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My Way

Alles musste anders werden...

Teil 2 - Outing

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Outing

Mittlerweile kamen die ersten Gäste und wir machten uns an die Arbeit, ich war wie Andi an der Bar eingeteilt, was mir heute sehr unangenehm war, wir sprachen kein Wort miteinander. Klar, wie hätten wir auch über das, was vorgefallen war an der Bar vor allen Leuten reden sollen, aber es war auch irgendwie eine richtige Barriere zwischen uns, die mit der Zeit auch alle anderen die uns kannten mitkriegten.

Kurze Zeit später fragte mich Frau Soder, das war die Besitzerin der Tanzschule und unsere Trainerin, ob ich mal mit ins Büro kommen könnte. Dort fragte sie mich ob ich mit Andi Krach hätte.

„Nein Frau Soder, wie kommen Sie darauf?“ „Na das merkt doch ein Blinder mit Krückstock, dass da was nicht stimmt. Ihr seid doch gestern zusammen nach dem Auftritt weggefahren, war da was?“ „Eigentlich nicht“, begann ich zu stottern, was wusste Frau Soder begann ich mich zu fragen. Die Antwort auf diese Frage sollte ich schnell bekommen. „Will Andi was von dir?“, fragte sie mich unvermittelt. „Wie meinen Sie das denn?“, entgegnete ich und fühlte mich zusehends unwohl. „Na der Andi ist doch schwul und ich kann mir vorstellen, dass du ihm gefällst.“

Jetzt war ich baff, woher wusste die Soder das und glaubte sie von mir auch, dass ich schwul sei? Mir wurde das jetzt zu heiß und ich erwiderte: „Na ja, er wollte schon aber ich nicht.“ „Hab ich’s mir doch gedacht, na ja, lass mal gut sein, Andi wird schon damit fertig und kommt drüber weg“, antwortete sie.

Damit verließen wir das Büro und gingen zurück. So ein Mist, ich ritt mich immer tiefer in die Scheiße, die ich selbst angerührt hatte, jetzt kamen auch noch Lügen dazu, wie sollte das enden?

Andi schaute mich mit fragendem düsteren Blick an, als ich zurückkam. Aber Frau Soder fragte mich, ob ich die Kasse am Eingang übernehmen könnte und ich sagte dankbar ja, somit konnte ich dem düsteren Blick von Andi entkommen und etwas nachdenken.

Tausend Gedanken schwirrten mir durch den Kopf, es tat mir leid was ich mit Andi gemacht hatte und ich würde das gerne rückgängig machen. Ich musste unbedingt noch einmal mit Andi reden, aber hier in der Tanzschule war das einfach nicht möglich, ich sehnte das Ende der Party herbei, denn ich hatte mir fest vorgenommen im Anschluss mit Andi zu reden.

Als die letzten Gäste gegangen waren und wir am Aufräumen waren, fiel mir auf, dass Andi nirgends zu sehen war. Ich fragte ob ihn jemand gesehen habe und bekam zur Antwort, dass er schon nach Hause gegangen sei.

Nachdem wir fertig waren setzte ich mich ins Auto und fuhr zu Andi nach Hause, aber die Fenster der Wohnung waren alle dunkel und auch das Auto stand nicht vor der Tür. Ich hatte mir fest genommen die Sache ins Reine zu bringen und nun musste ich unverrichteter Dinge nach Hause fahren. Schlechter hätte der Sonntag nicht sein können.

Der Montag verbesserte meine Laune auch nicht, im Gegenteil. Tommy kam mir auf dem Gang im Schulgebäude entgegen und fragte mich: „Hi Mikel, hast du für Englisch gelernt?“ So ein Mist, auch das noch, den Test heute hatte ich komplett vergessen. „Scheiße“, antwortete ich, „total verpeilt.“ „Was ist denn mit dir los?“, fragte er mich. „Ich hab doch auch nichts gelernt, war am Wochenende mit Ulli zusammen.“ Ulli, who the fuck is…doch nicht etwa die Ulrike aus der Parallelklasse, Tommy hatte mir schon ein paar Mal gesagt, dass er die süß finden würde, was hatte das jetzt zu bedeuten.

Ich kam weder zum Nachfragen noch zum Nachdenken, denn die Glocke läutete zur ersten Stunde – Englisch!

Frau Köpfer, eine Lehrerin mittleren Alters, immer rausgeputzt, schick angezogen, aber mit einer irrsinnig unreinen Haut, die sie mit tonnenweise Make-up zu verdecken suchte, betrat das Klassenzimmer. „Good Morning, today we will do the test.“ Klasse, ich erinnerte mich dunkel, was in diesem Test abgefragt werden sollte. Eigentlich hatte ich, nachdem ich die achte zweimal machen durfte, danach keine Schwierigkeiten in der Schule und so hoffte ich auch ohne Vorbereitung den Test irgendwie hinzukriegen, was mir auch gelang und so ging ich einigermaßen zufrieden aus der Stunde.

„Total versiebt“, sagte Tommy zu mir auf dem Schulhof. „Wart erst mal ab, vielleicht ist es gar nicht so schlimm“, antwortete ich. „Hast du heute Mittag Zeit?“ „Sorry, da bin ich mit Ulli verabredet.“ „Läuft da jetzt was mit euch oder wie muss ich das verstehen?“, fragte ich Tommy. „Na ja, wir gehen jetzt zusammen“, antwortete er.

Klasse, dachte ich, mein bester Kumpel, dem ich vor ein paar Tagen noch sagen wollte, dass ich schwul bin, von dem ich kurzzeitig gedacht hatte, dass er auch schwul oder zumindest bi sei, war also doch hetero, hatte ne Freundin und ich war abgemeldet. Das Leben ist einfach ungerecht.

Ich nahm mir vor am Freitag nach dem Training auf jeden Fall mit Andi zu sprechen. Ich musste viel an ihn denken und hatte auch, muss ich gestehen, Sehnsucht nach ihm. Auf alle Fälle würde ich das diesmal nicht vermasseln, auch wenn ich noch nicht wusste, wie der überhaupt reagieren würde, ob er überhaupt mit mir reden wollte.

Die Tage schlichen nur so dahin, in der Schule war nichts besonderes. Tommy, war mit seiner Flamme beschäftigt und auch in den Pausen verpassten die beiden keine Gelegenheit sich die Zunge in den Hals zu schieben. Wir redeten kaum miteinander und ich kam mir vor wie der einsamste Mensch auf der Welt.

Endlich war es Freitagnachmittag. Ich packte meine Tasche und machte mich klopfenden Herzens auf den Weg in die Tanzschule.

Dort angekommen, sah ich Andis Auto vor der Tür stehen, besser gesagt das Auto seiner Mutter. Andi stieg aus und seine Mutter fuhr weg. Ich stieg aus und ging zum Eingang hinüber. Vor dem Fahrstuhl stand Andi und ich fasste mir ein Herz.

„Andi“, er drehte sich nicht um, „Andi, bitte, wir müssen reden.“ „Wüsste nicht worüber“, antwortete er kalt ohne mich anzuschauen. „Ich kann so nicht weitermachen“, sagte ich fast flehend mit weinerlicher Stimme.

Andi drehte sich um und schaute mir kalt in die Augen….

„Du, kannst so nicht weitermachen? Wenn ich mich richtig erinnere, dann warst du es doch, der mich von sich gestoßen hat, was glaubst du eigentlich wie es mir dabei gegangen ist.“ „Du hast ja Recht, es tut mir wirklich leid, lass uns bitte reden – nach dem Training, ich fahr dich nach Hause.“ Andi überlegte kurz und sagte „OK, meinetwegen, aber glaub bloß nicht, dass du so was noch mal mit mir abziehen kannst.“

Wir stiegen in den Aufzug und betraten die Tanzschule. Das Training verlief normal, obwohl ich jetzt unglaublich aufgeregt war, aber ich war froh, dass ich mich mit Andi aussprechen konnte. Ich fühlte aber auch, dass ich mehr wollte als mich mit ihm auszusprechen. Vorhin vor dem Aufzug habe ich es wieder gespürt, immer wenn ich mit ihm zusammen war… aber ich hatte keine Ahnung wie er, nach dem was vorgefallen war, darauf reagieren würde.

Nach dem Training packte ich schnell meine Sachen zusammen. Im Vorbeigehen sagte ich zu Andi, „ich warte am Auto.“ „Ok“, meinte er nur und verschwand Richtung Bar. Ich hatte keinen Nerv mich jetzt an die Bar zu setzen, denn ich war viel zu aufgeregt, vor dem was der Abend noch bringen würde.

Ich saß in meinem Auto und rutsche bereits seit fünfzehn Minuten unruhig auf dem Sitz hin und her. Machte er das mit Absicht? Na ja, verdient hatte ich es ja, was ich mir da geleistet hatte war wirklich allerhand. Da öffnete sich die Beifahrertüre und Andi ließ sich auf den Sitz fallen. „Sorry musste noch was trinken“, meinte er. „Kein Problem, ist doch klar“, sagte ich und startete den Motor. Ich hatte einen total trockenen Mund und brachte während der Fahrt kein Wort raus. Auch Andi schwieg während der Fahrt und meinte nur als ich den Wagen auf den Parkplatz abgestellt hatte, „und nun?“

Mein Mund war inzwischen so trocken, dass meine Zunge wie Schmirgelpapier am Gaumen entlangstreifte. „Lass mich mit hochkommen, bitte“, stammelte ich. Andi stieg aus und gab mir mit einer Kopfbewegung ein Zeichen ihm zu folgen. Wie ein Sünder trottete ich hinter ihm her und ließ mich in seinem Zimmer angekommen auf denselben Sessel fallen wie letzte Woche. Andi verließ kurz das Zimmer und kam mit 2 Gläsern und einer Flasche Cola wieder.

Schweigend saßen wir nebeneinander und keiner konnte etwas sagen.

Nach einer Weile begann ich zögernd, „es tut mir leid, verzeih mir bitte.“

„Hört, hört“, kam es mit einem Unterton, der vor Sarkasmus gerade nur so strotzte. „Weißt du eigentlich was du da gemacht hast“, fragte er mich. „Ich…“, weiter kam ich nicht, denn plötzlich sprudelte es aus Andi geradeso heraus.

„Verdammt noch mal, glaubst du eigentlich ich mache das andauernd? Das war für mich das erste Mal, ich wusste noch nicht mal ob ich schwul bin oder nicht, du hast mich schließlich auf deinen Schoß gezogen, wenn dir das nicht aufgefallen ist, du hast zuerst mich geküsst und mir die Zunge in den Rachen geschoben. Ich war im siebten Himmel, schon lange habe ich mir gewünscht dich zu küssen, aber ich habe nicht gewagt dich anzusprechen, ich habe ja nicht gewusst ob du schwul oder hetero bist, jedenfalls nicht sicher. Und dann machst du mir so Hoffnungen, weckst Gefühle in mir um mich dann wegzustoßen und mir zu sagen du bist nicht schwul und du willst das nicht, wie gesagt, du hast mich zuerst geküsst, dann lässt du mich einfach stehen……….“

Andi atmete schwer und Tränen liefen seine Wangen hinunter. Ich nahm seine Hand und wollte sie streicheln, aber er zog sie ruckartig weg und stand auf. „Was soll das jetzt? Fängt das jetzt schon wieder an, willst du mir schon wieder wehtun?“, fragte er mich.

„Nein“, antwortete ich und stand auf. Ich stand jetzt direkt vor ihm, Andi war etwas kleiner wie ich und er schielte nach oben und sah in meine Augen.

„Mir geht es doch genauso“, fuhr ich fort, „ich wusste doch auch nicht was mit mir ist, erst als du auf meinem Schoß gesessen hast und ich diese unglaublichen Gefühle gehabt habe, da wurde mir klar, dass ich wirklich schwul bin, aber gleichzeitig bekam eine Riesenangst, glaub mir bitte, ich weiß nicht wovor und ich hätte nie so reagieren dürfen und dir so wehtun dürfen, du glaubst nicht wie oft ich das die letzte Woche bereut habe, ich möchte doch nichts anderes als mit dir zusammen zu sein.“

Andi schaute mich mit großen Augen an, scheinbar wollte er mir nicht so recht glauben, was ich ihm noch nicht einmal verdenken konnte.

Ich nahm ihn in den Arm und hielt ihn fest, alles in mir kribbelte und ich begann zu zittern. „Ist dir kalt?“, fragte Andi, der bis jetzt geschwiegen hatte. „Nein“, antwortete ich, “ich bin nur glücklich.“

Andis Lippen suchten die meinen und als sie sich fanden verschmolzen wir förmlich miteinander und es folgte ein endloser Kuss, dem wir uns beide hingaben. Dann lösten sich unsere Lippen, meine Beine zitterten und Andi schaute mich fragend an, wahrscheinlich hatte er Angst, dass sich die Geschehnisse von letzter Woche wiederholen würden. „Was hast du?“, fragte er vorsichtig, anstatt ihm zu antworten, zog ich ihn mit hinunter auf den Boden und wir gaben uns unserer neu gefundenen Liebe und unserem akzeptierten Schwulsein hin.

Ich kann gar nicht beschreiben was für Gefühle über mich kamen es war einfach unglaublich, unglaublich schön.

Wie lange wir dort auf dem Boden lagen kann ich nicht sagen, als plötzlich Geräusche aus dem Wohnzimmer zu hören waren. Ich schreckte hoch und fragte Andi was das war. „Meine Mutter ist heimgekommen“, sagte er und lächelte.

„Keine Angst, meine Mutter würde nie in mein Zimmer kommen, wenn ich drin bin“, schmunzelte Andi, der scheinbar meine Gedanken lesen konnte. „Wenn ich das von meiner nur auch sagen könnte“, flüsterte ich.

Wir lagen uns in den Armen und waren einfach nur glücklich, ständig küssten und streichelten wir uns. „Du Andi“, sagte ich, „ich müsste langsam mal nach Hause.“ „Warte bitte noch“, sagte er, „ist mir lieber du gehst erst wenn meine Mutter ins Bett ist, dann erspar ich mir blöde Fragen.“

Er stand auf und klappte ganz leise das Schrankbett aus. Dann zog er Hose und Shirt aus, legte sich aufs Bett und klopfte einladend mit der Hand auf die freie Hälfte des nicht gerade breiten Bettes.

Ich zögerte, dann tat ich es ihm gleich und zog Hose und Shirt aus, legte mich neben ihn und er schmiegte sich eng an mich. Seine warme Haut auf meiner zu spüren verursachte ein wunderbares Gefühl in mir, wir kuschelten uns eng aneinander und bald schliefen wir gemeinsam ein.

„Mikel, Mikel wach auf“, ich machte die Augen auf und blickte in das Gesicht von Andi, der mir einen guten Morgen wünschte und mir einen Kuss gab.

Ich schaute auf und merkte, dass es hell war. „Mein Gott, wie spät ist es“, fragte ich. „Gleich acht Uhr mein Spatz“, antwortete Andi, „meine Mutter ist schon zur Arbeit und du kannst heimfahren, wenn du möchtest.“ Eigentlich wollte ich nicht, aber meine Mutter war bestimmt schon in Begriff die Feuerwehr und Kripo anzurufen, da ich ja nicht gesagt habe, eventuell nicht nach Hause zu kommen.

Flugs zog ich mich an und gab Andi noch einen dicken Kuss. „Sehen wir uns heute noch“, fragte er. „Mal sehen, ich möchte schon, wir telefonieren später.“

Dann verließ ich die Wohnung und machte mich mit gemischten Gefühlen nach Hause. Zuhause angekommen, stolperte ich zuerst ins Esszimmer, wo meine Mutter am Tisch saß und nervös mit den Fingern auf den Tisch klopfte.

„Morgen Mama“, sagte ich und versuchte dabei so normal wie möglich zu sein.

Und schon ging es los, wo kommst du jetzt her, weißt du eigentlich was ich mir für Sorgen gemacht habe, du kannst doch nicht einfach über Nacht wegbleiben ohne Bescheid zu sagen, wo zum Kuckuck bist du gewesen?

Ich schluckte und stammelte, „bei Freunden aus der Tanzschule, wir haben noch gefeiert und ich bin eingeschlafen.“ Was Besseres ist mir auf die schnelle nicht eingefallen. „Und warum hast du mir nicht Bescheid gesagt“, flog es mir giftig entgegen. Jetzt war ich an der Reihe sauer zu sein. „Hör mal Mama, ich bin alt genug, kann man da nicht mal bei Freunden übernachten, ohne dass du den Notstand ausrufst, außerdem hätte ich dich sehen mögen, wenn ich dich um zwei Uhr nachts anrufe und erkläre ich komme nicht heim. Da kannst du dich dran gewöhnen, dass das öfters passiert.“

Ich schaute meine Mutter an und hatte kurzzeitig Angst sie würde platzen. Sie hatte einen ziemlich roten Kopf und rang nach Luft. Dann sagte sie nur, „da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, warte nur bis dein Vater das erfährt.“

„Ja ja, solange ich meine Füße und so weiter und so weiter“, war alles was ich darauf sagte, bevor ich in meinem Zimmer verschwand und die Tür hinter mir zuknallte.

Ich würde mir doch nicht diesen Abend und die schöne Nacht kaputtmachen lassen. Ich schmiss mich aufs Bett und dachte an Andi, ich war also tatsächlich schwul. Schön, plötzlich machte mir das gar keine Angst mehr, braucht ja keiner zu erfahren. Hauptsache ich war mit Andi zusammen.

Ich träumte vor mich hin, als mein Handy klingelte. „Hallo Spatz“, hörte ich Andi, „ich hab Sehnsucht nach dir.“ „Ich auch“, erwiderte ich. „Sollen wir nachher ins Kino und dann….na, mal schauen?“ „Gerne“, sagte Andi, „holst du mich ab, so gegen sechs?“ „Mach ich“, sagte ich voller Vorfreude, „bis später.“

Ich rollte mich zufrieden auf meinem Bett ein und freute mich auf den Abend.

„Tschüss Mama“, sagte ich beim Vorbeigehen. „Mooooooment“, kam es aus der Küche, „wo willst du schon wieder hin“. „Wir gehen ins Kino und ich denke ich werde heute Nacht nach Hause kommen, kann aber spät werden“, sagte ich in einem ziemlich spitzen Ton. „Wer ist wir?“,fragte meine Mutter ziemlich spitz zurück. „Na Andi… und und noch ein paar andere, soll das ein Verhör werden?“

„Sei doch nicht so, schau mal, ich mach mir doch nur Sorgen und ich kann mich eben noch nicht daran gewöhne, dass mein Kleiner nun auch groß geworden ist“, sagt sie nun in einem wesentlich sanfteren Ton. Ihr Blick war jetzt beinahe wieder zärtlich und sie schaute mich erwartungsvoll an. Innerlich musste ich lachen, „Ja Mama, so ist das, aber mach dir keine Sorgen und wenn ich mal nicht nach Hause komme, denk nicht gleich es ist was passiert, ich versuche auch wirklich das nächste Mal anzurufen.“

„Ist gut Mike, also viel Spaß.“ „Und bitte sag nicht immer Mike zu mir, alles nur das nicht!“ „Ist gut mein Kleiner“, lächelte sie und auch ich musste nun lachen und drückte ihr einen Abschiedskuss auf die Stirn.

Als ich auf dem Parkplatz bei Andi ankam, stand der schon vor dem Haus und winkte mir zu. Ich hielt an und er stieg ein. Als wir umdrehten und aus der Strasse fuhren, sah ich wie oben am Wohnzimmerfester der Dimitris die Gardine wackelte. Andi hatte das auch bemerkt und lächelte. „Ich glaube du wirst von meiner Mutter begutachtet“, meinte er. „Weiß deine Mum denn Bescheid“, wollte ich wissen. „Nicht von mir“, antwortete er, „aber Mütter haben da glaube ich einen siebten Sinn. Wir haben noch nie darüber gesprochen, aber ich glaube sie ahnt es.“

Ich seufzte tief, „wenn meine Mutter doch nur auch den siebten Sinn hätte, aber die träumt noch immer davon eine Schwiegertochter zu bekommen und die Enkel zu betreuen.“ Andi lachte, „wir können’s ja mal versuchen, willst du die Enkel kriegen oder soll ich?“ Ich boxte ihm in die Seite und musste lachen.

Dann waren wir am Kino angekommen, wir hatten keine Ahnung was läuft, aber darum ging es auch nicht, ich suchte einen Film aus, der sicher schlecht besucht war, irgend so eine Schnulze. Wie erwartet war der kleine Kinosaal fast leer. Wir setzten uns in die letzte Reihe, die wir ganz für uns alleine hatten. Als das Licht ausging nahm ich Andi in den Arm, er drehte sich zu mir, unsere Lippen fanden sich, dann machten wir da weiter wo wir gestern aufgehört hatten.

Nach dem Kino gingen wir noch was trinken. Es war eine kleine Bar in der Nähe des Kinos. Wir saßen im hintersten Eck, wo wir vor neugierigen Blicken einigermaßen versteckt waren, als ich plötzlich eine Stimme hörte. „Na ihr zwei, was treibt ihr denn hier?“….

Vor uns stand Tommy und gleich hinter ihm Ulli, seine neue Freundin.

„Wir ähem, wir waren… im Kino“, stammelte ich. Verdammt warum stotterte ich hier so rum? Ich fühlte mich irgendwie unsicher, dieses Gefühl steigerte sich noch, als ich Tommys verschmitztes Lächeln sah. „Na dann noch einen schönen Abend“, sagte er verschmitzt. „Da….Danke“ stammelte ich und konnte mich schon wieder in den Hintern treten. Ahnte er doch, dass mein Outing ihm gegenüber eigentlich die Realität war? Und was sollte das verschmitzte Lachen? Ich seufzte tief als mich Andi aus meinen Gedanken riss.

„Wer war das denn“, fragte er mich mit einem heftigen Unterton, dem ich in diesem Augenblick allerdings noch keine größere Bedeutung gab.

„Das war ein Klassenkamerad von mir“, jetzt erst fiel mir auf, dass Tommy und Andi sich ja gar nicht kannten und ich stellte fest , wenn ich mit meiner Vermutung was Tommi betraf Recht haben sollte, hab ich mich reichlich verdächtig gemacht, allerdings hat ja Tommi auch nicht gefragt wer meine Begleitung ist. Wieder riss mich Andi aus meinen Träumen. „Und nun?“, fragte er mich.

„Ich bin ziemlich müde“, sagte ich, „und morgen muss ich lernen, das Abi geht doch los!“ „OK“, Andi war sichtlich enttäuscht, akzeptierte das aber und so fuhr ich Andi nach Hause und machte mich anschließend auch auf den Heimweg. Meine Mutter war schon im Bett und ich schlich mich auf mein Zimmer um sie nicht aufzuwecken. Jetzt lag ich mit meinen Gedanken wieder alleine auf dem Bett und meine Gefühle fuhren schon wieder Achterbahn. Ich sehnte mich nach Andi, seine Nähe und seiner Wärme und gleichzeitig dachte ich an Tommi. Ja, das Leben ist nicht leicht und ich musste selber über diesen Gedanken lachen, so ein Quatsch, das Leben ist eigentlich toll, nur manchmal eben etwas kompliziert. Damit schloss ich die Augen und versank schnell in einen tiefen Schlaf.

Die nächsten Wochen verliefen, na ich will mal sagen turbulent. Andi und ich, wir verbrachten eine tolle Zeit miteinander, allerdings hatten wir nicht wirklich so viel Zeit da ich wie gesagt im Abi stand. Tommi schaute mich öfters mal mit einem fragenden Blick an, sagte aber nichts, wir waren glaube ich auch viel zu sehr mit der Schule beschäftigt um uns weiter Gedanken zu machen.

Dann war es endlich soweit, das mündliche Abi war vorbei und wir waren „frei“. Ja endlich war die Schulzeit vorbei und wir hatten unseren Abschluss in der Tasche. Was darauf folgte: viele, viele Feten. Andi war wenig begeistert davon, er wollte die Abende lieber mit mir verbringen, aber ich konnte ihn ja schlecht mitnehmen und auf die Feten verzichten wollte ich auf keinen Fall, Abi macht man nur einmal im Leben und so versuchte ich den Spagat zwischen feiern mit meinen Freunden und meiner Beziehung mit Andi zu meistern, was zugegebenermaßen nicht ganz einfach war, da Andi wie ich bemerken musste ganz schön eifersüchtig war.

Wir sahen uns trotzdem so oft wie möglich und wenn wir zusammen waren dann wollte mich Andi am liebsten gar nicht mehr loslassen. Wir genossen die Zeit miteinander, was gar nicht immer einfach war, denn weder er noch ich waren ja Zuhause geoutet, was das Timing für ein ungestörtes Zusammensein manchmal ziemlich schwer machte. Aber irgendwie schafften wir es immer eine ungestörte Zeit miteinander zu haben. Im Notfall kuschelten wir einfach im Auto auf irgendeinem einsamen Parkplatz um ungestört zu sein.

Es war wieder mal eine klasse Abi-Fete gewesen, da es ein schöner warmer Abend war, hatten wir im Wald in einer Grillhütte gefeiert und Zelte und Schlafsäcke mitgenommen, da wir wie so oft in letzter Zeit ordentlich gebechert hatten und deshalb lieber an Ort und Stelle übernachten wollten. Es war so ziemlich eine der letzten Partys, da für alle jetzt so langsam der Ernst des Lebens beginnen sollte und viele von uns mit einer Ausbildung oder Studium beginnen sollten.

Tommi und ich hatten gemeinsam ein Zelt. Gott sei Dank hatten wir das schon am Nachmittag aufgebaut, denn wir hatten ordentlich getankt und jetzt mitten in der Nacht mit ordentlich Promille im Blut hätten wir wahrscheinlich unter freiem Himmel übernachten müssen, denn so voll wie wir waren, hätten wir das Teil bestimmt nicht mehr aufbauen können.

„So ein Mist, ich habe meinen Schlafsack vergessen“, murmelte Tommi.

„Macht nichts, ist ja nicht kalt, wir können meinen aufmachen und als Decke benutzen“, erwiderte ich. Es war schon etwas schwierig in Suff den Reißverschluss komplett zu öffnen und meinen Schlafsack zur Decke umzufunktionieren. Aber schließlich war es geschafft und wir lagen nebeneinander in dem kleinen Zelt und starrten zur Decke. Ich drehte mich zur Seite und sagte „Nacht Tommi, war ein geiler Abend.“

„Stimmt“, antwortete Tommi, „schlaf gut.“

Ich wachte auf und spürte eine Hand auf meiner Brust, Tommi hatte sich zu mir gedreht und sich an meinen Rücken gekuschelt und seinen Arm auf meine Brust gelegt. Ich bewegte mich etwas und spürte etwas an meinem Hintern durch 2 Jeans hindurch, was zweifelsfrei die Pistole von Tommi in stahlhartem Zustand sein musste. Die immer noch sambatanzenden Promille in meinem Blut gestatteten es mir nicht darüber nachzudenken, sondern meine eigene Pistole reagierte einfach und ich drehte mich zu Tommy um, der dadurch halb wach wurde, unsere Blicke trafen sich und dann küsste mich Tommy vorsichtig auf den Mund und lallte, „ich bin so geil.“

Nun ja, am nächsten Morgen wachten wir jedenfalls beide nackt unter meiner Schlafsackdecke auf, schauten uns an, lächelten und schwiegen beide.

Ich musste mir erst mal darüber richtig klar werden, was hier passiert war. Tommi war also bi und keiner von uns hatte in der ganzen Zeit den Arsch in der Hose gehabt, mit dem anderen darüber zu reden. Waren meine Vermutungen was ihn betraf also doch richtig gewesen.

Tommi schaute mich an und sprach aus was ich dachte. „Wir sind ganz schöne Idioten, das hätten wir einfacher haben können oder?“

„Du sagst es“, kam es von mir und ich musste jetzt laut lachen, „zur Strafe haben wir es im Suff noch nicht mal bewusst genießen können“, meinte ich.

„So ist es“, schmunzelte Tommy. „Bist du mit dem Typ aus der Bar von neulich eigentlich zusammen?“

„Bin ich, ich kenne ihn aus der Formation.“ In diesem Augenblick klingelte mein Handy, Andi. „Morgen Spatz“, kam es vom anderen Ende, „geht’s dir gut? Sehen wir uns heute, ich vergehe fast vor Sehnsucht nach dir“. „Na klar“, antwortete ich, „ich hol dich um sechs zum Training ab.“

Tommi lächelte mich an und sagte nur, „dann lass uns mal zusammenpacken, ich muss jetzt erst mal heim zum Duschen.“

Daheim angekommen tat ich dasselbe. Als ich unter der Dusche stand, mir das warme Wasser den Körper herunterlief und ich die Beweise unseres nächtlichen Beisammenseins beseitigte, musste ich an Andi denken. Eigentlich hatte ich ihn ja betrogen, aber ich war betrunken, das zählt doch nicht – oder? Ich konnte Andi unmöglich die Wahrheit sagen, zu oft hatte ich seine Eifersucht schon zu spüren bekommen und ich wollte unsere Beziehung nicht aufs Spiel setzen. Außerdem hatte Tommi eine Freundin und ich wollte ja gar nicht mit ihm zusammen sein.

Abends nach dem Training gingen Andi und ich dann noch was trinken und Andi schaute mich flehend an als ich bezahlte. „Und nun?“

„Gehen wir zu mir“, meinte ich, „meine Mutter ist um diese Zeit schon im Bett, wir müssen halt leise sein.“

Diesen Entschluss sollte ich noch bitter böse bereuen…

Wir fuhren also zu mir nach Hause und ich öffnete leise die Türe. Im Haus war es dunkel und still. Wie ich vermutet hatte, war meine Mutter bereits im Bett und wir schlichen in mein Zimmer. Kaum hatte ich die Türe geschlossen, zog mich Andi auf mein Bett und begann mich leidenschaftlich zu küssen, unsere Zungen führten einen wilden Tanz auf und Andi der mich auf sich gezogen hatte streichelte meinen Rücken. So lagen wir eng umschlungen auf dem Bett und genossen die gegenseitige Nähe und Wärme, küssten uns lange und intensiv. Andi stöhnte auf und fragte: „Liebst du mich?“ „Aber natürlich“, antwortete ich, „ich lass dich nicht mehr gehen.“

Andi begann meinen Gürtel zu öffnen, aber ich hielt seine Hand fest. „Sorry, Spatz, das geht nicht, wenn meine Mutter aufwacht, da hab ich keine Ruhe, das kann ich nicht.“ Enttäuscht ließ Andi von meinem Gürtel ab und seufzte tief. Er blickte mich voller Sehnsucht an und ich konnte in seinen Augen lesen, was er gerade dachte. Auch ich sehnte mich danach, seine weiche warme Haut auf meiner zu spüren, aber solange meine Mutter im Haus war, durfte da unmöglich was laufen.

„Ich bin so geil auf dich“, unterbrach Andi meine Gedanken. „Ich doch auch auf dich, aber versteh doch…“. „Ist doch scheiße“, unterbrach mich Andi lautstark. „Pssssst“, machte ich, „meine Mutter.“ . Andi verdrehte seine hübschen Augen.

In diesem Augenblick hörten wir beide wie die Klinke meiner Zimmertüre heruntergedrückt wurde und im gleichen Augenblick öffnete sich die Türe und meine Mutter stand in meinem Zimmer.

Andi sprang wie ein aufgeschrecktes Reh vom Bett und saß nun auf dem Boden vor meinem Bett. Ich starrte meine Mutter an und brachte kein Wort heraus.

Der Blick meiner Mutter sprach Bände. Alle meine Befürchtungen und Vorstellungen bezüglich eines Outings, wie sie reagieren konnte, bewahrheiteten sich in diesem Blick. Ich war froh, dass wir wenigstens noch beide angezogen waren.

„Was macht ihr da“, eine blöde Frage dachte ich, ich starrte meine Mutter immer noch an, deren Miene sich in der Zwischenzeit noch mehr verfinstert hatte. „Wir haben nur gequatscht“, stammelte ich. „Ach so und warum springst du dann vor Schreck auf den Boden“, fragte sie, ihren Blick nun dem immer noch auf den Fußboden sitzenden und vor sich hinstarrenden Andi zugewandt. Ich versuchte die Situation zu retten und meinte nur, „na du bist gut, weißt du wie du uns erschreckt hast, da rechnet doch keiner damit, dass du um diese Zeit plötzlich ohne anzuklopfen in mein Zimmer kommst.“

Ich betonte „ohne anzuklopfen“, bewusst, weil ich zwischen Verzweiflung und sauer sein hin und hergerissen war. Meine Mutter sagte gar nichts mehr, machte kehrt und verließ meine Zimmer ohne die Tür zu schließen. Ich stand auf, machte die Tür zu und sagte nur „Scheiße“. Andi, der sich jetzt langsam aus seiner Starre erhob und sich nun auf die Bettkante setzte, sagte immer noch nichts. Ich setzt mich neben ihn, traute mich nicht ihn anzufassen. Wer weiß ob meiner Mutter nicht ein zweites Mal die Tür aufmachte. „Und nun?“, fragte Andi, der aus seiner Starre aufgewacht war. „Keine Ahnung“, antwortete ich wahrheitsgemäß, denn ich wusste wirklich nicht wie ich mit der Situation umgehen sollte. „Ich geh dann besser mal“, meinte er. „Nein, warte noch, bitte“, antwortete ich, „ich weiß nicht ob meine Mutter schon wieder im Bett ist und ich möchte nicht, dass sie uns heute Nacht noch mal zu Gesicht bekommt.“

Wir warteten und saßen bestimmt noch eine Stunde schweigend nebeneinander, bis Andi seine Jacke anzog und ich leise meine Zimmertür öffnete. Es war dunkel und meine Mum schien wieder im Bett zu sein. Ich ließ Andi raus, ging in mein Zimmer zurück, zog mich aus und legte mich ins Bett und vergrub mich in die Kissen. Dann machte sich der Schmerz in mir Luft und ich spürte, wie sich meine aufgestauten Tränen ihren weg nach außen suchten und schließlich in einem kleinen Bach meine Wangen hinunterliefen. Ich wusste nicht, was ich nun machen sollte, am liebsten wäre es mir gewesen, ich hätte meine Mutter nicht mehr sehen müssen. Eine kleine Hoffnung war da noch in mir, vielleicht hatte sie sich ja morgen früh wieder beruhigt und ich konnte normal mit ihr reden, vielleicht bestand ja sogar die Chance ihr die Wahrheit zu sagen und mich endlich zu outen, dann hätte dieses Versteckspiel endlich ein Ende.

Ich hatte das Gefühl, ich hatte nur ein paar Minuten geschlafen, als ich am Morgen aufwachte. Tatsächlich konnte ich nicht sagen, wann Andi gegangen war und wann ich eingeschlafen war, aber lange konnte ich bestimmt nicht geschlafen haben. Ich blieb noch wach im Bett liegen und ich hatte das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen. Tausend Gedanken rasten durch mein Gehirn und irgendwann beschloss ich aufzustehen und mich der Situation zu stellen.

Ich schaffte es ungesehen ins Bad zu kommen, meine Mutter war wohl schon auf. Nachdem ich geduscht hatte ging ich ins Esszimmer wo meine Mutter mit düsterem Blick aus dem Fenster starrte und eine Kaffeetasse in den Händen hielt, deren Inhalt bestimmt schon kalt war. Als sie mich hereinkommen sah, starrte sie mich an und stellte die Tasse auf der Untertasse ab.

„Morgen“, sagte ich und versuchte einen möglichst normalen Eindruck dabei zu machen.

„Was war das mit euch beiden?“, begann meine Mutter die Unterhaltung, wie sie unangenehmer nicht hätte sein können.

In diesen wenigen Sekunden war mir klar geworden, dass an ein Outing nicht mehr zu denken war. So sehr ich es mir auch wünschte, aber wenn ich in diesem Haus einigermaßen in Ruhe mit meinen spießigen Eltern leben wollte, dann musste ich jetzt alles abstreiten. Wenn meine Mutter schon so reagierte, dann wollte ich mir nicht ausmalen, wie die Reaktion meines Vaters aussehen würde.

„Wir wollten nach dem Training noch was bequatschen, das war alles, also sind wir zu mir“, begann ich zögernd. „Bequatschen“, äffte meine Mutter mich in einem Ton nach, der mein Blut zum Stocken brachte. Sie brachte es noch nicht einmal fertig auszusprechen, was sie dachte, wahrscheinlich glaubte sie, dass ihre Zunge abfallen würde oder sie Mundkrebs oder sonst was bekäme wenn sie das Wort „schwul“ aussprechen würde. „Was willst du eigentlich“, versuchte ich sie zu provozieren. Sie antwortete nicht und starrte wieder aus dem Fenster. Nach einer gefühlten Unendlichkeit meinte sie nur: „Ich muss heute Vormittag arbeiten, kannst du mich fahren?“, wobei das schon mehr ein Befehl als eine Frage war, ich antwortete nur ziemlich kurz ja.

Dann sprachen wir kein Wort mehr, bis meine Mutter sagte, „ich bin soweit, wir müssen los.“ Als wir im Auto saßen, brach es aus meiner Mutter heraus, immer noch nicht aussprechen, was sie wirklich dachte, fauchte sie mich an. „Was glaubst du was los ist, wenn das dein Vater erfährt?“

Diese Aussage brachte mich innerlich zum Rasen. Ich begann zu zittern und fragte mich, ob ich nicht Gas geben sollte und versuchen sollte mit einem Laternenpfosten mein Auto zu teilen und meinen Beifahrer von mir zu trennen.

Ich rang förmlich nach Luft und spürte wie eine unangenehme Hitze in meinem Körper aufstieg. Eigentlich hätte ich ihr jetzt die Wahrheit schonungslos um die Ohren hauen müssen, sie dann aus dem Auto werfen und sie ihrem Schicksal überlassen müssen. Aber wieder einmal hatte ich Angst vor der eigenen Courage und ohne weiter nachzudenken, begann ich den Spieß rumzudrehen und schrie mit Tränen in den Augen meine Mutter förmlich an.

„Was glaubst du denn eigentlich, glaubst du etwa ich hätte was mit Andi, glaubst du ich wäre schwul, wenn du das tust, dann bist du für mich als meine Mutter gestorben, das ist doch ungeheuerlich all die Andeutungen heute Nacht und heute Morgen, ich wusste ja nicht mal was in deinem Kopf vorgeht, dass du sowas von mir denkst, ich fasse das nicht, dann sag es Papa doch, erzähl ihm doch deine ungeheuerlichen Verdächtigungen, ich hab dazu nichts mehr zu sagen.“

Inzwischen waren wir an dem kleinen Wollgeschäft angekommen, ich hielt am Straßenrand und meine Mutter saß nur da, starrte vor sich hin und sagte kein Wort. Ich beugte mich über sie, öffnete die Beifahrertür. „Steigst du bitte aus, ich kann hier nicht stehenbleiben“, sagte ich immer noch mit Tränen in den Augen. Meine Mutter stieg wortlos aus, als sie die Tür geschlossen hatte, fuhr ich los und sah sie im Rückspiegel immer noch am Straßenrand stehen. Regungslos stand sie da und starrte mir hinterher. Als ich sie aus dem Rückspiegel verlor, begann ich fürchterlich zu zittern und die Tränen fanden abermals ihren Weg nach draußen. Verdammte Heulerei, dachte ich, muss ich denn wegen jedem Dreck immer gleich heulen?

Ich wusste genau, dass ich wieder einmal das Falsche gemacht hatte, aber irgendwie hatte ich mich nicht mehr unter Kontrolle und reagierte wie fremdgesteuert.

Alles musste anders werden, ganz anders…

Als ich wieder zuhause war, klingelte mein Handy, Andi, las ich, als ich aufs Display schaute, ich nahm den Anruf an und fragte, „Na mein Schatz, wie geht es dir?“

„Sag mir lieber wie es dir geht und was ist passiert, was ist mit deiner Mutter, wie hat sie es aufgenommen?“, sprudelte Andi los.

„Langsam, Langsam“, antwortete ich, so richtig wusste ich nicht, was ich sagen sollte, wie würde Andi meinen Rückzug und das Verleugnen unserer Beziehung aufnehmen. Ich beschloss diesmal nicht den Schwanz einzuziehen und Andi die Wahrheit über das was passiert ist zu erzählen.

„Wow, meinst du, du hast das Richtige getan?“, fragte Andi als ich ihm die ganze Geschichte erzählt hatte. „Keine Ahnung, ich weiß doch auch nicht mehr was richtig oder falsch ist, aber jetzt ist es eh zu spät! Können wir uns später sehen, hast du Zeit?“

Andi arbeitete bei einer großen Versicherungsgesellschaft und wollte sich nach Feierabend mit mir treffen, allerdings wollte er nicht zu mir kommen, was ich durchaus nachvollziehen konnte und so trafen wir uns bei ihm und verbrachten einen schönen Abend miteinander, ohne viel zu reden, einfach nur kuscheln und sich wohlfühlen.

Als ich nach Hause zurückkam, war meine Mutter schon zuhause. Sie verhielt sich wieder ganz normal, fragte nichts, sagte kein Wort mehr zum Thema und tat, als wenn nichts passiert wäre.

Mir gefiel das zwar nicht, aber irgendwie war ich froh, dass das Thema nicht mehr aufs Tablett kam und ich mich meiner Mutter gegenüber nicht rechtfertigen musste.

Allerdings hatte dieses Ereignis auch einen Keil zwischen uns geschoben und unser Verhältnis hatte einen weiteren Knacks bekommen.

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