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Vater und Sohn

Teil 2 - Weicher ist stärker als hart, Wasser stärker als Fels, Liebe stärker als Gewalt.

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Informationen

Hallo liebe Leser!

Hier habt ihr nun den zweiten Teil von ‚Vater und Sohn’ vorliegen. Ich hoffe der gefällt euch auch. Vorneweg möchte ich mich auch bei allen bedanken die mir auf den ersten Teil ihr Feedback geschrieben haben. Mit so vielen positiven Reaktionen hätte ich nicht gerechnet. Also danke! Viel Spaß mit dem zweiten Teil! Schreiberling

Weicher ist stärker als hart, Wasser stärker als Fels, Liebe stärker als Gewalt

„Hier riecht es ja schon sehr lecker.“, befand er und lächelte mich an.

„Klar, ich will ja nicht gleich zu Beginn einen schlechten Eindruck hinterlassen.“

„Das kann ich ja erst entscheiden, wenn ich gekostet habe.“, grinste Jonas.

„Also das lässt sich machen.“, erklärte ich. Dann nahm ich einen Teller aus dem Schrank und gab Jonas ein wenig meiner Nudelsoße um zu probieren. Nach dem er gegessen hatte sah er mich an, doch ich konnte nicht genau erkennen was in seinem Blick lag.

„Ich glaube, dich stelle ich fest an.“, lachte er dann plötzlich.

„Aber erwarte jetzt nicht, dass ich auch den Abwasch für uns mache.“

Der Blick von Jonas brachte mich in diesem Moment zum Lachen.

„Ach schade, ich dachte das wäre im Preis inbegriffen.“

„Das ist ja etwas ganz neues. Ich werde für meine Arbeit als Küchenchef bezahlt?“

Jonas grinste schelmisch bevor er sich vor mich stellte. „Ja, in Naturalien.“, erklärte er dann und küsste mich sanft und zärtlich auf die Lippen. Ich selbst schlang meine Arme um ihn und zog ihn noch näher an mich heran. Erst nach einer kleinen Ewigkeit lösten wir uns wieder von einander. Jonas hatte die Augen immer noch geschlossen, lächelte leicht und seufzte dann wohlig. Ich stand daneben und lächelte, es tat mir gut ihn so gelöst zu sehen. Erst das leise Zischen des Nudelwassers lenkte mich wieder ab, glücklicher Weise konnte ich es noch vom Herd nehmen bevor es vollständig überkochte. Jonas stand in diesem Moment einfach neben mir und kicherte.

„Wann bist du denn fertig mit kochen?“, wollte er dann plötzlich wissen.

„Das dürfte nicht mehr lange dauern, wirst also nicht verhungern.“, grinste ich zurück.

„Dann will ich den großen Meister nicht beim Kochen stören.“, erklärte er daraufhin. Schon an seinem Blick konnte man allerdings erkennen, dass er nicht sauer war. Somit ging Jonas an das große Küchenfenster und setzte sich auf das Fensterbrett. Nachdem ich ihn ein paar Sekunden beobachtet hatte wandte ich mich wieder dem Essen zu. Genau wie Jonas hatte ich mit der Zeit auch Hunger bekommen.

„Wenn du willst könntest du solange den Tisch decken.“

„Klar, ist kein Problem.“, antwortete er mir und ging zum Schrank um das Geschirr herauszunehmen. Schon kurz darauf hatte ich dann die Nudeln abgegossen und auf den Tisch gestellt. Die Soße musste noch ein wenig kochen, aber ansonsten konnten wir wohl essen.

„Also von mir aus können wir essen.“

„Das ist gut!“, meinte Jonas nur und lächelte. Irgendwie fand ich es wunderschön, wenn er lächelte. Somit nahm ich die Soße vom Herd und stellte diese zu den Nudeln.

„Dann lass es dir schmecken.“, meinte ich und tat mir etwas auf den Teller. Kurz darauf nahm sich Jonas auch etwas. So saßen wir einfach zusammen und aßen. Gesprochen hatten wir die gesamte Zeit eigentlich sehr wenig, irgendwie war jedes Wort überflüssig. Es war einfach eine entspannte Stille zwischen uns eingekehrt. Nachdem wir gegessen hatten nahm ich das Geschirr und stellte es in die Spüle, zum Abwaschen fehlte mir in diesem Moment die Lust. Da Jonas schon ins Wohnzimmer gegangen war folgte ich ihm dort hin.

„So und was machen wir jetzt noch mit dem angefangenen Abend?“, wollte ich dann von ihm wissen.

„Hmm…“, Jonas schien angestrengt zu überlegen. Nach ein paar Sekunden stahl sich jedoch ein Lächeln auf seine Lippen.

„Ich weiß etwas!“, erklärte er dann triumphierend.

„Was denn?“

Direkt nach meiner Antwort kam er zu mir und setzte sich auf meine Beine.

„Küssen.“, flüsterte er bevor er sanft seine Lippen auf meine legte.

Diesem Vorhaben konnte ich nun einfach nicht widersprechen, dafür war Jonas viel zu süß. Somit legte ich ihm die Arme um und strich über seinen Rücken. Nachdem wir uns wieder getrennt hatten schmiegte sich Jonas nah an mich heran.

„Ich liebe dich!“, flüsterte er nach ein paar Momenten die wir einfach so zusammen saßen.

„Ich dich auch.“

Der Rest des Abends war nun einfach wunderschön. Irgendwann legte sich Jonas mit dem Kopf auf meine Beine. Dann sah er zu mir hinauf und lächelte. Ich streichelte ihm einfach über die Stirn und die dunklen Haare. Erst als es Jonas nicht mehr gelang ein Gähnen zu unterdrücken beschlossen wir ins Bett zu gehen. Somit stand er auf und streckte mir die Hand entgegen um mich nach oben zu ziehen. Doch in der Türe zum Schlafzimmer blieb er stehen und drehte sich zu mir.

„Was ist?“, wollte ich dann von ihm wissen.

„Ich hab mir gerade überlegt, dass ich Wegzoll verlangen könnte.“, grinste Jonas plötzlich.

„Wie? Ich soll in meiner eigenen Wohnung Zoll zahlen?“

„Klar!“

„Ach und was hast du dir da so vorgestellt?“

Einen Moment lang sah Jonas mich an als ob er wirklich überlegen würde, dann zog er mich in seine Arme.

„Mit einem Kuss als Anfang würde ich mich schon mal zufrieden geben.“, lächelte er dann.

Eine Antwort gab ich ihm nicht mehr, sondern ich küsste ihn einfach kurz auf die Lippen. Danach ging ich an ihm vorbei und zog mich aus. Schon kurze Zeit nachdem ich mich ins Bett gelegt hatte, kam auch Jonas zu mir ins Bett. Eng schmiegte er sich an mich heran.

„Schlaf gut.“, meinte ich dann noch.

„Du auch.“, gähnte Jonas.

Es schien so als ob er direkt eingeschlafen war, ich konnte seine ruhige Atmung auf meiner Haut spüren. Mit dem warmen Gefühl Jonas an mir zu fühlen war ich auch bald eingeschlafen. Erst als ich wahrnahm wie etwas leicht über meinen Hals und mein Gesicht glitt wurde ich wieder wach. Nachdem ich die Augen geöffnet hatte sah ich direkt in Jonas Gesicht.

„Na du Schlafmütze. Auch endlich wach?“, lächelte er.

„Wieso ‚endlich’? Wie spät ist es denn?“, wollte ich dann wissen und sah auf meinen Wecker. Doch direkt danach lies ich mich wieder in die Kissen fallen. „Jonas es ist erst neun Uhr. Also noch nicht so spät.“

„Du solltest aber trotzdem aufstehen.“, erklärte er und lächelte geheimnisvoll.

„Mit dir zusammen will ich aber lieber liegen bleiben.“, antwortete ich und zog ihn zu mir herunter. Danach musste ich ihn erstmal küssen. Doch Jonas lies mich nicht zur Ruhe kommen, somit stand ich nach ein paar Minuten doch auf und zog mich an.

„Und was jetzt?“

„Komm mit.“, antwortete Jonas schlicht, dann führte er mich in die Küche. Dort hatte er bereits Frühstück für uns beide gemacht. Der Tisch war gedeckt und auch zwei Tassen Kakao standen schon dort. „Siehst du ich hab dir doch gesagt, dass du etwas bekommst, wenn du aufstehst.“

„Das ist wirklich lieb von dir Jonas. Danke!“

Doch er lächelte nur, schob mich dann sanft auf einen der Stühle und setzte sich mir gegenüber.

„Und was haben wir heute vor?“, wollte Jonas wissen bevor er sich ein Stück Brot nahm.

„Äh… Keine Ahnung.“, gab ich zu. Eigentlich wollte ich mich nur mit Jonas zusammen auf die Couch setzten, mich an ihn kuscheln und ihn einfach küssen. „An was hast du denn so gedacht?“

„Also ich hab mir, dass so vorgestellt. Zuerst frühstücken wir beide gemütlich, danach könnten wir zur Eishalle fahren. Und heute Abend kochst du dann wieder.“, kicherte Jonas.

„Ist eine sehr gute Idee.“

Nach meiner Antwort lächelte Jonas zufrieden und frühstückte dann weiter. Ich beobachtete ihn noch ein paar Momente bevor ich selbst weiter aß. Nachdem wir gegessen hatten verräumten wir zusammen alles und machten auch noch den Abwasch.

„Wollen wir dann los?“, wollte Jonas wissen nachdem er den letzten Teller in den Schrank gestellt hatte.

„Gerne!“, antwortete ich. Doch danach zog ich ihn erst einmal an mich und küsste ihn. Deshalb standen wir eine lange Zeit einfach in der Küche und küssten uns.

„Wir sollten wirklich mal los, wenn wir in die Eishalle wollen.“, lächelte Jonas nachdem wir uns getrennt hatten.

„Ist in Ordnung.“

Somit zogen wir unsere Jacken über und verließen die Wohnung. Da die Eishalle nicht weit entfernt war entschieden wir uns dafür zu laufen. Auf dem Weg suchte ich mit meiner Hand nach der von Jonas. Doch dieser hatte seine in den Jackentaschen. Aus diesem Grund steckte ich meine Hand in seine Tasche und umschloss mit meinen Fingern seine. Jonas drehte sich daraufhin zu mir und lächelte mich an. Zusammen liefen wir nun weiter bis wir vor der Eishalle standen. Nachdem wir uns dann die Schlittschuhe ausgeliehen hatten gingen wir auch in das Innere der Halle. Schnell hatten wir die Schuhe angezogen und waren auf das Eis gegangen. In den ersten Momenten stand Jonas einfach auf diesem und atmete tief.

„Es ist schön wieder hier zu sein.“, lächelte er dann.

Irgendwie verstand ich diesen Einwand nicht richtig. War Jonas schon einmal hier gewesen? Schließlich war diese Halle eher für das Eishockey – Training gedacht und deshalb nicht so stark besucht. Aber warum war er mir dann nie aufgefallen? Ich war doch mit meiner Mannschaft fast täglich zum Training hier.

„Du warst schon mal hier?“

Komischer Weise schien Jonas plötzlich nervös zu werden. „Äh… Ich… Nein, ich war noch nie hier.“

Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass alles Nachfragen in diesem Moment nichts brachte. Ich glaubte auch einfach daran, dass Jonas irgendwann genug Vertrauen zu mir haben würde um mir alles zu erklären. Aus diesem Grund zog ich ihn einfach mit mir in die Mitte des Eises.

„Siehst du ich hab mein Versprechen gehalten.“, erklärte ich ihm dann.

„Ich weiß.“, antwortete er und lächelte, bevor er mich küsste. Die nächste Zeit verbrachten wir einfach damit Hand in Hand über das Eis zu laufen. Immer wieder sah Jonas dabei zu mir und lächelte mich an. Ganz tief in mir wurde es dadurch warm, ich konnte fast schon spüren wie gut es Jonas ging. Irgendwann beschleunigte ich jedoch mein Tempo und fuhr ein paar Meter vor ihm entlang.

„Fang mich!“, grinste ich nur. Schon kurz nachdem ich gesprochen hatte war Jonas hinter mir. Er war dabei schneller als ich erwartet hatte. Somit dauerte es auch nicht lange bis er mich eingeholt und in seine Arme gezogen hatte.

„Ich hab dich!“, flüsterte er bevor er mich wieder zärtlich küsste.

Die folgende Zeit verbrachten wir nun einfach damit uns gegenseitig nachzujagen. Eben solange bis Jonas schwer atmend an der Bande zum Stehen kam.

„Pause!“, jappste er und sah mich an. „Du bist zu schnell für mich.“, grinste er und atmete schon wieder ruhiger. Ich selbst stand einfach vor ihm und beobachtete ihn.

„Hättest du nicht Lust etwas Warmes zu trinken? Mir wird kalt.“, wollte ich dann von ihm wissen.

„Ist eine sehr gute Idee.“, antwortete Jonas.

Somit zogen wir unsere Schuhe wieder an und gingen in das Café das an die Eishalle angrenzte. Dort setzten wir uns an einen der Ecktische und sahen zusammen in die Karte. Erst als der Kellner zu uns an den Tisch kam schreckten wir wieder auf. In diesem Moment reichte ein Blick auf Jonas und mir war klar, dass wir dasselbe trinken würden.

„Zwei Kakao.“, meinte ich nur.

Nachdem der Kellner wieder gegangen war wand ich mich Jonas zu. Dieser lehnte sich leicht an mich und legte mir seinen Kopf an die Schulter.

„Bin ich eigentlich so leicht zu durchschauen?“, wollte er dann von mir wissen.

„In manchen Dingen schon.“, lachte ich.

„Interessanter Ansatz.“

Irgendwann sah ich ihm einfach nur in die dunklen Augen und versank darin. Für einen kurzen Moment schien die Zeit still zu stehen, es brauchte dazu nicht mehr als mich und Jonas, den Mittelpunkt meiner Welt. Erst als er mich leicht an der Wange berührte kam ich wieder in die Realität zurück.

„Alles in Ordnung bei dir Nic?“

„Ja.“, lächelte ich.

In diesem Moment wurden wir jedoch vom Kellner unterbrochen der an unseren Tisch kam und die zwei Tassen Kakao darauf abstellte. Schon kurz darauf hatte Jonas eine der Tassen zu sich gezogen und davon getrunken. Mit dem Handrücken wischte er sich danach über die Lippen um den restlichen Kakao abzuwischen. Ich selbst lachte einfach nur als ich ihn dabei beobachte, Jonas hatte einfach etwas Kindliches in seinem Verhalten.

„Hab ich noch irgendwo Kakao oder warum lachst du?“

„Du hast da noch ein bisschen.“, meinte ich dann.

„Wo denn?“

„Da!“, erklärte ich und küsste ihn kurz auf die Lippen.

„Weißt du eigentlich, dass du unmöglich bist?“, wollte Jonas dann von mir wissen.

„Ich? Wie kommst du denn darauf?“

„Ach das war nur so eine Idee von mir.“, erklärte Jonas. Im nächsten Moment konnten wir beide jedoch nicht mehr und begannen zu lachen. Ich fand es einfach wunderschön wie seine Augen dabei glänzten, sie bekamen einfach einen besonderen Schein. Eine ganze Weile saßen wir einfach so zusammen, tranken Kakao und genossen unsere Nähe. Erst das Klingeln meines Handys beendete unsere schöne Zeit. Jonas warf mir einen leicht genervten Blick zu als ich das Telefon aus der Tasche zog.

„Nicholas Derker!“, meinte ich fröhlich.

„Oliver Derker!“, lachte mein Vater mir entgegen.

„Hallo Papa. Was gibt’s?“

„Nichts wichtiges, ich wollte wissen wo ihr seid.“

„Wir sind an der Eishalle.“, antwortete ich ihm.

„Warum überrascht mich diese Tatsache nur nicht?“, fragte mein Vater ironisch. „Würde es euch etwas ausmachen, wenn ihr her kommt?“

„Nein, würde es nicht. Warum?“

„Na, ich will Lisa, Jonas und dich heute Abend zum Essen einladen.“, erklärte mein Vater.

Abendessen? Häh? So lange waren Jonas und ich doch noch gar nicht unterwegs, es konnte doch noch gar nicht so spät sein. Ein flüchtiger Blick auf meine Armbanduhr lies mich aber erstarren. Es war schon kurz nach fünf Uhr abends, ich hatte gar nicht gemerkt wie schnell die Zeit vergangen war.

„Ist in Ordnung wir kommen.“

„Bis dann. Tschüss!“

„Tschüss Papa!“

Nachdem ich das Handy wieder abgeschaltet hatte sah Jonas mich an.

„Was wollte Oliver denn?“

„Uns zum Abendessen einladen. Deshalb wollte er wissen wann wir zurückkommen.“

„Dann sollten wir uns auf den Weg machen, oder was meinst du?“

„Find ich auch und ehrlich gesagt habe ich so langsam wirklich Hunger bekommen.“, antwortete ich Jonas.

Somit tranken wir in aller Ruhe den Rest unseres Kakaos und bezahlten danach. Langsam liefen wir dann zurück zu meiner Wohnung. An der Haustüre trafen wir dann auf Lisa, so wie es schien kam sie gerade von der Arbeit.

„Hallo ihr beiden.“

„Hallo Lisa!“, antworteten wir.

„Und hat Oliver euch erreicht?“

„Ja, schon. Aber woher weißt du das denn schon wieder?“, wollte ich wissen während ich die Türe aufschloss.

„Ich hab da so meine Quellen.“, lachte sie. „Aber im Ernst, er hat mich vorhin angerufen und nachgefragt ob ihr irgendwo im Heim zu finden seid.“

„Wir waren in der Eishalle.“, meinte Jonas dann.

„Jetzt haben wir noch einen von der Sorte!“, seufzte Lisa. Als wir sie beide verständnislos ansahen begann sie wieder zu lachen. „Ich gehe doch richtig in der Annahme, dass du dann genauso Wintersport verrückt bist wie Nic oder?“

„Stimmt schon.“, antwortete Jonas.

Ich stand nur daneben und grinste. „Lisa du bist unmöglich!“

„Ach lass mich doch!“, grinste sie.

Lachend gingen wir dann zu dritt nach oben in die Wohnung meines Vaters. Dieser saß im Wohnzimmer und las in irgendeiner Wirtschaftszeitung die ich nicht kannte. Lisa ging dann zu ihm und begrüßte ihn mit einem Kuss. Erst danach fiel sein Blick auf Jonas und mich.

„Oh, ihr seid ja auch schon da.“

„Welche Überraschung, nicht wahr?“, grinste ich.

Somit setzte ich mich mit Jonas zusammen auf das Sofa. Dieser lehnte sich an mich und ich legte ihm meine Arme um.

„Also hättet ihr Lust mit mir essen zu gehen?“, wollte mein Vater dann von uns wissen.

„Klar!“

Somit stand mein Vater auf und zog Lisa danach von ihrem Stuhl hoch. Diese beschwerte sich jedoch.

„Oliver! Jetzt musste ich den ganzen Tag arbeiten und kaum bin ich zu Hause muss ich schon wieder los.“, doch es war ihr anzumerken, dass sie alles eher lustig meinte.

Mein Vater antwortet ihr aber nur mit einem gedehnten „Ach?“

Im nächsten Moment hatte er Lisa hoch genommen und trug sie zur Wohnungstüre. Während Jonas und ich einfach nur lachten, schien Lisa selbst sehr überrascht zu sein. An der Türe stellte er sie wieder auf den Boden und half ihr in die Jacke.

„Gefällt es so besser?“, wollte er dann von ihr wissen und lachte.

Doch Lisa stand einfach nur da und schüttelte grinsend den Kopf. Nachdem sich die Atmosphäre wieder etwas beruhigt hatte nahmen Jonas und ich unsere Jacken. Gemeinsam folgten wir den beiden dann zum Auto.

„Sind die zusammen eigentlich immer so?“, wollte Jonas dann von mir wissen.

„Nee, meistens sind sie noch viel schlimmer!“

Als wir aus der Haustüre traten sahen wir aber meinen Vater und Lisa am Auto lehnen. Mein Vater hatte seine Arme um sie gelegt und sie küssten sich.

„Das können wir doch auch.“, grinste Jonas und zog mich in seine Arme.

„Da könntest du Recht haben.“, antwortete ich nur. Kurz darauf küsste er mich. Ich konnte gar nicht genug von diesem Gefühl bekommen, es war so atemberaubend Jonas so nah sein zu können. Erst mein Vater unterbrach uns wieder.

„Wenn ihr euch mal wieder trennen könnt, dann können wir fahren.“

„Wir kommen!“, antwortete Jonas und schenkte mir noch ein Lächeln bevor er mich zum Wagen meines Vaters zog. Neben einander setzten wir uns dann auf die Rückbank. Da ich schon eine Ahnung hatte in welches Restaurant wir fahren würden interessierte es mich auch nicht auf welcher Straße wir unterwegs waren. Viel lieber widmete ich mich Jonas, dieser lehnte an mir und blinzelte in die tiefstehende Abendsonne. Als ich ihm sanft über die Haare strich drehte er seinen Kopf so, dass er mir in die Augen sehen konnte. Es schien für mich einfach so als ob ich durch einen Blick in seine Augen lesen konnte was er fühlte.

Umgekehrt war es wohl genauso. Wie lange wir so zusammen saßen hätte ich später nicht mehr genau sagen können. Erst als mein Vater das Auto auf dem Parkplatz von Giovannis Restaurant parkte sah ich wieder auf. Irgendwie war es verblüffend, in der Nähe von Jonas schien die Zeit viel schneller zu vergehen als ohne ihn. Somit lächelte ich ihm nochmals kurz zu und stieg dann aus. Nachdem Jonas mir gefolgt war nahm er wieder meine Hand. Auf die erstaunten Blicke der anwesenden Gäste reagierte ich in diesem Moment gar nicht. Jonas war das Wertvollste in meinem Leben und wenn das jemandem nicht passte war es nicht mein Problem. Nachdem wir vier zusammen das Lokal betreten hatten ging mein Vater kurz an die Theke und besprach etwas mit Giovanni. Ich verstand nicht wirklich worum es dabei ging.

„Was hat er jetzt wieder vor?“, wollte ich deshalb auch von Lisa wissen. Jonas sah sie dabei auch interessiert an.

„Da werdet ihr schon abwarten müssen.“, lächelte sie aber nur.

In solchen Momenten war mir klar warum Lisa so gut zu meinem Vater passte. Sie war genauso verschwiegen, wenn es um Dinge ging die sie nicht erzählen wollte.

„Du könntest uns ja einen kleinen Tipp geben.“, meinte Jonas dann.

„Nein.“, war darauf die lapidare Antwort von Lisa.

Somit gaben wir es auf eine Information aus ihr heraus bekommen zu wollen. Mein Vater kam auch bald darauf wieder zurück, deshalb konnte ich auch gar nicht mehr weiter fragen. Galant bot er daraufhin Lisa den Arm an und führte sie zu unserem Tisch. Kurz darauf folgten Jonas und ich den beiden. Es war hier auch direkt klar, dass Jonas neben mir sitzen würde. Schon kurze Zeit später stand Giovanni an unserem Tisch, zuerst verteilte er die Karten an uns vier. Wenige Sekunden später brachte er vier Gläser und eine Flasche. Diese gab er meinem Vater. Etwas irritiert sah Jonas mich an, doch ich konnte selbst nicht mehr tun als kurz die Schultern anzuheben. Nur Lisa schien zu wissen was er vorhatte, denn sie lächelte geheimnisvoll.

„Da wir ja heute etwas zu feiern haben sollte es auch ein guter Schaumwein zum Anstoßen sein.“, meinte mein Vater plötzlich. Somit schenkte er jedem von uns etwas in das Glas, danach hielt er seines ein wenig in die Höhe. „Nicholas und Jonas ich wünsche euch alles erdenklich Gute für eure Zukunft. Lasst uns auf eure Liebe trinken!“

Völlig überwältigt sah ich ihn an, so etwas hatte ich nun nicht erwartet.

„Danke Papa!“, konnte ich mit Mühe noch antworten bevor ich die Tränen in meinen Augen spürte. Als ich dann zu Jonas sah konnte ich erkennen, dass auch ihn sehr berührt hatte was mein Vater gesagt hatte. Seine Augen waren ebenfalls glasig geworden und man konnte eine Träne glitzern sehen. Somit nahmen wir unsere Gläser und stießen an. Nachdem jeder ein wenig getrunken hatte wandte sich Lisa auch noch an uns beide.

„Ich möchte die Gelegenheit dann auch noch nutzen. Dem was Oliver gesagt hat kann ich nur in vollem Umfang zustimmen. Auch ich kann euch nur von Herzen alles Gute wünschen.“

„Danke Lisa!“, antworteten Jonas und ich. Irgendwie konnte ich nicht fassen was die beiden hier gerade gesagt hatten. Ihre Worte hatten für mich und wohl auch für Jonas eine so große Bedeutung, dass ich es noch gar nicht ganz begreifen konnte. Auf jeden Fall war ich dankbar dafür einen solchen Vater zu haben und Lisa durfte ich dabei auch nicht vergessen.

„Haben sie schon gewählt?“, ich erschrak richtig als plötzlich Giovanni an den Tisch trat, ich hatte ganz vergessen wo wir waren.

Somit bestellten wir unser Essen. Am Tisch wurde es daraufhin erst einmal ruhig. Ich selbst hatte meinen Arm um Jonas gelegt während er seine um meine Hüfte geschlungen hatte.

„Sind sie nicht süß?“, seufzte Lisa plötzlich und sah meinen Vater an.

„Stimmt!“, antwortete dieser nur und sah mit einem zufriedenen Blick auf uns beide.

In diesem Moment wurde ich wohl rot im Gesicht. Doch dieses Mal rettete mich der Kellner, denn dieser brachte unser Essen. Schweigend aßen wir in den folgenden Minuten. Für mich konnte die Situation gar nicht perfekter sein. An meiner Seite saß Jonas der mir immer wieder zulächelte. Ich war verliebt. Was konnte es denn schöneres geben?

Erst nachdem alle fertig waren brach mein Vater das Schweigen wieder.

„Hättet ihr nicht Lust noch etwas trinken zu gehen?“, wollte er wissen. „In der Stadt hat eine neue Bar aufgemacht, wir könnten ja mal sehen wie es da so ist.“

Als wir alle unsere Zustimmung gegeben hatten stand mein Vater auf und ging bezahlen. Schon kurz darauf kam er wieder. In dieser Situation fiel mir nun etwas auf, auf das ich vorher nie geachtet hatte. Mein Vater lächelte, doch dieses Lächeln hatte sich sehr verändert. Ich weiß nicht warum es mir ausgerechnet jetzt bewusst wurde, aber erkannte es einfach. Er wirkte einfach wie, wenn er in sich selbst ruhen würde und daraus schien ihn eine gewissen Aura zu umgeben. Dann wurde es mir klar, mein Vater war glücklich. Er liebte Lisa, war mit ihr zusammen, auch beruflich lief alles wie er es wollte und mein Glück schien noch dazu beizutragen. Nachdem wir nun unsere Jacken genommen hatten gingen wir wieder zum Auto. Jonas hatte in der gesamten Zeit nicht einmal meine Hand losgelassen. Irgendwie hatte ich mich schon so an seine Gegenwart und Berührungen gewöhnt, dass ich es mir gar nicht vorstellen konnte ohne ihn zu sein.

„Ich liebe dich!“, flüsterte er plötzlich und zog mich noch näher an sich heran.

„Ich dich auch!“, antwortete ich.

Gemeinsam stiegen wir dann ein, Lisa und mein Vater folgten uns kurz darauf.

„Und wo willst du jetzt genau hin?“, wollte ich von meinem Vater wissen nachdem wir eine Weile geschwiegen hatten.

„Also ich hab gehört, dass es in der Innenstadt eine neue Bar gibt. Hmm, wie hieß die noch?“, einen Moment lang schien er zu überlegen.

„Die heißt ‚Thunderstorm’, Liebling!“, antwortete Lisa und lächelte meinen Vater an.

„Ah stimmt!“

„Ja, ja… Aber deine Aktienkurse, Fonds und alles andere hast du immer im Kopf.“, erklärte ich und grinste frech.

„Und stell dir vor seit neuestem kann ich sogar hellsehen, ich weiß nämlich jetzt sogar was andere im Kopf haben!“, gab mein Vater zurück.

Erst war ich ein wenig verwirrt über seine Aussage, dann sah ich jedoch auf Jonas. Dieser saß neben mir und kicherte hinter vorgehaltener Hand. Mit einem Schlag wurde mir in diesem Moment klar was mein Vater gemeint hatte. Somit streckte ich ihm einfach die Zunge heraus und das so, dass er es im Rückspiegel sehen konnte.

„Na, na Nici so was macht man aber nicht, dass ist ganz unhöflich.“, lachte mein Vater dann. Aber diesen zweiten Spitznamen den ich hatte musste er ja erwähnen. Als ich noch kleiner war hatten mich die meisten Leute nur ‚Nici’ gerufen. Doch als ich dann älter wurde gefiel mir, dass nicht mehr, es war mir irgendwie zu kindlich geworden. Deshalb hatten wir uns auf die Kurzform Nic geeinigt. Jonas sah mich in diesem Moment nur an und versuchte dabei nicht zu lachen. Ich selbst verdrehte einfach nur die Augen.

„Papa!“

„Was denn?“

„Du sollst mich nicht so nennen!“

„Wie denn? Etwa Nici?“

In diesem Moment konnte ich nur noch den Kopf schütteln. „Ich geb’s auf!“, meinte ich dann nur noch. Die ganze Zeit war Jonas neben mir gesessen und hatte uns beide beobachtet. Irgendwann konnte er dann aber wohl nicht mehr anders und begann zu lachen, genau wie Lisa auch.

„Sind wir beide eigentlich so lächerlich, dass die jetzt über uns lachen?“, wollte ich dann von meinem Vater wissen.

„Könnte sein!“, meinte er nach ein paar Sekunden, danach lachten wir auch. Ein paar Minuten später parkte er das Auto vor einem großen Neubau. Die Bar schien nun im Erdgeschoss zu sein, es hing auch ein großes Schild über der Türe mit der Aufschrift ‚Cocktailbar Thunderstorm’.

In der Bar war es nun auch recht voll, doch wir hatten das Glück und fanden am Fenster noch einen Tisch an den wir uns alle setzten konnten. In den nächsten Minuten vertieften wir uns alle in die Karte.

„Hat eigentlich jemand eine Ahnung was schmeckt?“, wollte Jonas dann wissen.

Ich schüttelte den Kopf, irgendwie fehlte mir da auch jegliches Wissen. Bisher hatte ich noch nie Cocktails getrunken. Nur mein Vater grinste schon wieder.

„Ich hätte einen Vorschlag für euch beide.“, meinte er dann und beugte sich zu uns über den Tisch. „Lasst mich bestellen, ich glaub ich weiß da was, dass euch sicher schmeckt.“

Na gut, wenn er meinte. Dann konnte ich wohl nur noch darauf hoffen, dass mein Vater einen guten Geschmack hatte.

„In Ordnung.“, antwortete Jonas dann für uns beide.

Als der Kellner nun das nächste Mal an unserem Tisch vorbeikam winkte mein Vater ihn an den Tisch.

„Guten Abend! Was darf ich ihnen bringen?“

„Zwei Sternennacht!“, meinte mein Vater bloß. Direkt war der Kellner auch wieder verschwunden.

„Und was hast du jetzt bestellt?“, wollte Jonas von ihm wissen.

„Nicht so neugierig! Lasst euch doch einfach überraschen.“

„Wenn du meinst.“

„Ach da fällt mir noch was ein.“, meinte mein Vater dann plötzlich. „Jörn, euer Präsident, hat mich vorhin angerufen.“

Ich ächzte, Jörn Sasser war der Präsident meines Eishockey- Vereins und mir irgendwie total unsympathisch. Soweit ich wusste hatte mein Vater aber auch keine wirklich hohe Meinung von ihm. „Was wollte der denn schon wieder?“

„Das Training für die nächsten Wochen absagen.“

„Wieso das denn?“, irgendwie war ich jetzt doch verwirrt.

„Weil Lars wechselt. Der hat ein Angebot von einem Verein aus dem Profibereich erhalten. Und der Verein muss eben jetzt erst einen Ersatz für den ersten Torwart finden.“

Bitte was?!? Lars würde den Verein verlassen? Na, dass waren ja ganz tolle Nachrichten! Lars Tischner war unser bester Torwart! Er hatte uns schon oft in brenzligen Situationen das Spiel gerettet. Und sein Ersatzmann Leif konnte doch nichts… Aber Moment Mal! Eishockey? Torwart? Ich hatte gerade eine ziemlich verrückte, aber vielleicht sogar geniale Idee!

„Sag mal mein Schatz, was hast du morgen Nachmittag vor?“, wollte ich mit einem breiten Grinsen von Jonas wissen.

„Bisher gar nichts. Warum?“

Auch Jonas grinste mich an, doch mein Vater und Lisa saßen uns nur gegenüber sahen sich verwirrt an.

„Würde uns bitte jemand mal aufklären?“, meinte Lisa dann.

„Also es gibt da die Bienchen und die Blümchen…“

„Jonas!“, unterbrach mein Vater ihn. Dabei versuchte er krampfhaft ernst zu bleiben und nicht zu lachen. Nur schien dieser Versuch nicht wirklich erfolgreich zu sein, denn nach ein paar Momenten begann er zu lachen und wir andere mit ihm. Nachdem Lisa wieder zu Luft gekommen war sah sie uns kopfschüttelnd an.

„Wärt ihr dann so nett und würdet mir meine Frage jetzt beantworten?“

„Ist in Ordnung! Also wie du schon vorhin gemeint hast gibt es jetzt zwei von meiner Sorte!“, grinste ich sie an. „Nur glaub ich nicht, dass du gewusst hast wie richtig du damit gelegen hast.“

Einen Moment schien es zu dauern bis sie verstanden hatte was ich meinte.

„Nee oder?“

Nach und nach schien auch mein Vater zu verstehen. „Jonas spielt auch Eishockey.“, meinte er und lächelte wissend. „Und so wie ich das verstehe ist er Torwart.“

„Exakt!“, lächelte dieser.

„Und wenn unser regulärer Torwart geht, dann wäre es doch wenigstens ein Versuch wert ob Jonas nicht auf dieser Position spielen könnte.“

Im nächsten Moment spürte ich wie er seine Hand auf meine legte und sie leicht drückte. Als ich zu ihm sah konnte ich in seinen Augen erkennen, dass er glücklich war.

Ich bemerkte auch gar nicht, dass in der Zwischenzeit der Kellner wieder an unseren Tisch gekommen war. Erst als ich das große Glas vor mir auf dem Tisch stehen sah realisierte ich wieder was um mich herum geschah. Währenddessen besah sich Jonas den bunten Inhalt des Glases.

„Verrätst du uns jetzt eigentlich was da drin ist?“

„Sternennacht!“, antwortete Lisa.

„Ah! Sagt mir jetzt genauso viel.“

„Das ist ein Cocktail ohne Alkohol. Was drin ist verrate ich nicht, dass müsst ihr selbst probieren.“, erklärte sie dann weiter. „Ist im Übrigen ein Cocktail für zwei Personen.“

Das war nun eine interessante Information, ich hatte mich nämlich schon gewundert warum nur zwei Gläser auf dem Tisch standen. Somit griff ich nach einem der Strohhalme und probierte ein wenig.

„Schmeckt nicht mal schlecht!“, meinte Jonas nach dem er dann auch gekostet hatte.

„Stimmt!“, pflichtete ich ihm bei.

Somit saßen wir einfach eine Weile zusammen und tranken unseren Cocktail. Irgendwann bemerkte ich jedoch, dass Jonas müde zu werden schien. Und ich selbst musste auch zugeben, dass mich der Tag ausgelaugt hatte. Aneinander gelehnt saßen wir nun am Tisch und beobachteten die Menschen um uns herum.

„Ich glaube wir sollten zurück fahren.“, warf mein Vater plötzlich ein. Lisa sah ihn an dann nickte sie langsam.

„Ja, ich denke auch, dass wir fahren sollten. Die Kinder gehören ins Bett! Sonst schlafen die hier noch ein.“

Das Wort ‚Kinder’ betonte sie hierbei besonders, danach grinste sie uns an. Jonas und ich sahen uns in diesem Moment nur an, kurz darauf drehten wir uns zu ihr. Gemeinsam streckten wir Lisa dann die Zunge heraus.

„Doch Kinder.“, murmelte sie nur.

In der Zwischenzeit hatte mein Vater schon dem Kellner gewunken und gezahlt. Somit nahmen wir unsere Sachen und gingen zum Auto. Schnell waren wir auch eingestiegen und losgefahren. In diesem Moment hatte ich die Möglichkeit auf die Uhr zu sehen. Es war schon kurz nach Mitternacht, also war es nicht wirklich verwunderlich, dass Jonas und ich müde wurden. Während der Fahrt schien Jonas in meinen Armen eingeschlafen zu sein. Ich war auch irgendwie geschafft nachdem wir fast den gesamten Tag auf dem Eis verbracht hatten.

„Nic? Wir sind da.“, erklärte mein Vater nach einer Weile.

„Ist gut.“

Dann musste ich Jonas wohl wecken, auch wenn es mir Leid tat. Leicht strich ich ihm somit über das Gesicht und hinunter zum Hals. Nach ein paar Sekunden schien Jonas dann auch wieder wach zu werden, müde sah er mich an.

„Wir sind da. Komm gehen wir hoch, da kannst du dann weiterschlafen.“

Somit nahm ich seine Hand und zog ihn mit mir. Kurze Zeit später hatten wir uns auch von Lisa und meinem Vater verabschiedet und waren in meine Wohnung gegangen. Dort zog sich Jonas aus, warf die Sachen in eine Ecke des Schlafzimmers und krabbelte ins Bett. Ich selbst legte mich auch schnell neben ihn, im Halbschlaf spürte ich noch Jonas Hand auf meinem Bauch. Direkt darauf waren wir wohl beide eingeschlafen.

Am nächsten Morgen war ich bereits wach als Jonas noch schlief. Es war einfach nur schön ihn beim Schlafen zu beobachten. So friedlich und entspannt sah er aus.

Wie lange ich einfach so neben ihm lag konnte ich später nicht mehr genau sagen. Doch irgendwann spürte ich dann wie Jonas langsam wach wurde.

„Morgen!“, murmelte er und vergrub sein Gesicht an meiner Schulter.

„Guten Morgen!“

„Wie lange bist du denn schon wach?“, wollte er dann von mir wissen und wand seinen Kopf wieder mir zu.

„Hmm, keine Ahnung. Ein paar Minuten vielleicht.“

„Du hättest mich doch wecken können.“

„Hätte ich, wollte ich aber nicht.“, erwiderte ich und lächelte ihn an. Dann strich ich ihm ein paar Haare aus dem Gesicht. Nach dieser Geste legte mir Jonas seinen Arm über den Bauch und zog mich nah an sich heran. In diesem Moment konnte ich ihm einfach nicht widerstehen und küsste ihn. Erst als ich keine Luft mehr bekam schob ich ihn sanft von mir weg.

„Und wollen wir aufstehen?“

„Nee.“, war meine einzige Antwort bevor ich Jonas wieder an mich zog. Scheinbar gefiel ihm meine Antwort, denn auch er festigte seinen Griff um mich wieder und lächelte mich an.

„Gute Antwort.“

Irgendwann schob sich dann die Hand von Jonas unter mein Shirt. Es war ein wunderschönes Gefühl als er die Haut darunter streichelte. Erst nach und nach traute ich mich auch seinen Bauch zu streicheln, ich konnte die Wärme seiner Haut spüren. Für mich dauerten diese Momente eine Ewigkeit. Doch wie es in solchen Momenten nicht anders sein konnte, klingelte es. Jonas lies sich nach hinten fallen und stöhnte genervt.

„Erwartest du jemanden?“

„Nein, nicht das ich wüsste. Du vielleicht?“

„Haha, du bist heute mal wieder sehr witzig mein Schatz!“

Da es in der Zwischenzeit aber nochmals geklingelt hatte stand ich auf und ging zur Türe. Nachdem ich geöffnet hatte stand Lisa vor mir.

„Guten Morgen Nic!“, kurz sah sie mich an. „Hab ich euch geweckt?“

Ich winkte ab. „Nein, ist schon gut. Was gibt es denn?“

„Eigentlich wollte ich euch fragen ob ihr nicht Lust hättet mit mir zu frühstücken? Oliver ist schon zur Arbeit, der hat einen dringenden Termin.“

„Dann komm doch erstmal rein.“, meinte ich und lies Lisa herein.

„Ich hab sogar Brötchen mitgebracht, so zur Bestechung.“, grinste sie als sie an mir vorbei ging. „Schläft Jonas noch?“

„Nein, tue ich nicht.“, antwortete dieser und kam aus dem Schlafzimmer. Kurz darauf verschwand er im Bad. „Ich gehe jetzt duschen, heute kannst du ja Frühstück machen.“, lachte er dann noch bevor er die Türe schloss.

„Hab ich etwas verpasst?“, fragend sah Lisa mich an.

„Nein, aber Jonas hat gestern für uns beide Frühstück gemacht.“

„Dann werden wir mal für uns und deinen Schatz Frühstück machen.“, grinste sie.

„Geht klar.“

Somit gingen wir in die Küche. Während ich Kakao machte deckte Lisa den Tisch, zusammen räumten wir dann alle anderen Beilagen aus dem Kühlschrank.

„Was willst du denn trinken? Kaffe? Tee?“

„Ein Tee wäre nicht schlecht.“, antwortete Lisa.

„Ist gut.“

Ich drehte mich nun um und setzte noch schnell das Teewasser auf. Wenige Momente später kam Jonas auch in die Küche, die Haare waren noch feucht aber ansonsten war er bereits angezogen.

„Ich geh mich kurz anziehen.“, erklärte ich dann und ging aus dem Raum. Schnell hatte ich auch meine Sachen übergezogen. Plötzlich stand Jonas dann aber hinter mir, als er mir unerwartet die Hände auf die Schultern legte zuckte ich kurz zusammen.

„Musst du mich so erschrecken?“

„Ich werds nie wieder tun.“, lachte Jonas. „Kommst du trotzdem zum Frühstück?“

„Klar!“, somit nahm ich ihn an der Hand und ging in die Küche. Lisa saß bereits am Tisch und nippte an ihrem Tee. Als Jonas und ich die Küche betraten sah sie kurz auf und lächelte uns an.

„Kommt schon setzt euch.“, kicherte sie als wir einfach im Raum standen.

Somit setzten wir uns an den Tisch und begannen zu frühstücken.

„Und wie sieht eure Tagesplanung heute aus?“

„Bisher haben wir noch gar nichts geplant. Warum?“

„Wenn ihr so gar nicht wisst was ihr tun wollt, dann könntet ihr mir und Ben helfen.“, nach ihrer Antwort grinste Lisa uns beide an.

„Aha und bei was denn überhaupt?“, wollte Jonas dann wissen.

„Na ja, es ist so. Wir wollen im Heim ein wenig dekorieren, Weihnachten ist ja bald.“, erklärte Lisa.

„Und wir sollen dir dabei helfen?“

„Sicher, Ben und ich können jede Unterstützung gebrauchen!“

„Also mal ernsthaft, eigentlich wollte ich mit Jonas zusammen zu Liam. Du weißt schon, mein Eishockeytrainer.“, warf ich ein.

„Ist der heute überhaupt greifbar, wenn jetzt sowieso das Training ausfällt?“, hakte Lisa nach.

„Ich denke schon, er muss ja mit Jörn zusammen nach einem neuen Spieler suchen.“

„Hast du schon mit ihm gesprochen ob er Zeit hat?“

Ich seufzte, wenn Lisa etwas erreichen wollte konnte sie sehr hartnäckig werden.

„In Ordnung ich ruf ihn an, wenn er absagt helfe ich dir beim Vorbereiten. Ist das ein Angebot für dich?“

„Danke Nic! Bist echt ein Schatz!“, antwortete Lisa darauf.

„Ein Schatz ist er, aber ganz allein meiner!“, meinte Jonas mit einem ernsten Lächeln und zog mich an sich heran. In diesem Moment antwortete Lisa nicht mehr, sie lächelte nur versonnen und frühstückte weiter. Nachdem ich Jonas einen kurzen Kuss auf die Lippen gedrückt hatte begannen wir auch zu essen.

„Was willst du eigentlich dann alles machen? Also im Heim, meine ich.“, wollte ich dann von Lisa wissen.

„Nur ein paar Kleinigkeiten. Der Baum wird erst später also kurz vor dem Fest aufgestellt. Aber einfach ein paar Dekorationsartikel aufhängen, so für die Adventszeit einfach.“

„Das sind ja ein wirklich nur ein paar Kleinigkeiten.“, nickte Jonas und schüttelte dann den Kopf.

„Weiß ich, aber ich finde das gehört einfach so.“, antwortete Lisa ernst.

„Ist gut!“

Nachdem ich nun den Rest meines Brötchens gegessen hatte stand ich auf, Lisa und Jonas sahen mich nur an.

„Ich gehe kurz telefonieren.“, erklärte ich und verlies die Küche. Im Flur nahm ich mir mein Handy und wählte die Nummer von Liam. Ich wollte fast schon wieder auflegen als er nicht an das Telefon ging, doch in diesem Moment nahm er das Gespräch doch noch an.

„Liam Ecklund.“

„Hallo Liam, hier ist Nicholas.“

„Oh Nicholas. Was gibt es denn?“

„Ich hab davon gehört, dass Lars wechselt und…“

Liam lies mich jedoch nicht einmal aussprechen, er unterbrach mich direkt.

„Ja! Ich weiß, der totale Supergau!“, seufzte er.

Bevor Liam jedoch weiterreden konnte stoppte ich ihn wieder. „Genau deshalb rufe ich an. Ich hätte vielleicht einen neuen Torwart für unser Team.“

„Wann hat er Zeit?“, war dann direkt die seine nächste Frage.

„Soweit ich das weiß, immer.“

„Das ist perfekt! Könntet ihr gleich in die Halle kommen? Ich bin gerade sowieso da.“

„Sicher, dass müsste ohne Probleme machbar sein.“

„Danke und bis gleich!“, erwiderte Liam nur. Im nächsten Moment hatte er das Gespräch bereits beendet. Na dann, gingen wir eben jetzt gleich in die Halle. Als ich nun aber wieder in die Küche kam saß Jonas mit Lisa zusammen am Tisch, die beiden schienen sich gut zu unterhalten. Erwartungsvoll sahen sie dann zu mir als ich den Raum betrat.

„Liam ist gerade in der Halle, wenn es dir nichts ausmacht sollen wir gleich vorbeikommen.“

„Schade, dann müssen Ben und ich doch alleine aktiv werden.“, meinte Lisa nach meiner Antwort und wollte sich scheinbar verabschieden.

„Sag mal was hältst du davon, du fährst uns beide in die Halle und wartest dann auf uns? Ich denke, dass es nicht lange dauern wird Jonas und Liam bekannt zu machen. Danach würde ich dir sogar helfen.“

„Ich natürlich auch!“, lächelte Jonas und schenkte mir dabei einen liebevollen Blick.

„Danke euch beiden!“, antwortete Lisa.

Somit verräumten wir alles was vom Frühstück übrig geblieben war und machten uns auf den Weg zur Halle. Jonas schien dabei etwas nervös zu werden wofür es aber keinen Grund gab. Da der Hallenwart mich kannte und Liam ihm wohl bescheid gegeben hatte gelangten wir auch ohne Probleme in das Innere. Ich lief nun direkt auf den Teil mit der großen Eisfläche zu, da ich Liam dort vermutete. Schon von weitem sah ich ihn auch an der Bande stehen.

„Liam! Hey Coach!“, rief ich ihm zu.

Scheinbar hatte er mich dann auch bemerkt, denn er kam lächelnd auf mich zu.

„Hallo Nicholas, dass ist ja eine Freude. Schön, dass alles so schnell geklappt hat.“

„Hallo Liam! Freut mich auch.“

„Du sagtest am Telefon, dass du vielleicht einen neuen Spieler hast?“

„Ja, genau. Also das ist Jonas.“, erklärte ich ihm und deutete mit der Hand kurz auf ihn.

„Hallo Jonas!“, wand sich Liam an ihn und reichte ihm die Hand.

„Hallo äh…“, stotterte Jonas und wurde leicht rot.

Mist! Ich hatte vergessen Jonas Liams kompletten Namen zu sagen.

„Ich bin Liam Ecklund. Der Trainer hier, du kannst aber Liam sagen. Wobei mich die meisten meiner Spieler sowieso nur Coach rufen.“, erklärte er und grinste in meine Richtung. „Also ich würde vorschlagen wir machen eine kleine Trainingseinheit. Damit kann ich besser beurteilen ob du in die Mannschaft passt.“

„Ist in Ordnung!“, erklärte Jonas, dabei klang er wieder so sicher wie ich ihn kannte.

„Nicholas, zeigst du Jonas alles? Du kannst dich dann im Übrigen auch direkt umziehen.“, an Jonas gewandt sprach er dann weiter. „Da wir unseren besten Stürmer ja hier haben, kann der auch ein wenig mithelfen.“, lächelte er ihm zu.

Somit nahm ich Jonas und führte ihn in die Mannschaftsumkleide, diese war für die regulären Besucher der Halle nicht zugängig. Als wir wieder alleine waren wandte ich mich an Jonas.

„Und was hältst du von Liam?“

„Er scheint nett zu sein. Aber irgendwie liegt mir dieses Probetraining schwerer im Magen.“, gestand er mir.

„Hey, dass wird schon.“, meinte ich nur. Dann nahm ich seinen Kopf in meine Hände und küsste ihn kurz auf die Lippen. „Du kannst das mein Schatz, da bin ich mir sicher!“

„Danke!“, meinte Jonas darauf nur und drückte mich an sich.

„Dann werden wir dich mal ausrüsten. Also für Notfälle haben wir noch eine Ersatzausrüstung für jeden Spieler. Hier die müsste dir passen.“

Somit begann Jonas sich umzuziehen. Was mir aber auffiel war die Tatsache, dass er versuchte mir jeden Blick auf seinen Oberkörper zu nehmen. Sehr schnell legte er auch den Schulterschutz an, dieser reichte ja bei den Verteidigern und Torhütern bis zum Bauch.

Rasch hatte er dann auch die anderen Schoner befestigt, irgendwie fiel mir auf, dass Jonas schon lange spielen musste. Denn es war ihm anzusehen, dass er bereits viel Routine beim Umziehen hatte. Nachdem ich ihn noch kurz beobachtet hatte zog ich mir auch meine Sachen über. Nachdem ich fertig war nahm ich meinen Stock, für Jonas nahm ich einen aus unserer Reserve.

„Hier!“, meinte ich mit einem Lächeln und hielt ihm den Torwartstock hin.

Bevor wir jedoch die Umkleide verließen hielt mich Jonas kurz zurück.

„Ich hätte eine Bitte an dich Nic.“

„Was denn?“

„Ich möchte, dass du dich wegen mir nicht zurücknimmst. Spiel einfach so wie immer. In Ordnung?“

„Sicher!“

Kurz darauf gingen wir zu zweit wieder nach draußen und dann auf das Eis. Liam stand in der Zwischenzeit bei Lisa und unterhielt sich mit ihr.

„Ah da seid ihr ja schon wieder.“, meinte er und kam auf uns zu. „Ich hab mir das nun so vorgestellt, Jonas du gehst ins Tor und Nicholas du wirst von der Mittellinie zum Penalty Shot antreten.“

„Geht in Ordnung!“, antworteten wir beide. Somit nahm Jonas seine Position im Tor ein, ich selbst ging an die Mittellinie. Liam warf mir dann den Puck zu. Mit mehreren Schritten nahm ich nun Geschwindigkeit auf und fuhr auf Jonas zu. Kurz vor ihm bremste ich und schoss den Puck auf das Tor. Doch was dann passierte war wirklich Wahnsinn, Jonas bewegte sich kaum sondern streckte einfach die Hand mit dem Fanghandschuh aus. Kurz darauf hatte er den Puck auch sicher gefangen. Als er mir diesen dann zurück gespielt hatte drehte ich mich um und ging zu meiner Ausgangsposition zurück. Liam stand an der Bande gelehnt und sah uns beiden zu. Es schien so als ob er schon nach dieser ersten Aktion von Jonas Fähigkeiten beeindruckt war. Aber auch ich hatte nicht damit gerechnet, dass er direkt so gut beginnen würde. Bei meinem zweiten Schuss lies er den Puck an sich abprallen und nahm ihn dann mit den Händen auf. Wieder sah ich zu Liam hinüber, dieser beobachtete Jonas und rieb dabei mit den Fingern an seinem Kinn entlang. Ich kannte ihn lange genug um diese Geste deuten zu können. Liam war restlos begeistert und er würde Jonas auf jeden Fall in unser Team holen, er war dabei einfach nicht der Typ der seine Gedanken und Gefühle offen zeigte. In den nächsten Minuten waren es noch weitere Schüsse, doch ich schaffte es nicht einmal Jonas ein Tor abzuringen. Es war einfach irre was er auf dem Eis machte.

„Nicholas? Komm mal her.“, meinte Liam nach meinem insgesamt zehnten Schuss, welchen Jonas mit den Schonern abfing.

„Was gibt es denn?“, wollte ich wissen, als ich neben ihm zum Stehen kam.

„Kannst du deinen Spezialschuss noch?“

„Ja, schon aber…“

„Ich möchte, dass du den einmal anwendest.“, antwortete Liam ruhig.

„Aber Coach, dass ist unfair. Jonas kennt diese Schusstechnik nicht.“, protestierte ich.

„Es geht auch nicht darum, dass er den Puck unbedingt halten soll Nicholas. Ich möchte einfach sehen wie er reagiert, einfach so von den Reflexen her. Verstehst du?“

„In Ordnung.“

Na gut, wenn er meinte. Somit ging ich wieder an meine Position zurück. Direkt darauf legte ich mir den Puck für meinen Spezialschuss bereit.

Irgendwie fand ich es unfair Jonas so zu überraschen. Aber ich konnte auch Liam verstehen, dass er wenigstens sehen wollte wie er sich in solch einer unbekannten Situation verhielt. Da Liam mir mit dem Kopf ein Zeichen gab zu schießen näherte ich mich Jonas und versuchte meinen Schuss zu platzieren.

Der Puck rutschte auch wirklich ins Tor nur war das wirklich knapp. Er hatte den Puck nur um ein paar Zentimeter verfehlt.

Und bisher hatte es noch niemand geschafft diesen Schuss auch nur ansatzweiße zu halten! Als ich mich zu Liam umwand sah ich, dass er genauso sprachlos war wie ich selbst. Ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass Jonas so gut war.

„Jonas! Nicholas! Macht mal Schluss und kommt her.“, meinte Liam nach ein paar Sekunden.

Somit fuhren wir beide wieder an die Bande, Jonas zog sich im Fahren bereits den Helm vom Kopf. Ich nahm meinen ab als ich vor Liam zum Stehen kam.

„Also…“, dieser räusperte sich bevor er weiter sprach. „Jonas? Ich hätte nur eine Frage an dich.“

„Ja?“

Irgendwie klang Jonas zögernd als er antwortete.

„Welcher Name soll auf das Trikot?“

Erst langsam schien Jonas klar zu werden was Liams Frage zu bedeuten hatte, aber auch mir war nicht direkt klar was er meinte. Doch nach ein paar Momenten lächelte Jonas glücklich und verstehend. Mir fiel in diesem Moment aber auf wie genau Lisa, sie stand mit uns an der Bande, zuhörte. Da wurde es mir auch klar warum sie das tat, regulärer Weise wurden auf die Spielertrikots die Nachnamen der Spieler gedruckt. Somit würden wir Jonas kompletten Namen erfahren.

„Also bin ich in der Mannschaft?“, fragte er aber trotzdem nach.

„Natürlich! Glaubst du ich lasse mir so ein Talent entgehen?“, grinste Liam. „Also welchen Namen dürfen wir unserem neuen Torwart auf das Trikot drucken?“

Für einen kurzen Moment sah Jonas zu mir herüber, dann atmete er noch einmal tief ein. „Von Sagasser.“

Wie bitte? Sollte das wirklich heißen, dass Jonas aus einer alten Adelsfamilie stammte? Aber das konnte doch unmöglich sein! Gerade dann wäre er doch gesucht worden! So wie ich es nun auch sehen konnte stand Lisa genauso geschockt neben mir und starrte Jonas einfach an.

„Dann geht euch mal umziehen, wir klären dann alles Weitere.“, meinte Liam plötzlich.

Somit ging ich mit Jonas zurück in die Umkleide. Dabei war ich aber die gesamte Zeit in meinen Gedanken versunken.

„Ich wollte nicht, dass du es so erfährst.“, sagte Jonas nachdem wir die Türe geschlossen hatten.

„Was meinst du?“, irgendwie verstand ich nicht direkt was er meinte.

„Ich wollte nicht, dass du so erfährst aus welcher Familie ich komme.“, antwortete er mir und lies sich auf eine der Bänke sinken. Dort zog er nacheinander die Schoner aus und warf sie einfach auf den Boden. Ich ging deshalb einfach zu ihm, kniete mich vor ihn und nahm seine Hände in meine.

„Jonas, es ist mir egal aus welcher Familie du kommst. Und vielleicht vergisst du, dass ich bisher nicht einmal deinen vollen Namen gewusst habe. Woher soll ich dann wissen wie deine Familie ist?“

In diesem Moment hob er seinen Blick wieder an und sah mir in die Augen, irgendetwas lag nun in diesem Blick das ich nicht deuten konnte.

„Ich würde dir so gerne alles sagen.“, flüsterte er dann bevor er die Augen schloss und seinen Kopf mit der Stirn an meine lehnte.

„Ich bin immer da Jonas, glaub mir.“

„Danke!“

Nochmals lächelte ich ihm zu bevor ich aufstand. „Wir sollten uns umziehen.“

„Glaub ich auch.“

Somit zogen wir die Schoner aus und verräumten sie. Danach gingen wir uns kurz duschen, denn unter dem Plastik der Schoner schwitzte man doch sehr stark.

Nach einer halben Stunde waren wir nun auch fertig und gingen zu Lisa und Liam in die Halle zurück. Doch nur Lisa stand noch dort.

„Wo ist denn Liam hin?“, fragte ich deshalb nach.

„Der ist schon mal in sein Büro vorgegangen, wir sollen nachkommen. Er möchte dort dann alles klären.“

„Achso.“

Alle zusammen machten wir uns dann auf den Weg in den Bürotrakt, dieser war in einem großen Gebäudekomplex neben der Halle untergebracht, jeder Verein der hier trainierte hatte dort auch einen Raum bekommen. Somit standen wir auch schnell in seinem Büro.

„Setzt euch doch bitte.“, meinte er dann und deutete auf die Sitzgruppe die im Raum stand. Mit ein paar Blättern in der Hand kam er dann zu uns und setzte sich uns gegenüber. „Also die sind für dich Jonas. Das ist der Mitgliedsantrag für den Verein, den musst du einfach unterschreiben und mir dann zurückgeben. Nimm den Vertrag einfach mit und lies dir alles in Ruhe durch.“

„Werde ich machen. Danke!“, erwiderte Jonas und lächelte.

„Ach Nicholas, für dich hab ich auch noch was.“

Verwirrt sah ich Liam an. „Du hast was für mich? Was denn?“

„Dass hier!“, antwortete er nur und gab mir einen braunen Umschlag.

„Was ist denn das?“

„Das ist Lars letzter Wunsch für unseren Verein gewesen.“

Somit öffnete ich den Umschlag und fasste hinein, doch das was ich dann in der Hand hatte konnte ich kaum glauben.

„Ich hab auch mit den Spielern vom Mannschaftsrat telefoniert, die sind mit dieser Wahl alle mehr als zufrieden.“

Ich schüttelte einfach fassungslos den Kopf. Auf meiner Handfläche lag ein breites weißes Band mit dem ‚C’ für den Mannschaftskapitän! Das konnte doch nur ein Traum sein!

„Ich gratuliere dir Nicholas!“, erklärte Liam dann nach ein paar Sekunden.

„Danke.“, antwortete ich nur, irgendwie war das nun doch etwas plötzlich gekommen.

Lisa und Jonas saßen währenddessen neben mir und lächelten mich an.

„Es tut mir Leid, aber ich muss euch dann verabschieden. Ich hab noch was vor.“, durchbrach Liam die Stille im Raum.

„Ist kein Problem!“, antwortete Lisa. „Wir haben sowieso noch etwas zu erledigen.“

Alle zusammen verließen wir nun das Büro. Doch Liam zog mich zu sich, so liefen wir ein paar Schritte hinter Jonas und Lisa. Aber erst als wir kurz vor dem Ausgang des Gebäudes waren richtete er seine Frage an mich.

„Er ist dein Freund, nicht wahr?“

Überrascht sah ich ihn an. „Ja, schon!“, stotterte ich.

„Das hätte ich jetzt nicht gedacht!“, antwortete Liam dann. Irgendwie rechnete ich nach dieser Antwort schon mit einer ablehnenden Haltung gegenüber Jonas und mir. Doch Liam überraschte mich schon wieder.

„Tschüß!“, rief er uns noch zu, hob dann die Hand und ging zu einem der Wagen die auf dem Parkplatz standen. An diesem lehnte ein junger Mann der zu lächeln begann als Liam auf ihn zukam. Als dieser nahe genug war zog er den Mann an sich und küsste ihn. Gemeinsam stiegen sie dann in das Auto und fuhren davon. Jetzt war ich doch ziemlich sprachlos, perplex starrte ich ihnen hinterher. Erst als Lisa mir mit dem Ellenbogen leicht in die Seite schlug registrierte ich wieder was passierte.

„Hast du das gewusst?“

„Nein!“, ich schüttelte den Kopf. Danach ging ich zu Jonas, legte ihm den Arm um und zog ihn an mich.

„Bekomme ich eigentlich auch einen Kuss?“, lächelte er darauf.

„Sehr gerne!“, antwortete ich nur bevor ich ihn küsste.

Erst nach einer kleinen Ewigkeit lösten wir uns wieder voneinander.

„Können wir dann los?“, wollte Lisa wissen.

„Ja, ja, wir kommen schon.“

Zusammen gingen wir dann zu Lisas Auto. Wieder einmal hatten sich dabei Jonas Finger um meine gelegt.

„Na großer Kapitän? Wie fühlt man sich jetzt so?“

Ich lächelte ihn an. „Auch nicht anders als vorher.“

„Dann lass uns mal fahren.“

„In Ordnung!“

Nach ein paar Minuten weiterer Fahrt parkte Lisa auch schon vor dem Heim.

„Ah, dass ist gut!“, meinte sie dann plötzlich als wir drei ausgestiegen waren. Da Jonas und ich sie nur verständnislos und fragend ansahen deutete sie auf eines der Autos die auf dem Parkplatz standen. „Ben ist schon da.“, erklärte sie dann noch. Um der winterlichen Kälte nun zu entkommen gingen wir in das Gebäude. Direkt als Lisa die Türe öffnete konnten wir die Wärme spüren.

„Ich geh mal kurz nachsehen wo Ben ist. Ihr könnt hier warten oder auch rauf gehen in Jonas Zimmer.“, mit diesen Worten war sie schon davongegangen.

Doch bevor ich überhaupt etwas sagen konnte hatte mich Jonas an der Hand genommen und zog mich hinter sich her. In seinem Zimmer angekommen schloss er direkt die Türe hinter sich.

„Jonas?“, fragend sah ich ihn an.

Als er mir daraufhin in die Augen sah stutzte ich jedoch. In seinem Blick lag soviel Schmerz und ich konnte es mir nicht erklären warum.

„Versprich mir, dass du nichts unternehmen wirst.“, flüsterte er schließlich. Zuerst war mir nicht ganz klar was er mit dieser Aussage meinte, doch schnell verstand ich dann. Bevor ich ihm antwortete stand ich auf und ging zu ihm, dann zog ich ihn in meine Arme.

„Ich würde nie etwas tun das dir schaden könnte oder dich verletzten würde.“, flüsterte ich ihm dann ins Ohr. In diesem Moment wirkte Jonas direkt erleichtert.

„Weißt du ich will meine Familie nicht wieder sehen.“, kurz seufzte er bevor er weiter sprach. „Oder zumindest das was davon übrig ist.“, diesen letzten Nachsatz sollte ich wohl nicht hören. Denn er sprach so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte. In diesem Moment hatte ich den Eindruck, dass in dieser Familie sehr viel passiert sein musste. Und ich wollte am liebsten Klarheit schaffen, aber Jonas Wunsch war mir dabei wichtiger. Ich drückte ihn einfach fest an mich und küsste ihn.

„Wenn du reden willst…“

Meinen Satz konnte ich jedoch nicht beenden, denn Jonas stoppte mich mit einem Kuss. Danach lächelte er mich an.

„Ich weiß und ich danke dir dafür.“

„Komm, wir sollten Lisa nicht so lange warten lassen.“, mit diesen Worten nahm ich ihn an der Hand.

„Hast Recht!“

Gemeinsam machten wir uns dann auf die Suche nach Lisa. Diese fanden wir, mit Ben zusammen, im Keller. Sie waren gerade dabei die Kisten mit den Girlanden heraus zu suchen. Doch als Jonas und ich Ben genauer ansahen begannen wir zu lachen.

„Sag mal Ben, was hast du eigentlich gemacht?“

Seine dunklen Haare waren, genauso wie auch seine Kleidung, voller gelber und weißer Federn. Lisa die neben uns stand grinste nur irgendwie schuldbewusst und wurde rot.

„Ich würde mal so sagen…“, meinte Ben nach einem Seitenblick auf sie. „Dass ich die Federn entdeckt habe die Lisa nach Ostern in den Keller geräumt und dann nicht mehr gefunden hat!“

Diese Aussage führt nun dazu, dass wir alle zusammen lachten. Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten räumten wir gemeinsam die Kisten nach oben. Als Jonas und Ben gerade die letzten Kisten in den Aufenthaltsraum brachten nahm ich Lisa kurz zur Seite.

„Lisa? Kann ich kurz mit dir reden?“

Etwas irritiert sah sie mich an, nickte dann aber doch.

„Was ist denn los Nic?“

„Ich möchte dich um etwas bitten Lisa!“, meinte ich zu ihr.

„Dafür müsste ich zuerst einmal wissen was du von mir möchtest.“, lächelnd sah sie mich an.

„Ich wollte dich darum bitten, wegen Jonas nichts zu unternehmen.“

Nach ein paar Sekunden schien es so als ob sie mich verstanden hatte. „Ich dachte mir schon, dass es so etwas sein würde.“, antwortete sie ruhig. „Aber, so leid es mir tut Nic, ich kann es dir nicht versprechen. Du weißt selbst aus anderen Fällen die du hier erlebt hast, dass das Heim dazu verpflichtet ist die Erziehungsberechtigten zu benachrichtigen sobald es möglich ist. Und bisher wussten wir ja nichts über Jonas. Da wir nun aber seinen Vor- und Nachnamen kennen bin ich verpflichtet dazu die Eltern ausfindig machen zu lassen. Notfalls durch die Polizei.“

„Aber…“

„Nic bitte versteh mich! So gerne ich es tun würde, ich kann und vor allem darf ich auch nicht schweigen. Es ist meine Pflicht jedes neue Indiz an die Polizei und andere zuständige Stellen zu geben.“

Ich seufzte, eigentlich war mir klar, dass ich bei Lisa in diesem Fall nichts erreichen würde. Sie war zwar nicht so, dass sie das Reglement über die Menschen stellte, doch in solchen Fällen war sie sehr streng.

„Aber ich habe Jonas versprochen all das erst einmal auf sich beruhen zu lassen.“, stammelte ich.

„Du unternimmst ja dabei auch nichts.“, lächelte sie mir zu. Genauso schnell wurde sie aber auch wieder ernst. „Nic ich verstehe dich, dass du Jonas vor jedem Schaden schützen möchtest. Und das ist auch eine tolle Eigenschaft von dir. Gerade auch weil keiner wirklich weiß was in dieser Familie passiert ist. Nur irgendwann wird sich Jonas seiner Vergangenheit auch stellen müssen. Sei dir sicher, ich werde auch nochmals mit ihm persönlich reden bevor ich etwas in die Wege leite. Und er wird auch in dieser Situation niemals alleine sein! Aber ich kann dir dabei einen Vorschlag machen Nic.“

„Was denn?“, fragte ich sie dann matt. Irgendwie tat es mir so unendlich leid, dass ich mein Versprechen nicht halten konnte.

„Eine Woche!“, antwortete sie und sah mich an. „Alles was ich tun kann wäre dir eine Woche zu geben, mehr Zeit geht nicht. In diesem Zeitraum müsstest du dann mit Jonas sprechen und alles soweit klären.“

„In Ordnung!“, in diesem Moment war ich erleichtert, dass ich wenigstens die Möglichkeit hatte Jonas auf alles vorzubereiten.

„Wir sollten jetzt nach oben gehen, Ben und Jonas werden sicher schon auf uns warten.“

Zu mehr als einem Nicken war ich nicht mehr fähig. Eher mechanisch lief ich auch Lisa hinterher. Wie sollte ich Jonas bloß beibringen, dass ich seinen Wunsch nicht respektieren konnte? Doch meine trüben Gedanken verschwanden schnell als ich an der Türe zum Aufenthaltsraum stand. Und auch Lisa begann zu lachen.

„Aua! Jonas das sind meine Haare, die sind da festgewachsen! Du kannst nur die Federn dazwischen entfernen!“, hörte ich Ben nur noch sagen. Ich sah dann wie er sich eine schmerzende Stelle am Hinterkopf rieb.

„Wenn du still halten würdest, würde ich dir auch nicht die Haare ausreisen!“, antwortete Jonas daraufhin.

Als Bens Blick dann auf mich fiel begann er zu grinsen, kurz darauf war er aufgesprungen und hatte sich lachend hinter mir versteckt. „Nic du musst mir helfen! Dein Freund reist mir die Haare aus!“

„Stimmt gar nicht!“, schmollte Jonas. Doch in seinen Augen lag der Schein von unterdrücktem Lachen. Es war einfach nur schön Jonas so unbelastet beobachten zu können.

„Weißt du Ben ich kenne da eine sehr gute Methode um Jonas Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken!“, grinste ich.

„Das interessiert mich jetzt auch!“, meinte Jonas dann auch noch. Deshalb ging ich zu ihm hin, nahm ihn in den Arm und küsste ihn.

Ich konnte auch direkt spüren wie er sich in meine Arme fallen lies und den Kuss erwiderte. Nachdem wir uns wieder getrennt hatten sah ich Jonas in die Augen, der Schmerz den ich vorhin noch gesehen hatte war jetzt wieder verschwunden. Dafür lächelte er glücklich. Als ich dann einen kurzen Blick in den Raum warf erkannte ich jedoch, dass keiner mehr bei uns war.

„Da wir jetzt sowieso ungestört sind könntest du mich doch auch noch mal küssen.“, lächelte Jonas und grinste schelmisch.

„Aber sicher doch!“, antwortete ich ihm. Schon kurz darauf war alles um uns herum vergessen und wir küssten uns.

„Scheint irgendwie eine gute Methode zu sein, nur glaub ich nicht, dass ich die anwenden könnte.“, hörten wir Ben plötzlich hinter uns.

„Dann musst du dir wohl etwas anderes überlegen.“, lachte Lisa die gerade wieder den Raum betrat. In ihren Händen hatte sie ein großes Tablett mit einer Kanne Tee darauf und Tassen für uns alle.

„Ich glaube auch, dass dein Oliver etwas dagegen hätte, wenn ich diese Methode bei dir anwenden würde!“, konterte Ben.

Ich selbst lachte nach dieser Aussage, doch Lisa schien nicht zu wissen was sie antworten sollte. Aus diesem Grund schien sie auch das Thema zu wechseln.

„Also bitte bedient euch. Ist genug Tee für alle da!“, mit diesen Worten drehte sie sich um und ging aus dem Zimmer. Ben war in diesem Moment nun der erste der in Lachen ausbrach.

„Klarer Punktsieg!“, grinste er dann auch als er wieder ein wenig mehr Luft bekam. Irgendwann hatten wir uns aber wieder soweit beruhigt, dass wir uns einen Tee einschenkten. Jonas lehnte sich mit seiner Tasse in der Hand gegen den großen Tisch der im Raum stand.

„Was haben wir jetzt eigentlich noch vor?“, wollte er dann von uns wissen.

„Gar nichts mehr!“, mit einem ernsten Gesichtsausdruck betrat Lisa den Raum wieder. „Ben zieh dir bitte etwas über, wir müssen zur Polizei!“

In diesem Moment stellte sich mir hierbei dieselbe Frage wie Ben. „Warum?“, fragte er deshalb auch nach.

„Ich erkläre es dir unterwegs!“

Somit verließen die beiden den Raum, kurze Zeit später konnte ich auch hören wie die große Eingangstüre ins Schloss fiel. Jonas und ich standen nun einfach im Raum und wussten nicht so recht was wir tun sollten.

„Was hat das zu bedeuten?“, wollte Jonas dann von mir wissen.

Doch ich hob nur hilflos die Schultern an. „Keine Ahnung!“

Ich wusste zwar, dass Lisa bei schweren Misshandlungsfällen oder auch wenn die Heimbewohner wegen irgendwelcher Dinge aufgegriffen wurden selbst zur Wache fahren musste. Aber daraus machte sie kein Geheimnis, irgendwie verstand ich das alles nicht. Der Gedanke, dass alles mit Jonas zusammen hängen konnte erschien mir dabei so absurd wie alles andere was mir spontan dazu einfiel.

„Komm wir gehen in dein Zimmer.“, meinte ich dann nach ein paar Minuten und zog Jonas mit mir.

Als wir oben angekommen waren lies ich mich auf das Bett fallen. Ich wusste, dass ich jetzt mit Jonas sprechen musste, es war einfach die beste Gelegenheit dazu.

„Jonas?“

„Hmm?“, machte er nur und kuschelte sich an mich.

„Ich muss mit dir reden!“

„In Ordnung, damit hab ich kein Problem.“, grinste er und küsste meinen Hals.

„Es… Es ist so, ich kann mein Versprechen nicht halten Jonas.“, sagte ich nur und sah auf den Boden vor mir. Auf einmal wurde Jonas neben mir völlig steif, er hatte dabei die Augen geschlossen und die Finger in den Bettbezug gekrallt.

„Warum?“, fragte er dann tonlos.

„Weil Lisa alle neuen Erkenntnisse an die zuständigen Stellen weitergeben muss. Und da wir ja deinen Namen jetzt kennen… Na ja, sie ist einfach verpflichtet dazu deine Eltern ausfindig machen zu lassen.“, seufzte ich. Irgendwie hatte ich keine Ahnung wie ich Jonas die Situation erklären sollte.

„Ich habe es geahnt.“, flüsterte er dann und stand mit einem Ruck auf. „Tief in mir habe ich immer gewusst, dass es soweit kommen würde, dass ich wieder damit konfrontiert werde.“, die gesamte Zeit während er gesprochen hatte war Jonas unruhig durch das Zimmer gelaufen.

„Es wird sicher alles wieder gut werden!“, antwortete ich ihm daraufhin. Doch Jonas lachte nur kurz, aus diesem Lachen war aber die Bitterkeit deutlich herauszuhören.

„Nic, so gut und ehrlich du diesen Satz gerade gemeint hast. Es war und ist seit Monaten nichts mehr ‚gut’!“, plötzlich verlies aber die Härte seinen Blick und dieser wurde wieder sanft. Dann kam er zu mir, zog mich vom Bett hoch und schloss mich fest in die Arme. „Stimmt so nicht ganz. Ich habe dich getroffen und das ist mehr als ‚gut’, dass ist die Welt für mich!“, in seiner Stimme lag in diesem Moment soviel Ehrlichkeit, dass es mich schauderte. Eine lange Zeit standen wir einfach nur so zusammen und hielten uns gegenseitig. Ich hatte einfach den Eindruck, dass Jonas ein paar Momente brauchte um sich zu sammeln. Irgendwann schob er mich dann ein Stück von sich weg und sah mir fest in die Augen.

„Du willst die Wahrheit wissen? Du willst wirklich wissen was passiert ist?“

„Sicher! Wenn du sie mir erzählen willst.“, irgendwie war ich der Meinung, dass es besser war ihn nicht direkt wieder unter Druck zu setzten.

Bevor Jonas jedoch dazu kam zu antworten wurden wir durch ein lautes Geräusch unterbrochen, es klang so wie wenn jemand die große Eingangstüre ins Schloss werfen würde. Nur ein paar Sekunden später wurde die Zimmertüre geöffnet und Lisa kam herein. Doch sie schloss die Türe sofort wieder und sah uns dann fast schon panisch an.

„Ruhe!“, meinte sie nur eindringlich als sie sich gegen die Türe lehnte und unsere fragenden Blicke sah. Im unteren Geschoss war es zu diesem Zeitpunkt immer noch sehr laut. So wie es sich für mich anhörte war es Ben und eine andere Person die sich stritten. Dabei war Ben sonst eigentlich nicht aus der Ruhe zu bringen. Als wir dann Schritte auf dem Flur vor der Türe hörten schien Lisa plötzlich nervös zu werden. Und ich saß immer noch auf dem Bett und hatte keine Ahnung was hier gerade passierte. Nur Lisas Blick in diesem Moment sorgte dafür, dass ich erst einmal ruhig blieb. Im nächsten Moment hörte ich jedoch einen Mann brüllen.

„Wo ist mein Sohn? Wo ist dieser Bastard?“

Fast automatisch richtete sich mein Blick auf Jonas. Dieser war völlig blass geworden und starrte Lisa angsterfüllt an. Mir fiel auch auf, dass er nun sehr schnell atmete und fast schon kurzatmig wirkte. In dieser Situation konnte ich nicht mehr schweigen, doch gerade als ich meinen Mund öffnete warf sich scheinbar jemand von außen gegen die Türe. Da diese nach innen aufgingen gelang es Lisa nur knapp zur Seite zu springen um nicht getroffen zu werden. Aber wer war denn das? In der Tür stand nun ein Mann für den die Bezeichnung ‚Penner’ noch geschmeichelt war. Die Haare waren ungekämmt und fielen in fettigen Strähnen, der Bart schien schon lange nicht mehr rasiert worden zu sein und wirkte auch sehr ungepflegt. Die Kleidung die er trug verstärkte diesen Eindruck nur noch, überall dreckig, zerschlissen und stinkend. Auch die Alkoholfahne die mir entgegenschlug war wohl ein deutliches Zeichen. Doch was mir trotz allem nicht verborgen geblieben war, war die unheimliche Ähnlichkeit mit Jonas! Ich war mir in der Zwischenzeit sicher, dass es niemand anders sein konnte als…

„Papa!“, mit diesem einen Wort bestätigte Jonas alle meine Vermutungen. Seine Stimme klang dabei aber total ängstlich. Der Mann stand immer noch an derselben Stelle hielt sich aber krampfhaft am Türrahmen fest, mir schien es so als ob es die einzige Möglichkeit war, dass er sich aufrecht halten konnte.

„Was tust du jetzt schon wieder? Mit dir hat man doch nur Ärger!“, schrie er Jonas an. Oder vielmehr wollte er das wohl tun, denn in seinem Alkoholrausch waren die Worte eher ein Lallen. Jonas selbst hatte sich in diesem Moment fest an mich gedrückt und suchte wohl Schutz hinter mir.

„Sie gehen jetzt besser!“, mischte sich dann aber Lisa ein. „Wenn sie ihren Rausch abgebaut haben können wir gerne vernünftig weiterreden.“

„Vernünftig? Pah!“, der Mann verzog angewidert das Gesicht. „War dieser Bastard etwa vernünftig als er meine Familie ausgelöscht hat, oder was?“

In diesem Moment stand ich so unter Schock, dass ich gar nicht richtig verstand was er eigentlich meinte, aber auch Lisa schien es nicht anders zu gehen. Sie sah mich mit einem verwirrten Blick an der wohl meinem sehr ähnlich war. Doch in diesem Moment schien Jonas diese Anschuldigung nicht unbeantwortet lassen zu können.

„Mama und Laura waren auch meine Familie! Und ich habe sie nicht ausgelöscht!“, schrie er seinem Vater ins Gesicht und sprang auf.

„Wärst du doch damals nur verreckt!“, antwortete dieser. Schneller als Lisa oder ich nun reagieren konnten hatte er dann ausgeholt und Jonas eine Ohrfeige gegeben. Diese war so stark, dass er davon zu Boden geworfen wurde.

„Jonas!“, so schnell ich konnte war ich aufgestanden und zu ihm gegangen. Er wirkte noch etwas benommen und blutete auch aus der Nase, aber ansonsten schien er unverletzt geblieben zu sein.

„Ach sieh mal einer an. Wen haben wir denn da? Bist wohl sein Stecher?“, diese Frage alleine klang schon so widerlich anzüglich, dass ich sauer wurde.

„Und wenn schon! Was geht sie das an?!?“

„Auch noch frech werden oder was?“, völlig irre, wie mir schien wand er sich dann an Lisa. „Muss ich mir so was von diesem Abschaum gefallen lassen?“

Weder Lisa noch ich gingen auf diese Frage weiter ein. Nur schien genau diese Tatsache unser Fehler gewesen zu sein, denn das machte diesen Mann nur noch wütender.

„Ich habe dich etwas gefragt!“, brüllte er Lisa an. Doch sie blieb so abgeklärt und ruhig wie ich sie in ernsteren Situationen im Heim schon oft erlebt hatte. Ohne irgendeine Regung stand sie an der Kommode im Zimmer gelehnt und sah ihm fest in die Augen.

„Ich sagte schon einmal, sie sollten besser gehen! Und ich wiederhole mich nicht gerne!“, presste sie durch die Zähne hervor. Woher nahm sie eigentlich diese Coolness? Ich war schon lange nicht mehr so abgeklärt. Lisa hatte in der Zwischenzeit die Arme vor der Brust verschränkt und wirkte dabei sehr entschlossen.

„Gut! Was wollen sie?“

„Was ich will? Dass dieser Kerl da sofort mit mir kommt! Wenn wir zu Hause sind wird er schon die Antwort auf sein Verhalten bekommen!“

Ich wollte in diesem Moment gerade etwas dazu sagen als Lisa mir mit einer Handbewegung zu verstehen gab besser zu schweigen.

„Sie glauben doch nicht etwa, dass ich es zulasse, dass Jonas wieder mit ihnen kommt?“, fragte sie nur rhetorisch und schüttelte dann entschieden den Kopf.

„Sag mal Kleine, was glaubst du eigentlich wen du vor dir hast? Ich hab Beziehungen von denen du nur träumen kannst! Die machen dir den Laden hier schneller dicht als du gucken kannst!“

Sicher! Nichts anderes! Der Kerl und irgendwelche Beziehungen, dass ich nicht lache! Meiner Meinung nach hatte der sicher nicht einmal einen festen Job. Im nächsten Moment sah er Jonas verächtlich an.

„Hast wohl deinen neuen ‚Freunden’ nicht erzählt was ich beruflich mache, häh? Aber ich bin ja kein Unmensch. Hier!“

Bevor ich realisieren konnte was er tat warf er mir eine kleine weiße Karte vor die Füße. Als ich diese aufhob und genauer besah stockte mir jedoch der Atem.

‚Heinrich von Sagasser – Rüdel, Unternehmensberatung’, stand auf dieser Karte. Doch das Überraschendste für mich war die Tatsache, dass vor dem Namen ein Doktortitel vermerkt war! Der sollte studiert haben? Niemals!

„Na? Das hättest du wohl nicht gedacht!“, meinte er dann überheblich. Eine ehrliche Antwort behielt ich in diesem Moment für mich, es erschien mir nicht sonderlich klug, diesen Menschen weiter zu reizen. Aus dieser Situation entstand nun eine gespannte Stille zwischen uns, die dieser Mann mit einer Bewegung auf Jonas zu durchbrach. Er packte ihn am Arm und zerrte ihn brutal vom Boden, wo wir noch gesessen hatten, hoch und wollte ihn dann aus der Türe ziehen.

„Du tust mir weh!“, antwortete Jonas darauf und versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Doch sein Vater war scheinbar stärker als er, somit blieb es bei dem Versuch.

„Ich wusste es doch, diese verweichlichten Schwuchteln können nichts ab!“, meckerte er dann.

„Sie lassen Jonas auf der Stelle los!“, polterte Lisa in diesem Moment. Ich hatte sie noch nie so erlebt.

„Warum sollte ich das tun Schätzchen? Greifst du mich sonst mit deiner Nagelfeile an oder hast du sogar eine Hutnadel?“, lachte er und wirkte dabei völlig wirr im Kopf. Doch scheinbar hatte Lisa erreicht was sie wollte, denn er lies Jonas wirklich los. Dafür machte er aber einen Schritt auf sie zu.

„Nein, ich tue das hier!“, antwortete sie nur. Im nächsten Moment zog sie ihn an den Schultern zu sich heran und trat ihm mit voller Wucht zwischen die Beine. Für einen kurzen Moment heulte er auf sank dann aber in sich zusammen. Auf diese Situation schien Lisa gewartet zu haben.

„Raus! Raus hier!“, rief sie Jonas und mir zu. Schnell hatten wir uns aufgerappelt und waren auf den Flur gelaufen. Dort zog Lisa so schnell sie konnte die Türe zu und holte dann den Schlüssel für das Zimmer heraus. Mit großer Geschwindigkeit so, dass ich es kaum wahrnahm hatte sie schließlich abgeschlossen. Grenzenlos erleichtert lies sie sich dann gegen die Wand sinken und atmete tief. Ich selbst stand irgendwie immer noch neben mir, ich konnte mir einfach nicht erklären was da gerade passiert war.

„So!“, nach ein paar Minuten stieß sich Lisa wieder von der Wand ab. „Ich gehe jetzt runter und rufe die Polizei! Und dann…“, mit festem Blick sah sie Jonas an. „Will ich endlich Antworten!“

Doch mir kam da noch ein anderer Gedanke.

„Was ist eigentlich mit Ben?“

Panisch sah Lisa mich an. „An den habe ich gerade gar nicht mehr gedacht! Hoffentlich ist da nichts passiert.“, meinte sie noch.

Zu dritt rannten wir dann die Treppe nach unten. Scheiße! Ben lag in Eingangsbereich des Gebäudes und blutete am Kopf. So wie es schien hatte Jonas Vater ihn niedergeschlagen um in das obere Stockwerk zu kommen. Aber er war wohl glücklicher Weise nur ohnmächtig. Vorsichtig drehte Lisa ihn auf die Seite.

„Ben!“, sagte sie dann immer wieder und schlug ihm dabei leicht auf die Wange. „Komm zu dir!“

„Ich rufe den Krankenwagen und die Polizei.“, erklärte ich dann irgendwann und ging zum Telefon. Kurz darauf hatte ich auch alles erledigt und lief zu den drei zurück. Erleichtert sah ich dabei auch, dass Ben in der Zwischenzeit wieder bei Bewusstsein war.

„Der Krankenwagen und die Polizei sind gleich da!“, sagte ich dann an Lisa gewand.

„In Ordnung!“

Im oberen Stockwerk hörten wir währenddessen Jonas Vater toben. Eigentlich wollte ich gar nicht wissen wie das Zimmer später aussehen würde. So wie es klang war er gerade dabei die Einrichtung zu zerstören. Als ich nun wieder etwas zur Ruhe kam sah ich auch nach Jonas. Dieser saß auf der untersten Treppenstufe, war in sich zusammengesunken und weinte. Langsam setzte ich mich dann neben ihn.

„Jonas? Ist bei dir alles in Ordnung?“

Eine Antwort bekam ich jedoch nicht. Er lies sich einfach gegen mich fallen und weinte weiter, dabei klammerte er sich an mir fest.

„Er hat wieder getrunken!“, stammelte er auch immer wieder.

„Glaubst du nicht, dass es besser wäre, wenn du jetzt endlich alles erzählen würdest?“, vielleicht würde es ihm ja helfen, wenn er endlich alles sagen konnte was ihn belastete.

„Könnten wir nicht irgendwohin gehen wo wir alleine sind? Sieh mich nicht so an Nic, ich werde Lisa alles sagen. Aber ich möchte zuerst mit dir alleine sprechen. In Ordnung?“

„Sicher! Aber ich denke wir sollten warten bis die Polizei hier war.“, antwortete ich ihm.

Jonas nickte daraufhin verstehend und lehnte sich wieder an mich. Schon kurz darauf hörten wir auch die Sirenen der Einsatzfahrzeuge. Ich ging dann nach draußen um den Leuten zu zeigen wohin sie mussten.

„Sie haben uns verständigt?“, wollte einer der Sanitäter dann von mir wissen.

„Ja!“, antwortete ich nur bevor ich sie in das Gebäude brachte.

Die Sanitäter kümmerten sich auch direkt um Ben. So wie es schien hatte er sehr viel Glück gehabt und nur eine oberflächliche Platzwunde davon getragen. Um kein Risiko einzugehen wurde er aber, zumindest für eine Nacht, ins Krankenhaus eingewiesen. Nachdem Ben nun versorgt war wandten sich die Polizeibeamten an uns. Alle zusammen waren wir nun in den Gemeinschaftsraum gegangen und saßen an dem großen Tisch dort. Jonas Vater war in der Zwischenzeit auch verhaftet worden. Nur mit mehreren Beamten war es gelungen ihn, unter lautem Fluchen, in den Polizeiwagen zu bringen.

„Wer kann mir nun erklären was hier passiert ist?“

Ich schüttelte den Kopf, was oben in Jonas Zimmer geschehen war hatte ich zwar mitbekommen, aber was dem voraus ging wusste ich nicht. Dankbarer Weise übernahm Lisa auch das Erklären. Doch bevor sie etwas sagen konnte trat ein etwas älterer Herr hinzu.

„Kommissar Gassmann!“, die Überraschung war deutlich aus Lisas Stimme herauszuhören.

„Guten Abend!“, antwortete dieser jedoch nur und reichte uns allen die Hand.

„Was ist nun hier eigentlich passiert?“, übernahm der Kommissar die Befragung.

So wie Lisa es erklärte hatte sie vor ihrer Fahrt zur Polizei einen Anruf von Kommissar Gassmann erhalten. Dieser hatte sie informiert, dass die Eltern, oder zumindest der Vater, von Jonas ausfindig gemacht werden konnten. Aber scheinbar hatte nicht der Vater nach Jonas gesucht, sondern einem Nachbarn war aufgefallen, dass Jonas verschwunden war. Somit hatte er das Jugendamt informiert. Lisa war dann mit Ben sofort zur Wache gefahren und hatte dort auch Herrn Rüdel kennen gelernt. Der Kommissar hatte sie schließlich gebeten für ein Treffen zwischen Vater und Sohn zu sorgen, auf sein Drängen hatten sich Lisa und Ben nun überreden lassen ihn mit ins Heim zu bringen. Sie wollten gemeinsam versuchen ob es nicht klappen würde Jonas und seinen Vater zu einer Aussprache zu bringen. Ganz tolle Idee! Was dabei herausgekommen war hatte ich gerade mitbekommen dürfen. Auf dem Weg hierher hatte er dann seinen wahren Charakter gezeigt und begonnen ausfällig zu werden. Sie hatten zu diesem Zeitpunkt auch erkannt, dass der Mann stark betrunken war. Vor dem Heim kam es dann wohl zu einem Streit.

„Und den Rest habt ihr miterlebt.“, endete sie dann an uns gewandt.

„In Ordnung. Geht ihr beiden doch nach oben, ich kläre alles weitere hier. Wenn ich euch noch brauche rufe ich euch.“, fügte der Kommissar noch hinzu.

Ich nickte eher automatisch, genauso wie Jonas. Schweigend gingen wir dann nach oben. Genauso wie ich es vermutet hatte war von dem Zimmer nicht mehr viel zu erkennen. Sämtliche Möbel waren zerstört und der Inhalt auf dem Boden verteilt.

„Nic?“

Das Jonas mich ansprach war in diesem Moment so absolut überraschend für mich, dass ich kurz zusammen zuckte.

„Was ist denn?“

„Ich will raus hier!“, bat er und sah mich flehend an.

Wieder nickte ich ihm nur zu. Somit gingen wir nach unten, nahmen unsere Jacken und gingen nach draußen.

„Jonas?“, versuchte ich ihn dann anzusprechen nachdem wir eine Weile einfach neben einander her über den Parkplatz gegangen waren.

„Hmm?“, Jonas wirkte in diesem Moment einfach nur erschöpft.

„Was haben wir gerade erlebt? Bitte sprich mit mir!“

Ich wollte ihn nicht überfordern, aber ich musste jetzt einfach wissen was zu so einem Verhalten führen konnte. Noch nie hatte ich es erlebt, dass ein Mensch so wahnsinnig geworden war.

„Ich weiß nicht ob es ein Fehler war so lange nicht mit dir zu reden Nic.“, seufzte er dann. In diesem Moment blieb ich einfach stehen und nahm seine Hände in meine.

„Jonas, wir haben alle Zeit der Welt und es hätte nichts geändert, wenn du früher alles gesagt hättest.“

Jonas lächelte mir daraufhin nur matt entgegen, dann lies er sich auf den Rand eines der Blumenkübel sinken die als Abschluss des Parkplatzes dienten.

„Weißt du meine Eltern haben sich schon vor meiner Geburt um mich gestritten.“, begann er dann zu erzählen, wieder war seine Stimme von Bitterkeit geprägt. „Wie du ja mitbekommen hast ist, oder vielmehr war, mein Vater Akademiker. Er stammt aus sehr ärmlichen Verhältnissen und hat sich alles selbst erarbeitet. An der Uni hat er schließlich meine Mutter kennen gelernt. Sie war das genaue Gegenteil von ihm. In einer reichen Familie geboren hatte sie alle Annehmlichkeiten des Lebens genossen. Nach sehr großen Anfangsschwierigkeiten haben sie aber doch zusammen gefunden und auch geheiratet. Soweit war alles perfekt…“ Bevor Jonas weiter sprach seufzte er tief, dann sah er mir in die Augen. „Und weißt du was passiert ist? Ich bin passiert und es gab direkt den ersten großen Streit zwischen den beiden. Meine Eltern hatten bei der Heirat beide ihren Namen beibehalten. Somit mussten sie sich nun entscheiden welchen Nachnamen ich tragen sollte. Mein Vater war der Meinung, dass ich seinen Namen tragen müsste, um seinen Namen und alles wofür er stand fortzuführen. Soweit ich es erfahren habe hat er auch erklärt, dass er schließlich das Familienoberhaupt sei und es daraus die Konsequenz sei, dass er entscheiden dürfte. Doch meine Mutter hat das nicht eingesehen. Für sie war es eine Frage ihrer Familienehre, dass ich den Namen ihrer Familie trage. Schließlich stammte sie aus einer alteingesessenen Adelsfamilie die einen Nachkommen brauchte. Der Streit ist dann soweit eskaliert, dass sie sogar vor Gericht gegangen sind um das Namensrecht einzuklagen. Das musst du dir mal vorstellen, die streiten sich wegen einem Namen!“, Jonas schüttelte kurz den Kopf. Ich stand nur fassungslos daneben und hörte ihm zu.

„Wie du ja jetzt an meinem Namen erkennen kannst hat sich mein Mutter durchgesetzt. Der Richter hat ihr geglaubt, dass es für sie wichtig ist ihre Familie fortzuführen. Die beiden sind durch den Streit damals auch in eine große Ehekrise gerutscht, beinahe hätten sie sich scheiden lassen. Nur irgendwie haben sie dann doch wieder zusammen gefunden. In den ersten Jahren war dann alles wirklich schön. Ich habe mich mit meinen Eltern gut verstanden, wir haben vieles gemeinsam unternommen. Es war einfach so wie es in jeder Familie sein sollte. Meine Eltern haben gearbeitet, ich war im Kindergarten und später dann in der Schule. Zur damaligen Zeit habe ich auch das Eishockey für mich entdeckt, ich war damals ungefähr sechs. Meinem Vater war es zwar nicht unbedingt recht, aber ich konnte mich durchsetzten. Er wollte wohl lieber, dass ich mich geistig betätige. Also eine Sprache lerne oder so was und das mit sechs Jahren. Erst als ich ungefähr 13 war gab es wieder eine Veränderung, meine Mutter wurde wieder schwanger.

Zu diesem Zeitpunkt hat wohl keiner mehr damit gerechnet, dass ich doch kein Einzelkind bleiben würde. Ich muss ja zugeben, anfangs war ich ein wenig überfordert mit der Situation. Es ist aber einfach komisch, wenn du so viele Jahre alleine mit deinen Eltern warst und jetzt diese Aufmerksamkeit teilen musst. Nur irgendwann habe ich wirklich darüber nachgedacht, von da an habe ich mich auch wirklich gefreut der ‚große Bruder’ zu werden. Kurz nachdem ich dann 14 geworden war kam Laura dann auf die Welt. Sie war so klein und zerbrechlich. Ich hab sie damals auf der Kinderstation zum ersten Mal gesehen und fand sie sofort bezaubernd.“

Die ganze Zeit während Jonas sprach hatte ich ihn beobachtet. Als er von seiner kleinen Schwester sprach erkannte ich die Liebe zu ihr in seinen Augen.

„Auch nachdem meine Mutter und Laura zu Hause waren, war noch alles schön. Das Familienleben spielte sich ein und sonst war auch alles toll. Irgendwann wurde ich dann aber älter. Nur in dieser Zeit merkte ich wie ich mich veränderte. Bei meinen Freunden drehte sich alles nur noch darum welches Mädchen ihnen gefiel. Doch ich selbst ertappte mich immer wieder dabei wie ich viel eher den Jungs hinterher sah. Man war ich verwirrt damals…“, für einen kurzen Moment schien Jonas in seinen Erinnerungen versunken zu sein. „Nach ewiger Zeit habe ich mir dann eingestanden, dass ich schwul bin. Ich weiß gar nicht wie oft ich nachts geheult habe, weil ich nicht ‚anders’ sein wollte. Es ist mir dann aber doch bewusst geworden, dass ich trotzdem noch derselbe Mensch bin. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich auch meine Eltern mit ins Vertrauen ziehen, sie waren ja wirklich meine engsten Bezugspersonen. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass sie ablehnend reagieren würden. Doch ich wurde wieder einmal eines besseren belehrt.“, schob Jonas bitter nach.

Eigentlich wollte ich ihn nicht unterbrechen, doch mir wurde mit der Zeit wirklich kalt. Hier draußen auf dem Parkplatz waren die Temperaturen wohl auch um einiges zurückgegangen. Jonas selbst schien die Kälte aber gar nicht zu spüren.

„Jonas?“

„Ja?“, kurz sah er mich an.

„Wollen wir nicht wieder rein gehen? Mir wird kalt.“, antwortete ich ihm.

„Gerne, mir nämlich auch.“

Nachdem ich ihm meine Hand hingestreckt hatte nahm er sie auch und ließ sich von mir nach oben ziehen. Im Gebäude war nun niemand zu sehen. Die Polizisten und die Sanitäter waren wieder verschwunden und auch Lisa sah ich nirgendwo. Nur in diesem Moment war ich sogar froh darüber. Zusammen gingen wir dann in den Gemeinschaftsraum, dort setzte sich Jonas auf den Boden vor der Heizung und lehnte sich an diese. Kurz darauf hatte ich mich neben ihn gesetzt und ihn in den Arm genommen. Mit seinem ganzen Körper lehnte sich Jonas gegen mich.

„Weißt du bei mir war es genau andersherum wie bei dir. Meine Mutter war der Meinung, dass ich mein Glück selbst finden musste. Und wenn das der Weg dazu sei, dass ich glücklich werden würde hätte sie nichts dagegen. Nur mein Vater ist ausgeflippt, er hat getobt wie ein Wahnsinniger. Hat dann krampfhaft nach einem Schuldigen gesucht, der die Verantwortung für diese Geisteskrankheit tragen würde. Seiner Meinung nach sei ich nämlich nicht wirklich schwul sondern würde mir das nur einbilden. Damals hat er auch zum ersten Mal zugeschlagen. Er hat mir einfach so ins Gesicht geschlagen. Meine Mutter hat nichts dazu gesagt, aber ich nehme an das es aus Schock war.

Vorher hatte mein Vater mich niemals geschlagen. Das Blöde war nur das er die gesamte Zeit einen schweren goldenen Siegelring getragen hat. Der hat durch den Schlag eine tiefe Schramme an meinem Hals hinterlassen. Ich hab sogar heute noch die Narbe davon.“, seufzte Jonas. Im nächsten Moment zog er den Kragen seines Hemdes ein Stück nach unten, so gab er mir den Blick auf seinen Hals frei. Warum ich es tat wusste ich selbst nicht, doch ich hob meine Hand an und lies die Finger sanft über die Narbe gleiten.

„An diesem Abend habe ich noch geglaubt, dass er mit meinem Geständnis einfach überfordert war und Zeit brauchte um alles zu verstehen.

Und ich hätte es ihm nicht einmal übel genommen, wenn es so gewesen wäre. Ich hab damals auch viel Zeit gebraucht um mir über mich selbst wieder klar zu werden. Doch die Wochen vergingen und unser Verhältnis war einfach nicht mehr dasselbe wie vorher.

Mein Vater zog sich immer weiter von mir zurück, ich war einfach nicht mehr existent für ihn. Seine ganze Aufmerksamkeit galt nur noch Laura. Selbst meine Mutter schaffte es nicht zwischen uns zu vermitteln obwohl sie ihn sonst von allem überzeugen konnte. Ich bin auch heute noch der Meinung, dass sie es war die verhindert hat, dass die Situation schon damals eskaliert. Sie hat die Familie zusammengehalten so gut es ihr möglich war. Doch dann kam der Tag. Das ganze war ungefähr ein Jahr nachdem ich mich geoutet hatte. Ich war gerade 17 geworden und Laura drei. Damals ging es mir richtig gut. In einem unbeobachteten Moment hatte meine Mutter mir die Adresse einer Jugendgruppe in die Hand gedrückt. Es hat mich wirklich viel Überwindung gekostet da hin zu gehen. Doch es hat mir wirklich gut getan. Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl nicht alleine in meiner Welt zu sein. Auch ein paar Freunde hatte ich gefunden. Magnus, einer der Jungen die ich kennen gelernt hatte, hat mich dann irgendwann zum Grillen eingeladen.“

Für einen kurzen Moment konnte ich auch wieder ein Lächeln auf Jonas Lippen sehen.

„Es war ein schöner Nachmittag, wir haben gegessen, getrunken und gelacht. Alle anderen haben dann bei Magnus übernachtet. Nur ich nicht. Meine Mutter wollte am nächsten Tag zu ihren Eltern fahren und deshalb sollte ich nach Hause kommen. Nach längeren Diskussionen erklärte sich meine Mutter damit einverstanden, dass ich zwar länger bleiben durfte, sie mich dafür aber abholen würde. Sie wollte ja schließlich früh morgens fahren. Somit kam sie, mit Laura, dann abends auch zu den Jatzeks. Nachdem ich mich verabschiedet hatte sind wir auch schnell losgefahren. Nur wir kamen nicht weit. An einer Kreuzung hat man meiner Mutter die Vorfahrt genommen. Das andere Auto ist voll in uns gerast. Direkt nach dem Aufprall bin ich wohl bewusstlos geworden. Denn das nächste an das ich mich erinnere ist, dass ich wieder zu mir gekommen und irgendwie aus dem Auto geklettert bin. Frag mich nicht wie. Erst in diesem Moment habe ich richtig begriffen was da passiert war. Auf dem Boden habe ich dann Lauras Puppe gefunden. Ich hatte sie ihr selbst geschenkt, sie hat sich so sehr darüber gefreut…“

Die ganze Zeit über hatte ich einfach auf die Wand gestarrt und Jonas zugehört, doch als er nun nicht mehr weiter sprach, drehte ich mich wieder zu ihm. Er weinte, Jonas saß neben mir und es liefen ihm die Tränen herunter. Behutsam legte ich meine Arme wieder um ihn und zog ihn an mich heran.

„Wenn es zu schwer ist brauchst du nicht mehr weiter erzählen.“

Doch er schüttelte nur den Kopf. „Nein Nic! Ich will jetzt endlich, dass du alles erfährst.“

Nachdem er sich dann wieder gesammelt hatte schien er wieder ruhig genug zu sein um selbst weiter zu sprechen.

„Wer es war weiß ich nicht genau, aber irgendjemand hat damals die Polizei und den Notarzt gerufen. Die kamen auch sehr schnell. Von der ganzen Sache habe ich aber auch nur wenig mitbekommen. Einer der Ärzte hat mich zur Seite genommen und mich im Notarztwagen untersucht. Danach hat er mir wohl ein Beruhigungsmittel gegeben. Durch dieses bin ich auch wieder weggetreten. Erst in einem Krankenhausbett bin ich dann wieder wach geworden.

Nur mein Vater und einer der Ärzte standen im Zimmer. Ich hab direkt mitbekommen, dass sie gestritten haben.

„Was sind sie eigentlich für ein Kurpfuscher?“, wollte mein Vater von dem Arzt wissen.

„Herr Rüdel, ich kann verstehen, dass die Situation nicht einfach für sie ist…“

„Pah, wie wenn sie das wirklich könnten. Erzählen sie ihre Phrasen jemand anderem!“, brüllte dann mein Vater. „Sie kennen ja nicht einmal den Unterschied zwischen einem Kleinkind und einem ausgewachsenen Jugendlichen!“

In diesem Moment klang der Arzt aber einfach nur verwirrt. „Herr Rüdel, es tut mir Leid, dass ihre Tochter gestorben ist, aber ihr Sohn lebt! Und das ist das Wichtigste!“

Ich konnte einfach nicht glauben was der Arzt da gesagt hatte. Laura sollte gestorben sein?

„Sie haben doch sicher übersehen, dass es ein Jugendlicher war der da gestorben ist und nicht ein kleines Mädchen! Oder warum sollte dann dieser Bastard leben dürfen und meine kleine Tochter musste sterben?“, wollte er dann mit schneidend kalter Stimme von dem Arzt wissen.

Kurz darauf hatte er die Zimmertüre zugeschlagen und war aus dem Raum gestürmt. Als sich der Arzt dann auch umdrehte um zu gehen, hab ich mich bemerkbar gemacht.

„Oh Jonas. Du bist wach? Sehr gut!“, meinte der Arzt nur und lächelte. „Wie geht es dir?“

„Was ist passiert?“, fragte ich ihn dann nur. „Was ist mit meiner Mutter und meiner Schwester?“

Für einen kurzen Moment wurde der Blick des Mannes mitleidig, doch dann antwortete er mir doch noch.

„Sie haben den Unfall nicht überlebt Jonas. Es tut mir Leid!“

Sprachlos sah ich ihn an. Ich konnte es nicht verstehen.“

Wieder schwieg Jonas für ein paar Momente, so wie es schien zehrte es an ihm die gesamte Geschichte zu erzählen. Ich selbst festigte einfach meinen Griff um ihn. Er sollte wissen, dass ich da war.

„Das Verrückte dabei ist nur, dass ich den Unfall ohne einen Kratzer überlebt habe. Später hat man mir erklärt, dass es mein Glück war, dass ich auf dem Beifahrersitz saß. Der andere Wagen hatte wohl die Fahrerseite getroffen, deshalb war ich unverletzt geblieben. Nur Laura und meine Mutter hatten nicht soviel Glück wie ich…

Ein paar Tage nach dem Unfall konnte ich auch wieder nach Hause. Auf Drängen des Krankenhauses kam mein Vater sogar selbst und hat mich abgeholt. Es war damals schon grausam. Er hat kein Wort mit mir gesprochen, mich nur mit einem finstern Blick angesehen. Zu Hause bin ich erstmal in mein Zimmer, ich habe seine Gegenwart nicht ertragen. An diesem Abend hat er sich auch betrunken. Spät am Abend war er dann so besoffen, dass er zu mir kam.

„Warum hast du das getan?“, schrie er mich an. Doch ich wusste nicht einmal was er meinte.

„Was getan?“

„Warum hast du Bastard überlebt und meine Frau und meine Tochter mussten sterben?“

Hmm, ich glaube seit dem Unfall hat er mich nie wieder bei meinem Namen genannt, er hat nur noch die Bezeichnung Bastard für mich übrig.

„Ich weiß es nicht!“, antwortete ich ihm nur.

Doch diese Antwort schien ihn noch wütender zu machen, denn er begann auf mich einzuschlagen.

„Du bist schuld daran! Nur du!“, hat er dabei immer wieder gebrüllt.

Wie lange alles gedauert hat weiß ich nicht. Doch irgendwann hat er von mir abgelassen und sich heulend auf den Boden gesetzt. „Du bist schuld! Wenn du nicht so egoistisch gewesen wärst würden die beiden noch leben.“

All das wiederholte sich dann jeden Abend. Er hat mich verprügelt und angeschrieen. Ich gebe es zu, ich stand auch schon auf einem Hochhausdach und wollte springen.“

Fassungslos sah ich Jonas an. Er hatte sich wirklich umbringen wollen? Ich schluckte schwer.

„Nur irgendwann wurde mir dann klar, dass meine Mutter das nicht gewollt hätte. Damals hab ich wieder angefangen zu leben. Die Wochen nach dem Tod meiner Mutter und Laura war die Trauer alles mit dem ich mich beschäftigt habe. Ab da habe ich aber begriffen, dass es für mich weitergeht. Somit bin ich auch wieder zum Training, zur Schule. Manchmal, wenn der Schmerz doch wieder da war habe ich zwar trainiert bis zur völligen Erschöpfung aber es ging mir wirklich besser. Nur meinem Vater hat das nicht gepasst. Wir lebten einfach neben einander her. Er kam zwar immer noch jede Nacht in mein Zimmer, doch ich hatte es aufgegeben mich zu wehren. Ich wollte einfach, dass er bald wieder aufhörte. Vor einem Monat ist die Situation dann wieder eskaliert.

Der Trainer meiner Heimmannschaft hat mich angesprochen und mir gesagt, dass er mich für ein großes Talent hielt. Er hatte auch dafür gesorgt, dass ich bei der Juniorenmannschaft deiner Mannschaft vorspielen konnte. Damals war ich zum ersten Mal auch in der Eishalle.

So wie Liam vorhin auch, wollte der Trainer mich damals direkt verpflichten. Nur gab es damals die Hürde, dass mein Vater den Vertrag hätte unterschreiben müssen. Abends hab ich ihn dann darauf angesprochen. Weißt du was er getan hat? Er hat den Vertrag genommen, ihn in mein Blickfeld gehalten und ganz langsam zerrissen. Die gesamte Zeit hatte er dabei ein fieses Grinsen im Gesicht.

„Du hast mir mein Glück genommen, jetzt nehme ich dir deines!“, war dann seine einzige Aussage dazu.

Die gesamte Tragweite hab ich aber erst am nächsten Tag verstanden. Ich kam ganz normal zum Training meiner Mannschaft. Manche haben mich da schon komisch angesehen, doch ich habe mir nichts weiter dabei gedacht. Bevor ich in die Umkleide gehen konnte kam dann mein Trainer auf mich zu.

„Was machst du denn hier?“, wollte er wissen und sah mich irgendwie seltsam an.

„Was wohl, trainieren.“, antwortete ich ihm.

„Aber ich dachte du könntest auf uns Amateure verzichten?“, meinte mein Trainer dann.

Fragend sah ich ihn an. „Ich verstehe nicht ganz.“

„Dein Vater hat mich gestern Abend angerufen und mir gesagt, dass du das Probetraining bestanden hast. Deshalb würdest du nicht mehr zum Training kommen und seinen Worten nach könntest du auch auf solche Amateure wie uns gut verzichten.“

Ich konnte nichts mehr sagen. In diesem Moment fiel mir aber der Satz meines Vaters vom Vorabend wieder ein. ‚Du hast mir mein Glück genommen, jetzt nehme ich dir deines!’

„Und Jonas?“

„Ja?“, zu mehr war ich nicht mehr fähig.

„Die Vertragskündigung kannst du vergessen. Du brauchst den Vertrag nämlich nicht mehr kündigen. Ich werfe dich nämlich aus der Mannschaft! Wer so wenig Achtung vor den anderen hat, hat in meinem Team nichts mehr zu suchen!“, mit diesen Worten hat er sich damals umgedreht und ist gegangen.

Ich war damals so wütend und enttäuscht. Langsam bin ich dann nach Hause gelaufen. Eigentlich wollte ich ins Haus schlüpfen ohne, dass mein Vater mich bemerkte. Er sollte nicht den Triumph haben mich am Boden zu sehen. Doch er schien nur auf mich gewartet zu haben. Als ich auf meinem Bett lag trat er in mein Zimmer und das breit grinsend.

„Na, wie war’s beim Training?“, wollte er süffisant grinsend von mir wissen.

„Als ob du das nicht wüstest!“, schrie ich ihn an.

„Wie du mir so ich dir!“, gab er jedoch nur zur Antwort und ging wieder.

Am selben Nachmittag bin ich dann einfach weg. Ich konnte nicht mehr. Nicht genug damit, dass ich meine Mutter und meine Schwester verloren hatte. Nein, mein Vater gab mir die Schuld an ihrem Tod und wünschte sich, dass ich an ihrer Stelle gestorben wäre. Eigentlich hätten wir doch zusammen halten müssen. Wohin ich damals eigentlich wollte wusste ich gar nicht, nur weg. Ewigkeiten bin ich durch die Straßen gelaufen. Erst als es dunkel wurde hab ich mir die Frage gestellt was ich machen sollte.

Irgendwann kam ich dann zu der Überzeugung, dass es vielleicht wirklich besser wäre, wenn ich nicht mehr leben würde. Vermisst hätte mich sowieso niemand. Ohne, dass ich wusste wie stand ich auch vor dem Krankenhaus in das ich nach dem Unfall gebracht worden war. Ich setzte mich dort einfach in eine Ecke und wartete darauf, dass ich auch sterben würde. Einfach nicht mehr da sein. Doch ein Pfleger hat mich gefunden und in das Krankenhaus gebracht. Sofort waren sehr viele Leute um mich herum.

Alle stellten Fragen, doch ich wollte nicht antworten, zu tief saß der Schmerz. Nach einer Weile haben sie es aufgegeben, weil ich einfach geschwiegen habe. Einer der Ärzte kannte wohl Lisa und ihr Heim und wusste um den guten Ruf den sie hatte.

Er hat sie dann angerufen. Doch auch mit ihr wollte ich nicht sprechen. Sie hat mich einfach mit ins Heim genommen und dann mit dem Jugendamt alles geklärt. Hier gewöhnte ich mich schnell ein, doch sprechen wollte ich einfach nicht. Ich weiß nicht mehr wie oft Lisa und Ben versucht haben mit mir ein Gespräch zu beginnen.“, Jonas seufzte tief nachdem er all das gesagt hatte.

Er wirkte zwar erschöpft doch irgendwie auch erleichtert. Vielleicht auch, weil er alles endlich mit jemandem teilen konnte. Ich selbst war einfach fassungslos, dass was Jonas erzählte berührte mich sehr tief.

„Doch es gab doch noch einen Lichtblick für mich.“, plötzlich lächelte Jonas wieder und es tat sehr gut das zu sehen. „Ich war damals fast einen Monat hier im Heim. Dass die anderen Kinder und Jugendlichen mich für komisch hielten wusste ich schon. Aber mir war es egal. Dann sollten die Herbstferien anfangen. Alle machten Pläne, nur ich entzog mich wieder allem. So kam es auch, dass ich alleine hier war. Und dann passierte etwas mit dem ich nicht gerechnet hätte, ich verliebte mich.“, fest sah er mir in diesem Moment in die Augen. „Ich danke dir dafür, dass du mir mein Leben wiedergegeben hast Nic. Ich liebe dich!“

Ich zog ihn einfach in meine Arme und hielt ihn so fest ich nur konnte.

„Ich liebe dich auch!“

Durch meine Kleidung hindurch konnte ich nun fühlen, dass Jonas weinte, aber ich lies ihn einfach. Meiner Meinung nach war es auch einfach die Erleichterung, dass er endlich alles erklärt hatte.

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