlag, in meine Heimatstadt zurückzukommen und in einer Schule unweit meiner Wohnung als Pädagoge zu arbeiten. Die Arbeit war interessant und entsprach meinen Bedürfnissen und so habe ich eine gewisse Lebensstabilisierung erreicht. Jahre gingen vorbei, und ich merkte nicht, wie ich allmählich Lebenslust und Energie verlor.

VII

Im Jahre 1987 erwies sich die bisherige Politik als eine Sackgasse, und es kam zu einer gewissen Liberalisierung. Die bisher so konservativ gesinnte Partei begann nun, verschiedene Minderheiten etwas mehr zu tolerieren und die Zensur bisschen zu lockern, in vergeblicher Hoffnung, die Zusammenarbeit mit diesen Gruppen würde ihnen ermöglichen, die Macht weiterhin zu behalten. Das war aber zu wenig und zu spät. Die Opposition hatte ja inzwischen versprochen, die Zensur ganz abzuschaffen. Die katholischen Hierarchien protestierten noch ganz zaghaft, der Kampf um die Macht blieb noch unentschieden, so wollten sie die liberal gesinnten Gruppen nicht vorzeitig abschrecken. Im Fernsehen wurden verschiedene Themen angesprochen, und in dieser Zeit sind die ersten Schwulenzeitschriften, noch recht primitiv vervielfältigt, herausgegeben und geduldet worden, noch aber illegal. Die Ausgaben waren noch recht klein und äußerst schwer zu bekommen. Aber es gab die Sammlerzeitschriften, die die Marktlücke ausnutzen wollten. Dort erschienen die ersten Schwulenanzeigen in Polen, noch ganz schüchtern und getarnt, z. B: „Mann, 26 Jahre alt, sucht Bekanntschaft eines anderen Mannes.“

Nach gewissem Zögern entschied ich mich, ein solches verschlüsseltes Inserat aufzugeben. Es kamen zahlreiche Briefe, danach kam es zu schnellem, intensivem Sex. Nach außen hatte sich scheinbar nichts verändert und ich begann, ein Doppelleben zu führen. Im Alltag ein durchschnittlicher, überarbeiteter, supernormaler Typ, am Wochenende auf der Suche nach Sex, aber sehr diskret, immer in Angst vor Entdeckung. Deswegen war ich nun auch vorwiegend mit Frauen befreundet. Ich hatte große Angst, und wie es sich viel später ergeben hat, nicht ohne Grund, vor Intoleranz und Qstrazismus meiner Umgebung. Ich betrachtete sehr sorgfältig alle Vorschriften, die damit in Polen verbunden waren. Ganz allmählich begann die polnische Gesellschaft, aus diesem langen Schlaf aufzuwachen, in dem sie seit dem Kriegsrecht versunken war. Die Lebensmittelkarten wurden abgeschafft, es entstanden kleine Läden und Privatwerkstätten, die Wirtschaft wurde liberalisiert, und die Leute fingen wieder an zu glauben, dass es bald besser würde.

Oft stelle ich mir die Frage, ob den Anführern von Solidarnosc damals schon bewusst war, wie krank die polnische Wirtschaft wirklich war. Ich bin aber ziemlich sicher, dass die einfachen Leute, die damals Solidarnosc unterstützten, bestimmt nicht wussten, was auf sie zukommen würde, und was diese Veränderungen wirklich für sie bedeuteten. Man versprach ihnen, dass sie bald besser leben konnten. Über die Kosten der Wende in der Wirtschaft war man noch still, die Politiker auf beiden Seiten haben sie wohl bewusst verschwiegen. Dann kam das Jahr 1989 und die für die Polen so denkwürdigen "Verhandlungen am runden Tisch", die bis heute das polnische Volk so verhängnisvoll geteilt hat. Die Leitung der kommunistischen Partei und die Regierung wussten schon, dass die bisherige Form von Gesellschaftsordnung bankrott war. Da musste eine neue Form gefunden werden, und es war notwendig, sich gewissermaßen mit der Opposition Macht und Verantwortung zu teilen. Die Leute aus der Nomenklatur haben schon früher die Zeichen der neuen Zeit erkannt. Das Einzige, was in Zukunft noch zählen würde, war Geld. Da die Verhandlungen nicht öffentlich stattgefunden haben, war und ist es schwer, das damals erreichte Abkommen richtig zu beurteilen. Die ehemaligen Aktivisten von Solidarnosc waren sich darüber auch nicht einig. Einige, die beim Kriegsrecht in Polen viel gelitten hatten, waren absolut gegen jegliche Zusammenarbeit mit den Kommunisten, die meisten, darunter auch Lech Walensa, freuten sich, aus der Untergrundbewegung herauszukommen, öffentliche Posten zu bekommen und vielleicht später die ganze Macht an sich zu reißen. Sie konnten oder wollten die ökonomische Gefahr nicht wahrnehmen, dass sich die Kommunisten noch viele Betriebe aneigneten. Das erste Mal seit 1945 drohte auch Polen keine Gefahr der Militärintervention mehr, seitens der UdSSR, da dort gerade "Perestroika" in vollem Gang war. Wie ich schon sagte: Das Abkommen, über das damals verhandelt worden war, kann man heute ganz unterschiedlich bewerten. Ich glaube aber, dass erst die Historiker der Zukunft entscheiden werden, ob eine andere Lösung möglich gewesen war. Die Kommunisten waren damals noch stark genug, um wenigstens ein paar Jahre an der Macht zu bleiben, und sie würden bestimmt nie ihre Macht mit den anderen teilen, wenn ihre Position wirklich bedroht würde. Sie wollten nun ganz einfach so schnell wie nur möglich steinreich werden und machten gute Geschäfte bei den noch staatlichen Betrieben. In dieser Atmosphäre fanden in Polen die ersten Wahlen seit vielen Jahren statt, an welchen die Opposition zugelassen wurde. Diese Wahlen waren zwar noch nicht frei, die Anzahl der Plätze im Parlament war fest bestimmt, aber die polnische Gesellschaft vermochte deutlich zu zeigen, wem sie nun wohl gesonnen war. Alle waren schon der veralteten Nomenklatur überdrüssig geworden und hofften auf neue demokratische Zeiten. Bald wurde Mazowiecki Premierminister, der zwar liberal, aber stark mit der katholischen Kirche verbunden war.

Ich habe auch für die Oppositionsvertreter gestimmt und glaubte naiv, dass mit der Wende ein neuer, demokratischer, von allem ideologischen Druck befreiter Staat entstehen würde, ähnlich den westlichen demokratischen Staaten, die ich damals auch idealisierte, weil ich ja vom Leben im Westen kaum Ahnung hatte. Ich wusste noch nicht, dass bald in Polen ein neuer Kampf zwischen Konservativen und Liberalen beginnen würde, ein Teil der Kämpfe, die überall in Europa und in der ganzen Welt, mehr oder weniger sichtbar, die in verschiedenen Ländern aus unterschiedlichen Gründen stattfinden und jetzt überall deutlich zu spüren sind. Bestenfalls geht es dabei darum, wie man alte, nach vorigen Generationen überlieferte Traditionen mit den demokratischen Rechten aller Minderheiten, Schichten, Gruppen und Nationen verbinden kann, ohne die Struktur der Gesellschaft durch rapide Veränderungen lahm zu legen. Gleichzeitig aber ist das ein Kampf verschiedener Schichten, Gruppen und Personen, die bisher Einnahmen und Privilegien erhalten haben und neue gewinnen wollen. Kann es ein größeres Privileg geben als die Möglichkeit, die Finanzkraft eines Staates auszunutzen und vermittels seiner Staatsgewalt die Gegner zu brechen? In Westeuropa ist durch den dauerhaften Kampf um Demokratisierung ein gewisses Gleichgewicht und eine Verständigung entstanden, ich bin aber nicht sicher, ob sie sich auch in Polen im Laufe der Zeit bilden wird, in einem Land, wo es ganz andere Traditionen und andere wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen gibt. Damals war meine Antwort entschieden positiv und ich war voller Hoffnung. Heutzutage habe ich viele Zweifel, ob ein solches Gleichgewicht von selbst entstehen kann, ohne lange schwere Kämpfe und ohne Unterstützung seitens aller demokratischen Kräfte aus Westeuropa. Deswegen sehe ich aus wirtschaftlichen, gesellschaftlichen sowie kulturellen Gründen außer den EG-Strukturen keine gute, gesicherte Zukunft für Polen.

Im Jahr 1989 ahnte ich noch nicht, dass die gewaltige, fortschrittliche Liberalisierung und Humanisierung, die damals auftrat, nicht von Dauer war, was dadurch erklärbar war, dass die bisherigen totalitären Behörden gerade anfingen, sich aufzulösen, und die neuen noch nicht stark genug waren, um die Leute wieder im Griff zu haben. Die Opposition wollte gerade den Sicherheitsdienst, die Zensur usw. abschaffen, es war noch nicht daran zu denken, dass dieselben Leute aus der alten Miliz und dem Sicherheitsdienst den Solidarnosc-Regierungen treu ergeben dienen würden. Die neuen Leute an der Spitze waren noch nicht demoralisiert und hatten sich noch nicht gewöhnt, die Stimme des Volkes zu missachten. Der neue katholische Fundamentalismus war noch kaum zu spüren. Die Sache wurde noch komplizierter, dass der jetzige Papst Johannes Paul der Zweite, der übrigens beim Sieg über den Kommunismus eine große Rolle gespielt hatte, äußerst konservativ ist und von den Menschen im Westen und von Prinzipien westlicher Demokratien überhaupt nichts versteht, er ist aber ein Pole, was den patriotischen Stolz der Polen sehr anregt. So werden alle ideologischen Fragen sofort in Fragen über die persönliche Beziehung zum Papst umgewandelt. Meine Illusionen über die Haltbarkeit der demokratischen Veränderung sollten mich noch in der Zukunft sehr teuer zu stehen kommen. Damals aber zögerte ich nicht, eine neue Errungenschaft der Demokratie zu genießen: Das erste Mal in meinem Leben konnte ich einen Reisepass bekommen und ihn auch zu Hause behalten.

Die Schlange in der Abteilung für Reisepässe war riesengroß, viele Leute trauten sich nicht, lange abzuwarten und wollten ihren Pass so schnell wie nur möglich haben, so konnte das auch mehrere Wochen dauern. Ich war überglücklich, als ich meinen Pass bekommen habe, wusste aber vorerst nicht, was ich damit anfangen sollte. Zuerst wollte ich West-Berlin besuchen und dann vielleicht mal Westdeutschland. West-Berlin war damals für die Polen das einfachste Ziel. Es war der Grenze am nächsten, und dazu konnten wir dorthin ohne Visum verreisen. Ich wusste das schon von meinen früheren Reisen nach Ost-Berlin. Ich wollte nun sehen, wo meine Großmutter früher gewohnt hatte. Leider war mein Onkel schon lange tot, und ich hatte niemanden, den ich noch besuchen konnte. Auch das Verhältnis zwischen den Preisen in Deutschland und Polen war ganz anders als heute. Wir verdienten viel weniger als die Deutschen und eine Mark war für uns ungeheuer teuer. Eine Fahrkarte aus Posen nach Berlin war z.B. billiger als eine U-Bahn-Fahrkarte in Berlin. Wie könnte ich mir bloß eine solche Reise leisten? Die Antwort auf diese Frage fand ich in dem Berliner Anzeigenblatt "Zweite Hand", die mir ganz zufällig in die Hände fiel. Ich bemerkte viele Anzeigen aus Osteuropa. So wollte ich auch mein Glück versuchen und schickte ein Inserat dorthin. Nach einigen Wochen bekam ich einige Briefe und später auch eine Einladung nach Berlin. Dann machte ich mir noch große Mühe, eine Fahr- und Platzkarte nach Berlin zu besorgen, für einen Zug, der spät am Abend ankommen sollte. An der Grenze wurde mein Gepäck von DDR-Zöllnern durchsucht und nach sehr vielen Stunden (für eine so kurze Strecke) stand ich auf dem Bahnsteig im Bahnhof Berlin-Lichtenberg. Nun stieg ich in eine S-Bahn und fuhr nach Berlin-Friedrichstraße. Dort stieg ich aus, verließ den Bahnhof und ging wieder zu einem Grenzübergang. Ich wartete eine Weile, wurde noch einmal überprüft und kam in einen von beiden Seiten mit geschlossenen Türen versehenen Käfig, wo ich endlich den Passierstempel bekam. Dann musste ich wiederum in die S-Bahn nach Berlin-Zoologischer Garten. Mit klopfendem Herzen stieg ich dort aus und ging auf die Straße. Ich versuchte anzurufen, aber hörte nur: „Kein Anschluss unter dieser Nummer“. Es war ein kalter, dunkler Novemberabend, aber die Straße war schön beleuchtet. Das war also die bedeutendste von West-Berlin, der Ku'damm. Alles war dort für mich neu und faszinierend. Das Nachtleben von Berlin war äußerst interessant. Ganz ängstlich fragte ich alle nach den Straßen, aber niemand konnte mir Bescheid sagen. Niemand kannte die Lützenstraße, alle glaubten, ich suchte die Lietzenstraße. Immer mehr verzweifelt, irrte ich herum. Es wurde immer später und kälter.

Endlich kam mir eine gute Idee: Ich ging in ein großes Hotel und bat um den Stadtplan. Dann konnte ich problemlos diese Straße finden, und sie war auch nicht so weit entfernt. Nach etwa zehn Minuten kam ich müde, aber glücklich dort an, klingelte und wurde hineingelassen. Bald lernte ich meine neuen Freunde in Berlin kennen, konnte mich ausruhen und fühlte mich wieder geborgen. Jetzt konnte ich meine Deutschkenntnisse vertiefen. Am Anfang war ich einfach schockiert, alles fand ich so faszinierend: Das Nachtleben, das freie Verhalten der Menschen, die mit Waren überfüllten Geschäfte, sogar Bananen und Orangen wurden dort alltäglich gegessen. Dann entdeckte ich die für mich neue und praktisch unbekannte Welt der Pornographie. Verbotene Früchte schmecken ja immer gut. Die Vielfalt der Zeitschriften und anderer Sachen war einfach umwerfend, leider war alles für mich viel zu teuer. Nach mehreren Besuchen in Berlin fand ich ein Inserat und kaufte einige illegal überspielte Videokassetten. Sie waren aber betitelt. Mit großer Angst brachte ich sie mit nach Polen, umso mehr, als ich mit einer Bekannten unterwegs war, die glücklicherweise kein Deutsch konnte. Die DDR-Zöllnerin erkannte die Kassetten sofort und wollte sie konfiszieren, und erst nach einem langen Streit ließ sie mich in Ruhe. Ich glaube, diejenigen, die kaum Deutsch können, hätten nicht so viel Glück gehabt. Meiner Meinung nach hatte der übertriebene Eifer der DDR-Zöllner wohl zweierlei Gründe: Erstens: Der riesige Preisunterschied und der Warenmangel damals in Polen förderten den Kleinhandel mit Lebensmitteln, Alkohol und Zigaretten, die von den Polen nach West-Berlin geschmuggelt und dort sehr profitabel verkauft wurden. Andererseits wurde Elektronik nach Polen gebracht. Ganze Familien lebten davon. Für ein dort verkauftes Ei konnte man in Polen damals über hundert kaufen. Der andere Grund war psychologischer Natur: Die DDR-Bewohner, für die damals ein Besuch in Westdeutschland meistens nur ein Traum war, glaubten, die Polen hätten etwas bekommen, was sie nicht verdienten. Man machte auch einige Versuche, diese Freiheit zu beenden oder wenigstens einzuschränken. Es war aber nicht möglich, den internationalen Status von West-Berlin zu verändern. So waren die DDR-Leute oft neidisch und seit der Entstehung von Solidarnosc waren die gegenseitigen Beziehungen sowieso gestört. Wenn man aus Polen nach West-Berlin reiste, musste man mit verschiedenen Schikanen rechnen. Einmal fuhr ich mit meinem Cousin dorthin. Plötzlich mussten wir an der Grenze in Slubice/Frankfurt (Oder) den Zug verlassen, was damit begründet wurde, dass wegen eines Kirchentages in Berlin nicht so viele Polen dorthin können. Da ich auf die Weiterreise beharrte, kamen wir per Anhalter zum Grenzübergang in Frankfurt und dann über die Brücke über die Oder, nach strenger Zollkontrolle in die Stadt und zum Bahnhof. Nach zwei Stunden Fahrt waren wir in Berlin. Ein anderes Mal musste ich mit dem Auto 20 km zurückfahren, um in einer Bank 25 DDR-Mark einzuzahlen. Da hatte ich noch ein Problem. Zwei Jahre früher hatte ich als Dolmetscher bei einer LPG-Arbeitergruppe aus Mecklenburg gearbeitet, die im Riesengebirge Erholung machte, und ich hatte dabei 400 Mark verdient, was auch bescheinigt wurde. All das, was ich in Ost-Berlin kaufen wollte, durfte man nicht aus der DDR ausführen. Endlich entschied ich mich, eine Ledertasche und ein paar Schuhe einzukaufen. An der Grenze wurde ich natürlich aufgehalten, und über 20 Minuten lang musste ich zuhören, welchen Schaden ich der DDR zugefügt hätte. Danach fragte ich, was ich mit dem Geld machen sollte, das ich ja ehrlich verdient hatte, wenn ich kaum etwas kaufen durfte. Vielleicht war dieses Argument überzeugend, weil ich dann endlich den Grenzübergang passieren konnte. Die Existenz der DDR hatte natürlich auch ihre guten Seiten. Dort waren die Lebensmittel viel billiger als im Westen, man konnte unterwegs preiswert und gut essen. So hat Berlin in meinem Herzen für immer und ewig einen Platz gefunden. Das heißt aber noch nicht, dass ich dort meine Schwierigkeiten überwunden habe, mich nach außen zu öffnen, neue Kontakte anzuknüpfen und mich einfach auszudrücken. Das war für mich noch zu früh, das konnte ich erst bei meinen späteren Reisen in die BRD lernen.

1989 kam ich noch in eine andere Weise mit deutscher Kultur in Verbindung. Ich habe nämlich in einer Zeitschrift "Kontakt" in Polen gelesen, dass gerade in Gdansk (Danzig) eine "Gesellschaft der Bevölkerung deutscher Abstammung" gebildet wurde, ich wollte mehr darüber wissen und machte mich auf die Reise. Dort traf ich Herrn Olter, der die neue Organisation, die damals nicht mehr als 100 Leute zählte, registrieren lassen wollte. Ich erfuhr dort auch über eine kleine Gruppe in Bromberg, nicht mehr als 13 Personen, die sich in einer Privatwohnung trafen. Die Gruppe selbst war für mich nicht so besonders von Interesse; sie bestand aus älteren und alten Leuten, mit denen ich eigentlich nur wenig gemeinsam hatte, ich hoffte aber auf neue Bekanntschaften in Deutschland, Sprachunterricht und bessere Beherrschung deutschen Sprache und Kultur. Bis zu dieser Zeit hatte ich ja noch nie Westdeutschland besucht. Da der Mann, der die Vollmacht aus Danzig besaß, diese Gruppe zu gründen, kaum Deutsch konnte, machte ich mich sofort nützlich und half ihm, unzählige Briefe nach Deutschland zu schreiben. Ich glaubte naiv, meine Bemühungen würden früher oder später auffallen und auch für mich von Nutzen sein. Zusammen mit meinem Vater war ich in der Initiativgruppe dieses Bundes in Bromberg, was damals noch nicht problemlos war, und dann wurde ich zum Vorstand des neu gegründeten Bundes gewählt. Nach etwa zwei Jahren wurde ich beauftragt, mit dem Deutschunterricht im Bund anzufangen, und ich arbeitete dort als Deutschlehrer einige Jahre lang. Ich hoffte, an einem Deutschkurs vom Goethe-Institut in Deutschland teilnehmen zu können, es gab aber von Anfang an die Schlechteren und Besseren, und mir war ein solcher Kurs nicht vergönnt. Dann wurde meine Enttäuschung über die Aktivität dieses Bundes immer größer, aber 1999 war ich noch voll Enthusiasmus.

Plötzlich hatte sich unser Leben völlig verändert, und wir mussten uns ganz umstellen. Es wurde eine Wirtschaftsreform eingeleitet, die dann nach ihrem Begründer Balcerowicz-Reform hieß. Die große Inflation sollte radikal gedrosselt werden. Von Tag zu Tag stiegen die Preise ins Dreifache, und unsere Löhne wurden nicht mehr erhöht. Man sagte zwar, dies sei vorübergehend, aber bis heute verdienen die meisten Leute real wenigstens ein Drittel weniger als in den 70er Jahren. Danach verbreitete sich die Arbeitslosigkeit, früher in Polen praktisch unbekannt, wie eine Seuche im Land. Viele Fabriken machten Konkurs, die Produktion sank in bodenlose Tiefen, einige wurden steinreich, die meisten verarmten. Es gab immer mehr Waren zu kaufen, aber auch immer weniger Geld. Viele junge Leute sahen keine Zukunft mehr und wollten ins Ausland, vor allem nach Deutschland. Wer nur konnte, u.a. der Bruder meiner Studienfreundin, von dem schon die Rede war, und der jetzt in Berlin wohnt, wollte als Spätaussiedler nach Deutschland kommen, und bis zur Vereinigung war das auch nicht so schwer. Diese Gelegenheit nutzten auch einige meiner Verwandten. Mir war auch bewusst, dass sich eine gewisse Ära dem Ende näherte, und ich wollte auch ´raus, aber meine Mutter war sehr krank, dann mein Vater auch. Durch die Umweltverschmutzung wurden beide krebskrank. Konnte ich sie in dieser Not verlassen? Da hatte ich eigentlich keine freie Wahl! Wenn ich meinen früheren Lebensstandard behalten wollte, musste ich immer mehr zusätzlich arbeiten, was sich auf meine Arbeit in der Schule auswirkte. Die meisten Lehrerinnen brauchten sich nicht so anzustrengen, entweder hatten sie einen reichen Mann oder reiche Eltern. Die anderen suchten verzweifelt nach einer zweiten Beschäftigung. Es gab damals noch viele Enthusiasten, die glaubten, bald würde sich diese Lage ändern, und die Lehrerarbeit würde wieder anerkannt, es würden neue Lehrprogramme und Ideen kommen. Und wirklich all das, was mit dem Kommunismus früher zu tun hatte, wurde schleunigst abgeschafft. Die katholischen Priester und der Religionsunterricht kamen bald in die Schule. Neue Programme sollten der katholischen Lehre nicht widersprechen, die kamen aber wegen Geldmangels nur zögernd. Die Lehrer konnten nun an nacktes Überleben denken, und sie waren auch ideologisch sehr aufgespalten und fühlten sich im allgemeinen hilflos ausgeliefert. Da es auch viele Übertreiber und Arschkriecher gab, wurden die Lehrer immer unsicherer und trauten einander nicht. Es herrschte ein großes Durcheinander und es gab keine durchdachten Richtlinien mehr. Der Druck der Kirche wurde immer stärker. Dies hat sich bis heute nicht sehr geändert. Und wie könnten die total gestressten und verunsicherten Lehrer Kinder richtig beeinflussen und erziehen? Man fühlte sich nicht unterstützt und gefördert, weshalb die Lehrerarbeit immer weniger Spaß machte. Es wurde überall gespart, sogar Kreide war schwer zu bekommen. Und wenn jemand wirklich wollte, dass sein Kind etwas lernte, und gleichzeitig reich genug war, dann dachte man an eine Privatschule oder wenigstens an Privatunterricht. Die Zeit verging, mein Freund Gregor wohnte zunächst allein in Berlin, dann kam noch seine Frau dorthin. Später kam ein Kind zur Welt. Eines Tages habe ich sie dort besucht, und Gregor wollte mich mit seinem Auto nach Ost-Berlin fahren. Das ging leider nicht, er durfte nur meine Taschen mitnehmen, und ich musste mit der S-Bahn fahren. Dann trafen wir uns auf dem Alexanderplatz - ich, Gregor, seine Frau und sein Kind. Plötzlich wurden wir von einer Gruppe Skinheads umzingelt. Die Lage war sehr ernst, kein Polizist in Sicht. Gregor war ein hübscher Blonder, seine Frau, eine Litauerin von Herkunft, war auch blond (ebenso ihre kleine Tochter). Bald hätte ich fast laut aufgelacht - der Anführer dieser Gruppe kam zum Kinderwagen, streichelte den Kopf der Kleinen und sagte: „Was für ein schönes deutsches Kind!“ - Welch ein, Glück, dass sie noch nicht sprechen konnte, und die Eltern brauchten nichts zu sagen. Ich war gerade in Berlin, als die Grenze zwischen der DDR und der BRD geöffnet wurde. Der Bürgersteig war mit Leuten überfüllt, die U-Bahnwagen voll. Überall wurde eingekauft, und die Umsätze waren riesengroß, wie wohl nie früher oder später. Ich kann mich noch recht gut an diesen großen Enthusiasmus erinnern, der bald auch in Deutschland durch die Alltags-Probleme erlosch. Bald hörte die DDR auf zu existieren und nach dem historischen Besuch des Kanzlers Kohl in Polen wurden Visa für die Polen abgeschafft, wofür sich die deutsche Regierung sehr eingesetzt hat. Zuerst wurden viele polnische Wagen, die sich nach Westen wagten, in Ostdeutschland angegriffen oder mit Steinen beworfen, und jeder verwundete Pole im polnischen Fernsehen gezeigt. Man glaubte, der Aufenthalt im Osten von Deutschland wäre für die Polen gefährlich. In dieser Zeit machte mir ein Kommilitone den Vorschlag, mit ihm nach Mecklenburg-Vorpommern zu fahren, und dort LKW und Anhänger zu kaufen. Die LKW aus dem Osten wurden gerade insgesamt, ob neu oder alt, ausgetauscht und waren ganz billig zu bekommen. Da die Personen, die als Wirtschaftstätige angemeldet waren, auch keinen Zoll dafür zu bezahlen brauchten, war das recht profitabel. Es war die Zeit, als die Asylantenheime in Rostock angegriffen und in Brand gesetzt wurden, so hatte ich ein bisschen Angst, aber die Sache sah so verlockend aus, ich konnte nicht widerstehen. Über zwei Wochen besuchten wir verschiedene LPGs und die von uns eingestellten Fahrer brachten die LKWs nach Polen. Es war auch eine Geschäftsreise nach Amsterdam geplant, wir hatten aber eine Panne in Helmstedt und mussten zurück. Ich war zufrieden, dass ich wenigstens meine Kusine dort besuchen konnte. Meiner Mutter war nicht mehr zu helfen, und sie starb an Krebs im Alter von 60 Jahren. Auch mein Vater fühlte sich nicht besonders gut, deshalb musste ich meine Reisen nach Berlin beenden. Berlin war die erste große Stadt im Westen, die ich gesehen habe und die mich sehr beeindruckt hat. Nach einer gewissen Zeit lernte ich die Probleme der Menschen, die dort wohnten, zu verstehen, als sich die Bedingungen in Polen verändert haben, und die Arbeitslosigkeit kein leerer Begriff für mich geworden war. Dieses Verstehen war noch immer sehr oberflächlich, erst viel später, als ich Westdeutschland einige Male besuchte (und eine Satellitenantenne gekauft hatte), lernte ich die Menschen in Deutschland richtig verstehen.

VIII

Die ganze Welt ringsum hat sich rasch verändert und ich war leider nicht imstande, diese neu geschaffenen Chancen richtig auszunutzen, die durch die Privatisierung und die Humanisierung hervorgerufen worden sind. Es schien mir, dass diese Zeit ewig dauern würde und als stünden noch unendlich viele Chancen vor mir. Nun rächte sich meine ewige Kompromissbereitschaft, Unabhängigkeit und Suchen nach der Goldenen Mitte. Ohne mit der alten Nomenklatur verbunden zu sein, hatte ich nun keine Chance, in den neuen, durch sie geschaffenen wirtschaftlichen Strukturen Platz zu finden. Gleichzeitig war ich aber auch kein Solidarnosc-Vorkämpfer und hatte mit Kampf- und Kombattantentraditionen dieser Gewerkschaft nichts zu tun. Dazu zweifelte ich immer ein bisschen und zwar nicht an den dargestellten Zielen, sondern an den guten Absichten und der Tüchtigkeit der Leute, die nun an die Macht drangen. So war ich für sie ganz einfach kein "vertrauenswürdiger Mann" und ich hatte auch keine Chance, schnell genug Platz in ihren neuen Strukturen zu finden. So blieb ich auf der Strecke. Die anderen, die vielleicht rücksichtsloser waren oder die Konjunktur besser verstanden, waren imstande, sich viel schneller auf die neue Konjunktur und Denkweise einzustellen. Die einstige Erste Parteisekretärin der Schule z.B. trug nun mit demselben Eifer wie einst die rote Fahne die kirchlichen Fahnen bei den Prozessionen. Die ehemalige, noch kommunistische Schuldirektorin war dafür zu ehrlich und musste gehen, und ihre Stellvertreterin, einst genauso "rot", musste sich sehr anstrengen, um Direktorin zu werden. Deswegen war sie eifrig damit beschäftigt, neue moralische Werte zu propagieren. Inzwischen gab es noch eine kurze Episode mit einem Direktor, der aus den Solidarnosc-Reihen stammte. Nämlich als die Schul-Solidarnosc die einstige Direktorin verjagt hatte, wurde ihr Vorsitzender Mech bald Direktor einer anderen Schule. Zu unserer Schule wurde als Direktor ein Aktivist der Christlich-Nationalen Vereinigungspartei geschickt. Herr Schrubber, ein echter Katholik aus echt polnischer, patriotischer Familie, was schon der Name allein sagt. Er wollte Sejm, also Parlamentsabgeordneter, werden, und drei Monate lang mit der Mitwirkung der Pfarrei von Sankt Anton wurde unsere Schule in einen Ort der politischen Wahlagitation verwandelt. Nach drei Monaten Durcheinander, Verwirrung und ideologischem Drude wurde er endlich Abgeordneter, und die Normalität kehrte wieder in unserer Schule ein. Ich ahnte noch nicht, dass dieser Parlamentsperiode nur zwei Jahre vergönnt waren, und dass später Herr Schrubber in ganz Bromberg, und zwar unoffiziell und "formwidrig" "herrschen" würde, und das nicht ohne Einfluss auf mein Schicksal bleiben würde. Damals war dies noch Zukunftsmusik.

Wie ich schon sagte, wir alle waren noch voller Enthusiasmus. Die liberale Regierung von Mazowiecki schien darauf hinzuweisen, dass Polen sich zu einem liberalen, demokratischen Staat entwickeln würde. Deswegen war ich auch überzeugt, ihm bei der Präsidentenwahl meine Stimme zu geben. Mazowiecki hat auch als Premierminister sehr viel für polnisch-deutsche Versöhnung geleistet. Zu Walensa hatte ich kein Vertrauen, seine Kulturlosigkeit, fehlende Bildung und Primitivität fand ich widerlich. Sein ganzer Ruhm ist nur dadurch entstanden, dass er sich im richtigen Moment auf dem richtigen Platz befand. Wegen des Mangels an richtigen Kandidaten blieb ich dem zweiten Wahlgang fern, und meine Befürchtung sollte leider später bestätigt werden. Walensa schon als Präsident versuchte sehr konsequent, doch mit wenig Erfolg, mit Hilfe von Spezialisten aus den ehemaligen Sicherheitsdiensten (es war leider in dieser Hinsicht keine Klarheit wie in Deutschland geschaffen worden), eine starke Präsidentengewalt mit diktatorischen Tendenzen einzuführen. Mit großen ideologischen und materiellen Konzessionen, die den Staat belasteten, gewann er die treue Unterstützung der katholischen Kirche. Ziemlich schnell haben die ehemals Unterdrückten die Machtstrukturen, Methoden und den Machtapparat, den sie als Erbe der Kommunisten bekommen hatten, übernommen und kaum verändert weiterbenutzt, ohne die Gelegenheit zu nutzen, den Staat gründlich zu reformieren. Alles wiederholte sich im Rahmen einer neuen Ideologie. Kein Wunder, dass die Polen dann diesen Machtmissbrauch bei den nächsten Wahlen gesehen und verurteilt haben.

Noch aber deutete nichts darauf hin, dass es zu all dem kommen würde. Ich lebte ganz ruhig, und der größte Teil meiner Freizeit war der Fürsorge für meinen krebskranken Vater gewidmet, der gerade einige schwere Operationen durchstehen musste. Es wurde immer schwieriger und teurer, wirkliche Pflege zu organisieren. In jener Zeit lernte ich auch viele interessante Männer kennen, woraus sich vielleicht auch eine längere Freundschaft hätte entwickeln können. Das Problem war nur, dass ich für solche Treffen immer zu wenig Zeit und keinen Platz hatte. Zu Hause war das kaum möglich, und es blieb noch das alte Recht in Kraft, dass man in der Stadt, wo man wohnte, kein Hotelzimmer mieten durfte. Es war auch nicht ganz leicht, ganz Diskretion zu bewahren. Gewissermaßen war ich gezwungen, diese Treffen weit von zu Hause weg zu organisieren. Dieses Problem blieb ungelöst. Ganz plötzlich bekam ich eine neue Chance. Denn im Haus, das wir von unserem Großvater geerbt hatten, wurde eine Wohnung frei. Ich konnte nun weiterhin bei meinem Vater wohnen und gleichzeitig eine zweite Wohnung haben. Früher hatte es solch eine Möglichkeit nicht gegeben. Obwohl meine Mutter gezwungen war, Erbsteuer zu bezahlen, durfte sie im Haus, das ihr teilweise gehörte, keine Wohnung beziehen. Die, welche ich erworben hatte, war total verkommen und ohne Generalrenovierung nicht bewohnbar. Deswegen waren auch dort verschiedene Handwerker öfter als ich vorzufinden, und ich musste fieberhaft viele Verdienstmöglichkeiten suchen, um diese neuen Ausgaben zu decken. Mein Vater musste schrecklich leiden, und der Tod war für ihn eine Erlösung von den Schmerzen. Das erste Mal in meinem Leben war ich ganz allein und mir selbst überlassen, nun war ich selbst für mein Leben verantwortlich, ohne Angst, dass mein Verhalten meinen Eltern Ärger bringen könnte. Jahrelang hatte ich versucht, meine wahre Natur zu verbergen. Ich wurde auch immer älter und immer öfter stellte ich mir die Frage: "Habe ich mein Leben nicht vergeudet, meine Chancen verpasst? War der Preis für die Konformität doch nicht zu groß? Ich wollte jetzt mein eigenes Leben leben, unter den Menschen, die mich gern hatten und freundlich zu mir waren. In der Schule, in der Atmosphäre der Missgunst und des Misstrauens, wo alle sich hassten, fühlte ich mich immer schlimmer. Ich suchte wenigstens ein wenig Freiheit, um dieses Leben ertragen zu können, neue Kontakte und Leute zu finden, die mein Selbstgefühl stärken könnten. Nach dem Tode meines Vaters fühlte ich mich sehr niederschlagen. Deswegen freute ich mich sehr, als ich von einem Brieffreund, mit dem ich schon seit langem in Kontakt war, eine Einladung nach Karlsruhe bekam. Das erste Mal sollte ich nun die BRD besuchen. Mir, der aus dem kalten Nordosten stammt, erschien Baden mit seiner üppigen Pflanzenwelt wunderschön. Ich bin mit einem Reisebus dorthin gereist, nicht ohne Angst vor dem, was mich dort erwartete. Meine Erwartungen waren groß, und ich wurde nicht enttäuscht. Ich lernte einen ordentlichen, anständigen Schwaben kennen, einen Angestellten einer Großfirma und seinen älteren Freund, der Beamter war. Ich sah ein anderes Leben - ruhig, still, stabil, mit alltäglichen, kleinen Freuden erfüllt, wo nette, freundliche und fröhliche Leute überall zu sehen waren. Meine neuen Freunde wollten mir all das zeigen, was in der Gegend sehenswert war. Fast jeden Tag machten wir Ausflüge in verschiedene interessante Orte. Auch sind wir viel gewandert. Bei einigen ein- oder zweiwöchigen Aufenthalten in Karlsruhe lernte ich den Schwarzwald, Baden-Baden, Heidelberg und verschiedene Orte an der berühmten deutschen Weinstraße kennen. Wir wanderten stundenlang, kletterten hoch auf Felsen, besuchten Schlösser und Burgen, u.a. die berühmte Burg Trifels, wo einst der englische König Richard Löwenherz gefangen genommen worden war, sahen die Sterne im Planetarium in Mannheim, sogar eine psychiatrische Klinik in der Pfalz fand ich hochinteressant. Stundenlang diskutierten wir über verschiedene Themen bei Wein und Bier in kleinen Gaststätten, es wurde über unsere Erfahrungen gesprochen, unter vielen Leuten, die ihre Freizeit fröhlich verbrachten. In Polen trinkt man meistens schnell, und durch Alkohol treten verborgene Komplexe und Aggression hervor. Dort sah ich Leute, die durch Alkohol immer strahlender wurden, es war zu sehen, dass sie mit ihrem Leben zufrieden waren. Dazu kamen noch das gute Klima, die Wärme und die üppige Vegetation. Ich glaube, in Karlsruhe habe ich die fröhlichsten Stunden meines Lebens verbracht. Ich konnte mir aus der riesigen, 5.000 Bücher zählenden Bibliothek von Heinz immer etwas Interessantes heraussuchen. So kam ich in Kontakt mit neuen Gedanken und Ideen, lernte eine neue Mentalität und neue Verhaltensweisen kennen. Viele Bücher bekam ich auch geschenkt. Ich wurde ein anderer Mensch. So war immer die Rückkehr in die harte, polnische Realität immer schwieriger. Zu Hause kaufte ich eine Satellitentenne und sah mir eher deutsche als polnische Sendungen an. Unbemerkt war ich immer mehr von meiner Umgebung entfremdet, ich konnte die Gefühle und Empfindungen der Leute in meiner Umgebung nicht immer richtig verstehen und einschätzen. Da ich sehr diskret und verschlossen war, verursachte das noch keine größeren Schwierigkeiten, dennoch wurde die Distanz zu den anderen immer größer. Immer beschäftigt, versuchte ich die verlorene Zeit nachzuholen. Ganz langsam ließ ich meine Sachen und Möbel in die neue Wohnung bringen und ich kämpfte noch verbitterter um die zweite Hälfte dieser Wohnung, die durch einen älteren Mann illegal besetzt worden war. Nach über zwei Jahren wurde mein Traum wahr, ich erwarb drei weitere Räume, die aber total ruiniert waren. Die ganzen Strom-, Gas- und Wasseranlagen mussten neu installiert werden, jeder Zentimeter der Wand musste renoviert werden. Danach zog ich endgültig in die neue Wohnung, es gab kein Zurück mehr. Ich musste gleichzeitig auf die Arbeiten aufpassen und immer mehr Geld dafür beschaffen, eine Aufgabe, die wirklich widersprüchlich war. Ich war gezwungen, die Säufereien und die Gemeinheit dieser Arbeiter zu dulden, mich an die ständige Anwesenheit wildfremder Leute im eigenen Haus zu gewöhnen. Ich fand zwar einen Jungen, der ein wirklicher Freund von mir werden konnte, aber ich war zu müde, um ihm genug viel Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen. Zuletzt hat er für sich einen reichen Freund in Warszawa gefunden und ist dorthin gezogen.

In diesen für mich äußerst schweren Umständen versuchte ich, sofern das möglich war, eine Atmosphäre der Geborgenheit, Intimität und Freiheit zu schaffen. Ich suchte ständig neue Kontakte. In jener Zeit entstand gerade viel Neues, es wurden viele neue Zeitschriften, Organisationen, Klubs und Gesellschaftsagenturen (so heißen in Polen diese Unternehmen, die legal registriert und dem Sex gewidmet sind, obwohl das gar nicht erlaubt ist) gegründet, alles schien für persönliche Freiheiten günstig zu sein, außer vielleicht der immer schwereren wirtschaftlichen Lage.

Ich bemühte mich sehr, meine Pflichten in der Schule richtig zu erfüllen, aber ich wurde immer verschlossener und nahm nun nur ganz selten an Unterhaltung teil. Die nationalistisch gesinnte, klerikale Atmosphäre, die immer stärker zu spüren war, machte mir ebenso zu schaffen wie das immer kleiner werdende Interesse der Kinder am Unterricht. Die Kinder aus armen Familien hatten nun andere Probleme, und das Wissen der Kinder aus reichen Familien bekamen diese immer mehr außerhalb der Schule beigebracht, die ihnen auch nicht mehr so notwendig erschien. Meistens waren sie am Anfang sehr begeistert, ihre Schulkenntnisse waren aber oft sehr mangelhaft und die solide, systematische Arbeit haben sie nicht gelernt. Und doch waren die Erfolge bei vielen von ihnen beachtlich.

Mein Leben wurde nun noch komplizierter und verlief schon nicht auf zwei, sondern auf vier Bahnen. Vormittags führte ich ein ordentliches, anständiges, bürgerliches Leben als Lehrer an einer zweitklassigen Grundschule, mit immer geringerem Glauben an den Sinn meiner Arbeit. Nachmittags und abends, gleichfalls konservativ, unterrichtete ich Deutsch für Erwachsene und arbeitete zugunsten der deutschen Minderheit in meiner Heimatstadt, was mir viel Spaß machte. In meiner Freizeit war ich mit der Renovierung meiner Wohnung beschäftigt, und ab und zu versuchte ich polnische Männer kennen zu lernen. Manchmal kam es zu einer Begegnung, die sich aber ziemlich selten in eine länger dauernde verwandelte. So geht es einem, wenn man mit allzu viel Sachen gleichzeitig beschäftigt ist. Ich bemühte mich auch, neue Briefbekanntschaften in Deutschland zu entwickeln. Direkte Kontakte waren aber nicht leicht: Erstens war ich schon nicht mehr in diesem Lebensabschnitt, wenn man wirklich sehr begehrenswert ist, zweitens bei einem Lohn von etwa 200 DM monatlich ist es nicht leicht, sich öfters Reisen nach Deutschland zu leisten. Die Kosten schienen mir damals im Westen sehr hoch zu sein, und es ist nicht schön, dort als ein armer Schlucker zu erscheinen. Trotzdem machte ich damals eine neue Bekanntschaft in Köln, und ich begann die bunte Vielfältigkeit des Schwulenlebens zu entdecken, eine Welt für sich, faszinierend und prächtig.

Männer, die ich in Polen kennen lernen konnte, stammten aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, und dementsprechend waren auch ihre Lebensziele und Erwartungen recht unterschiedlich. Die erste Gruppe, die nicht zu übersehen war, waren "die Familienväter": Männer mit Weib und Kindern, die für den Familienunterhalt nicht genug Geld verdienen konnten oder wollten. Sie waren zu allem bereit, um ihr Leben leichter zu machen. Das wird nur dann verständlich, wenn man erkennt, in welchem Ausmaß viele Männer in Polen durch die Wende entehrt worden sind. Schon früher war es nicht leicht, und für viele Männer fast unmöglich, mit einem Lohn die Familie zu ernähren. Es war aber trotz einer arbeitenden Ehefrau gewissermaßen noch möglich, die Position des Mannes als "Familienernährer" zu bewahren. Nun verursachten die Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne in Verbindung mit dem Einfluss an Waren, bei sehr vielen Männern das schmerzhafte Bewusstsein, dass sie in ihrer Rolle des Vaters total versagt hatten. Ich glaube, auf die ähnliche Weise hatten in Polen Millionen Männer versagt. Die Folgen dieser Zustände waren auch unterschiedlich: Flucht in Alkoholismus oder Drogensucht, Kriminalität, riskante wirtschaftliche Tätigkeit, oft ohne jegliche Erfahrung, was nicht selten mit einem Konkurs endete, und verschiedene unkonventionelle Versuche, das nötige Geld irgendwie zu beschaffen. Niemand kümmerte sich ernsthaft um diese Leute, abgesehen in Wahlzeiten, danach gerieten sie wieder in Vergessenheit. Weil diese Beweggründe denen ähnelten, die die anständigen Mütter veranlassten, auf den Straßen nahe der Grenze und auf den Straßen in deutschen Städten ihr Glück als Prostituierten zu versuchen, um damit ihren Kindern eine bessere Zukunft zu sichern. Die Frauen in Polen, ähnlich wie woanders, neigen dazu, sich immer weniger den Männern unterzuordnen. Der Konkurrenzkampf wurde auch in Polen sichtbar. Aufgrund der technischen Entwicklung ist die männliche Kraft immer weniger nötig. Das, was heutzutage zählt, ist die äußere Attraktivität, schönes Aussehen, und die männlichen Muskeln werden mehr als Schmuck betrachtet, als schöne Verzierung des männlichen Körpers. Viele Männer in Polen hat diese Entwicklung überrascht. Die Frauen werden durch die Gesetze immer besser vor den Männern geschützt und gleichzeitig immer einsamer. Eine Folge: Die Flucht der Männer in Arbeit, in Hobbys, in Gesellschaftsleben. Im Westen gibt es noch eine Möglichkeit, eine Frau aus einem armen Land zu finden, die, vom Leben im Westen begeistert, bereit ist, die Überlegenheit ihres Mannes zu akzeptieren. In Polen oder Russland bleibt nur noch Alkoholsucht oder Devotion. Männer und Frauen werden als immer gleichberechtigter angesehen und gleichzeitig werden sie sich immer fremder. Es ist leicht zu erkennen, welches Ausmaß an Frustration in diesen Männern steckt, die sich ganz leicht als Aggression zeigen kann. Das war die gefährlichste Gruppe, die ich treffen konnte. Eine ähnlich große Frustration ist in Polen noch bei einer Gruppe zu spüren, nämlich - bei den Angehörigen der so genannten "Intelligenz". Die ist zwar auch durch den allgemeinen Niedergang der Mittelklasse verursacht, hat aber auch eine polnische Eigenheit. Die Kommunisten betrachteten immer die Intelligenz mit besonderem Respekt. Obgleich alle Kulturgüter zensiert wurden und so gut wie jedes Wort dieser Kontrolle unterlag, konnten aber gleichzeitig diejenigen Schriftsteller und Künstler, die ihnen ergeben waren, üppig leben. In einem Land, wo die meisten Güter zugeteilt worden waren, bedeutete diese Gunst sehr viel, oft mehr als Geld. Auch Lehrer, Juristen usw. wurden öffentlich gepriesen und hoch geschätzt. Und obwohl im Laufe der Zeit die Löhne dieser Gruppen oft relativ niedrig waren und unter den Arbeiterlöhnen, wurden sie durch ihre gesellschaftlichen Kontakte und ihr hohes Ansehen belohnt. Auch höhere Bildung war geschätzt. Alle diese Faktoren verloren mit der Wende an Bedeutung. Diese Veränderungen waren so radikal, dass es alle überrascht hat. Bildung und Wissen verloren an Wert, das einzige, was nun zählte, war Geld, und nur Geld. Es ist wohl nicht schlecht, wenn über die Kultur in einem Land die Reichen entscheiden, unter der Bedingung, es handelt sich um kulturelle und gebildete Leute, die ihren Reichtum mit schwerer Arbeit, oft vielen Generationen, erreicht haben. Das Problem in Polen war nur, dass wieder primitive, ungebildete Leute an die Macht kamen, wie 1945, und ihre Pläne und Ideen oft im Alkoholrausch entstanden. Weil die Bildung nicht mehr die Zukunft sicherte, waren viele aus dieser Gruppe stark frustriert und sie glaubten naiv, dass man unkonventionell wesentlich mehr Geld verdienen könnte. Dazu gehörten frustrierte Studenten und Schüler aus höheren Klassen der Mittelschule ohne irgendwelche Zukunftspläne, in der Hoffnung, ihren grauen Alltag hinter sich zu lassen. Die meisten erstrebten ein "leichtes Leben", Luxus und Geld um jeden Preis. Eine weitere Gruppe bildeten die Jungen und Männer vom Lande und aus den Kleinstädten, noch nicht manieriert und nicht verdorben, oft ermüdet durch mehrere Monate lang dauernde Arbeitslosigkeit, Armut und Mangel an Zukunftsperspektiven im Heimatort. Das betraf vorwiegend die ehemaligen Arbeiter aus den PLGs, zu allem bereit, was ihr armseliges Leben verändern könnte. Sie wollten unbedingt in die Stadt, um dort ein leichteres und angenehmeres Leben zu führen. Kommen wir nun zu den "echten" Schwulen, die wirklich an Sex mit einem Mann interessiert sind, auch denjenigen, die gerade ihr Anderssein, ihre echte Natur entdeckt hatten. Jungen, die sich nach neuen, starken Erlebnissen sehnten, nach anderen Lebensweisen oder die sich der Elterngewalt entziehen wollten usw. Die Beweggründe konnten unendlich unterschiedlich sein, so unterschiedlich wie die menschliche Natur selbst. Ich lernte langsam, wie man diese unterschiedlichen Gefühle, Empfindungen und Motivationen erkennen und das Vertrauen der anderen gewinnen konnte. Die Atmosphäre jener Tage war außerordentlich, die entstehende Demokratie machte neue Hoffnung: Keine politische Polizei, keine Zensur mehr, Respekt vor der Privatsphäre, größere Sittenfreiheit, neue Zeitungen usw. Es schien, als ob alle Bürger Polens nun endlich gleichgestellt würden, ohne eine Spaltung in "Bessere" und "Schlechtere", und für die Lebenskarriere würden nur Begabung, Bildung und Erfahrung maßgebend sein. Es schien, dass gerade die Leute, die früher ja so viel Ungerechtigkeit erlitten hatten, imstande wären, die Grundsteine für die neue Zukunft zu legen. Statt Ideologien würden nun praktische Ziele in den Vordergrund treten. So naiv war ich damals!

Aber nicht ich war so naiv. Es gab die Idealisten, die träumten, eine neue Gesellschaft aufbauen zu können, wo die christliche Menschenliebe harmonisch mit den besten humanistischen Traditionen verbunden wäre. Es sollte ein Paradies auf Erden entstehen, leider verstand jeder unter diesem Begriff etwas anderes. Am Anfang waren von der neu gewonnenen Freiheit vor allem die Künstler begeistert. Diejenigen, die im Kampf mit dem Kommunismus hohe Verdienste errungen hatten, bekamen als Kombattanten ihre hochgestellten Posten, die anderen mussten bald entdecken, dass das Geschäft mit der Kunst im Kapitalismus gar nicht so einfach ist. Wenn man schon einen Auftrag findet, muss man dem Gönner dankbar sein und für die eigenen unabhängigen Ansichten gibt es keinen Platz mehr. Anstatt der Zensur erschien jetzt eine Möglichkeit, etwas zu veröffentlichen, was mit der offiziellen Richtlinie nicht übereinstimmen würde. Die Hierarchien der katholischen Kirche waren nun überzeugt, sie hätten den vollständigen Sieg über die Kommunisten schon erreicht, und sie sollten jetzt bestimmen, was in Polen erlaubt oder nicht erlaubt war. Ihr Wunsch war nicht, das alte, kranke Recht abzuschaffen, sie wollten es lediglich dazu benutzen, ihre Macht zu verstärken. Man wartete dabei nicht so lange ab, bis ein Gesetz verändert wurde, eigentlich wollte niemand ein neues Grundgesetz. Es reichte schon ein Ministerdekret, um den Religionsunterricht in die Schule einzuführen, ebenso wurden die neuen Lehrbücher für ein Schulfach "Leben in der Familie" für ungültig erklärt, weil dort von Empfängnisverhütung die Rede war, und noch dazu wurde im Abschnitt "Pathologie" ein krummes Glied dargestellt. Das war schon des Guten zuviel. Später wurde das Gesetz eingeführt, gemäß welchem in allen polnischen Massenmedien, Verlagen usw. die christliche Moral als allein geltend verkündigt wurde. Dann forderte man immer lauter zwecks der Bekämpfung des Sittenverfalls und der Pornographie, eine Sittenzensur einzuführen. Danach kamen die entsprechenden Vorschriften über die Vermögensrückgabe, das einst der katholischen Kirche in alle Ewigkeit gehören sollte. So konnte alles auch von Urzeiten an und in Westpolen auch der einstige Besitz der evangelischen Kirche beansprucht werden. Deshalb konnten der Reichtum und das Ansehen der Kirche so rapide wachsen. Es kam dazu, dass keine Staatsfeier ohne Priester geschehen durfte. Jeder, der seinen Posten in der Armee, Polizei oder Verwaltung behalten wollte, nahm nun an Wallfahrten nach Czestochowa teil, und je stärker jemand vorher die kommunistische Gewalt und Ideologie unterstützt hatte, desto lauter stellte er nun seine Frömmigkeit zur Schau. Ich zeigte mich wenig umsichtig. Ich konnte oder wollte nicht bemerken, dass nach der Wahl Walensas zum Staatpräsidenten die ideologischen Kämpfe immer schärfer und die Bürgerrechte immer weniger beachtet wurden.

Was die anderen Sachen betrifft, war die Politik der sich schnell wechselnden Solidarnosc-Regierungen wechselhaft und unschlüssig. Ein klassisches Beispiel dafür ist das Verhältnis gegenüber Verbrechern. Zuerst wurde mit lauter Propaganda eine neue Politik, Amnestie, ja sogar für schwere Verbrechen, und die Liberalisierung der Strafen verkündigt. Als die Folgen dieser Politik sichtbarer wurden, wollten dieselben Leute das Gegenteil: Das Strafrecht sollte schonungslos verschärft werden. Diese Gegensätze häuften sich mit der Zeit und Solidarnosc teilte sich in immer neuere Parteien und Bewegungen auf, deren Programme immer weniger für die polnischen Bürger transparent und verständlich waren. Die Realisierung der hohen politischen Ziele nahm so viel Zeit in Anspruch, dass es unmöglich war, den unzufriedenen Stimmen der Bürger zuzuhören. Alle Posten waren wieder nur für Vertraute. Der Liberalisierungs- und Demokratisierungsprozess wurde gestoppt.

IX

So kam das Jahr 1993 und plötzlich waren alle Anhänger der Kirche und besonders die Beobachter im Ausland überrascht, als die Sozialdemokratische Partei, die inzwischen aus der alten kommunistischen hervorgegangen war, die Wahlen gewann und wieder an die Ruder der Macht kommen konnte. Viele Leute aus der ehemaligen Opposition, schmerzhaft verletzt, fragten sich: Warum? Wie war es möglich, dass in einem Land, deren Bewohner am stärksten am Fall des Kommunismus beteiligt waren, die ehemaligen Kommunisten imstande waren, wieder an die Macht zu kommen und die Gunst der Leute zu gewinnen? Es gab auf diese Frage genauso viele Antworten wie politische Ansichten. Die populärste, katholische Antwort besagte, dass so etwas nur durch die Gottlosigkeit der polnischen Gesellschaft und die Neigung zur westlichen Kultur, die durch die polnische katholische Kirche als Neopoganismus bezeichnet wurde, geschehen konnte. Es gibt aber auch die

anderen Ansichten, die nicht so irrationell begründet wurden. Nach der Wende bedrohten die gewaltigen wirtschaftlichen Veränderungen die Existenz eines großen Teils der Polen ganz wesentlich. Viele Leute haben die Grundlagen ihrer Existenz verloren und wussten auch nicht, wie sie weiterleben sollten. Es stellte sich heraus, dass die meisten großen Betriebe in Polen unrentabel und veraltet waren. Die meisten wurden noch ärmer, die anderen viel reicher. Ein Beispiel dafür sind die Mieten. Sie wurden zwar erhöht, aber mit großer Verspätung und sie waren nicht hoch genug, um den Verfall alter Häuser zu stoppen.

Obwohl ich abseits bleiben wollte, bekam ich doch diese Politik zu spüren. Zuerst wurde lang in der Schule gekämpft, bis die alte Direktorin zwei Jahre vor der Pensionierung zur Abtretung gezwungen wurde. Danach wurde ein Politiker zum Direktor gewählt, aber bevor das Durcheinander vollkommen war, ging er glücklicherweise als Abgeordneter nach Warschau. Nun war schon die Politik für immer und ewig in unserer Schule anwesend, die neue Direktorin wusste ja, wem sie ihren Posten verdankte.

Übrigens: Die weitere Karriere dieses Abgeordneten Herrn Schrubber war sehr interessant. Nach nicht allzu langer Sitzungsperiode des Parlaments, das nach knapp zwei Jahren durch Präsident Walensa aufgelöst worden war, kehrte er nach Bromberg zurück. Er hatte seine Wähler in solch einem Maß enttäuscht, dass er keine zweite Wahlchance bekam. Doch wurde er mit dem Posten des Stadtvizepräsidenten (Bürgermeister in Polen) belohnt und konnte fast zwei Jahre lang, zusammen mit seiner ultrakatholischen und ultranationalen Partei, über alle wichtigen Dinge in unserer Stadt, ganz beliebig und alle polnischen Gesetze verachtend, entscheiden. Alle Beförderungen und Entlassungen in der Stadt wurden seinem Willen überlassen. Herr Schrubber war so rücksichtslos und so brutal den Menschen gegenüber, dass er zuletzt nicht nur von seinen Feinden, sondern sogar von seinen Koalitionspartnern sehr gehasst wurde. Am Ende kam es zu einem Umsturz. Einige Monate lang kämpfte man dann um die Macht und meine Heimatstadt blieb ohne Führung, dann wurde dieselbe Koalition wiederhergestellt, nun mit neuen Leuten an der Spitze. Trotzdem blieb er weiterhin eine sehr wichtige Person, es wurde speziell für ihn eine wenig verantwortungsvolle, aber gut bezahlte Stelle eines Konsultanten für die Organisationen- und Parteienangelegenheiten geschaffen, aber er regiert sowieso bis heute in der Stadt. So ließ sich immerhin ganz bequem weiterleben. Ich dachte aber naiv, dass ich in Ruhe gelassen würde. Ich glaubte, mein Privatleben gehe niemanden etwas an, und da irrte ich mich gewaltig.

Der ideologische Kampf wurde in Polen immer grausamer und rücksichtsloser. Es wurde möglich, ein äußerst restriktives Antiabtreibungsgesetz in Kraft zu setzen. Danach wird ein Arzt mit zwei Jahren Inhaftierung bestraft, falls er an einer Abtreibung beteiligt war. Man ging noch weiter: Die verdächtigen Ärzte und sogar die verdächtigen Touristikagenturen wurden belauscht, und anhand der Telefonate wurden einige Leute verurteilt. Allmählich wurde UOP (das Amt für den Staatschutz) zu einer neuen politischen Polizei, ein Werkzeug im Kampf um die Macht. Das Abhorchen von Telefongesprächen und die Prüfung von Korrespondenz wurden wieder etwas Normales, was viele Tausende von Menschen betraf. Alle christlichen Parteien begannen einen massiven Angriff auf alle Minderheitsgruppen. Der polnische Primas Glemp griff mit bewundernswerter Konsequenz in jeder Predigt alles an, was seiner Meinung nach naturwiderlich war. Jeder unabhängige Gedanke wurde öffentlich verfolgt. Wenn aber etwas "Abartiges" beim Klerus entdeckt und veröffentlicht wurde, war dessen Wut unvorstellbar. Das beste Beispiel dafür ist der britische Film "Priester" und die historische Reaktion der katholischen Kirche, als er in Polen in wenigen Kinos gezeigt wurde. Auch immer größere Habgier der Kirche, ihr Verlangen nach materiellen Vorteilen um jeden Preis, war nicht zu übersehen. Ein Beispiel dafür war die Anerkennung des Autos als ein Kultobjekt und die damit verbundene Befreiung von Autos für die Priester von jeglichem Zoll und Steuer, was recht oft missbraucht wurde. Wozu denn braucht ein Priester mehrere Dutzend teure Westautos?

Im politischen Kampf war nichts heilig, man schreckte sogar vor Verleumdungen nicht zurück. Viele Programme der sogenannten Nationalparteien waren schon fast dem Faschismus nah. Die schöne Periode des Kampfes um die Freiheit und die Menschenrechte unter der Leitung von Solidarnosc und der Kirche entartete zum Gegenteil, und die wichtigsten Moralautoritäten, ganz dem Kampf um die politische Macht ergeben, wollten oder konnten das nicht nachsehen. Eines Tages, das war wohl Freitag, ging ich wie üblich um zwölf Uhr in die Arbeit. Schon nach fünf Minuten bekam ich eine schreckliche Nachricht – in meine Wohnung wurde eingebrochen, jemand durchstöberte ganz genau alle Räume. Es wurden viele wertvolle Sachen gestohlen, u.a. eine Satellitenanlage, ein Video, eine Fotokamera usw. Ich war ganz zusammengebrochen. Gewissermaßen hat mich die Nachlässigkeit und die Unfähigkeit der Polizei bei der Sicherstellung der Spuren und das, wie schnell die Ermittlungen eingestellt wurden, nachdenklich gemacht. Ich ahnte aber nichts Schlimmes, ich glaubte, das erfolgte nur aufgrund der allgemeinen Unfähigkeit der polnischen Polizei. Danach arbeitete ich sehr intensiv, um wenigstens teilweise die Verluste nachzuholen. Bis ich aber zu einem gewissen psychischen Gleichgewicht zurückkehren konnte, kam es zu einem zweiten Einbruch, bei ähnlichen Umständen. Erschreckt sah ich die Verwüstung an, die zertrampelten Bücher, alle meine Briefe und Notizen auf dem Fußboden, sorgfältig durchgeblickt. Auch diesmal wurden die Ermittlungen sehr rasch eingestellt. Diesmal drehte ich fast durch, meine meisten Inlands- und Auslandskontakte wurden dadurch abgebrochen. Ich wurde seelisch und körperlich krank. Erst nach einigen Monaten konnte ich mich einigermaßen beruhigen. Ich ließ meine Eingangstür mit Stahlblech befestigen und meine Renovierung zu Ende bringen. Viel später erfuhr ich, dass diese Einbrüche kein Zufall waren. Die Kriminellen, die sie getan hatten, genossen Schutz und wirkten im Auftrag der Polizei, die eine Anklage gegen mich vorbereiten wollte. Es wurden Schwierigkeiten angesagt. Im April 1994 wurde ich wegen der Kontakte mit einem belgischen Bürger verhört, der dort in Belgien gegen die Vorschriften verstoßen haben sollte. Man hat meinen Worten nicht geglaubt, dass mein Kontakt mit ihm nur sporadisch war, ich war noch nie in meinem Leben in Belgien, dieser Belgier hatte mich nur ein Mal zu Hause besucht und ich konnte für seine Tätigkeit in Polen keinesfalls verantwortlich sein. Sofort hat man eine genaue Durchsuchung meiner Wohnung angeordnet, und alle meine Briefe, Notizen und Aufnahmen wurden konfisziert. Einige Monate lang verhörte man alle meine Bekannten und K-Freunde. Damals habe ich endlich eine wichtige Entscheidung getroffen. Ich ahnte, dass man mir ein "Coming out" im großen Stil machen wollte, so konnte ich endlich mit einem Freund in meiner Wohnung leben. Das hatte sowieso keine Bedeutung mehr. Von diesem Tag an war ich nicht allein, hatte einen Freund dabei, der mir behilflich sein konnte. Eines Tages bekam ich eine Vorladung zur Polizei und gleichzeitig eine vertrauliche Information, dass ich am nächsten Tag von meiner Arbeit entlassen werden sollte und ich würde solange im Kommissariat verhört, bis ich alles, was sie nur wollten, gestehen würde, um den großen Erfolg der Polizei zu beweisen. Das war eine Periode, als die Polizei in Bromberg durch viele kriminelle Affären in eigenen Reihen kompromittiert war, sie brauchte in meiner Heimatstadt um jeden Preis einen großen Erfolg, und für mich war die Rolle des "Sündenbocks" bestimmt. Trotz aller demokratischen Veränderungen waren die meisten polnischen Polizisten nicht weniger als früher korrupt und noch aus früherer Zeit gewohnt, Gewaltmethoden anzuwenden, um die Aussagen auszupressen oder die neuen waren ungenügend geschult und erfahren, um eine richtige Ermittlung zu führen. Die ständige Spannung hat meiner Gesundheit ernsthaft geschadet, die Zwölffingerdarmgeschwüre bluteten wieder, und auch meine Leber machte mir zu schaffen. Später musste ich noch eine Entdeckung machen und ich erfuhr, wie unobjektiv und geldgierig die Ermittler waren. Nicht nur, dass sich sehr viele Leute mit meinen Privatangelegenheiten vertraut machen und mein Dossier sehen konnten (Amtsgeheimhaltung ist in Polen praktisch unbekannt, auch die wichtigsten Staatsgeheimnisse werden bald allgemein bekannt), nur mir wurde das verweigert. Einer der Polizisten kam auf eine Idee, diese Geschichte ließe sich gut verkaufen und man könnte dazu noch den Erfolg öffentlich verkündigen. Was für eine Sensation! In allen wichtigen Zeitungen in meiner Heimatstadt waren große Artikel auf den ersten Seiten, mit großen Buchstaben geschrieben, größer als alle wichtigsten Innen- und Außenereignisse. Auf dieser Etappe der Ermittlung, wo eigentlich noch nichts entschieden war, zögerte man nicht, meinen richtigen Vornamen und den ersten Buchstaben des Familiennamens anzugeben, obwohl normalerweise das erst bei einer Gerichtsverhandlung und mit einer Gerichtserlaubnis üblich ist. Danach hat der Polizeiermittler verkündigt, in einem anderen Presseartikel, dass der Erfolg groß wäre und die Sache wäre entschieden und die Bestrafung bis 10 Jahren Haft kurz bevor stünde. Dabei wurden auch alle möglichen Daten aus meinem Leben bekannt gemacht und andere Fakten, sehr viel davon wurde allerdings frei erfunden. Um das richtig zu verstehen, muss man wissen, dass in Polen nach der Wende üblich ist, dass ein Presseartikel dem Gerichtsurteil und dem Schuldspruch gleichgestellt ist. Da die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte recht zögerlich arbeiten, dauern die Verhandlungen jahrelang, ohne irgendwelche Ergebnisse zu bringen, und das kostet die Steuerzahler ungeheure Summen, ohne ein gerechtes Urteil zum Licht zu bringen. Das ist wohl dadurch verursacht, dass die meisten Polizeiermittler und die Staatsanwälte in Polen jung, unerfahren und schlecht gebildet sind und nur an ihre Förderung denken, weil diese Arbeit schlecht bezahlt ist. Sie müssen ganz genau wissen, wer gerade an der Macht ist und bei wem man sich die Gunst verdienen muss. Dass die Staatsanwaltschaft in Polen politisch engagiert ist, bezeugte viel später der Fall des polnischen Premierministers Oleksy, der anhand mangelhafter Beweise beschuldigt worden war, nur um die Präsidentenwahlen von Kwasniewski nichtig zu machen und politische Ziele zu erreichen. Das Recht wird nach den jeglichen politischen und Moralansichten interpretiert, was dadurch erleichtert wird, dass das polnische Recht aus den verschiedenen Epochen stammt und sehr uneinheitlich und undeutlich ist. Anhand dieser Artikel versuchte man, mich öffentlich tot zu machen, meine Lebenslust zu vernichten und mich von meinen Bekannten und Freunden zu trennen. Es wurde deutlich bewiesen, dass es in Polen weder Beicht- noch Ermittlungsgeheimnisse gäbe. Ich war wohl die einzige Person, der nicht erlaubt war, die Akten zu lesen. Kein Wunder, dass ich an der Objektivität des Ermittlers ernsthaft zweifeln musste. In meiner Naivität habe ich beantragt, die Ermittlung in die Staatsanwaltschaft zu versetzen und ich war naiv genug zu glauben, dass dort schnell und objektiv eine Entscheidung getroffen würde. Ich wusste noch nicht, dass sich die Ermittlung in Polen praktisch unendlich ziehen kann, ohne einen Schuld- oder Unschuldspruch treffen zu müssen, ohne einen konkreten Schlusstermin und ohne mir die Akten vorzulegen, so dass ich mich praktisch nicht wehren konnte, solange ich nicht genau wissen konnte, um was es sich handelte. Diese Absage, die Akten sehen zu dürfen, brachte noch die anderen ernsten Konsequenzen für mich, nämlich das Bewusstsein, dass ich nun keinem meiner bisherigen Bekannten und Freunde mehr vertrauen durfte. So war ich gezwungen, eine schmerzliche Entscheidung zu treffen: Ich fühlte mich gezwungen, die meisten meiner bisherigen Kontakte abzubrechen und seither jahrelang in einer Art der "inneren Immigration" zu leben. So war ich imstande, mich nach gewisser Zeit zu beruhigen und die Freuden eines verhältnismäßig ruhigen Lebens zu genießen: Ich hatte wieder Zeit für die Lektüre, das Bildhauen und meine Hobbys. Ich war also in meinem Refugium nicht so unglücklich, wie das meine Gegner behaupten konnten. Dass meine Befürchtungen nicht übertrieben waren, bezeugte für mich die Aussage eines meiner Freunde, dass ihm Geld angeboten wurde, damit er die entsprechende beschuldigende Aussage gegen mich machte. Jede neue Bekanntschaft konnte eine Art von Provokation sein, aber gleichzeitig sollte ich doch die unschuldigen, ehrlichen Menschen ja nicht grundlos verdächtigen. Es wurde mir vollkommen klar, wenn dieser Zustand unendlich sich verlängern würde, kann er eine Schizophrenie als Folge hervorrufen. Inzwischen wurde ich von meiner Arbeit suspendiert, meine sowieso nicht hohen Einnahmen wurden um die Hälfte reduziert, das Recht zum Krankwerden wurde mir verweigert, und all das ohne Gerichtsurteil. Kann man all das nicht mit dem "Prozess" von Kafka vergleichen? Mit Erstaunen entdeckte ich, dass man in Polen ohne irgendeine Gerichtsverhandlung bestraft werden kann. Zum Glück fand ich gerade damals einen ehrlichen, ergebenen Freund, der mich in der schweren Periode unterstützte. So konnte ich die Freude entdecken, die die wahre Freundschaft mitgebracht hat, so verging der Winter und begann der Sommer. Ich glaubte immer noch, dass ich mit einer fähigen Ermittlung rechnen konnte, und wenn diese Angelegenheit nicht während sechs Monaten gut oder schlimm beendet würde, dann wenigstens während eines Jahres. Seitdem verging ein Monat nach dem anderen und es geschah praktisch nichts. Meine Korrespondenz wurde untersucht, mein Telefon belauscht, man wartete geduldig, bis ich einen Fehler machen würde. Ich fühlte mich wie ein Wildtier, das ständig gejagt wird und immer auf der Acht vor irgendwelchen Fallen sein muss. Glücklicherweise hatte ich früher ein bisschen Geld gespart, aber mein Lebensstandard war sowieso gesunken und ich musste kräftig sparen. Nach einem Jahr habe ich auch die bescheidenen Einnahmen vom Deutschunterricht verloren. Ich habe einigen Leuten geholfen, die wirtschaftlichen Kontakte zwischen den Polen und den Deutschen anzuknüpfen. Zuerst voll Angst, dann immer kühner, begann ich wieder, immer öfter nach Deutschland zu verreisen. Inzwischen jahrelang verliefen die Verhandlungen in den Arbeitsgerichten und in den verschiedenen höheren Ämtern. Gerade in jener Zeit haben mir meine Freunde in Deutschland sehr geholfen. Nur bei meinen Aufenthalten in Deutschland konnte ich meine Lebensprobleme und meine unstabile und unsichere Lebenssituation vergessen. Trotz aller Schwierigkeiten war ich immer noch zum Leben positiv eingestellt. Ich war zufrieden, dass ich gerade jetzt einen guten Freund gefunden hatte und seiner Unterstützung sicher sein konnte, was bei diesen schweren Erlebnissen immer neu Bestätigung fand. Trotz aller Unterschiede lernten wir langsam die Grenzen, die man nicht überschreiten sollte, und passten unser Verhalten aneinander an. Anhand meiner Kontakte mit heterosexuellen Ehen wusste ich, welche Folgen es bringen kann, wenn man nicht versteht, richtig die Grenzen zu setzen. Die übermäßige Freiheit kann als Gefühlslosigkeit verstanden werden, der Partner muss immer richtig erkennen, was mir missfallen hat. Aber die übermäßige Eifersucht und "Steifheit" und die unnötigen Versuche, die Freiheit der Kontakte und Bekanntschaften zu begrenzen, ist noch viel schlimmer. Man muss immer damit rechnen, dass nichts im Leben von Dauer ist und in Kauf nehmen, dass man den Partner immer verlieren kann. Dieses Risiko gehört einfach zum Leben. Man soll eher die Gedanken richtig leiten und ablenken, als etwas zu verbieten. Diese Grenzen richtig zu setzen macht viel Lebenserfahrung erforderlich. In unserer Beziehung spielten auch der Alters-, Intelligenz-, Bildungs- und Attraktivitätsunterschied eine gewisse Rolle. Bei meinem Freund war oft der Mangel an Vernunft und an Lebenserfahrung sichtbar. Oft stellte er so banale Fragen, dass das in der Gesellschaft auch genierend sein konnte. Andererseits hatte er diese Frische, Kritizismus und Hartnäckigkeit bewahrt, die für die Landsleute so charakteristisch sind. Er war auch ehrlich, aufrecht, loyal und man konnte sich auf ihn verlassen, was für die heutigen jungen Leute in Polen eine Seltenheit ist. In jenen zwei Jahren erlebte ich alle möglichen Stimmungsumschwünge: Von Euphorie bis zum Zusammenbruch. Am Anfang war ich noch recht naiv. So naiv, dass ich ernsthaft dachte, dass die Polizei in Polen wirklich damit beschäftigt sei, die Rechtsregeln zu beschützen, und um sich von der Beschuldigung zu befreien, würde es genügen, ihr dabei behilflich zu sein, dann würde die Sache objektiv erledigt. Es stellte sich heraus, dass sie zu faul und zu wenig flexibel sind, unfähig, ein objektives Verfahren durchzuführen, und so wurde ich eines Besseren belehrt. Das Einzige, was noch zählt, sind nur Sensation, Schuldspruch und Erfolg um jeden Preis, weil davon die Belohnung und die Beförderung abhängig sind. Wozu sich allzu sehr anstrengen, wenn sich etwas früher verkaufen ließe, und an Informationen, die man während der Ermittlung erworben hat, recht gut verdienen. Was zählt dabei ein Amtsgeheimnis, es gibt ja heutzutage keine Amtsgeheimnisse mehr, oder eine objektive Ermittlung, sondern nur die maximale Sensation und der Erfolg, und falls sich dann die Schuld nicht nachweisen ließe, kann man ja die Ermittlung praktisch unendlich verlängern. Die Pressevorschriften sind dabei praktisch so gut wie ohne Bedeutung; wenn man es will, kann man schon am Anfang des Verfahrens nicht nur wahre Initialen, Alter usw., sondern, falls das nötig scheint, auch den wahren Namen veröffentlichen. Das Zivilverfahren dauert ja jahrelang, was dann noch ein günstiges Urteil nutzen kann. Wenn jemand nicht sehr reich ist oder nicht über große Einflüsse verfügen kann, ist man in Polen einer Zeitung gegenüber ganz machtlos, die über die besten Rechtsanwälte verfügt und auch über verschiedene Bindungen mit Rechtsanwälten, Richtern und Beamten. Was bedeutet bei diesen Bindungen die Gerechtigkeit oder das Wohl eines einzelnen Menschen? Deswegen wächst allmählich unter den Polen das Gefühl der Machtlosigkeit, der Ohnmacht und der Entfremdung. Man kann feststellen, dass die Opposition gleichermaßen gegen die Relikte des Kommunismus kämpft, wie sie sich in der Praxis seiner Methoden bedient. Immer noch ist die Loyalität der eigenen Partei, Gruppe oder Clique gegenüber wichtiger als die Loyalität gegenüber dem Staat. Es gibt heute in Polen kein gemeinsames Gerechtigkeitsgefühl, und wehe dem, der weder sehr reich noch einflussvoll ist und den Widerwillen einer bedeutenden Person erregt hat. Deswegen ist die Grenze der Freiheit sehr flüssig, abhängig davon, welche Gruppe oder Person sie betrifft. Deshalb werden auch, glaube ich, absichtlich unklare Gesetze verabschiedet, um den Beamten eine Möglichkeit zu geben, frei zu entscheiden, wer gegen das Recht verstoßen hat und wer nicht. In polnischen Verhältnissen ist auch die Staatsanwaltschaft praktisch kein unabhängiges Organ, sondern sie ist stark mit verschiedenen lokalen Würdenträgern verbunden. Dazu kommt noch die immer wachsende Bedeutung der Denunziationen, die der Staatsanwaltschaft immer mehr Arbeit schaffen. Dass dabei nicht allzu viele strenge Urteile kommen, ist nur dadurch bedingt, dass die Gerichte in Polen etwas professioneller sind und über wesentlich bessere und erfahrenere Kader verfügen. Viele Richter glauben noch an die Gerechtigkeit und versuchen, unabhängig zu bleiben. Die Gerichte sind leider mit Millionen von oft ganz unsinnigen Verhandlungen beschäftigt. Wie ich gelesen habe, gab es im Jahr 1995 sieben Millionen Gerichtsverfahren für 36 Millionen Bewohner Polens. Es ist also kein Wunder, dass die Gerichte sinnlos überlastet sind. Alle Regierungen nach 1989 sind kaum daran interessiert, die Justiz entsprechend finanziell zu versorgen, weil je weniger sie leistungsfähig ist, umso mehr Sachen kann durch die Beamten entschieden werden. Deswegen betrachten nicht nur die Privatpersonen, sondern auch die Beamten gemäß der Tradition aus früherer Zeit die Person, über die die Presse geschrieben hat, als quasi verurteilt, auch wenn es keine Gerichtsverhandlung gegeben hat. Diese Methode wurde nicht nur mir gegenüber, sondern auch gegenüber vielen anderen Personen, darunter auch der ehemalige polnische Premierminister Oleksy, mit Erfolg benutzt, der dadurch abtreten musste. Diese paradoxe Situation hat eine Gegenreaktion verursacht, was nichts daran geändert hat, dass diese Prozedur fortgesetzt und heute auch gegen die Journalisten selbst angewendet wird. Die Journalisten werden, um sie etwas einzuschüchtern, von der Arbeit entlassen oder mit dem Disziplinarverfahren zu bestrafen, wegen der Kontakte mit den Personen beschuldigt.

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