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Regenbogenfamilie

Teil 104 - Ein unruhiges Wochenende

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Kurz vor zehn Uhr stürmten Oliver, Bernhard, Noah, Simon, Philipp und Marcus in mein Büro. Mit so einem großen Ansturm aus der IT-Abteilung hatte ich nicht gerechnet, so dass ich die Jungs aufforderte ins Besprechungszimmer zu wechseln und versprach, gleich nachzukommen.

Im Besprechungsraum begrüßte ich die fünf Jungs und Oliver und fragte: „Womit habe ich es verdient, dass ihr in so großer Besetzung zur Besprechung mit Oliver kommt?“

Philipp meinte: „Ursprünglich war geplant, dass nur Marcus und ich mit Oliver zu dir kommen wollten. Oliver hat darauf bestanden, dass zumindest Bernhard bei dem Gespräch dabei sein soll, weil er die Dokumenten- und Bauplansoftware am besten kenne. Dass die beiden Jungs mitgekommen sind, kam dann von Bernhard, der meinte, dass die beiden aus dem Gespräch einiges lernen oder sogar etwas dazu beitragen könnten.“

Ich lachte und antwortete: „Gut, ich habe kein Problem, wenn unsere beiden Neulinge dabei sind. Ich will die beiden Jungs trotzdem fragen, ob es aus ihrer Sicht in Ordnung ist, dass sie bei diesem Gespräch dabei sind.“

Bernhard schaute mich etwas verwundert an, während Noah erläuterte: „Kein Thema für Simon und mich, solange Bernhard und du in unserer Nähe seid. Kritischer könnte es vielleicht nur werden, wenn wir nur mit Oliver und Philipp oder Marcus zusammensitzen würden.“

Ich sah Oliver an und meinte: „Oliver, du fängst an, uns aus deiner Sicht zu schildern, welche Erkenntnisse du diese Woche bei uns gewonnen hast. Es geht immerhin, um deine Entscheidung, zusammen mit uns eine Niederlassung unserer IT im Allgäu aufzubauen, damit verbunden die Aufgabe, die Kunden im Allgäu zu betreuen.“

Oliver sagte: „Zuerst möchte ich mich vor allem bei den Jungs bedanken, die mir geduldig alle Fragen beantwortet und mir einen Einblick in ihre Arbeit gewährt haben. Vor allem dem Team um Bernhard gilt mein besonderer Dank, weil das, was hier entwickelt wurde, eine absolute Neuheit ist. Das ihr das gewinnbringend vermarkten wollt, kann ich nur zu gut verstehen.

Interessant waren die Einblicke und Gespräche mit Jason, der zusammen mit Bernhard die Grundlagen dafür geschaffen hat. Er hat mir ausführlich geschildert, welche Ausbreitung das durch das Architekturbüro Schreiber mit initiierte Projekt inzwischen erreicht hat. Es wird bereits bei einem Architekten in Tirol, aber auch im Architekturbüro Arndt beim Ostseehotel eingesetzt.

Er hat erzählt, dass sehr viele der beteiligten Handwerker sich bereits entschieden haben, die Software einzusetzen und von euch bereits eine Niederlassung in Scharbeutz geplant ist, damit die Kunden vor Ort betreut werden können. Wenn ich Philipp richtig verstanden habe, ist das ein bestehendes IT-Unternehmen, in das ihr einsteigen wollt. So ähnlich, wie die Zusammenarbeit mit mir geplant ist. Was soll ich lange erklären, euer Angebot klingt verlockend, wenn es da nicht auch ein aber gäbe. Ich würde zumindest einen Teil meiner Selbstständigkeit verlieren und da bin ich mir nicht so sicher, ob ich dazu bereit bin.“

Ich schaute Oliver an und erklärte: „Dein Argument kann ich nicht verstehen. Aus meiner Sicht bleibst du ein selbstständiger IT-Fachmann, der unter anderem für die Stiftung arbeitet. Das gemeinsame Unternehmen übernimmt die Betreuung aller Kunden im Allgäu, sowohl das Housing von deren Rechnern und die Wartung. Ich sehe eher ein Problem darin, dass du dir nicht vorstellen kannst, dass du eine Menge Mitarbeiter dirigieren und leiten sollst. Auf der anderen Seite bieten wir dir eine gewisse Umsatzsicherheit, da du alle im Projekt Allgäu verwirklichten Ideen dauerhaft betreust.

Ich kann mich noch sehr gut an unser erstes Gespräch erinnern, wo wir bereits von einem größeren Mitarbeiterstamm gesprochen haben, den du mit großem Erstaunen zur Kenntnis genommen hast. Ich dachte eigentlich, dass ihr euch ausführlich zu diesem Thema ausgesprochen habt.“

Oliver antwortete: „Haben wir auch. Vor allem Bernhard hat mir erklärt, dass für ihn vor allem Supportmitarbeiter wichtig sind, die die Kunden direkt vor Ort betreuen können. Philipp hat mir aufgezeigt, dass die Mitarbeiter vor Ort alle Probleme der Kunden lösen sollten, sowohl hardwareseitig als auch bei der eingesetzten Software.

Als ich ihm erklärte, dass sie das doch auch zentral erledigen könnten, erklärte er mir, dass eine vernünftige zentrale Betreuung nicht effektiv möglich sei, vor allem weil das neu eingerichtete Rechenzentrum nicht über die nötige Kapazität verfügt, einen bundesweiten Service zu gewährleisten. Hinzu kommt, dass bei Ausfällen an dezentralen Systemen immer ein Techniker vor Ort sein sollte, da sonst keine kurzfristige Lösung des Problems möglich sei.

Genau genommen sehe ich inzwischen die Notwendigkeit von gut ausgebildeten Mitarbeitern bei einem Projekt in dieser Größenordnung. Ich habe nur keine Ahnung, woher wir diese Mitarbeiter bekommen sollen.“

Ich erklärte: „Ich wüsste schon eine Möglichkeit. Das Problem lässt sich am leichtesten lösen, wenn man die Leute selbst ausbildet. Könntest du dir vorstellen, dass wir gemeinsam für das kommende Ausbildungsjahr mehrere Auszubildende suchen? Da wir bis zum Herbst noch nicht in Marktoberdorf an den Start gehen können, schlage ich vor, dass die Ausbildung bei uns in Rosenheim durchgeführt und alle spätestens am Ende des zweiten Ausbildungsjahres ins Allgäu zurückkehren und dort ihre Ausbildung beenden.

Die Auszubildenden können in der Zeit in unseren Appartements im Jugendwohnheim leben, oder, sofern gewünscht, als Wohngemeinschaft in einer der neuen Wohnungen untergebracht werden. Bei der Unterbringung sehe ich nicht das große Problem. Die Frage ist eher, ob ich unseren Jungs in der IT ab September weitere Auszubildende zumuten kann, da wir für unseren Bedarf in Rosenheim bereits acht neue Auszubildende eingestellt haben. Das können mir nur meine Jungs erklären. Zuvor solltest du uns aber bestätigen, ob du dir diese Lösung grundsätzlich so vorstellen kannst.“

Oliver schaute meine Jungs in der IT an und antwortete: „Vorstellen kann ich mir das schon, aber glaubst du daran, dass wir zwei oder drei Auszubildende finden, die die ersten beiden Ausbildungsjahre heimatfern absolvieren wollen? Ich bin da nicht so überzeugt davon, dass sich überhaupt einer auf eine Anzeige meldet.“

Simon grinste und erklärte: „Oliver, du kennst mich vom Campingplatz. Meine Eltern haben dort einen festen Stellplatz für ihren Wohnwagen. Ich habe kein Problem, meine Ausbildung hier in Rosenheim zu absolvieren. Gut, vermutlich werde ich nie wieder zurückkehren, da ich mich in Noah verliebt habe und langfristig hier mit ihm leben will.

Versuchen solltet ihr es auf alle Fälle. Viele haben bis heute noch keinen festen Ausbildungsplatz, weil das Angebot in Marktoberdorf und Umgebung zu gering ist. Warum sollte nicht der eine oder andere die Chance ergreifen, wenn ihm ein Ausbildungsplatz mit Unterkunftsgarantie angeboten wird. Zumal ihm spätestens mit dem Ende seiner Ausbildung ein fester Arbeitsplatz in seiner Heimat garantiert ist. Du musst eher befürchten, dass der eine oder andere am Ende gar nicht nach Marktoberdorf zurückgehen will.“

Oliver lachte und sagte: „So habe ich das noch gar nicht gesehen. Da fällt mir ein, ich hatte in den letzten knapp drei Wochen drei Anrufe, von drei Jungs, die bei mir anfragten, ob ich IT-Fachleute ausbilden würde. Ich habe den Jungs erklärt, dass ich bisher nicht geplant habe, für das kommende Ausbildungsjahr neue Auszubildende aufzunehmen.

Ich habe mir von allen dreien ihr Handynummer geben lassen. Ich wollte mich bei ihnen melden, sofern sich bei mir noch etwas an der Planung ändern sollte. Wir könnten die drei Jungs fragen, ob sie sich auf eine Ausbildung in Rosenheim einlassen können mit der Garantie, einen festen Arbeitsplatz in Marktoberdorf am Ende der Ausbildungszeit zu bekommen. Zuerst sollten aber eure Jungs erklären, dass sie Auszubildende für das Allgäu mit ausbilden würden.“

Bernhard reagierte als Erster: „Von meiner Seite wird es keinen Einwand geben. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir gern noch zwei oder drei weiteren Auszubildenden eine Chance geben können. Wir haben uns eigentlich nur eingeschränkt, da wir zu diesem Zeitpunkt keine feste Garantie geben konnten, dass nach der Ausbildung alle einen festen Arbeitsplatz erhalten. Mit der zwischenzeitlich veränderten Ausgangssituation sollten wir dringend das Ausbildungskontingent im IT-Bereich erhöhen.“

Marcus erklärte: „Philipp und ich können uns der Aussage von Bernhard nur anschließen. Aber, wenn wir uns schon Auszubildende aus dem Allgäu holen, dann sollten wir den beiden Jungs aus Scharbeutz ebenfalls die gleichen Chancen einräumen. Unser zukünftiger Partner in Scharbeutz hat vor gut einer Woche angefragt, ob er uns zwei Jungs nach Rosenheim schicken könne, die bei uns die Ausbildung absolvieren und anschließend in Scharbeutz einen festen Job bekommen. Wir haben ihm erklärt, dass wir das intern abklären und uns wieder bei ihm melden. Wir haben uns bisher nicht wieder bei ihm gemeldet, da wir in den letzten Tagen nicht die Zeit dazu hatten, mit dir diese Thematik zu besprechen. Dass das zufälligerweise heute im Gespräch mit Oliver zu einem Thema werden könnte, haben wir nicht unbedingt erwartet.“

Ich meinte: „Ich hoffe, jeder hat zu diesem Thema alles gesagt, was zu sagen ist. Ich bin mit von der Partie, da von mir der Vorschlag gekommen ist, für unsere neuen IT-Niederlassungen bei uns in Rosenheim auszubilden. Nur sollten wir das sehr kurzfristig angehen, damit wir am Ende auch wirklich so viele Auszubildende haben, wie in zwei oder drei Jahren als feste Mitarbeiter gebraucht werden.

Wenn ich die letzten Aussagen richtig deute, gehe ich jetzt davon aus, dass Oliver mit uns zusammen die selbstständige Niederlassung in Marktoberdorf aufbauen wird und als Geschäftsführer die Verantwortung übernimmt.“

Nach einer kurzen Pause, in der keiner etwas sagte, sprach ich weiter: „Oliver, du bleibst mit unseren Leuten aus der IT im Gespräch, damit wir rechtzeitig zur Fertigstellung des Gebäudes mit dem Unternehmen starten können. Philipp oder Marcus, einer von euch beiden bleibt noch bei Oliver und mir, alle anderen können wieder an ihre Arbeit zurückgehen. Ich hole kurz Florian, unseren Ausbildungsbeauftragten, damit wir uns überlegen, wie die Vorstellungsgespräche ablaufen sollen.“

Während ich Florian holte, verließen die Jungs das Besprechungszimmer und gingen in ihre Büros im IT-Gebäude. Bei meiner Rückkehr mit Florian erwarteten uns Marcus und Oliver. Ich stellte Florian kurz als unseren Ausbildungsbeauftragten vor und Oliver als den neuen Leiter der zukünftigen IT-Niederlassung in Marktoberdorf im Allgäu. Ich forderte Marcus auf, Florian zu erklären, warum wir ihn zu diesem Gespräch hinzugeholt hätten.

Marcus erklärte: „Florian, ich gehe davon aus, dass du bereits ahnst, warum wir dich zu diesem Gespräch dazu geholt haben. Es geht darum, dass wir hier in Rosenheim einige Auszubildende in der IT ausbilden wollen, die spätestens nach ihrer Ausbildung in ihre Heimat zurückkehren und in den neuen IT-Niederlassungen einen festen Arbeitsplatz übernehmen. Es geht dabei nicht nur um die Niederlassung im Allgäu, sondern auch aus Scharbeutz liegt uns eine entsprechende Anfrage vor.

Ich befürchte jedoch, dass Peter die zusätzlichen Auszubildenden zu einem Kennenlernwochenende einladen möchte, bei dem die Vorstellungsgespräche geführt werden und den Auszubildenden in Lauerstellung erklärt wird, wie ihre Ausbildungszeit bei uns aussehen wird. Könnten wir in zwei oder drei Wochen, oder auch etwas später, die Auszubildenden zu uns einladen? Bevor ich es vergesse, Peter will die Auszubildenden im Jugendwohnheim unterbringen.“

Florian erwiderte: „Dass es nur um Auszubildende gehen kann war eigentlich von vornherein sicher, denn sonst hätte er nicht mich zu diesem Gespräch geholt. Aus meiner Sicht können wir ein solches Wochenende auch veranstalten. Nur wird es nicht, wie an Weihnachten, ein großes Rahmenprogramm geben, dazu sind die zwei Tage viel zu kurz. Von wie vielen Teilnehmern sprechen wir eigentlich?

Marcus erläuterte: „Nach dem jetzigen Wissensstand reden wir von drei möglichen Kandidaten aus dem Allgäu und zwei Jungs aus Scharbeutz. Genaueres können wir dir erst sagen, wenn wir die notwendigen Telefonate geführt haben. Für uns war erst einmal nur wichtig zu wissen, ob wir sie zu Gesprächen zu uns einladen können. Immerhin hast du die ganze Arbeit mit den zusätzlichen Bewerbern, auch langfristig betrachtet.“

Florian sagte: „Peter, so langsam verstehe ich, warum du auch mir einen Auszubildenden empfohlen hast. Dir ist längst bewusst gewesen, dass wir zukünftig noch viel mehr Jugendliche ausbilden wollen, die langfristig in den ständig wachsenden Unternehmen einen festen Arbeitsplatz finden. Wenn bis zu den Sommerferien noch weiter Auszubildende hinzukommen, werden wir vermutlich fünfzig neue Auszubildende in den Unternehmen beschäftigen. Wie schnell kann ich von euch die genauen Zahlen und die Daten der Neuzugänge bekommen?

Ich antwortete: „Ich denke, dass wir bis spätestens Mitte nächster Woche endgültig wissen, wie viele weitere Auszubildenden dazukommen. Wir werden auf alle Fälle veranlassen, dass die Bewerbungsunterlagen direkt an dich geschickt werden, damit du dir selbst ein Bild machen kannst.

Marcus und ich werden gleich mit Scharbeutz telefonieren und anfragen, wie viele Kandidaten es sein werden. Oliver klärt mit den bei ihm eingegangenen unverbindlichen Anfragen, ob die möglichen Bewerber ihre Ausbildung im Stammsitz der Firmengruppe absolvieren werden, mit der Garantie verbunden, danach in Marktoberdorf eingesetzt zu werden.“

Florian hatte uns kaum verlassen, als Marcus die Nummer der zukünftigen Niederlassung in Scharbeutz wählte. Er hatte sofort Jan Schmidt, den Chef der Niederlassung in der Leitung. Er erklärte ihm kurz, dass wir in der Zwischenzeit seine Anfrage hinsichtlich der Auszubildenden besprochen hätten und wir die Ausbildung hier in Rosenheim übernehmen würden.

Ich mischte mich ein: „Hallo Jan, hier ist Peter. Mich würde interessieren, ob du deinen Kandidaten schon erklärt hast, dass ihre Ausbildung in Bayern stattfinden wird. Wenn ja, und wenn weiterhin Interesse besteht, brauchen wir kurzfristig die Daten und Unterlagen. Wir werden alle, vermutlich in einigen Wochen, für ein Wochenende zu uns an den Gutshof einladen, damit sie uns und ihren künftigen Ausbildungsplatz kennenlernen.“

Jan erwiderte: „Peter, logisch habe ich den inzwischen drei Kandidaten erklärt, dass die Ausbildung im Stammsitz der Unternehmensgruppe stattfinden wird. Bei zwei Jungs habe ich die Zusage, dass sie dort die Ausbildung durchziehen wollen. Bei dem Kandidaten, der gestern bei mir war, fehlt mir noch die Rückmeldung.

Übrigens, die Idee, die Jungs für ein Wochenende einzuladen ist eine grandiose Idee. So können sie euch und das neue Umfeld im Vorfeld kennenlernen und sich immer noch gegen eine Ausbildung im tiefen Süden entscheiden. Bei den beiden Kandidaten, von denen bereits die Zusage vorliegt, liegt mir auch eine Einverständniserklärung der Eltern vor, da beide zu Beginn der Ausbildung noch nicht volljährig sind.

Ich werde die beiden Jungs informieren, dass sie in den nächsten Tagen eine Mail erhalten mit der Einladung auf den Gutshof, um ihren Ausbildungsplatz und das Umfeld kennenzulernen. Beim dritten Kandidaten werde ich gleich anrufen und mit ihm abklären, ob er seine Ausbildung bei euch absolvieren will. Da er bereits volljährig ist, kann er allein entscheiden. Wenn er zusagt, schicke ich euch die Unterlagen ebenfalls zu.“

Ich meinte: „Übermittle die Unterlagen deiner Kandidaten direkt an Florian, unseren Ausbildungsbeauftragten, an die allgemeine Mailadresse der Ausbildungsabteilung. Sobald wir uns auf den Termin geeinigt haben, geht die Einladung an die Jungs raus. Kommst du auch an diesem Wochenende mit den Jungs mit?“

Jan meinte: „Ich habe keine Ahnung, was ich zu eurem Meetingevent beitragen soll. Ich werde mir das überlegen und euch in den nächsten Tagen mitteilen, ob ich zum Event komme.“

Da ansonsten alles geklärt war, verabschiedeten wir uns von Jan und Marcus beendetet das Gespräch. Zu mir meinte er: „Peter, ich hätte von ihm schon erwartet, dass er seine Jungs zu uns begleitet. Ich bin mir jetzt doch nicht mehr so sicher, ob es vernünftig war, dir den Vorschlag zu unterbreiten, die Ausbildung seiner zukünftigen Mitarbeiter bei uns durchzuführen. Ich hatte eben den Eindruck, dass er desinteressiert wirkt, wenn es um seine zukünftigen Mitarbeiter geht.“

Ich meinte zu Marcus: „Mir kam seine Reaktion auch etwas komisch vor, aber wir wissen nicht, warum er so reagiert hat. Warten wir einfach die nächsten Tage ab. Vielleicht ändert er doch noch seine Meinung und kommt mit seinen drei zukünftigen Mitarbeitern zum Kennenlern-Event.“

Oliver hatte zwischenzeitlich mit seinen drei Bewerbern gesprochen und ihnen die Situation erklärt, warum er ihnen nur auf diesem Weg eine vernünftige Ausbildung anbieten kann, da er in zwei Jahren viele Mitarbeiter brauchen wird, aber die Ausbildung bis dahin nicht für drei Auszubildende stemmen könne. Er meinte: „Ich kann den Chef Peter und einen der beiden IT-Chefs, Marcus mit C geschrieben, ins Gespräch mit einbinden, da sie ihr Telefonat beendet haben.“

Er meinte wohl, dass er gerne mit uns sprechen würde, so dass Oliver auf Lautsprecher umschaltete. Ich begrüßte den Anrufer, und meinte, dass er mich bitte mit Peter ansprechen. Er meinte: „Ich bin Wolfgang Brucker, wohne bei meinen Eltern und besuche derzeit die zehnte Klasse der örtlichen Realschule.

Herr Fischer hat mir gerade erklärt, warum er derzeit selbst nicht ausbilden kann und ich meine Ausbildung bei euch in Rosenheim absolvieren könnte. Ihr hättet Appartements, in denen die Auszubildenden während der Ausbildung untergebracht werden. Gleichzeitig gibt es eine Garantie, dass ich spätestens am Ende meiner Ausbildung in eurem gemeinsamen Unternehmen in Marktoberdorf einen festen Arbeitsplatz erhalte. Ich würde gern wissen, wo der Haken bei diesem Angebot ist, denn den gibt es doch fast immer?“

Ich antwortete: „Wolfgang, es gibt keinen Haken dabei, unser IT-Bereich expandiert derzeit übermäßig. Und um dem gerecht zu werden, werden wir nach und nach bundesweit Niederlassungen zur Versorgung der Kunden errichten. Ich habe Oliver vor wenigen Wochen kennengelernt, als wir den Camping- und Ferienhauspark in Marktoberdorf übernommen haben.

Wir werden dort zusätzlich ein Jugendhotel und ein Jugendwohnheim errichten, die Infrastruktur des Campingplatzes wird erneuert, dazu einen kleinen Supermarkt ein Restaurant und die neuen Büroräume für das IT-Unternehmen. Gegenüber wird ein neues Baugebiet ausgewiesen, dort werden wir weitere Wohnungen, auch für Mitarbeiter von uns, errichten.

Der Vorschlag, euch bei uns in Rosenheim auszubilden, kommt von mir, da wir in etwa zwei bis drei Jahren gut ausgebildete Mitarbeiter in der dortigen Niederlassung brauchen werden. Das mit den Appartements für die Auszubildenden ist nicht geschummelt. Derzeit sind im Gutshofgelände drei neue Gebäude im Bau, die bis Ende Juli bezugsfertig werden.

Ab September werden dort etwa vierzig Auszubildende wohnen, die zumindest teilweise bei uns ausgebildet werden. Rund fünfzehn Auszubildende bleiben für etwa ein Jahr in Rosenheim, sie werden ihre Ausbildung, während des Umbaus des Ostseehotels, in unserem Jugendhotel, dem Seminarhotel und beim Restaurant im Gutshof Sonneneck weiterführen. Dazu kommen noch Auszubildende, die mit ihrer Volljährigkeit den Platz im Kinderheim verlieren und vom Jugendamt in diesen Appartements untergebracht werden.

Wir werden allein in der IT ab Herbst mindestens dreizehn Auszubildende haben, wovon mehr als die Hälfte im Jugendwohnheim leben, der Rest sind Einheimische. Insgesamt kommen sechzehn Jugendliche als Auszubildende zu uns, die in Kinderheimen in München, Gera, Erfurt und Kassel aufgewachsen sind.

Wie du an den Zahlen bereits siehst, seid ihr nicht die einzigen Jugendlichen, die während ihrer Ausbildung in einem der Appartements untergebracht werden. Für unsere Unternehmensgruppe ist es selbstverständlich, allen Jugendlichen, die von auswärts kommen, eine Unterkunft zu bieten. Selbst Jugendliche, die in der Nähe wohnen, werden bei uns untergebracht, wenn deren Arbeitsbeginn oder -ende außerhalb der Verkehrszeiten des Personennahverkehrs liegt.“

Wolfgang sagte: „Die Informationen, die ich jetzt von dir erhalten habe, haben mich überzeugt, dass euer Angebot ohne irgendwelche Hintergedanken oder Haken ist, da es für eine große Bandbreite von Auszubildenden in euren Unternehmen zur Anwendung kommt. Ich werde meine Bewerbungsunterlagen noch heute an euch abschicken und freue mich auf das Kennenlernwochenende, das Oliver angekündigt hat.

Ich hätte jetzt doch noch eine Frage, ein ehemaliger Schüler und ein guter Freund von mir, hat bisher ebenfalls keinen Ausbildungsplatz in Marktoberdorf oder in der Nähe finden können. Ich würde ihn gern ansprechen und ihm euer Angebot unterbreiten. Wenn er an einer Ausbildung bei euch interessiert ist, darf er euch auch seine Bewerbungsunterlagen einreichen?“

Ich antwortete: „Wenn er, wie du und die beiden anderen Bewerber, eine Ausbildung im IT-Bereich anstrebt, kann er sich gern bei uns bewerben. Theoretisch kann ich mir alternativ vorstellen, dass wir ihn ausbilden können, wenn er nach Abschluss seiner Ausbildung im Jugendhotel oder im kleinen Supermarkt arbeiten will. Seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann würde er dann im Hofladen der Gärtnerei Grubmüller in Rosenheim, die auch zur Gutshofgruppe gehört, absolvieren würde. Sein sein Ausbilder wohnt auch hier im Gutshof wohnt, So könnten die beiden täglich gemeinsam dort hinfahren.“

Wolfgang meinte: „Keine Panik, Winfried Abele würde gern Netzwerktechniker werden, damit eindeutig Auszubildender in der IT. Mit deiner Aussage, dass ihr auch einen Einzelhandelskaufmann ausbilden würdet, der später in eurem Supermarkt arbeitet, hast du mir die Möglichkeit eröffnet, euch meinen Nachbarn Paul Wenger als Auszubildenden anzubieten, der ebenfalls bisher keinen Ausbildungsplatz hat und der gern Verkäufer oder Einzelhandelskaufmann werden möchte.“

Oliver lächelte bereits süffisant, so dass ich zu Wolfgang sagte: „Ich sage jetzt nichts mehr ohne meinen Anwalt. Nicht, dass du mir am Ende alle Jugendlichen aus Marktoberdorf und Umgebung anbietest, die bisher nirgends untergekommen sind. Wenn Paul sich vorstellen kann, in zwei oder drei Jahren im Supermarkt am Campingplatz zu arbeiten, kannst du ihm das Angebot unterbreiten und er sich bei uns bewerben. Die Bewerbungsunterlagen sollten jedoch bis spätestens Montag bei uns vorliegen.“

Wolfgang fragte: Peter, habt ihr im Jugendwohnheim auch kleine Zwei-Zimmer-Wohnungen, dann würde ich mir mit Winfried diese als Unterkunft teilen?“

Ich antwortete: „Darf ich auch wissen, warum du dir mit einem ehemaligen Mitschüler und guten Freund eine gemeinsame Wohnung teilen willst?“

Er wollte zuerst die Auskunft dazu verweigern, erst als Oliver zu ihm sagt, dass er sich nicht so anstellen solle, rückte er doch mit der von mir bereits vermuteten Antwort heraus: Peter, wir beide sind ein schwules Pärchen und deswegen würden wir gern zusammenwohnen. Sollte das ein Ausschlusskriterium sein, sagt mir ehrlich, dass ihr keine schwulen Auszubildenden und Mitarbeiter haben wollt!“

Oliver lachte laut und selbst Marcus musste grinsen, bevor er ihm antwortete: „Hallo Wolfgang, hier ist Marcus, die Antwort bekommst du ausnahmsweise von mir. Also, ich würde Schwulsein nicht als Ausschlusskriterium bezeichnen. Es ist eher ein guter Grund, dass du so etwas wie eine Ausbildungsplatzgarantie bekommst. Peter, unser Chef, ist mit seinem Thomas verheiratet und auf dem Gutshofgelände wohnen inzwischen zehn schwule Pärchen.

Ich lebe mit meinem Philipp, Peters Sohn, zusammen und wir haben vor knapp drei Monaten geheiratet. Ebenfalls verheiratet sind Manuel und Daniel mit ihren Adoptivsöhnen Florian und Klaus, sowie Michael und Andreas. Selbst Pauls Ausbilder Frederik ist schwul und lebt mit seinem Kevin zusammen. Letztgenannter ist ebenfalls Auszubildender im kaufmännischen IT-Bereich. Eine Absage würdest du nur bekommen, wenn deine schulischen Leistungen so miserabel wären, dass zu befürchten ist, dass du das Ausbildungsziel nicht erreichen kannst.“

Einen kurzen Moment war es ruhig in der Leitung, bis Wolfgang sagte: „Als ich das Lachen von Herrn Fischer hörte, befürchtete ich bereits, das war es dann mit meiner Ausbildung bei euch. Marcus, aber als du plötzlich erklärt hast, dass Peter mit einem Mann verheiratet ist, hättest du die Steine poltern hören können. Das, was du mir eben erklärt hast, ist das stärkste Argument, mit dem ich Winfried überzeugen kann, mit mir die Ausbildung bei euch in Rosenheim zu machen.“

Oliver erklärte noch: „Wolfgang, entschuldige, dass ich lachen musste, aber ich habe einen Teil der schwulen Jungs bereits bei ihrer Besichtigungstour des Campingplatzes kennengelernt und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Schwulsein ein Ausschlusskriterium sein kann. Peter trennt sich eher von intoleranten Mitarbeitern, bevor er einem Gleichgesinnten einen Korb gibt. Ich werde ebenfalls beim Kennenlernwochenende wieder in Rosenheim sein. Denn ich habe in dieser Woche festgestellt, dass selbst ich von den jungen Leuten hier noch einiges lernen kann.“

Wolfgang meinte noch, dass er sich bei Oliver kurz melden würde, wenn die beiden Jungs sich ebenfalls bei uns bewerben. Ansonsten verabschiedeten wir uns von ihm und Oliver beendete das Gespräch. Er meinte: „Die beiden anderen Bewerber haben mir versichert, dass sie ihre Bewerbungsunterlagen sofort per Mail schicken werden, da es für sie keinen Unterschied macht, ob sie im Allgäu oder woanders einen Ausbildungsplatz finden. Vor allem das Argument, feste Beschäftigung im Allgäu und Unterbringung in Rosenheim, während der Ausbildung, war für die beiden Jungs ausschlaggebend.

Marcus verabschiedete sich und ging zurück ins IT-Gebäude, während Oliver noch bei mir blieb. Er sagte: „Peter, als wir am vergangenen Wochenende angereist sind, war ich noch sehr skeptisch, was die Zusammenarbeit mit euch anbetrifft. Eines habe ich gelernt in dieser Woche, ich habe eigentlich ein sehr gutes IT-Wissen, aber deine Jungs verblüffen mich immer wieder.

Ich nehme als Beispiel Noah, ich hatte keine Ahnung, dass Noah am Asperger-Syndrom leidet. Was mir bei ihm auffällt, dass er keineswegs in sich gekehrt ist. Er diskutiert mit Bernhard Programmänderungen oder Anpassungen, als gäbe es diese Krankheit nicht bei ihm. Kannst du mir erklären, wie das möglich ist?“

Ich erklärte: „Rationell erklären kann ich es dir nicht. Als ich Noah kennenlernte, zeigten sich seine Symptome eindeutig. Er hat mir erklärt, dass sowohl ich als auch Bernhard ihn ohne Einschränkungen so akzeptiert haben, wie er ist, deshalb kann er sein Schneckenhaus verlassen. Deswegen haben wir auch seinen Umzug vom betreuten Wohnen in eine Wohnung am Gutshof eingefädelt.

Sein Betreuer war anfangs etwas skeptisch, dass Noah allein zurechtkommen würde. Inzwischen hat es sich gut eingespielt. Der Betreuer hatte auch so sein Problem mit der Diagnose Asperger, da Noah seit Wochen keinen Rückfall erlitten hat. Noah meinte einmal, dass von Bernhard und mir Schwingungen ausgehen, die ihn positiv beeinflussen. Das gleiche Phänomen haben wir bei Simon. Er hat ebenfalls sein Schneckenhaus verlassen, durch den Einfluss von Noah, Bernhard und mir. Er wird ab September seine Ausbildung als Programmierer bei uns antreten.“

Oliver erzählte: „Simon kenne ich vom Campingplatz, aber so locker und ansprechbar habe ich ihn dort nie erlebt. Ich habe mich in den letzten Tagen schon gewundert, wieso er hier ist.“

Ich erwiderte: „Er wird bis zum Sommer immer seine Ferien hier verbringen und wohnt bei Noah. Seit er die Zusage von seinen Eltern hat, dass er seine Wunschausbildung als Programmierer machen und mit Noah zusammenleben darf, hat er sich, wie Noah, kaum mehr in sein Schneckenhaus zurückgezogen.“

Florian tauchte im Konferenzraum auf und meinte: „Peter, ich dachte, da kommen nur zwei Bewerbungen aus Scharbeutz. Jan hat mir jetzt drei Bewerbungen geschickt. Aus dem Allgäu liegen mir ebenfalls bereits drei Bewerbungen vor und Wolfgang hat noch mitgeteilt, dass spätestens morgen noch zwei weitere Bewerbungen hinzukommen.

Eine Bewerbung von einem Winfried Abele als Netzwerktechniker und eine weitere Bewerbung von einem Paul Wenger als Einzelhandelskaufmann. Wie kommt er dazu, noch weitere Bewerbungen bei mir anzukündigen?“

Ich grinste und antwortete: „Da bin ich wohl schuld daran. Winfried ist wohl sein fester Freund, sie wollen sich eine Kleinwohnung oder ein Appartement teilen. Paul ist ein Mitschüler und wohnt in der Nachbarschaft, der bisher keinen Ausbildungsplatz zum Einzelhandelskaufmann gefunden hat. Er wird im Hofladen der Gärtnerei Grubmüller seine Ausbildung absolvieren und danach im Campingplatz-Supermarkt zum Einsatz kommen.

Florian meinte: „Damit hätten wir jetzt acht weitere Auszubildenden, die im September bei uns starten, sofern sie es sich nicht noch anders überlegen. Du denkst schon daran, dass Ende Juli auch alle Auszubildenden des Ostseehotels zu uns kommen.“

Ich reagierte: „Florian, wir setzen uns am späten Montagvormittag zusammen und legen den Termin für das Kennenlernen fest. Oliver wird auch dabei sein, das hat er bereits angekündigt, ob Jan kommt, steht noch nicht fest. Wir werden ebenfalls besprechen, wie wir den Einzug der Auszubildenden ins Jugendwohnheim regeln werden. Das Einzige, was bereits feststeht, ist die Tatsache, dass wir die Kinder aus den einzelnen Kinderheimen jeweils am selben Tag einplanen.

Nach kurzer Zeit saß ich mit Oliver wieder allein im Besprechungszimmer und Oliver meinte: „Wolfgang hat mir inzwischen eine Nachricht geschrieben, dass sein Freund Winfried und der Mitschüler Paul ihre Bewerbung bis spätestens morgen früh schicken werden. Also genau so, wie er auch Florian in seiner Mail geschrieben hat.“

Ich fragte nach einem Blick auf die Uhr, ob wir gemeinsam mit seiner Familie zum Mittagessen ins Jugendhotel gehen wollen. Er meinte, dass er erst nachfragen müsste, ob seine Frau und sein Sohn bereits von ihrer vormittäglichen Einkaufstour ins Rosenheimer Einkaufszentrum zurück seien. Während er mit seiner Frau telefonierte ging ich in mein Büro und fragte bei Felix und Benjamin nach, ob sie ebenfalls in die Kantine mitkommen würden.

Felix grinste und antwortete: „Logisch kommen wir mit. Dauert nur noch ein paar Minuten, da wir beschlossen haben, dass für diese Woche Schluss ist. Wie du siehst, haben wir bereits angefangen einen Teil unserer Unterlagen in Umzugskartons zu verpacken. Damit ist sichergestellt, dass wir gleich am Montag mit unserem Büroumzug starten können. Ich freue mich schon auf unsere neuen Büros, wo wir zumindest vorerst reichlich Platz haben werden. Ludwig wird vorerst noch mit in mein Büro einziehen, Benjamin nimmt das mittlere Büro.“

Ich schaute ihn an und fragte: „Hättest du eventuell morgen Zeit? Herr Vogler will sich mit uns treffen und unter anderem Fakten über unsere Stiftung erfahren. Er ist der Geschäftsführer des Münchner Unternehmens, das nach Kempten übersiedelt und für dessen Mitarbeiter das neue Baugebiet neben dem Campingplatz ausgewiesen wurde. Er kommt heute, gegen siebzehn Uhr, nach Rosenheim und übernachtet mit seiner Familie im Jugendhotel. Genaueres kann ich dir aber erst heute Abend sagen.“

Er meinte: „Wenn du mich brauchen solltest, unterstütze ich dich bei dem Gespräch mit Herrn Vogler. Benjamin, wie schaut es bei dir aus, würdest du ebenfalls an dem Gespräch teilnehmen wollen, du kennst dich immerhin besser mit dem Immobilienbestand der Stiftung aus.“

Benjamin versprach, an dem Termin teilzunehmen, sofern er mit seinem Wissen zur Stiftung und ihren Immobilien bei dem Gespräch betragen kann. Inzwischen tauchte Oliver auf und meinte, der Rest seiner Familie sei unterwegs zum Gutshof. Sie werden in fünf bis zehn Minuten im Jugendhotel sein. Er fragte: „Wird die Stiftungsverwaltung aus dem Gutshof ausgelagert, weil ihr eure Unterlagen in Umzugskisten verpackt?“

Benjamin meinte: „Ausgelagert werden wir nicht, wir ziehen ab Montag in die ehemaligen Büros der IT um, denn wenn im September die neuen Auszubildenden kommen, wird das Büro für vier Leute doch etwas zu klein. Wir bekommen insgesamt drei Büroräume, eines davon für die Buchhaltung der Stiftungsverwaltung, die bisher noch in den Räumen der Buchhaltung des Gutshofes mit untergebracht ist.“

Ich sagte: „Bis Olivers Familie am Gutshof eintrifft, können wir Oliver doch eure neuen Büroräume zeigen. Sie sind schräg gegenüber, nach dem Konferenzraum.“

Benjamin meinte: „Felix du kannst nachkommen. Ich gehe mit Peter und Oliver schon vor. Wir fangen im neuen Büro für die Buchhaltung an.“

Zu dritt ging es über den Flur ins letzte Büro des Nordflügels. Benjamin erklärte, dass mit dem Umzug auch bei der Buchhaltung personell aufgestockt wird. Künftig werden Sarah und Sabine diesen Bereich abdecken. Weiter ging es ins zukünftige Büro von Benjamin und einem der beiden Auszubildenden. Benjamin erklärte, dass er mit einem der Auszubildenden hier residieren wird. Er wurde deswegen hier einquartiert, weil er bis vor zwei Monaten noch die Buchhaltung der Stiftung allein bearbeitet hat und die beiden Damen bei Fragen kurze Wege zu ihm hätten.

Felix erwartete uns bereits in seinem zukünftigen Büro und erklärte, dass er hier mit einem der beiden Auszubildenden einziehen wird. In den nächsten Wochen wird Ludwig noch mit im Büro sein, bevor er endgültig in die neue Firma für die Verwaltung der Kunden der Dokumenten- und Bauplanverwaltung wechseln wird. Er führte weiter aus, dass die Stiftungsverwaltung damit noch Reserven für weitere Mitarbeiter haben wird.

Oliver meinte: „Ich finde es gut, dass die Büros direkt miteinander verbunden sind, weil es für euch kurze Wege von einem Büro ins andere bedeutet. So etwas sollten wir bei einigen Büros der IT im Allgäu ebenfalls vorsehen. Peter, meine Frage an dich, wer zieht in das Büro ein, in dem die Stiftungsverwaltung bisher untergebracht ist?“

Felix antwortete: „In unser jetziges Büro wird ab Mitte nächster Woche die Ausbildungsabteilung einziehen, was für Peter bedeutet, dass er Florian und den Auszubildenden näher bei sich hat.“

Ich lachte und antwortete: „So könnte man das auch sehen. Tatsächlich liegt es daran, dass ich als Florians Backup für die Auszubildenden zuständig bin. Wenn Florian krank oder in Urlaub ist, landen alle Angelegenheiten auf meinem Schreibtisch. So habe ich kurze Wege und Zugriff auf alle Unterlagen. Sicher wird ab September der Auszubildende in diesen Zeiten im Büro sitzen, aber er wird in der Anfangszeit nicht kompetent genug sein, um alles zu wissen oder zu kennen.“

Wir gingen ins Jugendhotel, wo uns bereits Angelika und Noel erwarteten. Gemeinsam ging es in den Speisesaal, wo wir uns an der Ausgabe mit Essen versorgten. Wir setzten uns an einen Tisch für sechs Personen und nach dem Essen kamen die ersten Gespräche auf. Noel berichtete von seinen Erlebnissen im Einkaufszentrum. Angelika wollte wissen, ob jetzt alle Fragen im Abschlussgespräch geklärt wurden.

Oliver sagte ihr, dass alles geklärt sei und wir hier ab September fünf Auszubildende aus Marktoberdorf aufnehmen, vier für das IT-Unternehmen und einen zukünftigen Einzelhandelskaufmann, der später im Supermarkt am Campingplatz arbeiten wird. Angelika fragte nach: „Einzelhandelskaufmann, habe ich mich da verhört, aber warum bildet ihr einen für Marktoberdorf bestimmten Einzelhandelskaufmann aus? Vor allem, wo soll er seine Ausbildung absolvieren?“

Ich antwortete: „Du hast dich nicht verhört, wir bilden einen jungen Mann zum Einzelhandelskaufmann aus, der zuhause bisher keinen Ausbildungsplatz gefunden hat. Er wird nach seiner Ausbildung im Supermarkt am Campingplatz eingesetzt. Ausgebildet wird er von Frederik im Hofladen der Gärtnerei Grubmüller. Da Frederik hier im Gutshof wohnt, können die beiden täglich gemeinsam in den Laden fahren.“

Nach dem Essen und den kurzen Gesprächen verabschiedete sich Familie Fischer. Sie hatten für heute Nachmittag noch einmal einen gemeinsamen Ausflug geplant. Bevor sie gingen, fragte ich Angelika, warum sie den Termin mit den beiden Herren vom Jugendamt versäumt habe.

Sie antwortete: „Ich habe den Termin nicht wahrgenommen, weil ich mit den anderen Frauen und den Kids die Gärtnereibesuche wahrgenommen habe. Inzwischen habe ich von deinen beiden Jungs und den anderen Kids so viele Informationen über den Gutshof und die Stiftung erhalten. Bist du etwa sauer, weil ich nicht erschienen und nicht abgesagt habe?“

Ich lachte und antwortete: „Keineswegs, ich wollte dir bei dem Gespräch anbieten, dass du eine der beiden Stellen als Sozialarbeiterin im Jugendhotel und für das Jugendwohnheim im Allgäu übernehmen könntest. Damit wäre ein Wiedereinstieg ins Berufsleben möglich. Bevor du die Stelle antrittst, bekommst du bei uns das notwendige Wissen. Dabei kannst du wählen zwischen einer Fortbildung in Rosenheim oder im Jugendhotel in Tirol.

Ich brauche von dir nicht sofort eine Entscheidung. Immerhin werden das Jugendhotel und die Jugendwohnungen sicher nicht mehr in diesem Jahr fertiggestellt, eher kann es Herbst des nächsten Jahres sein, bis es so weit ist. Denke in aller Ruhe darüber nach und melde dich einfach bei mir, wenn du eine Entscheidung getroffen hast.“

Benjamin meinte, dass er ebenfalls ins Wochenende und ins IT-Gebäude in die gemeinsame Wohnung mit Bernhard verschwinden werde. Er meinte noch, wir sehen uns morgen zu den Gesprächen mit Herrn Vogler. Sagt mir, wann und wo wir uns zusammensetzen.

Felix ging mit mir ins Gutshaus, wo wir direkt in der ersten Etage in die Wohnung gingen. David fragte, ob wir schon zu Mittag gegessen hätten. Da Felix ihm erklärte, dass wir direkt vom Mittagessen kommen, verschwanden David und Tobias ins Gesindehaus, da sie noch nicht zu Mittag gegessen hatten.

Kurz vor vierzehn Uhr avisierte mein Smartphone einen neuen Anrufer. Simons Vater erklärte, dass sie am Gutshof angekommen seien und in fünfzehn Minuten bei mir im Büro auftauchen würden. Ich meinte, dass er mich da nicht finden würde, da ich bereits oben in der Wohnung bin. So kündigte er an, dass er mit seiner Barbara dann eben zu uns in die Wohnung hochkommen würde.

Ich rief in der Wohnung von Noah an und als dieser das Gespräch entgegennahm, bat ich ihn mit Simon zu uns in die Wohnung zu kommen. Ich bat beide, auf ihrem Weg zu uns in der Konditorei Kuchen und Torten für zehn Personen zu besorgen, wobei ich ihm erklärte, dass er meiner Tochter oder wer gerade arbeitet, sagen soll, dass er den Kuchen in meinem Auftrag besorgen solle.

Zehn Minuten später kamen die beiden gleichzeitig mit David und Tobias bei uns in der Wohnung an. Tobias meinte, dass Thomas auch gleich nach oben kommen würde, da er eben angekommen und das Auto in die Garage gefahren hat. Ich bat die zwei, für neun Personen Kaffee zu kochen und im Esszimmer aufzudecken, da Simons Eltern gleich hier sein würden.

Simon sagte: „Komm Noah, wir gehen mit den beiden Jungs in die Küche und helfen ihnen bei den Vorbereitungen für die nachmittägliche Kaffeerunde. Peter will sicher meine Eltern damit überraschen, dass wir bereits hier auf sie warten.“

Ich musste grinsen und meinte: „Jungs, verschwindet in die Küche, bevor Simons Eltern jeden Moment hier auftauchen.“

Inzwischen stand Thomas im Flur, wo er von mir begrüßt wurde. Er grinste mich an und sagte: „Schatz, was ist heute los mit dir? Dass du mich im Flur empfängst, habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Das können wir gern täglich wiederholen.“

Ich meinte: „Der ganze Aufwand ist nicht deinetwegen. Simons Eltern haben angedroht, dass sie in kürze hier auftauchen. Simon, Noah, Tobias und David sind in der Küche, um Kaffee zu kochen und im Esszimmer, um den Tisch zu decken.“

Thomas konnte nicht mehr antworten, denn meine letzten Worte wurde vom Aufheulen der Wohnungsglocke gestört. Thomas dreht sich nur um und öffnete die Wohnungstür, wo ihm erwartungsvoll Barbara und Bruno entgegenblickten.

Er bat die beiden in die Wohnung und erklärte: „Babsi, Bruno, wenn ihr zu uns kommt, vergesst die Klingel, kommt einfach in die Wohnung und macht euch lautstark bemerkbar. Wir sind nicht gewohnt, dass bei uns geklingelt wird. Genaugenommen haben wir das abgeschafft, weil uns das ewige Rennen zur Wohnungstür genervt hat. Wenn du in einer Stunde zehnmal zur Tür rennst, weil einer klingelt, wird das sehr schnell lästig.“

Babsi meinte: „Das kann ich mir lebhaft vorstellen, da würde ich auch verrückt werden.“

Ich meinte: „Inzwischen kennen fast alle, wie es bei uns läuft. Wenn abgesperrt sein sollte, ist anzunehmen, dass bei uns entweder keiner zuhause ist oder wir nicht gestört werden wollen. Dann finden sie mich entweder im Büro oder Petra, meine Assistentin, kann Auskunft darüber geben wo ich zu finden bin. Lasst uns ins Wohnzimmer gehen, wir müssen uns nicht hier im Flur unterhalten.“

Bruno meinte: „Peter, wir wollten dich eigentlich nur abholen, damit du mit uns zu den beiden Jungs mitkommst. Wir waren der Meinung, dass du dabei sein solltest, wenn wir nach Tagen das erste Mal wieder unserem Sohn und Noah gegenüberstehen.“

Ich lachte und sagte: „Ihr wollt mir nicht ernsthaft weismachen, dass ihr Angst davor habt eurem Sohn und seinem Freund Noah gegenüberzutreten. Wenn ich mit euch mitkommen soll, dann erst nach einer gemütlichen Tasse Kaffee und einem guten Stück Kuchen.“

Thomas grinste, da er wusste, dass die beiden Jungs bereits bei uns in der Wohnung waren. Babsi erklärte: „Angst haben wir nicht vor den Jungs. Wir haben nur die Befürchtung, dass Simon sich wieder in sein Schneckenhaus verkriecht, weil wir hier sind, um mit ihm am Sonntag nach Hause zu fahren. Ab Montag muss er definitiv wieder zur Schule gehen.“

Ich erklärte: „Wenn ihr zu eurer Zusage steht, dass Simon bis zu den Sommerferien seine schulfreie Zeit bei und mit Noah verbringen kann und er ab Herbst seine Ausbildung bei uns machen darf, sehe ich wenig Risiko, dass er in sein bisheriges Verhaltensmuster zurückfällt. Vermutlich hat er euch in den letzten Tagen nicht einmal vermisst, da er von Bernhard und Noah immer mehr in ihre Arbeit eingebunden wurde.

Heute Vormittag war er mit Bernhard, Noah, Marcus und Philipp, Teilnehmer unserer Besprechung mit Oliver, dem IT-Betreuer des Campingplatzes. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es für ihn ein Problem sein könnte, bis zu den Osterferien wieder zur Schule zu gehen.“

David tauchte im Flur auf und meinte: „Leute, der Kaffee ist fertig, ihr solltet so langsam kommen, bevor der Kaffee wieder kalt wird. Ab ins Esszimmer mit euch.“

Ich meinte: „Ihr habt es gehört, der Kaffee steht bereits im Esszimmer auf dem Tisch, wir sollten die Jungs nicht so lange warten lassen.“

Gemeinsam gingen wir ins Esszimmer, ich klopfte vorher nur kurz bei Felix an und meinte, dass er auch zum Kaffee kommen solle. Beim Eintritt ins Esszimmer stürmte Simon auf seine Mutter zu, umarmte sie und sagte: „Mama, Papa, schön dass ihr schon da seid. Ich habe euch eine Menge zu erzählen, was wir in den letzten Tagen gemacht haben. Eigentlich würde ich liebend gern und sofort für immer hierbleiben wollen, aber inzwischen habe ich gelernt, dass es für meine Ausbildung wichtig ist, dass ich vorher meine Schulzeit mit guten Noten abschließe.“

Babsi und Bruno schauten ihren Sohn erstaunt an. Mit so einer Begrüßung hatten sie nicht gerechnet. Noah war inzwischen neben Simon getreten und begrüßte seine künftigen Schwiegereltern ebenfalls herzlich und umarmte beide Elternteile. Damit überraschte er die beiden noch mehr, was ihnen eindeutig anzusehen war. Sie zogen Simons Eltern zum Esstisch und setzen sich, wobei sie Simons Eltern zwischen sich platzierten.

David und Tobias setzen sich links und rechts von Thomas und mir an den Esstisch. Als Simon plötzlich seine Eltern fragte, welches Kuchenstück er ihnen auf ihre die Teller legen dürfe, schauten sich die beiden erneut und definitiv überrascht an. Bruno meinte scherzhaft: „Peter, ist das überhaupt unser Simon, der hier neben seiner Mutter sitzt oder habt ihr ihn durch einen Doppelgänger ersetzt.“

Thomas und ich fingen laut zu lachen an, als David eiskalt erklärte: „Logisch haben wir Simon durch einen Doppelgänger ersetzt. Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass wir euch das Original noch mit nach Hause geben. Wir behalten das Original und ihr dürft seine Kopie mitnehmen.“

Was Simon dazu sagte, war noch verrückter: „David, die Idee ist geil. Ich bleibe ab sofort hier und meine Eltern bekommen eine Kopie zum Mitnehmen, der dann für mich den Schulbesuch übernehmen darf. Bleibt uns nur nicht viel Zeit, bis zum Sonntag eine passende Kopie zu finden.“

Zumindest während wir unseren Kaffee tranken und gemütlich unseren Kuchen verspeisten, verliefen die weiteren Gespräche ohne weitere Auffälligkeiten. Simon erzählte seinen Eltern, was er so im Laufe der Woche erlebt oder alles gelernt hat.

Interessant wurde es erst wieder als David und Tobias aufstanden und anfingen den Tisch abzuräumen. Simon meinte: „Mama, Papa, Noah und ich haben uns überlegt, dass wir beide, entweder während der Osterferien oder der Pfingstferien, bei uns oder auf dem Campingplatz meine Ferien und Noah seinen Urlaub mit euch verbringen könnten. Wie seht ihr das?“

Da selbst ich von diesem Vorschlag überrascht wurde, schienen Simons Eltern noch verwirrter zu wirken. Babsi und Bruno schauten die beiden an, bis Bruno endlich sagte: „Ostern funktioniert das nicht, da ich arbeiten muss, aber während der Pfingstferien kann ich es einrichten, dass wir vier gemeinsam einen zweiwöchigen Urlaub auf dem Campingplatz verbringen.“

Tobias, der das mitgehört hatte, erklärten sofort: „Simon, würdest du David und mich auch auf den Campingplatz mitnehmen? Wir würden nur zu gern einmal einen richtigen Campingurlaub erleben wollen.“

Thomas und ich schauten uns an und ich wollte schon einschreiten, als Bruno erklärte: „Jungs, ich hätte nichts dagegen, wenn ihr mit Simon und Noah gemeinsam eure letzten richtigen Ferien verbringen wollt. Nur haben wir definitiv ein schwerwiegendes Problem, der Wohnwagen ist für sechs Personen zu klein. Ich könnte höchstens versuchen, ein größeres Schlafzelt ausleihen, in dem ihr vier schlafen könntet.“

Thomas machte folgenden Vorschlag: „Jungs, ich hätte eine bessere Idee, auf dem Campingplatz gibt es doch kleine Ferienhäuser. Wir reservieren für euch eines der kleinen Ferienhäuser und ihr Jungs verbringt euren Urlaub dort. Bevor wir über diese Vorschläge nachdenken, solltet ihr zumindest die Antwort von Noah und Simon abwarten, ob sie mit euch gemeinsam den Urlaub verbringen wollen.“

Noah und Simon schauen sich intensiv an, vermutlich führten sie wieder eine nonverbale Kommunikation. Sie drehten ihre Köpfe zu unseren beiden Jungs und Simon sagte: „Wird sicher eine neue Erfahrung für uns beide, wenn wir gemeinsam mit euch zwei Ferienwochen verbringen. Wir würden aber eher für Papas Vorschlag mit dem Schlafzelt stimmen, in einem Ferienhaus zu übernachten macht sicher nicht den gleichen Spaß wie die Übernachtung in einem Zelt.“

David und Tobias zeigten ihre Daumen nach oben in Richtung von Simon und Noah, was mir sagte, dass ihnen der Vorschlag besser gefallen würde als der von Thomas mit dem Ferienhäuschen. Ich meinte: „Wir akzeptieren euren Vorschlag, gemeinsam mit Noah und Simon den Urlaub zu verbringen unter der Voraussetzung, dass ihr euch in dieser Zeit wie zwei vernünftige Jungs benehmt. Sollte es Klagen geben, holen wir euch sofort wieder nach Hause.“

Dazu keine direkte Antwort, nur der dezente Hinweis, dass sie Noah und Simon jetzt entführen, weil sie mit ihnen auf ihrer Spielekonsole zocken wollen. Nur wenige Sekunden später saßen Thomas und ich mit Simons Eltern allein im Esszimmer. Wir schauten uns an, bis Babsi sagte: „Wir haben ja einiges verpasst in den letzten Tagen. Hattet ihr eine Ahnung davon, dass sich eure beiden Jungs mit Noah und Simon verbündet haben?“

Ich blickte zu Simons Eltern und erklärte: „Meines Wissens hatten unsere Jungs nur Kontakt mit Simon und Noah am vergangenen Wochenende und an den beiden Umzugstagen, am Rosenmontag und Faschingsdienstag. Ab Mittwoch waren die beiden Jungs im Büro mit Bernhard, was Simon aber auch erzählt hat. Ich gehe davon aus, dass es ein spontaner Einfall von Tobias gewesen ist, nachzufragen, ob sie mit den beiden Jungs ihre Ferien verbringen könnten. Mir ist bewusst, dass die Ferien für unsere beiden Jungs sehr langweilig sind, da Thomas und ich nicht die Zeit dazu haben mit den Jungs wegzufahren und wenn alle anderen ihrer Arbeit nachgehen, gibt es kaum jemand, mit dem sie etwas unternehmen können.“

Bruno meinte: „Ich denke auch, dass das eben eine spontane Aktion war. Was ich dabei bewundere, dass sich Tobias getraut hat, seinen Wunsch so einfach auszusprechen. Diese Spontanität kennen wir von Simon nicht. Wobei, als er vorher auf Davids Aussage zu einem Duplikat von sich reagierte, dass hörte sich für mich schon sehr spontan an. Eines steht für mich inzwischen fest. Wenn wir ihm nicht die Chance geben, bei euch seine Ausbildung zum Programmierer zu machen, wird Simon sich wieder in sein Schneckenhaus verkriechen und das will ich auf keinen Fall provozieren. Peter, unsere Bedenken, warum wir mit dir zusammen zu den beiden Jungs gehen wollten, rührten genau aus der Tatsache heraus, dass wir nicht wussten, was uns dort erwarten würde. Deine Idee, die beiden Jungs zu euch zu holen, wo wir auf die beiden treffen sollten, war eindeutig die bessere Lösung. Wir werden später mit den zwei Jungs ins Restaurant zum Essen gehen.“

Kaum hatte er das zu uns gesagt, öffnete sich die Tür zum Esszimmer und Simon trat ein. Er meinte: „Mama, Papa, Noah und ich gehen wieder in unsere Wohnung. Wir sind mit Bernhard und Benjamin verabredet, weil wir gemeinsam für euch ein Abendessen zubereiten wollen. Wir erwarten euch spätestens um achtzehn Uhr dreißig bei uns zum Abendessen, ihr könnt aber auch eher da sein.“

So schnell wie er gekommen war, verschwand Simon wieder und kurze Zeit später waren es David und Tobias, die ins Esszimmer stürmten. Bruno schaute unsere beiden Söhne an und fragte: „Sind die beiden jetzt wirklich in ihre Wohnung zurückgegangen, um für uns zu kochen? Und gleich noch hinterher eine weitere Frage an Tobias. War deine Anfrage wegen des Urlaubs auf dem Campingplatz spontan oder hattet ihr euch vorher mit den beiden Jungs abgesprochen?“

Unsere beiden Söhne sahen Bruno entgeistert an und Tobias antwortete: „Die Frage war eindeutig spontan. Erst als ich sie ausgesprochen hatte fiel mir auf, dass ich mich etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt habe, wie man so schön sagt. Als du aber positiv darauf reagiert hast, war für mich wieder alles in Ordnung. David und ich freuen uns jetzt schon darauf, mit euch und den beiden Jungs die Pfingstferien auf dem Campingplatz zu verbringen.

Zu deiner Frage bezüglich des Kochens, kann ich dir nur erklären, dass Noah vor wenigen Minuten einen Anruf von Benjamin bekam, der ihn wohl fragte, ob sie ihre Verabredung wegen des gemeinsamen Kochens vergessen haben, weil sie nicht zuhause anzutreffen seien. Er hat ihm dann nur kurz erklärt, dass er sich sofort mit Simon auf den Weg nach Hause macht. Mehr kann ich euch dazu nicht sagen.“

David erklärte: „Ich habe Tobias schon meine Meinung zu seiner spontanen Selbsteinladung gesagt. Das du ebenso spontan zugestimmt hast, hat mich doch etwas überrascht, ich hatte eher mit einer Absage gerechnet.“

Babsi sagte: „Schatz, was hältst du von meiner Idee, ein wenig spazieren zu gehen, bevor wir uns bei unseren beiden Jungs erneut den Bauch vollschlagen.“

Bruno meinte nur, dass das eine gute Idee wäre. Somit standen die beiden auf, Thomas und ich begleiteten sie auf den Flur und verabschiedeten uns von ihnen bis spätestens Sonntag, wenn sie mit Simon zu sich nach Hause fahren würden.

Kaum hatten die beiden die Wohnung verlassen, machte sich ein Anrufer auf meinem Smartphone bemerkbar. Da mir die Nummer bekannt vorkam, nahm ich das Gespräch entgegen. Es meldete sich Eberhard Vogler, der gleich erklärte, dass sie doch erheblich früher eintreffen würden, als er heute Vormittag geplant hatte. Er wollte wissen, ob er in zehn Minuten bereits einchecken könne, da er nach Angabe des Navis zu dem Zeitpunkt ankommen würde.

Ich erklärte: „Kein Problem, ich werde gleich ins Jugendhotel gehen und ihn und seine Familie dort erwarten. Wenn er Lust und Zeit hätte, würde ich mit ihm und seiner Familie noch bei Tageslicht einen Rundgang durch das Gutshofgelände machen und ihnen alles zeigen.“

Er meinte: „Meine Jungs haben bereits genickt, sie sind damit einverstanden. meine Frau überlegt gerade noch. Bis wir angekommen sind, wird sie sich sicher entschieden haben.“

Ich sagte: „Okay, dann sehen wir uns in ein paar Minuten“, und legte auf. Ich schaute Thomas an und meinte, begleitest du mich und unsere Gäste. Vorsichtshalber fragte ich David und Tobias, ob sie auch mitkommen würden. David meinte: „Paps, ich bin dabei, denn ich bin schon neugierig auf den Mann, der sein Unternehmen nach Kaufbeuren verlegt und für den, neben dem Campingplatz, ein Baugebiet für seine Mitarbeiter ausgewiesen wird.“

Da Tobias ebenfalls mitkommen wollte, gingen wir zu viert ins Jugendhotel, nachdem wir unsere warmen Jacken angezogen hatten. Wir waren nur noch wenig Meter vom Eingang entfernt, als ein Mercedes mit Münchner Kennzeichen auf einem freien Parkplatz direkt vor dem Hotel einparkte.

Wir konnten beobachten, wie zwei Jungs, etwa im gleichen Alter wie David und Tobias, fluchtartig das Auto verließen und den Kofferraum öffneten. Die beiden schnappten sich je eine Reisetasche und wollten gerade in Richtung Hotelzugang loslaufen, als ihr Vater sie ausbremste: „Marc, Andre, seid ihr von allen guten Geistern verlassen? Wir sind doch nicht auf der Flucht. Was ist los mit euch beiden?“

Seine beiden Jungs grinsten sich an und einer der beiden Zwillinge meinte: „Papa, wir waren erst vor wenigen Wochen mit unserer Schulklasse hier. Wir kennen uns hier bestens aus. Wir haben dir doch erzählt, was hier in dieser Woche passiert ist. Zwei von unseren Mitschülern durften nicht mehr mit nach München zurückkehren.“

Ich hatte genug mitbekommen und meinte zu unseren beiden Jungs: „Könnt ihr euch an Zwillinge erinnern, die mit Gero und Holger hier im Schullandheim waren?“ Tobias meinte: „Klar kann ich mich an die beiden Jungs erinnern. Sie haben sich damals wie verzogene Kleinkinder benommen.“

Ich meinte: „Dann haben wir definitiv eine Überraschung für die beiden Zwillinge. Geht ihr bitte zurück ins Gutshaus und holt Gero und seinen kleinen Bruder Randolf, ich werde mich mit Thomas um unsere Gäste kümmern. Ihr solltet spätestens in zehn Minuten wieder hier sein.“

Während die Jungs ins Gutshaus zurückliefen, gingen Thomas und ich auf Familie Vogler zu und begrüßten sie. Gemeinsam gingen wir ins Jugendhotel, wo uns Dennis an der Rezeption erwartete. Als er die beiden Zwillinge sah und sie wiedererkannte, meinte er: „Schön euch wieder im Jugendhotel begrüßen zu dürfen. Wie ich sehe, habt ihr heute eure Eltern mitgebracht. Ich nehme an, ihr seid Familie Vogler, die mir für spätestens siebzehn Uhr angekündigt wurden. Ich hoffe sie hatten eine gute Anreise.“

Thomas grinste vor sich hin und als alle Formalitäten erledigt und Familie Vogler auf dem Weg nach oben in ihre Zimmer waren, gingen wir zu Dennis und fragten ihn scheinheilig: „Dennis, was war das den eben, vor allem die ironische Begrüßung der beiden Zwillinge.“

Dennis meinte: „Genau das, was die beiden neureichen Schnösel brauchen. Sie haben bei ihrem Besuch heraushängen lassen, dass sie etwas Besseres sind als ihre Mitschüler. Die beiden haben ständig am Essen herum gemeckert. Ich war froh, als die Klasse wieder abgereist ist. Die beiden waren damals mit Gero und Holgers Klasse hier.“

Ich meinte: „Das wissen wir bereits, und dass die beiden Jungs ein schlechtes Gewissen haben, ist mir auch schon aufgefallen. David und Tobias sind zurück ins Gutshaus, um Gero und Randolf zu holen. Wir wollen den Zwillingen doch einen großartigen Empfang bereiten, den sie nie wieder vergessen werden. Holger bleibt außen vor. Es muss keiner erfahren, dass er hier als Klaus Winter untergetaucht ist.“

Dennis grinste und meinte: „Ich werde ihn aber anrufen und informieren, dass die Zwillinge aus seiner Klasse mit ihren Eltern im Jugendhotel eingecheckt haben und er bis Sonntag aufpassen soll, dass ihm die beiden nicht über den Weg laufen.“

Zwischenzeitlich waren David, Tobias, Gero und Randolf im Jugendhotel aufgetaucht. Ich erklärte ihnen, warum ich sie holen ließ und was wir bereits alles wussten. Gero meinte: „Kein Wunder, dass den beiden die Düse geht. So wie sie sich hier aufgeführt haben, wäre ich an ihrer Stelle nie wieder hier aufgekreuzt.“

Ich meinte: „Die beiden Jungs wussten vermutlich nicht, dass sie mit ihrem Vater genau hierher fahren würden. Er hat mich um einen Termin gebeten, weil er die Stiftung und ihre Arbeit kennenlernen wollte. Ein Teil seiner Mitarbeiter werden in das neue Baugebiet neben dem Campingplatz im Allgäu einziehen.“

Wir wurden unterbrochen, da Familie Vogler wieder nach unten kam. Als die beiden Jungs ihren ehemaligen Mitschüler erblickten, blieben sie abrupt auf der drittletzten Stufe der Treppe stehen und starrten Gero und seinen Bruder an. Sie setzten sich wieder in Bewegung und gingen direkt auf Gero zu, der sie begrüßte. Zumindest er schien die beiden Jungs auseinanderhalten zu können, denn er begrüßte jeden mit seinem Vornamen.

Ich meinte zu Eberhard: „Mir wäre es am liebsten, wenn wir uns duzen würden. In unserem Unternehmen ist es so üblich, dass alle Mitarbeiter einschließlich aller Vorgesetzten nur mit ihrem Vornamen angesprochen werden. Ich bin Peter, neben mir steht mein Partner Thomas und Geschäftsführer der Johannes Graf GmbH. Die beiden großen Jungs sind unsere Adoptivsöhne Tobias und links daneben David. Gero, unser Pflegekind hat deine beiden Jungs bereits begrüßt und dann haben wir noch Randolf, den jüngeren Bruder von Gero, ebenfalls unser Pflegekind.“

Eberhard sagte: „Kein Problem, ich bin privat hier, und da mir das Förmliche auch nicht so liegt, können wir gern zum du übergehen, meine Gattin ist Irina, wie unsere Zwillinge heißen hast du bereits mitbekommen. Begleiten uns deine Jungs auf dem Rundgang über den Gutshof?“

Thomas antwortete ihm: „Geplant war es zumindest, aber wenn ich mir deine beiden Jungs so anschaue, habe ich eher den Eindruck, als wenn es ihnen peinlich wäre, mit uns einen Rundgang über den Gutshof zu machen. Vielleicht sollten wir ihnen die Gelegenheit geben mit unseren Jungs eine Führung über den Gutshof zu erleben.“

Nachdem die Jungs losgezogen waren, meinte Eberhard: „Bevor wir uns auf den Weg durch den Gutshof machen, ich habe das komische Gefühl, dass mit meinen Jungs irgendetwas nicht stimmt. Sie benehmen sich so eigenartig, seit wir hier angekommen sind. Peter, kannst und willst du uns erklären, was bei ihrem Aufenthalt vor einigen Wochen vorgefallen ist?“

Irina ergänzte: „Schatz, nicht nur dir ist das aufgefallen. Mich würde auch interessieren, was sie wieder einmal abgezogen haben.“

Ich erklärte: „Sicher weiß ich, was eure beiden Jungs abgezogen haben. Aber wie ihr bereits selbst festgestellt habt, ist ihnen ihr Verhalten während des Schullandheimaufenthalts selbst äußerst peinlich. Sie haben Angst davor, dass irgendwer ihr Verhalten ausplaudern könnte und sie erheblichen Ärger mit euch deswegen bekommen. Ich finde, das ist aus meiner Sicht bereits Strafe genug für eure beiden Jungs. Wie ich eure Kids einschätze, werden sie euch, vermutlich sogar noch heute, von sich aus erklären, was sie ausgefressen haben. Ich habe meine Jungs beauftragt, ihnen ganz deutlich zu erklären, dass sie von mir aufgefangen werden, wie bei so vielen anderen Jugendlichen, sofern sie Ärger mit euch bekommen, der über eine normale Reaktion hinausgehen würde.“

Eberhard meinte: „Peter, kannst du mir erklären, was du unter „über eine normale Reaktion hinausgehen“ verstehst? Ich weiß, dass du eingegriffen hast bei Gero und Randolf, weil sie von ihrem eigenen Vater sehr oft grundlos verprügelt wurden. Dort hätte auch ich eingegriffen, wenn es mir bekannt gewesen wäre.“

Thomas sagte: „Die Definition ist nicht fix definiert. Es kommt bei Peter auch immer darauf an, wie alt die Kinder oder Jugendlichen sind, ob rohe Gewalt im Spiel ist oder was auch immer. Der wichtigste Punkt ist, das der- oder diejenige, dem Peter helfen soll, eindeutig erklärt, dass diese Hilfe auch angenommen wird. Es hilft nichts, wenn Hilfe angeboten wird, der Betroffene am Ende doch wieder zum Peiniger zurück will. Gero hat die angebotene Hilfe angenommen und lebt jetzt mit seinem Bruder als Pflegekinder bei uns. Sie hätten aber auch ein Kinderheim wählen können.

Von unserer Seite ist zu diesem Thema alles gesagt.Ihr solltet einfach abwarten, wann eure Jungs die Hose runterlassen und euch alles erzählen. Lasst uns lieber unseren Rundgang über den Gutshof starten.“

Wir gingen los und unser erster Weg führte uns zur Baustelle. Ich erklärte: „Wir haben unter den acht Gebäuden eine riesige Tiefgarage errichtet, die zukünftig für alle Bewohner, aber auch für die Gäste des Restaurants zur Verfügung stehen wird. Außerdem errichten wir insgesamt acht Gebäude. Drei Häuser werden nur Kleinwohnungen und Appartements enthalten und stehen für unsere auswärtigen Auszubildenden, speziell für Jugendliche, die in Ausbildung stehen und die aus Kinderheimen ausziehen müssen.

Dazu kommen zwei Häuser mit Sozialwohnungen. Die restlichen drei Gebäude sind Wohnungen, die an Mitarbeiter oder sonstige Interessenten vermietet werden. Ergänzend dazu der Hinweis, dass hier im Herbst sechzehn Auszubildende aus verschiedenen Kinderheimen einziehen werden.“

Bevor es weiterging, erzählte ich noch, dass wir ab Herbst eine eigene Bushaltestelle im Gutshof erhalten und damit der Fußweg von und zur Staatsstraße entfallen wird. Unser nächstes Ziel ist der Komplex um den Hofladen mit Konditorei, Hofcafé, unserer eigenen Konditorei und Bäckerei, die wir kurz besichtigten.

Auf dem Rückweg kamen wir am neuen IT-Gebäude vorbei. Dort berichtete ich, dass im Dachgeschoss weitere drei Wohnungen für Mitarbeiter entstanden sind, die bereits von Mitarbeitern der IT und der Stiftungsverwaltung bezogen sind. Im Erdgeschoss befindet sich das große Rechenzentrum und auf der anderen Seite die Immobilienverwaltung. In der ersten Etage befinden sich die Büros der IT.

Unser nächster Anlaufpunkt war das ehemalige Verwaltergebäude. Ich erklärte, dass hier derzeit acht Personen leben, zum einen mein Neffe Jonas mit seinem Tim, Manuel und Daniel mit ihren Adoptivsöhnen Klaus und Florian, Richie, unser Auszubildender in der Gärtnerei Winter und ein weiteres unserer Pflegekinder, Peter, genannt Pete, der noch zur Schule geht.

Inzwischen standen wir vorm Gutshaus und wir statteten meinem Büro einen kurzen Besuch ab, mit der Anmerkung, dass wir uns morgen zur Besprechung dort treffen würden. Ich zeigte ihm die neuen Büroräume der Stiftungsverwaltung, in welche die Mitarbeiter nächste Woche umziehen werden. Ins jetzige Büro der Stiftung wird bis Ende der kommenden Woche unsere Ausbildungsverwaltung einziehen, ergänzte ich.

Eberhard schaute mich an und sagte: „Zum Thema Ausbildung habe ich jetzt doch eine Frage: Ich habe auf eurer Internetseite gelesen, dass ihr einen Einstellungsevent in den Weihnachtsferien veranstaltet, zu dem alle Bewerber eingeladen werden. Was kann man sich darunter vorstellen?“

Ich erläuterte: „Einfach gesagt, wir versammeln alle Bewerber für fünf Tage im Jugendhotel und zeigen ihnen, was sie bei uns als Auszubildende erwartet. Wir hatten im vergangenen Jahr über dreißig Jugendliche hier, davon sechzehn aus Kinderheimen in München, Thüringen und Hessen, die sich bei uns um einen Ausbildungsplatz beworben haben.

Bevor du nachfragst, warum so viele Bewerber aus den Kinderheimen kommen, wir hatten während der Sommerferien ein großes Zeltlager, bei dem wöchentlich bis zu zweihundertfünfzig Kinder und Jugendliche teilgenommen haben. Mit Ausnahme der Jugendlichen aus München, waren es diese Jungs und Mädchen, die uns während des Zeltlagers kennengelernt hatten. Während des Zeltlagers konnten interessierte Kids unsere Betriebsstätten und die Ausbildungsberufe kennenlernen.

Dazu gab es ein Rahmenprogramm, das vor allem nachmittags und abends durchgeführt wurde. An Silvester gab es ein großes Buffett, zu dem auch unsere aktuellen Auszubildenden eingeladen waren. So konnten unsere Bewerber Gespräche mit ihren Vorgängern führen. Inzwischen steht fest, dass wir dieses Vorgehen weiterführen wollen.“

Wir gingen nach oben in unsere Wohnung, wo wir, wie von mir vermutet, die Jungs im Wohnzimmer beim Zocken störten. Da wir nicht weiter stören wollten, setzten wir uns ins Esszimmer und ich fragte: „Irina, Eberhard, bevor wir nachher gemeinsam zum Essen gehen, habe ich jetzt ein paar Fragen an euch. Ihr habt eure Zimmer bezogen. Ist es für euch ein Problem, sich das Bad mit euren Jungs zu teilen? Wie wirkt die Einrichtung der Gästezimmer auf euch?“

Irina erklärte: „Als Eberhard mir heute Mittag sagte, dass wir uns das Badezimmer mit unseren Jungs teilen müssen, war ich etwas verwirrt, da ich so etwas von Hotels nicht kenne. Inzwischen habe ich die dahintersteckende Idee verstanden. Wenn die Kids zu ihren Eltern wollen, brauchen sie nicht extra über den Flur zu laufen oder umgekehrt. Die Einrichtung ist funktionell und wirkt sehr robust. Ich war echt positiv überrascht, als wir unser Zimmer sahen.“

Eberhard erklärte: „Jetzt verstehe ich auch meine Jungs, die von der Einrichtung ihres Gästezimmers geschwärmt haben. Es ist alles auf diese Zielgruppe ausgerichtet. Was man dabei nicht erwartet, dass auch Erwachsene für diese Möbel schwärmen können. Derartig robuste Möbel habe ich bisher nirgends in einem Hotel entdecken können.“

Ich wollte gerade meine zweite Frage stellen, als sich die Tür zum Esszimmer öffnete und alle sechs Jungs eintraten. Gero grinste bereits, so dass ich vermutete, das jetzt die Stunde der Wahrheit angebrochen sein könnte. Ich war fast enttäuscht, als David fragte: „Könnt ihr uns erklären, wie es heute Abend weitergehen wird.“

Ich erklärte, mit Blick auf die Uhr: „In etwa einer halben Stunde geht es nach unten ins Restaurant zum Abendessen. Für danach gibt es bisher noch keine feste Planung.“

Inzwischen hatten sich alle an den Tisch gesetzt und Gero meinte: „Peter, könnten wir nicht heute Abend noch einen Spieleabend veranstalten, Andre und Marc sind bisher noch nie in den Genuss gekommen so etwas zu erleben. Außerdem ist unser letzter Abend auch schon wieder eine Weile her.“

Thomas antwortete: „Gero, jetzt übertreibst du aber. Wir hatten in dieser Woche schon einmal das Vergnügen eines Spieleabends. Sicher, dein Bruder und du waren an diesem Abend nicht dabei.“

Inzwischen war ich mir sicher, dass es gleich zu einer Aussprache kommen würde, die taktischen Ablenkungsmanöver waren für mich einfach zu durchschauen. Was besonders auffiel, Marc und Andre waren bisher fast eher unbeteiligt dagesessen. Dass sie die Jungs zu ihrer moralischen Unterstützung dabei hatten, war eindeutig zu erkennen.

Gero blickte wieder zu Marc und Andre, die sich plötzlich aufrichteten und Marc fragte: „Peter, deine Jungs haben uns versprochen, dass du uns helfen würdest, wenn wir unseren Eltern unsere Kapriolen erzählen, die wir uns während des Aufenthalts im Schullandheim geleistet haben und sie zu hart auf unsere Schandtaten reagieren.“

Eberhard fing zu grinsen an, so dass Andre meinte: „Papa, Mama, scheinbar kennt ihr bereits alles, was wir uns hier geleistet haben?“

Irina lachte und erklärte: „Leider nein, Peter hat uns mit keiner Silbe verraten, was ihr verbrochen habt, er meinte eher, dass ihr bereits genug gestraft seid, dass ihr am Ort eurer Schandtaten das Wochenende verbringen dürft, immer mit dem Risiko, dass irgendwer uns euer ungebührliches Verhalten schildert. Er war sich sicher, dass ihr uns selbst erklären werdet, was sich hier abgespielt hat.

Er hat uns aber auch darauf hingewiesen, dass er eingreifen würde, falls unsere Reaktion absolut unangemessen ausfallen sollte, was darauf schließen lässt, dass ihr euch mehr als nur leicht daneben benommen habt. Papa ist an euch aufgefallen, dass ihr nervös seid, und hatte Peter gebeten, uns zu erklären, wieso ihr euch so komisch benehmt, da er vermutete, dass er es wissen könne.“

Marc erklärte: „Peter, wir wollen uns bei dir und allen Angestellten entschuldigen, bei denen wir in dieser Woche regelmäßig unangenehm aufgefallen sind. Am unangenehmsten sind wir vermutlich beim Essen aufgefallen, denn wir haben jedes Essen, dass serviert wurde heruntergemacht, obwohl es uns hervorragend geschmeckt hat und eher an ein Menü in einem Feinschmeckerlokal erinnert hat, in das uns Papa schon ein paarmal mitgenommen hat.

Wir haben uns darüber beschwert, dass die Gästezimmer nicht sauber genug wären, und wir haben uns darüber aufgeregt, dass wir lernen sollten, wie Betten tagsüber auszusehen hätten. Wir sind bisher durch unsere Mutter zu sehr verwöhnt worden, die immer unsere Zimmer aufgeräumt hat. Wir konnten und wollten auch im Schullandheim nicht selbstständig werden. Sicher gibt es noch das eine oder andere, womit wir aufgefallen sind, was aber insgesamt eher als Nebenwirkungen zu bezeichnen sind.“

Andre meinte: „Im Grunde genommen war die Woche für uns ein großartiges Erlebnis, was wir scheinbar nicht wahrhaben wollten. So eine Woche haben wir bisher noch nie erlebt. Im Nachhinein ist uns erst bewusst geworden, dass wir uns mehr als einmal daneben benommen haben.

Der größte Schock war dann heute Nachmittag, als wir mit unseren Eltern direkt vor dem Jugendhotel vorgefahren sind. In dem Moment, als wir erkannten, dass wir hier auffliegen könnten, haben wir absolute Panik geschoben, was uns scheinbar bei Papa zum Verhängnis wurde.“

Ich lachte und sagte: „Nicht nur eurem Papa ist das aufgefallen, auch ich war etwas verwundert bei eurer Ankunft und eurer Reaktion, bis mir die Jungs erklärten, dass ihr vor einigen Wochen hier gewesen seid und einen auf Großkotz gemacht habt. Als die Jungs mir erklärten, dass Gero zu eurer Gruppe gehört hatte, beauftragte ich meine Jungs ihn und seinen Bruder zu holen, um euch beide noch mehr unter Druck zu setzen, was mir anscheinend auch sehr gut gelungen ist.“

Eberhard schaute mich an und sagte: „Peter, ich bewundere deine Schlitzohrigkeit, wie du unsere Jungs in die Falle gelockt hast und das auch noch, ohne dass du direkt mit ihnen gesprochen hast. Du hast ihnen nur angedeutet, dass sie uns ihre Schandtaten selbst erzählen sollen. Dass deine Jungs so perfekt mitgespielt haben, finde ich bemerkenswert, meinen Dank an euch dafür.“

Marc und Andre hatten mich während Eberhards Ausführungen angeschaut und Andre sagte: „So hinterlistig hat uns noch keiner hereingelegt. Bedeutet das, dass die angebotene Hilfe im Ernstfall gar nicht ernst gemeint war?“

Gero erwiderte: „Doch Andre, das Angebot war ernst gemeint. Auch wenn Peter vermutlich davon ausging, dass es in eurem Fall nicht so weit kommen wird. Peter hatte eine Vorahnung, dass bei mir etwas nicht in Ordnung ist. Mit seiner Listigkeit hatte er aus mir und Holger herausgelockt, dass ich von meinem Vater oft sinnlos verprügelt werde.

Er hat mir seine Hilfe angeboten, die ich erst annehmen wollte, wenn er auch meinen kleinen Bruder mit einbeziehen würde. Er versprach mir, wenn mein kleiner Bruder ebenfalls verprügelt wird, ihm ebenfalls zu helfen. Dann hat er gleich mit Barbara vom Jugendamt gesprochen, die sofort ihre Kollegen in München alarmierte. Noch am selben Nachmittag tauchte die Mitarbeiter des Münchner Jugendamts mit der Polizei und einem Amtsarzt bei meinen Eltern auf, und holten meinen Bruder ab, den ich noch am gleichen Tag in meine Arme schließen konnte. Den Rest der Geschichte kennt ihr ja.“

Andre schaute Gero an und sagte: „Hast du eine Ahnung, was aus deinem besten Freund Holger geworden ist. Wir erinnern uns noch genau an den Donnerstag, als sein Vater hier aufgetaucht ist und Terror im Jugendhotel veranstaltet hat. Holger wurde ebenfalls dem Jugendamt übergeben.“

Gero schaute mich mit zusammengepressten Lippen an, was ich als Aufforderung deutete, für ihn zu antworten:“ Andre, wir wissen nur, dass er vom Jugendamt übernommen wurde. Gerüchteweise haben wir gehört, dass er wegen seines rechtsradikalen Vaters in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde. Genauere Informationen wurden uns nicht gegeben und soweit ich weiß, hat er sich bis heute nicht bei Gero gemeldet.

Ich würde mich auch wundern, denn über Gero könnte sein Vater erfahren, wo sein Junge sein könnte und genau das soll verhindert werden. In ein paar Jahren, wenn Gras über die Sache gewachsen und Holger volljährig ist, kann ich mir durchaus vorstellen, dass er sich eines Tages bei Gero melden könnte.

Ich denke, wir sollten so langsam eine Etage tiefer ins Restaurant umziehen, wo Marc und Andre die Gelegenheit bekommen, sich beim Küchenchef höchstpersönlich für ihre Entgleisungen in Sachen Essen zu entschuldigen.“

Die Angesprochenen wurden blass um die Nase, was Eberhard dazu veranlasste ihnen zu erklären: „Jungs, das sollte das mindeste sein, dass ihr euch beim Küchenchef persönlich entschuldigt. So wie ich die Sache einschätze, wird er euch sicher nicht um einen Kopf kürzer machen. Vor allem zeigt ihr mit eurer Entschuldigung, dass ihr eure Fehler eingesehen habt und dafür auch geradesteht.“

David ergänzte: „Keine Panik, Sebastian sieht das alles ganz locker. Er weiß, dass sein Essen vorzüglich schmeckt und bei allen Jugendlichen gut ankommt. Wie hat er einmal vortrefflich formuliert, Idioten gibt es immer und überall, am besten man ignoriert sie.“

Damit war alles gesagt. Wir standen auf, um nach unten ins Restaurant zu gehen. Gero fragte nach, ober er und sein Bruder auch eingeladen sei. Ich grinste und meinte: „Logisch seid ihr auch eingeladen, ihr seid unsere Pflegekinder, also Familie.“

Im Restaurant erklärte ich Alexandra, dass wir jetzt doch zu zehnt wären. Sie meinte, dann müsst ihr doch ins Nebenzimmer gehen, im Restaurant ist es schon sehr voll geworden. Als sie Marc und Andre erblickte, verfinsterte sich ihre Miene. Ich bat sie, mit Sebastian zu uns ins Nebenzimmer zu kommen, damit wir die Angelegenheit ein für alle Mal aus dem Weg räumen können.

Gemeinsam gingen wir ins Nebenzimmer und setzten uns an einen der Tischgruppen, die für zehn Personen ausgelegt ist. Wir hatten uns kaum gesetzt, als Alexandra und ein frech grinsender Sebastian eintraten. Er meinte: „Ich habe von Alexandra gehört, dass im Nebenzimmer zwei Gäste sitzen, die grundsätzlich jedes Essen mies gemacht haben und das heute vermutlich wieder tun werden. Sie hat mich aufgefordert, den beiden Jungs ein lebenslanges Hausverbot zu erteilen und sie vor die Tür zu setzen. Ich habe jetzt jedoch ein gewaltiges Problem, wenn ich die beiden Jungs vor die Tür setze, denn immerhin sind sie Gäste von Peter, unserem obersten Boss. Peter, darf ich die Jungs rauswerfen oder hast du eine bessere Idee?“

Meine Jungs grinsten bereits. Nur Marc und Andre waren noch ahnungslos. Ich schaute die beiden auffordernd an und gab ihnen zu verstehen, dass einer der beiden in Aktion treten sollte.

Marc stand dann doch auf und meinte: „Wir sind eigentlich hier, weil wir uns, für unser unmögliches Benehmen während unseres Aufenthalts bei allen entschuldigen wollen. Wir wissen, dass wir uns wie Idioten und Schnösel benommen haben. Eigentlich war das Essen nicht schlecht, es hat uns eher an das Menü in einem Feinschmeckerlokal erinnert. Mama, auch wenn es hart wird für dich, das Essen schmeckt sogar besser, als wie du uns zuhause bekochst. Davon wirst du dich gleich selbst überzeugen können.“

Irina schaute ihren Sohn an und antwortete: „Marc, das war jetzt hart an der Grenze, was ich mir an Frechheiten von euch bieten lasse. Sebastian, kannst du mir erklären, warum dein Essen besser schmecken sollte, als dass was ich koche? Immerhin ist es nur Massenverpflegung, die schnell und billig hergestellt werden muss.“

Damit hatte sie sich jetzt auf dünnes Eis bewegt, das war eindeutig. Er antwortete: „Gnädige Frau, das empfinde ich als eine schwere Beleidigung meiner und der Kochkünste meiner Küchenmannschaft. Eigentlich müsste ich sie deswegen zusammen mit ihren Söhnen vor die Tür setzen. Ich kann ihnen nur zugutehalten, dass sie bisher noch nie hier zum Essen waren und keine Ahnung davon haben, was sie bei uns erwartet.

Hier werden nur mit frischen und biologisch erzeugten Lebensmitteln die Speisen zubereitet. Das gilt nicht nur für das Restaurant, sondern auch für die Kantine und die Gäste im Jugendhotel. Mehr als neunzig Prozent sind aus regionaler Erzeugung, das Gemüse und die Kräuter zum Beispiel, werden tagesfrisch aus der Gärtnerei, die zum Gutshof gehört, angeliefert. Ich denke, wir klären diesen Punkt, nachdem sie sich selbst von der guten Qualität unseres Essens überzeugen konnten. Wir sehen uns später.“

Sagte es, und verließ den Nebenraum. Alexandra gab jedem eine Speisekarte und nahm wie üblich sofort die Getränkebestellungen entgegen. Sie hatte kaum den Raum verlassen, als Eberhard zu seiner Frau sagte: „Schatz, du hast dich auf verdammt dünnes Eis begeben, als du Sebastian erklärt hast, dass Massenverpflegung schnell und billig hergestellt werden muss. Seine Reaktion darauf fand ich grandios, dir zu sagen, dass du erst probieren solltest, bevor du seine Küche vorverurteilst. Immerhin hat er dir damit Chance eingeräumt, dein Urteil zu überdenken.“

Er wandte sich Marc zu und sagte: „Marc, scheinbar bist du doch der mutiger von euch beiden. Ich denke, mit deiner Entschuldigung kann der Punkt abgehakt werden. Von unserer Seite ist das Thema für euch beide erledigt. Peter hatte schon recht mit seiner Aussage, dass ihr Muffen sausen davor hattet, dass jemand euer Fehlverhalten aufdeckt. Immerhin habt ihr uns erzählt, was während eures Aufenthalts abgelaufen ist, auch wenn es vorher eines Schubsers von Peter in die richtige Richtung bedurfte. Mir zeigt das zumindest, dass Peter ein zuverlässiger Partner, sowohl für seine Belegschaft, aber auch gegenüber seinen Kunden ist.“

Peter, mir wurde von Herrn Sandmeier vom Bauamt in Marktoberdorf berichtet, dass wir dir diesen genialen Bebauungsplan zu verdanken haben. Warum und was vorgefallen ist, dass es dazu gekommen ist, darüber wollte er nicht sprechen. Ich hoffe, dass du etwas Licht in diesen Vorgang bringen kannst. Er hat mir den Entwurf des von ihnen beauftragten Architekten nachträglich zukommen lassen, dem wir niemals unsere Zustimmung gegeben hätten, da dort nicht ein einziger Punkt unserer Vorgaben zu erkennen ist.

Ich antwortete: „Eberhard, das ist eine verdammt lange Geschichte. Wenn du wirklich alle Details dazu erfahren willst sollten wir das auf morgen vertagen. Ich bestätige dir, dass ich nicht völlig unschuldig daran bin, dass der Plan des von der Gemeinde anfangs beauftragten Architekten nie zur Abstimmung im Gemeinderat gekommen ist. Der Plan stammt nicht von mir persönlich. Ich habe der Gemeinde nur unseren Hausarchitekten empfohlen, der zusammen mit mir,unseren Vorstellungen sowie euren Vorgaben den jetzigen Bebauungsplan erstellt hat.“

Inzwischen hatte Alexandra die Getränke serviert und die Bestellung der Essen entgegengenommen. Während wir auf die Vorspeise warteten, meinte Andre: „Peter, ich sehe das ähnlich wie Papa, der meinte, dass du uns nur den nötigen Schubser verpasst hast. Ich frage mich, ob ich in eurem Unternehmen noch eine Chance hätte, eine Ausbildung zu beginnen, nachdem was mein Bruder und ich uns geleistet haben.? Deine Jungs haben uns vorher erzählt, dass bei euch alle auswärtigen Auszubildenden in einem Jugendwohnheim, direkt im Gutshof in Appartements oder Kleinwohnungen, untergebracht werden. Wenn Marc ebenfalls seine Ausbildung in Rosenheim machen würde, könnten wir uns eine der Kleinwohnungen teilen.“

Ich lachte und antwortete: „Grundsätzlich gesehen hättet ihr schon eine Chance. Nur sind derzeit alle Ausbildungsplätze belegt. Wir bilden hier sogar für unsere neuen Niederlassungen der IT im Allgäu und an der Ostsee die zukünftigen Mitarbeiter aus. Habt ihr denn bisher noch keinen Ausbildungsvertrag abgeschlossen?“

Eberhard erklärte: „Peter, was glaubst du wie oft ich meinen Jungs schon erklärt habe, dass sie sich um ihren Ausbildungsplatz kümmern müssen. Auf der anderen Seite, bei Andre sieht es notenmäßig derzeit nicht berauschend aus, er wird vermutlich die zehnte Klasse wiederholen müssen. Damit würde er voraussichtlich erst in eineinhalb Jahren einen Ausbildungsplatz benötigen.

Manchmal habe ich den Eindruck, die beiden warten darauf, dass eines Tages einer vor ihnen steht und ihnen einen Ausbildungsplatz zu Füßen legt. Nur wird das nie der Fall sein, selbst wenn die Handwerksbetriebe händeringend nach Auszubildenden suchen. Erschwerend kommt hinzu, dass beide Jungs nicht einmal wissen, welchen Beruf sie erlernen möchten.“

Ich schaute Andre an und erklärte: „Andre, das sind keine guten Voraussetzungen, um bei uns einen Ausbildungsplatz mit Wohnmöglichkeit zu ergattern. Gerade von den Auszubildenden, die hier wohnen wollen, erwarten wir eine gewisse Selbstständigkeit. Da sind die Heimkinder euch gegenüber gewaltig im Vorteil. Dazu könnt ihr David und Tobias, notfalls Florian und Richie befragen. Sie haben alle einen Teil ihres Lebens im Kinderheim verbracht.“

Unsere beiden Jungs grinsten und Tobias meinte: „Andre, ich kann das, was Papa eben erklärt hat, nur bestätigen. Ich habe sieben Jahre meines Lebens im Kinderheim verbracht. Spätestens im elften Lebensjahr werden alle in die im Haushalt anfallenden Arbeiten fest mit eingebunden. Das beginnt mit Betten machen, waschen der Wäsche, mithelfen beim Kochen, Zimmer aufräumen und noch einigem mehr.

Du wirst es vermutlich nicht glauben, aber David und ich arbeiten in unserem Männerhaushalt mit, so wie wir es im Kinderheim bereits gelernt haben. Uns beide stört das nicht, denn wir wissen, dass wir nur so eine Chance haben, später auf eigenen Beinen zu stehen. Da wir beide schwul sind, wird es bei uns nie ein weibliches Wesen geben, das uns bemuttern kann und die uns jeden Handgriff abnimmt.

Vermutlich werdet ihr noch immer gemütlich im Hotel Mama sitzen, während wir längst eine eigene Wohnung bezogen haben. Das wird sich erst ändern, wenn ihr eine Partnerin oder einen Partner gefunden habt, mit dem ihr fest zusammenleben wollt. Ehrlich gesagt, weder David noch ich möchten mit euch tauschen. Ich erwarte von meinem Partner zumindest eine gewisse Selbstständigkeit, weil ich keine Lust habe, ihm seine Mutter zu ersetzen.“

Die Antwort hatte gesessen. Andre und Marc schauten zuerst sich selbst, dann ihre Eltern an. Ihre Mutter Irina erklärte: „Das hätte ich mir bei eurem Vater auch manchmal gewünscht, dass er mich im Haushalt unterstützt hätte. Vor allem, als wir noch ohne euch zusammengewohnt haben.“

An dieser Stelle wurden wir unterbrochen, weil die Vorspeisen serviert wurden. Während wir uns der Vorspeise widmeten, wurde über dieses Thema nicht mehr gesprochen. Als die Teller geleert waren, meinte Irina: „Ich fürchte, ich hätte mich vorher bei Sebastian nicht so weit aus dem Fenster lehnen dürfen. Jungs, könnt ihr mir sagen, ob zwischen dem Essen im Jugendhotel und unserer Vorspeise ein Unterschied zu erkennen ist.“

Marc antwortete: „Mama, da muss ich dich enttäuschen. Geschmacklich kann ich keinen Unterschied zum Essen im Jugendhotel feststellen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass uns hier das Essen serviert wurde, im Jugendhotel gab es nur Selbstbedienung.“

Andre ergänzte: „Brüderchen, vortrefflich gesprochen, ich hätte es nicht besser ausdrücken können. Nur der Luxus, dass das Essen an den Tisch gebracht wurde, der fehlte im Jugendhotel. Ich bin selbst überrascht, dass es keinen geschmacklichen Unterschied beim Essen gibt.“

Eberhard grinste und erklärte: „Das hätte ich euch auch sagen können. Ich habe mich im Internet schlau gemacht. Die Kommentare und Bewertungen des Restaurants sind teilweise besser als in manchen Gourmettempeln. Ich hatte mich bei den Bewertungen im Jugendhotel zwar gewundert, warum die dort auch so gut ausfallen, aber mit eurer Bestätigung verstehe ich jetzt die guten Beurteilungen. Umso weniger verstehe ich euch, warum ihr das Essen madig gemacht habt, aber reden wir nicht mehr darüber.

Um an unser Gespräch vor der Vorspeise anzuknüpfen, Irina, du wusstest von Anfang an, dass ich erst von zuhause ausgezogen bin, als wir zusammengezogen sind. Warum hast du nie etwas gesagt! Ich habe dich bei unseren Jungs unterstützt. Vermutlich auch nur deswegen, weil beide immer gleichzeitig gefüttert werden wollten. Inzwischen bin ich beruflich so eingebunden, dass ich gar nicht mehr die Zeit habe, im Haushalt mitzumischen.

Eines habe ich jedoch verstanden. Wir machen die gleichen Fehler wie meine Eltern, weil wir nicht fähig sind, unsere Jungs zu selbstständigen Menschen zu erziehen. Das sollten wir auf alle Fälle unverzüglich ändern.“

Wieder wurden wir unterbrochen, da unsere Hauptspeisen serviert wurden und sich alle auf das gute Essen stürzten. Die Mitarbeiterin im Service fragte bei allen Gästen nach, ob sie noch Nachschub bei den Getränken benötigen, und nahm die Bestellungen entgegen.

Inzwischen waren auch die meisten Teller bereits leer gefuttert, als Irina sagte: „Peter, gibt es die Möglichkeit, dass ich mich bei Sebastian sofort entschuldigen kann, ich will das nicht auf die lange Bank schieben und abwarten, bis er später zu mir kommt?“

Ich grinste und meinte, dass sie mir einfach unauffällig folgen sollte. Wir standen auf und ich ging mit ihr durchs Restaurant in die Küche. Als wir vor Sebastian standen, sagte sie so laut, dass alle es hören konnten: „Ich möchte mich in aller Form für meine Entgleisung entschuldigen. Euer Essen hat hervorragend geschmeckt, besser als ich es erwartet habe. Ich muss euch ein großes Lob aussprechen. Ich will euch dabei nicht verheimlichen, dass einer meiner Söhne gemeint hat, dass es ihm sogar besser schmeckt als meine Hausmannskost.

Vor allem haben mir meine beiden Söhne bestätigt, dass das Essen im Jugendhotel mindestens genauso gut schmeckt, wie das, was wir im Restaurant auf den Tisch bekommen haben. Könnt ihr mir verraten, wie das möglich ist, bekanntlich gibt es beim Essen, dass in einer Großküche zubereitet wird, normalerweise doch immer eine gewisse Qualitätsminderung?“

Toni, der alles mitgehört hatte, näherte sich uns und sagte: „Gnädige Frau, ich bin Toni, ein Auszubildender im ersten Ausbildungsjahr. Ich habe während meiner Schulzeit in zwei Münchner Restaurants ein Praktikum absolviert. Der Unterschied, den ich festgestellt habe, in den Münchner Restaurants wurde sehr viel mit Konserven oder gefrorenen Produkten gearbeitet. Wir arbeiten hier nur mit frischen, regionalen und biologisch angebauten Produkten, die genau diesen Unterschied ausmachen.

Wir bekommen immer tagesfrisch geerntetes Gemüse und Kräuter aus zwei Gärtnereien in unmittelbarer Nähe. Jedes Fleisch, das dem Gast serviert wird, stammt aus dem landwirtschaftlichen Teil des Gutshofes, ebenso die Kartoffeln, die wir verarbeiten. Ansonsten gibt es noch Produkte von Landwirten, die im Umkreis von zwanzig Kilometern ihre Grundprodukte biologisch produzieren.

Für den guten Geschmack sind in erster Linie die frisch geernteten Kräuter verantwortlich. Denn sie haben weder durch Transport oder lange Lagerung geschmackliche Veränderungen erfahren. Ich bin froh, dass ich hier meine Ausbildung machen kann, denn hier habe ich gelernt, wie man den Gast mit qualitativ hochwertigem Essen zu einem zufriedenen Gast machen kann.“

Sebastian und ich grinsten. Vor allem, weil Toni so trefflich erklärt hatte, was den Unterschied ausmacht. Auffallend war, dass alle anwesenden Kollegen Toni Beifall zollten für seine Ausführungen. Sebastian sagte: „Frau Vogler, ich hoffe, dass sie daraus gelernt haben, eine Küche erst dann zu beurteilen, wenn sie die fertigen Produkte genossen haben. Peter kennt mich lange genug, ich bin in solchen Dingen normalerweise nicht nachtragend.

Übrigens, entschuldigen sie meinen Scherz von vorher, dass ich ihre beiden Jungs einfach hinauswerfen sollte. Alexandra hatte mir vorher gesteckt, dass die beiden Jungs hier wären, die während ihres Aufenthaltes im Schullandheim, tagtäglich das Essen nieder gemacht haben, diesmal in Begleitung ihrer Eltern.

Ich gestehe, ich habe schon einigen Gästen Hausverbot erteilt, im Normalfall uneinsichtigen Zeitgenossen, die uns unterstellten, dass unser Essen mit Konserven hergestellt sei, selbst, nachdem wir das Gegenteil beweisen konnten. Meinetwegen hätten sie auch nicht extra in die Küche kommen müssen. Es hätte gereicht, wenn sie mir bei meinem späteren Besuch am Tisch das erklärt hätten.“

Wir verabschiedeten uns aus der Küche, wobei sie sich noch einmal für das gute Essen bedankte. Im Restaurant fing uns Alexandra ab und erklärte, dass sie für mich mein Lieblingsdessert geordert hätte und Herr Vogler für seine Gattin einen Eisbecher mit frischen Früchten bestellt hat.

Im Nebenzimmer angekommen sagte Eberhard: „Schatz, ich habe schon befürchtet, dass dich der Chefkoch um einen Kopf kürzer gemacht hat, aber wie ich sehe, bist du ohne jegliche Blessuren davongekommen.“

Nachdem wir uns gesetzt hatten, erklärte sie: „Hardy, der Chef der Küche ist nicht nachtragend. Aber mehr hat mir der selbstbewusste junge Mann imponiert, der von sich aus auf mich zugekommen ist und mir erklärt hat, warum das Essen hier besser ist als anderswo, wo weniger frische Produkte verarbeitet werden. Wenn unsere Söhne nur so selbstbewusst wären, dann würden sie weitaus weniger Unfug treiben.“

David meinte: „Das war bestimmt Toni, der ihnen erklärt hat, warum das Essen hier so ausgezeichnet schmeckt. Papa soll ihnen seine Geschichte erzählen.“

Damit war ich wieder gefragt, denn ich kannte sie mit am besten. „Toni hat seine eigene Geschichte. So selbstbewusst war anfangs nicht. Wir haben im vergangenen Jahr über eine Erbschaft einen großen Immobilienbesitz geerbt und damit eine kleine Immobilienverwaltungsgesellschaft. Da wir alle Mitarbeiter langfristig nach Rosenheim holen wollten, haben wir sie mit ihren Familien zu einem Kennenlernwochenende auf den Gutshof eingeladen.

Felix, damals noch kein Auszubildender im Unternehmen, er war zu dem Zeitpunkt mein Koordinator für das Jugendlager, flirtete sehr auffällig mit Dennis, dem Sohn eines Mitarbeiters. Am Abend erklärte er mir, dass Dennis unglücklich darüber sei, dass seine Eltern nach Rosenheim gehen würden und er als Auszubildender in München zurückbleiben müsse.

Nach Rücksprache mit Sebastian, machte ich ihm das Angebot im September bei uns seine Ausbildung zu beginnen. Er nahm das Angebot sofort an, da er so nur ein Jahr von seinen Eltern und Geschwistern getrennt wäre. Gleichzeitig fragte er an, ob sein Klassenkamerad Toni eine Ausbildung als Koch bei uns absolvieren könne. Beide haben im vergangenen September ihre Ausbildung bei uns begonnen. Toni quartierten wir in einem Personalzimmer im Seminarhotel ein. Dennis schlüpfte bei Felix in unserem Gästezimmer unter.

Ende vergangen Jahres sind Tonis Eltern mit seinen beiden Brüdern nach Rosenheim gezogen, weil sein Vater dort einen neuen Arbeitsplatz gefunden hatte. Obwohl Toni jetzt wieder bei den Eltern hätte wohnen können, zog er es vor, im Personalzimmer zu bleiben. Vor zwei Wochen ist er jetzt in eines der Appartements für Mitarbeiter im ehemaligen Gesindehaus, euch besser als Jugendhotel bekannt, umgezogen.“

Irina erklärte: „Peter, willst du damit andeuten, dass der junge Mann erst so selbstbewusst ist, seit er hier seine Ausbildung macht?“

Ich erwiderte: „Ja und nein, Toni kam mit Dennis gleich nach dem sie die Schule beendet hatten zu uns auf den Gutshof. Dennis unterstützte seinen Felix bei der Koordination des Zeltlagers und Toni konnte in der Küche gegen freie Kost und Unterkunft seine ersten Erfahrungen in der Küche sammeln. Bereits in dieser Zeit hat er erste große Schritte unternommen.“

Erneut wurden wir unterbrochen, da die georderten Nachspeisen serviert wurden. Wir warteten ab, bis alle ihr Dessert verspeist hatten, dieses Mal nahm ich den Gesprächsfaden wieder auf: „Wir haben noch einige Punkte zu klären, die vor dem Servieren der Vorspeise offengeblieben sind.

Andre, Marc, ich kann euch ein gutes Angebot unterbreiten, das euch keine Ausbildungsplatzgarantie verspricht, aber euch bei der Findung des richtigen Ausbildungsplatzes unterstützen kann. In wenigen Wochen kommen die Osterferien. Ihr könnt in den beiden Osterferienwochen zu uns kommen und jeden Tag einen anderen Ausbildungsplatz mit dazugehörigem Berufsbild kennenlernen.

Da in diesen Ferien zwei Feiertage enthalten sind, wären das acht verschiedene Berufe, die ihr dabei kennenlernen könnt. Gärtner für Gemüse und Kräuteranbau, Verkäufer, Bürokaufmann in verschieden Fachrichtungen, Einzelhandelskaufmann, Hotelkaufmann, IT-Kaufmann, Immobilienkaufmann, Koch, Buchhalter, Servicepersonal in der Gastronomie, Bäcker, Konditor, Elektriker, Anlagenmechaniker, Fliesenleger, Trockenbauer, Heizungs- und Klimatechniker, Maler und Lackierer, Forstwirt, landwirtschaftlicher Mitarbeiter und Logistiker.

Das sind bereits mehr als sechzehn Möglichkeiten, die ihr euch ansehen könnt, mehr ist in den beiden Wochen nicht machbar, wenn sich jeder von euch acht verschiedene Berufsbilder vornimmt und ihr eure Erfahrungen untereinander austauscht.“

Eberhard schaute mich an und sagte: „Das sind ja mehr Ausbildungsberufe, als wir im Unternehmen anbieten. Vor allem dann, wenn du noch nicht alle aufgezählt hast. Jetzt verstehe ich auch, warum ihr in diesem Ausbildungsjahr mit etwa fünfzig Auszubildenden starten werdet. Alle Achtung, das hatte ich nicht in dieser Größenordnung erwartet.“

Ich wandte mich wieder an die beiden Jungs und meinte: „Es liegt an euch, ihr trefft die Entscheidung, ob ihr mein Angebot annehmen wollt. Ihr könnt euch das gern bis morgen überlegen.“

David schaute die Jungs an und sagte: „Jungs überlegt nicht lange, so eine Chance werdet ihr nie wieder im Leben bekommen. Wir würden uns freuen, wenn ihr Ostern zu uns kommt und den Beweis liefert, dass ihr normale Kids sein könnt und nicht die Jungs, die wir vor wenigen Wochen kennen lernten. Aber nicht nur deswegen, wir wollen Andre und Marc kennenlernen und wir könnten an den Wochenenden und Abends etwas gemeinsam unternehmen, eventuell zusammen mit euren Eltern. Langweilig wird es sicher nicht.“

Andre schaute Marc an und sagte: „Brüderchen, ich denke, das sind wir den Jungs schuldig. Immerhin haben sie uns geholfen, uns aus dem Schlamassel, in das wir uns hineingerissen haben, herauszuholen. Vielleicht hilft es uns auch herauszufinden, welche Ausbildung für uns geeignet ist. Ich denke, wir sollten das Angebot annehmen und die zwei Wochen für unsere Zukunft investieren.“

Marc antwortete: „Andre, ich bin dabei, auch wenn ich am Ende des Schuljahres meine Ausbildung ohne dich antreten muss und du vermutlich ein weiteres Jahr die Schulbank drückst. Vielleicht sollten wir zusammen versuchen das Ruder noch einmal herumzureißen, damit du den Abschluss doch noch schaffst.

Irina sagte: „Meinetwegen könnt ihr eure Osterferien mit verschiedenen Praktika ausfüllen, von unserer Seite ist ohnehin kein Urlaub geplant. Ich will hoffen, dass ihr dann endlich wisst, wie es nach der Schule bei euch weitergehen soll. Eberhard, soll ich die Jungs zum Gutshof bringen oder bist du rechtzeitig von deinem Meeting in Norddeutschland zurück.“

Eberhard grinste und erklärte: “Ich komme am Freitagabend erst spät zurück. Wenn es dir passt, kannst du die Jungs am Freitagnachmittag hierher bringen, ansonsten würde ich sie am Samstag am späten Vormittag abliefern. Peter, wäre es möglich, dass wir von Karfreitag bis Ostermontag im Jugendhotel übernachten können?“

Ich wollte schon meine Zustimmung erteilen, als Marc meinte: „Ich glaube, wir sind alt genug, um vierzehn Tage auch ohne euch zu überstehen. Unseretwegen braucht ihr das Osterwochenende nicht mit uns verbringen. Wer weiß, ob wir überhaupt die Zeit finden mit euch etwas zu unternehmen, nachdem die Jungs erklärt haben, dass es uns sicher nicht langweilig werden wird. Vielleicht hilft es Andre, wenn wir uns zusammen mit den Jungs auf die Abschlussprüfungen vorbereiten, da sie sicher auch für die Prüfungen lernen werden.“

Ich war überrascht von Marcs Aussage und wartete, wie meine beiden Jungs reagieren würden. David und Tobias schauten sich an und fingen an zu tuscheln. David erklärte anschließend: „Jungs, wenn ihr euch mit uns auf die Prüfungen vorbereiten wollt, das wird hart für euch. Wir treffen uns zu den Vorbereitungen meist zu zehnt. Alles Schüler aus unserer Schule, aber unterschiedlichen Klassen, die alle im Herbst ihre Ausbildung in einem der Unternehmen der Gutshofgruppe beginnen.

Zu den letzten Treffen sind noch Maruan und Karam, zwei minderjährige Flüchtlinge aus Syrien hinzugekommen, die mit uns die Abschlussprüfung machen und im September als Auszubildende bei uns anfangen. Da eigentlich jeder von uns andere Schwächen hat, helfen wir uns gegenseitig den Prüfungsstoff zu verstehen. Bis jetzt haben wir alle enorm davon profitiert.“

Tobias meinte: „Wenn ihr Lust habt, versuchen wir die Truppe für morgen Nachmittag zu uns einzuladen und ihr könnt die Jungs kennenlernen, mit denen wir uns, auf unsere Prüfungen vorbereiten.“

Ich schaute unsere beiden Jungs an, denn einen Mitschüler würden sie vermutlich nicht einladen können. Das Risiko erschien mir zu hoch, dass damit die Tarnung von Holger Macher, jetzt Klaus Winter, auffliegen könnte. Das musste ich mit den Jungs unter sechs Augen klären.

Was ich jedoch befürchtet hatte, traf auch ein. Andre und Marc waren begeistert von der Idee, die Jungs kennenzulernen, die sich bei uns zu den Prüfungsvorbereitungen trafen und mit denen sie während der Osterferien gemeinsam lernen sollten.

Mein Smartphone signalisierte, dass eine Nachricht für mich eingegangen sei. Da alle inzwischen die Nachspeise vertilgt hatten, meinte ich, dass wir so langsam aufbrechen sollten, wenn wir noch den Spieleabend durchziehen wollen. Während ich zu Alexandra ging, um die Rechnung zu bezahlen, las ich die Nachricht. Sie kam von Manuel, wobei er mich aufforderte mich schnellstens bei ihnen zu melden und ins Verwalterhaus zu kommen.

Ich hatte zwar eine Vermutung warum, war mir aber dennoch nicht sicher, dass ich richtig liegen würde. Als ich gezahlt hatte und ins Nebenzimmer zurückkam, waren bereits alle aufgestanden, um nach oben in unsere Wohnung zu gehen. Ich schnappte mir Thomas und erklärte ihm, dass mich Manuel und Daniel dringend sprechen wollen.

Ich meinte, er solle mit dem Rest nach oben gehen und bereits alles vorbereiten, falls es länger dauern sollte, sollten sie einfach ohne mich anfangen. Thomas meinte zu mir, kein Thema, wir kommen sicher auch ohne dich zurecht. Da heute ein schöner Tag gewesen war und es noch nicht abgekühlt hatte, ging ich ohne dicke Jacke zum Verwalterhaus.“

Kaum hatte ich geklingelt, wurde mir auch schon geöffnet. Klaus meinte ich solle hereinkommen, seine beiden Väter würden mich bereits im Wohnzimmer erwarten. Ich ging in Richtung Wohnzimmer und Klaus folgt mir. Beim Eintritt ins Wohnzimmer erwarteten mich sieben Bewohner des Verwalterhauses, Klaus war noch hinter mir.

Ich meinte: „Das habe ich jetzt nicht erwartet, dass ihr in voller Besetzung auf mich wartet. Was ist so dringend, dass ich auf dem schnellsten Weg zu euch kommen sollte.“

Nachdem Klaus und ich uns gesetzt hatten sagte Manuel: „Peter, es geht um den Besuch, der heute Nachmittag aus München eingetroffen ist.“

Hatte mich meine Vorahnung doch nicht im Stich gelassen, denn genau das hatte ich vermutet, als ich die Nachricht gelesen hatte. Ich sagte: „Sollte doch kein Problem sein, die Gäste verschwinden am Sonntag wieder, Klaus ist doch sicher davon informiert, dass er bis dahin unsichtbar sein soll.“

Manuel antwortete: „Genau die Anweisung ist das Problem, warum wir hier zusammensitzen und nach längerer Diskussion uns darauf geeinigt haben, dass wir dich einbinden sollten. Wo das Problem liegt, soll dir Klaus selbst erklären.

Klaus erklärte: „Peter, ich habe meinen beiden Vätern bereits erklärt, dass ich von Marc und Andre nichts zu befürchten habe. Sie kennen meine familiäre Situation, was mit ein Grund war, warum sie nie zu mir nach Hause gekommen sind. Die beiden wissen zwar nicht offiziell, dass ich schwul bin, aber ich habe mich immer gut mit den Zwillingen verstanden.

Wobei ich davon ausgehe, dass sie es zumindest seit dem Vorfall im Jugendhotel wissen. Ich bin mir zu einhundert Prozent sicher, dass die beiden nie ausplaudern würden, wohin ich untergetaucht bin. Ich sehe grundsätzlich kein Problem darin, wenn ich mich mit den Zwillingen treffen würde.“

Ich schaute in die Runde und fragte: „Wie seht ihr das, kann sich einer der Meinung von Klaus anschließen?

Florian sagte: „Ich vertraue meinem großen Bruder, wenn er sich sicher ist, dass von den beiden Jungs keine Gefahr für ihn drohen könne, dann glaube ich ihm das auch.“

Ich erklärte: „Ich habe auch ein Problem, wenn ich jetzt dem Wunsch von Klaus entspreche, aber nicht, weil ich seinen Erklärungen keinen Glauben schenke. Klaus, die beiden Jungs haben nach dir gefragt und ich habe ihnen erklärt, dass wir nicht wüssten, wo du bist, uns sei nur zu Ohren gekommen, dass du in einem Zeugenschutzprogramm gelandet bist, damit dein Vater dich nicht finden und tot prügeln kann.

Auf der anderen Seite spricht dafür, dass ich dir nicht zumuten möchte, dich während der gesamten Osterferien im Haus zu verstecken. Die beiden kommen während der Ferien hierher, um zum einen eintägige Schnupperkurse in unseren Ausbildungsberufen zu absolvieren und zum anderen mit den Jungs auf die Abschlussprüfungen zu lernen.

Ich brauche nur einen vernünftigen Weg, wie ich ihnen erkläre, dass ich ihnen bisher nur die halbe Wahrheit gesagt habe.“

Florian meinte: „Peter, ich wüsste da schon eine Möglichkeit. Wir erklären ihnen, dass ich sein kleiner Halbbruder bin, daran hat bisher noch keiner gezweifelt. Um seine wahre Identität zu verschleiern, wurden wir von den gleichen Adoptivvätern adoptiert. Wichtig ist nur, dass sie mit niemanden über diese vertraulichen Informationen sprechen, um das Leben von Klaus und mir nicht zu gefährden.“

Daniel lachte und erklärte: „So wie ihr zwei euch benehmt, zweifelt inzwischen sowieso keiner daran, dass ihr Brüder seid. Ihr spielt die Rolle so perfekt, als würdet ihr euch bereits ein Leben lang kennen und mit allen Facetten, die ich von Brüdern so kenne.“

Ich meinte: „Klaus, wir können es versuchen. Nur wenn doch etwas in falsche Ohren gerät, dann kannst du definitiv nicht mehr am Gutshof bleiben. Florian wäre sicher traurig, wenn er aus diesem Grund seinen großen Bruder wieder verliert. Vermutlich wäre auch Gero unglücklich darüber, dass er damit seinen besten Freund endgültig verliert.

Wenn es nach mir geht, sollten wir keine Zeit verlieren und kurzfristig Andre und Marc die wahre Geschichte erklären. Wie sieht es aus bei euch, kommt ihr alle mit? Dann kann ich euch gleich Marc, Andre und seine Eltern vorstellen.“

Wir einigten uns darauf, dass sie mir einen Vorsprung von zehn Minuten geben, damit ich die Umsetzung dieses Plans bei uns in der Wohnung vorbereiten kann. Ich ging zurück ins Gutshaus und in der Wohnung angekommen, direkt ins Esszimmer.

Ich sagte: „Leute, ich darf euch bitten, ich habe eine sehr wichtige Ankündigung zu machen. Ich war eben im Verwalterhaus, weil man mich um Mithilfe gebeten hat, ein etwas diffiziles Problem geradezurücken. Bevor ich mit euch darüber reden kann, brauche ich von Marc, Andre und ihren Eltern eine mündliche Erklärung, dass sie mit keinem Menschen darüber sprechen, was sie hier von mir und uns erfahren. So viel vorweg, es geht in diesem Fall darum, dass wenn nur das Geringste ausgeplaudert wird, derjenige in Todesgefahr geraten kann. Der Betroffene geht davon aus, dass Andre und Marc sein Geheimnis nie ausplaudern würden, da sie zu seinen besten Freunden zählten.“

Einige unserer Jungs fingen zu grinsen an, vermutlich ahnten sie, was ich gleich offenbaren würde. Selbst Marc und Andre schmunzelten bereits verdächtig. Eberhard sagte: „Peter, alles, was wir vertraulich von dir erfahren, bleibt in dieser Wohnung. Vor allem, wenn es dabei um ein Menschenleben geht. Kann es sein, dass es sich dabei um jenen Holger handelt, über den meine Jungs Informationen von dir oder Gero wollten?“

Ich meinte: „Nach euren Gesichtern zu urteilen, ahnten unsere Jungs ziemlich schnell, worauf es hinauslaufen würde. Aber auch bei Marc und Andre ist der Groschen schnell gefallen. Ich kann euch bestätigen, dass es sich um euren ehemaligen Mitschüler handelt. Da ich nicht riskieren wollte, dass Holgers neue Identität bekannt wird, habe ich euch das mit dem Zeugenschutzprogramm erzählt. Bei Holger wurde ein abgewandeltes Verfahren angewandt. Es gibt keinen Holger Macher mehr, vermutlich wird er inzwischen auch nie existiert haben.

Euer ehemaliger Mitschüler heißt jetzt Klaus mit Vornamen und hat einen jüngeren Bruder, namens Florian. Alles andere werden euch die beiden Jungs selbst erzählen. Sie werden in wenigen Minuten mit allen Bewohnern des Verwalterhauses hier einfallen. Räumt bitte die Spiele wieder auf, heute wird das bestimmt nichts mehr.“

Während alles aufgeräumt wurde, meinte Gero zu mir: „Peter, ich wusste längst, dass Klaus seine Deckung verlassen will. Ich habe ihm zwar abgeraten, aber er wollte nicht auf mich hören. Mit dir darüber reden konnte ich nicht, da ich keine Möglichkeit fand dich allein zu sprechen. Als deine Jungs vorher zusagten, mit Marc und Andre während der Osterferien gemeinsam für die Prüfungen zu lernen, begriff ich, dass Marc und Andre die Wahrheit erfahren mussten, es wäre spätestens an Ostern aufgeflogen.“

Es klopfte und die acht Verwalterhaus-Bewohner eroberten das Esszimmer. Die Jungs hatten inzwischen Gläser und weitere Getränke herangeschleppt und, als alle versorgt waren, bat ich Familie Vogler sich vorzustellen, danach sollten sich die Verwalter Häusler vorstellen, zuletzt Klaus.

Da ihr alle Personen bereits kennt erspare ich mir die Daten jedes einzelnen. Im Anschluss forderte ich Klaus und Florian auf, uns ihre Geschichte zu erzählen. Klaus begann: „Marc, Andre, ihr könnt euch doch noch an den Donnerstag erinnern, als mein Alter hier randaliert hat und mich tot prügeln wollte. Innerhalb von etwas mehr als vierundzwanzig Stunden gab es keinen Holger Macher mehr.

Bereits am Freitagnachmittag erfuhr ich, dass ich von Manuel und Daniel adoptiert wurde und zukünftig Klaus Winter heißen werde. Das für meinen kleinen Bruder ebenfalls anhängige Adoptionsverfahren wurde in der gleichen Verhandlung vor dem Familiengericht abgehandelt.

Am Montag wurden uns beim Standesamt bereits die notwendigen Urkunden ausgehändigt und am Dienstagmorgen wurden wir in der Schule angemeldet. Peter und Daniel schauten die Direktorin verwundert an, als sie erklärte, dass die Unterlagen für den Schüler Klaus Winter bereits von unserer Schule übermittelt wurden.

Florian und ich hatten uns über das Wochenende eine plausible Geschichte ausgedacht, die wir so in der Schule verkündeten. Unsere Eltern sind bei einem Autounfall tödlich verunglückt, wir lebten in einem Münchner Kinderheim und der Adoptionsantrag lief schon seit Anfang Januar. Die Geschichte wurde uns abgenommen, weil wir beide von einer Familie adoptiert wurden.

Daniel hat vorher behauptet, dass wir uns jeden Tag wie echte Brüder benehmen würden, mit allen Facetten, die er von Brüdern kenne. Witzigerweise hatten wir beide nie Geschwister, kennen im Grunde genommen das Zusammenleben als echte Brüder nicht. Ich hoffe, dass ihr euch an meinen neuen Vornamen gewöhnen könnt.

Eine Bitte von mir, sprecht nie in der Öffentlichkeit von mir oder über mich. Ich habe keinen Bedarf, dass mein Vater hier eines Tages auftaucht und wieder Ärger macht. Wobei er vermutlich nicht selbst auftauchen würde. Er wird seine Handlanger losschicken, die mir auf den Pelz rücken sollen. Holger Macher gibt es nicht mehr, es gibt nur noch Klaus Winter.“

Andre sagte: „Klaus, meine Hochachtung, zum einen, dass du uns das Vertrauen schenkst und mit uns Kontakt aufgenommen hast. Wie hat mein Vater vorher gemeint, einen Freund verrät man nicht, wenn er dadurch in Lebensgefahr kommen könnte. Ich nehme an, dass du bereits erfahren hast, dass wir in den Osterferien für zwei Wochen wieder hier sein werden.“

Klaus meinte: „Peter hat vorher davon gesprochen, dass ihr beide in den Osterferien wieder hier sein werdet und mit unserer Gruppe für die Prüfungen lernen wollt. Wirst du zu den Prüfungen zugelassen oder steht bereits fest, dass du eine Ehrenrunde drehen darfst.“

Andre grinste und erwiderte: „Nach dem letzten Stand vor den Faschingsferien, werde ich gerade noch für die Prüfungen zur mittleren Reife zugelassen. Wenn ich in den nächsten Extemporalen und Schulaufgaben keinen weiteren Bock schieße, werde ich ganz normal meine Abschlussprüfung ablegen können.“

Eberhard schaute seinen Sohn an und sagte: „Warum wissen wir nichts davon, dass du inzwischen doch zu den Abschlussprüfungen zugelassen wirst?“

Marc sagte: „Das wusste selbst ich noch nicht. Scheinbar haben unsere Lernbemühungen doch etwas gebracht. Brüderchen, ich freue mich für dich, dass wir doch zusammen unsere Ausbildung beginnen können.“

Es war bereits kurz vor Mitternacht, als wir die illustre und teilweise lustige Runde auflösten. Familie Vogler ging ins Jugendhotel, die acht Jungs ins Verwalterhaus und wir verschwanden in unsere Betten.

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