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Regenbogenfamilie

Teil 78 - Weihnachten mit den Heimkindern

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Informationen

 

Bereits am Vormittag des dreiundzwanzigsten Dezembers reiste die Gruppe aus dem Münchner Kinderheim, in dem bis vor knapp drei Monaten David und Tobias untergebracht waren, mit achtundzwanzig Kindern und Jugendlichen sowie ihrer drei Betreuer auf dem Gutshof an. Zusammen mit den vierunddreißig Jugendlichen für unser Auswahlverfahren für unsere Auszubildenden wird unser Jugendhotel also nach Weihnachten bis Neujahr sehr gut ausgelastet sein.

Nach ihrer Ankunft wurden sie alle auf die Zimmer in der ersten Etage verteilt. Je zwei Kinder oder Jugendliche durften sich ein Zimmer teilen. Die Betreuer wurden ebenfalls in der ersten Etage untergebracht.

Mit Severin Binder, dem stellvertretenden Heimleiter, hatten wir im Vorfeld abgesprochen, dass wir uns nach dem Mittagessen mit den Kindern und Jugendlichen im großen Speisesaal zusammensetzen und über ihren Aufenthalt und das geplante Programm sprechen werden. Bis zum Mittagessen sollten sie ihre Koffer auspacken und sich in den Zimmern einrichten.

Kurz nach halb eins versammelten sich alle im Speisesaal, wo ihnen kurz erklärt wurde, wie es bei den drei Mahlzeiten täglich ablaufen wird. Ich klärte sie auf: „Morgens und abends wird jeweils ein Büfett zur freien Auswahl angeboten, mittags gibt es immer drei verschiedene Menüs zur Auswahl. Den Speiseplan für Montag bis Sonntag findet ihr draußen im Flur. Ich denke, einige von euch haben ihn sicher bereits gesehen. Morgen, also am Heiligen Abend, gibt es abends kein Büffelt. Sebastian, unser Chefkoch, hat für euch ein besonderes Menü zusammengestellt, dass euch diesmal im Restaurant serviert wird. An Silvester gibt es abends ein mehrgängiges Menü für euch hier im Speiseraum mit anschließender großer Silvesterfeier.

Wir setzen uns nach dem Mittagessen im Speisesaal zusammen. Dann wollen wir euch unter anderem vorstellen, was wir uns für euren zweiwöchigen Urlaub bei uns so alles ausgedacht haben.

Kurz vor dreizehnuhrdreißig hatten sich alle im Speisesaal versammelt. Vorne hatten wir ein Podium aufgebaut, an dem bereits Dennis, David, Tobias und Armin Platz genommen hatten. Nachdem sich alle gesetzt hatten ging ich mit den Betreuern nach vorne, für die wir in der ersten Reihe Plätze neben Michael und Marion reserviert hatten.

Ich setzte mich auf meinen Platz und eröffnete das Treffen: „Ich will euch noch einmal herzlich zu eurem Urlaubsaufenthalt während der Weihnachtsferien auf dem Gutshof Sonneneck begrüßen und wünsche euch einen erholsamen Aufenthalt in den nächsten zwei Wochen. Bevor wir euch erzählen, was euch alles während eures Aufenthalts erwartet, will ich zuerst meine Mitarbeiter vorstellen, die euch als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Wir haben in der ersten Reihe, neben euren Betreuern, Marion Habermüller und Michael Oberwagner. Sie sind Mitarbeiter im Gutshof zur sozialpädagogischen Betreuung. Beide wohnen hier im Dachgeschoss in ihren Dienstwohnungen. Marion ist verheiratet und hat neben ihrem Mann noch zwei schulpflichtige Jungs. Michael lebt mit seinem Partner Andreas zusammen, der im landwirtschaftlichen Bereich des Gutshofes arbeitet. Michael und Marion haben ihr Büro gleich neben der Rezeption und können von euch jederzeit angesprochen werden, wenn ihr Anliegen haben solltet, die ihr nicht unbedingt mit euren Betreuern besprechen wollt.“

Die beiden waren zwischenzeitlich aufgestanden und hatten den Kindern und Jugendlichen zugewinkt. Nachdem sie sich wieder gesetzt hatten, erklärte ich: „Von euch aus gesehen ganz rechts außen sitzt Armin Schwarz, unser Eventmanager. Er hat für euch einen großen Teil der Veranstaltungen zusammengestellt und vorbereitet.

Neben ihm sitzt Dennis Huber, Auszubildender zum Hotelfachmann, der für euch Ansprechpartner ist, wenn es Probleme mit euren Zimmern gibt oder ihr am Kiosk einkaufen wollt. Nun bin ich an der Reihe. Ich darf mich euch auch vorstellen, ich bin Peter Maurer, Geschäftsführer der Stiftung für benachteiligte Kinder und Jugendliche, und damit derjenige, der euch zu diesem Urlaub eingeladen hat. Ihr könnt mich genauso wie alle anderen ansprechen, wenn es Schwierigkeiten oder Fragen gibt. Wobei ich eine große Bitte an euch habe, mich mit meinem Vornamen Peter anzusprechen. Das gilt auch für alle meine Mitarbeiter, also kein Herr Maurer oder Frau Habermüller, sondern Peter, Armin, Michael oder Marion.“

Nach einer kurzen Pause, nachdem es auf meine Frage, ob Fragen zu dem bisher Gesagten bestehen, keine Reaktion kam, meinte ich: „Kommen wir zu den beiden Jungs, die rechts von mir sitzen. Sie dürften den meisten von euch noch bekannt sein, da sie bis vor knapp drei Monaten bei euch im Kinderheim gelebt haben. Mein Mann Thomas und ich haben sie zwischenzeitlich adoptiert und sie tragen beide jetzt unseren Familiennamen, David und Tobias Maurer. Sie sind zu uns als Pflegekinder gekommen. Ende November wurden die beiden Adoptionsverfahren abgeschlossen. Dazu werden euch die Beiden sicher gleich mehr erzählen.“

Während ich das erklärte, hatte ich sowohl die Betreuer als auch die Kids genau beachtet und konnte die unterschiedlichsten Reaktionen zu meinen Ausführungen erkennen. Ich erklärte weiter: „Die Beiden werden euch zeitweise auf euren Ausflügen begleiten und können von euch bei Fragen oder Problemen ebenfalls angesprochen werden. Sie werden Dennis zeitweilig unterstützen.“

„Bevor ich jetzt Armin das Wort erteile, habe ich noch einen organisatorischen Hinweis für euch. Bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag seid ihr unsere einzigen Gäste im Haus. Am darauffolgenden Tag erwarten wir vierunddreißig Jugendliche, die bis zum zweiten Januar bleiben. Sie haben sich für das nächste Jahr als Auszubildende in einem der Unternehmen der Gutshofgruppe beworben und werden in der Zeit, die sie hier sind, zum einen ihre Vorstellungsgespräche absolvieren und in ihren Ausbildungsberufen ein Praktikum durchlaufen.

Wir haben uns zu diesem Verfahren entschlossen, weil wir einige Bewerbungen von Jugendlichen aus Kinderheimen in Thüringen und Hessen erhalten haben, die uns beim großen Zeltlager in den Sommerferien kennengelernt haben. Ein Jugendlicher, Richard oder auch Richie genannt, aus einem Kinderheim in Thüringen, ist bereits seit September bei uns als Auszubildender in der Gärtnerei beschäftigt.

Falls es die Älteren unter euch interessiert, könnt ihr am siebenundzwanzigsten Dezember abends gerne dabei sein, wenn wir alle Ausbildungsmöglichkeiten vorstellen, die die Gutshofgruppe anbieten kann. So jetzt soll euch aber Armin erzählen, was euch erwartet.“

Armin stellte sich den Kindern kurz noch einmal selbst vor und erklärte, wenn es Fragen zum Programm geben sollte, wird er immer vormittags in seinem Büro in der Nähe der Rezeption zu finden sein, ausgenommen an Sonn- und Feiertagen. „Wir werden heute den Rosenheimer Christkindlmarkt besuchen, zu dem euch ein Bus im Anschluss an diese Veranstaltung bringen wird. Peter, David und Tobias werden euch auf diesem Ausflug begleiten.

Am achtundzwanzigsten Dezember ist ein Halbtagsausflug nachmittags nach Innsbruck geplant und am fünften Januar geht es, nach dem Frühstück, nach Bad Reichenhall ins Salzbergwerk. Dort ist um halb elf Uhr eine Sonderführung für uns eingeplant. Anschließend kommt ihr zum Mittagessen zurück ins Jugendhotel. Für einen Nachmittag ist ein Besuch in der Therme in Bad Aibling eingeplant.

Im Haus sind weitere Aktionen vorgesehen. Unter anderem an zwei Tagen vormittags jeweils ein Kochkurs mit Sebastian, unserem Chefkoch, für jeweils zehn Teilnehmer. Für Kreative bieten wir euch an vier Nachmittagen einen Kurs mit Alejandro an, bei dem Basteln angesagt ist. Ansonsten gibt es im Haus das Spielezimmer, in dem ihr eine reichliche Auswahl an Karten- und Brettspielen finden werdet.

Michael wird euch in einem Vortrag etwas über die möglichen Gefahren im Internet erzählen und wie ihr damit umzugehen lernt. Außerdem sind ein oder auch mehrere Zockerabende eingeplant, bei dem ihr an Spielekonsolen euer Können bei einer Rennsimulation zeigen könnt. Je nachdem, wie viele Teilnehmer sich anmelden, kann das Turnier über mehrere Tage gehen. Starten werden wir am zweiten Weihnachtsfeiertag.

Morgen Abend gibt es hier im Haus eine Weihnachtsfeier mit Bescherung, zu der auch alle am Gutshof lebenden Kinder mit ihren Eltern kommen werden. Ich werde nachher an der Rezeption vor meinem Büro die Pläne für die nächsten Tage aushängen und bitte diejenigen, sich für Veranstaltungen, die nur in kleineren Gruppen stattfinden, ihre Anmeldung kurzfristig an der Rezeption abzugeben. Das war jetzt ein kurzer Überblick über einen Teil der Angebote, die wir für euch vorbereitet haben. Damit gebe ich an Dennis weiter.“

Dennis stellte sich ebenfalls noch einmal kurz vor, bevor er erklärte: „Ich bin kein Rosenheimer, ich bin ein echtes Münchner Kindl. Meine Ausbildung mache ich deshalb hier, weil mein Vater bei der Münchner Firma arbeitet, die die Stiftung geerbt hat. Als im späten Frühjahr feststand, dass meine Eltern spätestens nächstes Jahr nach Rosenheim umziehen, stand ich vor dem Problem, meine Ausbildung im September in München zu beginnen und ab Mitte nächsten Jahres allein in München zu bleiben, wegen der Ausbildung. Peter hat mir angeboten, meine Ausbildung bereits heuer hier zu beginnen. Bis meine Eltern nachziehen hätte ich hier im nahegelegenen Seminarhotel in einem Personalzimmer unterkommen können, wie mein ehemaliger Mitschüler Toni, der seine Kochlehre hier absolviert. Seine Eltern werden sicher nicht nach Rosenheim umziehen Sie arbeiten nicht in Peters Unternehmen. Toni hatte das Problem, dass er in München keine Lehrstelle gefunden hat.

Nachdem ich mich im Sommer während des Zeltlagers in Felix verknallt habe, bin ich jetzt zusammen mit Felix in einem der Gästezimmer von Peter untergekommen, bis wir beide nächstes Jahr eine Wohnung auf dem Gutshofgelände beziehen können. Peter hat euch schon erklärt, dass ich euch als Ansprechpartner an der Rezeption zur Verfügung stehe. Wenn ich eure Fragen nicht direkt beantworten kann hole ich denjenigen, der euch sicher weiterhelfen kann. Gibt es von euch noch Fragen dazu?“

Einer der Größeren meldete sich und nachdem Felix ihn aufforderte, fragte er: „Dennis, habe ich das richtig verstanden? Du wohnst derzeit mit David und Tobias und deinem Freund gemeinsam in der Wohnung von Peter? Gab es keine andere Möglichkeit, wo du mit Felix wohnen könntest?“

Dennis antwortete ihm: „Theoretisch hätte es eine andere Wohnmöglichkeit gegeben. Aber da ich teilweise im Schichtdienst arbeite und damit nicht regelmäßig mit Felix zur Arbeit fahren kann, weil ich früher oder später als er zur Arbeit muss. Wenn ich hier im Haus Frühschicht habe, fange ich bereits um sechs Uhr morgens an, damit Gäste wie ihr rechtzeitig euer Frühstück bekommen. Wenn du im Hotel oder in der Gastronomie arbeitest und nicht mobil bist, ist es wichtig, dass du kurze Wege zur Arbeit hast. Klar ist es in München einfacher, dort hast du ein engmaschiges Netz von Bussen, Straßenbahnen oder der U-Bahn.“

Als er eine kurze Pause einlegte, erklärte ich: „Wir sind derzeit dabei das Unterbringungsproblem zu lösen. Ihr seid bei eurer Anreise mit dem Bus an der großen Baustelle im Gutshofgelände vorbeigefahren. Dort werden insgesamt acht Häuser gebaut. Vier der Häuser sind für Mitarbeiter oder sonstige Mieter vorgesehen. Eines der Gebäude wird im sozialen Wohnungsbau errichtet und in drei weiteren Gebäuden werden nur Appartements und Kleinwohnungen errichtet.

Zwei dieser Gebäude werden, in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt Rosenheim, für volljährige Jugendliche gebaut, die mit ihrer Volljährigkeit aus dem Kinderheimen ausziehen müssen, aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Berufsausbildung aber weiterhin vom Jugendamt betreut werden.

Das dritte Apartmenthaus werden wir für unsere auswärtigen Auszubildenden nutzen, die dort untergebracht werden. Einmal angenommen, du bist sechzehn, lebst im Kinderheim, findest aber nur auswärts einen Ausbildungsplatz. Wie stellst du dir vor, wie das abläuft?“

Er schaute mich an und meinte, er hätte keine Ahnung. Deshalb fragte ich Severin, ob er ihm erklären kann, wie er seinen Ausbildungsplatz trotzdem antreten könnte. Severin stand auf und erklärte: „Da haben wir und das Jugendamt ein riesiges Problem. Der erste Schritt wäre, dass wir Kontakt aufnehmen mit dem Jugendamt, das für deinen Ausbildungsplatz zuständig ist und anfragen, ob es für dich einen Heimplatz oder ein Jugendwohnheim gäbe, wo du untergebracht werden kannst. Im ersteren Fall würdest du von einem Kinderheim zum anderen wechseln. Wenn es ein Jugendwohnheim gibt, bei dem die vollständige Betreuung für Minderjährige gewährleistet ist, könntest du auch ins Jugendwohnheim wechseln. Sollten beide Möglichkeiten nicht vorhanden sein, hättest du Pech und könntest deswegen dein Traumberuf nicht erlernen.“

Ich erklärte jetzt: „Bei unserer Konstruktion mit dem Jugendamt für die drei Häuser erfüllen wir sowohl die Voraussetzungen des betreuten Wohnens für die Volljährigen und den Charakter eines Jugendwohnheimes, weil wir zwei Sozialarbeiter direkt als Ansprechpartner vor Ort haben. Hinzu kommt bei uns, dass die unter achtzehnjährigen hier im Gesindehaus vollständig mit Essen versorgt werden können. Das bedeutet, wir können minderjährige Jugendliche ausbilden und unterbringen, da wir die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Für dich hätte es sogar den Vorteil, dass du mit Eintritt in die Volljährigkeit nicht noch einmal umziehen müsstest.“

Severin schaute mich an und sagte: „Das Konstrukt könnten viele Jugendämter gebrauchen. Ihr habt euch da wirklich etwas überlegt, das ich so bisher nicht kenne. Ihr bemüht euch wirklich, euren Auszubildenden alle Chancen zu bieten, die sie brauchen. Könnten wir euch auch Jugendliche schicken, die genau diese Voraussetzungen brauchen, wenn ihr die passenden Ausbildungsberufe anbietet?“

„Grundsätzlich ja“, meinte ich. „Severin, du solltest auch bei dem Termin am siebenundzwanzigsten abends dabei sein. Dann erfährst du, in welchen Berufen wir ausbilden können. Eine andere Frage? Hat einer der Jugendlichen, der heute mit dabei ist, die Voraussetzungen, dass er für nächstes Jahr noch einen Ausbildungsplatz sucht? Dann könnte er sich ab dem siebenundzwanzigsten mit einer kurzfristigen Bewerbung noch an dem Auswahlverfahren beteiligen und würde dafür weiter in seinem jetzigen Zimmer wohnen.“

Severin schaute zuerst seine Kollegen fragend an, bevor er in die Runde fragte: „Ist einer von euch noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz für das nächste Jahr und hätte eventuell Interesse seine Ausbildung nicht in München zu machen?“

Zwei Finger gingen nach oben, so dass ich zu Severin meinte: „Am besten, wir klären das nachher, während der Fahrt zum Weihnachtsmarkt, mit den beiden Jungs, welche Berufe sie erlernen wollen und ob wir entsprechende Ausbildungsplätze anbieten können.“

Ich übergab an David und Tobias, dass sie jetzt erzählen sollten. David startete: “Wir zwei sind beim Auswahlverfahren ebenfalls dabei. Ich will eine Ausbildung zum Software-Programmierer beginnen und Tobias will eine Ausbildung als Elektriker starten. Das vorweg, weil es zum letzten Thema passte.

Ich habe vorher bemerkt, dass ihr ganz verwundert geblickt habt, als Peter euch erklärt hat, dass wir beide adoptiert und damit zwei weitere Söhne von Peter sind. Ihr habt euch jetzt nicht verhört, Peter hat bereits zwei Kinder, seinen Sohn Philipp und seine Tochter Martina. Seine Tochter hat bereits zwei eigene Kinder, also ist Peter auch schon Opa. Ich habe zufälligerweise mit Peter gleich zu Beginn der Pflegschaft über das Thema Adoption gesprochen, da er für die Gruppe der schwulen und lesbischen Jugendlichen beim Jugendamt einen Referenten gesucht hat, der ihnen erklären kann, unter welchen Umständen queere Menschen Kinder adoptieren könnten.

Peter hat mir damals erklärt, dass ich damit wie seine leiblichen Kinder in diesem Fall erbberechtigt wäre. Daraufhin habe ich die Adoption abgelehnt, da ich seinen Kindern ihr Erbe nicht wegnehmen möchte. Ohne unser Wissen, aber nach Absprache mit seinen beiden Kindern, haben sie trotzdem für uns die Adoption beantragt. Vor fast vier Wochen, an Peters Geburtstag, haben Peter und Thomas, sein Sohn Philipp mit seinem Marcus und Manuel und Daniel vom Gartenbaubetrieb standesamtlich geheiratet. Nach der Trauung bat der Standesbeamte uns beide auf die Plätze, auf denen normalerweise das Brautpaar sitzt, da er für uns noch eine kleine Überraschung hätte. Er erzählte uns, dass wir Beide von Peter und Thomas adoptiert seien und wir ab sofort den Nachnamen Maurer tragen dürften. Der Standesbeamte überreichte uns die Adoptionsurkunden und weitere Unterlagen für die Namensumschreibung bei diversen Behörden.“

Einer rief dazwischen: „Muss ich jetzt extra schwul werden, dass ich auch endlich aus dem Heim ausziehen kann und in eine Pflegefamilie komme oder adoptiert werde?“

Ich nutzte die Gelegenheit und meinte: „Das sicher nicht. Denn je nachdem, wie alt du bist, landest du meistens nur in einem Jugendwohnheim. Zumindest dann, wenn du in Kürze eine Ausbildung beginnst. Bei uns müsstest du nicht einmal schwul sein, um in den Genuss des Jugendwohnheimes zu kommen, wenn du eine von uns angebotene Ausbildung antreten willst. Gerade die Älteren unter euch haben kaum mehr die Chance in eine Pflegefamilie zu kommen oder adoptiert zu werden. Bei Tobias war es einfach gewesen, ihn zu adoptieren, da er seine Eltern verloren hatte und keine Verwandten aufzufinden waren. Für uns war aber von vorneherein klar, entweder beide oder keinen von ihnen zu adoptieren, keiner sollte sich bevorzugt fühlen. Bei David, der immerhin noch Eltern hatte, die ihn zwar nicht mehr mochten, war es weitaus komplizierter. Erst als seine Eltern beim Familiengericht erklärten, dass sie ihren Jungen nicht weiter in der Familie haben wollen und ihn deshalb zur Adoption freigeben, war der Weg frei ihn zu adoptieren.

Ursprünglich hatten meine Frau und ich uns auf drei Kinder geeinigt. Sie starb an Krebs, als mein Sohn Philipp gerade sechs Jahre alt war. Ich bin mir sicher, sie freut sich heute für mich, dass unser Wunsch nach einem weiteren Kind nach so langer Zeit doch noch in Erfüllung gegangen ist,. Vom Alter her könnten meine beiden Jungs sowieso fast Zwillinge sein. Wir hatten uns damals schon um eine Adoption bemüht, die aber wegen ihrer Erkrankung ausgesetzt wurde.“

Meine beiden Jungs schauten mich verwirrt an, da ich ihnen diese Geschichte aus meinem Leben bisher nicht erzählt hatte. Tobias meinte: „Jetzt verstehe ich, warum ihr uns adoptiert habt. Ihr habt damit nach langer Zeit eine noch offene Aufgabe aus deinem Leben mit deiner verstorbenen Frau erfüllt.“

Armin meldete sich: „Ich will euch jetzt nicht unbedingt unterbrechen. Doch inzwischen sollte der Bus draußen stehen, mit dem wir zum Weihnachtsmarkt fahren wollen. Ich denke, alle holen sich kurz aus ihren Zimmern ihre warmen Jacken und vernünftiges Schuhwerk und in spätestens zehn Minuten erwarten wir euch direkt am Bus.“

Schnell waren alle aufgestanden und nach oben in ihre Zimmer verschwunden. Dennis der hierblieb, ging zur Rezeption.

Zuerst standen die drei Betreuer der Gruppe bei uns draußen am Bus. Ich bat Severin, für uns in den ersten zwei Reihen Plätze zu reservieren, damit wir uns mit den beiden Jungs unterhalten können. So nach und nach tauchten alle Kinder und Jugendlichen der Gruppe auf und verteilten sich im Bus. Severin bat die beiden Jungs in den ersten zwei Reihen Platz zu nehmen. David und Tobias setzten sich direkt zu den anderen Kindern.

Armin ließ sich vom Fahrer das Mikrofon geben und fragte nach, ob alle anwesend wären. Nachdem signalisiert wurde das wir vollzählig seien, meinte er, der Fahrer könne losfahren.

Er wandte sich an die Kids und meinte: „Ich habe gerade mitbekommen, dass einige von euch auf eigene Faust den Weihnachtsmarkt erobern wollen. Kein Problem, ich bitte euch nur, spätestens um zwanzig nach fünf Uhr wieder am Bus zu sein, damit wir alle pünktlich zum Abendessen wieder zurück sind. Ich will aber hinterher keine Klagen von euch hören, weil ihr nicht in den Genuss von Kinderpunsch und Christstollen gekommen seid, den euch Peter spendieren will.“

Severin grinste mich an und sagte: „Eigentümliche Art und Weise, um die Gruppe zusammen zu halten. Du gibst ihnen ihre Freiheit und köderst sie mit einem kleinen Schmankerl, um sie trotzdem zusammen zu halten.“

Ich grinste zurück und erklärte: „Reine Taktik, wenn ich ihnen erkläre, sie müssten in der Gruppe zusammenbleiben, setzen sich sicher einige von der Gruppe ab. Mit meinem Köder locke ich sie, trotzdem eine geschlossene Gruppe zu bleiben. Wie heißt es so schön, mit Speck fängt man Mäuse. Ich versuche es lieber mit Kinderpunsch und Christstollen. Bevor wir hier weiter diskutieren, sollten wir uns lieber um die Beiden kümmern, die noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind.“

Ich bat beide, sich kurz vorzustellen und mir zu erzählen, welchen Traumberuf sie gerne erlernen möchten. Derjenige, der mir direkt gegenübersaß, vielleicht sollte ich dazu erklären, dass wir uns über den Mittelgang unterhielten, war der Erste den ich aufforderte.

Nach kurzer Pause fing er zu sprechen an: „Ich bin Patrick Körber, werde nächstes Jahr im Sommer siebzehn Jahre alt, besuche derzeit eine Realschule in München. Ich bin Vollwaise wie Tobias. Meine Eltern sind Opfer eines Amokläufers geworden als ich dreizehn Jahre alt war, seitdem lebe ich im Kinderheim. Ich möchte gerne einen kaufmännischen Ausbildungsberuf ergreifen, bin mir nur noch nicht sicher, in welche Fachrichtung es genau gehen soll.“

Derjenige, der schräg gegenüber saß, erzählte: „Mein Name ist Adrian Warnke, ich bin derzeit noch fünfzehn und mache im Sommer meinen Hauptschulabschluss. Ich bin keine Vollwaise. Meine Eltern haben mich wegen ihrer Alkoholsucht vernachlässigt und deshalb lebe ich bereits seit meinem vierten Lebensjahr im Kinderheim. Ich würde entweder gerne Elektriker werden oder in Richtung Informationstechnologie etwas machen.“

Ich erklärte Adrian: „Für den Elektriker reicht ein guter Hauptschulabschluss. Wenn du in die Informationstechnologie willst, solltest du entweder einen guten Realschulabschluss oder einen sehr guten Hauptschulabschluss haben, um überhaupt eine Chance zu haben, wobei gute Englisch-, Deutsch- und Mathenoten das Wichtigste sind.“

Severin meinte, von den Schulzeugnissen her sollte das bei Adrian kein Problem sein. In diesen drei Fächern ist er nirgends schlechter als zwei, zumindest im letztjährigen Zeugnis.

Da Severin gerade von den Zeugnissen gesprochen hatte, fragte ich ihn, ob er mir Kopien der Schulzeugnisse der beiden Jungs besorgen könne, da beide Berufe erlernen wollen, die zumindest bei uns angeboten werden. Er versprach mir, dass ich die letzten Schulzeugnisse der beiden spätestens nach den Feiertagen in den Händen halten könne. Wir vereinbarten, dass wir das Gespräch mit den beiden nach dem Abendessen in meinem Büro fortsetzen werden, da wir bereits am Parkplatz des Weihnachtsmarktes angekommen waren.

Kurz bevor wir wieder in den Bus einstiegen, nachdem wir unseren Rundgang über den Weihnachtsmarkt beendet hatten, stand Severin neben mir: “Deine Taktik ist voll aufgegangen. Keiner hat sich von der Gruppe abgesetzt. Ich bin echt überrascht von meiner Gruppe, dass sie sich von euch so manipulieren ließ. Die ersten Reaktionen zum Besuch des Weihnachtsmarktes, die ich bisher mitbekommen habe, alle waren von dem kleinen Ausflug heute restlos begeistert. Vor allem, nachdem du ihnen auch noch kleine Geschichten vom Weihnachtsmarkt erzählt hast. Ich sagte dazu nichts, dachte mir nur meinen Teil.“

Während des Abendessens, David, Tobias und ich hatten uns einfach an einen der Tische zu den Kids gesetzt, fragte mich Adrian: „Peter, warum hast du und deine beiden Jungs extra für dein Essen mit einem Chip bezahlt? Deine Mitarbeiter sollten doch wissen, dass ihr zum Gutshof gehört und ihr hier Essen dürft.“

Ich überlegte kurz, wie ich das am einfachsten erklären kann: „Ist nicht einfach zu erklären, aber ich versuche es so einfach wie möglich darzustellen. Ich bin heute in dienstlicher Eigenschaft hier, also kann es wie ein normales Kantinenessen bewertet werden. David und Tobias sind Familienangehörige, die die Erlaubnis besitzen hier zu essen. Mit dem Chip wird geregelt, dass ihre Essen von mir privat bezahlt werden. Diese Regelung gilt natürlich für alle Familienangehörigen. Marions Kinder und auch meine beiden Jungs gehen mittags, wenn sie von der Schule kommen, in die Kantine und essen dort. Mir erspart es die Zeit für die Jungs extra zu kochen und ich weiß, dass sie gesund ernährt werden. Damit ich mir keine persönlichen Vorteile gegenüber anderen Mitarbeitern verschaffe wird genau dokumentiert, wer welche Leistungen in Anspruch nimmt und wie sie abgerechnet werden. Das gilt für mich genauso wie für alle anderen Mitarbeiter.

Dabei gibt es noch weitere Möglichkeiten. Zum Beispiel, gehe ich mit Kunden zum Essen, wird deren Verzehr ebenfalls über meine Karte abgerechnet. Ich muss nachher nur einen Bewirtungsbeleg ausfüllen, damit die Buchhaltung das entsprechend verbuchen kann. Dann bezahle in diesem Fall für mein Essen einen reduzierten Preis, weil ein gewisser Teil steuerlich absetzbare Aufwendungen sind.“

Als ich nachfragte, ob sie das alles verstanden hätten, meinte Adrian: „Sicher nicht, aber so etwas lernt man vermutlich erst während seiner beruflichen Ausbildung. Eines habe ich jedoch verstanden, der Aufwand ist notwendig, damit du deine eigene Firma nicht betrügen kannst.“

Nach dem Abendessen gingen Severin, ich und die beiden Jungs, die sich bei uns bewerben wollten, gemeinsam ins Gutshaus und setzen uns in mein Büro. Ich fragte Adrian und Patrick, ob sie mir bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag einen Lebenslauf und ein Bewerbungsschreiben erstellen könnten. Zeugnisse von euch besorgt Severin im Kinderheim in München. Diese werden dann per Mail an mich direkt geschickt.

Ich hatte wieder einmal einen Geistesblitz und so erklärte ich den beiden Jungs: „Für euren Lebenslauf und dass Bewerbungsschreiben kann ich euch die Hilfe von zwei Noch-Auszubildenden anbieten, die morgen Vormittag mit euch zusammen die beiden Unterlagen am Computer erstellen könnten. Wollt ihr diese Hilfe annehmen?“

Severin schaute mich verwundert an, während die Jungs erklärten, dass sie sich nicht weigern und die Hilfe in Anspruch nehmen würden.

Zuerst telefonierte ich mit Florian, erzählte ihm kurz, warum ich bei ihm anrufe. Er meint: „Kein Problem, ich packe mir nur meine Sachen, übernachte ab sofort im Gesindehaus und nicht erst ab siebenundzwanzigsten Dezember.“

Als ich nachfragte, erklärte er mir, dass seine Eltern bereits am Wochenende mit seinen beiden Geschwistern in Urlaub gefahren seien. Da er zwischen den Feiertagen arbeiten würde hatten sie ihn allein zu Hause gelassen. Ich gab mein okay und Florian meinte, in spätestens fünfundvierzig Minuten stehe ich in deinem Büro.

Ich erklärte Patrick, dass sein Unterstützer zugestimmt habe und in fünfundvierzig Minuten hier wäre, um ihn kennenzulernen. Danach wählte ich die Rufnummer von Bernhard, dem ich ebenfalls mein Anliegen vortrug. Er antwortete mir, in zehn Minuten wäre ich bei euch im Büro.

An Adrian gewandt, sagte ich, dass Bernhard in zehn Minuten hier ist, da er, wie ihr im Gesindehaus wohnt, aber ganz oben im Dachgeschoss.

Severin schaute mich immer noch fragend an, so dass ich ihm erklärte: „Bernhard arbeitet in der IT, beendet im Januar seine Ausbildung und übernimmt danach in einer neu gegründeten Firma der Stiftung, die Abteilung Dokumenten- und Bauplanverwaltung als technischer Betriebsleiter. Wenn Adrian Programmierer werden will, kann Bernhard ihm sicher am besten erklären, was auf ihn zukommt.

Florian beendet ebenfalls im Januar seine Ausbildung zum Bürokaufmann. er hat bereits vor gut zwei Monaten die neu geschaffene Stelle des Ausbildungsbeauftragten übernommen und ist damit die beste Option für Patrick.

Severin grinste und erklärte mir: „Mit der Unterstützung, die du den beiden Jungs gibst, verschaffst du ihnen einen optimalen Start im Kampf um einen Ausbildungsplatz in eurem Unternehmen. Sollten sie angenommen werden, ist sogar die Unterbringung bereits geregelt und wir brauchen dem Jugendamt in München nur noch mitteilen, dass sie zukünftig vom Jugendamt in Rosenheim betreut werden. Ich kann nur für dich hoffen, dass du nicht von weiteren Bewerbungen unserer Kids überrollt wirst.“

Es klopfte und Bernhard trat in mein Büro. Ich stellte ihm den Betreuer Severin und die beiden Jungs vor und meinte, Adrian ist derjenige, um den er sich kümmern dürfe.

Bernhard, frech wie eh und je, stellte gleich klar, dass er mit seinem Freund zusammenlebe und er nur Auszubildende betreuen würde, die nicht homophob seien oder andere diskriminieren.

Adrian lachte und meinte zu Bernhard: „Wenn du im Kinderheim lebst, bist du schon froh, wenn du nicht von anderen schief angeschaut wirst. Ich habe kein Problem damit, da ich im Kinderheim inzwischen mit einigen elternlosen Flüchtlingen zusammenlebe.“

Bernhard schaute mich an und fragte: „Wen hast du dir als Opfer für Patrick ausgesucht, der ihn betreuen soll?“

Bevor ich antworten konnte, erklärte Patrick: „Wenn ich Peter richtig verstanden habe, werde ich von einem Florian betreut, der eine kaufmännische Ausbildung im Unternehmen durchlaufen hat und im Januar, wie du, seine Ausbildung abschließt.“

Während Bernhard lachte, fragte ihn Severin, was daran so lustig sei an der Antwort von Patrick. Bernhard antwortete ihm: „Ganz einfach, dabei kann es sich nur um einen Florian handeln, unseren neuer Ausbildungsverantwortlichen. Er und ich sind bisher die beiden einzigen Auszubildenden, die Peter vor Abschluss ihrer Ausbildung in eine verantwortliche Position geschubst hat. Dass er gerade uns ausgewählt hat, zeigt mir, dass er euch eine Chance geben will, das Bewerbungsverfahren ohne Blessuren zu überstehen.“

Jetzt lachte auch Severin und erklärte: „So ähnlich habe ich das auch kurz vor deiner Ankunft formuliert.“

Ich meinte zu Severin, Barbara Wegmann vom Rosenheimer Jugendamt wirst du am achtundzwanzigsten Dezember kennenlernen. Mit euren beiden Jungs haben wir jetzt insgesamt siebzehn Bewerbungen von Jugendlichen aus Kinderheimen. Die restlichen fünfzehn stammen aus Kinderheimen in Thüringen und Hessen. Mit meinen beiden Jungs, die bis vor kurzem ebenfalls im Kinderheim lebten, sind es dann neunzehn Bewerber und damit mehr als die Hälfte aller Bewerbungen.

Es klopfte und ich blickte zur Uhr. Seit meinem Telefonat mit Florian waren gerade Mal fünfunddreißig Minuten verstrichen. Ich rief trotzdem herein und als sich die Tür öffnete, trat Florian ein. Ich stellte ihm ebenfalls Severin als Betreuer und die Jungs Patrick und Adrian vor.

Florian meinte: „Wenn ich das richtig sehe, darf ich mich um Patrick kümmern, Bernhard hat sich ja bereits Adrian gekrallt.“

Bernhard konterte: „Florian, danke für deine Unterstellung. aber gekrallt habe ich mir bereits meinen Benjamin. Adrian hat von mir nichts zu befürchten. Er will seine Ausbildung in der IT machen, deshalb wurde er mir zugeordnet. Patrick will in einen kaufmännischen Beruf, dafür bist du besser geeignet als ich.“

Ich sagte nur noch: „Ihr verschwindet jetzt für zehn bis fünfzehn Minuten in eure Büros zum Beschnuppern, während ich mit Severin noch etwas zu besprechen habe. Morgen will ich euch nicht vor neun Uhr in euren Büros sehen.“

Die vier Jungs verschwanden in ihre Büros und ich wandte mich an Severin. Ich erklärte ihm: „Wir haben für euch, zusammen mit den Bewerbern für den neunundzwanzigsten Dezember, eine Brauereibesichtigung geplant. Ich wollte mich allerdings erst mit euch Betreuern abstimmen, ob ihr es verantworten könnt, wenn eure Gruppe mitfährt. Armin hat deswegen den Termin auch heute Mittag noch nicht angekündigt.“

Severin lachte und erklärte mir: „Klar sind wir mit dabei. Wir müssen nur darauf achten, dass die unter Sechzehnjährigen keinen Alkohol ausgeschenkt bekommen bei einer Bierprobe.“

Jetzt lachte ich und erklärte: „Wir haben bereits im Vorfeld mit der Brauerei abgeklärt. Eine Getränkeprobe wird es geben, aber keine alkoholischen Getränke. Es wird nur alkoholfreies Bier und verschiedene Softdrinks angeboten, die die Brauerei abfüllt, egal ob älter oder jünger als sechzehn. Das bedeutet auch für alle erwachsenen Begleitpersonen kein Alkohol.“

Kurz grinste Severin und meinte: „Ihr denkt sogar an die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes, wenn ihr Ausflüge für Kinder und Jugendliche plant. Das habe ich jetzt nicht unbedingt erwartet.“

Ich antwortete ihm: „Armin kennt fast das gesamte Jugendschutzgesetz auswendig und hält sich an alle Regeln, wenn er Ausflüge plant. Hinzu kommt, dass auch für Auszubildende unter achtzehn Jahren die Regeln des Jugendschutzes im gesamten Unternehmen beachtet werden müssen.“

Es klopfte wieder und die Jungs kamen zurück. Gemeinsam gingen wir ins Gesindehaus, wobei Florian gleich seinen Koffer aus dem Auto holte. Bernhard ging nach oben in sein Appartement zu Benjamin. Florian suchte nach Dennis, damit er ihm die Schlüsselkarte für sein Zimmer geben kann. Adrian und Patrick verschwanden im Speisesaal. Severin und ich folgten ihnen.

Dennis kam uns mit Florian entgegen und schaute mich fragend an. ich nickte nur, und damit war geklärt, dass er Florian die Zugangskarte aushändigen konnte. Severin und ich setzten uns zu den Betreuern und er erklärte ihnen, dass ein weiterer Ausflug zu einer Brauereibesichtigung für ihre Meute geplant sei. Er klärte sie auch darüber auf, dass es eine Getränkeprobe gebe, bei der aber keine alkoholischen Getränke ausgegeben würden.

Ich erklärte den Ablauf am Heiligen Abend, wenn es nach unserer Planung geht. Zuvor wollte ich noch wissen, ob die Kinder und Jugendlichen Weihnachtsgeschenke bekommen, wie alle anderen Kinder in Familien oder ob es da grundsätzlich nichts gäbe im Kinderheim.

Severin erklärte mir, es gäbe für alle Weihnachtsgeschenke. Dazu müsse jeder einen Wunschzettel ausfüllen. In Abstimmung mit dem Jugendamt würden die Geschenke gekauft, verpackt und mit dem Namen des Beschenkten versehen. Eigentlich war geplant, den Kindern ihre Weihnachtsgeschenke erst nach der Rückkehr ins Kinderheim zu überreichen.

Seit einer Woche wissen wir jedoch, dass die Päckchen morgen Vormittag mit einem Kleinlaster hier angeliefert werden. Wir überlegen seit Tagen, wie wir sie ins Haus bekommen, ohne dass unsere Meute etwas davon mitbekommt. Spaßeshalber erklärte ich ihnen, ihr könnt eure Kinder in ihre Zimmer einsperren und dann die Pakete unbemerkt ins Haus bringen. Severin meinte dazu nur, dass das auf keinen Fall funktionieren würde.

Ich erklärte ihnen, dass ich eine weitaus bessere Idee habe: „Ihr disponiert den Ort der Anlieferung um, direkt ins Restaurant im Gutshof. Wenn ihr auf der Rückseite des Gutshauses anliefern lasst, sieht es aus wie eine Lieferung für die Küche. Da wir zum Abendessen morgen im Restaurant sind, findet die anschließende Bescherung einfach im großen Saal statt. Damit wäre doch euer Problem gelöst.“

Die einzige weibliche Betreuerin, Veronika, erklärte: „Ich finde die Idee hervorragend. Ob die Kids ihre Päckchen hier im Haus oder drüben im Restaurant bekommen ist eigentlich egal. Auf diese Art und Weise wird kaum einer mitbekommen, dass sie ihre Weihnachtspäckchen doch am Heiligen Abend erhalten.“

Da Severin ebenfalls zustimmte, telefonierte ich mit Alexandra und erklärte ihr unser Problem und meinen Lösungsweg. Sie meinte: „Sebastian hat mitgehört und den Daumen nach oben gereckt, er ist damit einverstanden. Sollen wir im großen Saal auch Tische und Stühle aufstellen, damit dort alle Platz finden?“

Ich erklärte ihr: „Nicht notwendig, nach der Bescherung werden wir mit den Kids wieder ins Gesindehaus verschwinden, damit ihr auch endlich Feierabend habt. Wenn euch Beiden langweilig sein sollte, könnt ihr später ins Gesindehaus nachkommen.“

Severin hatte den Raum verlassen, um die Lieferung direkt ins Restaurant umzudisponieren. Als er zurückkam meinte er: „Ich habe eben mit meinem Chef gesprochen und ihm erklärt, dass die Päckchen im Restaurant angeliefert werden sollen. Er hat mir noch damit gedroht, dass er selbst mit seiner Gattin und seinen beiden Kindern mitkommen werde und die Anlieferung überwachen will. Danach will er sich noch mit Peter treffen.“

Ich bat Severin mir doch für alle Fälle die Mobilfunknummer seines Chefs zu geben, falls sich noch Änderungen bei der Anlieferung ergeben sollten. Kurze Zeit später verabschiedete ich mich bis morgen früh bei den Betreuern.

Oben in der Wohnung angekommen, stellte ich fest, dass nur Thomas anwesend war. Unsere beiden Jungs waren scheinbar immer noch im Gesindehaus bei den Kids. Ich erklärte Thomas kurz meinen Plan mit dem Heimleiter und der Anlieferung der Weihnachtspäckchen für die Kids.

Danach wählte ich die Rufnummer von Heinz Gebauer und als er sich meldete, nannte ich ihm meinen Namen. Er meinte, der Chef vom Gutshof, und fragte sofort, gibt es Probleme mit unseren Kids?

Ich verneinte seine vermuteten Probleme, meinte aber, ich hätte ein Attentat auf ihn vor. Ich lade ihn, ihre Frau und ihre beiden Kinder ein, morgen mit uns den Heiligen Abend zu verbringen. Zusammen mit seinen Zöglingen und allen Familien mit Kindern, die im Gutshof wohnen. Ich würde sie und ihre Familie im Gesindehaus unterbringen, so dass sie erst am ersten Feiertag wieder heimfahren müssten.

Er besprach sich kurz mit seiner Frau und erklärte mir, sie nehmen die Einladung an. Wir werden gegen Mittag ankommen und nach dem Ausladen der Päckchen wollte ich noch mit ihnen ein Gespräch führen, ich hoffe Severin hat das ausgerichtet.

Ich erklärte: „Ja, hat er. Deswegen bin ich auf die Idee gekommen, ihn und seine Familie auf den Gutshof einzuladen und mit uns zusammen Weihnachten zu feiern.“

Er sagte: „Ich habe von Severin vorhin gehört, dass ihr Tobias und David zwischenzeitlich adoptiert habt. Mich würde interessieren, warum.“ Ich meinte: „Dazu haben wir morgen ausgiebig Gelegenheit, auch dieses Thema zu besprechen.“ Wir verabschiedeten uns und legten auf.

Ich bat Thomas morgen, am frühen Nachmittag, bei dem Gespräch mit Herrn Gebauer dabei zu sein. Er meinte, kein Problem, er sei den ganzen Tag zu Hause. Wir unterhielten uns noch, bis ich hörte, dass die vier Jungs die Wohnung betraten. Ich ging auf den Flur und bat Dennis mit mir ins Wohnzimmer zu kommen, da wir noch etwas zu besprechen hätten.

Wie Kletten folgte mir nicht nur Dennis, auch die restlichen drei folgten uns ins Wohnzimmer. Ich erklärte ihm, dass er morgen bitte für den Heimleiter Herrn Gebauer, seine Frau und die beiden Kinder, zwei zusammenhängende Zimmer im zweiten Stock reservieren soll, für die Nacht vom vierundzwanzigsten auf den fünfundzwanzigsten Dezember.

David meinte: „Jetzt bekommen Tobias und ich doch noch die Gelegenheit uns von Herrn Gebauer zu verabschieden, nach unserem überraschenden Abgang aus dem Kinderheim. Wann kommt er mit seiner Familie an?“

Ich erklärte ihnen: “Ihr wisst von nichts. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem offiziell bekannt gegeben wird, dass die Familie im Gutshof übernachten wird.“

Am vierundzwanzigsten Dezember ging ich erst gegen neunuhrdreißig ins Gesindehaus, da wir länger geschlafen und ausgiebiger gefrühstückt haben. Als Severin mich entdeckte, informierte er mich, dass sein Chef eben angerufen habe und die Pakete erst gegen Mittag eintreffen werden, da der geplante Fahrer wegen einer Erkrankung ausgefallen sei und erst Ersatz beschafft werden muss.

Ich fragte, was für heute Vormittag und für den Nachmittag geplant sei. Er erklärte mir, die zwei Jungs sind bereits mit ihren Helfern unterwegs, ihren Lebenslauf und ihr Bewerbungsschreiben zu erstellen. Ansonsten läuft es im Grunde genommen wie im Heim. Ach, noch etwas, Heinz hat angekündigt, dass er die Schulzeugnisse der Jungs direkt mitbringen wird.

Ich meinte: „Wir sehen uns dann am Nachmittag zum Gespräch mit deinem Chef. Hast du eine Ahnung, was er eigentlich mit mir besprechen will?“ Er schaute mich an: „Könnte sein, dass es um das Konzept geht, mit der Unterbringung der Jugendlichen die in Ausbildung sind. Ich habe es gestern kurz angesprochen.“

Ich ging zurück ins Gutshaus und zu Sebastian in die Küche, wo bereits die Vorbereitungen für das Mittagessen im Gesindehaus liefen. Ich erklärte ihm, dass ich unsere kleinen Weihnachtspäckchen für die kleinen Gäste auch im großen Saal deponieren und verteilen will. Ich werde gleich noch Alejandro bitten, die Geschenke bei dir anzuliefern.

Bevor ich es noch vergesse, die Lieferung kommt erst gegen Mittag hat mir Severin bei meinem Besuch im Gesindehaus erklärt. Ich habe den Leiter des Kinderheims mit seiner Familie eingeladen, mit uns im Gesindehaus Weihnachten zu feiern und seine Familie für eine Nacht im Gesindehaus einquartiert. Er hatte angekündigt, dass er die Lieferung der Weihnachtspäckchen für die Kinder persönlich überwachen will. Die Rechnung für die zwei Zimmer geht an mich privat.

Ich rief Alejandro an und bat ihn, die vorbereitenden Päckchen für die Kinder in den großen Saal zu bringen, da ich gerade unten bin und mich gleich um den Aufbau kümmern will. Er meinte, er bringt gleich mit Jorge und Rafael die Pakete vorbei. Sie wären im Keller des Gutshauses gelagert.

Nach einer viertel Stunde stand er vor mir. Aber anstelle der Pakete brachte er einen Biergartentisch und eine Bank mit. Ich schaute ihn an und wollte schon fragen, als er meinte: „Ich denke, du willst deine Päckchen für die Kinder wie bei der Tombola bei der Weihnachtsfeier präsentieren. Jorge und Rafael kommen gleich mit den ersten beiden Kisten.

Alexandra brachte wieder zwei Papierdecken, die wir über den Tisch und die Bank spannten. Inzwischen waren auch Jorge und Rafael mit den ersten beiden Kisten eingetroffen. Während Rafael mir half die Päckchen auf dem Tisch und der Bank zu präsentieren, gingen Alejandro und Jorge erneut in den Keller, um die letzten beiden Kisten heraufzuholen. Es war immerhin schon kurz nach elf Uhr, als alles fertig aufgebaut war. Ich bedankte mich bei den Dreien und erinnerte sie daran, dass sie heute Abend um acht Uhr zur gemeinsamen Weihnachtsfeier ins Gesindehaus kommen sollten.

Kaum hatten sie den Saal verlassen klingelte mein Smartphone. Ich nahm das Gespräch entgegen und Heinz meldete sich. Er teilte mir mit, dass sie schon kurz vor Rosenheim seien und spätestens in fünfzehn Minuten am Gutshof eintreffen werden. Er fügte noch hinzu, dass auf der Autobahn kaum Verkehr sei, er aber mit weitaus mehr Behinderungen gerechnet habe.

Ich ging wieder in die Küche zu Sebastian und informierte ihn vom früheren Eintreffen der Pakete. Er erklärte mir: „Ich habe euch zwei Rollpaletten mit Gitterwänden bereitgestellt, dort könnt ihr die Weihnachtspakete aufladen und in den Saal schieben. Ist einfacher, als wenn jedes Paket einzeln hereingetragen werden müsst.“

Kurz nach halb zwölf stand der Kleinlaster an der Rampe hinter dem Gutshaus. Ich begrüßte zuerst den Fahrer und wünschte ihm schöne Feiertage. Der Münchner Heimleiter Heinz Gebauer hatte seinen Wagen vorm Restaurant geparkt und kam mit seiner Frau und den beiden Söhnen zu Fuß zur Rampe.

Ich begrüßte alle recht herzlich und er stellte mir seine Familie vor. Zuerst seine Frau Birgit, danach seinen fünfzehnjährigen Sohn Jason und seinen dreizehnjährigen Sohn Ronald. Ich erklärte ihm, dass wir die Pakete für die Kinder auf die beiden Rollpaletten mit Gitterwänden aufladen und damit in den großen Saal schieben werden.

Er lachte und erklärte: „Jetzt habe ich verstanden, warum der Transporter hinter dem Haus an die Rampe fahren sollte, ihr habt hier eine extra Anlieferzone für das Restaurant angebaut.“ Er sagte zu den Jungs: „Wenn ihr mit anpackt, haben wir den Transporter schnell entleert, die Päckchen kommen auf die beiden Transportboxen.“

Der Fahrer reichte die Päckchen aus dem Fahrzeug. Zu fünft nahmen wir ihm die Päckchen ab und stapelten sie in die beiden Rollpaletten. Nachdem alles ausgeladen war, zählte er die Päckchen kurz durch. Er meinte: „Okay, insgesamt einunddreißig Päckchen, das passt, achtundzwanzig für die Kids und drei für unsere Betreuer.“

Über den Flur des Gutshauses schoben wir die Rollpaletten bis zum Restaurant und dann direkt in den großen Saal. Als wir den Saal betraten und Heinz den großen Weihnachtsbaum entdeckte, meinte er: „Das ist hervorragend, wir verteilen die Pakete für die Kids einfach rund um den Baum. Habt ihr den extra für uns aufgestellt?“

Ich lachte und antwortete ihm: „Nein, der Baum steht seit Donnerstag letzter Woche. Wir hatten am Freitagabend die Weihnachtsfeier für unsere Mitarbeiter hier veranstaltet. Der Baum bleibt noch bis zum zweiten oder dritten Januar, am einunddreißigsten findet hier ein großes Silvester-Gala-Dinner statt.“

Er schaute sich im Raum um und entdeckte unsere aufgestellten Weihnachtspäckchen. „Für wen sind die Päckchen, die dort auf dem Tisch stehen?“ fragte mich Heinz.

Ich erklärte ihm: „Das sind die Päckchen, die wir für eure Kids vorbereitet haben. Keines der Päckchen überschreitet den Wert von zwanzig Euro. Wir haben die Tüten mit Orangen, Mandarinen, Nüssen und diversen weihnachtlichen Süßigkeiten gefüllt. In jeder Tüte findest du zusätzlich ein kleines Spiel, das im Handel für rund zehn Euro angeboten wird. Wir haben versucht so viel verschiedene Spiele wie möglich zu bekommen. Hat leider nicht ganz gepasst, drei Spiele sind doppelt vorhanden.“

In der Zwischenzeit hatten die beiden Jungs begonnen die Päckchen von den Rollpaletten zu holen und rund um den Baum zu verteilen. Ich ging zu den beiden Jungs und fragte sie, ob ich ihre Eltern kurz in die Küche entführen darf, damit sie unseren Koch kurz kennenlernen. Die Beiden erklärten, sie kämen mit, weil sie neugierig wären, wie die Küche so ausschaut.

Zusammen gingen wir durchs Restaurant in die Küche, wo wir von Sebastian empfangen wurden. Er erzählte, dass unter der Woche täglich Essen für rund vierhundert bis vierhundertfünfzig Personen zubereitet werden, für die Gäste im Gesindehaus, für unsere Mitarbeiter, für das Seminarhotel, für die Mitarbeiter im Stadtbüro und für die Gäste im Restaurant. Heute war es im Grunde genommen gemütlich, da sie nur für knapp fünfzig Personen gekocht hätten. Er erklärte weiter, dass während der Sommerferien täglich teilweise Essen für bis zu achthundert Personen zubereitet wurden. Am Ende meinte er, nun würde werden jetzt das Essen ins Gesindehaus geliefert werden. in rund fünfzehn Minuten startet dort die Essensausgabe für unsere Gäste.

Wir, also Heinz mit Familie und ich, gingen zurück in den großen Saal und verteilten weiter die Päckchen der Kids rund um den Weihnachtsbaum. Nachdem alles abgeladen war, schoben Heinz und ich die beiden Rollpaletten mit Gitterwänden zurück in den Anlieferungsbereich unserer Küche.

Unterwegs wollte ich von ihm wissen, welche Themen wir nachher besprechen wollen, damit ich entscheiden kann, wen ich zu dem Gespräch hinzuholen will. Er meinte, ein Thema ist die Adoption der beiden Jungs, dann die Einladung von zwei unserer Jugendlichen zu einem Vorstellungsevent und was wir darunter verstehen. Ein weiteres Thema ist euer Konzept, dass ihr mit dem Jugendamt Rosenheim entwickelt habt, mit der Unterbringung der minderjährigen und volljährigen Jugendlichen in Ausbildung. Zusätzlich wäre er daran interessiert, weitere und tiefergehende Informationen zur Stiftung zu erhalten.

Ich meinte, für die Adoption kommen mein Ehemann Thomas und die beiden Jungs zum Gespräch mit. Für den Bewerbungsevent würde ich Florian, unseren Ausbildungsbeauftragter hinzuziehen, und für das Unterbringungskonzept unsere beiden Sozialarbeiter Michael und Marion. Das Thema Stiftung können wir allein bestreiten. Ich fragte, ob er von seiner Seite noch seinen Stellvertreter Severin bei den ersten drei Themen dabeihaben will.

Er meinte, das ist vielleicht eine gute Idee. Beim Thema Stiftung würde ich gerne meine Frau dabeihaben. Für das Thema Adoption reicht wahrscheinlich eine viertel Stunde bis zwanzig Minuten, für das Konzept Unterbringung etwa eine halbe Stunde. Zum Themenkomplex Bewerbungsevent kann ich mir vorstellen, dass wir bestimmt eine Stunde zusammensitzen werden. Für die Stiftung und ihre Arbeit kann ich nicht einschätzen, wie lange wir darüber sprechen können. Was machen deine beiden Jungs in der Zwischenzeit, sind sie auch dabei oder bleiben sie einfach bei den Heimkindern.

Ich würde sagen: „Wir fangen gegen dreizehn Uhr an mit Adoption. Um dreizehnuhrdreißig Unterbringung der Jugendlichen. Gegen vierzehn Uhr das Thema Bewerbungsevent und ab fünfzehn Uhr die Stiftung.“

Ich rief bei Marion und Michael an und lud sie kurzfristig für dreizehnuhrdreißig zu dem Gespräch mit Heinz Gebauer wegen der Unterbringung von Jugendlichen in unseren drei Häusern am Gutshof in unser Besprechungszimmer ein. Danach telefonierte ich noch kurz mit Thomas, der mir nur sagte, dass er bereits auf dem Weg ins Gesindehaus sei. Florian würde ich im Gesindehaus antreffen, David und Tobias ebenso.

Ich ging mit unseren Gästen nach draußen und meinte, sie sollten doch ihr Gepäck gleich mit ins Gesindehaus mitnehmen, dann könnten sie einchecken und ihr Gepäck auf die Zimmer bringen. Danach treffen wir uns im Speisesaal zum Mittagessen. Dort werden wir auch verkünden, dass ihr heute mit uns den Heiligen Abend verbringen werdet.

Glücklicherweise war Dennis noch an der Rezeption und konnte für unsere Gäste die Zugangskarten herausgeben. Ich erklärte ihnen, dass die Zimmer nebeneinander liegen und über ein gemeinsames Bad verfügt. Während sie nach oben gingen, suchte ich Florian und meine beiden Jungs im Speisesaal. Als erstes entdeckte ich Florian und erklärte ihm, dass ich seine Hilfe bei einem Gespräch mit dem Heimleiter des Münchner Kinderheims benötige und er um vierzehn Uhr ins Besprechungszimmer im Gutshaus kommen solle.

Meine beiden Jungs saßen bei Thomas am Tisch und hatten sich bereits mit Essen eingedeckt. Ich erklärte ihnen, dass wir uns um dreizehn Uhr im Besprechungszimmer mit Heinz und Severin treffen und über das Thema Adoption reden wollen.

Ich holte mir das Mikrofon, schaltete die Soundanlage ein und ging auf Familie Gebauer zu, die soeben den Speisesaal betreten hatten. Ich bat um Ruhe, da ich einige Ankündigungen machen wollte.

Der Lärm verstummte und ich erklärte: „Armin hat mir mitgeteilt, dass keine Anmeldung für den Besuch der Kinderchristmette von euch vorliegt. Er hat den Busfahrer mitgeteilt, dass wir seine Dienste heute nicht mehr benötigen. Dafür gibt es für alle ein Alternativprogramm. Um vierzehnuhrdreißig treffen sich alle vor dem Haus und Jonas und Tim unternehmen mit euch einen etwa einstündigen Waldspaziergang. Sie werden euch erklären, welche Pflanzen und Tiere in unseren Wäldern leben. Nach der Rückkehr gibt es für alle die mit im Wald waren, einen heißen Kinderpunsch und weihnachtliches Gebäck.

Kurz vor siebzehn Uhr gehen wir ins Restaurant im Gutshaus, wo ihr heute ohne Selbstbedienung bewirtet werdet. Um zwanzig Uhr treffen wir uns hier zur großen Weihnachtsfeier. Meine letzte Überraschung für euch, euer Heimleiter, Herr Gebauer, wird mit seiner Familie heute Abend bei der Weihnachtsfeier dabei sein.

Unheimlicher Jubel brandete auf und ich übergab Heinz das Mikrofon. Er wartete bis es wieder etwas ruhiger war und sagte: „Es war nicht zu überhören, dass ihr euch freut, dass wir mit euch gemeinsam Weihnachten feiern. Ich muss zu meiner Schande gestehen, die Idee ist nicht von mir. Peter hat mich gestern Abend angerufen und mich und meine Familie kurzfristig zur Weihnachtsfeier, mit euch und den Familien mit Kindern, die am Gutshof leben, eingeladen. Meiner Frau gefiel die Idee so gut, dass sie sofort zugesagt hat.“

Ich ging zum Tisch und stellte Thomas Familie Gebauer vor. Anschließend gingen wir zur Essensausgabe, schnappten uns jeder ein Tablett und ich nahm von der Nudelsuppe und wollte den Lagerburger wieder einmal probieren. Vorsichtshalber fragte ich Sebastian, ob noch genügend Burger da sind. Er meinte kein Problem, wir haben heute fast nur die Burger vorbereitet, und ganz wenig von dem zweiten Menü, was übrigens schon ausverkauft ist.

Ich ging wieder zum Tisch und setzte mich neben Thomas, der sich das Putengeschnetzelte organisiert hatte. Die beiden Jungs von Heinz setzten sich gegenüber von unser Jungs an den Tisch, so dass Heinz und seine Frau Thomas und mir gegenübersaß.

Nach dem Essen meinte Jason zu Tobias und David, er würde sie beide aus dem Münchner Kinderheim kennen und wollte wissen, warum sie bei uns am Tisch sitzen. Heinz erklärte ihnen, die beiden Jungs leben seit gut drei Monaten am Gutshof und sind von Peter und Thomas inzwischen adoptiert worden.

Ein paar Minuten vor dreizehn Uhr stand ich auf und meinte, es wäre an der Zeit ins Besprechungszimmer umzuziehen. Heinz holte Severin dazu und wir gingen gemeinsam ins Gutshaus ins Besprechungszimmer. Alexandra hatte uns eine große Kanne mit Kaffee und eine kleinere mit heißem Wasser bereitgestellt. Ich erklärte noch, es gibt entweder Kaffee oder Tee zum Trinken und jeder kann sich selbst bedienen. Ich holte mir einen Kaffee und setzte mich an den Tisch.

Ich begrüßte alle und erklärte, dass es um die Adoption von David und Tobias gehe. Ich meinte, die beiden Jungs sollten doch aus ihrer Sicht schildern.

Bevor sie erzählten, meinte Tobias: „David und ich wollen uns erst einmal ordentlich von ihnen verabschieden. in beiden Fällen war der Auszug aus dem Kinderheim eine kurzfristige und ungeplant abgelaufene Angelegenheit. Deshalb wollen wir das heute nachholen, was damals nicht möglich war.“

Heinz meinte: „Bei David wusste ich von Anfang an, dass er uns kurzfristig verlassen wird. Ich habe lange genug dafür gekämpft, dass er von München wegkommt, weil er immer wieder das Heim verlassen und auf dem Straßenstrich aufgegriffen wurde. Nur über die Art, wie das am Ende abgelaufen ist, davon wurde ich doch überrascht.“

Nach kurzer Pause erklärte er: „Bei dir Tobias war das echt eine Hauruck-Aktion. Da ich befürchtete, dass du wie David auf dem Straßenstrich landest, habe ich das Jugendamt gebeten für dich einen Heimplatz zu finden, wo du in der Nähe von David leben könntest. Am Montag nach deinem Auszug erfuhr ich erst von Severin, dass du bereits seit Freitag bei einer Pflegefamilie untergekommen bist, zusammen mit David. Gestern beim Gespräch mit Severin sagte er mir, dass ihr Beide inzwischen adoptiert seid. Ich will eigentlich nur wissen, wie das abgelaufen ist. So etwas habe ich bisher noch nicht erlebt.“

David sagte: „Es ging am Anfang um das Thema: Dürfen Schwule ein Kind adoptieren. Aufgekommen ist das Ganze, weil Peter Frau Wegmann vom Jugendamt in Rosenheim nach einem Referenten zu diesem Thema gefragt hatte. Peter hat mir die Folgen einer Adoption erklärt und als ich hörte, dass adoptierte Kinder ebenso erbberechtigt sind, wollte ich nicht mehr adoptiert werden, da ich seinen Kindern ihr Erbe nicht wegnehmen wollte.“

Nach kurzer Pause sprach er weiter: „Er hatte sich wohl mit seinen beiden Kindern abgesprochen und Peter und Thomas haben, ohne dass wir davon wussten, einen Adoptionsantrag für uns beide gestellt. Die einzige Bedingung war, dass sie uns beide gleichzeitig adoptieren wollten. Inzwischen wissen wir, dass die Adoption bei Tobias problemlos war, da er Vollwaise ist. Bei mir muss es wohl komplizierter gewesen sein, da meine Eltern lebten, von mir aber nichts mehr wissen wollten. Erst mit ihrer Erklärung, dass sie mich zur Adoption freigeben, war der Weg frei für die Adoption.“

Damit übernahm Tobias: „Vor vier Wochen haben Peter und Thomas, aber auch sein Sohn Philipp mit Marcus und unsere beiden Gärtner Manuel und Daniel, sich das Ja-Wort vor dem Standesamt gegeben. Nach der Prozedur bat uns der Standesbeamte auf den Plätzen des Brautpaares Platz zu nehmen, weil er eine Überraschung für uns habe. Als wir uns gesetzt hatten erklärte er uns, dass wir ab sofort Maurer heißen würden, weil wir von Peter und Thomas adoptiert seien.“

Er schaute zu David und erzählte: „Ihr werdet es nicht glauben, was ich euch jetzt erzähle. Am Montag gaben wir das Dokument, dass uns der Standesbeamte mitgab für die Schule, wegen der Namensänderung im Sekretariat ab. In der zweiten Schulstunde stürmte der Direktor mit zwei Polizisten in unsere Klasse und holte uns aus dem Unterricht. Wir wurden ins Direktorat gebracht, wo wir vom Direktor der Urkundenfälschung bezichtigt wurden. Peter saß ebenfalls im Direktorat und hörte zuerst schweigend zu.Als einer der Polizisten ebenfalls von Urkundenfälschung sprach, platzte Peter der Kragen und er schaltete sich in die Diskussion ein. Bisher würden wir höchstens von angeblicher Urkundenfälschung reden. Die beiden Herren von der Polizei sollen sich doch erst einmal die vermuteten Fälschungen genauer anschauen. Der jüngere prüfte die beiden Dokumente und meinte am Ende, das seien Originale. Peter benannte den Standesbeamten und Frau Wegmann vom Jugendamt als Zeugen.

Der Polizist telefonierte mit Frau Wegmann und erklärte ihr, dass er gegen David Politovsky und Tobias Huber ermittle. Frau Wegmann erklärte ihm, dass wir seit Freitag den Familiennamen Maurer tragen, ohne dass sie wusste, warum wir verdächtigt werden. Damit war für den Polizisten klar, dass die Dokumente echt sein mussten.

Als Frau Wegmann Peter fragte, wie die Angelegenheit aus der Welt geschafft werden kann, meinte er, dass der Direktor sich bei seinen Jungs öffentlich entschuldigen und eingestehen solle, dass er sich geirrt habe. Der Direktor wurde ausfällig, erklärte dass er sich nicht bei Rotzlöffeln entschuldige und er gegen uns ein Schulausschlussverfahren einleiten werde.

Jetzt übernahm David und erzählte: „In dem Moment sind scheinbar bei Frau Wegmann die Sicherungen durchgebrannt und sie erklärte, dass mit diesen Aussagen der Direktor seine Befugnisse überschritten habe und als Gefahr für die Schüler anzusehen sei. Sie werde die Schulbehörde von der Tatsache informieren und erklärte den Polizisten, dass sie bitte ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen sollen. Das Ergebnis war, dass die Polizisten den Direktor aufforderten auf seine Sachen zu packen und erteilten ihm einen Platzverweis für das gesamte Schulgelände, bis die Sache geklärt sei. Den Rest soll euch besser Peter erzählen, er war dafür verantwortlich.“

Ich schaute meine beiden Jungs an und erzählte in Kurzform: „Erster Schritt, Stellvertretende Direktorin geht mit uns in die Klasse und erklärt, dass es sich um einen Irrtum gehandelt habe, die Vorwürfe gegen David und Tobias hätten sich in Luft aufgelöst. Zweiter Akt, auf dem Heimweg fragte ich meine Jungs ob in der Klasse wirklich keiner mitbekommen habe, was der Direktor zum unterrichtenden Lehrer gesagt habe. Beide Jungs haben mir bestätigt, dass er von Urkundenfälschung gesprochen habe. Dritter Teil, wir haben die stellvertretende Direktorin informiert, dass die Schüler mitbekommen haben, dass der Direktor von Urkundenfälschung gesprochen habe. Ergebnis, am nächsten Tag wurde die volle Wahrheit publiziert und bestätigt, dass der Direktor wegen Überschreitung seiner Befugnisse vom Schuldienst suspendiert ist.“

Heinz lachte und sagte: „Die Geschichte hätte ich euch nicht geglaubt. Aber Peter hat ja bestätigt, dass sie sich so zugetragen hat. Ich denke, für euch ist die Adoption ein wichtiger Schritt in eure Zukunft. Gerade bei David sehe ich die positive Entwicklung, die er genommen hat, seit er nicht mehr im Kinderheim lebt.“

Thomas und die Jungs verabschiedeten sich und ich saß mit Heinz und Severin im Besprechungszimmer. Heinz meinte: „Ich hätte nie gedacht, dass ein schwules Paar bei David so eine Veränderung bewirken kann. Peter kannst du mir verraten, was euer Geheimnis ist.“ Ich meinte: „Da gibt es kein Geheimnis. Wir stehen hinter den Jungs, für mich und Thomas sind sie wie unsere eigenen Kinder und so behandle ich sie auch. Wir hatten mit David am Anfang einige Schwierigkeiten, bis er kapierte, dass wir nicht gegen ihn, sondern mit ihm arbeiteten. Ab dem Zeitpunkt war alles einfacher. Man muss in erster Linie verstehen, welche Auswirkungen seine Erlebnisse auf dem Straßenstrich auf seine Gefühlsleben haben. David hat uns sogar unterstellt, dass wir ihn nur als Pflegekind aufnehmen würden, damit wir einen billigen Lustknaben haben. Heute schämt er sich dafür, dass er uns dies unterstellt hat.“

Es klopfte und Marion und Michael traten ein. Sie setzten sich und ich bat sie das Konzept zu erklären, das hinter unseren Jugendwohnungen steckt. Hauptsächlich Michael erklärte, welche Voraussetzungen notwendig sind und wie es funktioniert. Am Ende erzählte er noch von unserem Engagement bei der Arbeit mit jungen Lesben und Schwulen und unserer Gruppenarbeit sowie unserem Elternstammtisch für betroffene Angehörige.

Severin und Heinz hatten sich alles angehört und Severin meinte: „Das Konzept in dieser Form kann nur bei euch funktionieren, da ihr hier am Gutshof alle Voraussetzungen mitbringt, um alle Belange abzudecken. Woanders wäre es nicht so einfach, das umzusetzen.“ Heinz hingegen äußerte eine Vermutung: „Ich kann mir schon vorstellen, dass mit einigen Anpassungen das Konzept an jedem beliebigen Ort umsetzbar wäre, man muss sich nur vorher überlegen, wie euer Konzept anzupassen ist.“

Ich lachte und erklärte: „Es gibt ein paar einfache Veränderungen, mit denen du das Konzept anpassen kannst und damit woanders einsetzbar ist.“ Punkt eins wäre, der Wohnkomplex muss so groß oder so klein sein, dass der Einsatz eines Sozialarbeiters vor Ort gerechtfertigt ist. Dazu kommt das eine Dienstwohnung für den Mitarbeiter vorhanden sein sollte.

Punkt zwei erfordert neben den Gemeinschaftsräumen eine eigene Küche, in der zumindest für die Minderjährigen gekocht werden kann. Bei diesem Punkt stelle ich mir vor, dass eine Küchenhilfe, gemeinsam mit den Jugendlichen das Essen zubereitet. Das hätte den Vorteil, dass die Jungs und Mädchen lernen, wie man sich selbst versorgen kann.

Punkt drei ist die wichtigste Voraussetzung. Du brauchst einen Investor, der das Gebäude errichtet und sich im Klaren darüber ist, dass er mit diesem Objekt keine großen Gewinne erwirtschaften kann.

Der vierte und letzte Punkt, du brauchst einen Sponsor oder eine Stiftung, damit das Projekt im laufenden Betrieb notfalls finanziell unterstützt wird.

Bei Punkt zwei kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Küchenhilfe durch Ehrenamtliche ersetzt wird und den Minderjährigen gestattet wird, sich ganz oder teilweise bereits selbst zu versorgen.

Severin und Heinz, aber auch Marion und Michael schauten mich an, bis Michael erklärte: „So weit sind wir bei unseren Überlegungen mit dem Jugendamt bisher nicht gekommen. Wenn ich es mir so überlege, kann ich mir durchaus vorstellen, dass genau mit diesen Voraussetzungen das Konzept überall durchführbar ist.“

Heinz erklärte: „Ich sehe schon, Peter hat sich bereits intensiv damit beschäftigt, das Konzept alltagstauglich weiterzuentwickeln. Mit diesen Voraussetzungen wäre es machbar, das Konzept flächendeckend einzusetzen.“

Ich lachte und meinte: „Wir hatten in Rosenheim eine Wohnanlage genau nach diesem Konzept geplant. Die ist aber wegen den Einsprüchen der Nachbarn vorerst auf Eis gelegt. Deshalb haben wir sie leicht abgewandelt auf dem Gelände des Gutshofes verwirklicht. Die Wohnanlage in Rosenheim wird derzeit umgeplant in Mietwohnungen, die zukünftig als Sozialwohnungen angeboten werden.“

Nach kurzer Pause ergänzte ich: „Der einzige Haken bei der Sache ist, dass ich, beziehungsweise die Stiftung, alles ohne Fremdmittel finanziert und wir deswegen nur eingeschränkt über entsprechende Gelder verfügen. Ich kann mir jedoch sehr gut vorstellen, dass etwa ein bis zwei Projekte pro Jahr errichtet werden können.“

Heinz meinte noch: „Ich werde mit dem Leiter des Münchner Jugendamts über euer Konzept sprechen, vielleicht lässt sich ein solches Projekt in München realisieren.“

Marion und Michael verabschiedeten sich, wobei Marion noch anmerkte, dass wir uns später auf der Weihnachtsfeier wiedersehen werden.

Es klopfte, und Florian betrat das Besprechungszimmer. Ich stellte ihn Heinz und Severin kurz als unseren Ausbildungsbeauftragten vor, der zukünftig alle Auszubildenden des Unternehmens betreuen wird. Hinterlistig, wie ich einfach manchmal bin, bat ich Florian aus seiner Sicht, Heinz und Severin seine Arbeit und unser Konzept für den Auswahl-Event zu schildern.

Florian und Heinz schauten mich verwundert an. Florian jedoch fing schnell mit seinen Erklärungen an: „Die Aufgaben des Ausbildungsbeauftragten sind breit gefächert. Er ist grundsätzlich für alle Probleme und Sorgen der Auszubildenden zuständig. Bei uns kommt hinzu, dass ich bei bisherigen Kinderheimbewohnern, eng mit den beiden Sozialpädagogen und dem Jugendamt zusammenarbeiten muss. Das warum klärt sich später, wenn wir zum Bewerberauswahl-Event kommen. Ansonsten sind es hauptsächlich die normalen Aufgaben, die in jeder Personalabteilung anfallen, wie Abrechnung der Ausbildungsvergütungen, Anmeldung in der Berufsschule, Registrierung der Ausbildungsverträge entweder bei der Handelskammer oder den jeweiligen Innungen. Mit den Neueinstellungen und dem aktuellen Bestand werden ab September nächsten Jahres rund fünfzig Auszubildende von mir betreut. Abgezogen habe ich bereits diejenigen, die bis zum Sommer ihre Ausbildung abschließen werden. Gibt es dazu Fragen von eurer Seite?“

Da weder Heinz noch Severin bisher eine Rückfrage hatten, sagte er: „Damit kommen wir direkt zu unserem Einstellungs-Event. Wir haben in den letzten Monaten, fünfzehn Bewerbungen erhalten, von Jugendlichen aus drei Kinderheimen in Thüringen und Hessen.“

Severin unterbrach ihn und wollte wissen, wie diese Flut an Bewerbungen zustande gekommen sei, da sie ihm außergewöhnlich hoch erschien.

Florian erklärte: „Peter hat mir erklärt, dass in den Sommermonaten, beim Zeltlager für die Kinder und Jugendlichen den älteren Jugendlichen die Möglichkeit geboten wurde, während ihres Aufenthaltes verschiedene Ausbildungsberufe, die das Unternehmen anbietet, kennenzulernen.

Hinzu kommt, dass einer der Jugendlichen während seines Aufenthalts einen Ausbildungsvertrag für eine Stelle bei der Gärtnerei Winter, die ebenfalls zum Gutshof gehört, unterschreiben konnte. Er hatte sich vorher vergeblich in Thüringen um einen Ausbildungsplatz bemüht. Richard ist bisher der einzige Auszubildende, bei dem ich bereits mit den Sozialarbeitern und dem Jugendamt zusammenarbeite.“

Ich unterbrach und gab dazu zusätzliche Informationen: „Richard wohnt bereits hier im Gutshof. Er ist derzeit, mit Zustimmung des Jugendamtes, im Gästezimmer der WG unserer Mitarbeiter im Gartenbau und in der Landwirtschaft untergebracht. Er wird im Sommer als einer der ersten ins betreute Wohnen umziehen.“

Danach forderte ich Florian auf weiterzumachen: „Wir vermuten, dass dies einige der Jugendlichen veranlasst hat, sich bei uns zu bewerben.“ Nach kurzer Pause erklärte er: „Die Idee,einen Event für die Bewerber zu veranstalten stammt von Peter, der von Richard den Tipp bekam, alle Jugendlichen aus einem Kinderheim gemeinsam zu den Bewerbungsgesprächen einzuladen, da dies für euch als Betreuer der Jugendlichen einfacher zu handhaben sei.

Für den ersten Event haben wir folgenden Ablauf erarbeitet:

Ankunft aller Bewerber, egal ob aus der Nähe oder von weiter weg, ist am siebenundzwanzigsten Dezember. Nach dem gemeinsamen Abendessen gibt es eine erste Informationsveranstaltung. Es wird berichtet, welche Ausbildungsplätze angeboten werden und in welchen Teilbereichen des Unternehmens die Ausbildungen stattfinden. Dabei erhält jeder die Möglichkeit, sich zu überlegen, ob er bei seiner bisherigen Bewerbung bleiben will oder möglicherweise doch eine andere Ausbildung anstreben will. Gleichzeitig kann er Wünsche äußern, wo er ausgebildet werden will.

Ein Beispiel dazu bei den kaufmännischen Berufen: Fast alle Bewerbungen sind an die J. Graf GmbH gerichtet, die selbst nur zwei Auszubildende zum Bürokaufmann benötigt. Es gibt allerdings auch weitere Ausbildungsplätze zum Bürokaufmann bei der Stiftung, bei den Handwerkern und bei der Ludwig Bauer GmbH. Alternativ bieten wir zwei Ausbildungsplätze zum Hotelkaufmann, zwei Ausbildungsplätze zum Datenverarbeitungskaufmann, einen zum Buchhalter und einen im Personalwesen an.

In den nächsten drei Tagen werden am Vormittag die Einzelgespräche mit den Bewerbern und Bewerberinnen geführt. Für nachmittags sind Ausflüge eingeplant, die das ganze auflockern sollen. Am Silvestertag wird am Nachmittag verkündet, wer einen Ausbildungsplatz bekommt. Abends gibt es noch die gemeinsame Silvesterfeier mit allen aktuellen Auszubildenden, die dazu ebenfalls eingeladen wurden. Peter meinte, damit hätten sowohl die zukünftigen Auszubildenden als auch die vorhandenen Auszubildenden bereits die Möglichkeit einander kennenzulernen.

An Neujahr werden wir mit den Jugendlichen ein Konsolen-Turnier mit unseren Rennsimulationen veranstalten und den Sieger ermitteln. Ich werde an diesem Tag die Unterlagen, wie Ausbildungsverträge vorbereiten, so dass die Jugendlichen am zweiten Januar bei der Abreise diese Unterlagen mit nach Hause nehmen können.

Ich habe noch etwas vergessen, alle Auszubildenden aus Kinderheimen die wir einstellen, werden am Silvesternachmittag ihre zukünftige Betreuerin beim Rosenheimer Jugendamt kennenlernen und erfahren, wer ihre beiden Ansprechpartner vor Ort sind.“

Ich hatte Heinz und Severin während des Vortrags ständig beobachtet und festgestellt, dass sie an manchen Stellen doch etwas überrascht wirkten. Deshalb fragte ich sie, ob sie noch Fragen dazu hätten. Heinz und Severin schauten sich an. Heinz meinte, Fragen dazu gäbe es es von ihrer Seite nicht.

Ich fragte Florian, ob er uns noch eine Kanne Kaffee kochen oder bei Sebastian organisieren könne, denn die Kaffeekanne wäre leider leer. Er meinte, ich werde in unserer Kaffeeküche eine Kanne aufbrühen.

Als Florian den Raum verlassen hatte, sagte ich zu Heinz: „Ich sehe, dass du eine Frage hast, die du nicht im Beisein von Florian stellen wolltest.“

Er schaute mich an und meinte: „Bin ich, nach so kurzer Zeit, für dich so leicht zu durchschauen, dass du das bemerkt hast?“

Da ich nur nickte erklärte er: „Okay, ich will von dir wissen, warum du deinen beiden Jungs, Marion und Michael, aber auch Florian die Möglichkeit gegeben hast, aus ihrer Sicht zu berichten?“

Ich nickte und sagte: „Eigentlich ganz einfach. Ich gebe meinen Mitarbeitern damit die Chance, das Konzept oder Projekt zu erklären. Für mich bringt es wichtige Erkenntnisse, da ich damit feststellen kann, ob sie alles richtig verstanden haben. Gerade Michael und Florian haben mir heute wieder gezeigt, dass mein persönliches Konzept, vor allem auf die jüngere Generation zu setzen und damit den langfristigen Fortbestand des Unternehmens zu sichern, eine richtige Entscheidung war. Das Prinzip funktioniert seit zweieinhalb Jahren hervorragend und damit hat es sich für mich auch bewährt. Zum anderen fördert es das Selbstvertrauen der einzelnen Mitarbeiter und sie trauen sich eigenständig Entscheidungen zu treffen, ohne mich ständig zu fragen. Bemerke ich, dass etwas in die Schieflage gerät, greife ich ein, ohne gleich die Keule zu schwingen. Normalerweise versuche ich in einem Gespräch gemeinsam eine Lösung für das Problem zu erarbeiten.“

„Bei meinen beiden Jungs ging es mir in erster Linie darum ihr Selbstvertrauen zu stärken, aber auch um die Frage, wie weit sie die Sache aus ihrer Sicht erklären. Übrigens, gehe ich davon aus, dass Florian ahnt, warum ich ihn zu Kaffee kochen geschickt habe. Wenn er mich danach fragen sollte, werde ich ihm auch erklären warum.“

Heinz schaute mich an und meinte: „Jetzt ist mir klar geworden, warum sich die beiden Jungs in so kurzer Zeit derartig positiv verändert haben. Du hast mit einfachen Mitteln ihr Selbstvertrauen und ihr Selbstwertgefühl nach oben gepusht. Ich sehe schon, dass sogar ich noch von dir lernen kann. Vermute ich jetzt richtig, du hast sogar Severin mit seinem Problem mit den Weihnachtspäckchen in einem Gespräch in die richtige Ecke geschoben?“

Ich lachte und meinte: „So kann man das auch sehen, wenn man will. Im Grunde genommen habe ich ihm nur eine Möglichkeit aufgezeigt, wie sein Problem gelöst werden kann.“

Severin grinste und erzählte: „Peter hat das nicht nur bei mir, sondern bei unserer Meute geschafft sie zu manipulieren. Er hatte mitbekommen, dass sich einige von unseren Kids auf dem Weihnachtsmarkt von der Gruppe entfernen wollten. Über Armin ließ er ihnen erklären, dass es kein Problem wäre, wenn dem so sei, sie jedoch dann bitte pünktlich wieder beim Bus sein sollten. Außerdem würden sie in diesem Fall auf den Kinderpunsch verzichten müssen, den Peter ausgeben will; an diejenigen, die bei der Gruppe bleiben. Du wirst es nicht glauben. Kein Einziger hat sich während des Besuchs von der Gruppe entfernt. Davon war sogar ich überrascht.“

Heinz lachte und meinte: „Peter, du solltest bei uns im Kinderheim arbeiten. Bisher hat es noch kein Mitarbeiter geschafft, was dir scheinbar mühelos gelungen ist.“

Es klopfte, und Florian kam wieder ins Büro mit einer Kanne Kaffee. Ich schenkte mir einen Kaffee ein, und forderte Heinz und Severin auf, uns aus ihrer Sicht zu erklären, was wir beim Einstellungs-Event verbessern könnten.

Heinz lachte erneut und sagte: „Ich wüsste nicht, was es da zu verbessern gäbe. Ich finde euer Vorgehen sogar sehr gut, weil es beiden Seiten die Möglichkeit gibt sich besser kennenzulernen. Vor allem sehe ich die große Chance, dass ihr Auszubildende bekommt, die auch langfristig bei euch bleiben.

Mit der Vorgehensweise schafft ihr bei den Heimkindern eine Vertrauensbasis, die ihnen zeigt, dass sie nicht vollständig auf sich allein gestellt sind, wenn sie in einen neuen Lebensabschnitt wechseln, der zusätzlich mit einem Ortswechsel verbunden ist. Ich glaube, gerade diese Gruppe profitiert am meisten von eurem Vorgehen, da sie auch die zukünftigen Bezugspersonen und Ansprechpartner im Vorfeld persönlich kennenlernen.“

Nachdem Heinz geendet hatte, schaute ich Severin an, der schließlich erklärte: „Was soll ich schon sagen Wichtigste hat euch Heinz schon erklärt. Mich erinnert das Ganze an deine Aktion von gestern Abend, unseren beiden Bewerbern für ihr Bewerbungsschreiben und den Lebenslauf einen Helfer an die Seite zu stellen. Hast du die Unterlagen bereits erhalten?“

Ich erklärte, dass ich die Unterlagen bisher nicht gesehen habe. Florian meinte, die unterschriebenen Originale lägen in meinem Büro. Die Jungs haben nur Kopien mitgenommen. Soll ich die Unterlagen kurz holen? Ich nickte nur und Florian ging sofort los.

Ich fragte, was ist an den Bewerbungsschreiben und den Lebensläufen so Besonderes? Severin meinte: „Das wirst du sofort sehen, wenn sie dir vorliegen.“ Heinz meinte, dass er sie dann natürlich auch sehen wolle.

Als Florian wieder ins Besprechungszimmer kam, bat ich ihn, eine Bewerbungsmappe Heinz zu geben. Bevor er die Unterlagen anschaute, schnappte er sich sein Smartphone und telefonierte mit seiner Frau. Er erklärte ihr, wenn du zu uns ins Gutshaus kommst, bringst du mir bitte das Kuvert mit den Zeugnissen von Adrian und Patrick mit. Am besten du kommst gleich und bringst die Weihnachtspakete für unsere Jungs mit, Peter hat sicher eine Möglichkeit, die im großen Saal zu deponieren.

Als er geendet hatte, sah er sich die Bewerbungsunterlagen an. Er meinte: „Wenn ich solche Bewerbungsunterlagen bekommen würde, stelle ich die Leute notfalls auch ohne Vorstellungsgespräch ein. Solche Unterlagen erhalte ich sehr selten. Florian, inwieweit hast du oder dein Kollege mitgeholfen bei der Erstellung der Unterlagen?

Ich habe Patrick im Grund genommen nur technische Hilfe geleistet im Umgang mit dem Computer und bei Word. Ich habe ihm erklärt, wie er in Word Vorlagen findet für ein Bewerbungsschreiben und für den Lebenslauf und habe beim Ausdruck den richtigen Drucker angesteuert. Inhaltlich stammt alles von Patrick, da habe ich mich nicht eingemischt. Ich denke, dass es bei Bernhard ähnlich war.“

Heinz und ich hatten inzwischen die Bewerbungen getauscht, so dass Heinz sagte: „Beide haben unterschiedliche Vorlagen verwendet, die Bewerbungsschreiben sind inhaltlich voneinander abweichend, für mich kreative und perfekte Bewerbungsunterlagen.“

Es klopfte und Birgit Gebauer trat ein. Sie überreichte ihrem Mann das gewünschte Kuvert und sagte: „Ich komme ohne Schlüssel nicht ins Restaurant und in den großen Saal um die beiden Pakete loszuwerden.“

Ich meinte zu Florian, er solle doch versuchen mit seinem Chip die Tür zum Restaurant zu öffnen. Sollte es nicht funktionieren, solle er zurückkommen und meinen Chip mitnehmen.

Gut fünf Minuten später kamen sie zurück und meinten, die Pakete seien im Saal untergebracht.

Ich hatte mir zwischenzeitlich die beiden Zeugnisse angeschaut und meinte zu Florian, dass er die Unterlagen, samt Zeugnissen, bitte wieder in seinem Büro einsperren möge und er dann entlassen sei, da wir jetzt nur noch über die Stiftung sprechen wollen.

Er fragte, ob es möglich wäre, dass er mithören dürfe, da er über die Arbeit und die Aufgaben der Stiftung noch nicht so gut informiert sei. Ich meinte, meinetwegen könne er gerne zuhören, wenn er dazulernen will.

Während Florian die Unterlagen weg brachte, erklärte Birgit: „Heinz du wirst es nicht für möglich halten, unsere Jungs sind freiwillig mit den Kids zum Waldspaziergang aufgebrochen. Veronika hat zu mir noch gesagt, sie versteht die Welt nicht mehr, keines ihrer Kinder wollte im Hotel bleiben, alle sind mit zum Waldspaziergang.“

Heinz und Severin lachten, bis Heinz zu seiner Frau sagte: „Der Rattenfänger von Rosenheim hat wieder zugeschlagen. Seit gestern sind unsere Kids wie ausgewechselt. Severin hat vorher erzählt, dass sie gestern noch zum Weihnachtsmarkt in Rosenheim gefahren sind. Bei der Abfahrt hat Peter den Kids ausrichten lassen, dass sie nicht unbedingt in der Gruppe mitlaufen müssen, sie sollten nur rechtzeitig zur Rückfahrt beim Bus sein.

Armin hat ihnen noch erklärt, dass sie dann aber nicht traurig sein sollten, wenn ihnen von Peter kein Kinderpunsch ausgeben wird. Gleiches Ergebnis wie heute, keiner ist aus der Reihe getanzt.“

Jetzt musste auch Birgit lachen. Florian, der den letzten Satz noch mitbekommen hatte erklärte: „Ganz einfach, Gruppendynamik und Neidfaktor sind die Ursache für dieses Verhalten. ich kenne das von meinen eigenen Geschwistern.“

Jetzt lachten alle und ich meinte, mehr müsse dazu nicht gesagt werde. Birgit sagte mir später, während der Weihnachtsfeier, Florian hat es mit seinem Ausspruch auf den Punkt genau getroffen, sie sieht das ähnlich.

Die nächsten fünfundvierzig Minuten erzählte ich über die Anfänge unserer Stiftung für benachteiligte Kinder und Jugendliche, unsere beiden großen Erbschaften, das große Zeltlager, im Grunde genommen alles, was mit der Stiftung zusammenhängt. Am Rande streifte ich auch die Entwicklung, die das Unternehmen Gutshof dabei gemacht hatte.

Ich erzählte ihnen, dass wir seit drei Monaten ein weiteres Objekt an der Ostsee besitzen, dass in den nächsten achtzehn Monaten zum nächsten Jugendhotel umgebaut wird. Wir hoffen, dass wir im übernächsten Jahr zu Ferienbeginn den Betrieb dort wieder aufnehmen können.

In diesem Zusammenhang, erklärte ich, dass wir voraussichtlich Mitte nächsten Jahres alle im Ostsee-Hotel zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Auszubildenden für die Zeit des Umbaus nach Rosenheim holen werden und hier ihre Ausbildung weiterlaufen wird. Die restlichen Mitarbeiter werden nacheinander immer wieder für vier Wochen, sowohl in Österreich, aber auch hier mitarbeiten.

Am Ende meinte er: „Ich kann in deinen Augen erkennen, dass du den Schritt, die jüngere Generation in die Verantwortung zu nehmen, bis heute nicht eine Minute bereut hast. Was ihr in so kurzer Zeit mit eurer Stiftung erreicht habt, ist der absolute Wahnsinn. Gut, die zwei größeren Erbschaften haben euch in euren Bemühungen gewaltig unterstützt.

Deine Entscheidung die Auszubildenden während des Umbaus an der Ostsee nach Rosenheim umzusetzen, zeigt ganz klar, dass bei euch Mitarbeiter geschätzt sind.“

Ich versuchte zu erklären: „Wir hätten auch versuchen können, die Auszubildenden bei anderen gastronomischen Betrieben an der Ostsee unterzubringen, was auch eine mögliche Lösung gewesen wäre. Im Ergebnis wären die Auszubildenden aber weg gewesen und nach dem Umbau nicht mehr zurückgekommen. Da wir sie jedoch langfristig benötigen, erschien mir mein gewähltes Vorgehen die bessere Lösung zu sein. Im nächsten Jahr wird es dort keine neuen Auszubildenden geben, mit der Wiedereröffnung wird weiter ausgebildet. Die beiden Handelskammern haben dafür grünes Licht gegeben, nur ihre Zwischen- und Abschluss-Prüfung müssen vor Ort, also an der Ostsee, erfolgen.“

Heinz meinte: „Wir sollten so langsam wieder ins Gesindehaus gehen, die Kids werden von ihrem Waldspaziergang inzwischen wieder zurück sein. Außerdem müssen wir uns noch Umziehen für den Besuch im Restaurant.“

Ich lachte und fragte ihn, was er den gedenkt, anzuziehen, wenn er mit seiner Meute ins Restaurant zum Essen gehen wird. „Vor allem würde mich interessieren, hast du auch die passende Bekleidung für alle Kids mitgebracht? Oder soll das bedeuten, dass du dich optisch den Kindern und Jugendlichen anpasst.“

Jetzt musste Heinz auch lachen und erklärte: „Okay, ich meinte eigentlich, dass wir uns noch kurz frisch machen sollten, bevor wir zum Essen gehen. Aber, wie du darauf reagiert hast, fand ich richtig lustig. Ich habe mir eben bildlich vorgestellt, dass ich mich optisch den Kindern anpassen würde.“

Ich räumte mit Florian noch kurz im Besprechungszimmer auf. Das schmutzige Geschirr und die Kannen stellten wir in die Teeküche, während Severin, Heinz und seine Gattin bereits voraus ins Gesindehaus gingen.

Florian meinte zu mir: „Mit deinem Vortrag zur Stiftung und die Entwicklung des Unternehmens in den letzten zweieinhalb Jahren habe ich einiges Neues erfahren. Wenn ich mir so überlege, als ich meine Ausbildung bei der J. Graf GmbH begonnen habe, hattest du gerade angefangen, die Geschicke des Unternehmens zu leiten. Nach gut einem Jahr erfolgte die Übernahme der J. Graf GmbH und kurz darauf die Übernahme der G. Bauer GmbH durch den Gutshof und die gleichzeitige Gründung der deutschen Stiftung.“

Ich schaute ihn an und erklärte: „Weil wir gerade von der Stiftung reden. ich habe doch vorher vom Hotel an der Ostsee gesprochen und den Auszubildenden, die bei uns während des Umbaus weiter ausgebildet werden. Ich habe bisher versäumt, dir zu sagen, dass auch die Auszubildenden des Hotels ab nächstem Jahr ebenfalls von dir betreut werden, auch im Hinblick darauf, dass sie in wenigen Monaten, für längere Zeit hier am Gutshof sein werden.“

Inzwischen war es bereits sechzehnuhrfünfzehn und wir beeilten uns nun ebenfalls ins Gesindehaus zu kommen. Die Kids saßen noch im Speisesaal und tranken ihren Kinderpunsch. Das Erste, was ich von den Kids erfuhr, war die Feststellung, dass der Kinderpunsch noch besser schmecke als der vom Weihnachtsmarkt. Jonas und Tim saßen mit einigen Kids an einem Tisch, die sie immer noch mit ihren Fragen löcherten.

Veronika, die Betreuerin, kam zu mir sagte: „Dein Angebot an unsere Kids, einen Waldspaziergang mit Jonas und Tim zu unternehmen, hat die Meute nicht unbedingt in Jubelstürme ausbrechen lassen. trotzdem sind alle mitgegangen. Als wir nach fast eineinhalb Stunden hier wieder angekommen sind, waren die meisten verwundert, dass der Ausflug schon zu Ende war. Er hätte ruhig länger dauern können, meinten einige, da die beiden Jungs das Ganze so abwechslungsreich und spannend gestaltet hatten.“

Da wir um viertel vor fünf ins Restaurant wollten, verschwanden die Kids so nach und nach in ihre Zimmer. Jonas und Tim kamen zu mir und Jonas, mein Neffe, meinte: „Wir waren nicht gerade begeistert, als du uns kurzfristig den Waldspaziergang mit den Heimkindern aufs Auge gedrückt hast. Im Nachhinein betrachtet sind wir dir dankbar, dass du uns diese Aufgabe gegeben hast. Es hat riesigen Spaß mit den Kids gemacht und wir merkten sehr schnell, dass sie sehr wissbegierig sind. Übrigens, Tim und ich haben mit unserem Gruppenleiter der Forstarbeiter gesprochen, wir würden gerne für das nächstes Jahr noch einen oder zwei Auszubildenden zum Forstwirt einstellen.“

Ich winkte Florian zu mir und sagte ihm, dass die beiden Jungs für nächstes Jahr zusätzlich noch einen oder zwei Auszubildende zum Forstwirt suchen würden. Er meinte, schickt mir schnellstens die Unterlagen, die ich brauche, dann kommt eine Stellenanzeige ins Netz. Tim meinte, nicht unbedingt nötig, einer der Jungs, der bei der Waldwanderung dabei war meinte, dass ihm das Berufsbild gefallen würde und er mit seinem Betreuer wegen der Bewerbung sprechen will. Florian erklärte, dass er die Informationen trotzdem brauchen würde.

Ich schaute Jonas und Tim an und erklärte ihnen: „Ich habe gleich wieder eine Aufgabe für euch. Ihr sprecht nachher kurz mit dem Jungen und bietet ihm an, morgen Vormittag gemeinsam mit ihm das Bewerbungsschreiben und den Lebenslauf zu erstellen. Die Unterlagen gehen unverzüglich an Florian und wir nehmen ihn noch kurzfristig in den Vorstellungs-Event mit auf.“

Die beiden nickten nur und machten sich sofort auf die Suche nach dem Bewerber. Florian grinste und meinte, jetzt erleiden die Beiden das gleiche Schicksal wie Bernhard und ich.

Nachdem sie ihn gefunden hatten, kamen sie mit ihm zu mir und erklärten, dass sie sich mit ihm für morgen um zehn Uhr im Verwaltergebäude verabredet haben, um die Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Er stellte sich mir als Alexander Pointner vor und meinte: „Danke, dass ich noch eine Chance bekomme, mich bei euch als Auszubildender zum Forstwirt zu bewerben. Ich habe erst heute beim Waldspaziergang festgestellt, dass mir der von Tim beschriebene Ausbildungsberuf Forstwirt gut gefallen würde. Als ich ihn fragte, ob ihr auch ausbildet, hat er gemeint, eigentlich schon, das Unternehmen habe nur jahrelang keine Bewerbungen erhalten. Severin weiß bereits, dass ich mich auch noch bei euch beworben will und besorgt meine Schulzeugnisse.“

Pünktlich hatten sich alle im Eingangsbereich des Jugendhotels versammelt und wir gingen gemeinsam ins Restaurant im Gutshaus. Alexandra erwartete uns bereits und erklärte: Wir haben im Restaurant fast nur Tische für jeweils vier Gäste, die drei Tische mit dem Reserviert Schild sind für eure Betreuer, für Familie Gebauer und für Peter und Thomas mit ihren beiden Jungs vorgesehen.“

Während Dennis und seine Kollegin Tina fleißig die Getränke-Bestellungen aufnahmen, wurde an der Theke bereits die ersten Gläser gefüllt und auf kleine Serviertabletts gestellt. Ein weiterer Auszubildender im zweiten Ausbildungsjahr, Leon, fing an, die Getränke an die Tische zu bringen.

Als Tina und Dennis alle Getränkebestellungen aufgenommen hatte ging Tina zur Theke, um weitere Getränke zu verteilen, während Dennis abfragte, wer welche Suppe haben möchte. Als Dennis neben mir stand, fragte ich ihn, wieso sie Bier und Weizenbier an die größeren Jugendlichen ausschenken, er soll doch bitte an die Jugendschutzbestimmungen denken.

Dennis lachte und erklärte, es gibt keinen Part im Jugendschutzgesetz, der uns verbietet Jugendlichen unter sechzehn alkoholfreies Bier auszuschenken. Unsere interne Anweisung lautet nur, dass wir darauf achten, dass nicht zu viel konsumiert wird. Ich habe einen der Betreuer gefragt, und der erklärte mir, dass gegen ein oder zwei alkoholfreie Biere bei den Größeren nichts einzuwenden sei.

Bereits wenige Minuten nach meinem Gespräch mit Dennis, kam Leon mit einem größeren Servierwagen aus der Küche. Zu fünft verteilten sie die Suppen an die Gäste und wünschten einen guten Appetit. Ich hörte von einem der Nebentische, an dem die Kids saßen, dass sie noch nie eine Suppe gegessen haben, die in einem Suppentöpfchen auf den Tisch gekommen ist, so etwas gibt es im Kinderheim nicht. Ich grinste und meinte zu Thomas: „Wird nicht die letzte Überraschung für die Heimkinder sein, die sie in den nächsten beiden Wochen noch erleben werden.“

Zumindest die Geräuschkulisse war während des Essens erheblich niedriger als vorher und damit auch etwas angenehmer. Langsam, aber sicher, wurde es wieder etwas lauter, so dass die Servicemitarbeiter anfingen, die leeren Suppentöpfchen abzuräumen. Sie schoben den Servierwagen wieder in die Küche und nach wenigen Minuten kamen sie mit einem weiteren Servierwagen zurück und verteilten die ersten Essen an die Heimkinder.

Kurze Zeit später folgte der zweite Servierwagen mit weiteren Portionen. Mit dem dritten Wagen brachten sie dann auch das Essen für uns Erwachsene mit, dass sich leicht von dem der Kinder unterschied. Die Kinder hatten ein buntes Herbstgemüse auf ihren Tellern, während den Erwachsenen Rosenkohl serviert wurde. Dazu hatten alle eine Portion gegrillte Rosmarinkartoffeln auf dem Teller und gegrillte Schweinefiletstücke mit einer leckeren Soße.

Während wir beim Beißen und Kauen waren, wurde auf einem längeren Tisch bereits das Nachspeisenbüffet aufgebaut. Kurz nach achtzehnuhrdreißig kam Sebastian in die Gaststube und erklärte, dass das Nachspeisenbüffet eröffnet sei und alle sich bedienen können. Er meinte noch: „Keine Sorge, wir haben noch Nachschub in der Küche, es hat nur nicht alles Platz auf dem Tisch des Büffets.“

Gegen neunzehn Uhr bat ich Alexandra um das Mikrophon und bat um Ruhe, da ich etwas zu verkünden hätte. Als es etwas ruhiger wurde sagte ich: „Ich kann euch jetzt noch eine große Überraschung ankündigen. Wer neugierig ist, der folgt mir in den großen Saal. Aber auch diejenigen, die nicht neugierig sind, sollten sich uns anschließen.“

Alexandra kam zu mir und erklärte mir, dass im Saal momentan nur der Christbaum eingeschränkt leuchten würde, mit der Fernbedienung könne ich so nach und nach die einzelnen Spots einschalten und die Pakete der Kinder so nach und nach ins rechte Licht rücken. Wenn du noch einen kleinen Moment wartest, schalte ich noch die Weihnachtsmusik ein, dann kannst du die Türen öffnen.

Nachdem ich im Saal weihnachtliche Klänge hörte, öffnete ich die beiden Türen und ging voraus in den Raum. Doch nur so weit, dass der Rest ebenfalls im Saal Platz hatte. Ich drückte den Knopf der Fernbedienung und der erste Spot leuchtete auf. Im Abstand von etwa zehn Sekunden schalteten sich weitere Spots ein und jedes Mal wurden weitere Pakete der Kinder sichtbar, bis am Ende alle Pakete beleuchtet waren. Als letztes strahlte der Weihnachtsbaum im vollen Lichterglanz.

Ich beobachtete, während ein Spot nach dem anderen aufleuchtete die Kids und konnte feststellen, dass ihr Augen zu leuchten anfingen, als die Pakete sichtbar wurden. Ich erklärte ihnen: „Euer Heimleiter hat heute eure Weihnachtspakete mitgebracht. Ihr braucht also nicht erst bis auf eure Rückkehr nach München warten, bis ihr eure Weihnachtsgeschenke bekommt. Keine Hektik, jeder wird sein Päckchen finden, wer sein Geschenk gefunden hat, geht anschließend zu Tobias und David, dort gibt es für jeden ein weiteres kleines Päckchen, dass ihr von der Stiftung bekommt.“

Am Ende standen noch zwei Pakete im Scheinwerferlicht, so dass ich meinte: Wir haben hier noch zwei Pakete, könnten Jason und Ronald kurz einen Blick darauf werfen und prüfen, ob die Pakete ihnen gehören könnten? Die beiden Jungs kamen aus dem Gastraum und näherten sich den Paketen. Ronald meinte: „Das gehört scheinbar meinem Bruder, da auf dem Paket Jason Gebauer steht.“

Birgit und Heinz, die ihren beiden Söhnen gefolgt waren, blieben neben mir stehen und beobachteten die Zwei. Heinz meinte flüsternd zu mir: „Jetzt bin ich auf die Reaktion meiner beiden Söhne gespannt. Jason und Ronald hatten keine Ahnung davon, dass ich ihre Weihnachtsgeschenke im Kofferraum versteckt hatte. Sie waren sicherlich der Meinung, dass sie ihre Geschenke erst morgen erhalten würden, wenn wir wieder zuhause sind.“

Es dauerte auch nicht lange, bis die beiden Jungs vor uns standen und Jason erklärte: „Wo kommen jetzt eigentlich die beiden Pakete für uns her? Beim Hereinbringen der Pakete für eure Kids waren sie jedenfalls nicht mit dabei, das würden wir wissen. Immerhin haben wir die Pakete ursprünglich um den Baum verteilt. Die beiden Pakete wären uns sicher aufgefallen, da sie völlig anders verpackt sind als die für eure Kids.“

Heinz grinste und erklärte frech: „Vielleicht hat das Christkind gewusst, dass ihr heute nicht zuhause seid, und hat eure Pakete deshalb hier angeliefert. Ich habe keine Ahnung wie die Pakete in den Saal gekommen sind, ich habe sie jedenfalls nicht dort abgestellt.“

Ronald meinte: „Komm Alter, erkläre uns nicht für komplett verblödet. Du oder Mama, einer von euch Beiden muss wissen, wie die Pakete hier unterm Baum gelandet sind.“

Ich schaute die Zwei an und meinte: „Ronald, wie du soeben selbst erklärt hast, sind eure Pakete hier gelandet. Vielleicht hat sie der Weihnachtsmann mit seinem Renntierschlitten hier landen lassen, damit ihr nicht bis morgen zu warten braucht?“

Birgit kicherte und die beiden Jungs schauten sie an, bis sie sagte: „Peter, der Spruch war gut, den muss ich mir merken. Zuhause landen diverse Kleidungsstücke der Jungs auch immer irgendwo im Haus, aber nicht in der Schmutzwäsche. Jetzt kenne ich endlich den Übeltäter, der die Schmutzwäsche immer im ganzen Haus verteilt.“

Heinz schaute seine Jungs an und erklärte, „Selbst schuld, Peter hat euch mit seinem Spruch nur angezählt und Mama hat euch mit ihrer Dreingabe den Knock-out verpasst. Vielleicht solltet ihr bei euren Sprüchen daran denken, dass der Schuss gelegentlich nach hinten losgehen kann, so wie in diesem Fall.“

Zumindest die finstere Miene der Beiden hatte sich verzogen, kleinlaut meinte Ronald: „Gegen euch Erwachsene haben wir doch überhaupt keine Chance. Ich habe zumindest den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden, dass wir unsere Klamotten nicht einfach irgendwo hinwerfen sollen.“

Heinz meinte: „Jetzt öffnet schon eure Pakete. Ich will wenigstens wissen, ob es wirklich eure Pakete sind. Nicht, dass aus Versehen Päckchen mit falscher Beschriftung hier gelandet sind.“

Ich erklärte über Mikrofon: „Ich denke wir sollten so langsam zurück ins Gesindehaus gehen, damit unsere Mitarbeiter ebenfalls nach Hause zu ihren Familien kommen. Übrigens, Sebastian hat mir vorher erzählt, dass dort noch ein großer Bottich mit Kinderpunsch auf euch wartet.“

Wenige Minuten später standen alle im Speisesaal im Gesindehaus, wo uns bereits die am Gutshof wohnenden Familien mit ihren Kindern erwarteten. Aber nicht nur sie, sämtliche Bewohner des Gutshofes, mit Ausnahme von Thomas und meiner Mutter hatten sich versammelt, um mit uns gemeinsam Weihnachten zu feiern. Fehlten eigentlich nur noch Alexandra und Sebastian, die bereits angedeutet hatten, dass sie später zu uns stoßen würden.

Michael kam auf mich zu, und sagte: „Ich hoffe es stört nicht, wenn alle Gutshofbewohner mit euch den Heiligen Abend verbringen wollen.“

Ich lachte und meinte: „Mich stört es überhaupt, ich finde es sogar sehr gut, wenn die große Gutshoffamilie anwesend ist. Vor zwei Jahren haben wir es schon einmal geschafft, alle am Heiligen Abend in einer Wohnung zu versammeln. Die wäre nur diesmal viel zu klein für dreiundsechzig Personen. Wer hatte die Idee dazu?“

Marion hatte die Idee dazu, erklärte mir Michael und sie hat auch alle anderen Mitbewohner angesprochen und überzeugt dabei zu sein.

Ich hatte mich mit Thomas, Heinz und Birgit an einen Tisch gesetzt und beobachten die Kids, wie sie ihre Weihnachtspäckchen öffneten. Plötzlich stand Florian neben mir und fragte, ob er mich kurz sprechen könne. Ich meinte, er solle sich doch einen Stuhl holen und sich zu uns setzen.

Als er neben mir saß erklärte er mir: „Du brauchst Robert am siebenundzwanzigsten mittags nicht vom Bahnhof abholen. Er hat mich vorher angerufen und mir mitgeteilt, dass er bereits morgen, zusammen mit seinen Eltern anreisen würde. Sie hätten das heute gemeinsam beschlossen, da seine Mutter ihm und seinem Vater schon länger zeigen wollte, wo sie in den Sommerferien gearbeitet hätte. Robert bleibt gleich hier und seine Eltern würden am zweiten Weihnachtsfeiertag nach Österreich zurückkehren. Sie werden morgen gegen Mittag ankommen und sich entweder bei dir oder bei mir melden.“

Ich meinte nur: „Kein Problem, ich erspare mir nur die Fahrt zum Bahnhof, um Robert abzuholen. Ich freue mich darauf, Gittes Ehemann und Roberts Vater endlich kennenzulernen.“

Gegen zweiundzwanziguhrdreißig erklärte Severin, dass die jüngeren so langsam eine Etage höher in ihr Betten wandern dürfen und der Rest eine halbe Stunde später nach oben kommen sollten.

Als Thomas und ich uns gegen dreiundzwanzig Uhr verabschiedeten, meinte Birgit, hoffentlich sehen wir uns noch, bevor wir morgen abreisen. Es war kein Fehler deine Einladung anzunehmen, in so einer großen Gemeinschaft habe sie noch nie den Heiligen Abend verbracht.

Mit uns verabschiedeten sich auch unsere Jungs und unsere beiden Mitbewohner und gemeinsam ging es ins Gutshaus in unsere Wohnung. Thomas meinte zu den Jungs: „Ich hoffe ihr seid nicht zu müde und setzt euch noch ein paar Minuten mit uns ins Wohnzimmer.“

Als die Jungs den leuchtenden Christbaum sahen und die darunter liegenden Pakete entdeckten, meinte David: „Da fehlen noch einige Päckchen.“ Und fluchtartig hatten sie das Wohnzimmer verlassen. Kurze Zeit später kehrten sie wieder zurück und legten weitere Päckchen unter den Baum.

Ich schaute die Jungs an und erklärte: „Ich hoffe, ihr seid Thomas und mir nicht böse, aber wir reißen heute keine Päckchen mehr auf. Wir werden unser Päckchen morgen früh nach dem Frühstück aufmachen. Ihr könnt euch gerne noch mit euren Paketen beschäftigen oder ihr entscheidet euch, mit uns erst morgen früh die Pakete zu öffnen.“

Felix grinste und verkündete, dass er seine Päckchen heute auch nicht mehr öffnen werde. Dennis meinte: „Ich habe morgen Vormittag viel Zeit, um meine Päckchen aufzumachen, mein Dienst beginnt erst mittags.“ David meinte: “Kein Problem, in Amerika gibt es die Geschenke auch erst am ersten Weihnachtsfeiertag, ich bekomme meine Geschenke immer noch früher als die amerikanischen Kids.“

Tobias sagte gar nichts und kuschelt sich nur an mich. Ich war mir sicher, dass ihm das Kuscheln besser gefiel, da es für ihn viele Jahre nicht mehr möglich gewesen ist. David schlich sich bei Thomas an, setzte sich auf seinen Schoß und kuschelte mit ihm.

Es dauerte nicht lange und Felix und Dennis hatten sich ebenfalls an uns gekuschelt. Kurz nach dreiundzwanzigdreißig Uhr verschwanden wir in unsere Schlafzimmer. Ich war wieder einmal völlig fertig von diesem anstrengenden Tag und bin wahrscheinlich innerhalb von Sekunden eingeschlafen.

Am ersten Weihnachtsfeiertag bin ich erst gegen acht Uhr aufgewacht. Ich weckte Thomas und gemeinsam gingen wir in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Gegen achtuhrdreißig, wir hatten den Frühstückstisch schon eingedeckt, meinte Thomas, er wecke jetzt die Jungs auf. Ich holte aus der Küche noch den Kaffee und das heiße Wasser für den Tee und setzte mich anschließend an den Esstisch.

Wenig später tauchte Thomas mit vier gut gelaunten Jungs auf und setzten sich zu mir an den Tisch. Wir frühstückten ausgiebig, da unser Mittagessen heute zu Gunsten einer späten Kaffeetafel ausfallen sollte.

Nach dem Frühstück gingen wir gemeinsam ins Wohnzimmer, wo noch ungeöffnete Weihnachtspäckchen auf uns warteten. Es dauerte über eine Stunde, bis wir endlich alle Pakete geöffnet hatten und es gab so einige Überraschungen beim Auspacken. Thomas und ich bekamen von unseren beiden Jungs jeweils einen Anhänger geschenkt, der zusammen ein Ying und Yang Symbol ergab.

Von uns bekamen die Jungs jeder zwei Spiele für ihre Konsole und Klamotten, bei denen wir uns daran orientiert hatten, was die Jungs in letzter Zeit so eingekauft hatten. David und Tobias freuten sich und erklärten uns, dass sie bisher an Weihnachten noch nie so viele Geschenke bekommen hätten.

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