zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Aller Anfang ist schwer...

Teil 3 - Schwache Momente und neue Kraft

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

 

»Werd ich mir merken.«, grinste Josh.

»Dann kommt mal, ich zeige euch alles.«

Nachdem Martin sie herum geführt hatte, holten sich die vier schnell etwas zu essen. Kurz darauf saßen sie schon an einem der Tische, die unter einer großen Eiche standen.

»Und wie gefällt es euch heute Abend hier?«, wollte Martin dann von der gesamten Runde wissen.

»Es ist wirklich sehr schön hier, danke für die Einladung, Martin.«, war Mikes schlichte Antwort.

»Kein Problem, es freut mich ja, dass ihr gekommen seit.«

Josh wirkte ein wenig abwesend. Er murmelte nur: »Da kann ich Mike nur zustimmen.« Kurz darauf war er wieder in seinen Gedanken versunken. Mike war seine veränderte Stimmung sofort aufgefallen. Deshalb bat er Martin kurz auf Jason zu achten, dieser war gerne bereit dazu. Ein paar Minuten später saß Mike dann wieder neben Josh.

»Was ist los mit dir, Großer? Du bist so still geworden.«

Anstelle einer Antwort seufzte Josh.

»Hast du Martin vorhin gesehen? Ich meine, wie er mit seinen Eltern umgeht und sie mit ihm. So, wie Martin gesagt hat, gab es in seiner Familie auch nicht nur tolle Zeiten. Und Hendrik ist ‚nur' sein Stiefvater, aber sieh dir an, wie sehr er ihn liebt. Für ihn ist Martin wie sein Sohn. Weißt du wie sehr ich ihn um seine Familie beneide?«

»Ach Josh.«, seufzte Mike.

»Ich versteh doch, was du meinst und wie du dich fühlst. Und ich hätte viel getan, damit du eine schönere Kindheit gehabt hättest. Glaub mir, ich hätte mir, auch für mich, gewünscht das alles anders gelaufen wäre. Aber du hast Jason und mich, und wir lieben dich beide. Ich denke aber, das weißt du. Und Jason hab ich es auch schon gesagt, wir drei sind jetzt soweit weg gegangen. Jetzt haben wir die Chance zum Neuanfang.«, meinte Mike und schloss Josh sanft in die Arme.

»Danke, dass es dich gibt, Mike, und dass du mein Bruder bist.«

Dieser wurde bei Joshs Worten wirklich rot, lächelte dann aber wieder.

»Komm wir gehen zu Jason und Martin. Der kleine Mann braucht uns beide.«

»In Ordnung.«

Kurz darauf machten sie sich schon auf den Weg zu Jason und Martin. Sie fanden sie dann an dem kleinen Teich. Jason beobachtete staunend die Schwimmkerzen, die auf dem Teich schwammen. Martin kniete neben ihm und gab acht, dass er nicht ins Wasser fallen konnte.

»Na, was macht ihr beiden denn?«

»Guck mal, Mike, die Kerzen schwimmen da auf dem Wasser.«, erwiderte er aufgeregt.

Während Mike mit Jason die Kerzen betrachtete, zog Martin Josh ein Stück zur Seite.

»Geht's dir wieder besser?«, fragte er mitfühlend.

»Dir ist das aufgefallen?«

»Hey, ich hab schon beim Schach gemerkt, dass du eigentlich gerne redest. Nur vorhin bist du plötzlich viel stiller geworden. Fühlst du dich jetzt wieder besser?«

»Ja, danke. Jetzt ist es wieder in Ordnung.«

»Freut mich.«, erwiderte Martin und drückte Josh kurz.

»So und jetzt machen wir uns einen schönen Abend. Oder was meinst du?«

»Sehr gerne.«

Nach ihrem kurzen Gespräch gingen sie wieder zu Mike und Jason zurück. Der Abend wurde dann noch lang und lustig. Die vier hatten viel Spaß zusammen, und es wurde auch viel gelacht. Erst als Jason müde wurde, entschieden sich Mike und Josh den Abend ausklingen zu lassen. Sie verabschiedeten sich von Martins Eltern und gingen dann in ihr Zimmer. Martin begleitete sie nach oben und verabschiedete sich danach. Josh bedankte sich noch für den schönen Abend und schloss dann die Türe. Schon ein paar Minuten lagen die drei dann im Bett. An der Ruhe im Zimmer bemerkte Josh schnell, dass seine beiden Brüder bereits schliefen. Er selbst genoss noch eine Weile das schöne Gefühl, welches der Abend hinterlassen hatte. Danach wickelte er sich in seine Decke und schlief auch bald darauf ein.

Der nächste Morgen war für Josh kurze Zeit etwas überraschend. Denn er wachte durch ein sanftes Rütteln an seiner Schulter auf. Als er die Augen öffnete, sah er in Martins Gesicht. Dieser lächelte ihm zu.

»Komm aufstehen.«

»Hab ich was verpasst? Oder was machst du hier?«

Martin lachte.

»Michael hat mir die Codekarte gegeben und mich gebeten dich zu wecken.«

»Wo ist der denn?«

Josh warf einen schnellen Blick ins Zimmer. Dadurch stellte er fest, dass auch Jason nicht mehr da war.

»Jason war ein wenig unruhig und dein Bruder wollte dich nicht wecken. Somit sind die Beiden schon nach unten ins Restaurant gegangen. Als ich dann nach oben gegangen bin, hat mich Michael gebeten, dich zu wecken.«

»Dann werde ich wohl aufstehen müssen.«, meinte Josh lächelnd und stieg aus dem Bett.

»Man sieht sich dann bestimmt noch mal heute. Bis später.«, verabschiedete sich Martin und war aus dem Zimmer gegangen. Nachdem Martin weg war, schlüpfte Josh schnell in seine Kleidung und lief ins Restaurant. Mike war gerade dabei Jason zum Essen zu bewegen, aber er war kaum zu bändigen. Josh grinste, als er den beiden zusah. Mike sah ihn als erster.

»Morgen Josh.«

»Morgen ihr beiden.«

»Du bist heute nicht sehr erfolgreich mit dem Versuch, Jason zum Frühstücken zu bewegen oder?«, lachte Josh dann.

»Nee, nicht wirklich. Der Kerl ist heute so was von aufgedreht.«

»Ist doch schön so.«

»Find ich auch.«

In der Zwischenzeit war Jason auch so ruhig geworden, dass er sein Frühstück aß. Somit konnten sich seine Brüder auch ihrem Frühstück widmen. Kurz nach dem Frühstück waren die drei auch direkt wieder nach oben gegangen. Dort angekommen, klingelte Mikes Handy.

»Gardner!«

Es war förmlich zu sehen, wie sich seine Gesichtszüge aufhellten, als er die Stimme seines Gesprächspartners hörte.

»Hallo Michael, hier ist Andreas.«

»Hallo Andreas. Was gibt's denn?«

»Ich wollte dich gerne einladen. Und wollte da gerne wissen, ob du heute Abend Zeit hast?«

Bei dieser Frage musste Mike nicht lange überlegen.

»Klar habe ich Zeit. Wo treffen wir uns denn?«

»Wenn du willst, kann ich dich am Hotel abholen. Oder wir machen einen anderen Treffpunkt aus, wie du möchtest.«

»Ist schon in Ordnung, wenn du her kommst, ich kenne mich hier auch noch nicht so richtig aus. Da ist es vielleicht besser, wenn du mich abholst.«

»Kann ich machen. Ich komme dann so um 19.30Uhr vorbei und hole dich ab. Geht das bei dir?«

»Klar geht das. Also dann bis heute Abend.«

»Bis später.«

Nachdem er das Gespräch beendet hatte, steckte Mike sein Handy wieder weg und lies sich glücklich auf das Bett fallen.

»Was wollte denn der Herr Doktor?«

»Er hat mich für heute Abend eingeladen.«, lächelte Mike.

»Und was habt ihr vor?«, wollte Josh dann neugierig wissen.

»Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen. Nur darüber, dass er später herkommt und mich abholt.«

»Dann bin ich mal gespannt.«

»Ich auch.«

In den nächsten Stunden versuchte Mike sein Buch weiter zu lesen, doch er konnte sich nicht konzentrieren. Immer wieder schweiften seine Gedanken zu Andreas ab. Irgendwie freute er sich sehr, Andreas wiederzusehen. Dabei hatten sie sich erst einmal gesehen und miteinander gesprochen. Er konnte dieses seltsame Gefühl nicht einordnen. Je später es wurde, desto aufgeregter wurde er. Als es 19.00 Uhr wurde begann er sich fertig zu machen. Josh saß daneben und grinste.

»Beruhig dich, Mike, es gibt keinen Grund so nervös zu sein.«

»Wieso? Ich bin doch nicht nervös.«

»Nicht?«

»Na ja… vielleicht… ein bisschen…«

Josh lachte auf als Mike stotterte.

»Wird sicher alles werden...«

Pünktlich um 19.30 Uhr stand Mike dann an der gläsernen Eingangstüre des Hotels. Nervös zupfte er an seinem Hemd herum. Er verstand sich selbst nicht mehr. Was war nur los mit ihm? Diese Nervosität war so absolut untypisch für ihn. Richtig beruhigt war Mike erst, als er Andreas aus dem Auto steigen sah. Dieser kam dann auch schnell auf ihn zu.

»Hallo Michael.«, begrüßte er ihn.

»Hallo Andreas.«, lächelte Mike zurück.

»Können wir los?«

»Gerne! Verrätst du mir dann eigentlich was du mit mir vorhast?«

»Lass dich doch einfach überraschen. Aber ich kann dich beruhigen, es wird dir sicher gefallen.«

»In Ordnung! Ich lasse mich von dir führen.«, erklärte Mike.

Dann stiegen sie zusammen in Andreas Wagen und fuhren los. Wie er schon vorher angedeutet hatte, war aus Andreas nichts von dem heraus zu bekommen, was er plante. Somit musste Mike abwarten. Nach ungefähr einer halben Stunde fuhr Andreas den Wagen auf einen Parkplatz und stoppte.

»So bitte aussteigen der Herr. Wir sind da. Ich hoffe mal, du bist schwindelfrei.«

»Bin ich schon. Und wo sind wir jetzt?«

»Wir beide werden uns jetzt 203 Meter in die Höhe begeben.«

»Wie meinst du das jetzt?«, Mike war wirklich verwirrt.

»Komm mit.«, sagte Andreas nur und ging ein wenig voraus, um ihm den Weg zu zeigen. Mit einer ruckartigen Bewegung blieb er stehen.

»Da rauf will ich mit dir.«, sagte Andreas nur und deutete mit der rechten Hand voraus. Und da konnte auch Mike erkennen, wo sie waren, am Berliner Fernsehturm. Viel wusste er darüber zwar nicht, aber gesehen hatte er den Turm auf Bildern schon oft.

»In Ordnung, dann sollten wir gehen, bevor ich es mir anders überlegen kann.«, grinste Mike.

»Besteht diese Gefahr denn?«

»Das sag ich dir wenn wir oben sind.«

»So schlimm ist es auch wieder nicht.«, erklärte Andreas lachend.

Danach lief er geradeaus auf die Eingangstüre zu. Kurze Zeit später befanden sie sich auch schon im Aufzug, der sie nach oben zur Aussichtsplattform bringen würde. Als sie in 203 Metern Höhe angekommen waren musste Mike doch erst einmal schwer schlucken, bevor er an eines der großen Fenster trat und nach draußen sah. Die Aussicht war jedoch so atemberaubend, dass er alles andere vergaß.

»Und? Wie gefällt es dir?«, Andreas war unbemerkt hinter ihn getreten.

Da Mike darauf nicht vorbereitet war zuckte er kurz zusammen.

»Es ist wahnsinnig schön hier.«

»Freut mich, dass es dir gefällt. Würdest du nachher noch ein paar Meter mehr zwischen dich und den Boden bringen? Es gibt hier nämlich ein Telecafé, dafür müssten wir aber noch ein paar Meter höher. Genauer gesagt würde es dann auf 207 Meter gehen.«

»Jetzt, wo wir schon soweit oben sind macht es mir nichts mehr aus.«

»Dann ist gut. Nicht, dass du wirklich noch verschwindest.«, Andreas grinste frech.

»Nee, sicher nicht. Dafür ist die Aussicht viel zu schön.«

»Wenn es dunkel ist, ist es noch mal so schön wie bei Tageslicht.«

»Wohl wahr. Aber es ist auch einfach schön mit den ganzen Lichtern in der Dunkelheit da draußen. Irgendwie hat dieses Bild etwas malerisches an sich.«

»Berlin hat viele schöne Stellen, man muss sie nur finden. Das ist zwar durch die ganzen Bauprojekte schwer geworden, aber es gibt sie noch.«

»Ich habe ja die nächsten Jahre noch genug Zeit, zumindest ein paar ausfindig zu machen.«, grinste Mike.

»Stimmt, ich hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass du ja hier wohnen wirst.«

»Für mich ist die ganze Sache auch noch nicht ganz real. Ich weiß zwar, dass ich hier bleibe, aber in meinem Kopf ist es noch nicht so ganz angekommen.«

»Kann ich mir gut vorstellen.«

»Wenn wir dann die Wohnung erst mal bezogen haben, ist die Situation auch schon wieder besser. Aber leider wird das noch ziemlich lange dauern.«

»Wieso denn?«

»Es ist einfach so, dass die Möbel per Schiff versendet werden. Und bis diese dann von LA nach Berlin kommen dauert, dass ziemlich lange. Eigentlich schickt man die Möbel schon ein paar Wochen vor der Abreise, aber bei uns war das alles eher kurzfristig. Deshalb müssen wir jetzt abwarten. Und die Vertragsunterzeichnung für die neue Wohnung ist auch noch nicht soweit.«

»Ist auch blöd, wenn man im Hotel wohnt und keinen Rückzugsbereich hat, oder?«

»Schon, aber es ist gut so, wie es ist. In LA hätten wir keine Zukunft gehabt.«, Mike seufzte leise.

Andreas, der daneben stand, versuchte Blickkontakt zu ihm zu bekommen. Doch Mike starrte aus dem großen Fenster in die Dunkelheit. Ein weiteres Mal hatte Andreas das Gefühl etwas Falsches gesagt oder gefragt zu haben, aber er wusste nicht, was es gewesen war. Und er hatte auch nicht den Eindruck, dass Mike darüber reden wollte.

»Wenn du erzählen willst, ich höre gerne zu.«, machte er dann doch ein Angebot.

Einen kurzen Moment schien Mike mit sich zu kämpfen, dann schüttelte er jedoch leicht den Kopf.

»Danke für das Angebot. Aber ich möchte erst mal die Vergangenheit ruhen lassen. Vielleicht werde ich dir irgendwann sagen was war, aber jetzt kann und will ich nicht darüber reden. Sei mir nicht böse, bitte.«

»Es ist deine Entscheidung, und wenn du nicht darüber reden willst ist das auch in Ordnung. Ich möchte nicht, dass du dich verpflichtet fühlst mir etwas zu erzählen, was du nicht möchtest.«

»Danke, wenn ich einmal darüber rede, bist du der erste der alles erfährt.«

Andreas lächelte nur und sah aus dem Fenster. »Hast du eigentlich Appetit? Dann könnten wir nämlich nach oben ins Restaurant gehen.«

»Gerne.«

Nachdem er sich vom Ausblick über Berlin abgewandt hatte, folgte Mike Andreas zum Aufzug. Als die Beiden dann im Telecafé ausstiegen kam ein junger Mann hinzu. Andreas schien ihn zu kennen, denn zur Begrüßung nahmen sie sich in den Arm.

»Hallo Andy. Wie geht's dir?«

»Bei mir ist alles in Ordnung. Und hier läuft alles?«

»Ja, alles in Ordnung.«

»Freut mich. Sag mal, ist eigentlich mein Stammplatz noch frei?«

»Klar, für dich immer!«

In diesem Moment konnte Mike plötzlich sehen, wie sich die Gesichtsfarbe von Andreas plötzlich in ein leichtes rot verwandelte. Kurz darauf drehte er sich zu ihm um und murmelte nur.

»Tut mir leid, dass ich dich vergessen habe.«

»Also da ich meine Manieren mal wieder vergessen habe… Michael, das ist mein kleiner Bruder Nico, na ja eigentlich Nicolai. Nico, das ist Michael, ein Freund von mir.«

Nico stand nur im Hintergrund und kicherte, dann streckte er Mike die Hand hin.

»Hallo! Freut mich, dich kennen zu lernen.«

»Freut mich auch!«, sagte Mike und schüttelte Nicos Hand.

»So, dann denke ich mal, dass ihr etwas essen wollt. Kommt, ich zeig euch, wo ihr sitzt.«

Nico brachte die Beiden dann noch zu einem schönen Fenstertisch, bevor er sich verabschiedete.

»Wo läuft man hier eigentlich überall deiner Familie über den Weg?«

»Meiner Familie? Für die bin ich nicht mehr existent. Meine Mutter hat gesagt, sie hätte keinen Sohn mehr, und mein Vater hat mich vor die Türe gesetzt. Jetzt haben sie offiziell nur noch einen Sohn. Nur zu Nico habe ich noch Kontakt.«

»Wieso das denn?«

»Weil sie mitbekommen haben, wie ich meinen Ex- Freund geküsst habe. Für sie ist mein Schwul- Sein die größte Schande, die ich über die Familie bringen konnte.«, Andreas schüttelte den Kopf.

Es schien so, als ob er versuchte, die Erinnerung abzuschütteln. Danach sah er zu Mike hinüber.

»Und? Was denkst du jetzt von mir?«

»Bestimmt nichts Schlechteres als vorher. Und zudem bin ich auch schwul.«, lächelte Mike.

Andreas sah ihn nur überrascht an.

»Wirklich?«

»Ja, wirklich.«

In diesem Moment begann Andreas zu kichern, im nächsten Moment lachte er, auch Mike lies sich irgendwann mitreißen und begann zu lachen.

»Es gibt schon sehr seltsame Zufälle.«, meinte Mike nach einer Weile.

»Stimmt schon. Und hast du einen Freund?«

»Nee, bisher nicht. Ich hatte noch keinen und habe zur Zeit auch keinen.«

»Aber du wünscht dir jemanden an deiner Seite, oder nicht?«

»Ja, klar.«, Mike wurde sehr leise als er sprach.

»Aber bei mir ist die Situation nicht sehr einfach, da gibt es kaum jemanden, der das akzeptieren würde.«

»Wieso das denn?«

»Weil jeder Mann mich teilen muss. Ich habe die Verantwortung für Josh und Jason. Und die Beiden sind mir sehr wichtig. Da müsste sich mein Partner eben damit abfinden, dass er manchmal eben erst an zweiter Stelle kommt. Und schon alleine dadurch fehlt mir ein Teil Unabhängigkeit, die vielen so wichtig ist.«, erklärte Mike.

»Also ich persönlich finde es eher einen tollen Charakterzug, dass du dich so um deine Geschwister kümmerst. Die Verantwortung für zwei jüngere Menschen zu übernehmen stelle ich mir nicht leicht vor, und auch die Tatsache, dass ihr so weit weggegangen seit, macht alles wohl nicht leichter.«

Mike wurde leicht rot im Gesicht, fing sich dann aber direkt wieder.

»Es ist auch nicht einfach, aber irgendwie klappt dass schon. Und warum hast du keinen Freund?«

»Weil mein damaliger Freund keine Lust auf die Streitereien mit meinen Eltern hatte. Meine Eltern sind ja damals nicht nur gegen mich vorgegangen. Sie haben auch öffentlich gegen ihn gehetzt.«

»Liebe ist doch das Schönste, das es gibt. Da ist doch nichts Schlechtes dabei.«

»Ich weiß, ich sehe das ja genauso. Aber meine Eltern haben mich vor die Wahl gestellt: Entweder, ich lasse mich gegen diese ‚Abartigkeit' therapieren, oder ich bin nicht mehr ihr Sohn.«

»Und wie geht es dir mit dieser Situation?«

»Ehrliche Antwort? Am Anfang bin ich daran fast kaputt gegangen. Es war ja nicht so, dass ich kein gutes Verhältnis zu meinen Eltern gehabt hätte.

In den folgenden Monaten und Jahren habe ich es dann geschafft, mir eine kleine Existenz aufzubauen. Mit meinem Studienabschluss und der Arbeit in der Klink habe ich dann meine Situation in den Griff bekommen. Und so, wie die Situation jetzt ist, bin ich auch ganz zufrieden, vor allem da ich jetzt wieder Kontakt zu Nico habe.«

»Hat er es am Anfang nicht gut aufgenommen, oder warum hattet ihr keinen Kontakt?«

»Doch schon. Nico hatte damit überhaupt kein Problem. Ich habe damals mit ihm gesprochen und ihm alles gesagt. Er kam dann auf mich zu hat mich in den Arm genommen. ‚Andy du bist mein Bruder, und ich liebe dich.' Von da an war zwischen uns alles geklärt, Nico hat sein Verhalten mir gegenüber nicht geändert. Im Gegenteil, wir verstehen uns noch besser als vorher. Das Problem bei der Sache waren nur unsere Eltern. Du musst wissen, Nico ist 9 Jahre jünger als ich, somit konnte er sich noch nicht voll durchsetzten. Deshalb konnten unsere Eltern ihm verbieten, mich zu sehen. Sie haben dann nur leider herausgefunden, dass wir uns heimlich getroffen haben. Das war dann ein Grund für sie, eine Bannmeile gegen mich zu erwirken wegen angeblichem ‚schädlichen Umgang' für Nico. Das heißt soviel, dass ich ihn unter Strafandrohung nicht mehr sehen durfte. Er ist aber vor einem halben Jahr 18 geworden und somit konnte er dann selbst bestimmen. Als er erklärt hat, dass er sich jetzt wieder mit mir treffen will, sind sie völlig ausgeflippt. Daraufhin hat er seine Sachen gepackt und ist ausgezogen. Seitdem wohnt er bei mir. Wir sehen uns durch unsere Jobs aber trotzdem leider sehr selten.«

»Dann arbeitet er hier im Restaurant?«

»Ja, er hat hier eine Ausbildung zum Restaurantfachmann gemacht. Er ist jetzt sogar schon Schichtleiter und für vier Angestellte verantwortlich. Ich bin auch wahnsinnig stolz auf ihn.«

»Ist auch eine steile Kariere, die er da hingelegt hat.«

Mike war in dieser Situation etwas unwohl zu Mute, Andreas hatte ihm soviel von sich erzählt, und er war so schweigsam über die Dinge, die ihn betrafen. Wie sollte er sich jetzt nur verhalten?

»Hey, was ist denn los mit dir?«, wollte Andreas dann plötzlich wissen.

»Ich bin einfach unsicher.«, seufzte Mike.

»Wegen was denn?«

»Na ja, du hast mir soviel über dich erzählt, auch persönlichere Dinge. Und ich bin so schweigsam über alles, was mich betrifft. Eigentlich müsste ich jetzt auch so anständig sein, und dir erzählen, was bei mir vorgefallen ist. Auch die Gründe, warum wir weg gegangen sind.«

»Nein das musst du nicht.«, Andreas nahm Mikes Hand und drückte sie leicht.

»Ich habe dir nicht von mir erzählt, weil ich dich dazu bringen wollte, etwas von dir zu erzählen. Das habe ich einfach getan, weil ich wollte, dass du mehr von mir erfährst.«

»Und du bist wirklich nicht böse?«

»Nein, das bin ich wirklich nicht. Ich möchte, dass du entscheidest, wann du mir erzählen willst, was war. Mir ist es auch klar, dass du noch ein wenig skeptisch bist. Wir kennen uns ja auch erst seit gestern. Da kann ich verstehen, dass du mir nicht gleich alles sagen willst.«

Mike war wirklich überrascht, wie verständnisvoll Andreas war. Deshalb nahm er sich auch vor, Andreas irgendwann zu erzählen, was gewesen war. Nur jetzt war alles noch zu frisch, und er wollte erst einmal Abstand gewinnen.

»Danke.«, lächelte er deshalb nur.

»Ist kein Problem, wir haben doch Zeit.«

In diesem Moment kam Nico wieder dazu.

»So, bitte schön. Lasst es euch schmecken.«, erklärte er höflich und stellte den Beiden die Teller hin.

»Danke Nico.«, meinte Andreas nur.

»Bitte schön. Wir sehen uns ja dann morgen früh.«

»Genau!«, grinste Andreas.

Schon war Nico wieder verschwunden.

»Arbeitet dein Bruder so lange?«

»Manchmal, es kommt drauf an welche Veranstaltungen er hier zu betreuen hat. Und wie lange das Restaurant offen hat. Sind einfach mehrere Dinge, die das beeinflussen.«

»Klingt nach Stress pur.«, befand Mike.

»Ist es oft auch. Wie er eigentlich mal abschaltet oder für sich Zeit findet, ist für mich ein Rätsel.«

»Finde ich auch schade, irgendwann braucht man doch auch mal eine Auszeit.«

»Stimmt schon. Ich könnte das auch nicht lange, aber Nico kommt dann nach Hause, schnappt sich seine Sportsachen und drischt beim Squash die Bälle gegen die Wand. Danach geht es ihm wieder besser, und er ist wieder völlig ausgeglichen.«

»Wohl ein absoluter Sportfreak.«, lachte Mike

»Glaub ich auch, aber er braucht das wohl. Für mich wäre das nichts, ich gehe lieber laufen.«

»Ich auch.«, grinste Mike.

»Kannst mir ja mal ein paar schöne Strecken zeigen.«

Andreas schüttelte nur den Kopf und grinste dabei.

»Sag mir wann du Zeit hast, dann zeig ich dir gerne ein paar Strecken.«

Nach ihrem kurzen Dialog widmeten sich die beiden erst einmal ihrem Essen.

»Einen guten Küchenchef gibt es hier auf jeden Fall.«, erklärte Mike, als er fertig gegessen hatte und er den Teller ein Stück von sich schob.

»Stimmt, ich bin auch sehr oft hier. Schmeckt auch immer lecker.«

»Musst du eigentlich zu einer bestimmten Zeit wieder im Hotel sein?«

»Nein, Josh und ich haben uns nicht wirklich festgelegt. Warum fragst du?«

»Weil wir dann noch einen Cocktail trinken und dann ein bisschen spazieren gehen könnten. Wenn du Lust dazu hättest…«, schob Andreas nach.

»Gerne.«, Mike lächelte Andreas zu, der ihm schüchtern gegenüber saß.

Dieser schien nach Mikes Zustimmung erleichtert zu sein. Kurze Zeit später hatten die Beiden auch schon bezahlt und saßen an der Bar. Mike genoss die Zeit, in der er mit Andreas zusammen war, während dieses abends wurde er ihm immer sympathischer. Wie schon bei ihrem ersten Treffen fielen ihm wieder die wunderschönen grünen Augen auf. Seltsamer Weise lies ein Blick in diese Augen seine gesamte Stärke bröckeln, am liebsten wollte er von Andreas in den Arm genommen werden und nie mehr darauf verzichten müssen. Lange Zeit saßen die Beiden beieinander und redeten. Erst Nico schreckte die Beiden wieder auf.

»Hallo ihr Beiden.«

»Hey Nico. Was gibt's denn?«

»Ich wollte nur kurz bescheid sagen, dass ich Feierabend habe. Könntest du mich nachher mitnehmen? Dann muss ich nicht mit der U- Bahn fahren.«

»Klar kann ich dich mitnehmen, ist kein Problem.«

Zu dritt plauderten sie jetzt noch eine Weile weiter, erst als man Nico anmerkte, wie müde er war, beschlossen sie den Abend zu beenden. Während der Fahrt zum Hotel lag Nico dann auch schon auf der Rückbank und schlief. Andreas brachte Mike dann zurück zum Hotel, dort verabschiedete er sich schnell. Er wollte Nico nach Hause bringen. Beschwingt lief Mike daraufhin durch das Hotel, der Abend hatte ihm wirklich gefallen. Als er vor der Zimmertüre stand, warf er einen schnellen Blick auf die Uhr, er wollte nicht unnötig laut sein. Direkt als er die Türe öffnete sah er aber, dass Josh noch wach war. Jason lag in seinem Bett und schlief schon.

»Hallo Mike!«, grinste Josh.

»Hallo Josh!«

»Na wie war der Abend?«

»Sehr schön, wirklich sehr schön.«

»Jetzt lass dir nicht alles einzeln entlocken. Du weißt doch, dass ich neugierig bin.«

»Ja, das weiß ich.«, lachte Mike.

Daraufhin schob Josh schmollend die Unterlippe hervor. Mike setzte sich dann zu ihm auf das Bett.

»Wir waren auf dem Fernsehturm.«, erklärte er dann und lies sich nach hinten fallen. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und sah dann zur Decke bevor er weitersprach.

»Dort waren wir dann zuerst auf der Aussichtsplattform. Berlin von so weit oben ist wirklich beeindruckend. Danach waren wir dann im Telecafé und haben dort gegessen. Andreas hat mir dann Nico vorgestellt, das ist sein Bruder. Ein netter Kerl. Wir haben dann noch etwas getrunken und uns unterhalten. Erst als Nico dann Feierabend hatte, haben wir dann den Abend ausklingen lassen.«

»Dann war es also schön?«

»Ja, sehr schön. So was würde ich gerne öfter machen.«, lächelte Mike glücklich.

»Das freut mich für dich. Weiß er eigentlich von unserer Vorgeschichte?«

Mike atmete tief ein und wieder aus.

»Nein, er weiß von nichts. Dass wir aus den USA kommen und dort etwas vorgefallen ist, hat er mitbekommen, aber sonst nichts. Ich wollte einfach noch nicht mit ihm darüber sprechen.«

»Kann ich verstehen.«, meinte Josh.

»Martin weiß alles. Hab ich Recht?«

Josh sah überrascht auf. Dann meinte er verlegen: »Ja, ich habe mit ihm gesprochen.«

»Ist doch kein Problem, Josh. Du musst wissen, wann du darüber reden kannst. Ich bin einfach noch nicht soweit, dass ich darüber reden will.«, erklärte Mike.

»Es sind damals Dinge vorgefallen von denen ich auch nichts weiß, oder?«, wollte Josh dann plötzlich wissen. Mike stand auf, ging ans Fenster und starrte nach draußen.

»Mit dieser Vermutung hast du leider Recht.«, erwiderte er leise.

»Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst, Mike.«

»Danke Josh, das weiß ich zu schätzen.«

Nach ihrem kurzen Dialog gingen die Beiden dann auch zu Bett. Mike schlief in dieser Nacht sehr schlecht. Jedes Mal, wenn er einschlief, träumte er wieder von Dingen aus der Vergangenheit. Schon kurz vor 7.00 Uhr stand er deshalb auch auf, er konnte nicht mehr schlafen. Eine ganze Weile stand er dann am Fenster und dachte nach. Josh hatte Recht, es gab wirklich Dinge, die er nicht wusste. Von denen er wohl auch nichts ahnte. Aber Mike wollte seinen Bruder nicht mit all diesen Dingen belasten, dass, was er mitbekommen hatte, war mehr als genug. Josh sollte der Neuanfang nicht dadurch noch schwerer gemacht werden, dass konnte er nicht verantworten. Und Josh würde es schwer belasten, wenn er erfahren würde, durch welche Hölle Mike gegangen war. Wie ihre Eltern ihn gequält hatten, psychisch wie physisch. Wie sein Vater sogar Zigaretten auf seinem Bauch ausgedrückt hatte um ihm seine Autorität zu beweisen. Die Narben konnte man heute noch sehen, er hatte aber immer zu verhindern versucht, dass Josh etwas davon sah. Er war nur froh darüber, dass seine Überlegungen funktioniert hatte und seine Eltern Josh deshalb verschont hatten, weil er alles auf sich genommen hatte. Zu wissen, dass es ihm soweit gut ging, war für ihn sehr wichtig. Oft hatte er versucht, Josh vor all dem zu schützen, aber er hatte es leider nicht immer geschafft. Nur die Tatsache, dass er vieles der Schläge und Quälereien auf sich genommen hatte, lies Josh die Chance, eine Kindheit zu haben, die nicht nur von Schlägen dominiert war. Und er selbst hatte auch versucht seinem Bruder immer einen Ausgleich zu ermöglichen. Er spielte mit Josh, las ihm vor, machte Ausflüge mit ihm und tat alles, damit es ihm gut ging. Auch nachdem Jason auf der Welt war änderte sich daran nichts. Nur eben, dass er sich jetzt um Beide kümmerte. Jason war von der Situation wie sie war auch weitgehend unberührt geblieben. Dafür war alles schon zu weit fortgeschritten gewesen, und seine Eltern kaum noch zu Hause. Mike bemerkte, wie ihm bei den Erinnerungen die Tränen in die Augen stiegen. Gerne hätte er jemanden gehabt, mit dem er über alles hätte reden können. Am Liebsten wäre es ihm gewesen, zu Andreas zu gehen und ihm alles zu sagen.

Einfach einmal alles raus zu lassen, was sich in den letzten Jahren angestaut hatte. Aber er konnte nicht. Die Angst, wieder verletzt zu werden beherrschte ihn, eine weitere Enttäuschung könnte er nicht ertragen. Auch gerade weil Andreas ihm so wichtig geworden war. Er wollte nicht riskieren ihn zu verschrecken. Mike seufzte tief und legte seine Stirn gegen die kalte Fensterscheibe. Ganz langsam spürte er die Kälte, wie sie über seinen Körper kroch. Daraufhin strich er sich über die Arme um das kalte Gefühl zu vertreiben. Erst als er ein Geräusch hinter sich hörte, kam er wieder in die Realität zurück. Als er sich schnell umdrehte, sah er auch, was ihn aufmerksam gemacht hatte. Jason hatte sich im Schlaf gedreht und seine Decke dabei aus dem Bett geworfen. Im Halbschlaf suchte er nun nach dieser. Mike ging zu seinem Bett und hob sie auf, dann deckte er Jason wieder richtig zu.

»Hab dich lieb kleiner Mann.«, flüsterte er noch bevor er ins Bad ging um zu duschen.

Nach ein paar Minuten war er auch schon fertig und hatte sich angezogen. Als er wieder ins Zimmer kam war dort ein kleines Chaos ausgebrochen. Gerade als Mike die Türe öffnete, sah er, wie Jason auf dem Bett stand und ein Kissen nach Josh warf. Dieser warf das Kissen jedoch direkt zurück. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass alles zu einer großen Kissenschlacht zwischen den Beiden geworden war. In dem Moment, in dem sie Mike sahen, schienen sie sich jedoch zu verbünden, denn die beiden Kissen, die er abbekam, ließen ihn nach hinten kippen. Unsanft kam er auf dem Hintern auf. Josh und Jason sahen sich nur an und begannen dann laut zu lachen. Mike selbst rieb sich die schmerzende Stelle an seinem Hintern, begann dann aber auch zu lachen.

»Ihr habt wohl heute zuviel Energie abbekommen, oder?«, lachte er.

»Nee, haben wir nicht.«, erklärte Jason mit ernster Mine.

»Dann kannst du dich aber trotzdem anziehen. Oder was meinst du Jason?«

»Klar kann ich das!«, protestierte dieser direkt.

Und war auch gleich im Bad verschwunden.

Josh sah daraufhin mit einem frechen Grinsen zu Mike, dann lehnte er sich gegen das Kopfteil seines Bettes.

»Wann siehst du denn Andreas heute?«

»Ich weiß noch nicht, ob ich ihn heute überhaupt wieder sehe.«, meinte Mike enttäuscht und lies sich auf das Bett fallen.

»Du vermisst ihn, nicht wahr?«

Mike wurde rot im Gesicht bevor er verlegen antwortete.

»Ja, schon. Ich finde einfach, dass Andreas etwas Besonderes ist. Und ich mag ihn sehr.«

»Ist doch schön. Mich würde es freuen, wenn du jemanden findest der dich glücklich macht.«, lächelte Josh.

»Ach, ich weiß auch nicht.«, seufzte Mike und schloss die Augen.

»Ich kenne ihn seit zwei Tagen, und wir haben auch nur an diesen Abenden miteinander gesprochen. Aber er ist mir wichtig geworden. Ich weiß nicht wie ich das erklären soll, meine Gefühle verwirren mich selbst.«

»Du bist verliebt, Bruderherz.«, grinste Josh.

Mike sah ihn nur überrascht an.

»Wie kommst du darauf?«

»War nur so eine Idee.«, lachte Josh.

Bevor die beiden nun weiter diskutieren konnten, rannte Jason schon wieder ins Zimmer.

»Ich will spielen!«, rief er fröhlich in den Raum.

»Schon gut, kleiner Mann.«, grinste Josh.

»Was willst du denn dieses Mal spielen?«

»Mensch, ärgere dich nicht!«

Obwohl es eigentlich Zeit war, um zu frühstücken nahmen sich Josh und Mike die Zeit, mit Jason zu spielen. Wie bei den meisten Spielen gewann er auch hier wieder, stolz und zufrieden lachte er in die Runde.

»Und jetzt will ich Pudding!«, verkündete er dann lautstark.

»Geht in Ordnung.«

Kurze Zeit später saßen die drei schon im Restaurant und aßen. Mike war mit seinen Gedanken wieder bei Andreas. Wie hatte er es nur geschafft, ihn so für sich einzunehmen? Er musste wirklich zugeben, dass er sich nach der Nähe von Andreas sehnte. Mit ihm zusammen war das Leben soviel bunter und schöner. Und er vermisste ihn immer, wenn er nicht in seiner Nähe war. Lustlos stocherte er in seinem Frühstück herum.

»Ruf ihn an!«, sagte Josh dann plötzlich.

»Wie…? Was…?«

»Ruf Andreas an und frag ihn ob er Zeit hat.«

»Meinst du wirklich? Und wenn er keine Zeit hat oder gar nicht will….?

»Stop Mike. Wenn du ihn nicht anrufst, weißt du es nicht und vielleicht würde er sich genauso freuen, etwas mit dir zu unternehmen.«

»Meinst du wirklich, dass er sich freuen würde?«

»Versuch es einfach! Nur so wirst du es wissen. Und jetzt geh und ruf ihn an!«

»Ist ja schon gut. Ich gehe ja schon.«, grinste Mike.

Schnell lief er nach oben und suchte sein Handy, in seiner Jackentasche fand er es auch gleich. Mit vor Nervosität zitternden Fingern wählte er Andreas Handynummer. Nach dem es ein paar Mal geklingelt hatte hörte er auch Andreas Stimme.

»Dr. Andreas Stern.«

»Hallo Andreas, hier ist Michael.”

»Hallo!«, Andreas schien sehr erfreut zu sein. »Was gibt's denn?«

»Na ja… Ich wollte… Ich meine… Vielleicht hättest du…«

Andreas am anderen Ende kicherte nur, als Mike dann stotterte, lachte er.

»Ich hab heute Nachmittag Zeit, und würde mich auch gerne mit dir treffen.«, Mike konnte sein Grinsen fast schon spüren.

»Wenn du willst hole ich dich auch gerne wieder ab. Wäre kein Problem für mich.«

»Ich freu mich schon drauf. Wann kommst du denn dann?«, fragte Mike hoffnungsvoll.

»Also ich habe Zeit ab 13.00 Uhr. Aber mal was anderes: Könnt ihr drei schwimmen?«

»Ja, schon. Warum denn?«, wieder hatte es Andreas geschafft, Mike zu verwirren.

»Weil ich von einem Kollegen Karten für ein großes Freizeitbad bekommen habe. Und wenn ihr drei Lust hättet, würde ich mich freuen, wenn wir heute Mittag zusammen hinfahren.«

»Ein Freizeitbad?«

»Ja! Und ich denke einfach, dass ihr drei auch ein wenig Entspannung gut gebrauchen könntet. Wie gesagt, ich würde mich freuen.«

»Also ich denke, das geht in Ordnung. Holst du uns dann nachher ab?«

»Klar! Wieder vor dem Hotel?«

»Ja, gerne!«

»Also ich bin dann so gegen 13.30 Uhr am Hotel. Ich freu mich schon, bis später.«

»Ich mich auch, Andreas. Bis nachher.«, mit diesen Worten beendete er das Gespräch.

Dann stieß er einen kleinen Freudenschrei aus und lies sich auf das Bett fallen. Ein paar Minuten später öffnete sich auch schon die Zimmertüre, und Josh schob Jason in das Zimmer.

»Deinem Gesicht nach zu urteilen, triffst du dich nachher mit Andreas.«

»Nee, wir treffen uns mit Andreas.«

»Wie? Wir?«, Josh sah völlig verwirrt zu Mike hinüber.

»Andreas hat uns drei eingeladen und deshalb treffen wir uns nachher mit ihm.«

»Michael James Gardner! Würdest du mir bitte von vorne erklären, was los ist.«

»Ich mach ja schon.«, grinste Mike.

»Also, Andreas hat von einem Kollegen Karten für ein großes Freizeitbad bekommen. Und da hat er einfach mich gefragt, ob wir nicht alle Lust hätten mit zu kommen. Und ich hab ihm zugesagt. Nachher um 13.30 Uhr holt er uns vor dem Hotel ab. Und dann fahren wir schwimmen.«

»Tollen Freund hast du.«, grinste Josh frech.

»Ich war schon ewig nicht mehr schwimmen. Das wird sicher ein schöner Nachmittag.«

»Ich will auch schwimmen!«, erklärte Jason dann auch noch.

»Dann ist das wohl beschlossene Sache.«

Mike lies sich glücklich wieder in die Kissen fallen. Er freute sich auf die Zeit mit Andreas. Die Zeit bis zum Nachmittag schien aber einfach nicht vergehen zu wollen. Mike versuchte sich damit abzulenken, dass er die Badehosen und Handtücher für sich und seine Brüder heraussuchte. Es war wieder genauso wie am Vorabend auch. Mit jeder vergangenen Minute wurde er nervöser, und seine Vorfreude stieg. Kurz vor 13.30 Uhr nahm er dann auch die große Tasche und machte sich zusammen mit seinen Brüdern auf den Weg. Sie mussten auch nicht lange warten, bis Andreas eintraf. Das erste, was folgte, war dann eine allgemeine Vorstellung. Josh und Jason kannten ihn noch nicht. Höfflich streckte er beiden die Hand hin.

»Hallo! Ich bin Andreas!«, meinte er, als Josh vor ihm stand.

»Freut mich! Ich bin Joshua und der kleine Bruder von dem da.«, mit einem frechen Grinsen und einer kleinen Handbewegung deutete er auf Mike.

»Hey! Vergesst mich nicht!«, meinte Jason dann.

Andreas beugte sich auch direkt zu ihm hinunter.

»Dich vergisst doch keiner hier. Wie heißt du denn? Ich bin der Andreas.«, sagte er nur und streckte Jason die Hand hin. Dieser gab ihm dann auch seine Hand.

»Ich bin Jason!«, erwiderte er.

»Dann fahren wir jetzt schwimmen. Oder hast du keine Lust Jason?«

»Doch! Ich will schwimmen.«

»Na also, machen wir uns auf den Weg.«

Jason lief dann aufgeregt mit Andreas zu seinem Auto, und lies sich von ihm auf den Rücksitz setzen und auch anschnallen.

Mike und Josh sahen sich nur überrascht an, es kam nicht oft vor, dass Jason direkt so viel Vertrauen zu einem Fremden hatte.

»Also los.«, sagte Josh dann nur und lief zu den zwei hinüber.

Mike folgte ihnen auch. Nachdem sie die Tasche im Kofferraum verstaut hatten, setzten sie sich ins Auto und fuhren los. Die Fahrt dauerte zwar etwas länger, wurde aber sehr lustig. Josh und Andreas unterhielten sich auch sehr angeregt, während sich Mike freute, dass sich die Beiden anscheinend gut verstanden. Nach einer ganzen Weile kam dann die große Halle in das Blickfeld der vier. Es dauerte auch nicht mehr lange, bis Andreas sein Auto auf dem zugehörigen Parkplatz abgestellt hatte, und sie sich auf den Weg zum Eingang machten. Nachdem sie diesen passiert hatten waren sie auch direkt in den Umkleiden und machten sich fertig. Bei den Duschen trafen sie sich dann wieder. Jason schien der Ausflug jetzt schon Spaß zu machen, denn er rannte überall herum und sah sich die Dinge an. Als sie nach dem duschen die große Halle betraten, staunten die vier nicht schlecht, das Gelände war einfach riesig. Und wie es schien, waren auch nicht zu viele Badegäste anwesend.

»Ich würde vorschlagen, dass wir zu den kleinen Becken rüber gehen. Lukas, mein Kollege, meinte, dass dort auch die Kleineren gut spielen könnten. Und du willst doch sicher ins Wasser, Jason.«

»Ja!«, rief dieser laut. Das brachte alle anderen zum Lachen.

Da keiner etwas gegen Andreas Vorschlag einzuwenden hatte, machten sie sich auf den Weg zu den kleinen Becken. Mike war die ganze Zeit etwas unsicher, denn er versuchte zu verhindern, dass Josh und Andreas einen direkten Blick auf seinen Bauch bekamen. Daran, das man die Verbrennungen sehen konnte, wenn er nur in Badehose herumlief, hatte er gar nicht mehr gedacht. Jason war schon ins Wasser gesprungen und planschte fröhlich herum. Josh war bei ihm und die beiden hatten sehr viel Spaß so wie es schien. Plötzlich spürte er eine Hand auf der Schulter.

»Was ist den los mit dir Michael?«

»Gar nichts. Mir geht es gut.«

»Lüg mich doch bitte nicht an. Ich merke doch schon die ganze Zeit, dass etwas nicht stimmt.«

Anstelle einer Antwort drehte sich Mike zur Seite, damit Josh und Jason nur seinen Rücken sehen konnten. Danach nahm er seine Hände weg und gab damit Andreas den Blick auf seinen Bauch frei. Dieser sagte gar nichts, er schloss nur die Augen und atmete tief durch.

»Wer war das?«, fragte er leise.

»Das ist ein ziemlich übles Andenken an meinen Vater.«

Sacht berührte er mit den Fingerspitzen einige der verbrannten Stellen.

»Das waren Zigaretten, oder?«

Mike schloss die Augen und nickte nur. Andreas bemerkte, wie schlecht es Mike mit seinen Erinnerungen ging.

»Komm, wir setzten uns erst mal.«, meinte er deshalb nur und zog Mike auf die Liege neben ihnen. Hier hatten die Beiden nun das Glück, dass die Stelle so angelegt war, dass sie Josh und Jason zwar sehen konnten, diese aber die Beiden nicht. Auch sonst war die Stelle eher sichtgeschützt.

»Die Narben sind schon älter. Nicht wahr?«

Mike wollte gar nicht antworten, eher mechanisch nickte er.

»Jetzt kann ich auch ansatzweiße verstehen, warum du nichts erzählen willst.«, erklärte Andreas sanft. »Und ich würde annehmen, dass das nicht das einzige war,, was vorgefallen ist.«

Wieder kam nur ein Kopfschütteln von Mike.

»Es ist vorbei, Michael. Ihr seit jetzt soweit von eurer Heimat weg, da wird dir keiner mehr wehtun.«

Andreas bekam immer noch keine Antwort von Mike, dafür bemerkte er aber, dass Mike leicht zitterte. Als er ihm die Hand auf den Arm legte fühlte er dieses Zittern sehr deutlich.

»Komm mal her.«, meinte er nur sanft und zog Mike an sich.

Dieser genoss es sehr, Andreas zu spüren, vor allem seine Wärme und Nähe gaben ihm viel. Andreas strich ihm sanft über den Rücken.

»Es wird alles wieder gut Michael.«, flüsterte er immer wieder.

Langsam beruhigte sich Mike auch. Er lehnte sich noch ein wenig an Andreas an und genoss es, geschützt von seinen Armen, an ihm zu liegen. Andreas sagte nichts, sondern hielt ihn einfach fest. Erst später fand Mike seine Sprache wieder.

»Danke.«, flüsterte er.

»Wofür denn?«, Andreas sah ihn nur überrascht an.

»Dafür, dass du gerade einfach da warst. Ich weiß nicht, aber das ist alles ein Teil meiner Vergangenheit und manchmal holt mich das Ganze wieder ein.«

»Das ist doch kein Problem. Ich weiß zwar nicht was gewesen ist, aber ich finde, die Narben sprechen eine deutliche Sprache darüber was passiert ist.«

Mike traten wieder die Tränen in die Augen, mehr denn je wünschte er, sich mit jemandem reden zu können.

»Sprich doch mit mir. Ich sehe doch, dass dich die Erinnerung fast auffrisst.«, Andreas flehte schon fast.

Er machte sich Sorgen um Mike und fühlte sich aber gleichzeitig sehr hilflos, denn er wusste, dass Mike von selbst reden musste.

»Ich kann nicht darüber reden, es geht nicht.«, flüsterte Mike und stand ruckartig auf.

Dann wand er sich von Andreas ab und ging zu seinen Brüdern zurück. Vorsichtig lies er sich ins Wasser gleiten, um Josh den Blick auf sich zu nehmen. Als er in die Nähe seiner Brüder kam, lächelte er wieder, obwohl er sich gar nicht so fühlte. Aber er wollte den Moment der Schwäche schnell verdrängen. Josh und Jason schienen während dessen viel Spaß zu haben. Die Beiden waren gerade dabei sich gegenseitig mit Wasser zu bespritzen. Josh sah Mike als Erster, und er erkannte, dass etwas passiert war. Nur was genau das war, konnte er nicht sagen. In der Zwischenzeit saß Andreas immer noch auf der Liege und starrte vor sich hin. Wie sollte er nur handeln?

Mike verbarg etwas, etwas, das ihn sehr belastete und mit der Zeit wohl innerlich auffressen würde. Aber er konnte ihn nicht dazu bringen zu erzählen, wenn er selbst nicht wollte. Andreas seufzte tief, bevor er aufstand und zu den dreien zurückkehrte. Mike schien sich wieder gefangen zu haben, nur wenn man in seine Augen sah, konnte man den Schmerz noch sehen. Wie gerne wollte er ihn einfach in den Arm nehmen und ihm zeigen, wie schön das Leben sein konnte. Damals, als seine Eltern ihn rausgeworfen hatten, war es nur Nico zu verdanken, dass Andreas keine Dummheiten gemacht hatte. Erst durch seinen Bruder fand er wieder ins Leben zurück, er nahm in mit zum Sport, ins Kino, spazieren. Diese Liste lies sich fortsetzen, wie man wollte. Nach einigen Wochen hatte er dann erkannt, dass das Leben viel mehr bot, und er sich nicht einfach davonstehlen konnte. Andreas hatte dabei einfach die Befürchtung, dass Mike nur durch seine Brüder gehalten wurde. Er riss sich dann aber doch zusammen und trat wieder an den Pool.

»Na und wie gefällt es dir hier Jason?«

»Sehr gut!«, rief dieser fröhlich.

Josh saß daneben und grinste nur.

»Ich hoffe mal, dir gefällt es hier auch Joshua?«

»Ja, klar. Es ist wirklich wunderschön hier. Tut auch wirklich gut, einmal etwas raus zu kommen.«

»Wie lange seit ihr jetzt eigentlich hier?«

»Fast eine Woche. Also noch nicht wirklich lange.«

Während Josh und Andreas sich unterhielten, spielte Mike mit Jason. Andreas blieb nicht verborgen, wie liebevoll und mit wieviel Freude er das tat. In den Zeiten mit seinen Brüdern wirkte er glücklich und ausgeglichen.

»Andreas. Hallo! Wo bist du denn mit deinen Gedanken?«, wollte Josh dann plötzlich wissen und hielt ihm seine Hand vor die Augen.

»Äh… Was hast du gesagt?«

»Ich wollte wissen, wo du mit deinen Gedanken bist.«

»Ach, ich mache mir gerade einfach viele Gedanken.«, versuchte Andreas auszuweichen.

»Mein großer Bruder spielt in diesen Überlegungen eine große Rolle, oder täusche ich mich?«

Andreas starrte auf das Wasser bevor er antwortete.

»Ja, er spielt eine große Rolle in meinen Gedanken. Und ich mache mir Sorgen um ihn.«

Josh strich sich nachdenklich die Haare aus dem Gesicht bevor er leise weitersprach.

»Das tue ich auch, schon länger.«

Andreas sah ihn überrascht an. »Wirklich?«

»Ja. Ich weiß nicht, wie er alles durchgehalten hat was damals passiert ist. Es ist blöde von mir jetzt nicht mehr weiter zu reden, dass weiß ich. Aber ich möchte Mike nicht vorgreifen. Er wird dir alles sagen, wenn er darüber reden kann.«

»Aber er frisst es in sich hinein, dass macht ihn irgendwann kaputt!«

»Ich weiß.«, seufzte Josh.

»Aber mit mir redet er nicht. Zumindest dann nicht, wenn es die Vergangenheit in einem Maße trifft von dem ich auch nichts weiß.«

»In eurer Nähe scheint ihn die Erinnerung auch nicht so zu quälen, wie wenn er die Zeit für sich hat. Dann scheint vieles im Trubel einfach unterzugehen.«

»Sehe ich genauso. Sieh ihn dir an, wie er mit Jason umgeht. Glaubst du, da hast du viel Zeit zum Nachdenken? Jason ist ein wirklicher Wirbelwind und kann manchmal sehr anstrengend sein. Mike liebt den kleinen Kerl sehr, genauso wie er mich liebt. Aber gleichzeitig nehmen wir ihm viel Zeit. Somit kommt er nicht zum Nachdenken. Jetzt, wo wir aber in Deutschland sind hat er auch die Zeit für sich die er braucht und da drängt vieles an die Oberfläche, was er in LA noch in sich hatte.«

»Das merkt man.«, erwiderte Andreas leise

»Entschuldige bitte, wenn ich neugierig bin oder falsch liege. Du magst meinen Bruder nicht einfach nur, da ist viel mehr? Stimmt das?«

»Du bist ein sehr guter Beobachter Joshua.«, antwortete Andreas und wurde rot im Gesicht.

»Ich hab mich in ihn verliebt und das gleich am ersten Abend. Und das ziemlich heftig.«

»Weißt du, ich glaube einfach, dass er jemanden braucht wie dich. Jemanden, der ihn liebt, der ihm sein Leben wiedergibt und ihn stützt. Mike hat zwar eine immense Stärke in sich, aber ich glaube er bräuchte auch einmal die Möglichkeit Schwäche zu zeigen.«

»Ich weiß doch nicht mal, ob ich der richtige für ihn wäre, oder ob er etwas für mich empfindet.«

»Männer!«, meinte Josh nur und sprang wieder in das Becken.

Ratlos blieb Andreas am Beckenrand zurück. Sollte es vielleicht doch möglich sein, dass Mike etwas für ihn empfand? Das Gespräch mit Josh hatte ihm zumindest nicht alle Hoffnung genommen. Aber eine genaue Auskunft hatte er nicht bekommen. Zum weiteren Nachdenken kam Andreas jedoch nicht mehr, denn Jason kam zu ihm, packte sein Handgelenk und versuchte ihn ins Wasser zu ziehen.

»Komm spiel mit uns!«, rief er und lachte dabei.

In diesem Moment konnte Andreas verstehen, warum Mike glücklich wirkte, wenn er mit seinen Geschwistern zusammen war. Jason hatte eine Fröhlichkeit an sich, die einfach ansteckend war und der man sich nicht entziehen konnte.

»Ich komm ja, Jason, aber den Arm brauch ich noch.«, lachte Andreas.

Ohne weiteren Widerstand lies sich Andreas dann auch zu Josh und Mike ziehen.

»Da hat Jason wohl das nächste Opfer gefunden.«, grinste Josh, als Andreas die Beiden erreicht hatte. Dieser sah ihn aber nur verständnislos an.

»Das wirst du noch mitbekommen, wenn du den Kleinen ein bisschen länger kennst. Spielen, spielen, spielen,… Etwas anderes gibt es für ihn nicht. Und jetzt hat er ja noch einen weiteren Spielgefährten gefunden.«

Mike stand daneben und lächelte, scheinbar schien es ihm wieder besser zu gehen. Eine ziemlich lange Zeit verbrachten die vier dann im Wasser. Jason schien sich sehr darüber zu freuen, dass so viele Leute ihm gleichzeitig ihre volle Aufmerksamkeit schenkten. Aber irgendwann musste auch dieser Nachmittag zu Ende gehen, denn die Rückfahrt nach Berlin würde eine ganze Zeit dauern. Nur Jason davon zu überzeugen, dass für heute Schluss war mit Spielen war eine schwierigere Aufgabe. Gemeinsam schafften die drei es aber doch noch, Andreas musste allerdings versprechen, nochmals mit Jason schwimmen zu gehen. Eine halbe Stunde später hatten sie die Halle auch schon verlassen, und waren auf dem Weg zu Andreas Auto. Josh hatte Jason auf dem Arm, dieser schien durch das Spielen im Wasser müde geworden zu sein und rieb sich die Augen.

»Was habt ihr eigentlich heute Abend noch vor?«, wandte sich Andreas plötzlich an die Geschwister.

»Gar nichts mehr.«, antwortete Mike stellvertretend.

»Ich dachte nur, dass ihr vielleicht Hunger habt. Wir könnten nämlich direkt zu mir fahren, und ich koche uns etwas.«

»Das wäre eine gute Idee! Ich habe ziemlichen Hunger.«, meinte Josh dann. Nachdem sie Andreas Wagen erreicht hatten setzte Josh Jason auf die Rückbank und schnallte ihn an. Mike hatte in der Zwischenzeit die Tasche mit den Schwimmsachen in den Kofferraum gepackt.

»Und wie hat es euch heute gefallen?«, wollte Andreas wissen, als er das Auto vom Parkplatz fuhr.

»Es war wirklich schön. Ist wirklich beeindruckend, was da gebaut wurde. Und Jason hat es auch viel Spaß gemacht.«

»Das kannst du wohl sagen. Wann hast du zum letzten Mal gesehen, dass der kleine Mann vom Spielen so müde war?«, lachte Mike.

»Stimmt, das ist sehr, sehr selten.«, Josh warf einen schnellen Blick auf Jason. Dieser lehnte an den Polstern und schlief, der ganze Tag im Wasser hatte ihn wohl ziemlich müde gemacht.

Die ersten Minuten der Heimfahrt verliefen daraufhin schweigend. Josh spürte einfach die eigene Müdigkeit, und Mike wusste nicht was er hätte sagen sollen. Es war ihm sehr peinlich, von welcher Seite Andreas ihn kennen gelernt hatte.

Sonst war er nicht so, sonst konnte er immer alles sehr gut alleine bewältigen. Aber dieser kurze Moment zusammen mit Andreas hatte ihm gezeigt, dass seine Stärke auch Grenzen hatte. Grenzen die er sich selbst nicht eingestehen wollte. Aber mit einem Mal spürte er die Einsamkeit in sich. Wie gerne würde er sich wieder von Andreas halten lassen. In seine Augen sehen und die Sicherheit haben nicht mehr alleine zu sein. Seine Brüder gaben ihm zwar dieses Gefühl immer wieder von neuem, aber das war etwas völlig anderes.

Ein paar Minuten lang folgten alle nun ihren eigenen Gedanken. Jason und Josh waren eingeschlafen, Andreas konzentrierte sich auf den Verkehr und Mike sah zur Frontscheibe hinaus.

»Sag mal Mike, hättest du auch Lust auf einen Kaffe?«

»Gerne!«

Am nächsten Rasthof fuhr Andreas dann auf den Parkplatz. Josh und Jason schliefen noch, deshalb wollten sie die Beiden nicht wecken. Danach machten sie sich auf den Weg in die Gaststätte. Kurze Zeit später saßen sie schon mit ihren Tassen auf der Terrasse.

»Ich muss mich bei dir entschuldigen Michael, ich wollte dir nicht zu nahe treten vorhin.«

»Dafür musst du dich nicht entschuldigen.«, erklärte Mike leise.

»Aber ich weiß nicht, ich habe einfach die Befürchtung, dass ich dich verletzt haben könnte mit dem, was ich gesagt oder getan habe.«

»DU?«, Mike sah Andreas direkt ins Gesicht.

»Wieso solltest ausgerechnet du mich verletzt haben? Du warst doch der einzige, der mich festgehalten hat und mich wieder aufgebaut hat. Selbst Josh konnte das nicht, da er nicht genau weiß, was damals passiert ist.«

»Gibt es eigentlich jemanden der die gesamte Geschichte kennt?«

»Nein, es gibt niemanden der alles weiß.«, antwortete Mike und sah in seine Tasse.

»Ist es nicht schwer, niemanden zu haben, der einen verstehen kann, weil er einfach informiert ist?«

»Schon, aber zum einen ist Josh immer da und zum anderen bin ich die Bezugsperson für Josh und Jason. Ich kann dabei keine Schwäche zeigen.«

»Doch! Das kannst du und das musst du sogar. Es bringt keinem was, weder dir noch deinen Brüdern, wenn du nach außen hin stark bist und dafür innerlich kaputt gehst.«

»Das ist mir klar, aber ich habe einfach den Eindruck, dass ich für die Beiden da sein muss.«

»Das bist du doch trotzdem. Hast du dir deine Brüder in letzter Zeit eigentlich einmal angesehen?«

»Wie meinst du das?«

»Ich kenne die Beiden seit heute Mittag und selbst mir ist einfach klar: Die beiden lieben dich. Wenn meine Beobachtung richtig ist bist du für Jason der Ersatz für seinen Vater. Und wenn man euch beide zusammen sieht, könnte man das auch wirklich glauben. Für Joshua bist du der engste Vertraute. Oder glaubst du er würde etwas tun ohne sich mit dir zu beraten? Michael, Schwäche zu zeigen heißt nicht, dass du dich deshalb schlechter um die Beiden kümmerst. Und du brauchst auch einfach ein Leben für dich, dein Glück zählt doch auch. Glaubst du Joshua würde sich nicht auch freuen, wenn du glücklich werden würdest? Wenn du einen Mann finden würdest, einen Beruf der dich ausfüllt, einfach ein schönes Leben hättest?«

»Doch, schon. Der würde sich sehr freuen.«, meinte Mike leise.

»Siehst du.«, antwortete Andreas nur und legte ihm die Hand auf die Schulter.

Lesemodus deaktivieren (?)