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Regenbogenfamilie

Teil 75 - Fortschritte auf allen Baustellen

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Informationen

 

Inzwischen war es Mitte November geworden und mein Geburtstag, und damit der Tag der großen Hochzeitsfeier, rückte immer näher. Die Aushubarbeiten für die überdimensionale Tiefgarage waren vor zwei Tagen endlich abgeschlossen worden und die Fundamente für fast achtzig Prozent der Tiefgarage längst fertiggestellt.

Selbst die Bodenplatte war zu fast fünfzig Prozent gegossen. Im hintersten Eck der Baugrube wurden in den letzten Tagen bereits die Umfassungsmauern hochbetoniert und davor waren bereits die ersten Stützpfeiler und Trennwände im Entstehen.

Heute Morgen war wieder ein Besuch in unserem Baustellencontainer bei Dennis Burgmüller fällig, um mich auf den neuesten Stand der Bauarbeiten zu bringen und mit ihm zu besprechen, welche Baufortschritte in den nächsten zwei bis drei Wochen zu erwarten sind.

Kurz vor neun Uhr stand ich in seinem Büro und setzte mich in den Besucherstuhl vor Dennis Schreibtisch. Da er noch am Telefonieren war, wartete ich ab, bis er sein Gespräch beendet hatte. Als er aufgelegt hatte fragte ich ihn: „Wie ist der aktuelle Stand auf der Baustelle?“

Er schaute mich an und erklärte: „Wir fangen an, die Zeitverzögerungen, die sich wegen des nassen Wetters beim Aushub ergeben hat, allmählich wieder aufzuholen. Der Bauunternehmer hat seine Mannschaft kurzzeitig verstärkt, um die angekündigte, bis Ende nächster Woche andauernde, Trockenperiode für beschleunigte Betonierarbeiten zu nutzen.

Bei unserer heute Morgen stattgefunden Besprechung meinte er, dass wir spätestens in drei Wochen den Rückstand vollständig aufgeholt haben könnten. Er will Anfang nächster Woche bereits mit den ersten Verschalungen für die Betondecke anfangen und bis zur Weihnachtspause die Decke über der Tiefgarage fertiggestellt haben, sofern keine stärkere Frostperiode seine aktuelle Planung wieder zunichte machen würde.“

Er legte eine kurze Pause ein, blickte in seine Notizen von heute morgen und sprach weiter: „Mit meinem Elektrikerteam und mit den Mitarbeitern von der Wasser- und Abwassertechnik ist bereits geklärt, dass sie spätestens ab Mitte Dezember mit der Verkabelung beziehungsweise der Verlegung der Wasserleitungen und der Abwasserrohre in der Tiefgarage beginnen könnten.

Parallel dazu wird gleichzeitig die Sprinkleranlage für die Tiefgarage eingebaut. Wir wollen, wenn möglich, eher beginnen. Im Grunde genommen dann, wenn die Bereiche mit den fertig gestellten Tiefgaragendecken freigegeben werden.

Bei der heutigen Besprechung haben wir beschlossen, dass wir bereits mit den Rohbauarbeiten für die ersten beiden Häuser beginnen, wenn die Decken in diesem Bereich fertiggestellt sind. Ursprünglich war geplant, erst nach Fertigstellung der gesamten Decke über der Tiefgarage damit zu beginnen. Die Rohbauarbeiten laufen dann so lange weiter, wie es die Witterung zulässt. Ich werde heute noch mit dem Chef der Zimmermannsfirma sprechen und ihn bitten, wenn die Witterung es zulässt, bereits für Mitte Januar für die ersten beiden Häuser die Dachstühle vorzubereiten und wenn möglich aufzustellen.“

Er legte wieder eine kurze Pause ein, trank einen Schluck Kaffee und meinte: „Die Umbau- und Renovierungsmaßnahmen für den neuen Bürotrakt laufen planmäßig und werden Anfang Dezember abgeschlossen sein. Der Technikraum für das Rechenzentrum ist bereits an Philipp und Marcus übergeben. Sie beginnen nächste Woche mit dem Aufstellen der Serverschränke. Parallel dazu wird die Netzwerk- und Stromverteilung aufgebaut.

Gestern waren die Stadtwerke hier und haben die neue Starkstromleitung in Betrieb genommen. In den Büroräumen müssen nur noch die Maler und Bodenleger ihre Arbeiten abschließen. Danach werden nur noch unsere Elektriker ihre restlichen Arbeiten, wie Montage der Steckdosen und Lichtschalter, durchführen.“

Ich fragte ihn: „Wie schaut es auf unserer Baustelle für das neue Jugendhotel in Österreich aus? Liegen wir dort gut im Zeitplan, oder ist die Eröffnung Anfang Dezember noch gefährdet?“

Dennis lachte und meinte: „Wenn es nach dem Baufortschritt ginge, könntest du bereits nächste Woche das Hotel wiedereröffnen. Bis zum Wochenende sind die Bauarbeiten vollständig abgeschlossen und unsere Handwerker stehen uns ab Montag wieder für Arbeiten an unseren eigenen Objekten in vollem Umfang zur Verfügung.

Axel Baumeister und Edi Obermeier fahren morgen nach Österreich. Sie haben mich heute Morgen gefragt, ob du sie eventuell begleiten würdest. Ich habe ihnen erklärt, dass du derzeit gut beschäftigt bist und vermutlich nicht mitfahren kannst. Sie wollten sich bei dir noch melden und dich selbst fragen.“

Während ich überlegte, ob es Sinn hätte, morgen mit nach Österreich zu fahren sagte Dennis: „Jason hat mir heute ein Schreiben der Stadtwerke übergeben. Sie wollen mit uns Gespräche führen über unsere langfristigen Pläne und die dauerhafte Sicherung der Stromversorgung für den Gutshof. Ich wollte mir die Unterlagen in Ruhe durchlesen und dich danach ansprechen.“

Ich schaute ihn an und meinte: „Du kannst Edi sagen, dass ich morgen nicht mitkomme, da ich in knapp drei Wochen zur Wiedereröffnung des Hotels sowieso vor Ort bin. Aber gut, dass du mich an die die planmäßige Fertigstellung erinnert hast. Ich muss heute noch einmal mit Armin über die geplanten Eröffnungsfeierlichkeiten sprechen.

Zum Thema Stadtwerke und sichere Stromversorgung. Vereinbart mit den Leuten einen Besprechungstermin, möglichst bei uns im Haus. Hast du noch weitere Neuigkeiten oder kann ich dich wieder in Ruhe deinen Aufgaben nachgehen lassen. Vergiss nicht, wenn auf den Baustellen größere Schwierigkeiten auftauchen, mich umgehend zu informieren. Das gilt ab sofort auch für das Ostseehotel.“

Ich war bereits auf dem Rückweg in mein Büro, als ich mich umentschied und ins ehemalige Gesindehaus zu Armin ging. Ich klopfte an und trat ins Büro ein. Zwei Gesichter schauten mich fragend an, wen von beiden ich sprechen will. Um den fragenden Blicken ein Ende zu machen, fragte ich Armin: „Was kannst du mir über den aktuellen Stand der Eröffnungsfeier für unser Jugendhotel in Österreich sagen?“

Armin schaute mich zuerst an, dann blickte er in sein Notebook und erklärte: „Ich denke, für die Eröffnungsfeier ist alles geklärt. bei meinem letzten Gespräch mit dem Hotelmanager, Siegfried Lobmeier, hat er mir nur mitgeteilt, dass die Arbeiten wohl eher abgeschlossen werden und wir theoretisch mindestens eine Woche früher eröffnen könnten. Auch aus seiner Sicht steht damit der Eröffnungsfeier nichts mehr im Weg. Willst du die Details der Feier von mir haben, dann schicke ich dir den aktuellen Ablaufplan.

Der Bezirkshauptmann hat seinen Auftritt und seine Ansprache bei unserer Feier noch einmal bestätigt. Wobei er eigentlich wissen wollte, ob es beim geplanten Eröffnungstermin bleiben würde. Siegfried hat mir gegenüber erwähnt, dass sie an den Mängeln, die am Testwochenende aufgetreten sind, fleißig arbeiten und mehr als die Hälfte der aufgetretenen Probleme bereits im Griff haben.

Er ist sich sicher, dass bis zur Eröffnung alles reibungslos laufen wird. Er hat dabei festgestellt, dass die meisten Fehler entstanden sind, weil die Abläufe noch zu stark an die eines Luxushotels angelehnt waren und dabei zu wenig auf die jüngere und anspruchslosere Klientel Rücksicht genommen wurde. Ansonsten kann ich dir von meiner Seite nichts Neues berichten.“

Er schaute zu Werner und fragte ihn, ob er Neuigkeiten in Sachen Marketing habe. Werner lachte und erklärte: „Es gibt Neuigkeiten. Ich treffe mich mit dem Kollegen des Hotels in Österreich in der kommenden Woche. Er hätte noch ein paar neue Ideen, die er mit mir besprechen möchte und die wir in den bestehenden Hotels ebenfalls umsetzen könnten. Er wolle gleichzeitig ein Gespräch mit Armin führen, dort wird das Hauptthema „Veranstaltungen aller Art“ sein.“

Ich bat die Beiden, wenn die Ideen auch auf unser neues Projekt an der Ostsee anwendbar sind, mir kurzfristig die wichtigsten Informationen zu geben, damit wir das in der aktuelle Planungsphase noch mitberücksichtigen können. Dann verabschiedete ich mich von ihnen und machte mich auf den Weg ins Gutshaus.

Mir ist aufgefallen, dass ich euch bisher überhaupt nichts erzählt habe von unserem Testwochenende im neuen Jugendhotel in Österreich. In meinem Büro setzte ich mich in meinen Bürostuhl und kramte in meinen Erinnerungen.

Es fühlt sich immer noch so an, als wäre es erst in den letzten Tagen gewesen, wobei es in der Realität bereits gut drei Wochen waren. Ich hatte noch am Dienstagabend Thomas, sowie die beiden Jungs Tobias und David davon informiert, dass wir am Freitagnachmittag zusammen mit Jason und Jenifer und den Jungs Michael und Carsten nach Österreich ins neue Jugendhotel fahren und ein verkürztes Testwochenende durchführen wollen.

Felix, der mitgehört hatte, meinte, es sei schade, dass er und Dennis an diesem Wochenende nicht mit dabei sein können, da Dennis am Samstag arbeiten würde. Ich schaute Felix an und meinte: „Stimmt, Dennis darf am Samstag arbeiten, aber nicht so wie du denkst. Am Samstagvormittag startet ein Bus mit rund vierzig Personen vom Gutshof aus und folgt uns nach Österreich.

In diesem Bus reisen unter anderem Sebastian, Toni, Dennis und Felix mit. Jenifer will noch aus ihrem Architekturbüro einen Familienvater mit seiner Frau und den drei Kindern mitreisen lassen. Ich denke vom Gutshof wird auf alle Fälle noch Marion mit Mann und Kindern dabei sein. Ansonsten wird Armin noch Einladungen vor allem an unsere Auszubildenden und Familien mit Kindern verteilen. Ich will vor allem das Testurteil von der jüngeren Generation hören, denn auf diese Zielgruppe ist das Hotel ausgerichtet.“

Nach kurzer Pause sprach ich weiter: „Am Samstagmittag ist ein Testessen geplant, zu dem unsere vierzig Personen, ein Teil der Mitarbeiter des neuen Hotels und einige ortsansässige Handwerker mit ihren Familien eingeladen werden. Sebastian und seine beiden Koch-Azubis sollen ihr Augenmerk vor allem auf die Arbeiten in der Küche und auf den Service richten. Nach dem Essen kann in der Pause, bis fünfzehn Uhr, jeder seinem eigenen Vergnügen nachgehen oder die Umgebung des Hotels unsicher machen, natürlich abhängig von der Witterung.

Ab fünfzehn Uhr gibt es Kaffee und Kuchen mit gleichzeitiger Manöverkritik. Jeder darf sagen, was ihm gefallen hat, wo er Probleme erkannt hat, wie ihm das Essen geschmeckt hat oder was verbessert werden könnte. Vermutlich so gegen siebzehn Uhr werden wir die Heimreise antreten.

Jason hat vorgeschlagen, dass die vier Jungs, die am Freitag zur Übernachtung mit anreisen, am Samstag mit den anderen im Bus zurückreisen können, sofern sie das möchten. Das betrifft in diesem Fall Carsten, Michael, David und Tobias.“

Ich wandte mich an Felix: „Felix, du solltest am Samstag Papier und einige Kugelschreiber mitbringen, damit du, Tobias, David und Michael sich Notizen machen können, was den Testern aufgefallen ist. Wir setzen uns dann am Sonntagnachmittag zusammen und erstellen daraus einen sogenannten Mängelbericht, den wir Anfang der Woche an den Hotelmanager senden werden.

Er darf sich dann überlegen, welche Maßnahmen er ergreifen kann, um die Mängel zu beseitigen. Für dich ist der Samstag, genau wie für Sebastian, Dennis, Carsten und Toni, eine dienstliche Veranstaltung, für die du einen Zeitausgleich in Anspruch nehmen kannst.“

Dennis, der heute bis zwanzig Uhr arbeitete, war wenige Minuten danach in der Wohnung und wurde von Felix empfangen mit den Worten: „Weißt du schon, was du am Samstag machen darfst, oder hast du deinen freien Tag?“

Dennis grinste und sagte: „Warum willst du das unbedingt wissen? Aber wenn du mich schon so scheinheilig aushorchen willst, gehe ich davon aus, dass du von Peter schon informiert wurdest, dass ich den ganzen Samstag unterwegs bin. Du Ärmster darfst zu Hause bleiben und ich bin mit Sebastian, Toni, Carsten und Anja auf einer Dienstfahrt ins österreichische Jugendhotel.

Wir sollen dort bei einem Testessen, die Abläufe in der Küche und im Service im Auge haben und anschließend mit dem Küchenchef und dem Restaurantchef besprechen, was uns ungewöhnlich oder negativ aufgefallen ist. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat Peter angeordnet, dass Sebastian die jüngsten Auszubildenden mitnehmen soll, damit sie die seltene Gelegenheit bekommen, Abläufe bei einem Testkochen und Testessen zu analysieren, da dies auch zum Ausbildungsplan gehöre.“

Felix lachte und erklärte: „Fast richtig, ich darf als Mitarbeiter der Stiftung und weiteren fünfunddreißig Personen ebenfalls mit dem Bus mitfahren und wir sollen vor allem das Essen testen, die jüngeren die Menüs und die älteren die Essen, die für die Restaurantgäste zubereitet werden.

Peter, Thomas, David und Tobias fahren bereits am Freitagnachmittag und werden als Testgäste im Hotel übernachten und dann am Samstag beim Testessen mit dabei sein. Carsten wird erst am Samstag zu euch stoßen. Er fährt ebenfalls am Freitag mit seinem Freund Michael, mit Jason und Jennifer als Testgäste und Testesser nach Österreich.“

Ich unterbrach Felix und erklärte: „Ich hatte ursprünglich überlegt, euch beide bereits am Freitag mitzunehmen, habe mich aber dann anders entschieden, weil einer von euch bei Jason und der andere bei uns hätte mitfahren müssen. Das wollte ich euch nicht zumuten, deshalb kommt ihr beide am Samstag mit den anderen Testern nach. Am Samstagnachmittag gibt es um fünfzehn Uhr noch Kaffee und Kuchen und in diesem Rahmen können alle ihr Lob oder ihre Kritik loswerden. Wir treffen uns am Sonntagmittag, Thomas, Michael, Carsten, David, Tobias, Felix, Dennis, du nur wenn du Zeit, hast und ich. Wir verfassen dann, aus den Aufzeichnungen der Jungs, einen Mängelbericht für den Hotelmanager.“

Am Freitagnachmittag kurz vor fünfzehn Uhr standen Thomas, David, Tobias, Carsten und ich auf dem Parkplatz vor dem Gutshaus und warteten auf unsere Mitreisenden. Es fehlten noch Jason und Jenifer, sowie Michael, der von seiner Mutter gebracht werden sollte. Als erstes taucht Michael mit seiner Mutter auf, die ich kurzerhand für Sonntagnachmittag zum Kaffee einlud, da Michael und Carsten ab Mittag bei uns sein sollten wegen der Nachbearbeitung des Testessens vom Vortag.

Ich fragte die vier Jungs: „Wer von euch fährt mit Thomas und mir und wer traut sich bei Jason und Jenifer mitzufahren?“ Während die Jungs noch diskutierten, näherte sich bereits das Fahrzeug von Jason und Jenifer. Ich meinte, sie sollten sich langsam entscheiden, sonst würde ich sie zu Hause lassen.

Tobias meinte, nachdem er das Auto entdeckt und identifiziert hatte: „Am liebsten würde ich mit Jason und Jenifer in der geilen Karre, einer Mercedes S-Klasse, nach Österreich fahren. David willst du auch einmal mit so einem geilen Schlitten mitfahren?

Meinetwegen können Carsten und Michi morgen mit der S-Klasse mit Jason und Jenifer zurückfahren. Ich fahre sowieso mit dem Bus und den anderen Jungs zurück. Peter, Thomas, wäret ihr arg beleidigt, wen wir zwei heute mit Jason und Jenifer nach Österreich fahren würden und nicht mit euch?“

Ich lachte laut und erklärte: „Wenn Thomas oder ich jetzt sauer wären, dann hätte ich euch nicht gefragt, mit wem ihr mitfahren wollt. Carsten, Michael, ich hoffe es macht euch nichts aus, wenn ihr mit mir oder Thomas als Chauffeur vorliebnehmen müsst.“

Michael antwortete mir: „Peter, ich bin mir sicher, dass ich bei euch mitfahren will. In so eine Protzkarre bringen mich keine zehn Pferde rein. Unsere Taschen sind sowieso bereits in deinem Kofferraum. Komm Carsten, wir steigen schon einmal bei Peter ein, damit schaffen wir vollendete Tatsachen.“

Kurz danach fuhren wir ab, ich folgte Jason. Wir hatten vorher abgesprochen, dass er vorausfährt und wir ihm folgen. Ich hatte Jason gebeten, dass wir einigermaßen gesittet fahren werden, damit die Jungs auch etwas von der Umgebung sehen können. Gerade für Carsten, der vorher nie in Bayern und in Österreich war, gab es viel Neues zu entdecken.

Vermutlich wird es bei David und Tobias ähnlich sein, als Stadtkinder und in einem Kinderheim aufgewachsen, waren Tagesausflüge in die Berge sicher nicht an der Tagesordnung. Bis zur österreichischen Grenze nutzten wir die Autobahn, ab da ging es über Landstraßen zu unserem Ziel.

Wie erwartet war Carsten begeistert von dem, was er auf der Strecke sehen konnte. Immer wieder stellte er Fragen, die entweder von Thomas oder Michael beantwortet wurden. Ich war froh, dass ich keine Fragen beantworten musste, immerhin musste ich mich auf den Verkehr konzentrieren. Streckenweise merkte man schon noch den Berufsverkehr oder die ersten Wochenendausflügler.

Nach knapp zwei Stunden standen wir auf dem Parkplatz des Jugendhotels. Es war mein erster Besuch, nachdem die Stiftung geerbt hatte und wir zur ersten Besichtigung hier gewesen sind. Äußerlich hatte sich vieles geändert, die Fassade erstrahlte in neuem Glanz und hatte einen moderneren Touch. Man konnte auch schon erkennen, wo der neue Biergarten zu finden sein würde.

Auch der Eingangsbereich hatte sich verändert und die neu eingebaute Automatik-Tür aus Glas wirkte freundlicher als die alte Holztür. Wir holten unsere Reisetaschen aus dem Kofferraum und gingen gemeinsam zum Hotel. Die Lobby mit der neuen Rezeption und dem neuen Mobiliar wirkte fast wie aus der Zukunft eines Hotels. Bevor wir zur Rezeption gingen, fragte ich die Jungs nach ihrem ersten Eindruck.

Carsten erklärte: „Ich kenne das Ostseehotel, euer Gesindehaus und die Hotels, wo ich mit meinen Eltern Urlaub gemacht habe. So einen Eingangsbereich habe ich noch nirgends gesehen. Was aber daran liegt, dass er auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen optimiert ist. Mein erster Eindruck: Ich fühle mich hier wohl, hier könnte ich vermutlich wochenlang Urlaub machen.“

Die anderen Jungs äußerten sich in ähnlicher Form wie Carsten es getan hatte. Thomas, der bisher noch nicht das Vergnügen hatte, das Haus in Österreich kennenzulernen meinte: „Das, was ich bis jetzt gesehen habe, gefällt mir wahnsinnig gut. Der moderne Eingangsbereich, die Lobby und vor allem der Außenbereich wird bei den Kindern und Jugendlichen sicher gut ankommen.

Wenn du beim nächsten Treffen mit den Leitern von den Jugendämtern hierherfährst, wird sich die Stiftung nicht mehr vor Anfragen retten können. Da wird unser Haus am Gutshof wohl leer bleiben. Ich habe schon gehört, dass im Ostseehotel der gleiche Innenausstatter zum Zug kommt, das wird wahrscheinlich noch besser als es hier ist.“

Da die Rezeption unbesetzt war, völlig normal bei einem Hotel, das noch nicht geöffnet hat, benutzte ich die vorhandene Klingel. Nach wenigen Minuten tauchte Siegfried, der Hotelmanager, mit einem jungen Mann an seiner Seite auf und ging hinter den Tresen. Er begrüßte uns sehr freundlich und reichte uns die vorbereiteten Schlüsselkarten für unsere Zimmer.

Ich stellte ihm zuerst Thomas, meinen Lebensgefährten, vor. Noch waren wir ja nicht verheiratet. Die nächsten waren David und Tobias, die ich ihm als unsere Pflegekinder vorstellte. Jason und Jenifer kannte er bereits, so dass ich sie nicht extra vorstellen musste. Als letztes stellte ich ihm Carsten und Michael vor und meinte dazu, Carsten sei seit einer Woche in der Küche des Restaurants im Gutshof als Auszubildender im zweiten Ausbildungsjahr. Er ist der Liebe wegen von der Ostsee zu uns nach Rosenheim gewechselt, da seine Angebeteter Michael vor knapp einem Jahr mit seinen Eltern dorthin verzogen ist.

Im Anschluss stellte uns Siegfried seinen jungen Begleiter vor: „Der junge Mann, Vinzenz Dreher, ist seit Anfang September als Auszubildender zum Hotelkaufmann bei uns. Er wird euch gleich eure Zimmer zeigen und möchte im Anschluss mit Peter ein Gespräch unter vier Augen führen. Dafür könnt ihr mein Büro nutzen.“

Gegen achtzehnuhrdreißig erwarte ich euch im Restaurant zu einem Abendessen. Gegen zwanzig Uhr wird es ein Treffen mit einem Teil unserer Mannschaft geben, wo sie dir auch ihre neuen Ideen vorstellen wollen. Frühstück gibt es morgen um acht Uhr, danach haben wir Zeit für eine ausgiebige Besichtigung des Hauses, bevor uns mittags der Stresstest für die Küche bevorsteht.

Bevor wir gehen konnten, sagte er noch: „Peter, mit euren kurzfristig angesetzten Tests hast du uns ordentlich unter Druck gesetzt. Wir haben die letzten zwei Tage streckenweise kräftig geflucht, wenn ich das so ehrlich von mir geben darf. Aber genau deswegen sind uns Probleme aufgefallen, die wir so niemals planen und testen konnten. Ich hoffe nur, dass da morgen nicht noch mehr solcher Fallstricke im Weg liegen. Ich wünsche euch auf jeden Fall einen angenehmen Aufenthalt in unserem Haus.“

Vinzenz begleitete ins in die erste Etage und meinte, in den ersten zwei Zimmer auf der rechten Seite sind Peter und Thomas, sowie das Architektenehepaar untergebracht. In den Zimmern gegenüber, die vier Jungs.

Thomas öffnet unser Zimmer und sagte zu Vinzenz: „Ich habe einen Vorschlag für dich. Du führst dein Gespräch mit Peter nicht im Büro des Hotelmanagers, sondern direkt in unserm Hotelzimmer. Peter und ich haben keine Geheimnisse voreinander. Ich bin nicht nur Peters Lebensgefährte, sondern auch der Geschäftsführer eines der Unternehmen, dass dem Gutshof gehört. Im übrigen heiraten wir Beide in vierzehn Tagen.“

Vinzenz schaute ihn erst verwundert an, bevor er sagte: „Das wusste ich gar nicht. Aber wenn das so ist, habe ich kein Problem das Gespräch in deinem Beisein zu führen.“ Ich erklärte den anderen, dass wir die nächste halbe Stunde nicht gestört werden wollen und die sie sich in der Zwischenzeit mit ihren Zimmern vertraut machen sollten.

Vinzenz, Thomas und ich betraten unser Hotelzimmer und schlossen die Tür. Während Thomas anfing unsere Reisetasche auszuräumen, setzte ich mich mit Vinzenz an den kleinen Tisch mit den beiden Stühlen und ich sagte zu ihm: „Vinzenz du hast ein Anliegen, dass du mir nur persönlich vortragen willst. Erkläre mir, was ich für dich tun kann.“

Vinzenz überlegte noch kurz, dann erklärte er mir: „Ich habe mich in der Zwischenzeit auf euren Webseiten schlau gemacht und dabei festgestellt, dass ihr am Gutshof einen Treffpunkt für schwule und lesbische Jugendliche eingerichtet habt. Könnten wir nicht so etwas auch hier im Jugendhotel etablieren? Es gibt im Umkreis von mindestens dreißig Kilometern keine Möglichkeit, wo sich schwule und lesbische Jugendliche treffen können.“

Ich schaute ihn an und fragte erst einmal, warum er darüber nicht mit Siegfried gesprochen habe. Er erklärte mir, er habe zwar darüber nachgedacht, war sich aber nicht sicher, ob er für dieses Anliegen der richtige Ansprechpartner sei. Nachdem am Dienstag bekannt wurde, dass der oberste Boss am Wochenende hier sein wird, hat er für sich beschlossen, mit mir über dieses, für ihn wichtige, Thema zu sprechen.

Ich erklärte Vinzenz: „Du hättest Siegfried ruhig ansprechen können. Wenn er deinen Vorschlag grundsätzlich abgelehnt hätte, hättest du immer noch mich ansprechen können. Siegfried hätte vermutlich sowieso bei mir nachgefragt. Ich finde deine Idee sehr gut. Schade, dass kein anderer bisher auf diese Idee gekommen ist. Grundsätzlich ist es kein Problem, die Gemeinschaftsräume abends und an den Wochenenden für Vereine oder sonstige Gruppen zu öffnen. Wichtig ist, dass jede Gruppierung einen Hauptverantwortlichen benennt, der unser Ansprechpartner ist. Bei uns im Gutshof ist es so, dass unser festangestellter Sozialarbeiter Michael, der selbst schwul ist, die Abende leitet und für die Betroffenen als Ansprechpartner dient. Er leitet gleichzeitig den Elternstammtisch für Angehörige von schwulen und lesbischen Jugendlichen, die sich einmal im Monat treffen.“

Er unterbrach mich und wollte wissen, ob das Michael sei, der Junge, den ich mitgebracht hätte. Ich verneinte und fuhr mit meinen Ausführungen fort: „Kennst du einen Sozialarbeiter oder Streetworker, der diese Aufgabe übernehmen könnte? Es muss nicht unbedingt ein Mann sein, auch eine weibliche Person könnte diese Aufgabe übernehmen. Es ist keine Bedingung, dass der verantwortliche schwul oder lesbisch sein muss. Gibt es bisher keinen Mitarbeiter im Haus, der die sozialpädagogische Betreuung der Kinder und Jugendlichen übernimmt?“

Vinzenz schaute mich an und erklärte: „Nicht, dass ich wüsste, das es so einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin im Hause gäbe. Aber ich habe auch noch nicht alle Mitarbeiter kennengelernt die ab Anfang Dezember beschäftigt sind.“

Ich blickte zu Thomas und fragte ihn, ob er Siegfried suchen könne, damit wir das mit ihm abklären könnten. Thomas lachte und meinte nur: „Hoffentlich verlaufe ich mich nicht im Haus oder finde Siegfried überhaupt nicht.“ Vinzenz meinte, am einfachsten sei es an der Rezeption zu klingeln, dann würde ihm schon geholfen.

Nachdem Thomas draußen war, schaute ich Vinzenz an und meinte: „Das war jetzt dein offizielles Anliegen. Ich sehe in deinen Augen, dass da noch etwas ist, dass du nicht in Thomas Anwesenheit ansprechen wolltest. Erzähl mir, solange wir allein sind.“

Vinzenz schaute mich verblüfft an und stotterte erst: „Wie, man sieht mir an, dass ich persönlichere Dinge mit dir besprechen will?“ Er überlegte lange, bevor er mir seine Geschichte erzählte: „Peter, ich bin mir schon längere Zeit sicher, dass ich auf Jungs stehe. Kurz nach Ausbildungsbeginn habe ich mich bei meinen Eltern geoutet. Du kannst dir nicht vorstellen, welchen Anfeindungen ich durch meine Eltern seit dieser Zeit ausgesetzt bin.

Ich sei der letzte Dreck, am besten sollte ich verrecken. Sie haben mir erklärt, dass ich mit meinem achtzehnten Geburtstag, in sieben Monaten, ausziehen soll und sie nie wieder von mir hören möchten. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Von meiner Ausbildungsvergütung kann ich mir auch keine eigene Wohnung leisten. Einen festen Freund, bei dem ich vielleicht hätte unterschlüpfen können, habe ich auch nicht. Kannst du mir weiterhelfen oder mir sagen, an wenn ich mich wenden kann?“

Es klopfte an der Tür. Ich meinte, wir reden später weiter und rief laut herein. Thomas betrat mit Siegfried unser Hotelzimmer und Vinzenz bot Siegfried sofort sein Platz an. Siegfried nahm dankend an und Vinzenz fragte, ob er sich auf das Bett setzen dürfte. Ich meinte nur, warum nicht?

Ich wandte mich an Siegfried und erzählte ihm von Vinzenz Wunsch einen Treff für schwule und lesbische Jugendliche im Hotel zu etablieren. Ich wolle von ihm wissen, ob er bereits einen Sozialarbeiter oder eine Sozialarbeiterin für das Hotel gefunden habe, die oder der die Kinder und Jugendlichen zukünftig im Haus betreue. Er lachte und erklärte: „Den habe ich. Er fängt am ersten Dezember bei uns an.“ Ich fragte ihn, ob er mir die Telefonnummer des Mitarbeiters geben könne, weil ich wegen eines Notfalls kurzfristig mit ihm Kontakt aufnehmen möchte. Er meinte, die müsse er nur aus seinem Büro holen, da er sie nicht im Kopf habe.

Ich bat ihn, den zukünftigen Mitarbeiter anzurufen und ihn zu bitten, sich mit mir hier im Hotel wegen eines dringenden Notfalls zu treffen. Er könne ihm auch ausrichten, dass ich mich freuen würde unseren neuen Mitarbeiter persönlich kennenzulernen. Siegfried verabschiedete sich und meinte, er rufe mich gleich an, wenn er mit Bernd Hofmann gesprochen habe.

Wir saßen zu dritt im Zimmer und ich fragte Vinzenz: „Ist es okay für dich, wenn Thomas ab sofort bei unserem Gespräch mit dabei ist?“ Er nickte nur und so erklärte ich Thomas kurz, was ich bisher erfahren hatte. Thomas schaute Vinzenz an, nahm ihn in seinen Arm und erklärte dem Jungen: „Gut, dass du dich getraut hast, dich mit deinen Sorgen Peter anzuvertrauen. Peter wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um dir bei der Lösung deines Problems zu helfen. Es ist noch nicht einmal achtzehn Monate her, da hat er einem Jungen geholfen, der von seinen Eltern in die Psychiatrie gesteckt wurde, weil er schwul ist. Peter musste erst aus dessen Bruder das Geheimnis herauskitzeln. Danach konnte mit Hilfe des Jugendamts, der Junge namens Christian noch am selben Abend aus der Psychiatrie befreit werden und lebt seitdem mit seinem Freund Ludwig auf dem Gutshof. Er macht inzwischen eine Ausbildung bei unserem Gartenbaubetrieb für den Gemüseanbau, bei dem er sich schon beworben hatte, bevor er von seinen Eltern in die Klapse gebracht wurde. Deine Eltern sollten sich schon einmal warm anziehen, sich mit Peter in Sachen psychischer oder körperlicher Misshandlung von Jugendlichen anzulegen, kann verdammt teuer für sie werden.“

Vinzenz schaute mich mit großen ungläubigen Augen an und bevor er etwas sagen konnte, klingelte das Telefon. Ich ging ran und Siegfried meinte nur, Bernd ist bereits unterwegs. Wenn er eintrifft, schicke ich ihn sofort hoch zu euch.

Ich erklärte Vinzenz: „Wenn du eine Bestätigung für schnelle Hilfe brauchst, kannst du mit Tobias darüber reden, der ist auch ein Beispiel dafür. David lebte seit einigen Tagen bereits in unserer Familie als Pflegekind und als vom Jugendamt die Anfrage kam, ob wir ihn ebenfalls aufnehmen würden, habe ich sofort arrangiert, dass er am gleichen Tag, einem Freitag, zu uns gebracht wird, damit er seine neue Pflegefamilie kennenlernen kann.

Dazu solltest du wissen, dass er seit einigen Jahren in einem Kinderheim lebte, nachdem seine Eltern bei einem Unfall tödlich verunglückt sind. Warum wir gefragt wurden, lag daran, dass er sich in David verliebt hatte und nach dessen Auszug aus dem Kinderheim gedroht hatte, aus dem Kinderheim zu verschwinden, um nach David zu suchen. Bei seiner Ankunft in Rosenheim, wussten wir, dass sie ihn damit nach Rosenheim gelockt hatten, dass er David zukünftig in seiner neuen Schule wiedertreffen würde.

Zum ersten Kennenlerngespräch hatten wir David versteckt, damit er nicht sofort wusste, dass er bereits bei uns untergekommen war. Bereits bei dem Gespräch hat er uns erklärt, dass er auf alle Fälle bei uns als Pflegekind bleiben will, selbst wenn er David nicht wiedersehen würde, mit der Begründung, besser in einer Pflegefamilie, die kein Problem mit seinem Schwulsein hat, als weiter im Kinderheim. Du hättest seine Augen sehen sollen, als er erfuhr, dass er mit David bei uns wohnen würde.“

Als ich geendet hatte, klopfte es erneut an unserer Tür. Thomas rief herein und ein etwa dreißigjähriger gutaussehender Mann trat ein. Er stellte sich als Bernd Hofmann, Sozialarbeiter, vor und meinte, er freue sich seinen neuen obersten Chef kennenzulernen. Ich stand auf, reichte ihm die Hand und strellte mich vor: „Ich bin Peter Maurer, Geschäftsführer der Stiftung, und damit ihr zukünftiger Boss.“

Danach stellte ich ihm Thomas, meinen Lebensgefährten und Vinzenz als Auszubildenden des Hotels vor. Ich erklärte ihm kurz, dass ich ihn wegen Vinzenz hergebeten habe, da er als österreichischer Sozialarbeiter die landesüblichen Gesetze besser kenne als ich, wie bei diesem Notfall vorzugehen sei.

Thomas meinte, er unterbricht uns ungern, aber wir werden in fünf Minuten zum Abendessen erwartet, wir sollten doch das Gespräch nach dem Abendessen in aller Ruhe fortsetzen. Ich fragte Bernd, ob er schon zu Abend gegessen habe, ansonsten lade ich ihn herzlich dazu ein. Bernd nahm dankend an.

An Vinzenz gerichtet erklärte ich, dass er ebenfalls zum Essen eingeladen sei, da ich davon ausgehe, dass er ebenfalls noch nichts gegessen habe. David hatte Thomas eine Kurznachricht via Whatsapp geschickt, in der er mitteilte, dass sie bereits unten auf uns warten.

Wir trafen in der Lobby auf den Rest unserer Gruppe und erklärten Bernd, wer unsere Begleiter sind. Jason und Jenifer als die verantwortlichen Architekten für den Umbau des Hotels, David und Tobias als unsere Pflegesöhne, Carsten als Auszubildender zum Koch im Gutshof und Michael als seinen Freund und zukünftigem Auszubildenden in unserer IT-Abteilung.

Im Restaurant erwartete uns bereits der Restaurantchef und als er bemerkte, dass wir zu zehnt vor ihm standen, meinte er, ob wir uns kurz gedulden könnten, da er mit seinen Mitarbeitern kurz umbauen müsse, damit wir alle an einem Tisch sitzen könnten, da bei ihm bisher nur acht Personen zum Essen angemeldet waren.

Ich meinte, es sei kein Problem, es seien doch wir, die ihm die neuen Umstände beschert hätten. Keine fünf Minuten später führte er uns an unseren Tisch. Er fragte, was er uns vorab zum Trinken bringen könne, und entschuldigte sich dafür, dass für heute nur acht Speisekarten vorbereitet seien. Jason und Jenifer meinten, ihnen reiche eine Speisenkarte für sie beide und meine zwei Jungs schlossen sich dieser Aussage an. Ich saß auf der einen Seite in der Mitte und links von mir Carsten und Michael, zu meiner rechten saßen Vinzenz und Bernd. Mir gegenüber hatte sich Thomas niedergelassen und rechts von ihm Jason und Jenifer, also blieben auf seiner linken Seite noch David und Tobias übrig.

Nachdem unsere Getränke am Tisch standen, erklärte der Restaurantchef: „Für alle gibt es einen kleinen Vorspeiseteller und eine Gries-Nockerlsuppe. Für den Hauptgang und die Nachspeise könnt ihr frei aus der Karte wählen.“ Als sich alle entschieden hatten, meinte ich, sie sollten mir doch ihre ersten Eindrücke schildern, wie sie mit den Zimmern zufrieden sind. Jason und Jenifer wollten sich da heraushalten, weil sie doch nicht zur Zielgruppe des Hotels gehören. Ich widersprach sofort, indem ich meinte, sie könnten doch aus der Sicht von Eltern ihre Meinung dazu abgeben, die während der Ferienzeit mit ihren Kindern hier wären.

Jason lachte und sagte: „War wohl nichts mit dem Versuch, mich vor der Verantwortung zu drücken. Okay, mir hat die Möbelserie von Anfang an gut gefallen, die Wirkung im Raum ist deutlich besser als ich es mir vorgestellt habe. Was mir besonders gut gefällt, es sind robuste Möbel, bei denen ich nicht befürchten muss, dass in einem halben Jahr schon die ersten größeren Probleme auftauchen.“

David und Tobias kommentierten das so: „Hättest du uns die Möbel vor unserem Einzug gezeigt, wir hätten darauf bestanden, unser Zimmer mit diesen Möbeln einzurichten. Das bedeutet aber nicht, dass wir mit unserem Zimmer unzufrieden sind. Die jetzige Lösung gefällt uns, wir haben sie immerhin zusammen ausgewählt.“

Michael und Carsten versuchten es diplomatischer zu erklären: „Uns gefällt die Einrichtung des Zimmers sehr gut, vor allem, wenn man es unter dem Gesichtspunkt betrachtet, dass es sowohl für jüngere Kinder, für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen geeignet sein soll.“

Während des Essens meinte Bernd zu mir: „Jetzt verstehe ich endlich, was Siegfried mir sagen wollte, als er mir erklärte, dass am Wochenende eine Testübernachtung und ein Testessen stattfinden würde, zu dem nicht nur Erwachsene, sondern auch jüngere Testteilnehmer eingeladen wurden. Ihr wollt damit feststellen, ob eine Akzeptanz bei allen Altersgruppen vorhanden ist. Ich bin morgen Mittag auch mit meiner Frau zum Testessen eingeladen.“

Nach dem Essen setzten sich der Hotelmanager, der Küchenchef und der Restaurantchef zu uns an den Tisch und wollten wissen, wie wir mit dem Essen und dem Service zufrieden seien. Ich erklärte: „Ich hoffe ihr seid mir nicht böse, wenn ich mich mit Vinzenz und Bernd ausklinke, wir haben noch ein Problem zu lösen. Meine Meinung werde ich morgen Nachmittag in der Abschlussveranstaltung sagen.“

Siegfried meint: „Kein Problem, du läufst uns nicht weg. Klar sind die Probleme von Vinzenz wichtiger als unser Gespräch. Wir werden uns trotzdem anhören, welche Anmerkungen von deinen Begleitern vorgetragen werden.“

Ich zog mich mit Bernd und Vinzenz wieder in unser Hotelzimmer zurück. Ich bat Vinzenz darum, Bernd das gleiche zu erzählen, was er mir vorher anvertraut hatte, da er in nächster Zeit, der Ansprechpartner sein wird, mit dem er alle Probleme klären kann. Vinzenz erzählte ihm die Geschichte, die er mir bereits nahegebracht hatte.

Ich bemerkte, wie Bernd kräftig ausatmete als Vinzenz geendet hatte. Ich erklärte, wie ich vorgegangen wäre: „Vinzenz, wenn du mich in einem Jahr mit deiner Geschichte angesprochen hättest, hätte ich dir sofort angeboten, mit nach Rosenheim zu kommen, deine Ausbildung bei uns fortzusetzen und in eine der Wohnungen für Jugendliche einzuziehen, die volljährig und aus dem Heim ausziehen müssen, aber noch in der Ausbildung stecken.

Leider sind die Wohnungen noch im Bau und werden erst Mitte nächsten Jahres fertig. Wenn du mich als Auszubildender des Gutshofes angesprochen hättest, hätte ich mich mit dem Jugendnotdienst beim Jugendamt in Verbindung gesetzt und wir hätten für dich eine Lösung gefunden. Da wir aber in Österreich sind und du noch nicht volljährig bist, brauche ich einen Sozialarbeiter wie Bernd, der dir weiterhelfen kann.“

Bernd schaute mich an und meinte: „Ich merke schon, du hast Erfahrungen im Umgang mit Jugendlichen, die in großen Schwierigkeiten stecken. Um es einfach zu erklären, es gibt so etwas ähnliches wie euren Jugendnotdienst auch bei uns in Österreich. An den will ich in diesem Fall erst herantreten, wenn wir für Vinzenz bereits eine Lösung gefunden haben. Soweit ich informiert bin, soll es im Dachgeschoß Personalzimmer geben, zum Beispiel für auswärtige Auszubildende. Da Vinzenz aber aus dem Ort stammt müsste der Hotelmanager zustimmen, wenn er dort einziehen soll. Darf ich Siegfried anrufen, dass er sofort zu uns kommt und wir mit ihm gemeinsam Vinzenz helfen.“

Ich lachte und erklärte: „Du bist der Fachmann und weißt, was in Österreich alles erlaubt oder verboten ist. Wenn uns Siegfried helfen kann, dann brauchen wir ihn eben.“ Bernd telefonierte kurz mit Siegfried, der versprach sofort zu uns zu kommen. Vinzenz meinte: „Wenn ich das gewusst hätte, welcher Aufwand dahintersteckt, um mir zu helfen, hätte ich besser nicht mit dir reden sollen, Peter.“

Ich schaute ihn an und versuchte ihm zu erklären: „Vinzenz, du hast alles richtig gemacht, du hast den ersten Schritt getan, damit dir geholfen werden kann. Für deine Eltern kannst du nichts. Sie sind, so wie sie sind. Hättest du nichts gesagt und versucht deine Probleme allein zu lösen, hätte das möglicherweise in einer großen Katastrophe enden können. Bernd kann dir sicher bestätigen, dass viele dieser Kinder und Jugendlichen durch Selbstmord aus dem Leben scheiden. In diesem Fall hätte ich mir als dein oberster Chef Vorwürfe gemacht, warum keiner die sich anbahnende Katastrophe im Vorfeld bemerkt hat. Ich bin froh, dass ich bemerkt habe, dass bei dir etwas im Argen sein muss und du mir freiwillig deine Probleme geschildert hast.“

Es klopft und auf ein herein, trat Siegfried ein. Bernd schilderte ihm kurz, dass Vinzenz ein Problem mit seinen Eltern habe und dringend eine Unterkunft für die Zeit seiner Ausbildung benötige. Er würde Vinzenz gerne eines der Personalzimmer anbieten, darf das jedoch nur mit Zustimmung des Arbeitgebers.

Siegfried lacht und erklärt ihm, dass er da auch Peter hätte fragen können, als Geschäftsführer der Stiftung hat er die höchste Entscheidungsbefugnis. Ich meinte: „Siegfried, in dem einen Punkt gebe ich dir Recht, aber wäre ich jetzt nicht hier und für dich bis Montag nicht mehr erreichbar, müsstest du diese sofortige Entscheidung treffen. Bernds Vorgehen war insofern korrekt, dass er dich angesprochen hat. Stell dir vor, eine Jugendliche aus dem Ort würde sich Bernd anvertrauen, dass sie zu Hause sexuell missbraucht wird, und Bernd braucht für diesen Jugendliche eine schnelle Hilfe. Willst du die Entscheidung auf mich abschieben oder warten bis es zur Katastrophe gekommen ist und die Jugendliche Selbstmord verübt hat?“ Scheinbar hatte er jetzt verstanden, als er erklärte: „Okay, wenn Bernd einen Notfall haben sollte, muss ich sofort handeln. Außer ich erkläre vorher, dass er von sich aus entscheiden kann, was in so einem Fall zu tun ist.“

Bernd lachte und erklärte, dass er diese Befugnis bitte schriftlich bestätigt hätte, nicht dass irgendwer hinterher erklärt, dass wäre so nicht mit ihm abgesprochen. Diesmal lachte ich und meinte, ob es ausreichend wäre, wenn er von mir als oberstem Chef diese Befugnis schriftlich eingeräumt bekommt.

Siegfried fing ebenfalls zu lachen an und erklärte uns: „Das habe ich jetzt davon, dass ich mich mit euch auf eine Diskussion eingelassen habe. Peter, ehrlich gesagt bin ich froh, dass das jetzt passiert ist, ich bin mir nicht sicher, ob ich mich im Ernstfall richtig verhalten hätte. Euer blödes Testwochenende scheint doch für uns nur Vorteile zu bringen.

Aus aktueller Sicht würde ich zumindest nicht mehr behaupten, dass das völlig unnötig sei. Auch die Erkenntnisse aus dem Abendessen, haben zu dieser Anpassung meiner Meinung geführt. Okay, wir haben jetzt trotzdem ein Problem, die Personalzimmer sind noch nicht fertig umgebaut, sie werden vermutlich erst in zwei Wochen fertig.“

Ich schaute Bernd an und fragte ihn, ob er schon einen Ausweg sehen würde. Bernd überlegte, bevor er antwortete: „Ja und nein, wir könnten Vinzenz vielleicht in eines der fertiggestellten Gästezimmer einquartieren und er müsste in zwei Wochen noch einmal umziehen ins Personalzimmer, was ich ihm eigentlich nicht zumuten möchte.“

Vinzenz, der die ganze Zeit nur stumm dabeigesessen ist, sagte: „Mich würde das nicht stören, wenn ich in zwei Wochen innerhalb des Hauses umziehen würde. Ich kann mir vorstellen, dass mir einige meiner Kollegen beim Umzug sicher helfen würden.“

Ich erklärte: „Die endgültige Lösung für Vinzenz Problem haben wir jetzt. Wie sehen die nächsten Schritte aus?“

Siegfried meinte: „Bernd, du bekommst von mir die schriftliche Vollmacht für die zusätzlichen Befugnisse und ich denke, Peter wird das sicher mitunterschreiben. Für den Rest braucht ihr mich nicht mehr, ich würde mich damit gerne ausklinken.“

Nicht so schnell, meinte ich zu Siegfried, wir brauchen für Vinzenz noch eine elektronische Schlüsselkarte für eines der Hotelzimmer, in dem er die nächsten vierzehn Tagen bleiben kann. Ich kann es nicht verantworten, dass er eine weitere Nacht in seinem Elternhaus verbringt. Siegfried meinte er hinterlegt eine Karte für Vinzenz an der Rezeption.

Nachdem Siegfried uns verlassen hatte, schaute mich Bernd an, und wollte wissen, wie ich mir den weiteren Ablauf gedacht habe. Ich erklärte: „Ganz einfach, Vinzenz geht jetzt nach Hause, packt eine kleine Tasche mit dem nötigsten, frische Klamotten für den morgigen Tag, seine wichtigsten Toilettenartikel und kommt damit wieder hierher. Sollten ihn seine Eltern fragen, was er da mache, kann er ihnen erklären, dass im Hotel Testgäste ausgefallen seien und er vom Hotelmanager gebeten wurde, für einen ausgefallenen Gast einzuspringen. Das klingt zumindest plausibel, da er nur wenig Gepäck dabeihat.“

Bernd grinst und erklärte mir: „Du bist ein ausgebuffter Kerl, was mir einen weiteren Beweis dafür liefert, dass du nicht das erste Mal einem oder einer Jugendlichen hilfst. Wie soll es deiner Meinung morgen weiter gehen?“

Ich meinte: „Da gibt es mehrere Möglichkeiten, die erste wäre, du fährst mit Vinzenz zu ihm nach Hause, erklärst seinen Eltern, dass Vinzenz aufgrund seiner häuslichen Probleme ab sofort im Hotel leben wird, und ihr seine Bekleidung und persönlichen Dinge abholt, inklusive aller Dokumente, die seine Person betreffen. Gleichzeitig kannst du sie aufklären, was vom Jugendamt, oder wie auch immer die Behörde heißt, auf sie zukommen wird, inklusive der Kosten, die sie zu tragen haben.

Die zweite Möglichkeit, wäre, dass ich als Verstärkung mitkomme und damit vielleicht noch mehr Eindruck bei ihnen hinterlassen. Die dritte Möglichkeit sehe ich darin, dass du die unangenehme Arbeit eurem Jugendnotdienst überlässt und der morgen das Prozedere bei Vinzenz Eltern durchzieht.“

Bernd lachte und als er sich wieder beruhigt hatte erklärte er mir: „Die dritte Lösung gefällt mir am besten, wobei ich dann der glückliche Mitarbeiter der Behörde bin, der diesen Auftrag durchziehen darf. Peter, ich arbeite noch bis zum Monatsende für den Staat und habe an diesem Wochenende genau für diese Notfälle parat zu sein. Einen besseren Volltreffer für deine Aktion konntest du nicht landen.“

Ich blickte zu Vinzenz und sagte: „Du weißt jetzt, wie es mit dir weitergehen wird, also geh nach Hause, hol dir wie erklärt die Sachen, die du für morgen früh brauchst und kommst zurück ins Hotel, notfalls unter Nutzung meiner Notlüge. Wenn du hier bist, will ich mich mit dir noch unterhalten.“

Als Vinzenz das Zimmer verlassen hatte, schaute mich Bernd an und meinte: „Alle Achtung Peter, solche Leute wie dich trifft man selten. Aber ein ganz anderes Thema, du hast vorher angedeutet, dass die Stiftung auch Häuser mit Wohnungen für volljährige Jugendliche errichtet, die aus den Kinderheimen raus müssen. Könntest du dir vorstellen so etwas auch in Österreich zu errichten.“

Ich fragte ihn, warum er das wissen will. Bernd erzählte mir: „Es gibt in Innsbruck einen Verein, der genau solche Wohnungen anbieten will. Sie haben zwar Grundstücke erworben, aber jetzt finden sie keinen Investor, mit dem sie die Gebäude errichten könnten. Ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit dem Vereinsvorstand, der dazu meinte, dass ihr Problem darin liege, dass sie keine hohen Gewinne aus der Vermietung erzielen und damit für die meisten Investoren unattraktiv wären.“

Kurz überlegte ich, dann sagte ich zu Bernd: „Du kannst ihnen meine Daten geben. Wenn sie wollen können sie sich mit mir in Verbindung setzen und wir suchen gemeinsam nach einer passenden Lösung.“

Es klopfte und ich rief herein. Thomas mit unseren beiden Jungs betrat das Zimmer. Er fragte, ob wir Vinzenz Problem gelöst hätten. Als ich zu grinsen anfing sagte er: „Alles andere hätte mich auch schwer gewundert. Wollt ihr uns verraten, was ihr beide ausgeheckt habt?“

Bevor ich antworten konnte, sagte Bernd: „Wir haben nur einen Plan entwickelt, den wir heute und morgen durchziehen und danach sollte das Problem dauerhaft gelöst zu sein.“

Ich fragte Bernd, ob er verheiratet sei, und als er dies bestätigte fragte ich nach, ob er in fünf Wochen schon etwas für das Wochenende geplant habe. Als er dies verneinte meinte ich, dann seid ihr zu dritt für dieses Wochenende auf den Gutshof eingeladen zur großen Triple-Hochzeitsfeier.

Er schaute mich an und meinte, wieso Triple-Hochzeitsfeier? Ich schaute erst zu Thomas und erklärte ihm dann: „Bevor ich dir den Begriff erkläre, dir ist klar, dass du, deine Gattin, eventuelle Kinder und Vinzenz zur Hochzeitsfeier eingeladen seid.“ Da er nickte sprach ich weiter: „An diesem Wochenende heiraten Thomas und ich, mein Sohn Philipp seinen Freund Marcus und als dritte im Bunde, unser Betriebsleiter Gemüseanbau Manuel seinen Daniel.

Am Freitag ist nur der Standesamtstermin, die große Feier findet am Samstag mit über 200 Gästen statt. Trotzdem erwarte ich euch bereits am Freitagnachmittag. Ich möchte euch zeigen, wie unser Jugendhotel aussieht. Du kannst Michael und Marion, unsere beiden Sozialarbeiter kennenlernen und dir von Michael Tipps geben lassen, wie du mit der schwulen und lesbischen Jugendgruppe umgehen kannst.

Von Vinzenz stammt auch die Anregung, hier ein solches Angebot einzurichten. Vielleicht kannst du auch unser Angebot eines monatlichen Stammtisches für die Angehörigen von schwulen und lesbischen Jugendlichen hier etablieren. Am Sonntagmorgen, nach der großen Feier, will ich euch in unseren Privaträumen zum Frühstück sehen.“

Wieder klopfte es. David öffnete die Tür. Vinzenz, gefolgt von Carsten und Michael kamen ins Zimmer. Ich meinte, damit wären wir jetzt fast vollzählig in diesem Zimmer versammelt. Ich fragte Bernd, ob er Ärger mit seiner Frau bekomme, wenn er jetzt so spät nach Hause kommt. Er lachte und erklärte, dass es seine Frau gewohnt ist, dass es später werden kann, wenn er abends zu Notfalleinsätzen gerufen werde. Ich werde jetzt trotzdem nach Hause fahren, damit ich morgen fit bin für meinen Auftritt im Hause Dreher. Wir sehen uns morgen früh, so gegen acht Uhr morgens.

Ich fragte Vinzenz, wie es ihm ergangen sei. Er grinste und erzählte: „Wie angeordnet bin ich nach Hause, habe frische Bekleidung für morgen eingepackt und meine Toilettenutensilien zusammengesammelt. Plötzlich stand meine Mutter neben mir und fragt, was ich da mache. Ich habe ihr die Geschichte erzählt, die du dir ausgedacht hast. Sie hat sich darüber gefreut und mir viel Spaß als Tester gewünscht. Danach bin ich zurück ins Hotel. Peter, dein Plan hat perfekt funktioniert.“

Jetzt wissen wir immer noch nicht, was Peter und Bernd für ein Spiel treiben, meinte Thomas. Ich sah Vinzenz an und sagte: „Thomas ist so neugierig, wenn du willst, erzähl ihm und den Jungs unseren Plan.“

Vinzenz lachte und erklärte.“ Da ist nicht nur Thomas neugierig, schau dir doch die Jungs an, die platzen schon fast vor Neugier. Ich bin genauso schwul wie ihr. Zuhause bin ich nur noch geduldet, bis ich in sieben Monaten volljährig werde. Vorhin habe ich Peter von meinen Problemen erzählt und er hat Bernd, unseren zukünftigen Sozialarbeiter, angefordert.

Nach dem Abendessen haben wir nach einer Lösung gesucht. Ganz einfach, ich ziehe in vierzehn Tagen in ein Personalzimmer im Dachgeschoss. Peter wollte jedoch nicht so lange warten und hat angeordnet, dass ich übergangsweise in einem Gästezimmer untergebracht werde.

Heute habe ich nur frische Klamotten zu Hause geholt unter dem Vorwand, ich sei als Testperson nachgerückt wegen Ausfällen. Morgen Vormittag werde ich mit Bernd zu meinen Eltern fahren und alles aus dem Haus holen, was mir gehört. Das ist alles, was ich euch erzählen kann.“

Thomas war der Erste, der reagierte: „Gut, deine Vorgeschichte kannte ich bereits, nur die Lösung hat mir gefehlt.“ Er schaute zu Carsten und meinte: „Carsten, bei dir war die Ausgangslage zwar anders, aber auch bei dir hat Peter sofort nach einer Lösung für dein Problem gesucht und für dich eine praktikable Lösung gefunden.

Vinzenz, du musst wissen, Carsten war vor vierzehn Tagen noch Auszubildender im Hotel an der Ostsee und seit einer Woche lebt er jetzt bei seinem Michael in Rosenheim und macht seine Ausbildung bei uns im Gutshof weiter. Ihr seid nicht die Einzigen, die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen.

Angefangen hat es vor fünf Jahren an Peters fünfzigsten Geburtstag. Der Erste war Marcus, Philipps Freund, der von seinen Eltern vor die Tür gesetzt wurde, als er sich geoutet hat.“

Die fünf Jungs hatten Thomas staunend zugehört, bis David meinte: „Super Quote, achtzig Prozent, von uns Fünfen gehören zu denen, die von Peter Hilfe erhalten haben, und dass in gerade mal in fünf Wochen.“

Mir war seine Rechnung klar. Vinzenz fragte nach, wie soll ich das jetzt verstehen? David antwortete sofort: „Nummer eins in diesen fünf Wochen war ich, er hat mich aus dem Kinderheim und vom Straßenstrich geholt. Der Zweite war Tobias aus dem Kinderheim, der dritte Junge ist Carsten und last but not least, du Vinzenz, macht zusammen die achtzig Prozent.“

Wir sprachen noch einige Zeit über dieses Thema, bis die Jungs von sich aus entschieden, dass sie sich in ihre Zimmer zurückziehen wollen.

Wir saßen am Samstagmorgen gerade beim Frühstück, als Bernd plötzlich neben mir stand. Er grinste mich an und meinte: „Ich habe dir zwar gestern erklärt, dass ich mit Vinzenz allein zu seinen Eltern fahren werde, über Nacht habe ich meine Meinung geändert. Ich finde, du solltest mitkommen. Wenn die Situation kritisch werden sollte, müsste ich ansonsten die Polizei hinzuziehen. Vermutlich ist der Widerstand geringer, wenn du von Anfang an dabei bist, und ich erspare mir die Mithilfe unserer Polizei.“

Ich meinte: „Kein Problem, du musst mir nur sagen, wann wir losfahren sollen. Ich bin dabei, wie ich dir gestern schon angedeutet hatte.“

Zehn Minuten später waren wir auf dem Parkplatz und stiegen in Bernds Wagen. Die Fahrt bis zu Vinzenz Eltern dauerte gerade mal drei oder vier Minuten. Bernd stieg aus und holte aus dem Kofferraum einige Umzugskarton mit der Aufschrift Amt für Kinder- und Jugendhilfe. Wir gingen zur Haustür und Bernd drückte den Klingelknopf.

Nach wenigen Minuten öffnete sich die Tür und Vinzenz Mutter stand uns gegenüber. Sie begrüßte uns: „Scheiß Pack, was wollte ihr so früh am Sonntagmorgen, wir geben nichts.“

Dummerweise, oder vielleicht auch glücklicherweise hatte sie Vinzenz nicht gesehen, der hinter uns stand. Bernd zückte seinen Dienstausweis, hielt ihn dessen Mutter unter die Nase und sagte: „Mein Name ist Bernd Hofmann, ich komme vom Amt für Kinder- und Jugendfürsorge und wir möchten die Bekleidung und die persönlichen Dinge ihres Sohnes Vinzenz abholen.

Uns liegt eine Anzeige vor wegen Kindesmisshandlung durch seelische Grausamkeiten. Um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen, rate ich ihnen keinen großen Aufstand zu veranstalten. Sollten sie sich weigern uns seine Sachen auszuhändigen, sind wir verpflichtet die örtliche Polizei einzuschalten.“

Sie schaute Bernd und mich misstrauisch an und rief in die Wohnung, dass ihr Mann zur Tür kommen solle. Als er vor uns stand wiederholte Bernd, was er vorher bereits Vinzenz Mutter gesagt hatte.

Er schaute noch einmal auf den Dienstausweis und erklärte: „Immer nur hereinspaziert, sie bekommen alles, was unserem Sohn gehört. Damit sind wir die schwule Sau schneller los als gehofft und er kann uns nicht weiter unseren guten Ruf zerstören.“

Ich lachte und meinte: „Da sollten sie sich nicht so sicher sein. Wenn erst Gerüchte aufkommen, dass ihr Sohn verschwunden ist und neugierig nachgefragt wird, könnte das nachteiliger für sie sein, als sie sich das ausmalen können. Aber das soll nicht unsere Sorge sein. Wir sind nur für das Wohlergehen ihres Sohnes zuständig, losgelöst von seinem intoleranten Elternhaus.“

Als er seinen Sohn erblickte, wollte er schon auf ihn losgehen. Ich konnte ihn gerade noch zurückhalten, in dem ich sagte: „Wollen sie eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung riskieren, wenn sie ihren Sohn jetzt vor Zeugen verprügeln? Das würde ihrem guten Ruf schwereren Schaden zufügen, da diese Verhandlungen öffentlich sind.“

Er sagte zu Vinzenz: „Pack so schnell wie möglich deine Sachen, ich will dich danach nie wieder in meinem Haus sehen.“

Bernd erklärte ihm: „Mit allen persönlichen Sachen sind auch alle Dokumente gemeint, die auf ihren Sohn ausgestellt sind, wie Geburtsurkunde, Schulzeugnisse, Urkunden, Nachweise über Vereinsmitgliedschaften, also alle Papiere, auf denen sein Name angegeben ist. Nicht zu vergessen, alle Fotos auf denen Vinzenz abgebildet ist.“ Er schickte seine Frau los mit dem Auftrag, diese Unterlagen zusammenzustellen, wobei er noch meinte, dass dann auch nichts mehr im Haus vorhanden wäre, das auf ihren missratenen Sohn hinweisen würde.

Bernd meinte zu mir: „Peter, würdest du bitte Vinzenz helfen, seine Bekleidung in die Umzugskisten zu packen. Ich werde in der Zwischenzeit den Eheleuten erklären, welche finanziellen Folgen auf sie zukommen werden, bis ihr Sohn mit seiner Ausbildung fertig ist.“

Ich ging mit Vinzenz in sein Zimmer und wir fingen an, seinen Kleiderschrank auszuräumen und in die Umzugskisten zu legen. Zwischendurch meinte ich zu Vinzenz, die Dinge, die in deinem Zimmer stehen und dir persönlich gehören, nehmen wir auch mit. Ich leere weiter den Kleiderschrank und du kümmerst dich um die restlichen Sachen.

Ich war gerade mit dem Kleiderschrank fertig, als plötzlich Vinzenz Vater zu brüllen anfing: „Das könnt ihr nicht mit mir machen. Ich soll für die Drecksau bis zum Ende seiner Ausbildung so viel Geld locker machen? Da kommen mindestens vierzig bis fünfzigtausend Euro zusammen, bis er seine Ausbildung abgeschlossen hat.“

Bernd blieb zwar ruhig, sagte aber trotzdem mit lauter Stimme: „Das entscheide zum Glück nicht ich, sonst würde es für sie wahrscheinlich noch teurer werden. Die Entscheidung liegt beim Gericht, das ihre Unterhaltszahlungen auf Antrag des Amts für Kinder- und Jugendfürsorge festlegt.“

Zwei Minuten später stand er in Vinzenz Kinderzimmer und wollte wissen, wie lange es noch dauert, bis alles eingepackt ist. Vinzenz meinte, in zwei Minuten wäre er fertig. Bernd blieb bei ihm, während ich die ersten Kisten zum Auto brachte. Fünfzehn Minuten später hatten wir alle Kisten im Auto verstaut.

Vinzenz Mutter stand an der Tür und überreichte Bernd einen kleineren Karton mit den Fotos und Dokumenten. Sie fragte, wohin sie Sachen nachschicken könne, die in der Kürze der Zeit übersehen wurden. Bernd drückte ihr seine Visitenkarte in die Hand und erklärte, sie könne diese Dinge beim Amt abgeben und angeben, dass die ihrem Sohn Vinzenz gehören oder bei seinem Ausbildungsbetrieb.

Bei unserer Ankunft stellte ich fest, dass der Bus mit den Testessern bereits eingetroffen war und Thomas mit den Jungs sie begrüßte. Ich ging zu ihnen und meinte, ich brauche ein paar Freiwillige, die Vinzenz helfen, seine Kartons in sein Zimmer zu bringen. Schneller als ich schauen konnte waren alle vier verschwunden und hatten auch Felix und Dennis mitgenommen. Da Bernds Auto leer war, verschloss er sein Fahrzeug und kam zu uns. Er fragte mich, was das denn gewesen wäre. Plötzlich standen sechs Leute vorm Auto, haben Vinzenz Kisten gepackt und sind mit ihm abmarschiert. So erklärte ich ihm, dass ich unsere Jungs gebeten habe, dass sie Vinzenz helfen sollen, damit die Kartons so schnell wie möglich in seiner neuen Unterkunft sind.

Ich sah, dass die Jungs von Marion aus dem Bus stiegen, gefolgt von Marion und Jens. Ich begrüßte sie und sagte zu Marion: „Darf ich dir deinen neuen Kollegen Bernd Hofmann vorstellen. Er ist der Sozialarbeiter, den wir hier im Jugendhotel beschäftigen.“

Marion gab ihm die Hand und meinte: „Auf eine gute Zusammenarbeit.“ Dann schaute sie mich an und fragte: „Peter, ich wüsste zu gerne, was da gerade abgelaufen ist. Du begrüßt die Jungs, sagst irgendetwas zu ihnen und wie der Blitz rennen sie zu Bernds Wagen und verschwinden kurze Zeit später, beladen mit Kisten, im Hotel.“

Ich grinste und meinte: „Das fragst du am besten direkt Bernd, es war seine Aktion. Ich habe die Jungs nur gebeten, beim Schleppen der Kisten behilflich zu sein.“

Marion lachte: „Du willst es mir nicht sagen, das habe ich verstanden. Ich hoffe nur, dass Bernd auskunftsfreudiger ist und mir alles haargenau erzählt. Ich bin mir sicher, dass du bei der Aktion nicht ganz unbeteiligt bist.“

Bernd meinte zu ihr, wir sprechen nachher darüber. Meine Frau wird auch gleich hier sein als Testesserin. Wenn wir einen Tisch mit vier Plätzen erhalten, kann ich euch die Geschichte während des Essens erzählen.

Fünfzehn Minuten später standen alle in der Lobby und warteten darauf, wie es weitergeht. Ich stand mit dem Hotelmanager hinter dem Tresen der Rezeption und versuchte mit Gehör zu verschaffen. Siegfried drückte mir ein Mikrofon in die Hand und meinte, damit sollte es möglich sein mir Gehör zu verschaffen.

Ich klopfte zwei oder dreimal auf das Mikro und als es ruhiger wurde erklärte ich den Ablauf: „Wir gehen jetzt gleich ins Restaurant, dort sind zwei Bereiche ausgewiesen. Die Einzeltische auf der linken Seite stellen den Bereich dar, wo jeder sein Essen aus der Speisekarte auswählt. Im rechten Bereich, also bei den langen Tischen kann man nur aus den zwei Menüs wählen, die für die Kinder und Jugendlichen des Hotels gekocht werden. Ich darf vor allem die Kinder und Jugendlichen bitten, sich in den rechten Bereich zu begeben.

Es ist ausdrücklich erwünscht, dass auch einige Erwachsene in diesem Bereich Platz nehmen. Vor allem diejenigen, die die Qualität mit unserer Kantine oder mit dem verbilligtem Mittagsmenü im Restaurant in Rosenheim vergleichen wollen.

Noch etwas, die meisten wissen bereits, dass es um fünfzehn Uhr noch Kaffee und Kuchen gibt. Gleichzeitig kann jeder seine Wünsche und Anregungen loswerden, was seiner Meinung nach verbesserungswürdig oder verbesserungsfähig ist. Viel Spaß und guten Appetit euch allen beim Mittagessen.“

Ich wartete mit Siegfried, bis alle im Restaurant verschwunden waren und bat ihn, mich in die neue Küche zu bringen, da ich mich dort kurz umschauen möchte. In der Küche traf ich erwartungsgemäß auf Sebastian mit seinen beiden Auszubildenden. Ich fragte ihn, wie ihm die Küche gefalle und ob er bisher mit dem Ablauf zufrieden sei. Er meinte nur, die Küche ist exakt so wie sie sein sollte, damit die Abläufe funktionieren. An manchen Stellen hakelt es noch ein wenig bei den Abläufen, aber das sei bei ihm anfangs nicht anderes gewesen.

Im Restaurant stellte ich fest, dass sich Thomas zu den Jungs gesetzt und mir einen Platz freigehalten hatte. Ich verschaffte mir einen Überblick und war zufrieden mit der Aufteilung. Ich entdeckte Dennis und Anja, die aufmerksam die Mitarbeiter im Service beobachteten. Bevor ich mich zu Thomas setzte, sah ich noch, wie Dennis einen der jüngeren Mitarbeiter zu sich rief und ihm etwas erklärte.

So nach und nach hatten alle ihr Getränk vor sich stehen und bei unserer Gruppe wurde die Vorspeisensuppe serviert. Im Restaurantteil wurde ebenfalls die Tagessuppe serviert. Ich will euch jetzt nicht mit langweiligen Details vom Essen quälen. Interessant wurde es erst wieder danach, als ein Großteil der Testesser das Restaurant bereits wieder verlassen hatten und bei dem schönen Wetter die Umgebung genießen wollten.

Unbemerkt von mir hatten sich Bernd mit seiner Frau, Marion und Jens an unseren Tisch herangeschlichen. Sie fragten höflich, ob sie sich zu uns setzen dürften. Bevor sie sich setzten, stellte Bernd uns seine Frau vor, die von mir und Thomas herzlich begrüßt wurde. Ich sagte zu ihr: „Sabine, es freut mich, dass ich dich an diesem Wochenende bereits kennenlernen darf. Ansonsten hätten wir dies in fünf Wochen bei uns im Gutshof nachholen können. Du kommst doch auch mit zu unserer Hochzeitsfeier mit deinem Mann und Vinzenz?“

So, wie sie mich in diesem Augenblick anschaute, wurde mir bewusst, dass Bernd ihr noch nichts von unserer Einladung gesagt hatte. Sie schaute ihn vorwurfsvoll an, so dass Bernd sofort reagierte: „Wann hätte ich dir von der Einladung erzählen können? Gestern Abend lagst du bereits im Bett und hast geschlafen und heute morgen konnte ich dir gerade von meinem gestrigen Notfall kurz berichten und dann war ich schon wieder unterwegs, um den zweiten Teil der Aktion über die Bühne zu bringen.“

Sie lachte und antwortete ihm: „Du hättest es mir während des Mittagessens erzählen können. Da haben du und Marion fast ausschließlich über Peter und sein Engagement für benachteiligte Kinder und Jugendliche gesprochen. Ansonsten hast du nur über euren Plan und die Aktion von heute Vormittag berichtet. Ach doch, es gab noch ein weiteres Thema, die Gründung einer Jugendgruppe für schwule und lesbische Jugendliche und einen Stammtisch für deren Angehörige.“

Ich lachte sie an und meinte: „Immerhin hast du es jetzt von mir direkt erfahren, ich kann dir nur noch zusätzlich verraten, dass nicht nur Thomas und ich heiraten, es wird eine schwule Triple-Hochzeit sein. Die beiden anderen Paare sind mein Sohn Philipp mit seinem Marcus und Manuel, unser Gemüseanbaufachmann, mit seinem Daniel. Sie arbeiten alle für den Gutshof, entweder direkt oder über übernommene Unternehmen.“

Sie schaute mich fragend an und meinte, jetzt verstehe sie überhaupt nichts mehr. Ich erzählte ihr kurz einen Teil meiner Lebensgeschichte, wobei ich mich hauptsächlich darauf beschränkt auf den Teil mit Gabi, ihrem frühen Tod vor inzwischen achtzehn Jahren. Und wie sich Thomas in mein Herz und die Herzen meiner beiden Kinder geschlichen hat.

Danach gab es nur noch ein Thema, dass ich persönlich lieber unter den Tisch gekehrt hätte. Vinzenz und die Aktionen von gestern Abend und heute Morgen. Irgendwann erklärte ich, dass es für mich selbstverständlich sei, in solchen oder ähnlichen Situationen den Jugendlichen zu helfen, egal ob schwul, bisexuell oder hetero, wobei letztgenannte Gruppe viel seltener davon betroffen ist.

Zu unserer Runde gesellten sich nach und nach noch Sebastian, Siegfried, der Manager, und Josef, der Restaurantchef. Alle drei berichteten, dass sie mit dem Ablauf im Großen und Ganzen sehr zufrieden seien, da es keine größeren Pannen gegeben habe.

Thomas fragte mich ob ich Lust hätte, mit ihm ein wenig an die frische Luft zugehen und ein paar Meter zu gehen. Später sitzen wir doch wieder längere Zeit, und während der Heimfahrt hätten wir auch nicht viel Bewegung. Wir standen auf und verabschiedeten uns mit der Begründung, dass wir einen kleinen Spaziergang machen wollen. In der Lobby trafen wir auf Vinzenz, der, als er uns erblickte, sofort aufstand und sich uns näherte. Ich erklärte ihm, dass Thomas und ich einen kleinen Spaziergang machen wollen und ob er sich uns anschließen will. Freudestrahlend sagte er zu, und gemeinsam ging es nach draußen.

Unterwegs erzählte ich ihm von unserer Einladung, dass er in fünf Wochen mit Bernd und seiner Frau zu unserer Hochzeitsfeier kommen darf. Er wollte wissen, warum er eingeladen werde. Thomas erklärte ihm: „Ganz einfach, du und Bernd seid neue Mitarbeiter im Hotel, deine Kollegen waren alle in den Sommermonaten am Gutshof und haben uns bei unserem Zeltlager wochenweise unterstützt. Dabei haben sie den Gutshof bereits bestens kennengelernt. Ihr sollt auch in den Genuss kommen, unseren Firmenstammsitz kennenzulernen. Und zusätzlich wirst du viele Gleichgesinnte finden, die heute nicht dabei waren.

Um nur einige zu nennen, Peters Sohn Philipp mit seinem Freund Marcus, Manuel und Daniel, die beiden Paare feiern übrigens mit uns gemeinsam und heiraten ebenfalls. Dazu kommen Ludwig und Christian, Bernhard und Benjamin, Michael und Andreas, Alejandro und Jorge, unsere Spanier, sowie Axel und ein weiterer Dennis. Ich fürchte, du bist fast überfordert bei so vielen schwulen Jungs.“

Vinzenz schaute ihn mit großen Augen an und meinte: „Danke, dass ihr mich einladet, und ich den Firmenstammsitz kennenlernen darf. Seid ihr mir böse, wenn ich euch kein Hochzeitsgeschenk mitbringen kann? Ich habe noch nicht so viel verdient, dass ich mir das leisten könnte.“

Ich lachte und erklärte ihm: „Vinzenz, wir brauchen keine Hochzeitsgeschenke, wir haben alles, was ein Haushalt braucht. Im Übrigen haben wir dich eingeladen, damit du deinen Arbeitgeber besser kennenlernen kannst. Dass an diesem Wochenende ausgerechnet unsere Hochzeitsfeier ist, solltest du nicht überbewerten. In unseren schriftlichen Einladungen, die wir vor Wochen an die anderen Gäste verschickt haben, steht, dass wir keine Geschenke brauchen und wollen. Wer trotzdem Geld loswerden will, soll es für soziale Zwecke spenden.“

Kurz vor fünfzehn Uhr waren wir wieder zurück im Jugendhotel Tirol, wo uns ein völlig verändertes Restaurant erwartete. Vor den Fenstern war ein Podest aufgebaut, auf dem zwei längere, schmale Konferenztisch standen, dahinter sechs Stühle. Als Siegfried mich erblickte, eilte er auf mich zu und erklärte: „Peter, du und ich und deine vier Jungs, die sich Notizen machen, sitzen auf dem Podest. Alle anderen können sich einfach im Restaurant verteilen.

Ich ging zu meinen vier Jungs, die sich mit Vinzenz unterhielten und meinte, sie sollten sich schon einmal auf dem Podest breitmachen, damit sie mitnotieren können. Siegfried und ich kommen gleich zu euch und dann starten wir die Manöverkritik.

Tobias blieb stehen und sagte zu mir: „Für Vinzenz brauchst du kein extra Hotelzimmer reservieren, wenn er in fünf Wochen übers Wochenende in Rosenheim ist. Entweder er schläft die zwei Tage bei mir und David oder bei Dennis und Felix im Zimmer.“

Kurz nach fünfzehn Uhr eröffnete Siegfried mit einer kurzen Ansprache die Manöverkritik, wie er sie nannte und übergab mir als nächstes das Wort. Ich erklärte, was ich mir von der Aussprache erwarte: „Wer etwas beizutragen hat, sagt bitte zuerst seinen Namen und ob er im Hotel arbeite, ob er zu den Handwerkern oder ob er zur Rosenheimer Truppe gehöre.

Ich wünsche mir viele Wortmeldungen, auch von den jüngeren Gästen, da sie als Vertreter für die zukünftigen Gäste des Hauses sprechen würden. Vor allem ist mir persönlich wichtig, dass jeder seine ehrliche Meinung vertritt, denn nur so können wir aus den Fehlern lernen. Damit eröffne ich die Diskussion.“

Als einer der ersten hatte Raphael seine Hand nach oben gehoben. Er stand auf und legte los: „Ich bin Raphael Habermann und wohne mit meinen Eltern im Dachgeschoss des Gesindehauses. Meine Eltern arbeiten beide für Peter, meine Mutter als Sozialarbeiterin am Gutshof und mein Vater als Abteilungsleiter in der J. Graf GmbH.

Ich habe heute Mittag das Menü für die Mitarbeiter und Kinder und Jugendlichen getestet. Im Vergleich zu unserer Kantine im Gutshof und dem Essen hier, würde ich das Kantinenessen eindeutig bevorzugen, da es leckerer schmeckt. Meiner Meinung nach war das Gemüse heute etwas zu weichgekocht und zu wenig mit Kräutern abgeschmeckt. Ich kann mir dieses Urteil erlauben, da ich Montag bis Freitag, wenn ich von der Schule nach Hause komme, in der Kantine esse. Ich denke, mein Bruder Stephan kann euch das bestätigen.“ Ich schaute zu Stephan, der mit seinem Kopf nickte.

Tobias meinte, ob er dazu etwas sagen dürfte, was ich erlaubte: „Ich bin Tobias Huber, ebenfalls Rosenheimer. Peter ist mein Pflegevater. Ich kenne das Kantinenessen am Gutshof erst seit zwei Wochen und kann Raphaels Aussage zum Geschmack nur bestätigen. Das Essen heute Mittag erinnerte mich mehr an die Verpflegung, die uns im Kinderheim vorgesetzt wurde, was euch David, der mit mir im gleichen Kinderheim war, ebenfalls bestätigen kann.“

David stand auf und meinte:“ Ich bin David Politovsky, Neu-Rosenheimer und der zweite Pflegesohn von Peter. Tobis Aussage, dass es ihn ans Essen im Kinderheim erinnert, kann ich nur unterstützen. Seit ich Sebastians Kantinenessen kennengelernt habe, könnte ich sogar vollständig auf Fast-Food verzichten.“

Ich fragte, ob es zu dieser Thematik weitere Wortmeldung gebe. Einige Hände gingen nach oben, unter anderem von Hans Gerber dem Küchenchef und von einer seiner Mitarbeiterinnen aus der Küche. Ich meinte, als nächstes die Dame aus der Küche und danach der Küchenchef.

„Ich bin Gitte, arbeite hier im Hotel in der Küche als Küchenhilfe. Hans, ich kann mich den Jungs zu einhundert Prozent anschließen mit der Aussage, dass das Menü nicht mit dem vom Gutshof mithalten kann. Ich kann das sehr gut beurteilen, da ich im Sommer zwei Wochen bei der Zeltstadt mitgearbeitet habe. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, hat die Küche rund zweihundertfünfzig Portionen für die Kinder und für die Helfer noch einmal dreißig bis vierzig Essen herausgegeben. Dazu noch das, was zusätzlich an Mittagsmenüs im Restaurant verkauft wurde. Bei diesen großen Mengen hat das besser geschmeckt und wirkte nicht so verkocht wie unser heutiges Testessen.“

Hans stand auf und erklärte: „Danke für die konstruktive Kritik. Mir ist beim Probieren schon aufgefallen, dass wir noch nicht an die Qualität von Sebastian herangekommen sind. Wenn ich das richtig verstanden habe, fehlt zum einen noch die richtige Menge an frischen Gewürzen und das Gemüse wurde zu lange gegart. Das mit der Gar-Dauer sollten wir schnell in den Griff bekommen, bei den Gewürzen brauchen wir noch die Hilfe von Sebastian.“

Ich holte die Diskussionsführung wieder zu mir und sagte: „Ich denke, zum Menü sollte alles gesagt sein. Wie war das bei den Testessern mit dem Essen von der Karte?“ Nur zaghaft gingen einige Hände in die Höhe. Ich meinte: „Wir nehmen auch positive Kritik, wer mit dem, was ihm serviert wurde, zufrieden war, darf sich ebenfalls äußern.“

Letztendlich gab es fast nur positive Rückmeldung, was das Essen von der Karte anbetraf. Diese Erfahrung hatte ich gestern Abend bereits gemacht, nach unserer Ankunft im Jugendhotel.

Gegen sechzehnuhrdreißig löste ich die Versammlung auf und wünschte allen eine gute Heimreise. Ich hatte mich noch kurz mit Siegfried und Hans zusammengesetzt und ihnen erklärt, dass sie eine ausführliche Zusammenfassung von uns spätestens am Montag oder Dienstag vorliegen haben.

Kurz vor siebzehn Uhr saßen alle im Bus, einschließlich Carsten, Michael, Tobias und David. Ihre Reisetaschen hatten sie bei uns im Kofferraum verstaut. Jenifer und Jason verabschiedeten sich ebenfalls und freuten sich, dass sie direkt nach Hause fahren konnten, da sie jetzt ohne Mitfahrer wären.

Bernd und seine Frau kamen auf uns zu, verabschiedeten sich ebenfalls und ich meinte, wir sehen uns in knapp fünf Wochen. Als letzter näherte sich Vinzenz, nahm meine Hand und sagte: „Danke Peter, ich bin momentan so glücklich, weil du mir einen Weg gezeigt hast, um aus diesem Teufelskreis herauszukommen. Wir sehen uns in fünf Wochen und darauf freue ich mich riesig.“

Wie geplant haben wir uns am Sonntagmittag zusammengesetzt und das Protokoll vom Testwochenende erstellt. Es gab viel zu lachen, vor allem als Felix noch einmal schilderte, wie selbstsicher der kleine Raphael seinen Auftritt hingelegt hatte und aus seiner Sicht die Mängel beim Menü erklärte. Jason hatte mir in einer Mail die Schwachpunkte aus seiner und Jenifers Sicht übermittelt, die ebenfalls in unserem Bericht erörtert wurden.

Wir hatten den Bericht noch nicht vollständig fertiggestellt, als kurz vor fünfzehn Uhr Michaels Eltern zum Kaffee vor der Tür standen. Thomas hatte sich früh genug von uns abgesetzt und vorsichtshalber bereits zwei Kannen Kaffee gekocht. Tobias war bereits am Vormittag im Hofcafé und hatte ausreichend Obstkuchen und Tortenstücke besorgt.

Michael konnte es nicht lassen und erzählte seinen Eltern, die Geschichte von Vinzenz und was ich damit zu tun hatte. Besonders lustig fand er die Tatsache, dass ich den zukünftigen Sozialarbeiter im Hotel dazu gebeten hatte, und der sich am Ende als Noch-Mitarbeiter des Jugendamtes herausstellte, der auch noch für den Notdienst an diesem Wochenende zuständig war. Tobias fügte unseren Auftritt bei Vinzenz Eltern bei, den er nur von Vinzenz wissen konnte. Wir hatten bisher keinem erzählt, was sich dort abgespielt hatte.

Michaels Mutter Astrid meinte, nachdem die Jungs mit ihrer Schilderung geendet hatten: „Peter, kann es sein, dass du allen schwulen Jungs, die unglücklich sind oder in Schwierigkeiten stecken, versuchst zu helfen? Carsten ist auch so ein Beispiel, wo du dich eingemischt hast und dabei am Ende zwei Jungs glücklich gemacht hast.“

David lachte und erklärte: „Das kann ich nur bestätigen. Tobias und ich sind zwei weitere Beispiele dafür und wenn ich an die anderen Geschichten denke, die mir bisher zu Ohren gekommen sind, dann sind das in den letzten drei Jahren mindestens zehn Leuten, denen er geholfen hat.

Ich finde am lustigsten die Geschichte von Roland, einem hochbegnadeten Webdesigner, dem man auf einen Kilometer Entfernung schon ansieht, dass er stockschwul ist, da er sich meistens wie eine Tucke benimmt. Er hatte als Bester sein Studium beendet, fand aber wegen seines Auftretens keinen Arbeitgeber, der ihn beschäftigen wollte. Roland ist heute der Webdesigner, der sämtliche Webauftritte der Unternehmen des Gutshofes und weitere von Peter gesponserte Webseiten, wie die Seiten der schwulen Jugendgruppen, betreut. In Zusammenarbeit mit Bernhard hat er den Zugriff auf die Baupläne über eine Webseite entwickelt.“

Bemerkenswert war noch die Tatsache, als Astrid zu mir sagte, sie möchte ihr bisheriges soziales Engagement ausweiten und ob ich ihr dafür Tipps geben könne. Ich meinte zu ihr: „Drehen wir doch den Spieß um. Wenn du eine Idee hast, sprich mich an und wir schauen, wie wir deinen Vorschlag umsetzen können.“

Florian, unser Ausbildungsbeauftragter, informierte mich Mitte November, dass bisher zwanzig Zusagen vorliegen für unseren Auswahlevent. Zwei hätten wieder abgesagt, da sie bereits anderweitig einen Ausbildungsplatz angenommen hatten. Was mir noch fehlt sind deine beiden Jungs, die sich bisher nicht gemeldet haben. Ich meinte, dass ich mit ihnen reden würde, gehe aber davon aus, dass sie beide daran teilnehmen werden.

Als ich sie später angesprochen habe, erklärten sie mir, dass sie davon ausgegangen sind, dass sie dabei sind, ohne sich extra anmelden zu müssen. Ich sagte zu ihnen: „Meine Herren, für euch gibt es keine Extrawürstchen. Wenn sich alle Bewerber zur Veranstaltung anmelden sollen, dann gilt das auch für euch. Morgen Abend will ich eure Anmeldung auf meinem Schreibtisch finden, ansonsten könnt ihr euch woanders einen Ausbildungsplatz suchen. Habt ihr mich verstanden?“

Die beiden schauten mich an und David erklärte: „Peter ich sehe schon, du bist stinksauer auf uns deswegen. Wir wollten dich nicht verärgern. Wir haben wahrscheinlich nicht richtig nachgedacht und sind einfach davon ausgegangen, dass wir bei dieser Veranstaltung automatisch dabei sind.“

Ich lachte und erklärte ihnen: „Ich sage euch eins, Vetternwirtschaft wird es bei mir nicht geben. Genauso wie ich keine Mitarbeiter beschäftige, die intolerant sind. Wenn ihr euch bei den Vorstellungsgesprächen nicht anstrengt, schreibe ich eure Absagen persönlich und ihr könnt euch woanders einen Ausbildungsplatz suchen.“

In den nächsten vierzehn Tagen wurde es auf unserer Großbaustelle hektisch, zwei oder drei Tage lang standen die Betonmischer in langen Schlangen auf den Zufahrtswegen zum Gutshaus, nachdem der Wetterbericht für die nächsten zehn Tage ein trockenes und frostfreies Herbstwetter angekündigt hatte. Unser größtes Problem war dabei, dass die Restaurantgäste Schwierigkeiten hatten, mit ihren Fahrzeugen die Parkplätze am Restaurant zu erreichen.

Am Anfang der letzten vollen Novemberwoche meldete mir Dennis, dass die Decke über der Tiefgarage fertig gegossen sei und die ersten Mauern für die ersten zwei Wohnhäuser bereits hochgezogen werden. Bei der Gelegenheit wies ich ihn darauf hin, dass ich am kommenden Freitag und Samstag keine weiteren Kolonnen von Betonmischern auf den gesamten Flächen rund um das Gutshaus sehen will.

An diesem Montag erreichte mich auch der Anruf von Siegfried, unserem Hotelmanager in Österreich. Er teilte mir mit, dass der Eröffnungsfeier am Ende der nächsten Woche nichts mehr entgegenstünde. Glücklicherweise haben wir auch die erste Schulklasse, die am Montag darauf anreisen wird. Sie haben am Freitagnachmittag angefragt und heute ihre Entscheidung mitgeteilt.

Als ich nachfragte, erzählte er mir, dass die Gruppe eigentlich woanders gebucht hatte, sie dort aber wegen eines Wasserrohrbruchs in den nächsten Wochen nicht anreisen können. Über eine Internetsuche seien sie auf unsere Seite gestoßen und als sie gelesen hatten, dass wir am Wochenende davor wiedereröffnen, haben sie einfach eine Anfrage gestartet, in der Hoffnung, dass wir nicht bereits ausgebucht seien.

Ich habe noch ein weiteres Anliegen, meinte Siegfried: „Ich habe am Freitag vergessen, dich anzurufen, ich wollte Vinzenz schon am Dienstagmittag mit der Bahn zu euch schicken, damit er bei euch für zwei oder drei Tage mitlaufen kann und dabei sein bisheriges Wissen erweitern kann.

Zurückfahren würde er, wie bereits geplant, am Sonntag mit Bernd. Es sei denn, wir könnten ihn in der darauffolgenden Woche weiter mit dem notwendigen Wissen zum Buchungssystem und in der Gastronomie versorgen. Dann könntest du ihn zur Eröffnungsfeier mit zurückbringen. Mit der Verbindung, die wir herausgesucht haben, würde er morgen um kurz nach halb drei Uhr nachmittags am Bahnhof in Rosenheim ankommen. Ich versprach ihm das sofort zu klären und ihm in Kürze das Ergebnis mitzuteilen.

Ich suchte Alexandra im Restaurantbereich und als ich sie aufgespürt hatte, trug ich ihr das Anliegen von Siegfried vor. Sie lachte und meinte: „Peter, so wie ich dich kenne, wünscht du dir, dass er bei uns bis Ende nächster Woche seinen Feinschliff erhält. Du hast Glück, Anja macht nächste Woche Urlaub. Da können wir Vinzenz gut brauchen und ihn für seine Aufgaben fit machen. Sollen wir ihn im Gesindehaus unterbringen?“

„Ich gehe davon aus, dass das nicht nötig ist. Unsere beiden Pflegesöhne haben schon vor Wochen den Wunsch geäußert, dass Vinzenz, wenn er zur Hochzeitsfeier kommt, bei ihnen im Zimmer übernachten kann.“ erklärte ich Alexandra. „Falls sie es sich anders überlegen sollten, ein Zimmerchen wird sich für Vinzenz sicher finden lassen.“

Ich wollte von ihr wissen, ob Carsten im Haus sei, weil ich ihn fragen will, ob er Vinzenz morgen Nachmittag am Bahnhof abholen kann. Sie meinte, den findest du in der Küche bei Sebastian. Mein nächster Weg führte mich in die Küche, wo ich Sebastian und Carsten beim Vorbereiten von Gemüse entdeckte. Ich fragte Carsten, ob er morgen Vinzenz um halb drei Uhr vom Bahnhof abholen könne und zu mir ins Büro bringen würde. Er blickte zu Sebastian und der meinte nur: „Kein Problem, machst du morgen einfach eine halbe Stunde früher Schluss.“

Ich ging ins Büro zurück und rief bei Siegfried an. Nachdem er abgenommen hatte, bestätigte ich ihm, dass Vinzenz morgen kommen und bis Ende nächster Woche zu Ausbildungszwecken bleiben kann. Ich bat ihn, Vinzenz zu sagen, dass er bitte seine Dienstkleidung mitbringen soll, weil er die hier benötigt. Am Bahnhof abholen wird ihn Carsten, den er bereits am Testwochenende kennengelernt hat.

Ich bat ihn, mir noch die Reisedaten von Vinzenz per Mail zu schicken, damit ich sie an Carsten weiterleiten kann. Ich verabschiedete mich von ihm und meinte, dass ich vermutlich bereit am Freitagnachmittag mit Vinzenz, Thomas und unseren beiden Pflegesöhnen anreisen und im Hotel übernachten werde.

Am Abend habe ich Thomas von der aktuellen Entwicklung berichtet und ihn gebeten, unseren beiden Jungs vorerst nichts von Vinzenz morgiger Anreise und wie lange er bleiben werde, zu erzählen.

Am Dienstagnachmittag kurz nach drei klopfte es an meiner Bürotür und als sich die Tür öffnete, trat Carsten gefolgt von Vinzenz mit einem größeren Koffer in mein Büro. Ich begrüßte Beide und bedankte mich bei Carsten dafür, dass er unseren Gast vom Bahnhof abgeholt hat. Carsten verabschiedete sich gleich wieder, da er sofort zu Familie Gruber fahren wollte, um Michael über die Ankunft von Vinzenz zu informieren. Ich fragte Vinzenz, wie seine Anreise verlaufen sei. Er meinte, beide Züge seien pünktlich gewesen.

Ich informierte Alexandra, dass Vinzenz eingetroffen sei und bat sie für ein erstes Gespräch zu mir ins Büro zu kommen. Sie erklärte, dass sie in wenigen Minuten bei mir sei, sie würde nur Sebastian kurz berichten, dass Vinzenz angekommen sei. In der Zeit bis zu ihrer Ankunft bat ich Vinzenz mir zu erzählen, was ihm Siegfried zu seiner Ausbildung bei uns mit auf den Weg gegeben habe. Er meinte dazu: „Nicht viel, nur dass er seine Dienstkleidung mitnehmen solle und sich vernünftig in die Hotelsoftware einarbeiten lassen soll.“

Es klopfte und Alexandra und Sebastian betraten das Büro. Sebastian ging direkt zu Vinzenz und begrüßte ihn freundlich: „Herzlich willkommen am Gutshof zu deiner achttägigen Sonderausbildung. Siegfried hat mich angerufen und gebeten, dich vor allem in die Hotelsoftware und die Arbeit an der Rezeption einzuarbeiten.

Zumindest in dieser Woche hast du den gleichen Dienstplan wie Dennis. Du hängst dich wie eine Klette an seine Fersen und lässt dir von ihm alles zeigen, was und wie er es macht. Am Wochenende sehen wir, ob du gewisse Tätigkeiten schon allein ausführen kannst. Dementsprechend wird dein Wochenplan für die nächste Woche aussehen.“

Alexandra erklärte: „Ich werde gleich noch Dennis informieren, dass du ihm ab morgen auf Schritt und Tritt folgen wirst und er dir alles zeigen soll, damit du viel in dieser Woche lernst. Vinzenz, zu deiner Info, von den Jungs weiß bisher keiner, außer Carsten, der dich am Bahnhof abgeholt hat, dass du bereits heute ankommst.“

Vinzenz grinste: „Jetzt verstehe ich, warum Carsten es so eilig hatte, um Michael die Nachricht von meiner Ankunft zu überbringen. Peter, wann willst du es dem Rest sagen, dass ich bereits eingetrudelt bin.“

Bevor ich etwas sagen konnte, verabschiedeten sich Sebastian und Alexandra und verließen das Büro. Ich griff zum Hörer und wählte die Nummer unserer Wohnung. Ich deute, Vinzenz ruhig zu sein, während ich mit den Jungs telefoniere. David hatte abgenommen und ich erklärte ihm in einem etwas strengeren Ton, dass er und Tobias sofort in mein Büro kommen sollen, ich hätte etwas mit ihnen zu bereden.

Vinzenz grinste und meinte: „Bei dem Ton würde ich jetzt darauf tippen, dass ich etwas ausgefressen habe und gleich einen Anschiss bekomme, der sich gewaschen hat. Ich bin gespannt wie die beiden gleich angekrochen kommen. Ich freue mich ihre Gesichter zu sehen, wenn ich plötzlich vor ihnen stehe.“

Es klopfte. Vinzenz ging in die Besprechungsecke, wo ihn die Beiden nicht sofort sehen konnten. Die Zwei traten ein und schauten etwas betrübt in meine Richtung. Ich fing zu lachen an, was die Zwei noch mehr verwirrte. Plötzlich sagte Vinzenz: „Freut ihr euch überhaupt nicht, dass ich heute schon hier bin und sogar bis Ende nächster Woche bleibe. Ich fahre mit euch zur Eröffnungsfeier zurück nach Österreich.“

Die beiden Jungs schauten erst zu Vinzenz, dann wieder zu mir. David fing zu grinsen an und sagt laut und deutlich: „Peter, mit deinem Anruf eben hast du uns ganz schön auf dem Arm genommen. Wir dachten schon, du bist schon wieder sauer auf uns. Diesmal wussten zwar nicht warum, dabei hast du uns nur gewaltig auf den Arm genommen. Eigentlich wolltest du uns nur einladen, Vinzenz aus deinen Fängen zu befreien. Wir nehmen ihn dir gern ab, komm Vinzenz, wir gehen nach oben, dann kannst du dich bei uns häuslich einzurichten, wenn du schon bis Ende nächster Woche hierbleibst.“

Sie schnappten sich Vinzenz und verkrümelten sich zurück in die Wohnung. Ich widmete mich wieder meiner Arbeit, bis ich gegen siebzehn Uhr den Arbeitstag beendete. Ich ging nach oben und als ich die Wohnung betrat, kamen mir die drei Jungs entgegen. Vinzenz hatte sich inzwischen eingerichtet und die Jungs hatten sich scheinbar länger mit ihm unterhalten. Sie wussten bereits, dass er zum Lernen und Arbeiten hier ist und ab morgen erst einmal Dennis als Klette bei seinem Tagesablauf begleitet.

Ich ging in die Küche und Vinzenz folgte mir. Gemeinsam fingen wir an das Abendessen vorzubereiten. Wir waren gerade dabei die Wurst- und Käseplatte vorzubereiten, als Thomas in die Küche trat. Er begrüßte Vinzenz und fragte, ob er uns helfen könne. Ich meinte, er könne schon den Tisch decken, für sieben Personen, da Dennis heute auch mit dabei sein wird.

Bevor er in die Essecke ging, fragte er Vinzenz, warum er helfe, als Gast, und nicht einer der Jungs. Vinzenz meinte, wenn ich zehn Tage bei euch bin, bin ich kein Gast, sondern eher ein Mitbewohner. Wie mir Tobi erklärt hat, helfen alle Mitbewohner mit und machen abwechselnd Frühstück, Abendessen, die Wäsche, na halt alles, was in der Wohnung so anfällt.

Am Esstisch meinte Dennis zu Vinzenz: „Na, Klette, morgen heißt es frühaufstehen. Unser Dienst beginnt um sechs Uhr im Gesindehaus. Wir sind für das Frühstück der Gäste im Gesindehaus zuständig. Die Brötchen werden gegen sechsuhrdreißig angeliefert, alles andere bereiten wir vor. Bei der Schulklasse wird mehr Tee oder Kakao getrunken, Kaffee dürfte nicht so gefragt sein.

Wir bauen das Büffet auf und wenn Sachen ausgehen, wird nachgefüllt. Von neun bis zehn Uhr sitzen wir an der Rezeption, die gleichzeitig der Kiosk ist. Meist ist Alexandra im Büro, falls wir Fragen nicht beantworten können. Danach haben wir eine halbe Stunde Pause. Von zehnuhrdreißig bis vierzehn Uhr sind wir dann im Restaurant.

Danach ist dann Arbeitsschluss für uns. Morgen Nachmittag zeige ich dir den Gutshof, mit allem, was er zu bieten hat, Landwirtschaft, Hofladen, Hofcafé und die große Baustelle mit den vielen Wohnungen für die Mitarbeiter. Vielleicht schaffen wir es auch in die Gärtnerei, von der wir hauptsächlich unsere Kräuter und das meiste Gemüse beziehen.“

Tobi erklärte anschließend: „Morgen Abend schleppen wir dich mit zur Jugendgruppe der schwulen Jungs, sofern du noch auf den Beinen stehen kannst.“

Dennis meinte: „Das sollte kein Problem sein, Am Donnerstag fangen wir erst um zehnuhrdreißig mit der Arbeit im Gesindehaus an, ab fünfzehn Uhr geht es im Restaurant weiter mit den Vorbereitungen für den Abend und gegen neunzehn Uhr ist dann Schluss für uns.“

Nach dem Essen saßen wir noch eine Weile im Wohnzimmer, bis sich Dennis und Vinzenz zum Schlafen zurückzogen. Für sie sollte die Nacht um fünfuhrfünfzehn enden und die erste Schicht für Vinzenz im Gutshof beginnen. Der Rest verzog sich nach und nach ebenfalls. Selbst ich ging etwas früher schlafen, weil ich am Mittwoch ebenfalls etwas eher aufstehen wollte.

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