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Zum wiederholten Mal versuchte er, wenigstens seine Hände in der straffen Fesselung zu bewegen. Längst hatte Kälte sie erfasst und beginnende Taubheit in den Fingern ließ ihn angestrengt nach Linderung suchen. Vorsichtig zog er an den Seilen, versuchte ein wenig mehr Freiraum zwischen die Handgelenke zu bringen, um das Blut besser zirkulieren zu lassen. Dabei musste er vorsichtig sein, denn die Wache, welche sich neben den beiden Gefangenen niedergelassen hatte, war trotz ihrer augenfälligen Jugend aufmerksam und bereit, jedweden Fluchtversuch unbarmherzig zu unterbinden. Aber an Flucht war ohnehin nicht zu denken. Wie ein Packet verschnürt, lag er im Gras und hätte unter Aufbringung aller Kräfte allenfalls seine Seitenlage verändern können. Es nützte nichts. Keinen Millimeter gaben die Fesseln nach. Mit frustriertem Schnaufen ergab er sich den stramm sitzenden Seilen. Nur zu deutlich wurde ihm seine hoffnungslose Lage bewusst. Die Wilden, in deren Hände sie gefallen waren, würden ihre Gefangenen nicht schonen. Jedes Kind kannte die Geschichten von den verstümmelten Körpern der Unglücklichen, dunklen Ritualen geopfert, ihr Tod Erlösung von den Schmerzen, die sie zuvor durchlebt haben mussten.

Sein Blick wanderte zu dem offenen Feuer, um dessen Rund sich die übrigen Entführer mit Beginn der Nacht niedergelassen hatten. Trostlosigkeit erfasste ihn ob ihrer Zahl und schon spürte er das Brennen in seinen Augen. Nein. Er würde nicht vor diesen Wilden in Tränen ausbrechen. Er würde die Zähne zusammenbeißen und keine Schwäche zeigen. Mit dem trotzigen Stolz des Verlierers versuchte er sich abzulenken, auf andere Gedanken zu bringen. Vielleicht hatte der Andere, der sein Schicksal teilte, mehr Erfolg mit seinen Fesseln? Langsam bog er seinen Kopf nach hinten und blickte in die Richtung, in der er den zweiten Gefangenen wusste. Schnell sah er sich seines Hoffnungsschimmers beraubt. Reglos lag die dunkle Gestalt. Der flackernde Schein des Feuers offenbarte die Blessuren im Gesicht des Anderen, die sich dieser bei seiner Gefangennahme zugezogen hatte. Ja, diese Wilden waren nicht gerade zimperlich mit ihnen beiden umgegangen.

Seit drei Tagen waren sie bereits unterwegs und die schon fast ausgelassene Stimmung ihrer Entführer ließ darauf schließen, dass sie ihrem Ziel nicht mehr fern waren. Johnny erfasste eine ängstliche Unruhe, die die Ungewissheit über das ihm zugedachte Schicksal mit sich brachte und betete, wie schon lange nicht, für seine Rettung.


Mit seinem Einspänner hatte er sein Glück in der Ferne suchen wollen. Sein Aufbruch war einer Flucht gleichgekommen, einer Flucht vor den Geistern der Vergangenheit, die ihn hartnäckig verfolgten. Wohin er auch auswich, irgendwann holte ihn sein Ruf ein, erkannte ihn jemand, der dann nichts Besseres zu tun hatte, als mit genüsslicher Häme sein Geheimnis in die Welt hinauszuposaunen. Als ob es keine anderen Probleme gäbe. Ja, Johnny Summers war schwul, mochte Schwänze und keine Titten. Wen ging das etwas an? Glaubten sie wirklich, er hatte sich dieses Leben ausgesucht? Sah er wirklich so aus, als würde er sich mit voller Absicht und ohne Not gegen das stellen, was man normal nannte? Dazu war er doch viel zu feige. Man musste ihn nur ansehen und konnte den Schwächling erkennen. Wohl auch deshalb war er das perfekte Opfer. Niemand, der sich über ihn lustig machte, ihn drangsalierte, musste ernsthafte Gegenwehr fürchten. Dafür war er nicht stark, nicht skrupellos genug.

Er hatte seine Heimat verlassen müssen, um den Nachstellungen zu entfliehen, hatte sich nach jedem Wegzug vorgesehen und alles getan, um keinen neuen Verdacht aufkommen zu lassen. Alles umsonst. Die „frohe“ Kunde war ihm stets dicht auf den Fersen und holte ihn, kaum dass er sich in der neuen Umgebung hatte einleben können, unbarmherzig ein. Wieder begannen die Leute zu reden, stellten ihm nach, verdarben sein Geschäft und bedrohten gar sein Leben. Und immer wieder war er ausgewichen, nur damit das Spiel sich wiederholen konnte. Er war es so leid, hasste sich seiner Neigung wegen, verzweifelte an dem Los, dass ihm die Vorsehung zugedacht hatte.

Als die Werber durch das Land zogen und von jenem weit entfernt liegenden Land predigten, wo Milch und Honig fließen würden, hatte Johnny neuen Mut gefasst und nicht gezögert, seine wenigen Habseligkeiten auf seinen kleinen Wagen zu laden, vornan die geliebte Fidel mit der er sich den Lebensunterhalt verdiente, und war aufgebrochen, um Farmer zu werden. Er war voll der Hoffnung, dass bis ins gelobte Land niemand die Kunde seiner Vorlieben tragen und so das Leben vergällen würde. Plötzlich war da Sonnenschein, wo sich sonst stets dunkle Wolken hielten. Das Gefühl des Glücks durchzog Johnny bis in die letzte Pore seines Körpers. Drängende Ungeduld erfasste ihn und jenes Fernweh, das den Zugvögeln gemein zu sein scheint.

Erstaunt über die Vielzahl derer, die nichts in der Gegend zu halten schien, machte er sich mit dem Tross auf den Weg nach Westen, dorthin, wo seine neue Heimat liegen sollte. Schnell hatte er Anschluss gefunden. Eine Mutter mit ihrer fast erwachsenen Tochter nahm sich seiner an. Dass bei dieser Wohltat die Hoffnung, einen künftigen Schwiegersohn und damit zwei, wenn schon nicht allzu kräftige, so doch wenigstens männliche Hände im künftigen Heim zu haben, eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben mochte, störte Johnny nicht, bot solche Fügung doch wundersamen Schutz vor Verdächtigung und zudem eine Zukunft, die er sich nicht verderben wollte. Schließlich hatte ihm seine Schwulität nur Ärger eingebracht. Johnny wollte einen Schlussstrich ziehen und einen Neuanfang wagen. Warum sollte ihm nicht das gelingen, wozu andere zu Hauf in der Lage waren? Zudem war das Mädchen, Kathy geheißen, hübsch anzusehen, was sogar ihm aufgefallen war. Ihre Mutter war froh ob der natürlichen Zurückhaltung, die er Kathy gegenüber pflegte und hatte ihn schnell in ihr Herz geschlossen. Derart aufgestellt, sah Johnny zum ersten Mal seit langer Zeit hoffnungsfroh in die vor ihm liegende Zukunft.

Der Mühsal des Weges hatten nicht alle Wagen oder deren Besitzer standhalten können. Schnell schrumpfte der Tross auf die Wenigen, die sich hartnäckig an ihren Traum von einer eigenen Scholle Land klammerten und unverdrossen voranstrebten. Auch Johnny war darunter und diejenigen, die seine Familie zu werden sich erhofften. Gemeinsam trotzten sie dem steinigen Weg. Keine Wetterunbill vermochte sie aufzuhalten. Wenn am Abend die Feuer entfacht wurden und die Frauen das erlegte Wild bereiteten, spielte Johnny auf seiner Fidel und ließ die Herzen lachen. Anfangs erstaunt über die ungewohnte Freundlichkeit, freute sich Johnny bald, wenn er zum Spielen aufgefordert wurde, ihm Kinderaugen, und nicht nur diese, entgegen leuchten und er den Wegbegleitern neuen Mut geben konnte.

Nach gut drei Monaten harter Entbehrungen waren zwei Reiter zu ihnen gestoßen. Da den Gerüchten zu folge, in jener Gegend vermehrte Übergriffe autochthoner Wilder zu fürchten waren, wurden die Fremden trotz ihres düsteren Auftrittes willkommen geheißen. Dass sich diese nicht in die Gemeinschaft einbrachten, des Abends stets abseits lagerten, wurde gutheißend zur Kenntnis und hingenommen. Nur wenn Johnny auf seiner Fidel spielte, gesellten sie sich zu den Lagernden. Schnell bemerkte Johnny den dunklen Blick des Einen auf sich ruhen, dessen einst hübsches Gesicht nicht nur ein wilder Bart, sondern auch eine breite Narbe verunstaltete. Erst irritiert, dann beunruhigt nahm Johnny dessen Interesse wahr. Fast schon panisch sortierte er seine Gedanken, ob er jenem Mann bereits begegnet oder zu nahe gekommen war und nun seine Entdeckung befürchten musste. Allein ihm wollte keine Gelegenheit einfallen und so ließ es Johnny damit bewenden, sich stets in den Schutz weiblicher Umgebung zu flüchten und den beiden Fremden auszuweichen.

Unangefochten kam der Tross auf seinem Weg voran, bis hin zu einem weiten Tal, welches sich den staunenden Augen mit sanften und von kleineren Wasserläufen durchzogenen Hügeln darbot. Der das Land bedeckende Wald bot Wild im Überfluss und lud mit seinem vielfältigen Gesang zum Verweilen ein. Obgleich die beiden Fremden zur Weiterfahrt drängten, forderten Entbehrung und Erschöpfung ihren Tribut. Die Warnung in den Wind schlagend, war der Rastplatz beschlossene Sache. Während die Männer wie gewohnt die Wagen in einem Rund stellten, die Feuer entfachten und kleineres Wild erlegten, nahmen die Frauen mit fröhlichem Geschnatter, wie es nur ihnen eigen ist, von dem nahen Bach Beschlag, um die Wäsche gründlich vom Staub und Schmutz der zurückgelegten Wegstrecke zu säubern. Die Friedfertigkeit des belegten Platzes ließ die vergangenen Strapazen Wert und das erstrebte Ziel ebenso verlockend erscheinen. Den die Gegend misstrauisch absuchenden Blick der Fremden tat man kopfschüttelnd ab.

Als Johnny erwachte, graute bereits der Morgen. Der vorige Abend forderte mit seinem ungewohnt üppigen Mahl und dem kleinen Fässchen Bier, welches ein edler Spender hatte öffnen lassen, nunmehr Tribut und ließ Johnny einen abseitigen Ort aufsuchen, um sich zu erleichtern. Erschrocken fuhr er zusammen, als er sich zweier dunkler Augen bewusst wurde, die ihn gierig musterten. Unfähig, sich zu rühren, starrte er mit heruntergelassenen Hosen zu der sich nun langsam nähernden Gestalt. Die greifbare Bedrohung ließ Johnny leicht zittern und das schmierige Grinsen Übles ahnen. Obgleich sein Instinkt zur Flucht riet, war Johnny unfähig, sich zu rühren. Panisch nahm er wahr, dass sich ihm der Mann unaufhaltsam näherte und schließlich nahe vor ihm stand. Ohne sich wehren zu können, ließ es Johnny zu, dass eine fremde Hand unter sein Hemd langte und von der freiliegenden Körpermitte Besitz ergriff. Die schwielige Wärme, die sein Gemächt hart umfasste, ließ Johnny aufstöhnen. Wissend grinste ihn der Andere an und verstärkte den Druck seiner Hand. Stechender Schmerz ließ Johnny aus seiner Starre schrecken, die nun folgende Gegenwehr den Fremden leise lachen. Mit klammernden griff zog er Johnny näher zu sich heran. Eine Wolke faulen Mundgeruchs nahm ihm den Atem. Als sich eine zweite Hand auf seinen bloßen Hintern legte, schlug Johnny gezielt in das Gesicht des Peinigers und wand sich aus dem vor Überraschung gelockerten Griff. Allein er kam nicht weit. Den Versuch, zu den schützenden Wagen zu fliehen, vereitelte die Hose, welche sich, einer Fessel gleich, fest um Johnnys Fußgelenke schlang und ihn hart stürzen ließ. Von einem surrenden Geräusch begleitet, fiel auch der Fremde und begrub den schmalen Körper unter sich. Johnnys erstickter Laut ging unter in einem nun vielstimmig einsetzenden Geschrei, welches er anfangs nicht recht zuzuordnen vermöchte, dann aber schnell als Kampfgeschrei angreifender Wilder erkannte. Mühsam versuchte er sich unter dem ihn bedeckenden schweren Körper hervor zu arbeiten, dessen Geruch ihm unerträglich schien. Nahes Gewehrfeuer ließ ihn augenblicklich verharren und mit erneut aufkommender Panik auf die ihn umgebenden Geräusche achten.

Schüsse, Schmerzensschreie und die unheimlichen Kampfesrufe verwoben zu einer grausigen Sinfonie des Todes in die sich das Knistern brennender Wagen mischte. Voller Angst rührte sich Johnny nicht, ertrug den Geruch des fremden Körpers, der unbewegt auf ihm liegen blieb. Das Kriegsgeschrei verstummte ebenso plötzlich, wie es begonnen hatte. Johnny hielt den Atem an und lauschte in die scheidende Nacht. Einzig das anschwellende Geräusch des Brandes konnte er ausmachen. Dass plötzlich der Köper von ihm gezogen wurde, traf ihn wie ein Schlag. Mit zusammengekniffenen Augen und dicht an den Erdboden gepresst erwartete Johnny den tödlichen Streich. Als dieser ausblieb, öffnete er zaghaft die Augen und blickte auf bunt bestickte Mokassins neben sich. Kräftige Hände packten nun seinen Körper und zerrten ihn nach oben. Seiner panischen Gegenwehr folgte nun der längst erwartete Schlag und beraubte ihm seiner Sinne.

Als er wieder zu sich kam, erkannte Johnny nicht nur den zweiten, ebenfalls gefesselten Fremden neben sich, sondern beide ironischer Weise in seinem Einspänner liegend wieder, der das allgemeine Feuer unbeschadet überstanden hatte. Auch stellte er erleichtert fest, dass man ihm die Hose gerichtet hatte. Von den Anderen ihres Trecks jedoch fehlte jede Spur. Auch die Geräusche ließen auf keine weiteren Wagen schließen. Fragend blickte er in die ausdruckslosen Augen seines Leidensgefährten. Dessen stumme Resignation ließ das Schlimmste befürchten. Wehmütig dachte Johnny an Kathy und ihre warmherzige Mutter und das, was ihnen widerfahren sein mochte.


Der folgende Tag brachte die erwartete Ankunft. Mit lauten Rufen und jubelnden Trällern wurden die Siegreichen von ihrem Stamm begrüßt und die eilends vorgeführten Gefangenen mit schmähenden Blicken und Worten bedacht. Auch wenn Johnny ihre Sprache nicht verstand, so erschloss sich ihm doch Gestik und Tonwahl nur zu deutlich. Hatte er während ihrer dreitägigen Reise bereits alle Hoffnung verloren, so fand er sich nun hierin bestätigt.

Man brachte die Gefangenen zur Mitte der aus einfachen Holzhäusern bestehenden Siedlung und band sie stehend an zwei der dort befindlichen Pfähle. Der unbarmherzigen Sonne ausgesetzt wie auch den neugierigen Blicken der sich um sie versammelten Kinder, die es sich nicht nehmen ließen, den einen oder anderen Stein nach ihnen zu werfen, warteten sie auf das Unvermeidliche. Der Durst quälte Johnny wie auch die Gewissheit, in Bälde an diesem gottverlassenen Ort sterben zu müssen.

Erst gegen Abend besann man sich der Gefangenen. Das in der Mitte des Platzes entfachte Feuer, welches die Überreste des Einspänners und wohl auch dessen Fracht speisten, erhellte auf bizarre Weise das Geschehen. Traurig verfolgte Johnny das Werk der Flammen, welches seine letzte Habe verzehrte, gedachte wehmütig seiner geliebten Fiedel, die sein eigenes Schicksal vorherzunehmen schien. Plötzlich löste man die Fesseln der Gefangenen und nahm ihnen die Kleider. Die erneut gefesselten Hände wurden an den Pfählen nach oben gezogen, bis die Gefangenen überstreckt an ihnen standen. Der Blick, den Johnny dem Anderen zuwarf, offenbarte, dass dieser mit hängendem Kopf die Prozedur über sich ergehen ließ. Dies änderte sich auch nicht, als ein reich geschmückter, älterer Mann vor sie trat, mit lauter Stimme und unter zustimmenden Gesten sowie Rufen der umstehenden Männer und Frauen etwas verkündete. Ein jüngerer Mann, den Johnny als einen ihrer Entführer erkannte, trat an den weiteren Gefangenen heran und griff nach dessen Körpermitte. Mit zornig klingenden Worten zog er ein Messer und vollführte eine schnelle Bewegung. Der markerschütternde Schrei des Anderen ließ Johnny schier erstarren. Fassungslos konnte er nicht den Blick von dem vor Blut triefenden Etwas abwenden, das der Wilde nun einer Trophäe gleich mit ausgestrecktem Arm nach oben hielt und der jubelnden Menge präsentierte. Erst ein weiterer Blick auf den anderen Gefangenen brachte Johnny die grausige Gewissheit, dass es dessen Gemächt war, welches nun unter anhaltendem Jubel den Flammen überantwortet wurde. Dunkel klaffte die Wunde des Anderen, Blut lief an den schlaffen Beinen hinab. Nur die Bewegung des Brustkorbes ließ erkennen, dass in dem zusammengesunkenen Körper noch Leben war. Ohne ihm weitere Beachtung zu schenken, wandte sich die Menge nun Johnny zu.

Mit Panik sah Johnny nun einen weiteren Mann auf sich zukommen. Er war der Jüngste unter den Entführern und regelmäßig ihr Wächter gewesen. Sein ebenmäßiges Gesicht ähnelte dem des Älteren. Den Blick fest auf Johnny gerichtet, trat er vor ihn und umfasste mit festem Griff auch dessen Geschlecht. Sein lauter Ausruf führte zu einem Raunen die Menge. Johnny, der vor schierer Angst die Augen geschlossen hatte, sah das blutende Geschlecht des Anderen vor seinem geistigen Auge, die Obszönität mit der es gehalten und präsentiert wurde, begleitet vom anhaltenden Schrei des Gemarterten. Er konnte nur noch einen Gedanken fassen, der sich einem Kreisel gleich immer schneller um seine eigene Achse drehte: Gleich, gleich bist du dran. Schon spürte er den Schmerz, hörte das triumphierende Geheul der Menge, sah das Aufflammen des Feuers. Immer wieder und ohne die Möglichkeit, aus der Zwanghaftigkeit der Gedanken ausbrechen zu können.

Als jedoch der Schmerz ausblieb öffnete Johnny zaghaft seine Augen und blickte in das schöne Antlitz seines Gegenüber, geradewegs in zwei dunkelbraune Augen, die ihn sofort in ihren Bann schlugen. Der andere Entführer trat hinzu und redete eindringlich auf den Jüngeren ein. Immer heftiger wurden seine Worte und vernichtender der Ausdruck, mit dem er Johnny bedachte. Unbeeindruckt hiervon hielt der Jüngere den Blick fest auf den Gefangenen gerichtet. Selbst wenn Johnny es gekonnt hätte, er wäre nicht in der Lage gewesen, sich der Eindringlichkeit dieser dunkelbraunen Augen zu entziehen. Auch als der Alte hinzutrat und mit bezwingender Stimme für Ruhe sorgte, konnte sich Johnny nicht aus seiner Starre und von dem Blick seines Gegenübers lösen. So realisierte er erst, als seine Beine unter ihm nachgaben und er zu Boden sank, dass man die Fesseln von Pfahl gelöst und sein Gemächt freigegeben hatte. Vor Schmerz in den überdehnten Gelenken, keuchte Johnny auf und gab dem dringenden Bedürfnis nach, sich auf den Boden zu legen. Fertig mit sich und der Welt schloss er die Augen, atmete tief aus und wartete auf den Tod. Es war ihm gleich, wie sie ihn töten, ob sich die Umstehenden an seinem Leid ergötzen würden. Er wollte sterben, alles hinter sich lassen. Sollten diese Wilden doch mit ihm machen, was sie wollten, nur schnell sollte es gehen. Schnell.

Mit einer Kraft, die er dem jungen Mann niemals zugetraut hätte, wurde Johnny aus seinem Delirium und vom Boden hoch gerissen. Nun doch erschrocken riss er seine Augen auf und starrte mit Entsetzen auf den Jüngeren. Kaum dass er auf seinen wackligen Beinen stand, wurde Johnny auch schon an den Fesseln, die noch immer in seine Handgelenke schnitten, weg von dem Platz, durch die sich stumm teilende Menge, hin zu einem der kleineren Häuser gezerrt. Unsicher stolperte er dem jungen Krieger hinterher, der ihm keine Chance gab, sich seinem Weg zu widersetzen.

Das Haus war schlicht und aus Baumstämmen errichtet. In der Mitte des einzigen Raumes befand sich eine kleine Feuerstelle und über ihr eine Öffnung im Dach, die als Rauchabzug diente. Johnny war zur der dem Eingang gegenüberliegenden Seite des fensterlosen Raumes geführt und bedeutet worden, sich dort niederzulassen. Nur zu gern, kam er der Aufforderung nach, steckte seine noch immer vor Anstrengung zitternden Beine aus und legte seine gefesselten Hände so, dass sie seine Blöße bedeckten. Müde ließ er den Kopf auf die Brust sinken. Zwei Hände, die sich an seinen Fesseln zu schaffen machten, ließen Johnny aufschrecken. Ihm wurden die Fesseln abgenommen. Endlich befreit, rieb er sich über die geschundenen Handgelenke. Verdutzt sah er zu dem vor ihm Hockenden auf, als dieser sie unvermutet vorsichtig ergriff und eine Salbe auftrug. Damit fertig, ließ der Andere Johnny los und setzte sich ihm gegenüber auf den Boden. Eingehend betrachteten sie sich und Johnny wurde erneut bewusst, dass sein Gegenüber ein schönes, anziehendes Gesicht besaß, welches in seiner Andersartigkeit geheimnisvoll auf ihn wirkte. Der bloße Oberkörper war gut definiert und glänzte rotbraun im Schein des Feuers. Das schwarze Haar fiel bis über die Schultern und schimmerte seidig. Unter anderen Umständen hätte ihn Johnny begehrenswert gefunden, aber hier, in dieser Hütte, als Gefangener dieser Wilden? Warum nur musste das Leben so kompliziert sein?

Dankbar nahm er eine Schale entgegen und trank das Wasser darin sofort aus. Dass die ausgedörrte Kehle dabei brannte, störte Johnny nicht. Zu groß war sein Durst, als dass er aus Stolz oder Schmerz die Gabe abgelehnt hätte. Sein Gegenüber beobachte ihn genau, als Johnny auch einen Stück Brot verschlang und die erneut gefüllte Schale abermals leerte. Schließlich reichte er die Schüssel zurück und verharrte still, den Blick auf sein Gegenüber gerichtet. Wieder war er von den intensiven Augen fasziniert, die ihn abwartend, aber auch mit einer gewissen Neugierde musterten. Niedergeschlagen senkte Johnny schließlich den Blick, als ihm erneut seine Situation in den Sinn kam. Was nützten schöne Augen, wenn sie unerreichbar für ihn waren? Was der Liebreiz des Wilden, wenn dieser sein Feind war? Wozu dieser Aufschub, wenn sein doch Tod längst beschlossene Sache war? Ergeben seufzte Johnny leise. Wäre der Andere nicht bei ihm gewesen, er hätte nun sicherlich einige Tränen vergossen.

„Tumosi.“

Aus seinen traurigen Gedanken gerissen, starrte Johnny den Schwarzhaarigen irritiert an.

„Ich Tumosi“, wiederholte dieser und zeigte auf sich.

Verstehend nickte Johnny schließlich und nannte auch seinen Namen. Der Anflug eines Lächelns erhellte das Antlitz des Anderen, als sich dieser erhob und daran machte, einige Felle aufzunehmen.

„Schlafen.“

Erschrocken fuhr Johnny zusammen, als ihn mehrere Felle trafen. Offenbar sollte er sich mit den Fellen zudecken. Johnny machte sich keine Gedanken darüber, weshalb er nun hier schlafen durfte und nicht entmannt ausbluten musste. Zu verlockend war die Aussicht, endlich und mit wärmenden Fellen bedeckt schlafen zu können. Mit letzter Kraft zog er die schweren Felle über sich und schlief umgehend ein.


Unsanft wurde Johnny aus seinem traumlosen Schlaf gerissen. Grummelnd versuchte er die Ursache der Störung auszumachen. Ihm war, als sei er erst vor wenigen Minuten eingeschlafen. Er war noch müde und wollte nicht aufstehen. So dauerte es einige Zeit, bis Johnny sich des Geschehens erinnerte und hastig von seiner Bettstatt auffuhr. Am Eingang der Hütte erkannte er den jungen Wilden, der sich gerade daran machte, das den Eingang verdeckende Fell aus seiner komplizierten Vertäuung zu lösen. Kurze Zeit darauf fiel helles Tageslicht in den Raum und kühle Luft machte sich daran, den Mief der Nacht und des verloschenen Feuers zu vertreiben. Unschlüssig, was nun von ihm erwartet wurde, blieb Johnny auf dem Nachtlager sitzen und schaute sehnsüchtig zur Freiheit verheißenden Türstelle. Aber schon erschien in ihr die Silhouette seines Bewachers, dessen Winken ihn aufforderte, zu ihm zu kommen. Leise ächzend erhob sich Johnny und kam der Aufforderung nach. Erneut wurden ihm die Hände gebunden, ehe er ins Freie treten durfte. Ängstlich sah Johnny zu den Pfählen und hielt nach seinem Leidensgefährten Ausschau. Auch wenn ihm klar war, dass es diesem nicht gut ergangen sein konnte, er sicherlich die Nacht nicht überlebt hatte, war er froh, dass er ihn nirgends entdecken konnte. Tief atmete Johnny schließlich die frische Luft ein, füllte seine Lungen mit dem würzigen Duft des kühlen Morgens und sah sich vorsichtig weiter um. Überall herrschte bereits geschäftiges Treiben. Frauen lüfteten Felle, bereiteten Essen, Männer prüften ihre Waffen. Mittendrin spielten Kinder oder halfen den Erwachsenen. Von überall erschollen friedfertige Stimmen, ertönte Lachen, das Gekreisch kleiner Kinder und das Klappern der Gerätschaften.

Bereits als Johnny aus der Hütte getreten war, spürte er die neugierigen Blicke auf sich ruhen. Wieder einmal wurde ihm seine Blöße bewusst, was ihm Unbehagen bescherte. Obwohl ihm klar war, dass ihn alle hier bereits nackt und verletzlich gesehen hatten, schämte er sich und war bemüht, wenigstens sein Geschlecht mit den Händen zu bedecken. Jemand rief in neckendem Tonfall etwas zu ihnen herüber, was Tumosi in gleicher Weise erwidern ließ. Weitere der Wilden beteiligten sich an dem Wortwechsel und blickten belustigt zu ihnen herüber. Johnny war sich sicher, dass das einsetzende Gelächter auf seine Kosten ging und war froh, als er an einem Arm ergriffen und zielstrebig in Richtung eines kleinen Teiches gezogen wurde, der an die Siedlung angrenzte. Begleitet von einer neugierigen Kinderschar, die ein besonderes Spektakel zu erwarten schien, erreichten sie schnell das Gewässer. Ehe sich Johnny besinnen konnte, fand er sich unter johlendem Gelächter der Kinder im Wasser wieder. Prustend tauchte er auf und rang nach Atem, bevor er erneut von dem bei ihm stehenden Schwarzhaarigen unter die Wasseroberfläche gedrückt wurde. Trotz der gebundenen Hände versuchte Johnny einen Halt zu ergreifen und Fuß zu fassen. Doch Tumosis eiserner Griff hielt ihn in seiner liegenden Position und tauchte ihn immer wieder unter. Panik ergriff Johnny, befürchtete er doch, wie ein junger Hund ertränkt zu werden. Er wollte nicht auf solch jämmerliche Weise enden, wollte überhaupt noch nicht sterben. Was hatte er getan, dass man ihm derart übel mitspielte? Die Panik verflog auch nicht, als Tumosi beruhigend auf ihn einredete und begann, mit einem Lappen über seine Haut zu wischen. Immer heftiger wehrte sich Johnny, versetzte dem Schwarzhaarigen einige Tritte, boxte und schlug mit den gebundenen Händen, kämpfte um sein Leben. Erst ein gezielter Schlag ließ ihn innehalten und in gnädige Schwärze fallen.

Mit brummendem Kopf erwachte Johnny. Er fand sich auf Fellen liegend und in der ihm zugedachten Ecke des Wohnraumes wieder. Blinzelnd hielt er nach seinem Peiniger Ausschau und fühlte sich hierbei ertappt, als just in jenem Moment das Fell am Eingang zurückgeschlagen wurde und Tumosi eintrat. In der einen Hand hielt er eine dampfende Schüssel und in der anderen ein Stück Brot. Beides reichte er nun Johnny. Erst jetzt wurde diesem bewusst, wie hungrig er war. Doch Johnny wollte sich keine Schwäche geben und aß bemüht langsam die wohlschmeckende Suppe und das fladenartige Brot. Während er aß, behielt er Tumosi misstrauisch im Blick. Der Schreck vom Morgen saß ihm noch immer in den Gliedern und er wusste nicht, was dieser Wilde von ihm wollte. Ungerührt und ohne Johnny weiter zu beachten ging Tumosi seiner Tätigkeit nach. Er holte eine weitere, größere Schüssel in die Hütte und stellte sie auf den Boden. Augenblicklich verbreitete sich ein angenehm würziger Geruch im Raum. Kauend beobachte Johnny und sann darüber nach, was nun folgen würde.

Kaum dass er mit seinem Essen geendet hatte, wurde ihm bedeutet, sich in der Mitte des Raumes aufzustellen. Zögernd kam Johnny der Aufforderung nach. Als er nicht schnell genug seine Arme über dem Kopf verschränkte, half Tumosi mit sanftem Druck nach. Johnny war auf alles gefasst, nur nicht darauf, dass er nun gewaschen werden würde. Mit einem Tuch, das der Wilde zuvor in das duftende Wasser getaucht hatte, wurden ihm zuerst das Gesicht, dann der Hals und die Schultern abgerieben. Es folgten die Arme und Johnnys Vorderseite. Die Reinigung erfolgte gründlich und mit Ausdauer. Keine Partie seines Körpers wurde ausgelassen. Mit besonderer Hingabe widmete sich Tumosi Johnnys Genitalien und auch die Spalte zwischen den Pobacken erfuhr eine intensive Behandlung. Auch wenn es Johnny unangenehm war, derart intensiv berührt und betrachtet zu werden, musste er sich eingestehen, dass ihm die Säuberung wohltat und er sich erfrischt fühlte.

Als endlich die Waschung beendet und er mit einem weiteren Tuch getrocknet worden war, wurde Johnny in seine Ecke verwiesen. Die weichen Felle schmeichelten seiner nackten Haut und wärmten sie augenblicklich. Er streckte sich auf dem Lager aus, bedeckte seine Blöße und versuchte sich zu entspannen. Inzwischen hatte Tumosi neues Duftwasser in die Hütte getragen, deren Eingang mit dem dafür vorgesehen Fell verschlossen und begonnen, seine Kleider abzulegen. Fasziniert beobachte ihn Johnny und konnte nicht umhin, den makellosen Körper des Wilden, die glatte Haut und das Spiel der Muskeln zu bewundern. Der Anblick der festen Pobacken und des Gliedes, das schwer auf prallen Hoden ruhte und von dichtem, schwarzem Haar eingerahmt wurde, ließ Johnny hart schlucken. Obgleich er sich bewusst war, dass er Tumosi anstarrte, konnte er den Blick nicht von ihm wenden. Und als jener damit begann, sich selbst zu waschen und dabei keine Stelle seines Körpers aussparte, spürte Johnny seine aufsteigende Lust. Es war ihm peinlich, derart auf den Anderen zu reagieren, wo er diesen doch hassen müsste für das, was man ihm und seinem Leidensgefährten angetan hatte. Dennoch konnte er das zunehmende Kribbeln seiner Hoden nicht verhindern, als Tumosi wiederholt mit dem feuchten Tuch zwischen seine Pobacken fuhr und dort sogar mit leicht kreisenden Bewegungen seiner Hand verharrte.

Mit der überlegenen Ruhe des Siegers beendete Tumosi sein Tun, legte das Tuch zur Seite und wandte sich vollends Johnny zu. Dessen Augen nahmen sofort das Bild des aus dunklem Haar steil aufragenden Speeres wahr, dessen Spitze nur noch halb bedeckt war und im Schein des Feuers feucht glänzte. Schlagartig spürte er die Spannung, die sich in dem kleinen Raum ausbreitete. Johnny zog das ihn bedeckende Fell fester um seinen Körper und rückte von dem Anderen so weit weg, wie es die Hauswand gestattete, während Tumosi langsam und mit entschlossenem Blick zu ihm herüberkam. Obgleich ihn dessen Körper faszinierte, machte die Bedrohung, welche von ihm ausging, Johnny Angst. Mit weit aufgerissenen Augen begegnete er dem dunklen Blick des Schwarzhaarigen.

Bei Johnny angelangt, kniete sich Tumosi vor ihm hin. Mit leichter Hand strich er eine der blonden Strähnen aus dem bleichen Gesicht und über Johnnys bartlose, jugendlich zarte Wange. Langsam fuhr er mit den Fingerspitzen den Hals entlang, strich über das aufgeregte Pulsieren, den Halsansatz und die Schulter entlang. Ein Schaudern schüttelte Johnnys Körper leicht und ließ die wenigen Körperhaare sich aufstellen. Derart abgelenkt bemerkte Johnny zu spät, dass eine Hand nach dem Fell griff, um ihm die schützende Bedeckung zu entreißen. Seine reflexartige Gegenwehr scheiterte am festen Griff des Wilden, der ihn geschickt auf den Bauch drehte und mit seinem Körper auf den Boden pinnte. Johnny schrie mehr vor Überraschung als vor Schmerz, bockte auf und versuchte, Tumosi durch Drehen und Winden abzuschütteln. Allein er hatte keine Chance gegen dessen kampferprobte Muskeln. Deutlich spürte er die heiße Härte an seinem Hintern, den warmen Atem in seinem Nacken. Johnny heulte auf. Er wollte nicht einfach genommen werden wie ein Stück Vieh. Noch einmal bäumte er sich auf, mobilisierte die ihm verbliebene Energie. Doch vergebens. Fest hielt ihn Tumosi im Griff und wartete ab. Zunehmend verließen Johnny die Kräfte, wurden seine Bemühungen, der Umklammerung zu entfliehen, schwächer. Schließlich gab er schwer atmend auf, ließ geschehen, dass ihm die Hände erneut gefesselt und über seinem Kopf fixiert wurden.

Schwer lag der fremde Körper auf ihm, drückte seinen Brustkorb schmerzhaft zusammen und hinderte ihn am Luftholen. Der heiße Atem in seinem Nacken wurde merklich ruhiger. Schließlich drängte sich Tumosi zwischen seine Beine und spreizte sie mit kräftigen Oberschenkeln auseinander. Schon spürte Johnny die Härte zwischen seinen Backen und den Druck an seinem After. Tumosis Absichten waren eindeutig und unter anderen Umständen hätte sich ihm Johnny mit Freuden hingegeben. Aber so ohne Gefühl, so kalt und funktionell wollte er Tumosi nicht in sich haben. Er verschloss sich dem Drängen, versuchte wieder, sich unter dem Anderen hervor zu winden. Doch harte Muskeln, kräftige Beine, schraubstockgleiche Hände und zunehmend einschneidende Fesseln hielten ihn gefangen.

„Nein …“, keuchte Johnny und bäumte sich erneut auf.

Scheinbar mühelos parierte Tumosi die Bewegung.

„Bitte … Nicht …“, protestierte Johnny lauter.

Tumosi fuhr unbeeindruckt fort. Schon begann sein Schwanz den krampfenden After aufzudrücken. Gleißender Schmerz durchfuhr Johnny und ließ in aufschreien.

„Ahh … Bitte …“, flehte Johnny. „Du tust mir weh!“

Panik erfasste Johnny in jenem Maße, wie die Penetrierung voranschritt. Die trockene Gewalt ließ den Schmerz in ungeahnte Höhen fliegen. Als wäre grober Sand im Spiel riss und scheuerte die drängende Härte an der empfindlichen Haut. Tränen sammelten sich in Johnnys Augen, ließen den Blick verschwimmen. Mit letzter Kraft schrie Johnny auf.

„Tumosi! Bitte … nicht so!“

Es dauerte einen Moment, ehe Johnny registrierte, dass Tumosi tatsächlich von ihm abgelassen hatte und von ihm herunter gestiegen war. Zitternd zog er die Beine an seinen Körper, rollte sich zusammen. Er konnte die Tränen ebenso wenig zurückhalten, wie ein leises Schluchzen, das im knisternden Geräusch des Feuers unterging. Erschrocken schrie Johnny auf, als sich Finger zwischen seine Pobacken drängten und kalte Fettigkeit den After benetzte. Obgleich er sich erneut verkrampfte und auszuweichen suchte, waren Finger in ihn eingedrungen. Als sich der andere Körper erneut auf ihn legte, war Johnny klar, dass er es nicht würde verhindern können. Der Andere würde ihn nehmen, so sehr er sich auch dagegen stemmte. Es war nur noch eine Frage der Zeit.

Die Einsicht ließ Johnny erschlaffen. Er wehrte sich nicht mehr gegen die vermehrten Finger, welche ihn dehnten und auf die Penetrierung vorbereiteten. Johnny ließ es zu, dass Tumosi sich in Position brachte und schließlich mit seinem steifen Schwanz in ihn eindrang. Obgleich er dabei vorsichtig vorging, durchführ Johnny heißer Dehnungsschmerz. Zu lange war es her, als er auf solche Weise ausgefüllt wurde. Längst war die erforderliche Gewöhnung, die nötige Routine vergangen, als dass er den Angriff auf sein Innerstes hätte ohne weiteres wegstecken können. Dennoch bemühte er sich, nicht zu verkrampfen, atmete konzentriert und mit zusammengekniffenen Augen. Es ging ihm nicht um Lustgewinn. Er wollte es nur so schnell und so wenig schmerzhaft wie möglich hinter sich bringen.

Als wäre sein Flehen erhört worden, spürte Johnny noch während des Eindringens das Krampfen des auf ihm liegenden Körpers, die Feuchtigkeit, welche sich mit dem letztlich ruckartigen Vorstoß schwallartig in ihm verströmte. In jenem Moment, als sich Tumosi mit einem tiefen Seufzer auf ihn sinken ließ, dankte Johnny seinem Schöpfer für die schnelle Erlösung. Geduldig wartete er darauf, dass sich Tumosi aus ihm zurückzog. Allein der dachte nicht daran, verharrte in seiner Position. Langsam beruhigte sich dessen Atem und die Hitze des Körpers ließ zunehmend nach. Behutsam bewegte sich Johnny, versuchte den schweren Körper loszuwerden. Schnell wurde Tumosis Griff fester und ein unwilliges Knurren beendete jeden Befreiungsversuch. Fassungslos spürte Johnny die wieder erwachende Härte in ihm. Schon begann sich Tumosi zu bewegen. Mit trägen, tiefen Stößen pflügte er das vom vormaligen Erguss bereitete Feld. Das Schmatzen des ein- und ausdringenden Schwanzes wurde mit zunehmender Geschwindigkeit der Bewegung lauter, das Klatschen aufprallender Hoden kündete von der Kraft des jeweiligen Vortriebes. Auch wenn Johnny inzwischen keine körperlichen Schmerzen mehr empfand, fühlte er nichts als die mit seiner Benutzung einhergehende Erniedrigung.


Brennender Schmerz an seiner Hinterpforte weckte Johnny und ließ ihn aufstöhnen, wohlwissend, dass es den Anderen nicht interessierte, wie er sich dabei fühlte. Irgendwann in jener Nacht war er vor Erschöpfung eingeschlafen. Tumosi hatte sich als überraschend ausdauernd erwiesen und ihn nach kürzeren und längeren Ruhephasen immer wieder genommen. Resigniert nahm Johnny nun die langsamen rhythmischen Stöße wahr, die der hinter ihm liegende Wilde vollführte. Er ließ es einfach über sich ergehen, versuchte die Pein zu ignorieren, die sein wunder After litt. Tiefe Traurigkeit machte sich in ihm breit. Wie sehr hatte er sich nach jemanden gesehnt, mit dem er das Lager teilen konnte, der ihn in den Armen hielt, ihn wärmte, Lust gab, tröstete, wenn er traurig sein würde. Er hatte in seiner Einsamkeit sogar in Betracht gezogen, bei Kathy und ihrer Mutter zu bleiben. Nun aber, da er einen Gleichgesinnten gefunden hatte, sollten sich seine Träume nicht erfüllen. Vielmehr setzte sich der Albtraum fort, der all die Jahre sein Leben bestimmte, wenn auch in Form eines Wilden, der sich nicht einmal die Mühe machte, ihm Befriedigung zu geben, welchem er völlig gleichgültig war. Vielleicht wäre es besser gewesen, mit Kathy und den Anderen zu sterben, ein schneller Tod durch einen Pfeil oder eine jener Keulen, welche die Wilden gegen die Siedler geführt hatten.

Johnny bekam nicht mit, als sich Tumosi erneut in ihm verströmte. Erst die Kälte, die der sich entfernende Köper hinterließ, zeigte ihm das Ende des Beischlafs an. Da sich Tumosi vom Lager erhob, keimte in Johnny die Hoffnung, dass die Tortur vorüber war. Er sollte hierin nicht enttäuscht werden, denn Tumosi schlug das Fell am Eingang zurück und verließ die Hütte, ohne sich nach ihm umzusehen. Allerdings hatte er auch nicht die Fesseln gelöst, weshalb sich Johnny um eine halbwegs bequeme Lage bemühte und anschließend seiner Erschöpfung nachgab. Erst Geräusche hinter ihm und der verlockende Duft von Suppe, ließen langsam Johnnys Lebensgeister erwachen und sich mit knurrendem Magen hin zu Quelle des Wohlgeruchs drehen.

Anders als erwartet kniete nicht Tumosi, sondern ein junges Mädchen vor seiner Bettstatt, das kaum älter war als Johnny selbst und ihn aufmerksam beobachte. Plötzlich rief sie nach Tumosi, der sich nach einigem Wortwechsel bequemte, die Fesseln zu lösen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht massierte Johnny seine Gelenke, bemüht, wieder Leben in seine tauben Hände zu bekommen. Er konnte dennoch das Zittern nicht unterdrücken, als er mit dankbarem Blick die Suppe und das Brot entgegennahm. Während er aß, redete das Mädchen weiter auf Tumosi ein. Sie schienen nicht einer Meinung zu sein. Doch das Mädchen hielt dagegen, bis Tumosi schließlich seufzend aufsteckte. Zufrieden mit seiner Reaktion verließ sie das Haus, um kurz darauf mit einer größeren Schale zurückzukehren, deren duftender Inhalt Johnny an die stattgehabte Waschung erinnerte.

Während sich Johnny unter sichtbaren Schmerzen, die jede der Bewegungen in seinem Hintern auslösten, erfrischte, holte das Mädchen nicht nur ein ledernes Beinkleid, sondern auch einen kleinen Tiegel, den sie vor Johnny ablegte und ihm mit Gesten bedeutete, wie er dessen Hinhalt zu verwenden hatte. Johnny war es gleichgültig, dass sie ihn dabei beobachteten, wie er von der Salbe nahm, zwischen seine Beine langte und vorsichtig die wunde Stelle bestrich. Als er hiernach die Hose anlegte, fühlte er sich gleich viel besser. Dass die Hosenbeine umgeschlagen und der Bund mit einem dünnen Seil geschnürt werden musste, störte ihn nicht. Endlich musste er sich keine weitere Blöße geben, fühlte sich nicht mehr so schutzlos und verloren. Dankbar lächelte er das Mädchen an, was ihm einen finsteren Blick von Tumosi einbrachte. Mühsam richtete er sich auf und ging mit den Beiden vor die Hütte, wo sich ihm dasselbe Bild wie am Morgen zuvor bot. Sein unsicherer Gang, die Vorsicht mit der er sich bewegte, brachte Johnny wissende Blicke und das eine oder andere leise Lachen ein. Er kümmerte sich nicht darum und steuerte ein sonniges Plätzchen an. Um seinen Hintern zu schonen, kniete sich Johnny neben die Hütte und genoss die warmen Strahlen der Sonne.

Auch wenn man ihn für den Moment in Ruhe ließ, so trieb Johnny die Ungewissheit um, was aus ihm werden sollte. So wie es aussah, hatte ihn Tumosi lediglich deshalb bei sich aufgenommen, um an ihm seinen Trieb zu stillen. Wie lange sich dessen Interesse hielt, war ebenso wenig vorherzusehen, wie man mit ihm danach verfahren würde. Der Gedanke an das Grauen des ersten Abends, die Schreie des Entmannten und das viele Blut ließ Johnny erzittern. Es musste einen Weg geben, diesem Schicksal zu entfliehen, zurück zu der ihm bekannten Zivilisation zu finden, zu seinem neuen Leben im Westen, dorthin, wo Milch und Honig flossen. Bis dahin würde er sich fügen und auf seine Gelegenheit warten müssen.

Die nächsten Wochen verliefen für Johnny im gleichförmigen Einerlei. Tumosi war wachsam, ließ ihn selten allein, fesselte ihn allabendlich. Nur langsam begann er dem Gleichmut, mit dem Johnny alles hinzunehmen schien, zu vertrauen, betraute Johnny zunehmend selbständig mit den Arbeiten im Haushalt, ließ ihn schließlich gar allein Wasser holen und das Feuer beaufsichtigen. Auch das abendliche Fesseln wurde laxer. Johnny erledigte seine Aufgaben gewissenhaft und ohne zu murren. Stoisch nahm er es hin, dass Tumosi fast jeden Abend sein Lager teilte. Längst gehörten die anfänglichen Schmerzen der Vergangenheit an. Und als Tumosi begann, auf ihn Rücksicht zu nehmen, kam auch Johnny zu seiner Befriedigung. Der Umgang zwischen ihnen wurde offener. Tumosi ließ sich zunehmend auf Johnny ein, schenkte ihm immer wieder ein Lächeln, sanfte Berührungen, aufmunternder Gesten und Worte. Johnnys geschundene Seele sog all dies auf wie ein Schwamm. Er genoss die Zuwendungen und erwiderte sie auch. Ein Außenstehender hätte sie für Freunde, wenn nicht gar für ein Paar halten können.

Im Grunde hätte Johnny zufrieden sein dürfen, es wurde für ihn gesorgt, die Bewohner der kleinen Siedlung hatten sich an seinen Anblick gewöhnt. Johnny hatte bereits einige Wörter ihrer Sprache erlernen können. Zunehmend verstand er sie und Tumosis Handeln besser einzuordnen. Mit Peshewa, dem jungen Mädchen, welches ihm anfangs beigestanden hatte, verstand er sich besonders gut. Sie war Tumosis jüngere Schwester und stets fröhlich aufgelegt. Dennoch konnte Johnny nicht den Anblick der Entmannung vergessen und die kollektive Genugtuung, mit der sie einhergegangen war und die Furcht, selbiges Schicksal zu erleiden. Auch wenn sich Johnny nichts sehnlicher als einen lieben Partner wünschte und ihm Tumosis offensichtliche Interesse schmeichelte, so blieb doch tief in seinem Innersten der Stachel der Ungewissheit über sein weiteres Schicksal.


Es war die Zeit, als sich die Huroki, wie sich der Stamm nannte, bei dem Johnny nun lebte, auf ein großes Fest vorbereiteten, das bei ihnen zu den Höchsten zählte. Eine allgemeine Unruhe hatte die Huroki erfasst, ging es doch um nicht weniger, als dass sich die Stämme der Umgebung trafen, damit die jungen Erwachsenen einen Mann oder eine Frau erwählen konnten. Dabei folgte stets die Frau in das Haus der Erwählten. Um nun nicht einzelne Stämme übermäßig durch Ab- oder Zuzug zu belasten, waren von den Ältesten die jeweilige Anzahl der Personen bestimmt worden, die sich vermählen durften. Auch Peshewa war unter den Auserwählten und Tumosi fiel die Aufgabe zu, seine Familie würdig zu vertreten, da er ihr vorstand.

Viele Dinge waren vorzubereiten. Peshewa erhielt ein kunstvoll besticktes Gewand und ebensolche Mokassins. Ein Essen musste bereitet werden, mit welchem sich Peshewa bei ihrem Erwählten als geeignete Ehefrau zu empfehlen hatte. Auch Tumosi putzte sich heraus, um die Familie würdig zu vertreten. Als der große Tag gekommen war, zogen die Huroki zu einer Wiese die zwischen den Stammesgebieten lag und ihnen als Versammlungs- und Festplatz diente. Nur Gebrechliche und kleine Kinder blieben in der Siedlung zurück. Auch Johnny durfte nicht an dem Fest teilnehmen, da er kein Huroki war. Er verblieb unter der Aufsicht eines Alten, der im Nachbarhaus lebte.

Wie er es sich vorgenommen hatte, packte Johnny Lebensmittel in einen Beutel den er schultern konnte und schlich sich aus dem Haus, kaum dass sich die Huroki auf den Weg gemacht hatten. Die Rufe des Alten missachtend, rannte er in den nahen Wald und in eben jene Richtung, aus der sie einst nach seiner Gefangennahme gekommen waren. Mit etwas Glück würde er den Weg, den die Siedler üblicherweise nahmen, wiederfinden und mit noch mehr Glück einem dort entlang ziehenden Treck begegnen. Ein Hochgefühl beflügelte Johnny und ließ ihn schnell vorankommen. Er hoffte, weit genug zu kommen, um für die Huroki und vor allem Tumosi uneinholbar zu sein.

Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, als sich Johnny entschloss, einen Platz für das Nachtlager zu suchen. Er war müde und seine Füße schmerzten vor Anstrengung. Er hatte sich bis hierher keine Rast gegönnt, war unermüdlich dem Lauf der Sonne gefolgt. Aber nun musste er ausruhen, wollte er am nächsten Tag wieder eine solche Wegstrecke schaffen. Obgleich die Huroki sicher erst zu dieser Zeit zu ihrer Siedlung zurückgekehrt sein und seine Flucht entdeckt haben dürften, entfachte Johnny kein Feuer, das ihn hätte verraten können, aß etwas von seinen Vorräten, trank Wasser aus einem der vielen Wasserläufe der Gegend und suchte nach einem geeigneten Schlafplatz, den er schließlich in einem ausladenden Ast eines mächtigen Baumes fand. Der Ast war ausreichend breit, ihm genügend Liegefläche zu bieten. Zusätzlich schlang Johnny ein Seil um den Baumstamm, mit welchem er seinen Oberkörper fixierte und schlief nach kurzer Zeit ein.

Mit den ersten Sonnenstrahlen, die sich durch das dichte Blätterdach des Waldes stahlen, erwachte Johnny aus einem unruhigen Schlaf. Nicht nur die fremdartigen Laute des nächtlichen Waldes hatten ihn beunruhigt und immer wieder auf mögliche Gefahren lauschen lassen. Auch Peshewa war ihm im Traum erschienen, hatte ihn traurig nach dem Grund seiner Flucht gefragt und Tumosi, der sich ihm mit einem riesigen Messer genähert und damit nach seinem Geschlecht gezielt hatte. Der Schlaf hatte nicht die erhoffte Auffrischung seiner Kräfte gebracht. Doch konnte es sich Johnny nicht leisten, noch ein oder zwei Stunden weiterzuschlafen, wenn er den Abstand der ihn sicher verfolgenden Huroki beibehalten oder gar vergrößern wollte.

Die Angst, wieder eingefangen und dann gefoltert zu werden, trieb Johnny unaufhörlich voran, ließ ihn vergessen, mit seinen Kräften zu haushalten. Am Abend war er so sehr erschöpft, dass er beim Verzehr seines Brotes einnickte und schließlich darauf verzichtete, sich einen schützenden Ast als Schlafplatz zu suchen. Mitten in der Nacht schreckte Johnny aus dem Schlaf. Ein bedrohlich tiefes Grollen erklang unweit von ihm. Er wusste nicht, um welches Tier es sich dabei handelte, aber es klang gefährlich genug, um ihn panisch aufspringen und in die dunkle Nacht rennen zu lassen. Die wenige Sicht ließ Johnny nicht ausreichend erkennen, wohin er rennen sollte. Zweige peitschten ihm ins Gesicht, Wurzeln behinderten seinen Lauf. Nachdem er bereits mehrfach gestürzt war und sich dabei ein Knie aufgeschlagen hatte, verlor Johnny plötzlich vollends den Halt und stürzte einen Abhang hinunter. Anfangs versuchte Johnny noch, auf den Beinen zu bleiben und sich irgendwo fest zu krallen. Wild ruderte er dabei mit seinen Armen und konnte doch nicht verhindern, dass er zu Boden ging. Sein sich überschlagender Körper prallte schließlich gegen einen Baumstamm. Heftiger Schmerz durchfuhr ihn und nahm Johnny den Atem. Er vermochte sich nicht zu rühren oder gar aufzustehen. Schwer keuchend blieb er daher liegen, wartete darauf, dass sich der Schmerz beruhigen würde.

Als der Morgen graute, hatte es Johnny geschafft, sich an den Baumstamm gelehnt aufzusetzen. Am Ende seiner Kräfte tastete er nach dem Beutel mit den Vorräten. Mit Schrecken bemerkte er schnell dessen Fehlen. Frustriert schnaufte Johnny aus. Er würde ausruhen, Kräfte sammeln, Wasser und die Vorräte suchen müssen, wollte er in dieser Wildnis überleben. Zum ersten Mal war er sich nicht sicher, ob seine Flucht die richtige Entscheidung gewesen war. Müde schloss er seine Augen und überließ sich der Hoffnung, der Wildnis doch noch entkommen zu können.

Ein leichtes Kribbeln auf seiner Wange, eine zarte Berührung weckte ihn und ließ Johnny langsam die Augen öffnen. Als er begriff, wessen Antlitz er erblickte, entfuhr ihm ein resigniertes Schnaufen. Er schloss wieder die Augen, als könnte er Tumosis Anwesenheit ignorieren. Johnny spürte, dass er vorsichtig hochgehoben und auf starken Armen getragen wurde. Die Schmerzen seines Körpers überging Johnny ebenso, wie die wohltuende Wärme des anderen Körpers, den Geruch, der diesem anhaftete und den er aus so vielen Nächten nur zu gut kannte. Johnny hatte aufgegeben. Tumosi hatte ihn gefunden und würde ihn zurückbringen, wo man ihn für seinen Fluchtversuch bestrafen, wenn nicht töten würde. Um sich dem zu widersetzen, hatte er nicht mehr die Kraft. Er musste schon wie ein Kind getragen werden. Was war er doch erbärmlich, nicht einmal zu einer ordentlichen Flucht fähig. Sein ganzes Leben schon Versagen und am Ende gar die Hure eines Wilden. Niemand würde eine Träne vergießen, wenn er endlich von dieser Welt ging.

Widerstandslos ließ sich Johnny in der Nähe seines vormaligen Schlafplatzes auf den Boden legen, wo sich noch immer der Beutel mit den Vorräten befand. Apathisch starrte er vor sich hin, verweigerte Essen und Trinken. Es war ihm gleichgültig, als ihn Tumosi schließlich packte, sich über die Schulter legte und den Rückweg antrat. Beiläufig registrierte Johnny, dass sie bereits beim Einbrechen der Dunkelheit die Siedlung erreichten und war enttäuscht über seine eigene Laufleistung. Die Erkenntnis, dass er Tumosi wohl nie hätte entwischen können, nie wirklich eine Chance gegen ihn hatte, ließ Johnny noch tiefer in seine Schwermut sinken. In der Hütte angekommen gab Tumosi nicht eher auf, bis Johnny einige Schlucke Wasser zu sich genommen hatte. Dann bettete er ihn auf die Felle seines Lagers, deckte ihn vorsichtig zu und ließ ihn in Ruhe. Mit der Hoffnung, nie wieder zu erwachen, schlief Johnny ein.


Längst war Johnny erwacht, hatte den Geräuschen in der Hütte gelauscht, den Duft frischen Brotes wahrgenommen. Und doch wollte er nicht die Augen aufschlagen, dem Unausweichlichen ins Gesicht schauen. Was würde nun mit ihm geschehen? Wie würde wohl seine Strafe ausfallen, wie schnell sein Tod eintreten? Als würde es etwas ändern, das Schicksal einen anderen Lauf nehmen, rührte sich Johnny nicht und stellte sich schlafend. Irgendwann aber schmerzte sein malträtierter Rücken so sehr, dass er nicht mehr liegen konnte und sich schließlich aufrichten musste. Er blieb kauernd in seiner Ecke und wartete, den Blick auf den fellbedeckten Boden gerichtet. Es dauerte nicht lange, als eine Schale mit Wasser behutsam in sein Sichtfeld geschoben wurde. Vorsichtig ergriff und leerte er sie in einem Zuge, ohne dabei den Blick zu heben. Dennoch nahm er nur zu deutlich die Anwesenheit Tumosis wahr, der sich ihm gegenüber niedergelassen hatte.

Erschreckt zuckte Johnny zusammen, als ihm die leere Schale aus den Händen genommen wurde. Unsicher wie ein kleines Kind, das man beim verbotenen Spiel erwischt hatte, verschlang er seine Hände miteinander, um sich zu wappnen.

„Warum?“

Die leise, fast flüsternd gestellte Frage ließ Johnny den Blick heben, hin zu Tumosi. Dessen trauriger, verletzter Blick tat ihm weh und ließ Johnny schlucken. Als er nicht antwortete, wiederholte Tumosi die Frage und Johnny wurde klar, dass er sich ihr würde stellen müssen. Ergeben sank er in sich zusammen, nun wieder die knetenden Hände fest im Blick.

„Ich hatte Angst.“

„Angst?“, frage Tumosi ungläubig blickend. „Wovor denn?“

Johnny blieb stumm und starrte unverwandt auf die Stelle vor sich. Tumosi seufzte leise, wartete dennoch auf eine Antwort.

„Ich weiß, ich war anfangs nicht nett zu dir. Aber dann … Ich dachte, wir sind Freunde“, versuchte er es wieder.

Überrascht hob Johnny den Blick und erkannte die ehrliche Enttäuschung in Tumosis Augen. Freunde? Ja, wünschen würde sich das Johnny schon. Freundschaft oder auch mehr. Aber wie konnte das sein? Waren sie – trotz aller Freundlichkeit – nicht Feinde? Vergalt man hier Freundschaft, indem man Genitalien abtrennte? Der Gedanke ließ Johnny bitter ausschnauben.

„Was?“, hakte Tumosi sogleich nach.

„War der andere auch dein Freund?“

Tumosi sah ihn unverständig an.

„Was meinst du?“

„Na der, den ihr massakriert habt“, ätzte Johnny.

Langsames verstehen breitete sich auf den Gesichtszügen des Schwarzhaarigen. Fast sah er erleichtert aus. Ernst blickte er Johnny an.

„Nein, der war kein Freund.“

Die Stille im Raum war greifbar. Selbst die Geräusche, die von außen zu ihnen drangen, schienen plötzlich leiser geworden zu sein. Tumosis Blick verhärtete sich.

„Er war der Mörder meiner älteren Schwester. Er und der Andere haben sich erst an ihr vergangen und sie dann umgebracht.“

Johnny war zu keiner Regung fähig, als ihm die Bedeutung der Worte langsam klar wurde.

„Das tut mir Leid“, flüsterte er schließlich.

„Wir sind ihnen gefolgt, damit Tatonka seine Frau rächen kann.“

Deshalb also die Entmannung. Das machte Sinn. Dennoch…

„Und die Anderen? Warum mussten sie alle sterben?“

Schmerzlich war der Gedanke an Kathy und ihre Mutter, an die anderen Frauen, Männer und Kinder, die doch nur ihr Glück finden, in Ruhe und Frieden ein neues Leben aufbauen wollten.

„Ihr habt die Mörder aufgenommen, ihnen Schutz gegeben. Ihr ward damit alle unsere Feinde.“

Johnny schüttelte den Kopf. All dieses Leid wegen dieser zwei Verbrecher. Welch Irrsinn.

„Dann bin ich also auch dein Feind“, schlussfolgerte Johnny und blickte Tumosi herausfordernd an.

Tumosi erwiderte den Blick. Seine Augen wurden weicher. Ein schmerzlicher Zug umspielte seinen Mund.

„Du warst es. Jetzt nicht mehr.“

Stumm erwiderte Johnny den Blick, ließ seine Augen unruhig zwischen denen des Anderen hin und her huschen. Jetzt nicht mehr, hatte Tumosi gesagt. Der winzige Schimmer Hoffnung erwärmte sein Herz und ließ es fester schlagen. Sollte es doch möglich sein? Hier in der Wildnis, inmitten dieser Menschen der Natur?

„Und jetzt?“, hakte Johnny mit bebender Stimme nach.

Er fürchtete sich vor der Antwort. So viel hing von der Antwort auf sie für ihn ab. Sie entschied alles. Opfer, Sklave oder doch …?

„Nicht mehr.“

„Was dann?“, ließ Johnny nicht locker.

„Du gehörst zu mir.“

Johnny zuckte unmerklich zusammen. Die Antwort konnte für ihn nur eins bedeuten.

„Also bin ich dein Gefangener? Sklave?“

Wieder war Johnny in sich zusammengesackt und ließ resigniert den Kopf hängen. Was hatte er denn geglaubt? Wäre ja auch zu schön gewesen, wenigstens einmal im Leben Glück zu haben.

„Nein. Ich habe dich erwählt.“

Fragend blickte Johnny auf. Was bedeutete das nun wieder? Machte das sie zu Freunden?

„Du bist ein freier Mann. Niemand wird dir etwas antun. Du kannst bleiben oder auch gehen, wohin du willst.“

Ungläubiges Staunen schlug Tumosi entgegen, dessen Augen nun wieder betrübt blickten.

„Sag mir, wie du dich entscheidest.“

Mit diesen Worten erhob sich Tumosi mit einer geschmeidigen Bewegung und ließ Johnny allein in der Hütte zurück. Dessen Empfindungen und Gefühle überschlugen sich, drehten sich im Kreis und immer schneller um das eine Wort, das so viel bedeutete, die Welt zu Füßen legte, der Zukunft ein Gesicht gab: FREI. Nun musste er keine Repressalie fürchten, könnte unbehelligt seinen Weg fortsetzen, nach Westen, dorthin, wo Milch und Honig fließen würden. Welch verlockende Aussicht. Und doch war er allein. Niemals würde er sich dort an einen Mann binden können, ohne fürchten zu müssen, dass all die erlebten Verfolgungen wieder aufgenommen würden. Bei den Huroki hingegen akzeptierte man ihn so, wie er war, musste er sich und seine Gefühle nicht verstecken. Aber auch hier wäre er allein. Tumosi hatte ihn nur in sein Bett geholt. Das war zu wenig für eine Zukunft, wie sie sich Johnny vorstellte. Wie sollte er sich also entscheiden? Es war zum verzweifeln.

Gerade als Johnnys Kopf noch tiefer hängen wollte, wurde das Fell am Eingang der Hütte energisch zur Seite geschoben und eine ziemlich aufgebrachte Peshewa stürmte auf Johnny zu. Die Hauswand hinter Johnny fing den Schwung ihrer Umarmung schmerzhaft ab und ließ Johnny aufstöhnen.

„Das hast du verdient“, schimpfte Peshewa ungerührt, nachdem sie sich von Johnny gelöst hatte. „Warum bist du einfach gegangen?“

Mit funkelnden Augen sah sie ihn strafend an. Johnny schmunzelte über ihr Temperament und genoss ihre aufrichtige Anteilnahme.

„Alle haben sich Sorgen gemacht. Und Tumosi ist fast durchgedreht, als er davon erfuhr.“

„Ich wollte kein Gefangener mehr sein“, rechtfertigte sich Johnny.

„Aber das bist du doch nicht, nicht mehr, seitdem dich Tumosi zu seinem Gefährten erklärt hat.“

„Sein Gefährte?“, hakte Johnny fassungslos nach.

Peshewa nickte.

„Weißt du noch? Damals, als du hergekommen bist. Das Ritual.“

Johnny konnte nicht glauben, was er da hörte. Das also hatte Tumosi gemeint, als er sagte, er habe ihn erwählt. Wohlmöglich hatte er ihm gar das Leben gerettet. Er musste es wissen.

„Sag, wäre ich sonst getötet worden ohne Tumosis Erwählung?“

Wieder nickte Peshewa.

„Bitte sag ihm nicht, dass ich es dir verraten habe.“

Nun nickte Johnny bestätigend. Er verfiel wieder ins Grübeln. Wenn er aber Tumosis Gefährte war, weshalb war der dann so grob zu ihm gewesen? Schmerzvoll erinnerte sich Johnny an die erste gemeinsame Nacht.

„Was ist?“, erkundigte sich Peshewa, der der Stimmungswechsel nicht entgangen war.

„Er war so rücksichtslos“, sagte Johnny leise.

„Er war dumm.“

„Jetzt nicht mehr?“, fragte Johnny und blickte zweifelnd.

„Nein“, lächelte Peshewa milde. „Jetzt nicht mehr.“

Nur zu gern wollte dies Johnny glauben und dennoch nagte Zweifel weiterhin an ihm.

„Willst du ihn denn?“, wollte nun Peshewa wissen.

Johnny sah sie an und konnte ihr banges Hoffen erkennen. Ehe er zu einer Antwort ansetzen konnte, betrat ein fremder Mann die Hütte. Beide drehten sich zu ihm und Peshewas Gesicht überzog ein glückliches Lächeln.

„Das ist Watola. Er ist jetzt mein Mann.“

Beide Männer betrachteten sich abschätzend und Johnny gefiel, was er sah. Er fand, dass Watola wunderbar zu Peshewa passte und grüßte diesen durch Neigen seines Kopfes. Würdevoll erwiderte Watola den Gruß und trat mit einem Lächeln näher.

„Sie hat keine Ruhe gegeben, ehe wir nicht hergekommen sind.“

„Ja, Peshewa kann sehr überzeugend sein“, bestätigte Johnny ebenfalls lächelnd.

Watola war ihm sofort sympathisch und er sah wirklich gut aus, wie Johnny anerkennend feststellte. Ein schmerzhafter Stoß gegen seine Rippen ließ ihn sich schnell wieder Peshewa zuwenden.

„Damit das klar ist, das ist mein Mann“, funkelte sie Johnny an.

„Schon klar. Deiner“, lachte Johnny und Watola stimmte ein.

Wieder umarmte Peshewa ihn und sagte versöhnlich:

„Wir müssen wieder zu Watolas Familie. Du weißt ja, dass ich jetzt dort wohne. Aber wir können uns jederzeit sehen. Ihr Dorf liegt nicht weit entfernt von hier. Ich würde mich freuen, wenn du bei Tumosi bleibst.“

Ihr Abschied hinterließ Wehmut und eine immer noch offene Entscheidung. Johnny wog das Für und Wider ab. Wie nur sollte er sich entscheiden? Sollte er auf sein Herz hören, das für ein Bleiben in der Wildnis votierte oder gab er besser der Aussicht auf ein zivilisiertes Leben mit der Hoffnung auf bescheidenen Wohlstand den Vorzug? Johnny war so sehr in Gedanken versunken, dass er Tumosi erst bemerkte, als sich dieser vor ihm niederließ. Er trug vorsichtig ein Bündel in seinem Arm, welches er nun Johnny überreichte. Zögernd nahm es Johnny entgegen, der sich fragte, was dies bedeuten sollte. Tumosi nickte ihm auffordernd zu und Johnny schlug vorsichtig die Enden des Tuches zur Seite. Was er entdeckte, verschlug ihm den Atem und trieb zugleich die Tränen in die Augen. Voller Rührung hielt Johnny nichts anderes in seinen Händen, als seine verloren geglaubte Fiedel samt Bogen. Sacht strich er mit den Fingerspitzen über das lackierte Holz, konnte kaum glauben, dass er das Instrument wieder in seinen Händen halten durfte. Dankbar blickte er zu Tumosi auf, der ihn ernst und eindringlich ansah. Sofort hatte Johnny wieder das Gefühl, sich in dem intensiven Blick zu verlieren, fühlte sich magisch angezogen und auf eine nicht zu beschreibende Weise zu Hause angekommen.

„Bitte geh nicht weg.“

Tumosis sanfte, tiefe Stimme löste Johnny aus seiner faszinierten Betrachtung hin zur Bedeutung der Worte, die an ihn gerichtet wurden.

„Bleib bei mir.“

Johnny blinzelte, rang um Klarheit seiner Gedanken und Gefühle. Sein Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals. Er hielt den Atem an und hing fast zwanghaft an Tumosis den Lippen.

„Als mein Gefährte.“

Nach einem unendlichen Moment der Stille, in welcher sich beide nicht aus den Augen gelassen hatten, fand Johnny endlich wieder zu sich. All die Zweifel, die ihn umgetrieben und nicht zur Ruhe kommen lassen hatten, waren mit jenem Moment von ihm abgefallen. Mit unauslöschlicher Gewissheit stand seine Entscheidung fest. Vorsichtig legte er die Fiedel zur Seite, straffte sich und begegnete Tumosi auf Augenhöhe.

„Wirst du mich jederzeit gehen lassen?“

„Ja“, antwortete Tumosi mit dem ihm eigenen Ernst, „Auch wenn ich mir wünsche, dass dies nie notwendig sein wird.“

Erleichtert atmete Johnny aus. Er hob den rechten Arm, um mit seiner Hand sanft über Tumosis Wange zu streichen. Beider Haut schien zu glühen, als Tumosi die Augen schloss und sich in die dargebotene Hand schmiegte. Vorsichtig, als könnte der Zauber des Augenblicks zerbrechen, rutschte Johnny näher, umfasste das geliebte Gesicht mit beiden Händen und führte es zu seiner Stirn, wo sie angelehnt verharrten. Auch Tumosi Hände hatten Johnny Kopf erfasst und hielt ihn an sich gelehnt. Ihr Blick verschränkte sich fest und tiefgründig. Nichts blieb dem anderen verborgen, nicht die Gefühle, die sie für einander hegten, nicht die Ängste, die mit diesen einhergingen und auch nicht die Entschlossenheit, sich beidem stellen zu wollen.

Mit solchem stillschweigenden Einvernehmen entfernten sie sich wieder von einander, erfassten nun ihre Hände und besiegelten ihren Bund. Tumosis zärtlicher Blick umschmeichelte Johnnys Gesicht, welches vor Glück strahlte. Endlich fühlte Johnny, dass er angekommen war. Nach langer Irrfahrt und durch manches Unwetter hatte er seinen Hort gefunden, an dem er zu Ruhe und zu sich selbst finden konnte. Er war glücklich, wie noch nie in seinem Leben und fest entschlossen, es niemals wieder loszulassen.

Nachwort

Quellenangabe für die indianischen Namen:

http://www.naju-bw.de/naju_aktionstipps/indianer/indianische_namen/namensliste_deutsch_indianisch.php

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