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Fußballgöttinnen wie du und ich

Kapitel 5-6

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 5

Das Bett quietscht bei jeder kleinsten Bewegung und die Matratze ist viel zu weich. Möchte nicht wissen, was die Leutchen hier, wo ich jetzt liege, schon alles getrieben haben. Könnt ich ja glatt eifersüchtig werden. Meine Uhr hat gerade gepiepst, also ist es wohl kurz nach sieben. Ist es auch, weil ich die Dusche rauschen höre. Rabea ist im Bad und trällert Lieder von Silbermond. Allerdings ziemlich schief.

Muss sie mich schon in den frühen Morgenstunden damit beglücken?

Ich ziehe mir die Decke über den Kopf, aber lange ertrage ich die wehklagenden Laute nicht. Ob es Sven wohl auch so geht?

Bert dürfte ja wach sein, der war laut Plan schon beim Entkeimen. Aber an einen gewissen dunkelhaarigen Kerl möchte ich im Moment nicht denken, nachdem er mich auf dem Flur stehengelassen hat.

Ich setze mich auf, wobei das alte Bettgestell ziemlich laut protestiert. Hoffentlich bricht mir das Teil nicht unter meinem Hintern weg, dann sitze ich nämlich ziemlich geküsst da.

Um das zu verhindern, stehe ich schnell auf. Ein schneller Blick in den kleinen Spiegel, den ich mir mitgenommen habe – perfekt!

Meine Haare sehen aus, als hätten sie die Nacht in Butter verbracht. Außerdem riechen sie, wie ich schon um halb zwei morgens feststellen durfte, übelst nach kaltem Rauch.

Da werde ich mich wohl doch noch unter die Dusche begeben müssen!

Soll ich warten, bis Rabea fertig ist?

Nee, unten ist bestimmt noch Platz für mich!

Ich schnappe mir frische Klamotten und verlasse meine traute Kammer. Das Wohnzimmer ist unbevölkert, zum Glück. Will nicht unbedingt von den anderen Trainern nur in Boxershorts gesehen werden – mit Ausnahme von einem natürlich!

Mit schlurfenden Schritten geht es die ausgetretenen Stufen runter – ausnahmsweise ohne einen Sturz. Der Haufen Klamotten und Handtücher auf meinem Arm macht mir das Öffnen der Metalltür zwar nicht leicht, aber auch nicht unmöglich.

„Uff!“, entweicht es mir, als ich in Kristina rein renne und mich gerade noch an der Wand festhalten kann.

Das Mädel fällt aber leider mit ihrem Po auf den Linoleumboden und das auch noch sehr unsanft.

„Mandel! Es gibt da etwas, das sich Auge nennt - erstaunlicher Weise besitzt du sogar zwei Prachtexemplare davon!“, faucht sie und rappelt sich auf.

Perfektes Timing: Gerade erst aufgestanden und schon habe ich mich mit einer absolut liebenswerten Person verkracht. Oder sie ist sauer, weiß ich nicht so genau.

„Entschuldige bitte! Ich war voll damit beschäftigt, diese monströse Tür auf zu machen... wirst du mir noch ein einziges Mal verzeihen, holde Maid?“, zwitschere ich kokett.

Hoffentlich akzeptiert sie mein Zu-Kreuze-Kriechen, sonst ist sie das ganze Training lang muffelig. Dann gibt’s eine Meuterei, woraufhin ich abgesetzt werde. Und Sven darf dem Spektakel zusehen.

Bestens.

Ja, ich bin Schwarzseher vom Dienst, danke der Nachfrage!

„Also, wenn du mir jetzt sagst, dass wir ne Dusch-Session machen, werde ich dir gnädiger Weise vergeben!“, antwortet Kristina zuckersüß.

A ja, so schnell ändern sich die Dinge!

„Na klar! Sind die anderen Gören denn schon wach?“

„Wenn Eine erst auf den Beinen ist, kannst du auch auf den Rest schließen!“, gibt sie Auskunft.

Bäh, Frühaufsteher-Volk. Aber bestimmt haben die sich auch nicht ganz freiwillig aus ihren Decken geschält – wenn sie das schon getan haben!

„Mädels! Antanzen zum Gruppenduschen!“, schreit Kristina über den ganzen Flur.

Wie immer hat sie sich vollkommen der Diskretion verschrieben und achtet auch auf sämtliche andere Gäste.

Ihr Ausruf zeigt Wirkung:

Meine Mannschaft bewegt sich mehr oder weniger anmutig in weißen T-Shirts und/oder Bikinis gewandet Richtung Duschraum.

Ich folge ihnen mit sicherem Abstand und übertriebenem Hüftschwung. Schon erreicht die Karawane der Bekloppten das Reich der Schönheit. Um genau zu sein marschieren wir in einen Albtraum im Stil von Barbie:

Mir ist klar, dass das Ganze für Mädels gedacht ist, aber müssen die Fliesen rosa sein? Die Duschvorhänge in einem schreienden pink, dass ein normaler Mensch nach drei Sekunden erblindet?

Ich will zurück zu dem Bad, in dem man sich nicht richtig bewegen kann. Immerhin trägt man da nur ein paar blaue Flecken davon und nicht den Verlust eines doch sehr wichtigen Sinns. Obwohl man ja den Wahn dazu kriegt – ist das dann fair?

Vielleicht werde ich im Augenblick verrückt, wenn ich schon über solche Sachen nachdenke.

„Guck mal, Mo, sogar Handtücher haben die schon für uns hergerichtet!“, brüllt Judith mir vom anderen Ende des Raumes zu und wedelt mit einem Exemplar.

Au, jetzt bin ich auch noch taub. Oder alles zusammen.

Das Ungetüm ist himbeerfarben und weiß umhäkelt. Args.

Ich deute ein Würgen an und schlüpfe schnell in mein weißes Shirt. Irgendwie bin ich froh, dass ich mir selber Handtücher mitgenommen habe, die in eher neutralem dunkelblau gehalten sind.

Als letzter im Bunde stelle ich mich unter meine Dusche und drehe das heiße Wasser an. Die ersten Mädels hüpfen schon fröhlich mit Indianergeheul durch den Raum, der schon ordentlich vernebelt ist. Da kann man doch nicht nein sagen!

Ich schäume meinen Kopf mit meinem Zitronengras-Shampoo ein und drehe den Hahn voll auf. Keineswegs zum Haare Waschen, nein! Beschwingt steige ich aus der Dusche – und rutsche prompt auf den glitschigen Fliesen aus.

Au!

Zu meinem unglaublichen Missvergnügen bin ich auf meinem Hinterteil gelandet, mit dem Steißbein direkt auf der dummen Kante.

Schmerz hoch sieben.

Ich sterbe!

Hey, das ist ein außergesetzlicher Notstand, kann mir mal wer helfen?

Mit meinen letzten Kraftreserven rapple ich mich auf, um noch einmal den Helden zu geben.

Ja, ich weiß dass ich einen Hang zur Dramatik habe, danke der Nachfrage.

Wow, endlich scheint jemand auf den Schwerverletzten alias mich aufmerksam zu werden!

Allerdings nicht gerade so, wie ich es mir gewünscht habe. Judith beguckt sich meine Kehrseite ausgiebig, patscht auf die Stelle, auf die ich gefallen bin und lacht schadenfroh.

Toll.

Dann schreit sie mit der Lautstärke eines Jumbojets: „Bei dem blauen Fleck wird das wohl nichts mehr aus Bettsport mit Sven!“

Muss. Töten.

Alle Mädels starren mich an, um mich dann mit Fragen zu bestürmen, die wieder zurück in die Gosse gehen sollen.

Ich will sterben!

Kapitel 6

Muhahaha! Ich habe ihnen eine Trainingsstunde reingedrückt, die sich gewaschen hat! Während die Mädels ihre Runden um den Platz laufen und sich nebenbei Bälle zupassen dürfen, stehe ich auf dem Feld. Die eine Hand mit einem dicken Eispaket auf dem blauen Fleck, die andere umklammert den Torpfosten.

Das hämische Grinsen ist natürlich nur zufällig auf meinem Gesicht anzutreffen und ein Ausnahmefall.

Ein metallisches Klicken hinter mir, ich wirble herum.

Sie sind gekommen um mich zu holen, der Tag der Abrechnung ist da!

„Auch eine?“, fragt Sven und streckt mir seine Kippenschachtel entgegen.

Ich bin paranoid. Aber der ist auch nicht normal. Wie kommt er dazu, mich hinterrücks anzusprechen? Noch dazu nachdem er mich gestern einfach zurückgelassen hat?

Ich nicke.

„Gerne, danke“, murmle ich und stecke mir eine seiner Zigaretten an.

Ich bin der typische Gelegenheitsraucher, allerdings ohne Schnorren. Weil ich da ja abhängig wirken würde.

Hm, beruhige mich auf Grund des Nikotins wieder.

„Warum scheuchst du die Ladies denn so über den Platz?“, fragt Sven zwischen zwei Zügen.

Gute Frage. Vielleicht, weil sie sich über einen Leidenden lustig gemacht haben? Weil sie es amüsant finden, wenn dieser jemand ihnen vollkommen ausgeliefert ist? Oder doch eher, weil sie ihn mit geballter Neugier in die Knie gezwungen haben?

Könnte aber sein, dass es die Gesamtheit ist, die genau mich betrifft.

„Sie waren nicht gerade nett zu mir“, nuschle ich an der Kippe vorbei und wedle mit dem Eisbeutel.

Huch, wie sieht der Herr denn heute aus? Dass mir das nicht eher aufgefallen ist! Ich hätte mich schon längst in meinem Kämmerchen verschanzt und bis zum Sanktnimmerleinstag gewartet.

Arg!

Seine dunklen Haare sind noch nicht ganz trocken, war wohl auch noch mal Duschen;

keine Spur von einem Kater oder Schlafentzug in seinem Gesicht. Auf seinem schwarzen, leicht verwaschenen T-Shirt steht »the blandishing taste of blood«, in blutroten Lettern. Und seine abgeschnittenen Jeans, die seine Beine... - nicht sabbern, Mandel!

...und wie er seine Zigarette hält! Dieser Kerl ist der Inbegriff von -

„Oh! Was ist denn passiert? Ich darf doch“, fragt er fürsorglich und reißt mich damit aus meinen halbseidenen Tagträumen.

Und dann tritt er hinter mich und zieht mein Shirt vorsichtig hoch.

„Hm, da ist ja gar nichts!“, stellt er fest.

Ich laufe rot an, na prima.

„Das – das liegt da dran, dass das ganze noch ein Stück tiefer ist“, stammle ich und komme mir ganz schön dämlich vor.

„Aha. Das ist ganz schön schmerzhaft, ich weiß. Aber das haben sie doch nicht mit Absicht gemacht, oder?“

Ich schüttle den Kopf.

„Nee, ich bin in der Dusche ausgerutscht“, antworte ich belämmert.

Man klingt das doof. Als ob ich mich überhaupt nicht unter Kontrolle hätte und der größte Tollpatsch auf Erden wär!

Nun, genau genommen könnte das auch stimmen, aber das zählt gerade nicht.

Er lächelt verständnisvoll.

Na gut, vielleicht interpretiere ich das auch nur rein.

„Und die Mädels haben dich damit aufgezogen, nicht?“, fragt Sven.

Huch, warum ist der auf einen Schlag so nah an meinem Gesicht? Und warum, bitteschön, kann ich nicht einfach an seinen graublauen Augen vorbei sehen?

Ich nicke hypnotisiert.

Irgendwie finde ich die Lage ein klein wenig unangenehm. Wie soll ich mich denn bitteschön verhalten?

„Mo, müssen wir die Übung noch ewig machen?“, schreit Jude mit ihrer Jumbojet-Stimme über den Platz.

Schon ist die Stimmung dahin, vielen Dank.

Und diese Frau schimpft sich beste Freundin!

Gedankliche Notiz: Judith möglichst unauffällig, aber qualvoll killen.

„Tja, ich muss dann auch wieder... schätze, ich hab euer Training gestört. Sorry, wir sehen uns dann oben“, murmelt Sven, bevor er sich abwendet.

Mist.

Das Eispaket ist warm, ich habe eine Horde Mädchen am Hals, mein Steißbein tut weh und die anbetungswürdigste Person auf Erden macht sich vom Acker.

Kann es denn noch schlimmer kommen?

Habe ich ernsthaft gedacht, es wäre genug des Übels? Mea Culpa, wie falsch ich doch lag. Dank eines gewissen Hämatoms – ich habe beschlossen, es jetzt so zu nennen – kann ich nicht sitzen, was ja an sich schon toll ist.

Die Krönung heißt »Menü Rustikal« und besteht aus Erzeugnissen aus der Umgebung. Und da ist auch Sauerkraut dabei.

Also stehe ich hochbeinig kauend an der Küchentheke, mit gutem Blick auf Sven, der mir, während er sich einen Nachschlag auftut, aufmunternd zuzwinkert.

„Hey! Meine Mannschaft fährt um drei zum Schwimmen und wir haben noch Plätze im Bus frei. Ihr könntet also noch mitfahren, wenn ihr wollt“, erklärt er mir beschwingt.

Hm, nettes Angebot.

„Ich denke nicht, dass die Mädels etwas dagegen hätten – nach dem Training heute Morgen“, antworte ich mit einem schmalen Lächeln.

Wenn mich meine Paranoia nicht täuscht, werden wir gerade beobachtet.

Judith!

Ich werfe ihr einen bitterbösen Geh-Sterben-Blick zu, während ich meinen Teller endgültig von mir weg schiebe.

„Oh ja! Hast du schon die ersten Morddrohungen bekommen?“, fragt er und schiebt sich eine Gabel Bratwurst-Sauerkraut-Soßen-Pampe in den Mund.

Bäh.

„Die übliche Anzahl, natürlich in Briefbomben“, antworte ich mit zuckenden Mundwinkeln.

„Cool! Darf ich dein Begräbnis inszenieren? Welchen Abschiedssong wünschst du dir? Weiße oder rote Rosen?“

Uff.

Ich glaube ich bin ein bisschen überfordert.

Wenn ich mich nämlich recht erinnere, sind weiße Blumen die des Todes. Das erscheint mir ja noch sehr logisch, aber rote? Wenn mein krankes Hirn sich nicht irrt steht die Farbe für Liebe und Leidenschaft!

Ist er am Ende doch ein wenig an mir interessiert?

Toll, mal wieder in eine Tomate verwandelt.

„»Song to say goodbye« von Placebo“, antworte ich mit einem Lächeln, das so traurig ist wie das Lied.

„Nee, das passt ja so gar nicht – es sei denn, die Ladies singen das dann! Warum nicht »November rain« von Guns n' Roses? Das klingt doch viel besser in dem Zusammenhang!“, protestiert er.

Ich lächle. Sven und ich haben also annähernd den gleichen Musikgeschmack!

„Mm... Das höre ich immer, wenn der Regen morgens gegen das Fenster prasselt und ich noch im Bett liege-“

„...und der Wind ums Haus bläst und man weiß, dass man noch genügend Zeit zum Aufwachen hat!“, beendet mein Gegenüber den Satz.

Ich lächle. Ja, genauso muss das nämlich sein. Und nicht bei einer dämlichen Beerdigung.

„Vielleicht »Love song for a vampire« von Annie Lennox“, murmle ich und weiß genau, wen ich mit dem Titel verbinde.

„Das... das wäre fast noch trauriger als »Song to say goodbye«“, antwortet er zögernd. „Außerdem passt Engel viel besser zu deinem Aussehen!“

Und dann verschwindet er mit seinem Mittagessen Richtung Ausgang.

Wunderbar.

War das jetzt eigentlich ein Kompliment?

Ich bin hoffnungslos verwirrt.

Und verliebt.

Ich geh jetzt sterben.

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