zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Er gehört zu mir

Teil 1

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

Vorwort

Diese Geschichte ist frei erfunden – Ähnlichkeiten mit realen Personen sind unbeabsichtigt und nicht im Sinne des Verfassers. Verwendete Marken- oder Firmennamen dienen der Realitätsnähe und sind nicht als Reklame anzusehen.

 

„Only you, can make all this world seem bright …“, tönte ein uralter Schmusesong von den „Platters“ aus meinem Radiowecker – er berührte mich sofort. Es war Sonntag, ich tastete nach rechts: Der Platz neben mir war leider leer, denn mein Schatz war seit dem Vortag bei seinen Eltern in Heide. Da wir beide zu Hause nicht geoutet waren, musste er nun einmal alleine fahren.

Nur wegen Jahn (so hieß übrigens mein überaus süßer Freund) bin ich vor gut einem Jahr von Berlin nach Hamburg gezogen. Ihn hatte ich bei einer Feier in meiner Heimatstadt kennengelernt; er war der Cousin von einem meiner Freunde. Jahn gefiel mir sofort, denn als ich ihn zum ersten Mal sah, hatte ich mich in dieses blonde Schnuckelchen verliebt. Jahn war zwar fast zwanzig Zentimeter größer und gut ein Jahr älter als ich, doch seine mandelbraunen Augen faszinierten mich. Am Morgen nach dieser Feier waren wir ein Paar gewesen, doch dann hatte ich erfahren, dass er in Hamburg lebte – also hatte ich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um mit ihm zusammenleben zu können, denn er war einfach etwas Besonderes für mich. Ich bekam im Hafen einen Job als Anlagenmonteur, der gut bezahlt wurde. Meine Aufgabe war, die Schaltungen der Ladekräne am laufen zu halten, weil es dort immer wieder zu Ausfällen kam. Nachdem in meinem Job alles perfekt gewesen war, hatte ich meinem Vater gesagt, dass ich nach Hamburg ginge – er hatte mir aber keine Steine in den Weg gelegt. Im ersten Monat hatte ich in einer Arbeiterpension gewohnt, bis ich dann eine schöne Zweizimmerwohnung in St. Pauli fand. Zu meinem Schatz konnte ich nicht ziehen, weil er nur ein möbliertes Zimmer bei einem älteren Ehepaar gemietet hatte. In meiner Heimatstadt blieb natürlich ein Rückzugspunkt, meine geräumige Wohnung unter dem Dach, im Haus meines Vaters. Ich konnte jederzeit dort hin, denn die Schlüssel waren in meinem Besitz.

Langsam öffnete ich die Augen und schaute auf den Wecker: Es war halb elf Uhr und die Sonne strahlte in mein gemütliches Schlafzimmer. Ich lauschte noch ein bisschen diesem herzzerreißenden Lied, dabei konnte ich mich nicht gegen die Tränen wehren, welche sich in meinen Augen ansammelten. Ausgerechnet an den Pfingstfeiertagen war ich allein und das gefiel mir ganz und gar nicht. Ja, ich liebte meinen Schatz – es war sogar so, dass wir einander wie am ersten Tag verstanden. Noch immer hatten wir beide Schmetterlinge im Bauch, was nach einem guten Jahr Beziehung nicht unbedingt üblich ist. Trotz meiner miesen Laune, quälte ich mich aus dem Bett und schlenderte mit hängenden Schultern ins Bad, um mich erst einmal frisch zu machen.

Nachdem ich fertig war, überlegte ich, wie ich diesen Tag gestalten sollte, denn Jahn wollte erst am nächsten Abend zurück sein. Plötzlich schreckte ich zusammen, mein Handy spielte ein liebliches Lied, das ich meinem Schnuckel zugeordnet hatte. Ich freute mich wie ein Schneekönig, griff mir das musizierende Ding und drückte die grüne Taste.

„Hallo Schatz“, meldete ich mich fröhlich, dann hörte ich schon seine liebe tiefe Stimme, die jedes Wort zu einer Melodie werden ließ.

„Hi Marco, mein kleiner Sonnenschein, geht es dir gut?“, fragte er, worauf ich antwortete: „Hallo mein Süßer, wie kann es mir gut gehen, wenn du nicht bei mir bist? Ich vermisse dich so sehr, komm bloß bald zurück, damit ich dich wieder in die Arme nehmen kann.“

Er sprach mir etwas Mut zu und fragte, was ich machte, worauf ich sagte, dass ich meine Bude auf Vordermann bringen wollte.

Wir unterhielten uns eine ganze Weile, bis er sich dann verabschiedete: „Tschüss Marco, wir sehen uns morgen Abend, ich liebe dich.“

„Ich dich auch, mein Schatz, ich freu mich darauf, dich wiederzusehen, bis morgen!“, erwiderte ich und drückte mein Handy aus – dabei rann mir eine Träne an der Wange herunter, die ich mir mit dem Handrücken entfernte.

Ich fühlte mich leer und aufgebraucht, denn er fehlte mir sehr, doch leider hatten wir des Öfteren diese verflixten Trennungstage. Jahn fuhr zu seinen Eltern, genauso wie ich zu meinem Vater nach Berlin reiste, denn der fehlte mir auch. Mein Dad war nämlich auch etwas ganz Besonderes für mich, eine Mischung von Vater, Bruder und gutem Freund. Mit ihm redete ich über alles, nur wusste er leider noch nicht, dass ich schwul war, das konnte ich ihm einfach nicht sagen. Dad wusste immer genau, wie ich mich fühlte, er ging auf mich ein und hörte mir zu, wenn ich ein Problem hatte. In solchen Fällen redete er oft stundenlang mit mir, nahm mich auch einmal in den Arm und tröstete mich. Meine Mutter hatte ihn verlassen, als ich neun war – zu ihr hatte ich kaum Kontakt, weil wir einander nicht mochten. Vor zwei Tagen, also am zweiten Juni 2006, bin ich einundzwanzig geworden; alle hatten angerufen, natürlich auch Dad. Von meiner Mutter hörte ich nichts, obwohl sie meine Telefonnummern hatte.

Nachdem ich ausgiebig gefrühstückt hatte, machte ich mich daran, meine Küche aufzuräumen – es war einmal wieder Zeit. Zwischendurch musste ich natürlich an Jahn denken, der sich bei diesen Tätigkeiten gerne von hinten anschlich, um mit mir zu schmusen. Da wir bei mir zu Hause fast nie etwas anhatten, kam es oft dazu, dass wir übereinander herfielen, um uns mit geilen Spielchen zu beschäftigen. Genau daran dachte ich, worauf mein Lümmel ein Eigenleben entwickelte und sich aufrichtete. Das gefiel mir, also legte ich mich aufs Bett und kümmerte mich etwas intensiver um meinen kleinen Freund. Nach ein paar Minuten hatte er sich, dank meiner Hilfe, wieder beruhigt und zog sich entspannt zurück. Im Bad entfernte ich lächelnd seine Spuren, doch dabei wurde ich schon wieder von meinem Telefon gestört.

„Hallo, hier ist Marco am Sabbelknochen“, meldete ich mich.

„Hi Großer, frohe Pfingsten!“, gab Gabi lachend zurück, unsere beste Freundin.

Sie wohnte mit ihrem Mann Hannes zwei Häuser weiter, wir mochten die beiden und unternahmen sehr oft etwas zusammen. Die zwei waren schon weit über dreißig, Hannes war ein Riese, gut zwei Meter groß und kräftig. Gabi hingegen war eine kleine zierliche Person, doch sie hatte so etwas Mütterliches an sich, die beiden waren für uns richtige Freunde. Nachdem wir ein paar Minuten gequatscht hatten, verabredeten wir, einen Spaziergang zu machen.

„Also gut, ich zieh mich nur schnell an, wir treffen uns in zehn Minuten vor dem Haus!“, schloss ich das Gespräch und wollte auflegen.

„Na, sagen wir mal in gut zwanzig Minuten, denn so schnell bist du ja doch nicht angezogen“, gab sie lachend zurück und legte auf.

‚Das war aber ganz schön frech’, dachte ich bei mir, doch genau das mochte ich an ihr.

Sofort rannte ich freudig zum Kleiderschrank, suchte mir meine Klamotten heraus und zog mich in Windeseile an, denn ich wollte schnell fertig sein. Dann kam mein üblicher Blick in den großen Spiegel – nein, das T-Shirt passte absolut nicht zu der Jeans, die ich anhatte. Zum Geburtstag hatte mir Jahn ein richtig geiles, teures Shirt geschenkt – das wollte ich anziehen, also tat ich es. Jetzt gefiel mir mein Outfit schon besser. Doch halt: Gabi und Hannes hatten mir eine silberne Königskette geschenkt. Genau die gleiche, die Jahn vor fünf Wochen zum Zweiundzwanzigsten bekommen hatte. Die musste ich schon umlegen, obwohl ich sie etwas protzig fand, aber sie rundete das Ensemble richtig ab. Dann ging es ins Bad, ein bisschen Gel in die Haare, dieselben wild gestylt, Hände waschen, abtrocknen, nur noch zum Spiegel. Ja, das war es – ich gefiel mir! – Jetzt schnell ein paar Schuhe an die Füße, dann konnte es losgehen. Nein, die guten schwarzen passten nicht, ich zog mir lieber ein Paar Sportschuhe an, nun passte alles. Meine Geldbörse kam in die rechte Potasche, Zigaretten und Feuerzeug hatte ich auch, also konnte es losgehen.

„Nein, halt, wir sind hier in Hamburg. – Ich werde mal lieber 'ne Jacke mitnehmen, man weiß ja nie, wie das Wetter wird.“

Die braune Lederjacke biss sich mit der weinroten Farbe des Shirts.

„Dann nehme ich lieber die Jeansjacke – fertig.“

Mein Blick fiel auf die Uhr.

„Scheiße, das Ganze hat schon wieder viel zu lange gedauert, über zwanzig Minuten – nun aber los“, dachte ich bei mir.

Nachdem ich die drei Stockwerke hinuntergerast war, stand ich prustend vorm Haus, doch meine Freunde waren noch nicht zu sehen. Ich lief zu dem Haus, wo sie wohnten, als sich dort die Tür öffnete und die beiden mich anlächelten. Gabi fiel mir wie immer um den Hals, sie drückte mir rechts und links ein Küsschen auf die Wange.

„Hi Marco, du bist ja wirklich schon fertig. Gut siehst du aus, wie aus dem Ei gepellt“, meinte sie mit einem lieben Lächeln im Gesicht.

„Hallo ihr zwei, frohe Pfingsten!“, stieß ich hervor, doch jetzt nahm Hannes mich in seine kräftigen Arme.

Manchmal hatte ich etwas Angst dabei, denn seine muskulösen Arme waren dicker als meine Beine. Von ihm bekam ich auch zwei Küsschen, das war normal, er hatte absolut nichts gegen Schwule. Nach dieser bewegenden Begrüßungsszene entschlossen wir uns, einen Kaffee trinken zu gehen. Wir überquerten die Reeperbahn und kehrten erst einmal in unser kleines Café ein, um dort einen Milchkaffee zu genießen. Die Stimmung war gut, ich fühlte mich wohl, doch ich musste immer noch an das Telefonat mit Jahn denken.

Mir fiel der letzte Satz von ihm ein: „Tschüss Marco, wir sehen uns morgen Abend, ich liebe dich.“

Das hatte sich so gekünstelt angehört – irgendwie nicht ehrlich …, aber nein, das konnte nicht sein, wir liebten einander. Doch dann grübelte ich weiter: Hatte ich nicht im Hintergrund Geräusche gehört? Mir war, als wenn ich die Sirene von einem großen Schiff gehört hatte.

„Sag mal, Hannes, gibt es in Heide einen Hafen?“, fragte ich.

Er überlegte kurz, schüttelte den Kopf und antwortete: „Nee, mein Junge, Heide liegt mitten im Land. Das ist die Kreisstadt von Dithmarschen, dem Land zwischen Elbe und Eider. Aber warum fragst du?“

„Ach, nur so“, wiegelte ich ab, „das fiel mir grade ein, weil doch Jahn dort bei seinen Eltern ist.“

Ich verwarf meine trüben Gedanken, denn vielleicht hatte ich mir das ja nur eingebildet. Des Weiteren wohnte ich in St. Pauli, fünfzehn Minuten zu Fuß vom Hafen, in meiner Wohnung konnte ich öfters eine Schiffssirene hören. So bezahlte ich unsere Rechnung, worauf wir einen ausgiebigen Spaziergang machten.

Mittlerweile war es sechzehn Uhr, wir hatten nach unserem Spaziergang den Hafen erreicht und beschlossen, Essen zu gehen, doch wir konnten uns nicht entscheiden, wohin. An den Landungsbrücken fiel unser Blick auf ein Fischrestaurant, wo wir auf der Terrasse Platz nahmen. Nachdem jeder auf die Karte geschaut hatte, gaben wir unsere Bestellung auf und warteten bei einem Bier auf unser Essen. Dabei schaute ich mir immer wieder ein paar hübsche Jungs an, was Gabi natürlich nicht verborgen blieb.

Sie knuffte mich in die Seite und sagte lächelnd: „Marco, lass den Jungs wenigstens den Slip an und zieh sie nicht ganz aus.“

Wir lachten nach ihrem Spruch lauthals los, doch plötzlich gefror mein Lachen: Ich hörte die Sirene eines Frachters. Dieses Geräusch kam mir seltsam bekannt vor, denn mir fiel sofort das Gespräch vom Vormittag ein. Wieder verwarf ich meine trüben Gedanken, denn unser Essen wurde gebracht.

Während ich mir den leckeren Fisch schmecken ließ, beobachtete ich die Leute, natürlich nur die jungen Männer, welche mir gefielen, wie sich wohl jeder denken kann. Etwa hundert Meter von uns entfernt sah ich dann Tom, den ich aus der Szene kannte. Ich mochte ihn nicht – er baggerte alles und jeden an; wer nicht bei drei auf dem Baum war, wurde von ihm flachgelegt … ein unangenehmer Zeitgenosse. Etwas weiter weg stand ein süßes Schnuckelchen, leider konnte ich ihn nur von hinten sehen, er hatte Ähnlichkeit mit Jahn, selbst die Klamotten sahen aus wie seine. Ich konnte sehen, dass er telefonierte, doch dieser Typ, den ich nicht mochte, ging auf ihn zu, ich schüttelte mich bei diesem Gedanken. Dieser schmierige Typ baggerte schon wieder einen unschuldigen Jungen an, ich sah einfach nicht mehr hin. Nach dem nächsten Bissen schaute ich noch einmal hoch, doch die beiden waren nicht mehr zu sehen. So gab ich mich meinem Essen hin und redete angeregt mit meinen Freunden.

Hannes bezahlte die Rechnung, worauf wir auf die Promenade gingen, wir wollten anschließend über die Helgoländer Allee und die Reeperbahn nach Hause gehen. Wir unterhielten uns angeregt, bis ich auf einmal zu einem Denkmal erstarrte. Ich bekam kein Wort heraus, mein Blut gefror in meinen Adern und Tränen flossen an meinen Wangen herunter. Meine beiden Begleiter hatten mittlerweile dasselbe gesehen wie ich, Gabi nahm mich sofort in den Arm. Ich drückte sie aber von mir weg, warf ihr meine Jacke zu und ballte die Fäuste. Da stand Jahn mit diesem Tom und knutschte ungeniert mit ihm herum.

Das, was ich sah, war einfach zu viel für mich, meine Sicherungen brannten hintereinander durch. Mit einem Satz rannte ich auf die beiden zu und schlug mit aller Gewalt meine Faust zwischen die küssenden Gesichter. Ich hörte einen Schrei von Tom, doch das war mir gleich – mit beiden Händen packte ich Jahn an den Armen.

„Du Schwein, ich wusste gar nicht, dass Heide in Hamburg liegt. Hat es dir wenigstens Spaß gemacht, mit diesem Flittchen zu schlafen?“, schrie ich ihn an.

Ich sah aus den Augenwinkeln, dass Tom sich schnellstens aus dem Staub machte. Im Anschluss fing sich Jahn zwei Schellen von mir ein. Er wollte etwas sagen, doch ich schlug noch einmal zu, wobei er strauchelte. Ich ließ ihn liegen, griff in den Ausschnitt meines Shirts und riss es mit einem Ruck auseinander, um es dann verächtlich auf ihn zu werfen.

„Deine Klamotten kannst du dir in den nächsten Tagen bei Gabi abholen“, schrie ich voller Zorn.

Normalerweise hätte ich so nie reagiert, ich trug Gefechte nur verbal aus, ich kannte mich selber nicht mehr, doch ich war mehr als wütend. Seine Augen sahen mich flehend an.

„Marco, es ist nicht so, wie du denkst“, stieß er hervor, doch ich spuckte in sein Gesicht.

Ich zog den silbernen Ring vom Finger, den er mir am Anfang geschenkt hatte, ich warf ihn verächtlich vor seine Füße. Nachdem ich ihm noch einen äußerst giftigen Blick zugeworfen hatte, drehte ich ihm den Rücken zu.

Mit verheultem Gesicht ging ich zu meinen Freunden, Gabi legte mir meine Jacke über die nackten Schultern und nahm mich liebevoll in den Arm. Selbst Hannes schien das zu bewegen, ich spürte seine kräftige Hand auf meinem Rücken, die mir sofort etwas Ruhe schenkte. Wie durch Watte hörte ich meinen Namen, der immer wieder von Jahn gerufen wurde, doch das ließ mich kalt. So langsam beruhigte ich mich, löste mich aus der Umarmung, worauf ich erst einmal richtig in meine Jacke schlüpfte. Gabi tupfte mir die Tränen aus dem Gesicht, legte ihren Arm mütterlich um meine Hüfte und zog mich in Richtung Elbtunnel. Jahn lief hinter uns her, er rief immer wieder meinen Namen und bat um Verzeihung, doch ich wollte ihn nicht mehr sehen.

Hannes drehte sich um, hielt ihn fest und sagte ganz ruhig: „Jahn, das hast du dir selber zuzuschreiben, ich hoffe, du lernst aus deinem Fehler. Wenn du deine Sachen abholen willst, dann ruf vorher an. Danach brauchst du dich bei uns nicht mehr sehen zu lassen, ich verachte dich. Und nun sieh zu, dass du so schnell wie möglich Land gewinnst, ehe ich mich vergesse. Tschüss.“

Mit gesenktem Haupt entfernte er sich, dann spürte ich die starke Hand, die mich weiter Richtung Elbtunnel schob.

Die beiden beförderten mich in den „Pupasch“, wo Hannes drei halbe Holsten und drei Jägermeister bestellte. Wir setzten uns in eine Ecke, wobei ich nun zwischen meinen Freunden saß, die mich ständig trösteten.

„Danke, dass ich euch als Freunde haben darf, sonst hätte ich das Ganze nicht durchgestanden. Mir war heute früh schon so komisch, als er mich angerufen hatte, er sprach so eigenartig, es klang alles wie eingeübt. Wenn ich hier nicht einen guten Job hätte, würde ich wieder nach Berlin gehen, was hält mich noch in dieser Stadt“, sagte ich etwas niedergeschlagen.

Hannes streichelte mir über die Schulter und meinte: „Bleib mal ganz ruhig, Marco, wir sind ja auch noch da, und wenn du uns brauchst, kannst du dich jeder Zeit bei uns melden. Wir trinken erst mal was, dann kommen wir mit zu dir und helfen dir, die Klamotten einzupacken, danach gehen wir zu uns rüber. Wenn du willst, kannst du auch ein paar Tage bei uns bleiben, bis du dich wieder gefangen hast.“

„Nee Hannes, lass mal gut sein, ich will euch beiden nicht zur Last fallen. Ich hab doch noch zwei Wochen Urlaub, den werde ich bei meinem Vater verbringen, ich ruf ihn nachher an. Ich glaube, er ist der einzige, der mir jetzt helfen kann, auch wenn ihr noch so gute Freunde seid“, gab ich zurück.

Wir redeten und redeten, doch als das dritte Bier getrunken war, wollte ich nach Hause. Hannes hatte einen großen Karton geholt, wo wir die Sachen von meinem Ex unterbringen konnten, damit war der Fall für mich erledigt. Die beiden hatten sich dann verabschiedet, also nahm ich mir mein Telefon, um meinen Vater anzurufen. Nachdem es ein paar Mal geklingelt hatte, ging der Anrufbeantworter an. Mist, er war nicht da.

Nach dem Signalton sprach ich: „Hallo Dad, schade, dass du nicht zu Hause bist, ich müsste mit dir reden. Ich melde mich morgen im Laufe des Tages.“

Ich zog mich aus, um dann ins Bett zu gehen, doch zum Schlafen kam ich nicht. Geschüttelt von Weinkrämpfen und Selbstvorwürfen überstand ich die Nacht, ohne eine Minute geschlafen zu haben.

Etwa um zehn Uhr stand ich auf, um mich im Bad frisch zu machen. Als ich danach in den Spiegel schaute, sah ich mich an: Ich schien um Jahre gealtert zu sein. Das Gesicht im Spiegel sah älter aus als das meines Vaters, die Augen rot und dick angeschwollen. Nein, das war ich nicht, doch plötzlich sah ich im Spiegel eine Bewegung, blickte etwas nach rechts und bekam einen Schreck: Hinter mir stand Jahn mit einem genauso verheulten Gesicht wie ich, doch ich wollte ihn nicht mehr um mich haben. Er redete ruhig auf mich ein, entschuldigte sich und versuchte, mich milde zu stimmen. Ich hörte mir das an, jedoch ohne wirklich zuzuhören, bis ich mich dann umdrehte und ihm in die Augen sah.

„Jahn, ich habe dich über alles geliebt, ich war sehr glücklich mit dir, doch ich will dich einfach nicht mehr sehen. Ich könnte dir das nie verzeihen, was du mir angetan hast, gib mir meinen Schlüssel und geh“, sagte ich in einem sehr ruhigen Ton, was mich in dieser total miesen Situation selbst erstaunte.

In diesem Moment registrierte ich erst, dass ich splitternackt vor ihm stand, also griff ich mir ein Handtuch und legte es um meine Hüften. Er sah mir dabei zu, so wie er es oft gemacht hatte, doch das Feuer der Liebe war in mir erloschen. Er hielt mir meinen Wohnungsschlüssel mit traurigem Blick entgegen, doch auch das konnte mich nicht erweichen, es gab nichts mehr zwischen uns beiden.

„Marco, danke für die schöne Zeit, die ich mit dir verbringen durfte, aber ich möchte dir noch kurz was erzählen. Bitte gib mir wenigstens die Chance, dass ich mich mit dir aussprechen kann, dann gehe ich“, sagte er mit Tränen in den Augen.

Es hämmerte in meinem Kopf, ich wollte ihn nicht mehr sehen, aber mich interessierte, was er zu sagen hatte.

Ich nahm den Schlüssel an mich, wobei er schluchzte und weinerlich sagte: „Bitte Marco, lass uns wenigstens noch reden, ich gehe dann und werde dich nicht weiter belästigen, bitte.“

Ich überlegte kurz, eigentlich war ich nicht der Typ, der jemanden wegschickt, wenn er etwas sagen wollte, doch was sollte das Ganze. Er wusste genau, dass ich ihn jetzt nicht abweisen würde, schließlich kannten wir einander über ein Jahr. In meinem Bauch machte sich Wut breit, ich sah ihn wieder am Hafen, mit diesem Tom. Nach kurzer Zeit fasste ich den Entschluss, dass er sich wenigstens bei mir aussprechen konnte.

„Also gut, geh in die Küche und koch uns 'ne Tasse Kaffee, ich zieh mir derweil was an, dann kannst du mir sagen, was du auf dem Herzen hast“, willigte ich ein.

Nachdem ich mir eine kurze Sporthose und ein Shirt übergezogen hatte, fand ich mich in der Küche ein, wo er schon alles vorbereitet hatte. Unsere Lieblingstassen standen auf dem Tisch, bei mir war Milch und bei ihm Zucker drin, der Kaffee lief noch. Es sah alles so aus, wie es vorher war. Wollte er mich etwa zurückgewinnen? Nein, das konnte ich nicht. Er hockte auf dem Stuhl, wo er immer gesessen hatte, und sah sich mit verheulten Augen um, bis sein Blick den meinen traf. Im selben Augenblick fing er herzzerreißend an zu schluchzen, seine Tränen liefen, als hätte jemand einen Wasserhahn geöffnet. Er tat mir zwar etwas Leid, doch ich behielt meine eiserne Miene bei, denn ich konnte das Bild vom Hafen nicht vergessen. Mir fiel erst jetzt auf, dass seine Unterlippe angeschwollen war und dass er einen kleinen blauen Fleck im Gesicht hatte. Na und, dachte ich, das hat er sich selber zuzuschreiben – warum hat er sich mit diesem Nichtsnutz eingelassen.

Der Kaffee war durchgelaufen, also schenkte ich die Tassen voll und setzte mich ebenfalls, natürlich auf den Platz, wo ich sonst immer saß. Ich drückte ihm ein weiches Geschirrtuch in die Hand und sagte mit einem fast väterlichen Ton: „So Jahn, trockne dir mal deine Tränen ab und dann erzähle, was du mir sagen wolltest. Ich werde dich nicht unterbrechen und dich ausreden lassen, denn ich will jetzt wissen, was du mir zu sagen hast.“

Er schlürfte einen Schluck Kaffee, versuchte kurz zu lächeln, was ihm aber nicht gelang, dann holte er Luft und begann ruhig zu reden.

„Nun ja, Marco, es ist nicht leicht, aber ich möchte dir gegenüber kein schlechtes Gewissen haben … Gestern früh hatte ich große Sehnsucht nach dir, ich hielt es bei meiner Mutter einfach nicht mehr aus, mein Vater war ja noch arbeiten. Nachdem ich meine Mutter geweckt hatte, habe ich ihr erklärt, dass ich unbedingt zu mir nach Hause will. Sie fragte natürlich nach dem Grund, worauf ich ihr ins Gesicht sagte, dass ich in einen Mann verliebt und mit dem schon über ein Jahr zusammen bin. Zu meinem Erstaunen hat sie das Ganze total cool aufgenommen und erwähnte sogar, dass sie sich so was beinahe gedacht hatte. Sie machte mir schnell ein gutes Frühstück, danach verabschiedeten wir uns. Mama nahm mich dabei fest in den Arm und sagte: ‚Ich wünsche dir viel Glück mit deinem Schatz, sieh zu, dass du zu ihm kommst, ich verstehe, wie du dich grade fühlst. Mit deinem Vater werde ich schon reden, ich glaube, er wird dir nicht den Kopf abreißen.’ Wir haben beide geheult, doch dann musste ich los, ich wollte dich einfach überraschen und am Nachmittag bei dir sein.

Als ich im Auto saß, entschloss ich mich, den längeren Weg über die Landstraße nach Hamburg zu fahren, denn ich war total aufgewühlt. In Brunsbüttel auf der Fähre habe ich dich dann angerufen, dabei habe ich gespürt, dass ich dir genauso fehlte wie du mir. Bei diesem Telefonat habe ich dich natürlich angelogen, weil ich sagte, wir sehen uns morgen. Diese Worte sind mir sehr schwer gefallen, ich bin dabei rot angelaufen, das habe ich genau gemerkt. Ich war einfach gespannt auf dein Gesicht, wenn ich plötzlich vor dir stehe. Nach dem Übersetzen mit der Fähre habe ich meinem Auto die Sporen gegeben, denn ich wollte so schnell wie möglich zu dir. Mir ging es auf der Landstraße zu langsam, also fuhr ich Richtung Itzehoe, um dort auf der Autobahn weiter zu fahren. Da kam ich natürlich, wie so oft, in einen Stau, was mich total nervös machte, denn ich wollte einfach zu dir. Endlich in Hamburg angekommen, fuhr ich auf dem schnellsten Weg zu deiner Wohnung, doch du warst leider nicht da.“

Wieder liefen ihm dicke Tränen an den Wangen herunter, er trocknete sie, rührte seinen Kaffee um, nahm einen Schluck und redete weiter.

„Danach bin ich zu Gabi rüber, die beiden waren auch nicht da, also dachte ich mir, dass ihr vielleicht etwas zusammen unternommen habt. In dem Café, wo wir oft zusammen saßen, habe ich dann erfahren, dass ihr drei in Richtung Hafen gelaufen seid. Ich ließ mein Auto stehen und ging zu Fuß, ich lief an den Landungsbrücken auf und ab, um euch zu finden. Du hattest dein Handy scheinbar nicht dabei, denn ich habe etliche Male versucht, dich zu erreichen. Dann traf ich Tom, mit dem du mich 'ne halbe Stunde später erwischt hast. Er sah wohl, dass ich dich suche, er meinte, dass er mich begleiten würde, um dich zu finden, er wollte mir scheinbar helfen. Er weiß ja, dass wir beide zusammen si… waren …“

Nach den letzten Worten brach er vollkommen zusammen und heulte ungeniert los, was mir fast das Herz brach. Die Erzählung von ihm klang plausibel, bis jetzt war ja auch noch nichts passiert, aber warum hatte er mit Tom geknutscht, das interessierte mich brennend. Ich stand auf und ging ins Zimmer, um mir eine Zigarette zu holen, doch aus lauter Gewohnheit nahm ich zwei. Egal, dachte ich und nahm mein Handy zur Hand, ich wollte sehen, ob das stimmte, was er gesagt hatte. Satte achtzehn Anrufe in Abwesenheit zeigte mir das Teil an, alle von Jahn. Der letzte war um siebzehn Uhr acht, also kurz bevor ich die beiden gesehen hatte. Ich ging mit etwas Optimismus in die Küche und wollte nun den Rest der Geschichte hören. Jahn saß da wie ein Häufchen Unglück, er tat mir richtig Leid, doch ich behielt meine Miene bei und setzte mich. Ich steckte die beiden Lullen in Brand, eine reichte ich Jahn, der mir zunickte und sofort nervös daran zog.

„Und“, fragte ich mit einem mürrischen Unterton, „was ist dann geschehen?“

Jahn sah mich mit verheulten Augen an, er zitterte am ganzen Körper, nahm hastig ein paar Züge, dann erzählte er weiter.

„Wir haben dich wirklich gesucht, ich jedenfalls, doch dieses Schwein tat wohl bloß so. Wir liefen erst einmal Richtung Fischmarkt, danach schlug ich vor, über die Promenade zu gehen. Es wurde alles abgegrast, wir schauten fast in jede Ecke, sogar am alten Elbtunnel schauten wir überall herein. Plötzlich legte er mir den Arm um die Hüfte, ich habe ihm gesagt, er solle mich nicht anfassen. Dann meinte er, dass er gerade jemanden gesehen hatte, den er ärgern wollte, worauf er mich in den Arm nahm. Ich sagte, er solle das lassen, denn ich wollte nicht in eine solche Situation kommen, wie ich sie dann doch erleben musste …“

Er heulte wieder los, doch dann rang er sich durch, um die letzten Worte wimmernd unter starken Tränen hervorzubringen.

„Er hat mich am Hinterkopf gepackt und seine Lippen auf meine gepresst, es war grauenvoll, ich hätte kotzen können.“

Jahn trocknete sich die Tränen, trank einen Schluck Kaffee und meinte dann: „Marco, wenn du mich vor deinem ersten Schlag richtig angesehen hättest, dir wäre aufgefallen, dass ich gegen meinen Willen geküsst wurde … So, nun habe ich alles gesagt, was ich zu sagen hatte, und ich danke dir, dass du mir zugehört hast. Ich trinke jetzt meinen Kaffee aus und werde gehen, du sollst aber auch wissen, dass ich dich immer noch liebe.“

In meinem Gehirn rasselte es förmlich, ich versuchte mich an diese Szene zu erinnern, doch ich sah immer wieder nur diesen Kuss. Ohne ein Wort ging ich ins Zimmer, ich musste unbedingt mit Gabi reden, also rief ich sie an. Ich fragte sie direkt nach dem, was ich wissen wollte, ob sie sich an die Szene erinnern konnte. Ohne Umschweife beschrieb sie mir haargenau, was sie gesehen hatte, langsam formte sich auch in mir das Bild. Tom hatte schon einmal versucht, uns auseinander zu bringen, fiel mir ein. Nun war ich es, der heulte. Ich verabschiedete mich von ihr, um wieder in die Küche zu gehen, doch die war verwaist.

Auf dem Tisch lag ein Zettel, an ein paar Stellen aufgequollen von Tränen, mit krakeliger Handschrift war darauf zu lesen: „Lieber Marco, ich habe dich nie betrogen, das hätte ich niemals über das Herz gebracht. Ich liebe dich! Tschüss, dein Jahn.“

Sofort rannte ich ins Zimmer, riss die Balkontür auf, da sah ich ihn, er stieg gerade in seinen uralten Benz ein.

„Jahn“, rief ich, doch er hatte die Tür schon zugezogen, „bitte komm zurück, ich liebe dich, bitte komm zu mir, ich brauche dich.“

Er schaute kurz durch die Scheibe nach oben – er saß im Wagen und bekam nicht einmal mit, dass ich winkte.

„Jahn, bitte!!!“, brüllte ich, doch er schien mich nicht zu hören.

Wie von Sinnen stürzte ich durch die Wohnung ins Treppenhaus, so schnell ich konnte raste ich die drei Stockwerke hinunter. Ich riss die Tür auf und hetzte auf die Straße, genau im richtigen Augenblick. Hätte kein anderes Auto vor seinem gestanden, wäre er weg gewesen. Ich rannte um sein Fahrzeug, dabei trat ich auf eine große Scherbe, es schmerzte, doch das war mir gleich. Nachdem ich die Fahrertür aufgerissen hatte, sah ich ihm in die Augen.

Total außer Atem sagte ich hechelnd: „Jahn … Ich liebe dich, bitte verzeih mir, dass ich dir nicht vertraut habe, ich habe nur diesen Kuss gesehen. Bitte sei so gut und komm wieder zu mir zurück, ich brauche dich und kann ohne dich nicht mehr sein.“

Jahn drehte seinen Zündschlüssel zurück, stieg aus und nahm mich in den Arm. Nach einem kurzen Kuss kamen wir beide zurück in die Realität, denn es klatschten einige Leute, die wohl nach meinem Geschrei die Fenster geöffnet hatten.

Ich spürte plötzlich eine starke Hand auf der Schulter und zuckte zusammen, es war Hannes, der hinter mir stand.

„Setz dich mal hin, Kleiner, wir werden uns mal um deinen Fuß kümmern, das sieht nämlich nicht gut aus“, sprach unser Freund.

Ich realisierte erst jetzt, was passiert war, ich stand barfuß in einer kleinen Blutlache und mein Fuß schmerzte. Jahn drückte mich schnell auf den Fahrersitz, öffnete den Kofferraum und holte wortlos den Verbandskasten heraus. Gabi war mittlerweile auch da, sie kümmerte sich um die Verletzung, sie war schließlich Krankenschwester. Nachdem sie mir einen Notverband angelegt hatte, wurde ich auf den Rücksitz verfrachtet, Jahn wollte mit Gabi und mir ins Krankenhaus.

Mir fiel meine Wohnung ein, also sagte ich zu unserem Freund: „Du, Hannes, geh mal bitte zu mir nach oben, meine Wohnungstür steht noch offen, ich habe keinen Schlüssel dabei. Wo die liegen, weißt du ja wohl, nimm sie bitte mit zu dir. Wenn wir zurück sind, werde ich euch alles erklären, ich glaube, wir sind wieder zusammen.“

Mit einem Affenzahn machte sich Jahn auf den Weg zum St.-Georg-Krankenhaus, das wir nach etwa zehn Minuten erreicht hatten. In der Ersten Hilfe war Gott sei Dank nichts los, so brauchte ich nicht lange zu warten und wurde schnell behandelt. Mein linker Fuß wies an der Innenseite einen etwa vier Zentimeter langen Schnitt auf, der erst einmal gereinigt werden musste. Nach einer örtlichen Betäubung wurde dieser mit drei Stichen genäht, danach verbunden. Ich bekam noch ein Antibiotikum gespritzt und durfte das Krankenhaus verlassen, Gabi versprach, sich um die Verbände zu kümmern.

Wir verließen die Erste Hilfe und gingen zum Parkplatz, das Gehen auf dem Kiesboden fiel mir schwer, weil ich keine Schuhe an den Füßen hatte. Jahn nahm mich auf den Arm und trug mich zu seinem Auto.

Dort angekommen, stellte er mich hin, nahm mich sanft in den Arm und sagte leise: „Mein Süßer, wir sind wieder zusammen, ohne Wenn und Aber, jedenfalls von meiner Seite aus. – Ich liebe dich, und ich möchte dich nie mehr missen.“

Ich strahlte ihn an, worauf ich erwiderte: „Schatzi, ich liebe dich und gehöre weiterhin zu dir.“

Es folgte ein nicht enden wollender Zungenkuss, danach sagte ich: „Dann werden wir uns mal in den nächsten Tagen gegenseitig pflegen, damit wir wieder gesund werden. Jetzt hat dieser verhängnisvolle Kuss ein zweites Opfer gefordert, das reicht wohl … So, nun lass uns nach Hause fahren, wir gehen noch zu unseren Freunden, um denen alles zu erklären. Außerdem müssen wir dort noch deine Sachen abholen.“

Wir saßen im Auto, Jahn holte sein Handy aus der Tasche, um seine Mutter anzurufen. Er erklärte ihr, dass wieder alles in Butter sei und dass er demnächst mit mir vorbeischaute.

Nachdem er aufgelegt hatte, schaute ich ihn fragend an, worauf er sagte: „Ich habe nach dem Vorfall von gestern meine Mutter angerufen und ihr alles erklärt. Wenn sie mich nicht so gedrängt hätte, dann wäre mir heute kein Wort über die Lippen geflossen. Ich bin froh, dass ich endlich mit ihr darüber sprechen kann. Im Gegensatz zu dir bin ich jetzt zu Hause geoutet, ich fühle mich besser, nur die Aussprache mit meinem Vater steht mir noch bevor.“

Ich lächelte ihn an und gab zurück: „Was du kannst, das kann ich auch. In den nächsten Tagen fahren wir zusammen nach Berlin, dann werde ich mit meinem Vater reden. So, nun lass uns nach Hause fahren, damit Gabi wieder bei ihrem Mann ist, dann erzählen wir noch alles und gehen schlafen, ich bin hundemüde.“

Bei unseren Freunden wurde dann alles erzählt, was am Vortag passiert war, Hannes und Jahn reichten sich die Hand und versöhnten sich wieder. Unser Freund bestätigte nach dem Händedruck, dass dieser Kuss wie ein Überfall gewesen sein muss. Er konnte sich genau daran erinnern, dass die Arme von meinem Schatz nach unten gehangen hatten, doch er hatte auch mehr auf den Kuss geachtet.

Auf dem Tisch lagen meine Schlüssel, sogar beide Paare, weil sie bei mir zusammen auf dem Bord lagen.

Ich überreichte Jahn sein Bund und sagte: „So Schatz, das sind deine, du kannst mir aber einen Gefallen tun, weil ich im Moment schlecht zu Fuß bin. Geh doch mal bitte rüber, im Kühlschrank liegt eine Flasche Champagner, die ich eigentlich heute Abend mit dir leeren wollte. Ich will sie mit unseren Freunden teilen, ich glaube, das wird in deinem Sinn sein. Ach so, bring mir doch bitte meine roten Badelatschen mit.“

Meinem Schatz liefen wieder ein paar Tränen aus den Augen, ich wollte sie ihm wegwischen, doch Hannes kam mir zuvor.

„Komm mal Kleiner, ich kann keinen Mann weinen sehen“, meinte er lächelnd und fügte hinzu: „Ich komm schnell mit, damit du morgen was Frisches zum Anziehen hast, der Karton ist für dich nämlich zu schwer.“

Mein Schatz nickte nur, zog seine Geldbörse aus der Tasche und kramte aufgeregt im Kleingeldfach. Als er fertig war, griff er meine rechte Hand, sah mich ganz lieb an und schob mir meinen Ring auf den Finger. Jetzt war ich es, der heulen musste, denn ich hatte nicht damit gerechnet, dass er ihn aufgehoben hatte.

Bevor die beiden losgingen, sagte Jahn: „Ein neues Shirt bekommst du auch von mir, darin hast du nämlich total geil ausgesehen.“

Ich lächelte ihn nur an, denn ich hatte nach seiner Abreise am Samstag selber zwei dieser Shirts gekauft. Sie hatten nur eine andere Farbe, damit wollte ich ihn am nächsten Tag überraschen.

Hannes und Jahn waren verschwunden, worauf Gabi zu mir sagte: „Ich bin richtig froh, dass ihr wieder zusammen seid, da hast du deinen Schatz ganz umsonst geschlagen. Schade, dass es so weit kommen musste.“

Ich nickte.

„Na ja, ich hab ja meine Strafe bekommen“.

Ich hielt meinen Fuß in die Höhe, worauf sie lächelnd verschwand, um die guten Gläser zu holen. Wir unterhielten uns noch ein bisschen, bis dann unsere Männer wieder auftauchten.

Jahn drückte mir mein Handy in die Hand und meinte: „Hier, schau doch bitte mal nach, du hast zwei Nachrichten in der Mailbox. Dein Anrufbeantworter hat auch geblinkt, vielleicht ist es ja was Wichtiges.“

„Es kann nichts Wichtigeres geben als unsere Liebe, aber ich schau trotzdem mal nach. Machst du bitte in der Zwischenzeit die Nobelbrause auf und schenkst ein, ich höre nur die Nachrichten ab“, erwiderte ich mit einem strahlenden Lächeln.

Mit einer edlen Geste und vornehmem Getue öffnete er die Flasche, dann schenkte er die Gläser voll. Mein Schatz setzte sich danach hinter mir in den Sessel, zog mich an seine Brust und hielt mich ganz fest. Jetzt war ich richtig glücklich, wählte die Mailbox an, um zu hören, wer von mir was wollte.

Mein Vater hatte angerufen, er schien in größter Sorge zu sein, was ich im Moment gar nicht verstehen konnte.

„Du Hannes, ihr könnt doch im deutschen Festnetz frei telefonieren, darf ich mal bitte meinen Vater anrufen. Der scheint sich Sorgen um mich zu machen, das könnte ein paar Minuten dauern, das wird mir mit dem Handy zu teuer“, warf ich in den Raum.

Hannes, cool wie immer, reichte mir wortlos das Schnurlose herüber und nickte. Nach dem ersten Klingeln war mein Vater schon am Apparat.

„Hallo Papa, was gibt es denn?“, meldete ich mich, worauf er anfing zu reden.

Er hatte wohl mitbekommen, dass es mir gestern Abend nicht so gut gegangen war, deshalb war er in Sorge. Ich teilte ihm mit, dass ich am Wochenende alles erzählen würde, da ich ja sowieso nach Berlin wollte. Wir redeten noch eine ganze Weile, doch Jahn stupste mich immer wieder etwas an, ich wusste genau, was er wollte.

„Du Dad, ich muss unbedingt mit dir etwas sehr Wichtiges besprechen, ich bringe auch einen Freund mit nach Hause“, sagte ich und drückte dabei die Hand von meinem Schatz.

Die Bezeichnung Freund war unverfänglich, so hatte ich nicht das Gefühl, meinen Vater überrannt zu haben. Mein Dad gab mir danach eine Antwort, die mich irgendwie zum Grübeln brachte, ich fing sogar an zu zittern. Jahn blieb das natürlich nicht verborgen, er drückte mich gleich wieder fest an sich. Das war ein herrliches Gefühl, wie er mich so schützend in den Armen hielt, ich fühlte mich richtig geborgen.

Ich wechselte danach noch ein paar Worte mit meinem Vater und sagte dann: „Gut Dad, dann komm ich Freitag nach Hause, wir sind um 9 Uhr zum Frühstück da. Ich freu mich auf dich, grüß mir Berlin! Tschüss!“

Wir prosteten uns nach dem Telefonat erst einmal zu, doch als ich mein Glas zurückstellte, fragte Jahn ganz aufgeregt: „Hey, mein kleines Schnuckelchen, warum hast du eben so gezittert? Hast du etwa Angst vor deinem Outing, oder geht es dir nicht gut?“

Ich streichelte über seine Oberschenkel und antwortete: „Na ja, das klang so komisch, ich hatte doch gesagt, dass ich mit ihm was bereden möchte. Ich hatte auch erwähnt, dass ich einen Freund mitbrächte, denn ‚meinen’ Freund wollte ich am Telefon nicht sagen. Ich möchte meinem Vater gegenüberstehen und ihm ins Gesicht sagen, dass ich einen Mann liebe. – Du Schatz, ich habe überhaupt keine Angst vor dem Outing, doch seine Antwort hat mich irgendwie nervös gemacht. Ach so, mir geht es gut, sogar sehr gut, weil du bei mir bist und mich festhältst. Ich liebe dich, mein Schatz.“

Jahn küsste liebevoll meinen Nacken, worauf er fragte: „Und... Nun sag doch schon, was hat dein Vater denn geantwortet?“

„Na gut, ich wiederhole mal den genauen Wortlaut, vielleicht könnt ihr damit was anfangen. Er sprach am Anfang etwas ängstlich, mit einem leichten Beben in der Stimme … ‚Junge, als erstes muss ich mit dir etwas Wichtiges besprechen, dann bist du dran.’ Er machte eine kurze Pause, um danach mit einem fröhlichen Tonfall zu sagen: ‚Ich glaube, dann wird dir dein Anliegen nicht mehr so schwer fallen …’ Mir machen diese Worte Angst. Sagt mal, könnt ihr damit was anfangen?“

Es herrschte betretenes Schweigen, über jedem Kopf sah man förmlich ein großes Fragezeichen. Ich erhob erst einmal mein Glas und sagte lächelnd: „Prost Freunde!“ Und zu meinem Schatz gewandt: „Prost mein Schnuckel.“

Wir unterhielten uns über Gott und die Welt, scherzten eine Weile herum, bis dann Gabi plötzlich sagte: „Ich glaube, ich habe deinen Vater verstanden.“

Wir schauten sie an, als wenn sie gesagt hätte: „Da oben fliegt 'ne Kuh!“, denn durch unsere Unterhaltung hatte keiner mehr an diese Sätze gedacht.

„Na, dann lass mal hören, was dir dazu eingefallen ist“, warf ich in den ruhigen Raum.

Gabi lächelte verschmitzt und fragte: „Marco, ich habe da einen Verdacht, bist du böse, wenn ich ganz ehrlich zu dir bin?“

Ich lächelte und erwiderte: „Gabi, ich bin dir nicht böse, selbst wenn du jetzt sagen würdest, dass mein Vater ein Arschloch sei, nur ich kann mit seinen Worten nichts anfangen.“

„Na ja“, begann sie und sah mich wissend an, „dein Vater will sich bei dir outen, er scheint einen Freund zu haben, denn er will etwas mit dir besprechen. Er hat doch gesagt: ‚… dann wird dir dein Anliegen nicht so schwer fallen …’ – Ich nehme an, er weiß, was du ihm sagen willst. Denk mal daran, was Jahn vorhin gesagt hat, als er von dem Outing bei seiner Mutter sprach: Sie hatte schon so was geahnt. Die meisten Eltern fühlen nun mal mit ihren Kindern, man kann nicht alles vor ihnen verstecken. Wenn du dir die genaue Redewendung zu Gemüte führst, dann wirst du zu demselben Schluss kommen wie ich.“

Ich grübelte, doch plötzlich warf Hannes ein: „Na klar Gabi, du könntest Recht haben, denk doch mal an meinen Kollegen Bernd. Er war zwei Mal verheiratet, er hat aus jeder Ehe ein Kind, seit einem halben Jahr ist er mit einem Mann zusammen und endlich glücklich. So glücklich wie unsere beiden Ziehsöhne, schau sie dir doch an, da könnte man richtig neidisch werden.“

Der letzte Spruch von ihm sorgte für Gelächter, wir bekamen uns kaum noch ein, doch ich fing an zu überlegen.

In meinem Kopf ratterte es wieder. Mein Vater schwul? Konnte das die Lösung sein? Na, jedenfalls hatte er kein Problem damit. Er war Studiomusiker, verdiente viel Geld und einige seiner Kollegen waren auch vom anderen Ufer. Wenn sie bei ihm zu Besuch waren, begrüßte er sie genau so, wie Hannes es mit uns tat, mit einer Umarmung und zwei Küsschen. Ja, das schien es zu sein, aber warum hatte ich ihm nicht gesagt, dass ich mir nichts aus Mädchen machte. Ich konnte doch wirklich über alles mit ihm reden, er kannte auch einige meiner guten Freunde. Von zweien wusste er genau, dass sie sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlten, er ging mit ihnen immer ganz normal um. Er hatte nicht einmal was gesagt, als die beiden einander in seiner Gegenwart umarmt und geküsst hatten, das hatte mich damals schon gewundert. Dann fiel mir ein, dass er mich mit einem Jungen im Bett gesehen hatte, als er ohne anzuklopfen in mein Schlafzimmer gekommen war. – Ich war grade siebzehn geworden, er war meine erste Liebe gewesen, doch Gott sei Dank hatten wir nicht eng umschlungen im Bett gelegen. Es hatte so ausgesehen, als wenn mein bester Kumpel bei mir schlief, er lag auch mit dem Rücken zu mir. Mein Vater hatte nur gelächelt, danach hatte er in einem ganz normalen Ton gesagt: „Geht mal duschen und zieht euch an, in zwanzig Minuten gibt es Frühstück.“ Er hatte mich darauf nie angesprochen, er sagte sogar, dass er nichts dagegen habe, wenn ein Freund bei mir übernachtete. „Halt Marco“, sagte ich zu mir selber; – er musste einfach wissen, wie es um mich stand, hatte er nicht schon mal solche Andeutungen gemacht? Mein Zimmer war nur ein einziges Mal von einem Mädchen betreten worden, das mit ihrem Freund erschien, um mich abzuholen. Ansonsten waren immer nur Jungs bei mir gewesen, das hatte er natürlich mitbekommen. Aber halt, bei ihm waren auch nur Männer, gelegentlich hatte sogar einmal einer im Haus geschlafen. Unser Gästezimmer war aber meistens unberührt und sonst gab es keine Gelegenheit, wo man übernachten konnte. Vor einem Monat war ich das letzte Mal bei ihm, da musste ich im Gästezimmer schlafen, weil er gerade meine Wohnung renovieren ließ. An diesem Tag war ein Freund von ihm da, der am nächsten Morgen mit am Frühstückstisch saß. Das könnte die Lösung aller Dinge sein, vielleicht hatte Gabi ja Recht – oder war das jetzt nur ein reines Wunschdenken von mir? Warum habe ich nicht mit ihm gesprochen, ich habe doch vollstes Vertrauen zu meinem Dad – warum; ja, warum? …

„Hey Schnuckel, geht es meinem Schatz nicht gut oder warum bist du so still?“, wurde ich von Jahn verbal aus meinen Gedanken gerissen.

Ich spürte seine Hände an meiner Hüfte und fühlte mich wohl, also erklärte ich ausführlich, über was ich gerade nachgedacht hatte. Wir kamen daraufhin zu dem Entschluss, dass es nur so sein konnte, wie Gabi es gesagt hatte.

„Gut“, meinte ich danach, „ich bin mittlerweile auch der Meinung, dass es so sein muss.

Ich möchte jetzt nicht mehr darüber reden, denn ich muss das ganze erst mal verdauen. Wenn ich am Freitag bei meinem Vater ankomme, werde ich ihm ins Gesicht schauen und Jahn in den Arm nehmen. Dann werde ich ihm sagen, dass er der Mann meiner Träume ist und dass ich ihn über alles liebe. Dad wird mich bestimmt verstehen.“

Im selben Augenblick drückte mich Jahn so fest an sich, dass mir fast die Luft wegblieb, wobei mir seine Tränen auf die Schulter tropften. Als ich ihn etwas getröstet hatte, sah ich auf unsere Freunde, Gabi weinte und selbst Hannes hatte feuchte Augen.

Es war mittlerweile nach dreizehn Uhr, der Champagner alle, ich war müde und hungrig, denn mein letztes Essen hatte ich gestern Nachmittag gehabt. Auch Jahns Magen hatte schon einige Male geknurrt, und ich wollte jetzt mit ihm alleine sein, also meldete ich mich zu Wort.

„So Freunde, ich möchte jetzt die Runde auflösen, ich danke euch, dass ihr für uns da seid und dass ihr uns geholfen habt. Gabi, an dich noch eine kurze Frage: Kann ich mit meinem Fuß duschen gehen? Außerdem möchte ich wissen, was ich mit der Lippe von Jahn machen kann?“

Gabi lächelte uns an und entgegnete: „Wenn du duschen willst, wickle deinen Fuß in Frischhaltefolie ein und wasch dich richtig. Danach machst du die Folie, sowie den Verband ab, wäschst deinen Fuß mit einem Lappen und lässt dir einen neuen Verband anlegen. Das wird dein Schatz ja wohl können, schließlich ist er Krankenpfleger, und er macht das bestimmt gerne für dich. Kommt mal beide mit in die Küche, ich gebe euch, was ihr braucht, dann werde ich mich um Jahns Gesicht kümmern.“

Wir folgten ihr in die Küche, wo sie eine kleine Dose aus dem Schrank holte und diese mit dem Fingernagel öffnete.

„So, Jahn“, meinte sie mit ihrem lieben mütterlichen Tonfall, „ich hab hier eine Salbe aus der chinesischen Medizin, die ich dir jetzt auftragen werde. Sei nicht böse, aber das brennt ein bisschen, dafür ist morgen nichts mehr zu sehen. In etwa einer halben Stunde wasch ich dir dein Gesicht, bis dahin empfehle ich dir, deinen Schatz nicht zu küssen.“

Sie schmierte ihm diese silbrig glänzende Salbe auf die Lippe und auf den blauen Fleck, wobei Jahn zusammenzuckte.

„Da musst du jetzt durch, Großer“, redete sie ihm Mut zu.

Das Zeug schien zu brennen, denn die Stellen röteten sich stark. Jahn winkte ab und meinte lässig: „Das halte ich schon aus, es ist nicht so schlimm wie das, was ich gestern erlebt habe.“

Unsere Freundin drückte mir ein paar Verbände in die Hand und fragte leise: „Wisst ihr eigentlich, dass ihr bei meinem Mann jetzt was ganz Besonderes seid?“

„Wieso?“, kam es uns gleichzeitig über die Lippen, worauf wir die Köpfe zusammen steckten, um zu hören, was Gabi uns zu sagen hatte.

Sie lächelte nur und erzählte: „Hannes ist sehr traurig darüber, dass ich keine Kinder kriegen kann, er ist trotzdem bei mir geblieben. Er liebt mich wie am ersten Tag und erfüllt mir jeden Wunsch. Er ist einfach ein Traummann. Vorhin hat er euch als unsere Ziehsöhne bezeichnet, darauf könnt ihr euch was einbilden, das würde er sonst zu keinem sagen. Das heißt, redet ihn mal ab und zu dementsprechend an, ich glaube, das würde ihn glücklich machen, der Rest bleibt unter uns, klar?“

Wir nickten ihr nur zu, denn wir hatten genau verstanden, was sie uns damit sagen wollte.

„So Jungs, ihr geht ins Wohnzimmer und ich zaubere uns schnell 'ne Kleinigkeit zum Essen, denn ihr beide seht hungrig aus. Ich habe gestern Abend 'ne große Schüssel Nudelsalat gemacht, denn ich wollte Marco heute zum Essen einladen. Er sollte sich noch was mitnehmen, damit er was zu Hause hat, also wird es wohl für uns alle reichen – Würstchen sind auch genug da“, sagte sie lächelnd zu uns.

Wir strahlten sie beide an, doch Jahn fragte gleich: „Können wir dir was helfen? Nicht, dass du hier alles alleine bewältigen musst.“

Sie nickte nur, stellte Teller und Gläser raus, nahm Besteck aus der Schublade und meinte: „Ihr könnt den Tisch decken, den Rest schaffe ich schon allein.“

Nach einer halben Stunde saßen wir satt am Tisch. Wir bedankten uns bei Gabi, worauf sie sagte: „Ist schon gut, ich muss doch ein bisschen für unsere Söhne sorgen.“

Jahn schaute mich kurz an, dann drehten wir uns zu Gabi und sagten zusammen: „Danke Mama!“

Hannes fing an zu lachen, doch Jahn legte die Hand auf dessen Schulter und sagte lächelnd: „Hey Paps, was gibt’s denn da zu lachen, wir haben unsere Zieheltern halt lieb.“

Unser großer Freund schaute abwechselnd in unsere Augen und sagte: „Ich hab euch auch lieb, ihr beide seid mir richtig ans Herz gewachsen.“

Bei diesen Worten schaute er uns etwas traurig an und man sah, dass seine Augen feucht wurden. Jahn gab ihm einen leichten Knuff auf die Schulter und streichelte dabei über die Wange von Hannes, bis der wieder sein liebes Lächeln auflegte.

„Jahn, komm mal kurz ins Bad, ich will dir die Salbe aus dem Gesicht waschen!“, rief Gabi in die eingetretene Stille, worauf mein Schatz zu ihr ging.

Nachdem er dann fertig war, verabschiedeten wir uns und gingen in meine Wohnung.

Bei mir angekommen, flitzte Jahn erst mal auf die Toilette, während ich ins Wohnzimmer ging. Wie sah es denn hier aus, an meinem Schreibtisch stand eine Schublade offen und neben der PC Tastatur lagen ein paar Stifte. Ich dachte nicht weiter darüber nach, denn ich wollte den Anrufbeantworter abhören. Zuerst legte ich mein Handy und die Schlüssel ab, doch Halt, hier war etwas anders als sonst. An der Pinwand hing ein gelbes DIN A4-Blatt, mit einem aufgemalten Handy, das einen lächelnden Mund hatte. Daneben war ein Spruch. „Bitte nimm mich mit“, stand dort mit großen Lettern. Ich musste lächeln, doch im selben Moment bekam ich eine Gänsehaut, darunter hing eine durchsichtige Tüte. Ich sah sie mir genauer an, sie enthielt den Zettel, den mir Jahn nach der Aussprache geschrieben hatte, nur zusammengelegt. Man konnte aber die Worte „Ich liebe dich! Tschüss, dein Jahn“ lesen, des weiteren war ein kleiner Fetzen von dem Shirt darin, das ich zerrissen hatte. Doch ganz unten lag noch etwas, was ich mir genauer betrachten musste, es sah so aus wie ein Zahn. Ich musste mich erst einmal schütteln, sah noch einmal hin, es war ein Stück von einem Zahn, sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen.

Plötzlich spürte ich die Hände von meinem Schatz an meiner Hüfte, ich drehte mich zu ihm und sah in sein Gesicht. Er schien wohl zu wissen, was ich in diesem Moment dachte, er lächelte mich an und zeigte mir so seine Beißerchen.

Sie waren Gott sei Dank alle da, doch dann meinte er: „Ich glaube, dass Tom jetzt ein Zahn fehlt, denn als ich mich gestern Abend ausgezogen habe, hörte ich es klappern. Das Ding war scheinbar in meinem T-Shirt, mir ist auch so, als wenn dieses Schwein sich an den Mund gefasst hatte, nachdem du zugeschlagen hast. Du Marco, ich möchte, dass du dieses Tütchen hängen lässt, auch wenn es für uns beide keine schöne Erinnerung ist. Es soll dich aber darauf hinweisen, das du dein Handy mitnimmst, wenn ich nicht an deiner Seite bin.“

Ich legte die Arme um ihn, zog ihn zu mir und tauschte mit ihm einen Zungenkuss.

Danach sagte ich: „Jahn, ich verspreche dir, mich daran zu halten, das Tütchen und der Zettel sollen mich daran erinnern. Wenn meine Fäden gezogen werden, lege ich sie dazu, aber jetzt möchte ich darüber nicht mehr sprechen. Wir beide sollten die letzten vierundzwanzig Stunden aus unserem Gedächtnis streichen und so weitermachen, wie es vorher war … Mein großer Schatz, du bist und bleibst mein Glücksstern, ich liebe dich mehr als alles auf der Welt.“

„Ja mein Kleiner, auch ich liebe dich und möchte dich nie mehr missen. Ich kann ohne dich einfach nicht sein, du bist wie ein Teil von mir. Ich brauche dich!“, sagte er mit einem lieben Lächeln im Gesicht und drückte mich an sich.

Nach einem langen Kuss zog einer den anderen aus, dann gingen wir in die Küche, wo mir Jahn meinen Fuß mit Folie einwickelte. Danach ging es unter die Dusche, wo wir uns gegenseitig einseiften, um einander einfach nur zu verwöhnen. Es war wie ein Traum, denn Jahn schmuste zu gerne mit mir herum, doch diesmal gab er sich besonders viel Mühe.

Ganz sanft knabberte er an meinem Ohrläppchen und hauchte: „Du Schatzi, wollen wir uns anschließend ins Wohnzimmer setzen, ich möchte mal wieder richtig schön schmusen mit dir. Dabei ein Glas Rotwein trinken und zärtliche Musik hören, danach steht mir jetzt der Sinn. Ich bin zwar genauso müde wie du, aber ich möchte einfach deine Nähe genießen, was hältst du von dem Vorschlag?“

Als Antwort bekam er von mir einen Kuss und ein zustimmendes Kopfnicken, denn das wollte ich auch. Meine Müdigkeit war wie weggeblasen und ich freute mich, dass ich mit meinem Glücksstern zusammen war. Wir verließen die Dusche und trockneten uns gegenseitig ab, wobei ich unter seinen Händen zu schmelzen begann. Unser Weg führte aber erst in die Küche, wo sich Jahn liebevoll um meinen kranken Fuß kümmerte. Dann lief er ins Wohnzimmer, um einen Verband zu holen.

„Marco, hier liegt ein dicker Umschlag von deinem Vater, warum hast du das Päckchen noch nicht ausgepackt?“, rief er plötzlich.

„Bring es mal bitte mit, da bin ich noch nicht zu gekommen!“, gab ich laut zurück.

Er drückte mir den gefütterten Umschlag in die Hand, worauf er begann, den Fuß zu verbinden. Ich riss den Umschlag auf und erklärte dabei: „Das Päckchen habe ich am Samstag von der Post abgeholt, danach war ich noch Einkaufen, da wir ja kaum noch was im Haus hatten. Nach dem ich die Einkäufe eingeräumt hatte, bin ich ins Bett gegangen, denn durch die Geburtstagsparty war ich ziemlich müde gewesen.“ „Das kann ich mir denken“, gab Jahn zurück, „ich war auch total geschafft, die Fahrt nach Heide war mir schon fast zu viel.“ Die letzten Worte hörte ich kaum noch, denn ich hatte den Brief von meinem Vater in der Hand.

Lieber Marco

Zu deinem Geburtstag wünsche ich dir alles Gute, Gesundheit und vor allen Dingen viel Glück. Ich habe dir eine CD zusammengestellt, die solltest du dir für schöne Stunden lassen. Sie ist im MP3-Format gepackt, es sind über vierzig Titel drauf, die dir bestimmt gefallen werden. Diese Lieder habe ich nur für dich aufgenommen, sie sind alle von mir selbst eingespielt und gesungen. Ich glaube, dass sich bestimmt eine Gelegenheit findet, in der du mal schmusen willst, dafür sind diese Lieder gedacht. Schau mal in die CD-Hülle, da ist ein Heftchen drin, das kannst du bestimmt gebrauchen. In Berlin warten noch zwei große Überraschungen auf dich, ich glaube, du wirst dich über beide sehr freuen. In diesem Sinne: alles Gute und viel Freude mir der CD.

Dein Daddy Mike

Jahn war fertig mit dem Verband und schaute auf mein strahlendes Gesicht.

„Was hat er denn geschrieben, dass du dich so freust?“, fragte er mit einem Grinsen auf den Lippen.

„Das kannst du später lesen, ich möchte mit dir jetzt richtig kuscheln und schmusen, die Musik dazu ist in dem Umschlag“, gab ich zurück.

Mit einer großen Geste holte ich die CD heraus, dabei merkte ich, dass die Hülle nicht ganz geschlossen war. Als ich sie aufklappte, fielen uns beiden fast die Augen aus, denn uns strahlten zehn Fünfzig-Euro-Scheine entgegen, ein teures Heftchen.

„Na, die Musik sieht ja schon mal gar nicht so schlecht aus, mal sehen, ob sie sich auch so anhört“, konnte Jahn sich nicht verkneifen und küsste meinen Lümmel.

„Hey, du sollst mich jetzt nicht geil machen, ich will mit dir erst richtig schmusen“, gab ich von mir, worauf er mich mit seinen mandelbraunen Augen anstrahlte.

In diesem Moment hätte er alles von mir verlangen können, denn wenn ich diese Augen sah, war ich hin und weg.

„Komm Großer, mach du mal den DVD-Player klar, das sind nämlich MP3-Files, ich kümmere mich um den Wein. Dann will ich dich verwöhnen und von dir verwöhnt werden“, hauchte ich meinem Schatz zu.

Der drückte mir ein Küsschen auf und verschwand mit der CD, dabei musste ich auf seine nackten Pobacken sehen. Das machte mich total an, also holte ich einen guten Rotwein aus der Speisekammer.

Mit Gläsern und Wein bewaffnet, lief ich ins Wohnzimmer. Ich freute mich wahnsinnig darauf, mit meinem Schatz allein zu sein, doch irgendjemand schien wohl etwas dagegen zu haben. Eines unserer Handys gab Geräusche von sich, weil wir die gleichen hatten, konnte man am Ton nicht erkennen, welches es war.

Es war Jahns, der sofort „Das ist meine Mama!“ sagte, um sich dann zu melden.

Sie wechselten ein paar Worte, doch als ich die Weinflasche öffnen wollte, sah ich, dass mein Schatz weiß wie die Wand wurde.

Ich hörte seine ängstlichen Worte: „Ja Mama, mach ich … Da muss ich wohl durch … Ja, ich komme so in einer guten Stunde … Du, mir ist gar nicht wohl dabei … Tschüss Mama, ich geb dir mal Marco, bis nachher.“

Er winkte mich zu sich und meinte: „Schatz, meine Mama möchte kurz mit dir sprechen.“

Was war denn los? – Seine Mutter will etwas von mir? Na gut, dann werde ich halt mit ihr reden. Ich räusperte mich kurz, nahm das Handy und meldete mich mit einem sehr freundlichen Ton:

„Guten Tag Frau Wagner, was kann ich für Sie tun?“

„Hallo Marco, du kannst ruhig Evi und du zu mir sagen.“

„Gut Evi, was gibt es denn?“

„Ich habe grade zu Jahn gesagt, dass ihn sein Vater heute noch sehen will, er möchte mit ihm sprechen. Wir sind bei meiner Schwester in Pinneberg, also nicht weit weg von euch.“

„Ja gut, aber was soll ich jetzt tun?“

„Na, ganz einfach, mein Mann ist etwas böse, weil sein Sohn kein Vertrauen zu ihm hat. Es wäre vielleicht gut, wenn du ihn begleiten würdest, um ihm ein bisschen beizustehen.“

„Damit habe ich kein Problem, ich stehe zu meinem Schatz und helfe ihm, wo ich kann, außerdem wäre ich sowieso mitgefahren.“

„Siehst du, genau das wollte ich hören, er hat jetzt etwas Angst und braucht ein bisschen Halt. Tretet gemeinsam vor meinen Mann, damit er sieht, dass ihr euch liebt, dann wird er seinen Sohn verstehen.“

„Du, Evi, das tue ich gern für Jahn, denn er ist mein Ein und Alles.“

„Ganz im Vertrauen gesagt: Mein Mann wird ihm bestimmt keine Szene machen, dafür hat er seinen Sohn viel zu lieb. Er will ihn nur etwas ärgern – oder sagen wir mal: erschrecken –, denn er weiß schon lange, dass Jahn sich nichts aus Mädchen macht.“

„Zur Not werde ich für meinen Schatz kämpfen, er ist erwachsen und kann sein eigenes Leben genießen.“

„Hey Marco, was war das denn?“

„Na, lass mal deine Gedanken spielen.“

„Ich glaube, ich verstehe, du willst seine Angst noch etwas in die Höhe treiben, er hört ja nur deine Worte.“

„Richtig.“

„Na gut, dann macht euch mal fertig und kommt her, ich freu mich darauf, dich kennenzulernen.“

„Ich freu mich auch, wir sehen uns, tschüss.“

„Tschüss Marco, bau mal deinen Schatz ein bisschen auf, bis nachher.“

„Alles klar, mach ich, bye.“

Nachdem ich das Handy ausgedrückt hatte, nahm ich Jahn in den Arm, der mit traurigem Blick neben mir stand.

Nach einem Kuss sagte ich: „Komm Großer, ich werde dich begleiten, zusammen stehen wir das Ganze schon durch. Ich glaube nicht, dass dir dein Vater den Kopf abreißen wird, sag ihm einfach, was du fühlst, ich bin ja bei dir. Ich habe keine Angst vor diesem Weg, denn wir gehen ihn zusammen und nur gemeinsam sind wir stark.“

Er legte seine Arme um meinen Körper und drückte mich ganz fest an sich.

„Danke, dass es dich gibt, ich liebe dich, mein Sonnenschein“, hauchte er mir dabei ins Ohr.

„Ich liebe dich auch“, gab ich zurück und drückte ihm ein Küsschen auf, worauf ich dann die Regie übernahm.

„So, Großer, wir zeigen jetzt jedem, dass wir zusammengehören. Wir gehen heute mal im Partnerlook, also zieh dir deine schwarze Jeans an. An die Füße kommen die schwarzen Sportschuhe von Nike und unsere Königsketten machen wir auch um …“

„Stopp“, fiel mir Jahn ins Wort, „wir haben aber keine gleichen Oberteile.“

Jetzt sah ich ihn ganz lieb an und meinte „Doch, mein Schatz, die haben wir, warte mal einen Augenblick“, worauf ich im Schlafzimmer verschwand.

Mein Schatz wuselte mir neugierig hinterher, ich öffnete den Schrank und holte die beiden Shirts heraus. Als er die ärmellosen beigefarbenen Dinger sah, fielen ihm fast die Augen raus und er strahlte über das ganze Gesicht.

„Die habe ich am Samstag für uns gekauft, weil ich dir einfach mal 'ne Freude machen wollte. So, nun schnell anziehen und die Haare stylen, dann machen wir uns auf den Weg zu deiner Tante. Ich bin gespannt, wie die uns alle ansehen werden. Und das mit deinem Vater kriegen wir auch hin, ich glaube, er wird dich verstehen“, sagte ich ihm zuversichtlich ins Gesicht.

Nach fünfzehn Minuten waren wir beide fertig, ja, sogar ich, doch mein Schatz war nervös, was ich verstehen konnte. Ich versuchte, ihn etwas zu beruhigen, was mir aber nicht sonderlich gelang.

„Wir fahren mit meinem Auto“, sagte ich zu ihm, worauf er fragte: „Wieso?“

Ich lächelte und gab zurück: „Ganz einfach, so wie du dich im Moment fühlst, lasse ich dich nicht fahren, und ich kann mit deinem Auto im Moment nicht umgehen. Mein linker Fuß tut mir weh, deswegen kann ich wahrscheinlich nicht die Kupplung treten. Mein Fahrzeug, ach ne, du sagst ja immer Reisschüssel, jedenfalls habe ich Automatik. Außerdem verbraucht mein Auto halb so viel Sprit wie deins – hast du noch irgendwelche Einwände?“

„Ähm, ne, ich glaub, das ist die Idee überhaupt. – Komm Schatz, lass uns losfahren!“, gab er lächelnd zurück und drückte mir einen schnellen Schmatzer auf.

Gut gelaunt fuhr ich durch die Stadt, um in Othmarschen, hinter dem Elbtunnel, auf die Autobahn zu fahren. Als ich diese erreicht hatte, spürte ich, dass Jahn mich ständig beobachtete, was er sonst im Auto nicht machte. Ich ließ mir nichts anmerken, denn es hieß aufpassen, weil ich am Autobahndreieck Hamburg-Nordwest von der A7 auf die A23 wechseln musste. Hier passieren des Öfteren Unfälle, weil sich manche Verkehrsteilnehmer nicht richtig einordnen konnten. Da ich sehr umsichtig fuhr, kam ich auch gut durch, doch Jahn beobachtete mich noch immer.

„Hey, mein Sonnenschein, warum siehst du mich so an?“, fragte ich, worauf er hauchte: „Ich könnte dich auf der Stelle vernaschen, du gefällst mir einfach.“

Ich griente über das ganze Gesicht und meinte: „Das kenn ich ja überhaupt nicht von dir, ich wusste gar nicht, dass ich mit einem Lustmolch zusammen bin, der nur an das eine denkt … Aber lass mal gut sein, mir geht es genauso, ich bin total spitz auf dich und könnte sofort über dich herfallen.“

Er kraulte mir etwas den Nacken und sagte: „Wenn wir heute Abend nicht allzu müde sind, können wir das nachholen, was wir vorhin vorhatten, okay?“

Ich nickte ihm nur zu, denn irgendwie hatte ich jetzt einen Kloß im Hals, aber dafür lächelte mein Schatz.

In Pinneberg-Süd verließ ich die Autobahn, jetzt musste mir Jahn genau sagen, wie ich fahren musste, weil ich mich hier nicht auskannte. Er wurde aber immer nervöser, je näher wir dem Haus seiner Tante kamen, das konnte ich kaum ertragen. Als es mir zuviel wurde, lenkte ich den Wagen auf einen Parkplatz von einem großen Discounter und drehte den Zündschlüssel zurück.

Jahn sah mich fragend an, doch ich legte einfach meinen Arm um seine Schulter und sagte: „Schatzi, atme mal ganz tief durch, und dann sieh mich an.“

Er tat genau, was ich ihm gesagt hatte, worauf ich ruhig sagte: „Jahn, du bist ein großer starker Mann, zeige deinem Vater, dass du mich liebst und trete ihm mit erhobenem Haupt entgegen. Dein kleiner Schatz ist bei dir, er fühlt genauso wie du, also: Augen zu und durch. Ich liebe dich über alles auf der Welt und lasse dich in nichts allein, vor allen Dingen nicht in dieser schweren Stunde.“

Er lächelte mich an, nahm mich in den Arm und nach den Worten „Ich liebe dich, mein Kleiner Schatz“ tauschte er mit mir einen zärtlichen Zungenkuss.

Danach setzte er sich stolz zurück und sagte: „Marco, gib Gas, in fünf Minuten stehen wir vor meinem Vater, dann werde ich ihm sagen, was ich für dich empfinde.“

Ich startete mein Auto und fuhr die letzten achthundert Meter, um dann vor dem Haus seiner Tante zu parken.

Wir verließen meinen Wagen, Jahn legte seinen Arm auf meine Schulter, während ich meinen um seine Hüfte schlang. So gingen wir lächelnd mit erhobenem Haupt auf die Tür zu, an der er dann die Klingel betätigte.

Nach wenigen Sekunden öffnete eine Frau die Tür, die Jahn natürlich freundlich begrüßte: „Hallo Monika, darf ich dir meinen Schatz vorstellen: Das ist Marco – Marco, das ist meine Tante Monika.“

Es folgte eine herzliche Begrüßung, seine Tante drückte ihn an sich, er bekam auch einen Kuss, dasselbe musste ich über mich ergehen lassen. Sie hieß uns herzlich willkommen und bat uns ins Haus, worauf sie die Tür ins Schloss fallen ließ. Wir nahmen einander wieder in die Arme und folgten Monika in ihr gemütliches Wohnzimmer.

Im Zimmer standen eine Frau sowie ein Mann an der offenen Terrassentür. Das müssen wohl seine Mutter und sein Onkel sein, dachte ich bei mir. Mitten im Raum stand der Vater von Jahn. Ihn erkannte ich sofort, er sah genauso aus wie sein Sohn, nur um einige Jahre älter. Mein Schatz ging schnurstracks auf ihn zu, natürlich mit mir im Arm, doch ich merkte, dass er stark zitterte. Sein Vater machte ein grimmiges Gesicht, was mich aber nicht weiter beeindruckte, also knuffte ich Jahn etwas in die Seite. Sein Zittern verschwand plötzlich, er stellte sich gerade hin, wobei ich das Gefühl hatte, immer kleiner zu werden. Der Riese neben mir holte tief Luft und redete dann mit fester Stimme:

„Hallo, Jochen, selbst auf die Gefahr hin, dass du mich für immer verstößt, der Mann an meiner Seite ist mein Ein und Alles, ich liebe ihn. Ja, ich bin schwul, auch wenn dir das vielleicht nicht passt und dir das peinlich ist, es gibt daran nichts mehr zu rütteln. Du sollst wissen, dass ich dich als meinen Vater liebe, nur konnte ich dir bisher nicht sagen, dass ich einen Mann liebe. Mein Vertrauen zu deiner Person ist ungebrochen, doch ich hatte immer Angst vor diesem Schritt, den ich jetzt gegangen bin. Solltest du mich abweisen, dann werde ich gehen, aber das mit dem guten Gewissen, dass du nun weißt, was ich fühle.“

Ich war richtig stolz auf Jahn, also ließ ich kurz meinen Blick schweifen. Die drei an der Tür lächelten, seine Mutter nickte mir sogar zu, nur sein Vater stand ungerührt vor uns. Er machte noch immer ein grimmiges Gesicht, er sah seinem Sohn nur starr in die Augen und zeigte keinerlei Reaktion. Ein kurzer Blick zu meinem Schatz sagte mir, dass er jetzt auf eine Antwort wartete, dabei spürte ich, wie sich seine Finger auf meiner Schulter bewegten. Er streichelte mich etwas, vielleicht, um sich selbst zu beruhigen, oder um allen zu zeigen, dass er mich liebte.

Das Warten zermürbte mich, ich konnte nicht sagen, wie lange wir schon so voreinander gestanden hatten, doch dann kam endlich Bewegung in diese Situation. Der Vater von Jahn zog etwas die Mundwinkel nach oben, es sah so aus, als ob er lächelte, doch das Lächeln gefiel mir nicht. Ich hatte den Eindruck, dass sich jetzt alles in Zeitlupe bewegte, denn Jochen kam langsam auf uns zu.

Nun war ich gespannt, was passieren würde, doch plötzlich sah ich, dass der Mann vor uns seine rechte Hand zur Faust ballte. Meine Nerven lagen blank, das konnte doch wohl nicht sein, der Arm wanderte hoch, um dann nach hinten zu gehen. Er will doch nicht etwa zuschlagen, ging es mir durch den Kopf, doch im selben Moment kam die Faust immer näher. Nein, das lasse ich nicht zu, dachte ich, im selben Moment schnellte meine Hand nach oben. Ich packte seinen Vater am Handgelenk, um so den Schlag zu stoppen, dabei drückte ich so fest zu, wie ich nur konnte …

Nachwort

Wie es weitergeht mit unseren beiden Helden? Wer weiß … „Abwarten und Tee trinken“ heißt die Devise. Im nächsten Teil werden Sie mehr erfahren. (c) Teddy 08.2007

Lesemodus deaktivieren (?)