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Die Flöte des Schlangenbeschwörers

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„Opa, Opa, erzähl uns eine Geschichte!“, baten die Kinder, schlüpften unter die Decke und zogen sie bis unter das Kinn. Der Großvater setzte sich auf das Bett und begann zu erzählen:

Es waren einmal zwei Jünglinge am Hofe des mächtigen Kalifen von Bagdad, die liebten einander und hätten am liebsten jeden freien Augenblick miteinander verbracht, doch blieb ihnen meist nur die gemeinsame Nacht. Da ihre Liebe aber nicht unbemerkt blieb, kam sie schließlich auch dem Kalifen zu Ohren.

So rief er eines Morgens die beiden Jünglinge in seinen Thronsaal und sprach:
„Es steht geschrieben. Das Gesetz ist eindeutig. Für das, was ihr getan habt, verdient ihr den Tod.“
Da der Kalif aber ein gütiger Herrscher war, befahl er: „Trennt die beiden, einer soll hier bleiben, den anderen schickt aus der Stadt, auf dass er sie nie wieder betreten solle.“
So ward es befohlen, so ward es getan.

Dem Großwesir aber galt die Güte seines Herrn als Schwäche. So schickte er dem Verbannten einige Häscher nach, das Gesetz an ihm zu vollstrecken. Von den Häschern gejagt, lief der Gehetzte immer tiefer in die westliche Wüste hinein. Und schien er den Häschern entgangen, so fanden sie seine Spur doch immer wieder. Er eilte schließlich völlig erschöpft einem Felsen inmitten des Sandmeeres zu, den Häschern zu entgehen oder dort zu sterben.

Auf dem Felsen aber ließ die große Erschöpfung ihn in einen tiefen Schlaf fallen und als er erwachte, standen die Sterne schon über ihm. Und kein Häscher war zu sehen und keine Wunde ward ihm geschlagen. Da erst begriff er sein Los und aus Verzweiflung schließlich begann er zu weinen.

Da dröhnte es auf einmal hohl unter ihm und der Felsen tat sich auf und der Jüngling fiel in eine Höhle hinab. Aber was war das für ein Anblick: Bis unter die Decke türmte sich allerlei Goldenes, edelste Steine, kostbarste Schätze.

„Das ist alles, was einem Menschen teuer wäre“, dachte der Jüngling, dass ihm wieder die Tränen über das Gesicht rannen, denn was ihm wahrhaft teuer, war hier nicht zu finden.
„ICH BIN DER WÄCHTER DES GÖTTLICHEN SCHATZES, WER STÖRT SEINE RUHE?“, erzitterte die ganze Höhle und ein blauer Rauch entstieg drohend dem Schatz.
„Der Felsen, zu dem ich geflüchtet, gab unter mir nach und brachte mich in diese Höhle“, rief der Jüngling dem Donnern entgegen.
Der blaue Rauch aber hatte sich zu einem blauen Riesen geformt und erwiderte: „JEDEM DIEB BRINGE ICH VERDERBEN.“
„Was ich begehre, findet sich nicht in deinem Schatz“, erstickte der Jüngling fast in Tränen.
„WESHALB WEINST DU?“, wollte der blaue Riese wissen.
Und der Jüngling erzählte seine Geschichte.

Als er aber seine Geschichte zu Ende erzählt hatte, da lachte der blaue Riese: „HA HA HA!“, und mit jedem Schritt, den er auf den Jüngling zu tat, schien er kleiner zu werden, bis vor dem Jüngling der blaue Wächter stand, der nicht größer ward als ein gewöhnlicher Mensch.
„Bis unter die Decke stapelt sich hier das Gold und gar wundersame Schätze und du willst nur zu deinem Geliebten zurück?“, wollte der blaue Wächter wissen.
„Was nutzt mir alles Gold der Welt, wenn ich keinen Freund, keinen Geliebten habe, mit dem ich es teilen könnte“, erwiderte traurig der Jüngling.
„Kein Stück, das du hier siehst, ist einfaches Gold oder nur edler Stein, einem jeden hängt ein Zauber an. Der Allerbarmer hieß mich, alle Magie aus der alten Welt an diesem Ort zu verbergen, dass sie keinen Schaden mehr anrichte. Sieh den Teppich in der Ecke dort: er kann fliegen. Oder sieh diese Öllampe hier: ein Geist, der Wünsche erfüllt, wohnt darin.“
„Es steht geschrieben, dass es ein Verbrechen ist“, schien der Jüngling mehr zu fragen, als dass er nur redete.
„Es ist ein Verbrechen geschehen und doch ist kein Opfer zu finden“, ergänzte der blaue Wächter. Er sah sich unter den Schätzen um und murmelte noch: „Ein opferloses Verbrechen.“
Der blaue Wächter hieß den Jüngling zu warten und brachte ihm alsbald etwas. Er erklärte ihm, dass es die Flöte eines Schlangenbeschwörers wäre, dass sie ihren Dienst aber genauso gut erledigen würde und erklärte, wie sie zu gebrauchen war. Dann verabschiedete er sich von dem Jüngling, der sich artig bedankte und versprach, zu folgen, wie ihm geheißen.

Bevor aber der blaue Wächter die Höhle wieder mit dem Fels verschloss, fragte der Jüngling: „Warum hilfst du mir?“, und der blaue Wächter antwortete: „Nicht ich helfe dir. Diesen Ort findet kein Sterblicher ohne Hilfe. Es ist der Wille des Einen. Wenn ihm etwas zuwider ist, dann Ungerechtigkeit.“ Und der Felsen schloss sich, dass es selbst dem Jüngling bald ward, als hätte es nie eine Pforte gegeben, und trüge er nicht die Flöte als Wahrzeichen bei sich, er hätte sich seine Geschichte selbst nicht geglaubt. So aber machte er sich auf den Weg nach Bagdad.

Erst am Tor der Stadt wurde er ergriffen und sogleich zum Kalifen gebracht. Alles geschah, wie der blaue Wächter es vorausgesagt.
Und als man ihn vor den Kalifen geworfen, da erhob er sich tapfer und stolz und sprach: „Wenn Ihr dem Zauber, der von meinem Geliebten ausgeht, widerstehen könnt, oh gütiger Kalif, dann sollen wir beide des Todes sein. Wenn Ihr ihm aber erliegt, so müsst Ihr uns beide freigeben.“
„Warum sollte ich mich darauf einlassen?“, entgegnete der Kalif.
„Wenn Ihr mich, einen einfachen Mann, bestraft, weil ich einer göttlichen Gewalt erlegen bin, so versündigt Ihr Euch gegen göttlichen Willen. Um aber die zauberhafte Macht zu zeigen, der ich erlegen bin, müsst Ihr sie selbst erfahren, oh großer Kalif.“
Alle Versammelten lachten laut drauflos: „Der Kalif, der keinem Mann widerstehen kann!“, höhnte der eine. „Er wird allen Frauen abschwören!“, spottete ein anderer.
Der Jüngling aber blieb ungerührt. Das aber verdross schließlich den Kalifen und er ließ den anderen Jüngling herbeiführen.
Wie fielen die beiden sich aber in die Arme? Sie weinten und lachten. Keinem blieb das Band zwischen beiden verborgen.

„Zeig uns seinen Zauber! Dann sterbt!“, befahl der Kalif herausfordernd.
„Tanz!“, bat der Jüngling den Geliebten: „Ich spiele dazu die Musik.“
Der Geliebte war verwundert, ließ sich aber ermuntern. So tanzte er nur für seinen Geliebten und hielt ihn immer im Blick. Er sah ihn die Flöte hervorholen und an die Lippen setzen. Aber was war das für eine herrliche Weise, die da ertönte?
Der Tänzer aber vernahm alsbald ein Ächzen und als er es wagte, in die Runde der versammelten Männer zu schauen, rätselte er ungläubig, was wohl in sie gefahren. Wie Verdurstende hechelten sie jeder Bewegung des Tänzers hinterher. Bald aber verzerrten sich ihre Gesichter schmerzhaft.

Einer lag auf seinem Kissen und riss an den Nähten seiner Hose, ein anderer hatte ein Messer ergriffen und zerschnitt den Stoff. Vom Throne des Kalifen aber war nur ein knarzendes Geräusch zu hören und als der Tänzer es wagte, nach dem Kalifen zu schauen, fand er einen nackten Mann, dessen mächtiges Glied sich hart erhoben aus seiner Hose gesprengt hatte.

Und wog der Tänzer die Hüften nach links, so wogten die harten Glieder mit ihren prallrot leuchtenden Eicheln nach links, und stieß er die Hüften nach vorn, so spritzten die Lusttröpfchen aus den Schäften.
Der Musiker aber bedeutete den Tänzer, noch weiter zu tanzen.
Und mit jeder Bewegung des Tänzers flogen die Kleider, bis keiner der Männer im Thronsaal einen Fetzen Stoff am Leibe trug. Kein Wächter hielt einen Säbel, kein Mundschenk einen Krug, kein Fächerer einen Wedel.
Bis der Kalif schließlich erschöpft flehte, er wolle beide freigeben, wenn sie ihrem Leide nur ein Ende bereiteten.
So stieß der Musiker einen kräftigen Stoß in die Flöte und die Lust der Männer im Thronsaal platzte in weißen Schwallen aus ihnen heraus.

Überzeugt, eines göttlichen Wunders teilhaftig geworden zu sein, dem er sich nicht verweigern durfte, gab der Kalif die beiden frei und keiner stellte sich ihnen in den Weg. Beschämt aber wies er die Schreiber an, jedes Wort über das, was geschehen, zu tilgen, dass niemand es jemals erführe.

Die beiden Liebenden aber verließen die Stadt und wanderten zum Rande der westlichen Wüste.
„Ich muss ein Versprechen einlösen“, erklärte der Jüngling dem Geliebten. Er grub ein kleines Loch und legte die Flöte hinein. Er bedeckte die Flöte mit dem Sand und wartete, um neugierig wieder nach ihr zu graben. Die Flöte aber war verschwunden.
„Wie der blaue Wächter verlangt hatte“, erklärte er dem Geliebten: „Ich sollte sie vergraben, dann komme er sie holen, damit sie wieder sicher verwahrt sei.“
So zogen die Liebenden davon, um gemeinsam anderswo ein glückliches Leben zu führen.

„Manche würden das eine ziemliche Gotteslästerung nennen, Papa!“, stand seine Tochter in der Tür, die Mutter der beiden Kinder im Bett.
„Die haben ihre Geschichten, ich habe meine“, sagte der Großvater, wünschte den Kindern eine gute Nacht und löschte das Licht.

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