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Zuhause

Teil 6

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»Lammichinruhe!« Knurrend drehte ich mich um und wollte gerade wieder ins Land der Träume reisen, als irgendwas begann, in mein linkes Ohr zu pusten. Und. Das.

Ist. Wirklich. Verdammt. Unangenehm! Ich war zwar noch nicht bereit, dem morgendlichen Grauen ins Antlitz zu blicken - aber danach fragte ja sowieso keiner, also vorsichtig die Augen öffnen.

Oops, wieso war ich nicht im Bett? Und warum ... schlagartig saß ich aufrecht im Bett, oder besser: saß ich aufrecht auf dem Sofa ... und schaute in die lächelnden Augen von Marcus.

»Guten Morgen, du Schlafmütze. Weißt du eigentlich, dass du schnarchst?!«

Das war unfair. Marcus sah aus, als wäre er seit Stunden wach und fit ... und ich krieg' vor der Dusche keinen zusammenhängenden Satz auf die Reihe.

»Morgen, Marcus.«

Und dann fiel mir wieder ein, was gestern alles so passiert war. »Marcus, wie geht's dir?«

Das Lächeln in seinen Augen verschwand nicht, es wurde nur etwas nachdenklicher »Gestern war die absolute Katastrophe, aber ... ich bin froh, dass es raus ist, dass meine Mutter endlich Bescheid weiß. Eigentlich ... fühle ich mich ziemlich gut.« »Gut! Aber ich bin vor dem Frühstück unausstehlich. Laß mich erst mal duschen und Kaffee machen, okay? Und dann reden wir darüber, wer hier schnarcht!«

Marcus lachte. »Klar! Aber schau mal auf die Uhr! Geh duschen, ich mach' das Frühstück.«

Marcus hatte recht, 9:43 Uhr, Himmel, ich hatte über 10 Stunden geschlafen, also, jetzt aber los. Ungefähr zwanzig Minuten später begann ich mich wieder wie ein Mensch zu fühlen und als ich die Treppe herunterging, roch ich Kaffee ... der Tag fing gar nicht so schlecht an und ich ging schnurstracks zu Marcus in die Küche.

Seitdem Mama und ich uns die Küche teilten, hielt sich das Chaos meistens in Grenzen ... hm, naja, sagen wir mal ... man konnte auf den ersten Blick erkennen, dass es die Küche sein sollte und keine Rumpelkammer.

»Habt ihr hier gestern noch ein größeres Fest gehabt?«

Fest? ... Ach so, sicher, Marcus war die blitzblanke Küche seiner Mutter gewohnt und dachte, in unserer Küche ständen noch die Reste eines mittleren Betriebsfestes »Wieso?«

»Ich dachte nur ... es war schwierig, zwei saubere Tassen zu finden.«

»Zwei saubere Tassen zu ‚finden‘? Weißt du ...«

Und jetzt würde Marcus einen von Johannas Lieblingssprüchen kennenlernen, ich stellte mich in Positur und versuchte, genauso würdevoll zu sprechen, wie meine Mutter » ... diese Küche ist keine Wald, hier wachsen keine sauberen Tassen an den Bäumen, folglich kannst du auch keine finden. Du spülst einfach, was du brauchst und alles läuft prima.«

Marcus schaute, als hätte ich ihm gerade erklärt, das die Schwerkraft Mittwochs und Freitags aufgehoben wird.

»Hey, als ich hier ankam, war die Küche ein Schlachtfeld, inzwischen gibt es sogar eine gewisse Ordnung!«

Marcus schüttelte den Kopf »Egal. Übrigens ist der Kaffee fertig.«

»Und das sagst du erst jetzt?«

Ich lief ins Esszimmer und tatsächlich stand da eine verheißungsvoll dampfende Kanne. Nach der ersten Tasse schaltete ich meinen Autopiloten ab und wurde langsam wieder ein Mitglied der menschlichen Gesellschaft ... und ich kriegte klar, dass ich gerade mit Marcus beim Frühstück saß ... Wahnsinn, von so etwas hatte ich früher nur geträumt. »Thommy?«

»Ja?«

»Ich weiß nicht, wie ich das gestern ohne euch geschafft hätte!«

»Hm, naja, so ganz unschuldig bin ich ja nun auch nicht.«

»Stimmt! Also ...«

Marcus grinste. »... erkläre ich dich zum Hauptschuldigen!«

»Ach! Du bist schwul und ich bin schuld daran?«

»Klar. Hättest du mich nicht verführt ...«

Mußte ihm wohl gefallen haben, immerhin kriegte ich einen Kuß. » ... und die Situation schamlos ausgenutzt ...«

Und noch einen. » ... und mich armen, unerfahrenen Jungen...«

Also, jetzt war es aber gut. Ich küsste ihn einfach und hörte so schnell nicht mehr auf.

Wir räumten gerade die Reste des Frühstücks weg, als Mama kam.

»Hallo, ihr beiden! Gut geschlafen?«

»Hallo Mama! Ja, klar. Wie geht's Marcus' Mutter?«

Mama grinste »Darf ich mich erst mal hinsetzen? Immerhin ist es heute ziemlich warm und ich habe nur wenig Schlaf gekriegt. Übrigens, Marcus, deine Mutter hat eine absolut tolle Küche. Ich glaube, wir sollten uns so etwas auch mal anschaffen, alles blitzt und glänzt ...«

»Mama, wir haben eine Küche! Wenn eine Küche dreckig ist, dann kauft man keine neue, sondern putzt die alte!«

 »Putzen? Ach, Thommy, du hast manchmal merkwürdige Ideen! Jedenfalls ...«

Merkwürdige Ideen? Dann kam es mir - Familienhumor. » ... hat Inge Pfannkuchen zum Frühstück gemacht, die waren wirklich lecker. Dazu dieser Ahornsirup ... ich glaube, ich fahre gleich noch mal eben einkaufen, das Zeug will ich auch haben!«

Mama und am frühen Morgen vernünftige Pfannkuchen machen? Nicht in diesem Jahrtausend! Marcus' Gesichtsausdruck lag irgendwo zwischen Verwirrung und Verzweiflung, er kannte Mamas Humor noch nicht.

»Mama, bevor du ein paar Eimer Ahornsirup kaufst... wie geht's Marcus Mutter?«

»Ja, richtig, ich wusste, das da noch was war. Ja, nachdem Inge das Frühstück gemacht hatte, haben wir uns mal richtig unterhalten, so von Frau zu Frau ... war übrigens gar nicht so einfach, der Sirup tropfte immer auf den Tisch und ...«

»Mama!«

» ... ja, ist ja schon gut! Wo war ich? Ach ja, also wir haben uns unterhalten, so von Mutter zu Mutter und ...«

Und jetzt wurde sie ernst » ... Marcus, ich denke, es ist besser, wenn du noch ein paar Tage hierbleibst. Inge geht es zwar schon besser, aber ich glaube, sie muß das alles erst mal verdauen.«

Marcus sah nicht unbedingt glücklich aus und Mama seufzte noch einmal, bevor sie weiter sprach. »Marcus, ich würde dir ja gern was anderes sagen, aber es ist für sie nun auch nicht ganz einfach. Ich werd' heute abend noch mal rübergehen, vielleicht geht's dann ja schon besser und vielleicht wissen wir morgen schon mehr. So, jetzt muß ich aber erstmal einkaufen, schließlich sollst du uns hier ja nicht verhungern.«

Und weg war sie.

Marcus schluckte, aber er lächelte ziemlich tapfer. »Naja, immerhin haben wir den Tag für uns. Was machen wir denn heute?«

Eigentlich wär' der See ja nicht schlecht gewesen, aber da gab es nicht viel, was Marcus ablenken würde.

»Hm, wenn du schon hier wohnst, dann kannst du mir eigentlich auch helfen, oder? Stefan kümmert sich um den Garten und ich mach die Küche ... ich glaub' wir räumen hier mal richtig auf und putzen!«

Das hatte ich eigentlich schon lange mal vorgehabt, mit dem kaputten Arm ging das nicht, aber inzwischen sollte es funktionieren und wenn Marcus ein bißchen aufpaßte, daß sein Verband nicht naß wurde ...

Natürlich wurde er naß, zum Glück war es nur eine kleine Schiene und die konnte wieder trocknen und wir wurden überhaupt ziemlich naß - passiert halt, wenn gelegentlich mal ein Putzlappen durch die Küche fliegt ... oder ein Schwamm. Es dauerte nicht lange und wir waren selbst der dreckigste Teil der Küche, egal, jedenfalls schafften wir es tatsächlich, daß auch unsere Küche blitzte und blinkte. Wir wischten gerade die letzten Reste der kleinen Wasserschlacht vom Boden, als Mama ’reinkam. Und stehenblieb. Und erstmal gar nichts sagte. Aber dann »Ich freu' mich schon die ganze Zeit aufs Mittagessen und was macht ihr? Ihr spielt hier in der Küche herum, anstatt zu kochen! Was sollen wir denn jetzt essen? Und wie seht ihr überhaupt aus?«

Marcus muß das Zwinkern in ihren Augen wohl auch gesehen haben, jedenfalls schaute er mich grinsend an. Okay, Mama hatte ja recht, wir sahen wirklich ziemlich ’runtergekommen aus, aber das meiste war nur Wasser ... und Marcus sah in seinem nassen weißen T-Shirt verdammt gut aus. Aber wir hatten auch echt gearbeitet und so einfach wollte ich Mama nun doch nicht davonkommen lassen »Ooch, wir haben ja grade erst gefrühstückt und wir dachten ... du hast ja bei Inge schon reichlich gegessen ...«

Marcus wußte sofort, was ich wollte. » ... ja, Mamas Pfannkuchen haben es in sich ... und dann noch der Ahornsirup ...«

Und das ganze in einem nachdenklich-besorgten Tonfall, ich konnt' mir das Lachen grad noch verkneifen und weitermachen. » ... genau, und da dachten wir, du wolltest vielleicht besser auf das Mittagessen verzichten und ...«

Der Putzlappen traf mich ziemlich mitten im Gesicht und als nächstes flog ein Schwamm in Richtung Marcus - Mama kann ziemlich schnell sein, wenn sie will und sie grinste zufrieden. »Saubande! Seht zu, daß ihr unter die Dusche kommt, in einer Stunde gibt's Mittagessen!«

Na, was das wohl für ein Essen werden würde ... aber ich wurde das Gefühl nicht los, daß ich altes Bratfett in den Haaren hatte und Marcus sah auch nicht unbedingt taufrisch aus. Also ab unter die Dusche ... wenn das mal so einfach gewesen wäre, ich zog mich aus und wollte ins Bad, als ich mit Marcus zusammenstieß ... tja, wer durfte denn nun als Erster unter die Dusche? Das muß ich vielleicht kurz erklären, mein Zimmer war ja früher das Gästezimmer gewesen und meine Eltern hatten deshalb nachträglich ein kleines eigenes Bad einbauen lassen, hm, die Betonung liegt auf ‚klein‘, in der Dusche konnte ich mich gerade mal umdrehen, keine Chance, zu zweit zu duschen. Ich spielte kurz mit der Idee, das große Etagenbad zu nehmen, aber wenn ich mit Marcus unter der gleichen Dusche stehen würde, dann würde es nicht beim Duschen bleiben - und das muß dann ja nicht unbedingt im Familienbad passieren. »Okay, Marcus, mach mal ... aber beeil dich, ich glaub, wenn das Zeug in meinen Haaren antrocknet, dann kann man es nur noch ’rausschneiden.«

»Danke! Aber ich kann mir Zeit lassen, du mußt sowieso mal zum Friseur ...«

Beim letzten Wort war er schon unter der Dusche ... tja, das hat man nun von seiner Höflichkeit. Lauthals maulend sammelte ich Marcus' schmutzige Wäsche ein und warf sie in den Korb, also, ich mußte ihm noch schonend beibringen, das seine Mutter hier nicht hinter ihm her räumte. »Machst du mir mal den Rücken?«

Na, das hob meine Laune doch schlagartig. Ich schrubbte ihn hingebungsvoll und natürlich hatte ich bald seinen Schwanz in der Hand - genauso steif wie meiner ... aber Marcus nahm meine Hand wieder weg »Nee, Thommy, dafür will ich Zeit haben. Nach dem Essen, okay?«

»Du hast ja recht ... am See?«

»Kannst du Gedanken lesen?«

»Bei dir schon!«

Und so blieb es bei einem Kuss, auch wenn's hart war. Als ich später aus der Dusche kam, saß Marcus schon auf dem Sofa.

»Thommy, wir müssen unbedingt mal einkaufen gehen!«

»Nichts dagegen, aber wie kommst du darauf?«

»Du hast ja nicht mal Musik hier! Und ein paar Bilder oder so was und ein paar Blumen ...stimmt, um deinen Rechner muß ich mich noch kümmern.«

Sprach's und ging ... und da stand ich ein bißchen verwirrt und zog mich erstmal an. Das dauerte nicht so lange, aber wenn Marcus sich darum kümmern wollte, daß ich hier einen Rechner kriegte, dann würde ich ihn nicht stören ... also setzte ich mich und machte ’ne Kippe an und schaute mich um ... irgendwie hatte Marcus recht, es hier ziemlich kahl. Vielleicht ein Regal ... auf jeden Fall einen kleinen Tisch für die Couch ... naja, wenn Marcus unbedingt meinte, okay, ein bißchen Grünzeug und ein Radio wär' schon was schönes. Aber nicht jetzt. Meine neue Familie hatte inzwischen schon mehr als genug für mich bezahlt - und jetzt noch einen Computer, das reichte dann wirklich. Schluß mit der Träumerei, ich ging erstmal das Bad saubermachen, grummel, wie sollte ich Marcus denn erklären, das Zahnpasta auf die Zähne und nicht ins Waschbecken gehört. Und die Zahnbürste gehört in den Schrank ... und da fand ich die Kondome. Von mir aus waren die Dinger unnötig, die hatten mich in der Klinik getestet, aber Marcus? Da hörte ich, wie meine Zimmertür aufging und ich steckte das Päckchen schnell in die Tasche.

»Thommy?«

»Hier, im Bad!«

»Mach doch wenigstens die Tür zu, so spannend find' ich es auch nicht, dir auf dem Klo zuzuschauen!«

»Ich dacht' mir schon, daß du das Bad nur mit geschlossenen Augen betrittst, so, wie du die Zahnpasta im Waschbecken verteilst!«

»Hey, da besorge ich dir einen Wahnsinnsrechner und du regst dich über Waschbecken auf?«

»Wie, Wahnsinnsrechner? Wie hast du das denn geschafft?«

Marcus' Ankündigung trieb mich nun doch aus dem Bad und ich sah grade noch, wie sich Marcus mit einem zufriedenen Grinsen aufs Sofa fallen ließ. »Thommy, du hast einfach zu wenig Erfahrung mit Eltern. Das Zauberwort heißt ‚Schule‘. Ich hab nur gesagt, daß du eigentlich einen Rechner für die Schule brauchst und die Sache war gelaufen. Ach so, du sollst runterkommen, irgendwas wegen der Sauce.«

Es war zwar ziemlich abenteuerlich, Mama beim Kochen zu helfen, aber immer noch besser, als ihr nicht zu helfen und dann das Ergebnis essen zu müssen. Also ging ich runter.

»Hi, Mama, Marcus sagte was von Sauce?«

»Ja, irgendwie schmeckt die noch nicht so, wie ich will. Probier mal!«

Tat ich. Hoffnungslos. Versalzene Pilzsauce. Zu Frikadellen und Bandnudeln. Igitt!

»Okay, ein bißchen Mehl, Wasser, Paprika, ein paar Kräuter, ein bißchen Chayenne um das Salz zu überdecken .... hm, noch ein bißchen mehr Paprika .... so könnt's gehen. Probier mal!«

»Mmhh! Ja, genau so, also Paprika muß da rein, das muß ich mir merken!«

»Nicht unbedingt, aber ist eine Möglichkeit.«

Wir mußten damals im Heim häufiger mal irgendwelche Saucen ‚retten‘ und da gab's verschiedene Möglichkeiten - das beste Möglichkeit hieß ‚Wegschütten und neu machen‘, aber das ging hier nicht. »Marcus sagte, du brauchst einen Computer.«

»Marcus meint, daß ich einen Rechner brauche. Ob das so ist, weiß ich noch nicht.«

Kam nicht in Frage, daß ich hier ’ne Show abzog.

»Marcus sagte auch, das dein Zimmer noch ein bißchen Einrichtung vertragen könnte.«

»Hm, vielleicht, aber irgendwann ist ja auch mal Weihnachten. Vielleicht könntet ihr mir dann einen kleinen Tisch für die Couch schenken.«

Mama lächelte. »Nee, keine gute Idee. Weihnachten gibt's Geschenke und nicht Dinge, die du brauchst. Thommy, wir sind zwar nicht reich, aber wir nagen auch nicht am Hungertuch. Kleinigkeiten bezahlst du von deinem Taschengeld ...«

Aha. Wenn ich welches hätte.

» ... und bei größeren Sachen sagst du Bescheid. Natürlich mußt du dein Zimmer noch weiter einrichten, ist doch völlig klar. Überleg' dir in Ruhe, was du haben willst und dann sagst du einfach Bescheid. Und auch wenn du noch nicht weißt, ob du einen Computer brauchst ... ich denke, du brauchst einen, es ist heute wichtig, daß du mit sowas umgehen kannst. Red mal mit Stefan, der kennt sich da auch aus und dann kauf so ein Ding. So, wir können Essen.«

»Moment mal, nicht so schnell. Also ...«

Hm, wie sollte ich das jetzt sagen. Im Heim gings darum Geld zu kriegen, nicht, es abzulehnen »... so ein Rechner ist sehr teuer ...«

Mama nickte »Stefans hat knapp 5000 gekostet.«

» ... genau, und ich will nicht, das ihr so viel Geld für mich ausgebt. Himmel, ich bin doch erst ein paar Wochen hier und ihr habt schon reichlich bezahlt. Wenn ich wirklich einen Computer brauche, dann wird's auch ein gebrauchter tun. Und so ein Tischchen für die Couch kann ich bestimmt auch irgendwie organisieren!«

Mama lächelte »Also zumindest in der Beziehung hast du eine große Ähnlichkeit mit Stefan, der will auch nie etwas annehmen. Ich mach dir einen Vorschlag: Ich sag Stefan, daß er dir einen Computer kaufen soll und du gehst dir wenigstens einen Tisch kaufen. Es ist langfristig meistens billiger, etwas mehr Geld auszugeben. Abgesehen davon warst du sowieso ein Sonderangebot.«

»Äh, Sonderangebot?«

»Du kommst uns wesentlich billiger als Stefan ... wenn du wüßtest, was allein seine Windeln gekostet haben!«

Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, daß Mama Stefans Windeln gewechselt hatte. Aber da war noch etwas »Na gut, aber ich hab da noch was. Ich will mir kleinere Sachen ja gern vom Taschengeld kaufen ... wenn ich welches kriege.«

Ich fand das damals reichlich unverschämt, aber ich war wirklich ziemlich blank. Gut, eigentlich brauchte ich auch nicht viel, Mama brachte hin und wieder ein paar Päckchen Camel mit, aber irgendwie wollte ich gern auch ein bißchen eigenes Geld haben. »Oh, tut mir leid ... Geld gibt's immer am 1. und da warst du ja noch in der Klinik. Warte ...«

Mama kramte in ihrer Tasche und drückte mir drei Fünfziger in die Hand.

»Das gibt's ab jetzt jeden Monat und darüber wird nicht verhandelt, klar?«

Mama kriegt manchmal diesen ‚Widerstand-ist-zwecklos-Blick‘ und das war einer dieser Momente. »Ja, Mama.«

Dann aßen wir und es war gar nicht sooo schlecht. Anschließend ein bißchen Kaffee und dann ging's los zum See. Wir standen schon im Flur, als Mama noch was einfiel »Ich will euch ja nicht hetzen, aber ich wollte eigentlich zum Abendessen bei Inge sein. Könnt ihr ein bißchen für Papa und Stefan kochen? Und sie trösten, daß ich die Nacht nicht da bin?«

Das ließ uns ein paar Stunden »Ja, klar, kein Problem.«

»Noch was, Marcus, wenn Thommy was braucht, dann kriegt er das auch ... das Spiel mit ‚brauch ich für die Schule‘ kannte schon meine Mutter.«

Ich prustete los und Marcus färbte sich leicht rötlich - mag ja sein, daß ich wenig Erfahrung mit Eltern habe, aber dafür unterschätze ich sie auch nicht.

Der Weg zum See war viel zu lang und als wir da waren, konnte ich mich gar nicht schnell genug ausziehen. Ja, ich weiß, eigentlich wollten wir uns Zeit lassen, aber Klein-Thommy machte schon Freudensprünge, als Marcus sein T-Shirt auszog. Der war aber auch nicht langsamer, und als wir dann im Schatten des kleines Wäldchens lagen, da schluckte ich erstmal. Marcus war wunderschön, der Wind bewegte die Blätter und immer wenn ein Sonnenstrahl auf seine Haut fiel, dann schimmerte sie wie Gold. Ich hatte fast ein bißchen Angst, ihn zu berühren, vielleicht hätte er sich ja wie ein Traum aufgelöst ... tat er aber nicht, sein Körper war samtweich, naja, mit Ausnahme eines bestimmten Köperteils. Ich mußte ihn einfach küssen, alles an ihm und ich glaube, seine Brustwarzen wurden sogar noch ein bißchen härter, als ich sie küßte und ein bißchen mit ihnen spielte. Marcus stöhnte nur und ließ sich verwöhnen, also, mir war's recht, ich hatte den schönsten Job der Welt! Ich spielte vorsichtig mit seinen Eiern und schob seine Vorhaut ganz zurück und dann quoll schon ein bißchen Flüssigkeit aus seinem Schwanz. Früher hatte ich immer nur davon geträumt, mal so etwas in den Mund zu nehmen ... vielleicht sollte ich erstmal nur ein bißchen lecken, Marcus' Schwanz sah so aus der Nähe schon ziemlich groß aus ...

»Nicht!«

Ich glaub, so ungefähr fühlt man sich, wenn man einen Eimer Wasser auf den Kopf bekommt. Marcus schob meinen Kopf weg ... was sollte das denn jetzt? Ich schaute ihn fragend an. »Thommy, schon mal was von HIV gehört? Wir haben keine Gummis, also muß das warten!«

Gut, daß wir so weit weg vom Dorf waren - sonst hätten alle gehört, wie mir ein großer Stein vom Herzen fiel. Ich hatte je ewig darüber gelacht, daß Mama mir Kondome kaufte, aber jetzt hätte ich sie auf der Stelle umarmt ... hm, naja, vielleicht hätte ich mich zuerst angezogen und sie dann umarmt. Ich grinste. »Wer sagt denn, daß wir keine Gummis haben?“ Triumphierend holte ich das Päckchen aus der Hosentasche. Marcus griff danach, aber so hatten wir nicht gewettet. «Nein, nein, laß mich das mal machen! Heute verwöhn ich dich!»

»Mach aber vorsichtig, sonst ist es vorbei, bevor es angefangen hat.«

»Ich bin doch immer vorsichtig, besonders mit deinem besten Stück!«

War ich auch, ich meine, ich war auch vorsichtig ... und ich war auch ein bißchen enttäuscht, daß ich jetzt nur Gummi schmecken würde und nicht Marcus, aber wo er recht hatte, da hatte er recht. Ich leckte erstmal vorsichtig, hm, nicht so toll, aber als ich dann meinen Lippen um seine Eichel schloß, war es nur noch großartig, okay, das hatte vielleicht auch etwas damit zu tun, daß Marcus seine Hand nicht bei sich behalten konnte und anfing, meinen Schwanz zu bearbeiten. Es war echt irre, je geiler Marcus wurde, umso kräftiger wichste er mich und um so kräftiger bearbeitete ich ihn ... und als ich dachte, ich könnte es nicht mehr aushalten, da spürte ich auch das Zucken in Marcus' Schwanz und dann kam ich und spritze ihm alles auf die Brust. Und dann lagen wir nur da ... manche Dinge kann man nicht in Worte fassen. Irgendwann trieb mich die Sucht hoch, also, an diesen Witzen über die Zigarette danach muß doch wohl was dran sein. Ich lehnte an der Birke und schaute auf Marcus herab. Ich weiß, es ist bescheuert, aber ich fing schon wieder an, geil zu werden.

»Marcus, hast du mal überlegt, dich testen zu lassen?«

Naja, ich wußte ja jetzt, wie toll es mit Gummi war, ich konnte es mir zwar nicht vorstellen, aber vielleicht war es ohne ja noch schöner »HIV?«

»Ja.«

»Ist nicht nötig, ich geh' seit einem halben Jahr zum Blutspenden. Aber wenn du willst, geh ich natürlich mit, wenn du gehst.«

Erst grinste ich ... dann lachte ich leise. »Danke. Ist aber auch nicht nötig, die haben mich in der Klinik getestet. Da hätten wir uns die ganze Aktion mit dem Gummi sparen können.«

»Och, ich fand's schön!«

Na, das glaubte ich ihm. »Genießer! Geh und wasch dein bestes Stück und dann probieren wir das gleich noch mal!«

»Bah, du willst mich in das kalte Wasser jagen? Wenn ich da erfriere, hast du auch nichts mehr von mir!«

»Och, dann pack ich dich in die Tiefkühltruhe und mach Eis am Stiel aus dir!«

Irgendwie gefiel ihm die Idee nicht so ganz, aber natürlich standen wir dann irgendwann doch im Wasser, es war zwar nicht sooo kalt, aber wir schrumpelten ganz schön ein und legten uns noch ein bißchen in die Sonne ... es ist einfach schön, wenn der Wind durch die Schamhaare weht ...

»Thommy, willst du wirklich? Ich meine, willst du wirklich ohne Gummi? Ich möchte nicht einfach so in deinem Mund kommen!«

Na, ob ich sein Sperma im Mund haben wollte, wußte ich auch noch nicht »Weißt du was? Sag einfach Bescheid, bevor du kommst, okay?«

Ja, klar, heute weiß ich auch, daß das eine selten dämliche Idee war, aber damals hörte es sich ganz gut an. Ich stürzte mich auf Marcus' Schwanz und ich spürte, wie er in meinem Mund größer wurde ... davon hatte ich immer geträumt und als ich dann noch seine Zunge an meiner Eichel spürte ... Himmel! Natürlich sagte er nichts, als er kam und ich kriegte es auch nicht rechtzeitig mit und plötzlich klatschte Marcus' Saft an meinen Rachen ... ich war viel zu geil, um aufzuhören und wo ich das Zeug schon mal im Mund hatte, schluckte ich es einfach runter. Es dauerte sowieso nicht mehr lange und Marcus kriegte meine Ladung ins Gesicht ... also, das sah wirklich nett aus. Irgendwie muß an diesem See so eine Art Zeitbeschleuniger stehen, als ich auf die Uhr schaute, war es kurz vor fünf.

»Oops, Marcus, wir müssen los!«

Das übliche Spiel mit Waschen und Anziehen, wenigstens hatten wir diesmal Handtücher mit, aber natürlich kamen wir ein bißchen spät - immerhin sollten wir noch kochen. Was ist der beste Freund der Hausfrau, okay, des Hausmanns? Genau, das Ei - also machte ich Schinkenschnittchen mit Ei und als Papa sagte, das sowas in den Südstaaten ‚Strammer Max‘ genannt wird, machte ich mir vor lachen fast in die Hose - was mir ein paar verwunderte Blicke eintrug.

Am Abend passierte nicht mehr viel, abgesehen davon, daß ich zum ersten Mal im Leben im Internet war, naja, nicht alleine, wir saßen in Stefans Zimmer und er führte uns seinen Rechner vor. Das Ding war für meinen Geschmack ja ein bißchen sehr klein, aber irgendwie war das wohl auch das gute daran, was weiß ich, jedenfalls tippten wir irgendwann das Wort ‚schwul‘ in die Suchmaschine ein. Marcus kannte sich auch nicht mit dem Internet aus und wir waren beide überrascht, was es da so alles gab, ich mein', sogar Gruppen und Seiten nur für Schwule... also, da hätte ich gern noch länger reingeschaut.

Schließlich gingen wir ins Bett oder in unserem Fall, auf das Sofa. Übrigens, so ein Gute Nacht Kuß ist schon was schönes!

Manche Dinge ändern sich nie und in unserem Fall hieß das: Schule. Ich spielte ja kurz mit der Idee, zum Frühstück Pfannkuchen zu machen, immerhin hatte Mama Sirup mitgebracht, aber vor dem Frühstück schon kochen? Es gab Toast. Als ich in den Schulbus einstieg, fiel mir noch etwas ein, das ich mir kaufen mußte: Ein Fahrrad! Die Schule war, wie Schule nun einmal ist ... bis zur 4. Stunde, Geschichte, Frau Weger warf wie üblich ihre Tasche schwungvoll auf Lehrerpult, aber damit hörte die Routine dann auch schon auf. Anstatt die Tafel aufzuklappen, kam sie schnurstracks zu mir. »Thomas, gehst du bitte zum Krankenzimmer? Marcus hat versucht, jemanden zu verprügeln und dabei den kürzeren gezogen.«

Marcus? Jemanden verprügeln? Ich grinste. »Entschuldigung, aber das kann nur ein Mißverständnis sein!«

Frau Weger seufzte. »Nein, ich fürchte, das kein Mißverständnis.«

Dann aber los! Ich war schon an der Tür, als mir etwas einfiel »Sorry, wo ist das Krankenzimmer?«

»Die Tür rechts vom Lehrerzimmer.«

Ich war in Rekordzeit da und ging leise in das Zimmer Marcus saß auf einer Liege und die Sekretärin tupfte gerade irgendwas auf seine Stirn ... ich erinnerte mich noch an die freundliche Frau, die mich damals in der Schule begrüßt hatte - jetzt war sie allerdings wohl ein bißchen sauer und murmelte vor sich hin. » ... schuld, das hätte ich ja wirklich nicht von dir gedacht, du kannst doch ... jetzt halt still, sonst tut's noch mehr weh ... und überhaupt, was hast du dir denn dabei gedacht, du hast doch sowieso schon die Hand kaputt, da kannst du doch nicht ...«

Und so weiter. Marcus schien das aber überhaupt nicht zu beeindrucken, er war fast nicht wiederzuerkennen. Da war eine Härte in seinem Blick, die ich noch nie gesehen hatte, wow, er war aber wirklich sauer.

»Marcus!«

Er sprang von der Liege und stieß die Sekretärin dabei zu Seite - also, daß war wirklich nicht der Marcus, den ich kannte. »Thommy! Was machst du denn hier?«

»Ich hab gehört, du wolltest wem zeigen, wo der Hammer hängt, aber ich hab's eigentlich nicht geglaubt.«

»Ging nicht anders!«

»Doch, es wäre auch anders gegangen. Ich mag es nicht, wenn meine Schüler sich prügeln.«

Aha, der Direx war auch gekommen. Und so, wie er sich anhörte, war er auch sauer.

»Also, Frau Weingarten, kann ich Marcus mitnehmen?«

»Wird wohl das beste sein, er hat nur ein paar Schrammen und will meine Hilfe sowieso nicht!«

Na, sie war mir Recht beleidigt. Marcus und der Direktor gingen schon, aber ich wollte mich wenigstens bei ihr entschuldigen. »Tut mir leid, ich weiß zwar nicht, was passiert ist, aber es muß ziemlich schlimm gewesen sein, ich bin sicher, er ist nur ein bißchen ... durcheinander. Normalerweise ist er wirklich nicht so!«

»Ich weiß. Er ist eigentlich ein ganz lieber Kerl, naja, kein Wunder, daß er so durcheinander ist. Aber ...«

»Entschuldigung, was ist denn eigentlich passiert?«

»Ach, dieser Norbert hat wohl ein paar ziemlich gemeine Sachen über dich gesagt und dann ist Marcus ausgerastet. Also ...«

Sie lächelte » ... Mut hat er ja, Norbert ist ziemlich kräftig und schließlich ist Marcus' Hand immer noch nicht in Ordnung. So, und jetzt beeil' dich, der Direktor will sicher auch mit dir sprechen!«

Ich ließ mir trotzdem Zeit ... das mußte ich erstmal verdauen. Das war aber ein Fehler, das ich mir Zeit ließ, meine ich. Als ich die Tür öffnete, blieb ich stocksteif stehen. Marcus und der Direx standen sich gegenüber und ... ich hab's echt nicht geglaubt, Marcus brüllte ... dem Direktor ins Gesicht » ... ist schwul und ich bin es auch und wir lieben uns, aber wenn so ein gottverdammtes Arschloch meint, er könnte sich darüber lustig machen, dann brech ich ihm alle Knochen!«

Aha. Frontalangriff nennt man das wohl. Oder Selbstmordkommando. Gestern standen wir vor dem Abgrund und heute sind wir einen großen Schritt weiter. Oh, heilige Scheiße! Marcus hatte offensichtlich den Verstand verloren und ich hoffte mit aller Kraft, daß das hier nur ein Alptraum war. Wenn es einer war, dann war es der lauteste Alptraum, den ich je hatte. Und jetzt fing der Chef an, zu brüllen »Es ist mir scheißegal, ob ihr schwul seid, so redest du nicht mit mir! Du spinnst doch wohl! Was glaubst du eigentlich ...«

Und so weiter. Und Marcus stand da und blickte dem Direktor in die Augen. Nicht so einfach, wenn man angebrüllt wird, aber ... wenn Blicke töten könnten, dann hätte sich Dr. Baumann schlagartig in ein Aschehäufchen verwandelt. Oder Marcus. Ich wußte nicht so genau, was ich machen sollte, aber ich wußte eines: Niemand, absolut niemand brüllt Marcus an. Naja, wenn ich schon vor die Wand laufe, dann kann ich auch vorher richtig Anlauf nehmen. Also, ich holte tief Luft und brüllte los. Hm, sagen wir mal, es war ziemlich unerfreulich, aber als wir gingen, gingen wir aufrecht raus. Und durften uns die nächsten drei Tage nicht in der Schule blicken lassen. Und er wollte mit unseren Eltern reden. Ich wußte noch nicht so genau, in was für eine Patsche wir uns da geritten hatten, aber irgendwie war es mir auch egal. »Thommy, es tut mir leid. Aber ich konnte nicht anders.«

»Äh, du, ich weiß grade nicht, was ich sagen soll. Ich mein, ich glaub's einfach nicht! Vor ein paar Minuten hätte ich jeden ausgelacht, der ... der sagt, daß du jemanden angreifst. Oder den Direktor anschreist. Was war eigentlich los?«

»Am Anfang war ich nur erschrocken, als Norbert sagte, du wärst schwul. Ich meine, er hatte ja recht, aber dann fing er an, gemein zu werden ... wirklich gemein und dann hab ich rot gesehen. Er ... er durfte das nicht sagen, nicht über dich!«

Schule oder nicht Schule, ich umarmte ihn. »Du hast dich wegen mir geprügelt? Oh, Marcus, war zwar keine gute Idee, aber ich bin sehr, sehr stolz auf dich!«

Er lächelte - zum ersten Mal »Naja, trotzdem haben wir jetzt einen Haufen Schwierigkeiten. Ich war es nur so leid, dieses Versteckspiel. Ich will das nicht mehr ... nie mehr!«

Tja, da stand ich nun. Marcus hatte uns da in was reingeschubst, von dem wir beide nicht wußten, wie es enden würde. »Zusammen, Marcus! Zusammen schaffen wir das!«

Es war wie ein Schwur.

Es klingelte gerade, 5. Stunde und ich beeilte mich, um meinen Kram zusammenzupacken. Stefans Augen wurden rund »Was machst du denn? Spinnst du? Was ist ...«

»Nun, Herr Steinberg, ist ihnen vielleicht entgangen, daß wir noch eine Stunde Latein genießen dürfen?«

Müllerchen, und seine Stimme troff vor Sarkasmus.

»Nein, aber ich fürchte, der Direktor wünscht nicht, daß wir uns die nächsten drei Tage sehen.«

Die ganze Klasse war schlagartig still. »Warum?«

»Tut mir leid, aber das kann ich ihnen hier wirklich nicht erklären.«

Er schaute mich scharf an, dann nickte er. »Wenn einer meiner Schüler vom Unterricht ausgeschlossen wird, dann will ich wissen, warum! Ihr macht Seite 78, Aufgabe eins und drei. Thomas, komm mit.«

Ich nahm mein Zeug und ging mit ihm vor die Tür. »Also?«

Die ganze Sache würde sowieso in ein paar Stunden rund sein und es war mir lieber, er hörte sie von mir - also gab ich ihm die Kurzversion, mit allen wesentlichen Einzelheiten. Marcus hatte gesagt, daß er das Versteckspiel leid wäre - und ich war es auch. Er hörte zu und dann knurrte er mich an. »Freut euch nicht zu früh!«

Nachdem ich mich heute schon mit dem Direx gefetzt hatte, schien es jetzt mit Müllerchen weiterzugehen. Also gut, wenn's denn sein mußte ... aber er sprach weiter. »Ich werde mal mit dem Chef reden, drei Tage sind ein bißchen viel und eigentlich war das ja nur ... eine Art Mißverständnis. Was aber viel wichtiger ist, Thomas ... die nächste Zeit könnte ziemlich hart für euch werden. Ich möchte, daß du weißt, daß ich auf euerer Seite stehen werde. So, und jetzt los, ich muß noch unterrichten. Und damit dir nicht langweilig wird, schau dir Seite 78 und 79 an!«

Und weg war er und ließ mich ziemlich verblüfft auf dem Flur stehen ... also, von Müllerchen hatte ich nun wirklich keine Hilfe erwartet. Aber irgendwie fühlte ich mich ein ganzes Stück besser.

Zum Glück erwischten wir den Schulbus noch und Mama staunte nicht schlecht, als wir eine Stunde zu früh in die Küche kamen.

»Wo kommt ihr denn her? Ist ein Lehrer krank oder ...«

Sie kriegte sofort mit, daß da was nicht stimmte - kein Wunder, bei dem dicken Kratzer auf der Stirn von Marcus ... und sein Kinn war auch ein bißchen angeschlagen.

»Du liebe Güte, was hast du denn gemacht?«

»Setz dich erstmal hin, Mama!«

Sie schaute mich scharf an und setzte sich. »So schlimm?«

»Schlimm? Wohl nicht, aber es gibt ein paar Überraschungen. Also ...«

Und die ganze Geschichte noch einmal, diesmal mit allen Einzelheiten. »... und dann meinte Müller sogar, daß er auf unserer Seite stehen würde. Hätte ich echt nicht gedacht und er will mit dem Direktor reden, ob er sich das mit den drei Tagen nicht nochmal überlegt. Naja, und jetzt sind wir hier.«

Mama hatte nicht mal gezuckt, jetzt stand sie auf und schaute sich die Wunden der Schlacht in Marcus' Gesicht an »Hm, du hast da eine ziemliche Dummheit gemacht ...«

Marcus wollte was sagen, aber Mama ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. »... mit einer kaputten Hand fängt man keine Schlägerei an. Alles andere war zwar vielleicht nicht die beste Idee, die ihr je hattet, aber ...«

Sie strich Marcus über den Kopf » ... auf jeden Fall ziemlich romantisch.«

»Du ... bist nicht sauer?«

»Sauer? Nein. Ein bißchen besorgt? Ja. Nicht wegen Michael, also Dr. Baumann, das kriegen wir schon wieder in die Reihe, aber es wäre mir lieber gewesen, ihr hättet euer coming-out ein bißchen weniger ... überraschend gestaltet. Okay ... macht bitte mit dem Mittagessen weiter, ich ruf eben Johannes an, vielleicht fällt ihm noch was ein.«

Puuhh, war wirklich ein gutes Gefühl, Mama würde sich um die Dinge kümmern und ich brauchte nur ein bißchen in den Töpfen zu rühren. Trotz aller Aufregung fühlte ich mich ... geborgen. Ich versuchte gerade, ein bißchen Geschmack ans Essen zu kriegen, als Mama kam »Stell den Herd ein bißchen kleiner, Johannes kommt zum Mittagessen, aber das wird noch etwas dauern. So, hast du denn schon überlegt, was für einen Tisch du dir kaufen willst?«

»Äh, Tisch? Was für einen Tisch? Wovon redest du?«

»Du hast mir versprochen, einen Tisch für dein Zimmer zu kaufen, schon vergessen?«

»Ach so, nein, aber ... du liebe Güte, ich hab im Moment wirklich was anderes um die Ohren, als diesen Tisch!«

»Hast du nicht. Das ist jetzt mein Job. Also, an was hast du so gedacht?«

Mama ist schon klasse, sie schaffte es tatsächlich, daß wir über Tische redeten, bis Stefan kam, zum Glück war Papa doch ein bißchen schneller, als er gedacht hatte und so mußten wir die ganze Geschichte beim Mittagessen nur einmal erzählen.

Papa nickte nachdenklich. »Hm, da werden wir ein bißchen aktiv werden müssen. Johanna, kannst du mal ein bißchen in der Gegend herumfahren und mit ein paar Leuten reden? Stefan, du könntest dich auch mit ein paar Freunden treffen. Ich werd' mit der Schule sprechen und dann möchte ich auch noch ein paar Leute besuchen. Wir sagen die Wahrheit und sind offen, klar?«

Stefan nickte und wollte grade etwas sagen, als es schellte - es blieb bei einem. »Ich geh schon.«

Und dann stürmte Frau Huber ins Eßzimmer und ihre Augen sprühten Funken. Ich glaub', sogar Papa war für einen Moment erschrocken.

»Marcus! Ist dir was passiert? Wie geht's dir? Tut's weh?«

Sie nahm Marcus Kopf in ihre Hände und schaute ganz genau hin, ob da nicht vielleicht doch ein Auge oder die Nase fehlen würde.

»M ... Mama! Was machst du denn hier?«

Marcus war genauso überrascht wie wir alle ... und für einen Moment hing alles in der Schwebe. Warum war Frau Huber hier? Würde sie ’rumschreien, eine Szene machen, hysterisch werden, Marcus mitnehmen ... ich glaube, das wußte sie selbst noch nicht und zum Glück hatte Papa sich wieder im Griff. »Inge, setz dich. Marcus geht's gut und wir wollten dich sowieso besuchen ...«

Aha. Ich dachte immer, daß Ärzte nicht lügen dürfen.

»... und mit dir überlegen, wie es weitergehen soll. Was weißt du denn schon?«

Es stellte sich heraus, daß die Mutter von diesem Norbert wohl bei Frau Huber angerufen hatte, um sich zu vergewissern, daß es Marcus gut ginge - also erzählten wir die ganze Geschichte noch einmal, so langsam bekamen wir Übung. Als wir fertig waren, machte Papa direkt weiter und sagte ihr, was wir vorhatten.

»... du siehst, die nächsten Tage werden vielleicht ein bißchen turbulent, aber zusammen schaffen wir das!«

Frau Huber lächelte. »Naja, mit Skandalen hab ich ja Erfahrung, wär' doch gelacht, wenn wir das nicht hinkriegen würden!«

Mir fiel ein Stein vom Herzen und Marcus schien es noch nicht so ganz zu glauben »Mama, heißt das, daß ich ... das ich ... immer noch dein Sohn bin?«

Jetzt fiel Frau Huber die berühmte Kinnlade ’runter.

»Ja ... hast du denn ... hast du denn jemals daran gezweifelt?«

»Die letzten Tage ... ich wußte einfach nicht ... ob du mich noch wolltest!«

Marcus' Augen waren feucht und das wurde noch schlimmer, als seine Mutter ihn in den Arm nahm. Papa winkte kurz und wir gingen und schlossen die Tür... das war so persönlich, da wollten wir nicht stören.

Mama fuhr direkt los, Papa ging ins sein Büro und griff zum Telefon und Stefan schwang sich aufs Rad - also ging ich in die Küche, machte Kaffee und fing schon mal mit dem Spülen an. Was heißt: Fing an ... ich spülte und putzte und trank Kaffee ... und dann ging ich hoch, was sollte ich machen? Irgendwie schien das mit Marcus und Frau Huber länger zu dauern ... also fing ich an, Latein zu machen. Ja, genau, weiter ging's mit Ovid und nach ein paar Minuten war ich völlig in lateinischen Satzkonstruktionen versunken ... und kriegte einen ziemlichen Schrecken, als es plötzlich klopfte und Frau Huber im Zimmer stand »So, du bist also der Freund meines Sohnes?«

»Äh, ja, ich denk schon!«

»Und wegen dir hat er jetzt diese Wunden?«

»Na, ich glaube, das hat was mit diesem Norbert zu tun ... aber irgendwie auch wegen mir, da haben sie schon recht.«

Frau Huber setzte sich auf's Sofa. »Oh, bequem!«

Ich verkniff mir die Bemerkung, daß ihr Sohn und ich schon darauf geschlafen hatten. »Thommy ... liebst du Marcus?«

Ich legte den Kuli auf den Schreibtisch und schaute ihr in die Augen. »Ja. Ich liebe Marcus. Ihren Sohn. Und ich bin ein Junge.«

Frau Huber grinste. »Ja, das ist mir auch schon mal aufgefallen. Thommy, Marcus sagt, daß er dich liebt. Ich hätte mir nicht unbedingt ausgesucht, das Marcus schwul ist, aber so ist es nun mal. Ich möchte das er glücklich wird und wenn er das mit dir wird ...«

Sie seufzte ... und dann nickte sie. »... gut! Ich hätte ja nie damit gerechnet, daß ich einen Schwiegersohn bekomme, aber ich glaube ...«

Sie lächelte mich an »... ich hab's gut getroffen.«

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