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Die Söhne des Horus

Teil 1

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Vorwort

Nach einer langen Zugfahrt mit Lektüre eines Artikels über Ägypten in der aktuellen Geo spukte mir diese Geschichte im Kopf herum.

Da ich jedoch nicht genügend Kenntnisse über Ägypten besitze um eine Geschichte zu schreiben, habe ich mir Hilfe geholt:

Steffen (Angelsdream) war gleich begeistert, da er ja eh ein ÄgyptenFan ist? So kam es also, dass er mir nicht nur bei geschichtlichen Hintergründen zur Seite stand/steht sondern auch mit mir zusammen das Storyboard entwickelt! Es ist also auch seine Geschichte. Ein riesengroßes Dankeschön, lieber Steffen! Gut, dass wir so oft gleicher Meinung sind und prima zusammen arbeiten können. *freu*

Danke natürlich auch an Jens (Juke), der mal wieder nicht mit Anmerkungen und Kritiken gespart hat :)

So, genug der Vorrede, ich hoffe, euch gefällt der erste Teil der Story. Anmerkungen zu der historischen Seite der Geschichte finden sich am Ende jedes Kapitels, für die, die es interessiert.

Wir würden uns sehr über Feedback freuen!

 

Epilog

Die heiße Sonne brannte schon zu recht früher Stunde nahezu unerbittlich auf die Häuser und Straßen von Theben nieder.

Sethos lief durch den überdachten Gang entlang des Palastgartens. Seine Stirn war gerunzelt und er schaute sich suchend um.

Es kam so gut wie nie vor, dass Pani, sein bester Freund und Leibdiener, nicht schon morgens an seiner Seite war. Doch heute hatte er vergeblich gewartet. Natürlich konnte es eine ganz einfache Erklärung dafür geben, doch Sethos war nichtsdestotrotz besorgt. Ein seltsames Gefühl hatte ihn schon übermannt, als er am Morgen aufgestanden war: Eine Eingebung oder Warnung der Götter?

Als er seinen Blick nun über den nahen Palastgarten schweifen ließ, noch in Gedanken versunken, entdeckte er ihn: Neben dem Feigenbaum im Gras.

Mit hastigen Schritten rannte er zu Pani und fiel bleich vor Schreck neben seinem Freund auf die Knie?

1. Tag des ersten Monats der Überschwemmung im Jahr zwei des Sohnes des Re, Sethos I.

Wie jeden Morgen stand Ameni kurz vor Sonnenaufgang auf. Heute war er später dran als sonst, denn während er noch frühstückte, kitzelten ihn die ersten Sonnenstrahlen, die durch das kleine Fenster in seiner Hütte drangen.

Das frische Brot, das er gestern gebacken hatte, verschaffte ihm einigermaßen gute Laune. Auch die Tonkrüge in der kleinen Kammer unter der Küche waren gut gefüllt mit Vorräten. Ums Verhungern sorgte er sich nicht, zumal der Monat Thot anbrach und somit die alljährliche Überschwemmung des Nils nicht mehr fern war.

Was ihm mehr Sorgen machte waren die Unruhen im Land. Und er, Leutnant der Medjai, steckte fast täglich mitten drin. Nicht, dass er seine Arbeit nicht gerne machen würde, aber manchmal war es nicht gerade leicht. Sie befanden sich in einer Zeit des Umbruchs: Vor 3 Regierungsperioden hatte Pharao Echnaton mit seiner Frau Nofretete den Glauben an die Götter mehr oder weniger verboten und den Sonnengott Aton als einzigen Gott dargestellt. Ameni schüttelte immer wieder den Kopf, wenn er an diesen Frevel dachte.

Echnaton hatte vieles, wie Tempel und Grabmähler, gegen den Willen der Bevölkerung zerstören lassen. Sein Aton - Glaube wurde vom Grossteil der Bevölkerung nie wirklich angenommen. Jetzt, einige Zeit nach seinem Tot und drei Pharaonen später, war die alte Ordnung immer noch nicht komplett wiederhergestellt. Der neue Pharao, der jetzt erst seit einem Jahr an der Macht war, schien jedoch schnell die Herzen der Menschen zu gewinnen. Man erzählte sich, er habe eine unglaubliche Aura und die Leute hofften auf einen großen Pharao, der dem Land endlich einen langen Frieden bringen wird: Nicht nur innerhalb der Grenzen sondern auch mit den Nachbarn: Denn die Bedrohung der Nubier war allgegenwärtig. Ameni machte sich nichts auch Versprechungen und würden den Erzählungen um den neuen Pharao erst nach eigenem Überzeugen Glauben schenken können. Hoffnungen machte er sich nicht sehr viele, der Pharao Sethos war noch jung, 21 gerade und hatte noch nicht viele Verbündete an seiner Seite.

Ameni vertrödelte mal wieder zuviel Zeit mit Nachdenken und erschreckt sprang er auf um seine Schüssel zu reinigen. Nachdem er seine Ledersandalen angezogen hatte, rannte er aus dem Haus. Draußen herrschte schon reger Betrieb, er winkte im Vorbeilaufen ein paar Männern, mit denen er manchmal abends ausging. Jedoch nicht sehr regelmäßig, da die jungen Männer gerne nachts in das Schenken - Viertel gingen, wo man für ein bisschen Geld oder Nahrung ein Mädchen für die Nacht mit nach Hause nehmen konnten. Doch das war nichts für ihn.

Kurz vor dem Haupthaus der Medjai stoppte er seinen schnellen Schritt und ging langsamer, um nicht so außer Atem zu sein, wenn er das Gebäude betrat.

Hinter sich hörte er jemanden murmeln: »Ausländer! Sollen sie gehen, wohin sie gehören!« und zog seine Mundwinkel humorlos nach oben. Er wusste, dass er gemeint war, schließlich passierte dies öfter. Jedoch hatten die Leute unrecht: Trotz seiner überaus seltenen blonden Haare und den strahlend blauen Augen war er in Theben geboren und aufgewachsen. Er kümmerte sich nicht weiter um die Leute, das tat er nie.

Lächelnd trat er ins Haupthaus und begrüßte seine Untergebenen Medjai sowie seinen vorgesetzten Offizier und entschuldigte sich für seine Verspätung. Niemand nahm es ihm übel, der Offizier Kamose überfiel ihn auch sogleich mit diversen Anliegen und er musste außerdem in die allmonatliche Besprechung der Hauptleute der Medjai. Diese zogen sich meistens sehr in die Länge und wirklich interessantes erfuhr Ameni hier nicht.

So schweiften seine Gedanken auch heute wieder ab und er schreckte ganz kurz zusammen als Nefu, einer seiner Untergebenen, ins Zimmer stolperte.

Kamose warf ihm einen bösen Blick zu und wollte ihn offensichtlich schon anfahren, doch Nefu war schneller: »Oberst, es ist eine wichtige Nachricht aus dem Palast eingetroffen! Vom Pharao Sethos persönlich« Ameni musste ein bisschen über den Eifer des jungen Mannes grinsen, doch als dieser weiter redete, lauschte er interessiert:

»Offenbar ist jemand ermordet worden! Pharao Sethos möchte, dass dieser Fall aufgeklärt wird!«

Selbst die letzten Gespräche im Raum verstummten.

Morde geschahen zwar häufig, meistens auch im Palast, wurden aber nicht oft aufgeklärt, beziehungsweise überhaupt weiter verfolgt: Außer es handelte sich um Personen, die der königlichen Familie sehr nahe standen. Amenis Augen funkelten. Endlich einmal etwas Interessantes. Er hoffte, Kamose würde ihn mit zu den Ermittlungen in den Palast nehmen. Es war gut möglich, er war ein guter Leutnant und immer eifrig bei der Arbeit. Was vielleicht auch daran lag, dass er keine Familie hatte, um die er sich kümmern musste.

Und er wurde nicht enttäuscht: Kamose sah ihn an und nickte, Ameni stand sofort auf und folgte ihm aus dem Raum. Er spürte, wie die anderen ihm neidisch nachsahen. Jeder würde gerne im Palast ermitteln und möglich viel vom königlichem Leben mitzubekommen. Die Möglichkeit dazu bot sich schließlich äußerst selten.

»Ameni, wir werden erst einmal zum Palast gehen und uns umsehen. Wenn wir genau wissen, was passiert ist, nehmen wir einige Männer mit, für die weiteren Ermittlungen!« wies Kamose an, während sie auf den Ausgang zuliefen.

Als sie auf die Straße traten, übermannte sie eine Hitzeflut und Amenis Augen mussten sich erst wieder an die Helligkeit gewöhnen. Das weiß getünchte zweistöckige Gebäude der Medjai hatte, wie fast alle Häuser, nur kleine Fenster, damit es drinnen nicht zu heiß wurde. Das Leben spielte sich also meistens außerhalb des Hauses ab, selbst geschlafen wurde nicht immer im Haus: In den warme Monaten verzogen sich viele auf die Dächer, um dort unter freiem Himmel zu nächtigen. Auch saß man öfter in den kühleren Abendstunden auf den Dächern der Häuser und trank mit Freunden einen Krug Bier.

Während sie durch die Straßen liefen, beobachtete Ameni die verschiedenen Menschen denen sie begegnetet: Die unterschiedliche Kleidung, an der man deutlich den Stand der Menschen erkennen konnte, sowie die Gesichtsaudrücke. Meistens waren diese gelangweilt, gehetzt oder abwesend. Selten blickte er in ein lachendes Gesicht. In der großen Stadt schien jeder mit sich selber beschäftigt zu sein. Oasen der Ruhe fanden sich nur an einigen Stellen, unter Dattel und Feigenbäumen, ansonsten standen die Häuser dicht auf dicht und es bildeten sich so enge Gassen.

Der Weg zum Palast war ein ganzes Stück lang, doch Ameni machte es nicht aus, bei Sonne durch die Straßen zu laufen, auch wenn es heiß war. Er unterhielt sich mit seinem Vorgesetzten, mit dem er sich gut verstand, da sie sich schon kannten, noch bevor Ameni zu Medjai ging.

Außerdem verspürte er eine gewisse Vorfreude auf den Mordfall, so makaber das auch klang.

Die Wache vor dem Palast, den Ameni jedes Mal wieder staunend betrachtete, wenn er ihn zu sehen bekam, runzelten erst die Stirn, doch als sie die Tätowierungen an ihren Armen sah, die sie als Mitglied der Medjai auswiesen, ließen sie Ameni und Kamose ohne ein weiteres Wort herein. Eine Wache bedeutete ihnen mit einem Wink, zu folgen. Ameni wurde immer aufgeregter. Sicher, es war nicht die erste größere Ermittlung für ihn, aber hier im königlichen Palast herumlaufen zu dürfen und vielleicht sogar mit dem Pharao reden? Das war wirklich spannend. Leider lief die Wache so schnell voran, dass Ameni kaum Zeit hatte, sich großartig umzuschauen. An manchen Stellen der Wand befanden sich Bilder, andere waren verhängt mit großen Teppichen. Außerdem fiel Ameni auf, dass dieser Teil des Palastes heller war als die Häuser, die er kannte: Die Fenster waren um einiges größer und schön geformt mit Rundbögen. Aber er nahm an, dass alle wichtigen Räume die gleichen kleinen Fenster hatten wie sein kleines Lehmhaus, denn auch der Pharao und seine Gefolgschaft brauchten ab und zu Schutz vor der heißen Sonne. Irgendwie beruhigte Ameni das ein bisschen, auch die Bewohner des Palastes waren Menschen. Der Pharao war natürlich eine Ausnahme. Sicherlich war er ein Mensch, aber er war erwählt und der Sohn des großen Gottes, Re.

Der Gang entfernte sich von der Außenwand mit den schönen großen Fenstern und führte in den hinteren Teil des Palastes. Immer wieder begegneten ihnen gut gekleidete Männer und Frauen, die in kleinen Grüppchen gemütlich den Flur entlang schlenderten. Die Frauen zumeist gaben ein glockenhelles Lachen von sich, wenn einer der Männer etwas sagte.

Sie grüßten die Leute höflich mit Verbeugungen bevor sie ihren Weg weiter fortsetzten.

Ameni fand es faszinierend, wie die Menschen sich hier verhielten: So ganz anders als auf den Straßen. Jedenfalls das, was er bisher gesehen hatte, unterschied sich stark davon. Ein bisschen kam er sich wie im Himmel vor, denn hier schien alles schön und ruhiger abzulaufen als in der engen Stadt.

Dann dachte er an den Ermordeten und die Intrigen, die in dieser kleinen Welt in der Vergangenheit schon geschmiedet wurden, an die hinterhältigen Menschen, die auch einen Anspruch für sich auf dem Thron des Pharaos sahen und er revidierte seinen Gedanken über eine schöne Welt schnell wieder. Diese Menschen hier hatten einfach mehr Luxus, aber ihre eigenen Probleme. Vielleicht unverständlich für die ganz normalen Bürger, aber sicherlich genauso schwerwiegend für sie selber.

Ameni fiel auf, dass er nirgendwo Bedienstete sah, solche Leute musste es hier ja auch geben. Er grübelte eine Weile nach, während sie nun durch einen großen Raum marschierten, kam aber auf keine Idee, die das erklären könnte. Vielleicht war es auch nur Zufall, so lange rannten sich schließlich noch nicht durch das Gewirr von Gängen und Räumen.

Die Wache verlangsamte ihren Schritt und drehte sich schließlich um:

»Wir sind da. Dayla, die Schwester unseres Pharaos Sethos, wird sie empfangen.« Er nickte mit dem Kopf, deutete auf die Tür und verschwand schnell in einem der kleinen Gänge, die in den Raum mündeten. Der Offizier und sein ehemaliger Schüler sahen sich kurz an und Kamose klopfte an die Tür.

»Ja kommen Sie herein!«

Die Tür öffnete sich wie von Geisterhand und sie konnten in ein kleines Zimmer sehen, in dem ein Tisch und ein paar Sitzgelegenheiten standen. Vor dem Tisch stand eine Frau, vielleicht 18 Jahre jung mit wunderschönem schwarzen Haar, das ihr bis zur Hüfte reichte. Das war das erste, was Ameni bemerkte.

Dann sah er ihr Gesicht und schaute in eher traurige dunkle Augen, und einen schön geschwungenen Mund, der sich beim Anblick der beiden Medjai kurz zu einem Lächeln verzog.

Kamose verneigte sich tief und auch Ameni tat es ihm gleich, etwas rot, weil er die Frau angestarrt hatte.

»Herrin, Pharao Sethos hat uns eine Nachricht zukommen lassen, dass ein Mord geschehen wäre, den eure Hoheit gerne aufgeklärt haben möchte! Ich bin Offizier Kamose und dies« er deutete mit seiner rechten Hand auf seine Begleitung, »ist Leutnant Ameni, einer meiner besten Männer«

Insgeheim freute sich Ameni über das Lob und lächelte Dayla an. »Meine Herrin« murmelte er und verneigte sich nochmals.

Dayla nickte würdevoll mit ihrem schönen Kopf, der auf einem schlanken Hals saß. Sie sah wirklich königlich aus mit ihrer zarten Figur und dem schönen Kleid, welches sie trug.

»Mein Bruder, Pharao Sethos, fühlte sich eben nicht wohl und brauchte Ruhe. Er bat mich, sie vorerst von dem bedauerlichen Vorfall zu unterrichten, der sich gestern zugetragen hat.

Aber es ist schon eine Weile her, ich schicke einen Diener, der ihm Bescheid geben soll, dass die Medjai eingetroffen sind.»

Sie fixierte einen Punkt hinter den beiden Männern an

»Maya, könntest du bitte Pharao Sethos suchen?«

Ameni und Kamose drehten sich zu der Frau um, die neben der Tür saß. Ameni hatte sie beim hereinkommen nicht bemerkt, sie hatte wohl die Tür geöffnet. Ameni lächelte kurz, ihn hätte es nicht gewundert, wenn es wirklich wie »von Geisterhand« geschehen wäre, hier schien alles möglich zu sein. Jedenfalls sagte ihm das sein Gefühl.

»Ja meine Herrin!« antwortete sie und verschwand aus dem Raum.

Dayla wandte sich wieder ihnen zu und deutete auf Sitzkissen.

»Bitte nehmen Sie Platz.«

Sie setzten sich und Dayla begann zu erzählen. Ihre eben noch würdevolle Fassade fiel in sich zusammen und sie wirkte leicht aufgelöst und schien ebenfalls mitgenommen von dem Mord.

»Heute Morgen hat mein Bruder seinen besten Freund und Leibdiener Pani vermisst. Eigentlich war er immer in seiner Nähe, sie kannten sich schon von Kindesbeinen an und waren so etwas wie gleiche Seelen trotz ihres Klassenunterschiedes. Er?«, sie schaute kurz wehmütig zur Seite und Ameni sah, dass sie sich bemühte, nicht zu weinen. Sie war jemand, den man trösten wollte, doch vielleicht gab es keinen, der dies tat. Ameni überlegte, ob sie verheiratet war.

»Sethos hat ihn im inneren Garten gefunden, in seinem Bauch steckte ein Messer. Er war schon tot, als mein Bruder ihn so fand. Er kam sofort zu mir und schickte einen Diener los, der den Medjai Bescheid geben sollte. Ich hoffe, sie können den Mörder finden! Es kann sein, dass er sich noch im Palast befindet und wir müssen wissen, warum Pani ermordet wurde! Ich kann es mir nicht erklären!«

Ihre Stimme war emotionsgeladen.

Es herrschte einen Moment Stille und Kamose wollte gerade für seine erste Frage ansetzen, als es an der Tür klopfte.

»Herrin?« erklang dahinter eine eher leise Stimme.

»Tritt ein, Maya!«

Die Tür schwang auf und die Dienerin betrat den Raum. Dayla sah sie fragend an.

»Pharao Sethos erwartet sie alle in seinen Empfangsräumen.«, antwortete Maya unterwürfig.

Dayla lächelte das Mädchen, welches ungefähr so alt schien wie sie selber, an und dankte ihr. Dann stand sie auf und deutete Ameni und Kamose, ihr zu folgen.

Wieder ging es durch einige Gänge ein bisschen tiefer in den Palast hinein.

Schließlich standen sie vor einer Tür, die noch einmal extra bewacht war. Die zwei Männer nickten Dayla zu und traten beiseite, nachdem sie Kamose und Ameni gemustert hatten. Auch sie schauten zufrieden, als sie die Tätowierungen auf den Armen sahen.

Dayla schritt voran durch die Tür und die beiden Männer folgten ihr.

Sie betraten einen Raum, der keine Fenster besaß, hier und da standen Kerzen, die warmes Licht auf die mit Tüchern verhängten Wände und Sitzgelegenheiten warfen. Dieser Raum wirkte anders als die vorhergegangenen, die sie gesehen hatten.

Aber Ameni bemerkte dies nur am Rande, denn in der Mitte des Raumes stand der Pharao.

Im ersten Moment wirkte er viel zu jung für sein Amt. Aber wie er den Kopf mit den langen schwarzen Haaren hielt, die Ameni fasziniert anstarrte. Und diese Augen, die glänzend auf die Besucher schauten, ob von Tränen oder vom Kerzenschein, konnte Ameni nicht sagen. Im Kontrast zu seinen Haaren und seinem dunkleren Teint stand das schlichte aber doch wunderschöne weiße Gewand mit Goldmustern an den Rändern, das sich um den schlanken Körper legte, über den Ameni seinen Blick gleiten ließ.

Innerlich schalt sich Ameni, schon das zweite Mal heute, dass er einen Fremden so anstarrte und dann auch noch königlichen Blutes! Er richtete seinen Blick nicht zurück auf die Augen des Pharao, denn er befürchtete, auch zum zweiten Mal heute, sonst passierte ihm das doch nie, rot zu werden. Stattdessen fiel er gleichzeitig mit Kamose auf die Knie und beugte seinen Oberkörper weit nach vorne. »Seid gegrüßt, mein Gebieter. Es ist wahrlich eine Freude für Uns, ihre königliche Hoheit kennen zulernen?«

Kamose hielt die übliche Lobrede vor dem Pharao während sie auf dem Boden knieten.

Als die Danksagungen und Ehrpreisungen ein Ende gefunden hatten, standen sie auf. Ehrfürchtig richtete Ameni den Blick wieder auf den Pharao und seine Schwester.

Dayla stand neben ihrem Bruder und hielt ihm am Arm. Er lächelte sie kurz an und es schien, als würde die königliche Aura, die ihn umgab, einen Moment von ihm abfallen.

Doch dann wandte er sich wieder den beiden Männern der Medjai zu und nickte ernst.

»Ich danke, dass sie so schnell hier erschienen sind.«

Was anderes war ihnen natürlich eh nicht übrig geblieben, aber Ameni freute sich, dass der Pharao jedenfalls beim ersten Augenschein nicht so hochnäsig war, wie er gedacht hatte.

Die Stimme des Pharaos war fest, doch Ameni war sich jetzt sicher, dass die glänzenden Augen nicht nur vom Kerzenlicht stammten.

Und obwohl Ameni es sich selten erlaubte, hatte er Mitleid mit diesem unbekannten, fernen Mann, der gerade mal zwei Jahre jünger war als er und der gerade einen engen Vertrauten und Freund verloren hatte.

Schon wieder starrte er Sethos an und wandte seinen Blick nicht ab, als dieser den Blick auf ihn lenkte. Der Pharao ließ keine Gefühlsregung zu, sondern setzte sich auf einen Sessel. Auch die Männer und Dayla nahmen Platz auf den Sitzkissen die den Boden bedeckten.

Kamose begann gleich mit der Befragung.

»Mein Pharao, wir werden alles tun um den Mord aufzuklären. Eure Schwester Dayla hat uns erzählt, was passiert ist. Wir sind auf eure Hilfe angewiesen, denn wir brauchen eure Schilderung zu dem Vorfall. Würdet ihr uns die gewünschten Informationen geben?«

Sethos nickte und Kamose senkte ehrbietig den Kopf.

Ameni bemerkte, dass Dayla kurz seinen Arm drückte, die beiden schienen ein sehr gutes Verhältnis zueinander zu haben.

»Gut. Als erstes würde ich gerne wissen, wann ihr ihn gefunden habt, mein Gebieter?«

»Das war am späten Morgen, die Sonne stand schon einige Zeit am Himmel.«

Kamose stellte eine weitere Frage und Ameni musste sich konzentrieren, um die beiden Menschen vor sich nicht anzustarren. Sie schienen beide nicht von dieser Welt, deutlich sah er die Ähnlichkeit. Der gleiche geschwungene Mund, der Sethos einen weiblichen Zug verlieh, im Gegensatz dazu die hohen Wangenknochen und die geraden Augenbrauen, die ihn männlich wirken ließen. Dayla wirkte mädchenhafter durch ihre sehr großen schwarzumrandeten Augen.

Ameni wandte sich wieder der Befragung zu.

Sethos erzähle gerade, wie er seinen Freund vorgefunden hatte.

»? Er lag auf der Seite, die Augen waren noch offen. In seinem Bauch steckte das Messer. Er schien gerade erst hingefallen zu sein und?«

Für einen kleinen Moment schloss er die Augen. »Dieser Gesichtsausdruck, dieses Blut?«, flüsterte er noch, dann stand er abrupt auf und lief mit gesenktem Kopf um den Tisch.

Der Schmerz des Geschwisterpaares stand im Raum und Ameni zog sich die Brust zusammen. Es schien ihm, als hätte er selber etwas verloren, er wusste nicht, wo das Gefühl auf einmal herkam. Er kannte diese Menschen nicht, Pharao hin oder her, im Moment waren Sethos und Dayla nur ganz gewöhnliche Trauernde.

Außerdem war es ihm, und Kamose offensichtlich auch, etwas peinlich den Pharao in einem solchen Zustand zu erleben.

Sethos blieb schließlich wieder stehen. »Ich weiß nicht, wer so etwas getan haben könnte! Sicherlich hatte es nichts mit ihm zu tun, sondern mit mir. Ich kann mich nicht erinnern, dass er Feinde hatte!«

»Vielleicht Neider? Er stand euch sehr nahe mein Gebieter, so eine Position bringt es mit sich, dass Menschen neidisch werden.«

Es war der erste Satz, den Ameni sagte und der Pharao schaute ihn an, und durch ihn hindurch. Er schien nachzudenken. Ameni schaute zurück, verschwand in den Augen des jungen Mannes, waren sie grün? Oder schwarz? Das Licht schien alle möglichen Farben darin widerzuspiegeln. Als Sethos endlich wieder sprach, schreckte Ameni kurz zusammen, was ihm einen gerunzelten Blick seines Vorgesetzten einbrachte. Was war nur los mit ihm? Er war doch sonst nicht so leicht aus der Fassung zu bringen!

»Aber Pani zu ermorden, bringt denjenigen auch nicht in die Stellung, die mein Freund hatte. So etwas kann keiner ersetzen, egal wie sehr er versucht an mich heranzukommen. Das kann nicht der Grund sein!«

»Manche Menschen denken nicht so edel und gut wie ihr, mein Pharao. Neid treibt einen zu den seltsamsten Ideen. Wir wissen nicht, was der Grund war, ausschließen können wir es nicht ganz.«, sagte Ameni. Es war gewagt, dem Pharao mehr oder weniger zu widersprechen, jedoch mussten sie auch ermitteln.

Sethos nickte und lief auf und ab.

»Wo ist euer Freund jetzt?«, fragte Kamose.

»Noch ist er aufgebahrt in seinem Raum. Ich habe befohlen, dass weder das Messer noch seine Kleidung entfernt oder gesäubert werden.«

Die beiden Medjai nickten und der Pharao ging auf die Tür zu. »Folgen sie mir, ich bringe sie zu ihm.«

Dayla gesellte sich zu ihrem Bruder und gemeinsam gingen sie voraus. Kamose warf Ameni einen Blick zu, den dieser nicht genau deuten konnte.

Während sie durch die Korridore wanderten, konnte Ameni den Rücken des Herrschers beobachten, wie sich das Gewand an ihn schmiegte und wie die Sonne sein Haar zum Glänzen brachte. Innerlich schalt er sich. Sie mussten ihr bestes geben und er verschwendete seinen Gedanken an einen, wenn auch sehr hübschen Mann, wie wohl jeder bestätigen würde, der noch dazu der Pharao war.

,Später träumen, jetzt arbeiten. Sonst klappte das auch, also los!'

Sie kamen nach einiger Zeit, Ameni hatte das Gefühl, dass der Palast unendlich groß war, aber wahrscheinlich hatten sie die Hälfte der Gänge schon vorher beschritten und er konnte sich nur nicht daran erinnern, zu den Räumen Panis.

Der Mann lag auf dem Rücken auf dem kleinen Bett, trotz Fenster rümpfte Ameni kurz die Nase, denn der Verwesungsgeruch hatte schon eingesetzt. Das war kein Wunder bei der Hitze, womöglich hatte er schon eine ganze Weile im Garten gelegen.

»War das Blut schon eingetrocknet so wie jetzt von der Farbe oder frischer, als ihr ihn fandet, mein Herrscher?« fragte er den Pharao.

»Eingetrocknet. Ich glaube, er ist nicht heute Morgen ermordet worden, denn ich habe mich sofort auf den Weg gemacht, als ich bemerkte, dass er nicht kam. Aber andererseits kommen mehr Leute morgens am Garten vorbei als abends und ich war der, der ihn gefunden hat.«

Er schien wieder in Gedanken zu versinken und Ameni seufzte. So schienen sie nicht weiter zu kommen. Spekulationen waren nicht so sehr hilfreich, im Grunde konnte alles Mögliche passiert sein. Was sie brauchten waren Beweise.

Kamose hatte sich in der Zwischenzeit der Leiche zugewandt und studierte sie eingehend.

»Es gibt nur einen Einstich, er muss noch eine Weile gelebt haben, aber ich denke nicht allzu lange.« Ameni bemerkt aus den Augenwinkel, dass der Pharao sich abwandte. Dayla dagegen hörte interessiert zu und schaute Kamose über die Schulter. Sie schien zwar traurig, aber nicht abgeschreckt von der Leiche. Vielleicht war sie doch nicht so mädchenhaft. Ameni überlegte, ob sie sich auch verstellen konnte. Er musste sowieso alle Menschen im Palast als Täter ansehen, auch wenn es ihm bei der Frau schwer fiel, denn sie schien ja ein sehr gutes Verhältnis zu ihrem Bruder zu haben. Fassade oder nicht?

»Wir sollten uns auf jeden Fall die Fundstelle ansehen, vielleicht ist er nicht dort ermordet worden, sondern hat es geschafft sich noch vom Fleck wegzubewegen.« warf Ameni ein.

»Ich denke, wir sollten das Messer entfernen, damit euer Freund bestattet werden kann, mein Herrscher.«, schlug Kamose vor. Der Pharao nickte und schaute zu, als der Offizier das Messer aus der Wunde zog. Dayla gab ihm einen Lappen, um es vom Blut zu reinigen.

»Wenn ihr erlaubt, werde ich es an mich nehmen, da es für weitere Untersuchungen nützlich sein könnte« wandte sich Kamose wieder an Sethos.

Ein Nicken als Antwort und Kamose wickelte das Messer in ein sauberes Tuch und steckte es ein.

Gemeinsam gingen sie in den inneren Palastgarten, und Sethos zeigte ihnen die Stelle, an der er Pani am Morgen gefunden hatte.

Ameni bückte sich in dem dichten Gras nieder und tastete den Boden ab. Außer Blutflecken fand er nichts.

Er schüttelte den Kopf. »Hier ist nichts, wir sollten aber den größten Teil des Gartens absperren und ihn nochmals mit mehreren unserer Männer durchsuchen, ob der Täter etwas verloren hat oder ob wir andere Hinweise finden.«

Kamose nickte. »Wir werden morgen mit mehr Leuten wiederkommen und die Suche fortsetzen.« Er wandte sich an den Pharao: »Außerdem wäre es hilfreich, wenn wir die Menschen im Palast befragen könnten, ob sie etwas bemerkt haben. Ist das möglich, mein Pharao?«

Dayla und Sethos überlegten. »An sich ist es möglich, jedoch können wir den Menschen nicht befehlen, im Palast zu bleiben, da sie ihre Arbeiten erledigen müssen und nicht alle, die hier arbeiten, wohnen auch hier. Sie kehren abends zu ihren Familien zurück. Ich werde den Mord bekannt geben und erwarten, dass sich diejenigen melden, die einen Hinweis haben. Unabhängig davon können sie natürlich Befragungen durchführen.«

Er schien schon weiterzudenken und den Ablauf des nächsten Tages zu planen.

Die feste Stimme überraschte Ameni, der Pharao schien sich zusammen zu reißen und wirkte mit einem Mal sehr viel würdevoller und unnahbarer, als bei dem ersten Gespräch in seinen Räumen. Vielleicht weil sie jetzt an der Öffentlichkeit waren und eventuell andere Mithörten, auch wenn keiner in der Nähe zu sehen war.

Ameni wusste nicht, welcher Sethos ihm besser gefiel.

Aber er sollte wirklich nicht darüber nachdenken.

Trotzdem wanderten seine Augen wieder und wieder zu dem Mann, dessen schwarzen Haare im Wind wehten und dessen Blick in weite Ferne gerichtet schien. Wahrscheinlich dachte er über seinen Freund nach, doch sein Gesicht war verschlossen

Abrupt drehte er den Kopf und schaute Ameni in die Augen. Wahrscheinlich nur eine kurze Zeit aber Ameni kam sich vor wie gefangen in den grünen Tiefen und konnte seinen Blick nicht abwenden. Ein Schauder lief ihm über seinen Rücken, ihm war als würde trotz der warmen Abendstunden ein kalter Wind wehen, der ihn mitriss.

Der Moment verging wieder, niemand schien etwas bemerkt zu haben von dem Gefühlschaos, das mittlerweile in Ameni herrschte.

Das war auch gut so. Kamose wusste zwar um seine Neigung und tolerierte sie auch, aber er sollte sich beim Arbeiten nicht ablenken lassen.

»Ich denke, heute lässt sich nicht mehr viel tun. Wenn ihr erlaubt, werden wir uns zurückziehen und morgen zu früher Stunde wieder hier erscheinen.« Kamose verneigte sich vor Sethos.

»Natürlich.«

Er schien einen kurzen Moment nachzudenken.

»Würdet ihr uns die Ehre erweisen mit uns zum Abend zu Essen oder erwarten euch eure Familien?« Kamose zog das Gesicht zusammen und verneigte sich nochmals, tiefer als zuvor. »Mein Pharao, ich bin untröstlich, aber eines meiner Kinder ist krank und ich habe meiner Frau versprochen zum Abend zurück zu sein. Außer?«

»Oh das verstehe ich natürlich.«, fiel ihm der Pharao ins Wort. »Dann wünsche ich eurem Kind eine gute Genesung und erwarte euch nach Sonnenaufgang zurück. Und was ist mit euch Leutnant Ameni?«

Ein bisschen nervös wurde Ameni bei dieser Frage schon. Erst die Ermittlungen überhaupt im Palast, und nun auch noch ein Abendessen mit dem Pharao und seiner Schwester? Nein?

Sein Mund bewegte sich wie von alleine: »Ich habe keine derartigen Verpflichtungen und nehme das Angebot erfreut an.«

Was sagte er da nur? Um seine Unsicherheit zu verbergen, verneigte auch er sich.

Kamose machte sich auf den Weg Richtung seines Hauses, während Ameni dem Herrscher und seiner Schwester zurück in den Palast folgte.

Während sie wieder durch das Gewirr von Gängen liefen, winkte Sethos Diener zu sich heran und trug ihnen auf, die Bestattung Pani's für den nächsten Tag vorzubereiten und seinen Leichnam in das Haus des Todes zu schaffen.

Ameni fühlte sich unwohl, als er sich umsah und die Wachen sah, die sie auf Schritt und tritt zu verfolgen schienen. Natürlich nur für die Sicherheit des Pharaos.

Nun trat eine Wache an Sethos heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ameni verstand nichts, da der Mann sehr leise redete. Der Herrscher schaute erleichtert und dankte dem Wachmann. Dieser zog sich wieder zurück.

Ameni kam sich sehr fehl am Platz vor, warum hatte er das Angebot angenommen? Aber er hatte auch nicht wirklich einen Grund gehabt nein zu sagen.

Schließlich gelangten sie in einen Raum, offensichtlich ein Esszimmer, denn hier stand einzig und allein ein nicht sehr großer aber schöner Tisch mit bequem aussehenden Sitzmatten um ihn herum. Der Tisch schien gerade erst gedeckt worden zu sein... für drei Leute. Ameni überlegte, wann der Pharao die Anweisung dazu gegeben hatte.

Bevor sie sich setzten, wies Sethos die Wachen an, dass sie nicht gestört werden wollten.

Nach einem gemurmelten »Ja mein Herrscher« verschwanden die Wachen aus der Tür, schlossen sie und postierten sich sicherlich davon.

Ameni fiel auf, wie königlich Sethos wirkte, wenn er mit seinen Untergebenen sprach. Wahrscheinlich war er die meiste Zeit so und Ameni hatte eine Ausnahme erlebt heute Mittag. Trotzdem blieb immer noch das Bild des zerbrechlichen, traurigen jungen Mannes, den er bei seiner ersten Begegnung kennen gelernt hatte, in seinem Kopf haften.

Nun wandte er sich wieder dem Tisch zu, und bemerkte, dass ein Sitzplatz höher lag als die anderen.

Doch zu Amenis Erstaunen setzte Sethos sich zwar auf die kurze Tischseite, jedoch gegenüber des erhöhten Platzes auf eine ganz normale Sitzmatte. Er bedeutete, dass Dayla und Ameni sich rechts und links an der Längsseite des Tisches neben ihm niederlassen sollten.

Dayla lächelte Ameni aufmunternd von gegenüber zu, während sie Wein einschenkte.

Sie aßen eine Weile stillschweigend, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken.

Ameni überlegte, was er sagen könnte, er wollte mehr über das Verhältnis von Pani und Sethos erfahren, vielleicht gab es Hinweise für die weiteren Ermittlungen. Aber es war sicher noch zu früh davon anzufangen.

Dayla begann schließlich nach einiger Zeit die eher unangenehme Stille zu brechen:

»Leutnant Ameni, mit Verlaub, ihr seht nicht aus wie ein typischer Medjai.«

Eigentlich mochte er es nicht so sehr auf seine Haarfarbe angesprochen zu werden, doch Dayla lächelte ihn an, es steckten keine bösen Absichten hinter ihrer Frage.

Ameni nickte. »Das stimmt, und doch bin ich hier geboren und aufgewachsen. Ich komme gar nicht nach meinen Eltern. Früher hatte ich es schwer, da ich schnell gehänselt wurde und nicht damit umgehen konnte. Aber mittlerweile ist es mir wirklich egal, was die Menschen sagen.«

Sethos schaute Ameni unverwandt an, während er redete, was dieser aus den Augenwinkeln wahrnahm und ihn ein bisschen nervös werden ließ, innerlich jedenfalls.

»Oh, das tut mir leid, aber Sie scheinen ja nun einen starken Charakter zu haben. Außerdem finden Sie sicher schnell eine Frau mit ihrem Aussehen.«

»Dayla, bitte« sagte der Pharao, ein bisschen schärfer als beabsichtigt, seinem Gesichtsausdruck nach. »Es ziemt sich für dich nicht mit einem Fremden so zu sprechen, denk an deine Stellung.« Ameni musste ein bisschen grinsen über den offensichtlichen großen Bruder. Er war von je her ein offener Mensch und störte sich nicht an solchen Fragen. Außerdem fand er das Geschwisterpaar äußerst sympathisch und hoffte, mehr über sie zu erfahren, unabhängig von dem Mordfall, den er zu klären hatte.

»Mein Gebieter, ich danke euch für euer Mitgefühl, doch ich bin selber ein aufrichtiger Mensch und mag Menschen, die ebenso sind wie ich und sagen was sie denken.«

Er sah Dayla grinsen und auch Sethos verzog kurz seine Mundwinkel zu einem Lächeln, was Amenis Herz einen Takt schneller schlagen ließ. Er schalt sich wieder einmal innerlich dafür, aber war froh, dass der Herrscher nicht böse war auf sie.

»Um eure Frage zu beantworten Dayla: Ich habe mich bisher nicht sehr dafür interessiert, ob ich Frauen anziehe oder nicht.«

Dayla seufzte. »Wie schade!«, warf sie ein und Ameni und Sethos lachten.

Amenis Blick glitt zum Gesicht des Pharaos. Diese Veränderung, wenn er lachte, war wirklich unglaublich. Aus dem ernsten traurigen Gesicht wurde dieses schöne Antlitz, als wäre er frei von Sorgen. Jeder Mensch verändert sich, wenn er nur ein bisschen lacht, doch bei Sethos war es etwas Besonderes. Der kurze Moment verging und zurück blieb das melancholische Gesicht von vorher.

»Aber ihr, Dayla, seid doch auch von besonderer Schönheit, so kann ich diese Frage zurückgeben.«, grinste Ameni das jüngere Mädchen an.

»Oh aber sicher mein Lieber«, blinzelte sie. » Die Männer liegen mir zu Füßen,...« Ihr Gesicht wurde etwas ernster. »aber ich bin nicht verheiratet, wenn ihr das meint. Als Schwester des Pharaos werde ich meinem Bruder zuliebe eine Heirat seiner Wahl eingehen.«

Sethos runzelte die Stirn. »Ich schreibe dir nicht vor, wen du heiraten sollst, auch wenn?«

»Aber ich möchte, dass es dir hilft!«, rief sie dazwischen.

Ameni verfolgte das Geschwisterpaar und machte sich seine eigenen Gedanken. Er schloss Dayla fast als Täterin aus, denn sie schien sehr bedacht darauf zu sein, ihren Bruder zu unterstützen. Die Körpersprache und die Blicke hatten ihm die Idee von Dayla als Täterin vorher schon absurd erscheinen lassen. Ganz streichen durfte er sie aber erst, wenn sie den Mörder hatten.

Dayla schien zu merken, dass das Thema nicht angebracht war, wenn ein mehr oder weniger Fremder mit am Tisch saß und richtete schnell eine andere Frage an ihren Bruder:

»Was wollte die Wache eben von dir?«

Ameni zog die Augenbraue hoch. Wenn sie immer so war, könnte man sie für unhöflich halten. Aber Sethos schien es ihr nicht übel zu nehmen, das zeugte von einer guten Beziehung der beiden.

Er wandte sich an Ameni, der kurz die Luft anhielt, als er in die grünen Augen blickte.

»Sie müssen meine Schwester entschuldigen, sie ist immer so neugierig. Eigentlich ziemt es sich nicht, aber so lange es nicht in der Öffentlichkeit geschieht?« Er bemerkte das Gesicht seiner Schwester, die es augenscheinlich nicht mochte, wenn man über sie sprach, während sie anwesend war.

»Ich habe lediglich etwas über Leutnant Ameni und Offizier Kamose erfahren.«, beantwortete Sethos die Frage seiner Schwester.

Ameni zog eine Augenbraue hoch. Das war ja interessant.

Sethos drehte sich wieder zu Ameni um und erklärte: »Ich kann nicht einfach Untertanen Zugang zum Palast gewähren, wenn ich ihre Hintergründe nicht kenne, und so habe ich ein wenig nachforschen lassen. Ich hoffe ihr nehmt es mir nicht übel, aber ich muss noch vorsichtiger sein nach dem? Mord an Pani«.

Ameni verstand und nickte. »Ich hoffe es war alles zu eurer Zufriedenheit, mein Gebieter.«

Er überlegte was die Wache wohl genau gesagt hatte, jedenfalls nicht viel... Wenn es keine guten Informationen gewesen wären, säße er sicherlich nicht hier.

Sethos lächelte. »Ja, in der Tat.«

Er wollte noch mehr sagen, doch es klopfte an der Tür.

»Mein Pharao, ihr werdet gebraucht.« Sethos stand auf und ging auf die Tür zu. Die Wache öffnete. Er sagte kurz etwas, was Dayla und Ameni nicht verstanden und drehte sich zu den beiden um. »Es tut mir leid, ich habe noch etwas zu klären, es ist wichtig. Ich danke ihnen für ihre Gesellschaft Leutnant Ameni und wünsche ihnen einen guten Heimweg. Dayla wird sich um Sie kümmern.«

Ameni stand schnell auf und verbeugte sich. So oft wie heute hatte er das lange nicht getan. Er überlegte wie die Diener das aushielten, die immer in der Nähe des Pharao waren.

»Ich danke euch für eure Gastfreundschaft mein Gebieter, möge Horus mit euch sein.«

Er starrte Sethos nach, der den Raum verließ und konnte das Gefühl der Vorfreude nicht unterdrücken, den Mann morgen wieder zu sehen. Hoffentlich.

Erst als die Tür sich schloss, nahm er wieder Platz.

Dayla lächelte ihn an. »Ich bin ebenso froh wie mein Bruder, dass ihr hier seid um zu ermitteln, Ameni, oder bestehen Sie auf ihren Titel?«, fügte sie schnell hinzu.

Ameni schüttelte den Kopf. »Nein gar nicht. Ich gebe ehrlich zu, ich war und bin ein wenig nervös, ich habe zwar schon einige Ermittlungen miterlebt und durchgeführt aber nicht im Kreise des Pharaos, natürlich.«

Dayla nippte an ihrem Wein. »Ja das verstehe ich.«

»Sag Ameni, darf ich du sagen? Ihr dürft das natürlich auch. Ich habe nur das Gefühl, dass wir uns noch öfter begegnen werden und möchte nicht die mit dem Austausch von Höflichkeitsfloskeln verbringen«

Ameni schaute sie erstaunt an. »Natürlich« nickte er und freute sich über ihre Offenheit.

Sie lächelte und dachte kurz nach, dann kam sie zum eigentlich Thema zurück und sagte nach einem Seufzer: »Auch für uns ist es schwierig. Zwar haben wir ein paar Verbündete jedoch nicht die, die unser Vater hatte. Es ist schwer, Menschen zu vertrauen. Vor allem meinem Bruder fällt es schwer, aber vielleicht es ist auch ganz gut so. Auch wenn es einsam macht, aber man kann sich sein Schicksal nicht aussuchen.«

»Das ist ein bisschen paradox, so viele Menschen wollen unbedingt den Thron des Pharaos erklimmen, doch der, der ihn hat, ist einsam und fühlt sich nicht wohl?«

»Ich habe nicht gesagt, dass er sich nicht wohl fühlt! Ich bin mir sicher, dass er ein sehr guter Pharao sein kann! Er ist ehrgeizig und er kann sich gut in andere hineinversetzen. Aber er ist eben noch nicht so lange Zeit auf dem Thron. Ich denke, er wird seinen Weg gehen und ich hoffe, ich kann ihn so gut wie möglich unterstützen!«

Ameni bemerkte die Willenskraft in den Augen der jungen Frau und dachte, dass sie eben so gut den Pharaonen-Titel innehaben könnte wie ihr Bruder. Sie schien alles für ihn zu tun und Ameni freute sich, dass Sethos eine starke Schwester an seiner Seite hatte. Dann sah er in ihr hübsches Gesicht und er dachte daran, dass sie vielleicht einen alten Mann heiraten würde oder ?.ihren eigenen Bruder? Auch das war möglich, da die königliche Linie erhalten bleiben musste.

»Was ist, Ameni?«

»Ich dachte nur an das Thema, das du eben angesprochen hast.«

»Heirat?«

Ameni nickte. »Ja, der Pharao wird sich sicherlich auch bald eine Frau suchen müssen. Ist es nicht erstmal das wichtigste, seine Erbfolge zu sichern?«

»Das ist wahr. Bisher hat er mir gegenüber nichts erwähnt, auch wenn ich nachgefragt habe, gab er keine Antwort. Vielleicht weiß er einfach nicht, was er tun soll. Wenn er keine Frau findet, die seinen Ansprüchen entspricht, werde ich ihn heiraten müssen.« Sie sagte es mit einer Selbstverständlichkeit, bei der Ameni große Augen bekam.

»Sicher ist es ein komischer Gedanke seinen Bruder zu heiraten, aber es wäre nicht viel anders als jetzt, außer dass ich hoffentlich einen Thronfolger gebären würde. Also schau nicht so verschreckt.«, warf sie schnell ein.

Ameni hatte das Gefühl, dass es schon spät war, er war es nicht gewohnt in einem Raum zu sitzen und keine Fenster zu haben, um in den Himmel zu schauen. So gerne er sich auch mit der hübschen Frau unterhielt, er musste auch noch ein Stück nach Hause gehen.

Dayla bemerkte seine kleine Unruhe. »Oh Entschuldigung, du hast morgen einen langen Tag vor dir. Ich werde dich zum Ausgang begleiten.«

Ameni lächelte sie dankbar an. »Ich danke dir, Dayla«

Innerlich ärgerte er sich nun ein bisschen, denn er hätte das Gespräch auch auf Pani lenken können, aber nun gut, er war morgen auch hier.

»Ich würde morgen gerne wieder mit dir und unserem Gebieter sprechen, allerdings über Pani, euer Verhältnis zueinander und mit was für Leuten er verkehrt hat, wenn er nicht an der Seite deines Bruders war. Meinst du, Pharao Sethos ist morgen dafür bereit?«

»Ich hoffe es. Ich werde dir sonst auch einiges erzählen können. Aber er möchte den Mordfall aufgeklärt haben und er wird dir alles erzählen, was du wissen willst.«

Sethos nickte und dankte Dayla noch mal.

Der Stern Sopdet stand hell und klar am Himmel, als Ameni die Straßen nach Hause lief.

Auch er war ein Vorzeichen für die kommende Nilflut.

Er schaute zu ihm auf und dankte für den Tag. Seine Gedanken waren noch durcheinander und verwischten sich schon mit Wünschen und Träumen, der Geist war vernebelt. Vielleicht hatte er auch ein bisschen zuviel Wein getrunken.

Er schaffte es nicht, alle Eindrücke vom Tag auf dem Weg zu seiner Hütte zu ordnen und fiel schließlich erschöpft in sein Bett. Morgen konnte er genauer über den Tag nachdenken, jetzt erstmal schlafen? Erschöpfung übermannte ihn, die Hitze, die nicht nur durch die heiße Sonne des Tages auf ihn eingeströmt war, sondern auch in seinem Inneren brannte, ließ langsam nach, als er in einen traumlosen Schlaf driftete.

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Anmerkungen:

Natürlich war der Pharao eine unnahbare Person, der man sich eigentlich nicht so ohne weiteres nähern durfte. So musste man, bevor man das Privileg hatte, eine Bitte an ihn zu richten oder vor ihm zu sprechen, den Boden oder seine Füße küssen und eine lange Lobpredigt über ihn Vortragen, wie eine Art Monolog.

Es wäre zu umständlich gewesen und nicht mehr schön zum lesen, wenn ich das so genau übernommen hätte. Allerdings versuche ich mich schon bei der Geschichte so nahe wie möglich an belegte Tatsachen zu halten.

Die Medjai sind ursprünglich ein nubischer Stamm südlich von Ägypten, die oft als Polizisten angeheuert wurden. Später wurde der Begriff »Medjai« ein Synonym für die Polizei im Allgemeinen (wie auch in dieser Geschichte, Ameni is Ägypter).

Der Monat »Thot« entspricht dem heutigen Monat »Juli«. Für die Ägypter war dies der Beginn des Jahres, da hier durch die Nilüberschwemmung die umliegende Wüste in fruchtbares Ackerland verwandelt wurde.

Zeitlich ist die Geschichte in die 18. Dynastie eingeordnet, in der Tutanchamun zwei weitere Pharaonen folgten (Eje und Haremhab), die wissenschaftlich jedoch nicht eindeutig belegt sind. So lasse ich einen neuen Pharao entstehen, der nach von mir verkürzter Regierungszeit von Haremhab regiert. Auch alle anderen Figuren, soweit nicht anders gekennzeichnet, stammen von mir.

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