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Nackt

Teil 9

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43. BUCH – Die große Villa

Oder ... Wie man sich nicht verläuft

Mark trat in die Pedale. Er wollte nur weg, weit weg von dort. Was hatte er nur gerade getan? Wie konnte er nur? Und was war überhaupt mit Carsten los? Warum spielte er so mit ihm? Wieso tat er ihm so weh? Wobei, tat er ihm überhaupt weh? Eine sehr schwierige Frage. Einerseits musste er sie mit ja beantworten, aber auch wieder nicht. Er fand es toll, wie sie unter der Dusche standen: Es hatte ihm gefallen, aber das wollte er nicht. Nein, das darf nicht sein. Einfach unmöglich. Wieso er? Wieso Carsten? Wieso sie zusammen? Nein. Nein. Nein! ... Nein!!!

Mark fuhr die Auffahrt zu der Villa seiner Eltern hinauf. Auf dieses riesige Anwesen, das ihm immer Angst machte, besonders wenn er alleine daheim war. Und alleine war er oft. Selbst wenn seine Eltern daheim waren, war er alleine. Das Haus strotzte nur so vor Prunk. Nur die teuersten Möbel wurden benutzt, nur das beste Geschirr, die schönsten Stoffe verwendet. Über und über war dieses Haus mit Geld vollgepumpt, und nicht nur das Haus. Auch Mark wurde alles gegeben, zumindest materiell. Er bekam die besten Klamotten, hatte ein Dutzend Designeranzüge, hatte die teuerste Anlage, den größten Fernseher, den modernsten, bestausgestatteten Computer mit jedem Schnickschnack den es nur gab.

Er öffnete die große französische Eingangstür. Mühsam schob er sie auf. Er musste sich anstrengen, damit er sie so weit öffnen konnte, dass er hindurch passte. Jeden Tag fiel es ihm schwerer durch die Tür zu treten. Es schien als hielt ihn eine unsichtbare Kraft zurück.

Er trat durch die Tür, es war, als würde sie ihn verschlingen. Schnell ging er nach oben in sein Zimmer, warf seinen Rucksack in die Ecke, zog hastig seine Schuhe aus und schmiss sich aufs Bett. Er vergrub sein Gesicht in seinem Kopfkissen. Wieder liefen die Tränen wie kleine Bäche aus seinen Augen.

„A new life

What I wouldn't give to have a new life

One thing I have learned as I go through life

Nothing is for free along the wa

A new start

That's the thing I need to give me new heart

Half a chance in life to find a new part

Just a simple role that I can pla

A new dream

I have one, I know that ver few dream

I would like to see that overdue dream

Even though it never ma come true

A new love

Though I know there's no such thing as true love

Even so, although I never knew love

Still I feel that one dream is m due

(A new dream aus Jekyll & Hyde Text: Leslie Bricusse)

Carsten trat fest in seine Pedale. Je näher er dem Haus von Marks Eltern kam, desto schwere fiel es ihm, seine Geschwindigkeit zu halten. Er hatte Angst, Angst vor der bevorstehenden Konfrontation. Was würde am Ende dabei herauskommen? Würde es so werden, wie er es seid Wochen schon hoffte, oder würde er wohl am Ende wieder genauso alleine sein wie vorher? Ja, er hatte Freunde, viele Freunde, und manch einer von ihnen war auch ein richtig guter Freund, aber er wollte jemanden, den er nicht nur mochte. Er wollte geborgen sein. Er wollte noch mehr als das, er wollte sich an Mark anlehnen können. Er hatte sich verliebt in den unscheinbaren Jungen. Den Jungen, der immer so schüchtern aussah, aber dessen Augen ihn faszinierten, ihn fesselten. Er wolle ihn spüren, ganz nah. Immer näher kam er dem Haus. Als er in die Einfahrt bog, stutzte er. Dieses Haus war so riesig. Es wirkte bedrohlich, er hatte Angst, Angst davor zu klingeln.

Dieses Haus war so riesig. Ein enormes Eingangstor aus geschmiedetem Gusseisen ließ einen schon erkennen, dass dieses Haus mehr war, und vor Geld nur so strotzte. Das ganze Grundstück wurde von einer mindestens 3 Meter hohen Mauer umgeben, die absolut weiß gestrichen war. Sobald man durch das Tor in das Innere des Geländes kam, sah man erst das unglaubliche Ausmaß dieses Anwesens. So weit man sehen konnte, konnte man keine gegenüberliegende Mauer erkennen, die einem verraten hätte, wie groß es war. Eine breite Auffahrt führte zum Haupthaus. Links und rechts war der gepflasterte Weg umrandet von kleinen Sträuchern und dich dahinter waren in exakt gleichem Abstand Bäume gepflanzt worden, die absolut identisch aussahen. Der Rasen und die restlichen Grünflächen waren extrem ordentlich, alles war symmetrisch angeordnet, genau spiegelbildlich. Es musste die vielen Gärtner, die für dieses Anwesen zuständig waren, Wochen, wenn nicht Monate gekostet haben, bis alles so gleichmäßig begrünt war, dachte Carsten. Das Haus, nein besser gesagt die Villa war absolut symmetrisch. Und links und recht vom Haupthaus befand sich jeweils ein in seinen Ausmaßen nicht weniger kleiner Bungalow. Hinter diesen Bungalows, leicht versteckt befanden sich die riesigen Garagen, in denen jeweils mindestens vier Autos bequem platz fanden. Etwas weiter abseits des Hauses waren links und rechts jeweils zwei identische Bauten, bei denen das eine als Haus für die Angestellten genutzt wurde. Das gegenüberliegende Gebäude war als Lagerraum gedacht, in dem der Rasenmäher-Traktor stand, zudem waren dort alle Gartengeräte und sonstigen Arbeitsutensilien der Angestellten verwahrt. Hinter dem Haus befand sich ein Swimmingpool, der olympische Ausmaße hatte, und zusätzlich einen kleinen Sprungturm mit 3 Meter Sprungbrett. Der restliche Wohnteil hinter dem Haus bestand aus einer überdimensionalen Terrasse, die nur mit den teuersten Sitzmöbeln und ähnlichem Schnickschnack voll gestellt war. Wenn man die Auffahrt bis zum Haus zurückgelegt hatte, konnte man in einem großen Wendekreis sein Auto umdrehen. In der Mitte dieses Kreises befand sich ein riesiger Springbrunnen mit einer antiken Gestalt, aus deren Mund Wasser sprudelte. Neben diesem Wesen waren zwei Fische, die ebenso in den Brunnen ihr Wasser plätschern ließen. Der enorme Haupteingang des Haus war überdacht von einem gotischen Balkon. Vor den typisch geformten Säulen, die den Balkon stützten, befanden sich jeweils zwei Hunde, die, wie alles andere in diesem Haus, genauso symmetrisch angeordnet waren. Zögernd ging Carsten die Treppe rauf bis zur Tür dieser völlig in weiß gestrichenen Riesenvilla. Zo Zögernd hob er die Hand und betätigte die Klingel.

Lange Zeit tat sich nichts, dann öffnete ein Butler die Tür.

„Guten Tag, kann ich ihnen helfen?“

„Ja, kann ich bitte Mark von Mantelfeld sprechen?“

„Einen Moment, bitte.“

Die Tür öffnete sich und Carsten wurde in die Eingangshalle gebeten.

„Warten Sie hier, ich werde Herrn von Mantelfeld Bescheid sagen.“

Und schon verschwand der Butler über die große geschwungene Treppe. Carsten betrachtete die Eingangshalle. Sie war größer als die Wohnung, in der er mit seinen Eltern und seiner Schwerster lebte. Über und über war dieses Zimmer mit Protz vollgepumpt. Der Kitsch war so erdrückend, dass ihm flau wurde.

„Hallo Carsten, was willst du hier?“ Marks Stimme umwehte ein eisiger Hauch.

„Hi Mark, wir müssen reden.“

„Wieso? Was soll das bringen. Lass mich einfach in Ruhe!“

Mark wollte gerade die Tür zuschlagen, aber Carsten konnte noch rechtzeitig seinen Fuß zwischen Tür und Türrahmen bringen.

„OK, du willst nicht reden. Kein Problem, aber hör dir wenigsten an, was ich dir sagen will. Bitte.“ Carstens Stimme zitterte. Er versuchte sich zwar zu beherrschen, aber ganz unterdrücken konnte er es nicht. Er hatte Angst. Angst, wie Mark reagieren würde. Er wusste, dass er eine Menge falsch machen konnte. Von diesem Gespräch würde sehr viel abhängen. Nein, alles hing davon ab. Marks und seine ganze weitere Zukunft.

„Aber mach es kurz.“ Erwiderte Mark kurz.

„Hör zu. Ich weiß, dass dich die Sache heute Nachmittag verwirrt hat. Es tut mir leid, das wollte ich nicht. Vielleicht lieg ich ja daneben, aber es hat dir heute gefallen, was wir gemacht haben. Ich bin kein Typ von großen Worten und so, aber ich find dich süß und würde so was gerne öfter machen. Ich hab mich in dich verliebt. Schon als ich dich das erste Mal gesehen habe, wusste ich, was ich für dich empfinde und dass ich dich will. Aber in erster Linie geht es nicht darum, was ich will. Es geht um dich. Ich sehe, dass du verängstigt bist. Du hast Angst davor, dir endlich eingesehen zu müssen, dass du etwas für mich empfindest. Nein, sag nichts, lass mich ausreden. Du willst sagen, dass du nichts für mich empfindest, aber du tust es doch. Ich sehe es dir an. Ich sehe es an deinem Blick, an deinen Augen, wie sie mich anziehen. Und ich spüre es, auch du ziehst mich an.“

„So, jetzt hör mir mal zu. Ich will nichts von dir. Du kommst hier einfach bei mir vorbei. Obwohl ich nicht mit dir reden will, textest du mich zu und redest von Liebe.“

„Aber es ist so, ich liebe dich. Und das schon, seit ich dich das erste Mal sah.“

Draußen vor dem Fenster stand ein junger Mann. Seine Augen funkelten in den schönsten Farben des Regenbogens. Ein Lichtstrahl bahnte sich seinen Weg aus den Augen und strahlte direkt auf Marks Herz.

„Das ist ja alles schön und gut. Und ich ...“

Mark verstummte. Für eine kurze Ewigkeit saß er regungslos da und nicht mal sein Brustkorb bewegte sich beim Atmen. Es war als würde die Welt stillstehen.

Immer größer wurde der Strahl, der sich seinen Weg in Marks Inneres bahnte. Mehr und mehr begann sein Körper von innen heraus zu leuchten. Ein wunderschönes, warmes Licht umgab ihn, bis auch seine Augen wie der Regenbogen funkelten.

„... ich liebe dich.“

Tobi drehte sich um. Das Glühen in seinen Augen war einem normalen Strahlen gewichen. Zufrieden zog er seine Mundwinkel nach oben, so dass sie ein kleines Lächeln formten. Während er durch den großen Garten ging, beamte er sich weg.

44. BUCH – Gespräch im grellen Neonlicht

Oder ... Was Männer von Männern wollen

„Was wollen Sie von mir?“

Mittlerweile war der Mann in dem Trenchcoat und Andy auf den Gang hinaus gegangen.

„Und wer sind sie überhaupt?“

„Entschuldigung. Ich bin Kriminalhauptkommissar Hintermoser. Ich muss mit ihnen über den Unfall reden. Sie waren ja Augenzeuge.“

„Ja, das war ich. Was wollen Sie wissen?“

„Erst mal muss ich Ihre Personalien aufnehmen.“

Andy kramte seinen Personalausweis aus dem Geldbeutel, während Hintermoser weiter Fragen stellte. Dabei formulierte er seine Fragen extrem kurz und präzise. Hintermoser war ein etwas zu klein geratener, relativ dünner Mann, der auf den ersten Blick nicht viel Autorität ausstrahlte. So bald er aber anfing zu reden, merkte man sofort, dass er seinen Job gerne machte und er es liebte, Licht ins Dunkel zu bringen. Mit Freude saß er stundenlang nachts über Ermittlungsakten und versuchte herauszufinden, was die Spuren am Tatort ihm erzählten. Seine zierliche Gestalt wurde noch von einer zu groß geratenen Brille und Haarausfall am Hinterkopf unterstützt. Seine Augen wirkten klein, aber sie beobachteten ihre Umgebung mit Argusaugen. Ohne auch nur den Kopf zu bewegen, inspizierte er ganze Säle und bemerkte sofort, wenn etwas nicht dort hin passte. Kurz gesagt, er war ein Polizist aus Leidenschaft.

„Und nun erzählen Sie mir bitte, wie sich der Unfall ereignete ...“ Dabei betonte er das Wort Unfall mit einem schwer zu deutenden Unterton.

„Also.“ Zögerlich begann Andy zu erzählen. „Wir beide gingen von einem Treffen mit anderen Freunden nach Hause. Wir wohnen zusammen. Wir waren noch nicht weit weg, als ich eine Freundin von uns, Tanja Maier, entdeckte. Er winkte ihr. Sie sah ihn nicht. Er winkte deutlicher und rief nach ihr. Aber noch immer zeigte sie keine Reaktion, also wollte er zu ihr rüber gehen. Er sah sich um, ob die Straße auch frei war, und trat dann auf selbige. Kaum hatte er sie betreten, hörte ich, wie ein Motor aufheulte. Das Auto kam aus einer Ausfahrt geschossen und fuhr Felix frontal an. Felix wurde durch die Luft geschleudert und das Auto bremste kurz ab, bevor es wieder Gas gab. Ich wollte Felix noch warnen, aber es war zu spät. Es war ein schreckliches Geräusch, als er auf dem Boden aufschlug.“

Andy fing an zu weinen. Hemmungslos liefen die Tränen seine Wangen hinunter. KHK Hintermoser holte mit geschickten Handbewegungen ein Taschentuch aus seiner Tasche und reichte es ihm. Andy schnäuzte sich und erzählte dann mit zitternder Stimme weiter.

„Irgendjemand musste den Notarzt alarmiert haben und wenig später war ich dann im Krankenhaus und wartete auf den Bericht der Ärzte.“

„Ja, so haben es auch die anderen Augenzeugen gesehen. Mehr muss ich momentan nicht wissen.“

„Aber ich hätte noch eine Frage: Dass die Polizei den Fall untersucht ist klar, schließlich war es Fahrerflucht, aber wieso schicken sie einen Kriminalhauptkommissar?“

Unruhig schaute sich KHK Hintermoser um, in seinen Augen war für einen kurzen Moment ein Ausdruck des Entsetzens zu sehen.

„Sie sind ein schlauer Fuchs. Sie haben Recht, es liegt die Vermutung nahe, dass es nicht nur Fahrerflucht war ... Aber darüber darf ich nicht reden.“

„Jetzt reicht es aber, Sie kommen hier her. Wollen von mir Dinge wissen, die ihnen bestimmt schon zehn andere Menschen gesagt haben. Und dann sagen Sie mir, dass sie darüber nicht reden können. Verflucht, er war mein Freund.“ Andy war am Kochen, er wusste nicht warum, er war es einfach. „Nicht nur ein Freund, sondern mein Freund. Das ist es doch, was Sie wissen wollten, oder? Sie wollten doch wissen, wie wir zueinander standen.“

„Nun beruhigen Sie sich doch, es gibt nichts, worüber Sie sich aufregen müssen.“

„Ach, etwa nicht? Mein Freund liegt mit schwersten Verletzungen in diesem Zimmer, hat unzählige Schläuche, die in seinen Körper führen, und Sie stellen mir die unwichtigsten Fragen, die es gibt. Dafür konnten Sie auch genauso andere Zeuge auf der Straße finden, die alles beobachtet haben. Ihnen brennt doch eine ganz andere Frage auf den Lippen. So sprechen Sie sie doch endlich aus.“

„Das ist nicht nötig. Sie haben mir schon längst darauf geantwortet ohne es zu merken. Ich weiß, dass Sie nichts mit dem Unfall von Felix zu tun haben. Ihre Liebe ist echt.“

„Was wissen Sie schon von Liebe. Und jetzt lassen Sie mich allein, ich will wieder zu meinem Freund. Guten Tag, Herr Hintermoser.“

Andy drehte sich auf seiner Ferse um und ging wieder in das Zimmer. Etwas irritiert blickte KHK Hintermoser ihm nach, bevor er kurz seinen Kopf schüttelte. Im Fortgehen sagte er noch zu sich: Dieser Junge könnte noch ungemein nützlich werden.

„La nuit était sans étoiles et profondément obscure. Sans doute, dans l'ombre, quelque ange immense était debout, les ailes déploées, attendant l'âme.“

(Victor Hugo)

Andy öffnete die Tür. Felix lag unruhig in seinem Bett. Sein Kopf drehte sich von einer Seite zur anderen. Beruhigend legte And seine Hand auf Felix Brust, aber es half nicht. Immer wieder warf Felix seinen Kopf zur Seite.

„Verschwinde.“

„Das kann ich nicht.“

Andy hört wieder wie Felix mit einem anderen Mann stritt, aber er sah niemanden. Die Stimme schien Felix Angst zu machen. Wild wehrte er sich gegen die Aufforderungen, die verlockende Versuchung dieser Stimme. Diese Stimme, mit ihrem goldenen Klang, der das Ende verhieß, und doch eine neue, bessere Zeit ankündigte. Sie war so zärtlich und doch so fordernd. Es viel Felix so schwer sich gegen sie zu behaupten. Es wurde immer schwerer, aber er war hier noch nicht fertig, er musste noch etwas erledigen. Felix Körper verkrampfte sich. Je stärker er sich versuchte zu wehren, um so mehr nahm die ihn lockende Kraft zu. Sie war einfach überwältigend stark. Felix merkte, dass er sich nicht mehr lange wehren konnte. Er wagte ein letztes Aufbäumen.

„Das nützt dir nichts. Du musst mit mir kommen.“

„Aber ich muss mich doch von ihm verabschieden. Wir lieben uns doch.“

„Das ist nicht nötig. Du wirst ihn bald schon wieder sehen.“

„Wer spricht da? Zeig dich.“ Andy schrie durch den Raum auf das Fenster zu. Bis jetzt hatte er nie die Richtung der Stimme ausmachen können, aber diesmal gelang es ihm. Ein groß gewachsener, schöner Mann stand in der gegenüberliegenden Ecke. Er trug einen schwarzen Anzug und ein schwarzes Hemd. Aber er wirkte nicht trist, es war als würde ein unsichtbarer Schimmer ihn umgeben.

„Wer bist du?“

„Was denkst du denn?“

„Ich weiß es nicht, aber du macht meinem Freund Angst, daher kannst du nicht gut sein.“

„Ich bin weder gut, noch böse. Ich bin, wie ihr Menschen so schön sagt, neutral. Bin nicht schwarz, nicht weiß, nicht groß, nicht klein, nicht jung, nicht alt, nicht besser, nicht schlechter. Kurz ich bin einfach neutral.“

„Schön und gut, aber wer bist du?“

„Ich bin das, was ihr weitläufig als ‚der Tod‘ kennt.“

„WAS???“ Andys Stimme kiekste.

„Ich bin der Tod.“

Obwohl er nicht an so etwas wie den Tod, oder Engel und dergleichen glaubte, hatte sich Andy sofort wieder gefangen. Es erschreckte ihn nicht wirklich, dass ihm angeblich der Tod gegenüberstand. Es war fast so, als wäre diese Begegnung völlig normal.

„Aber, müsstest du ...“

„... dann nicht alt und faltig sein. Einen Kapuzenumhang tragen und eine Sense haben?“

„Ja, genau.“

„Nein, muss ich nicht. So stellt ihr euch das doch nur vor, weil ihr denkt, der Tod sei etwas Böses und Schlechtes. Aber das bin ich nicht. Ich war, bin und werde immer neutral sein. Ich entscheide weder, wen ich hole, noch wann ... Aber das führt zu weit. Das alles dürftest du eigentlich nicht erfahren. Du dürftest mich nicht einmal hören, geschweige denn sehen ...“

„Und wieso nicht?“

„Weil das alles die Zukunft beeinflusst.“

„Hä? Ich versteh nicht ganz ...“

„Naja, kurz gesagt. Es ist alles vorherbestimmt. Zumindest der grobe Ablauf. Klar könnt ihr frei entscheiden, ob ihr links oder rechts geht, aber am Ende läuft es immer nur auf ein und dieselbe Sache hinaus. Ihr nennt das Schicksal, aber du kannst es auch als Lauf der Dinge oder sonst etwas bezeichnen, es ist immer das gleiche ... Aber jetzt muss ich meine Arbeit erledigen ...“

Und er drehte sich wieder zu Felix. Er sprach nicht mehr, und doch konnte man ihn hören.

„So, nun muss du mit mir kommen. Es ist schon viel zu spät.“

„Aber ich will nicht. Ich will Andy nicht alleine lassen. Es braucht mich doch.“

„Du wirst auch weiter für ihn da sein, aber erst musst du mit mir kommen.“

„Das lasse ich nicht zu, dass du ihn mir weg nimmst!“

Andy formte einen Gedanken, dann sprach er deutlich das Wort ‚Wasser‘ und ein Energiestrahl aus purem Wasser schoss aus seinen Händen und flog mit voller Wucht auf den Tod zu. Aber statt ihn zu schwächen oder irgendwie zu berühren, löste sich der Strahl, kurz bevor er ihn erreichte, in Nichts auf.

„Was zum Teufel ist das?“

Aus Andys Gesicht war jede Farbe gewichen. Bleich starrte er auf ihn. Er schleuderte noch einen Energiestrahl auf den Tod, aber wie schon der Erste, löste er sich einfach in Nichts auf.

„Du kannst mir nichts anhaben. Ich bin, wie ich schon sagte, neutral. Und mir können deine Kräfte nichts anhaben. Ich weiß, dass du es nicht verstehen kannst, zumindest jetzt noch nicht, aber Felix hat eine Aufgabe, aber dafür muss ich ihn abholen. Er ist wichtig, sehr wichtig. Für euch alle, für uns alle. Ja, auch für mich. Denn wenn Zorala siegt, dann sind wir alle verloren. Also kämpf nicht weiter gegen mich. Es hat erstens keinen Sinn und zweitens raube ich dir nicht deinen Freund. Irgendwann wirst du es verstehen. Wenn auch nicht morgen oder übermorgen, aber wenn die Zeit reif ist, wird sich alles zum Guten wenden. Aber dafür musst du mich jetzt machen lassen.“

„Mach die Nacht zum Morgen

Lass mich befreit sein und geborgen

Lösch die Erinn'rung in mir aus

Gib meiner Seele ein Zuhaus'

Lass die Welt versinken

Ich will mit dir im Nichts ertrinken

Mit dir als Feuer aufersteh'n

Und in der Ewigkeit vergeh'n“

(„Der Schleier fällt“ aus Elisabeth; Text: Michael Kunze)

Felix Atem wurde immer schwächer. Die weiße Decke, die auf seiner Brust lag, hob sich kaum noch. Tränen standen in Andys Augen. Seine Lippen bebten unter den Versuchen die Tränen zurückzudrängen. Felix holte noch einmal tief Luft. Ganz leise hauchte er seine letzten Worte zu Andy.

„Ich liebe dich – für immer.“

Dann atmete er tief aus, und er hatte aufgehört zu atmen – er war tot.

Der Herzmonitor gab nur noch ein langes, monotones, die Stille zerreißendes Piepen von sich. Andy sah noch, wie sich der Tod immer weiter entfernte, obwohl er nicht durch die Wand verschwand. Er wirkte nur immer weiter weg, während eine weiße Lichtkugel, die aus Felix Körper entwichen war, ihm folgte. Andy sank zusammen. Innerlich wie äußerlich. Er kniete an der Seite von Felix, hielt seine Hand und schluchzte unverständliche Worte.

Ärzte und Schwestern stürmten in das Zimmer. Über zehn Minuten versuchten sie mit Herzmassage und Elektroschock Felix wieder zurückzuholen. Aber es war zu spät. Der Oberarzt erklärte Felix um vier Uhr siebzehn für Tod. Er wollte gerade die Maschinen ausschalten, als Andy aufsprang.

„Rühren Sie das nicht an! Verschwinden Sie, verschwinden sie alle hier! Lassen sie mich doch endlich mit ihm alleine!!!“

Stumm nickten sich die Ärzte zu, drehten sich um und verließen den Raum.

Andy setzte sich neben Felix. Zärtlich strich er ihm über das Haar.

„Ich weiß zwar nicht, ob du mich hören kannst. Aber ich habe dir noch so viel zu sagen. Aber mir fällt nichts ein. Nur eines muss ich noch sagen. Ich liebe dich bis in alle Ewigkeit.“

„Das weiß ich, ich liebe dich auch. Und mach dir keine Sorgen. Mir geht es gut ...“

Die letzen Worte verhallten. Andy stand auf, stellte den Herzmonitor ab, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und gab Felix einen Kuss auf die Stirn. Dann ging er zur Tür, löschte das Licht und verließ den Raum.

„No more wars to fight

White flags fl tonight

You are out of danger now

Battlefield is still

Wild poppies on the hill

Peace can onl come when ou surrender

Here the tracers fl

Lighting up the sk

But I'll fight onto the end

Let them send their armies

I will never bend

I won't see ou now 'till I surrender

I'll see ou again when I surrender“

(„Surrender“ aus Sunset Boulevard; Text: Don Black & Christopher Hampton)

45. Buch – Der Tag danach

Oder ... An was man sich so alles erinnern kann

Vor der Tür hatten Martin, Tom, Flo und Tobi schon auf Andy gewartet. Zärtlich nahm ihn Tobi in seinen Arm. Keine sprach ein Wort, als sie die Gänge des Krankenhauses durchquerten. Draußen hatte es wieder angefangen zu regnen. Dicke Fäden fanden ihren Weg vom Himmel herab. Plötzlich musste Andy loslachen. Erst grinste er nur, aber auf einmal fing er an laut loszulachen. Verwundert sahen ihn die anderen an.

„Was ist los, Andy?“ Martin brach als Erster das Schweigen.

„Ach nichts, ich musste nur gerade an diesen Spruch denken. Den hat mir Felix damals geschickt, als wir erst kurz zusammen waren.“

„Welchen Spruch denn?“ Die Neugierde in Tom kam auf.

„Er lautet ungefähr so: 'Als du geboren wurdest, war es ein regnerischer Tag. Doch es war nicht wirklich Regen. Es war der Himmel, der weinte, weil er seinen schönsten Stern verloren hatte.' Wie widersinnig dieser Satz gerade ist. Absoluter Hohn. Ich glaube die da oben wollen mich und uns alle hier unten verarschen.“

„Ja, der Spruch ist wirklich nicht gerade passend. Aber wieso sprichst du 'von denen da oben'?“

„Naja, weil mir zuvor einer davon begegnet ist.“

„Wie?“ Abrupt blieb Tobi stehen, und auch die anderen gingen nicht weiter.

„Was wie? Mir ist zuvor halt einer begegnet, der von da oben kam.“

„Und wer?“

„Der Tod.“

„Was? Du hast den Sensenmann gesehen?“ Tom wirkte genauso überrascht wie die anderen.

„Ja, aber er ist kein Sensenmann, er ist eher ein hübscher junger Mann. Zwar nicht mein Typ, aber nicht gerade unansehnlich.“

„Krass.“ Martin brachte es auf den Punkt.

„Kommt, lasst uns im Auto weiter reden, sonst werden wir hier noch weggespült.“

Die Jungs gingen die letzten Meter zu Flos Auto und jeder fand einen Platz und Andy erzählte, was ihm gerade im Krankenhaus passiert war. Als sie aus der Ausfahrt des Krankenhausparkplatzes fuhren, begann es ganz weit entfernt im Osten schon zu dämmern.

Am nächsten Tag gegen Mittag wachte Andy schweißgebadet in einem fremden Bett auf. Er öffnete die Augen und schreckte hoch.

„Schatz, wo sind wir?“, rief er in Richtung Tür.

Kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen, fiel ihm wieder ein, was passiert war. Felix war tot. TOT!!! Nichts konnte ihn zurückbringen. Eine einsame Träne lief seine linke Wange herab, suchte sich ihren Weg über die glatte Haut, vorbei an der Nase und dem Mund, bis sie schließlich am Kinn abperlte und auf das Bettlaken tropfte. Er erinnerte sich, wo er war. Tobi hatte darauf bestanden, dass er bei ihm übernachten sollte, weil sie ihn nicht alleine lassen wollten. Andys Vater würde den ganzen Tag in der Schule sein, und seiner Mutter musste wieder zu ihrem Geschäftstermin nach Berlin fliegen. Mühsam schlug Andy die Decke zurück und kroch aus dem Bett. Noch nie war ihm das Aufstehen so schwer gefallen, wie an diesem Morgen. Er ging zur Tür und öffnete sie. Draußen hörte er im Zimmer nebenan vertrauter Stimmen reden. Er ging auf die verschlossene Tür zu, legte seine Hand auf die Türklinke und drückte sie herab und öffnete die Tür. Im Wohnzimmer saßen Tobi, Flo, Martin und Tom. Als sie Andy bemerkten, unterbrachen sie ihr Gespräch.

„Guten Morgen Andy, hast du gut geschlafen?“

„Es geht Martin. Mehr schlecht als recht.“

„Willst du Kaffee? Und ein Brötchen?“

„Wenn noch was da ist ...“

„Klar, ich hab die Jungs extra gebremst, dass dir auch was übrig bleibt.“

„Das ist aber nett.“ Andy setzte sich und bediente sich am Frühstück. „Aber ihr habt doch grade über was geredet. Ich wollte euch nicht unterbrechen.“

„Ist nicht so wichtig, dass können wir auch später bereden“, druckste Tobi herum.

„Raus mit der Sprache, ich bin nicht aus Zucker.“

„Es ging um die Beerdigung von Felix und den ganzen Verwaltungskram. Wir wollten dich damit nicht belasten.“

„Oh, wie rücksichtsvoll. Aber es ist mein Freund, und für den erledige ich das.“ Andy erhob seine Stimme. Er wusste nicht warum, er wusste nur, dass er das nicht wollte.

„Tut uns leid, wir wollten dir doch nur helfen.“ Martin klang geknickt und Andy merkte, was er gerade getan hatte.

„Sorry, Martin, ist ja nicht so, dass ihr mir nicht helfen könnt, aber ich würd halt gerne mitentscheiden, wie die Beerdigung abläuft.“

„OK, dann wollen wir uns mal an die Arbeit machen, und die einzelnen Sachen aufteilen.“

Der Praktiker sprach aus Tom. Und so saßen die fünf kurz darauf zusammen im Wohnzimmer und diskutierten, telefonierten, erledigten Behördengänge und organisierten alles.

Am Abend hatten sie alles so weit geregelt, dass die Beerdigung übermorgen stattfinden konnte. Diese Nacht schlief Andy noch mal bei Tobi. Nachdem die anderen gegen elf Uhr gegangen waren, begaben sich er und Tobi ins Bett. Andy konnte nicht einschlafen. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er, wie Felix durch die Luft geschleudert wurde. Obwohl er Angst hatte, die Augen zu schließen, versuchte er es immer wieder. Aber es nützte nichts, die Bilder brannten sich ihm immer wieder in sein Gedächtnis. Also lag er mit offenen Augen da und dachte an Felix. Wie er ihn doch vermisste. Er vermisste das sanfte Atmen neben ihm, wenn er Felix beim Schlafen zusah. Seine Augen, die vor Glück strahlten, wenn er ihn ansah. Die kleinen Kommentare, die ihn immer so zum Lachen brachten. Er vermisste den Klang von Felix Stimme, seine niedliches Grinsen, seine sanft geschwungenes Gesicht. Eine Träne suchte sich einsam ihren Weg von Andys Auge hinab in das Kopfkissen.

Leise ging die Tür auf. Tobi streckte seinen Kopf durch die Tür.

„Schläfst du schon?“

„Nein, ich kann nicht einschlafen, ich sehe immer wieder die Bilder des Unfalls vor mir.“

„Willst du drüber reden?“

„Klar, schlafen kann ich ja eh nicht.“

Andy erzählte genau, wie sich der Unfall ereignet hatte. Danach redeten die zwei über Felix. Über drei Stunden erzählte And, was ihn so an Felix faszinierte.

„Ach weißt du, Felix hatte nie ein schönes Leben, und du kennst ja die Geschichte. Und endlich, nachdem er endlich glücklich war, wird er von diesem Arschloch von Autofahrer aus dem Leben gerissen. Das ist doch nicht fair, oder?“

„Nein, das ist es sicher nicht, aber ich weiß ganz genau, dass ihr wieder vereint sein werdet, wenn die Zeit reif ist.“

„Das hab ich schon mal gehört.“

„Dann muss ja was Wahres dran sein.“ Tobi lächelte And an. „Aber wer hat dir das noch erzählt? Von den Jungs war es keiner, das hätte ich mitbekommen.“

„Es war im Krankenhaus. Eine ganz seltsame Begegnung. Erst jetzt, als du das gesagt hast, ist es mir wieder eingefallen.“

Tobi sah etwas ängstlich zu Andy.

„Und was war es, das dir grade wieder eingefallen ist.“

Andy erzählte die seltsame Geschichte mit dem Menschen, der sich angeblich Tod nannte. Gespannt lauschte Tobi den Worten.

„... findest du das nicht auch sehr seltsam.“

„Doch, es ist seltsam. Aber ich hab schon so viel gesehen, dass mich nichts mehr überrascht.“

„Du solltest ihn doch eigentlich kennen. Immerhin behältst du alle Erinnerungen und vergisst nicht alles, so wie wir.“

„Da hast du natürlich recht ...“

„Also, gibt es den Tod, oder hab ich nur Hirngespinste?“

„Es gibt ihn, aber du hättest ihn gar nicht sehen dürfen.“

„Das meinte er auch. Ich finde das unheimlich.“

„Ich auch. Aber ist ja jetzt nicht weiter wichtig. Nur solltest du nicht jedem erzählen, was du gesehen hast. Sonst landest du noch in der Klapse.“

„Keine Angst. Aber was mich viel mehr interessiert; hatte er Recht damit, dass ich Felix bald wieder sehen werde?“

„Also, ich weiß es wirklich nicht, und wenn, dann dürfte ich es dir nicht sagen. Das würde die Zukunft viel zu stark beeinflussen. Es ist schon schlimm genug, dass du weißt, dass es den Tod wirklich gibt.“

„Ich würde jetzt gerne deine Gedanken lesen, so wie du das kannst. Aber nachdem das nichts wird, verzichte ich lieber, und werd mich wieder hinlegen und versuchen zu schlafen. Gute Nacht, Tobi.“

„Gute Nacht, Andy. Und gräm dich nicht zu sehr. Schon bald geht es dir wieder besser und alles ist wieder in Ordnung.“

„Das hoffe ich, und danke.“

„Nicht nötig. Gern geschehen.“

Tobi ging aus dem Zimmer, schloss die Tür und Andy legte sich wieder hin. Er vermisste Felix, aber für den Moment versuchte er den Schmerz zu verdrängen, damit er etwas Schlaf finden konnte.

„The heart is slow to learn

The heart is slow to learn

These feelings that I feel

Are foolish but the're real

I'm wise enough to see

This love that can never be

And each da's like the last

When living in the past

I know it's mad

And ou won't return

But then as I have said

The heart is slow to learn

I'll never love as I have loved ou

Wh I life cruel, I wish I knew

Sa what ou will, it doesn't matter

Until I die, there's onl ou

Until I die, there's onl ou

The heart is slow to learn

The heart is slow to learn

I wish I'd find a wa

To shut out esterda

Perhaps if I just thought

Of all the times we've fought

I tried all that, but no

There's still no letting go

I know it's mad

And ou won't return

But then as I have said

The heart is slow to learn

Wh is life cruel, I wish I knew

Sa what ou will, it doesn't matter

Until I die, there's onl ou

Until i die, there's onl ou

The heart is slow to learn“

(„The Heart Is Slow To Learn“, von Andrew Llod Webber; Lrics: Don Black)

46. BUCH – Goodbye, M Love

Oder ... Wie man sich verabschiedet

„Andy, willst du das wirklich tun? Glaubst du, dass du das schaffst?“

„He, es ist seine Beerdigung. Das bin ich ihm schuldig. Ich weiß, dass er uns sehen kann. Werdet ihr mitmachen?“

„Ich bin dabei.“

„Ich auch.“

„Klar.“

„Auf uns kannst du dich verlassen.“

„Danke Jungs, ihr seid echte Freunde. Ihr habt euch die letzten Tage so um mich gekümmert, ohne auch nur einmal zu meckern. Ich wollte einfach nur danke sagen. Lasst euch drücken.“

„So, aber jetzt genug der rührseligen Momente, wir sollten langsam rein gehen. Ich denke der Pfarrer wartet nicht auf uns.“

Nach dieser etwas abrupten Unterbrechung von Tobi gingen die fünf in die Kirche und nahmen in der ersten Reihe Platz. Der Pfarrer begrüßte die Gemeinde. Er nannte sie Gemeinde, obwohl die Kirche gerade mal zu etwa einem Drittel gefüllt war. Es waren nicht viele Leute anwesend. Nur die fünf Freunde, ihre Eltern, Dirk und Toni mit ihren Eltern und noch ein paar Jungs und Mädchen aus dem Jungendzentrum. Mehr waren nicht gekommen. Während der Pfarrer einige Worte an die Hinterbliebenen richtete und aus seinem Evangelium irgendwelche unpassenden Worte zitierte, sah sich Andy in der Kirche um. Klein, das war das Erste, das ihm in den Sinn kam. Klein, und es war interessant, wie die verschiedenen Leute verhielten. Martin und Tom saßen nah dicht nebeneinander. Seine Mutter lauschte genau den Worten. Andys Vater nahm ständig seine Brille ab und begann sie unruhig zu putzen. Martins Mutter saß mit starrem Blick da und verfolgte jede Bewegung der Kerzen, die neben dem Altar brannten. Es war wirklich eine bunte Mischung an Verhaltensmustern, musste Andy sich eingestehen. Mit einem Ohr hörte er dem Pfarrer zu, aber kein Wort drang zu seinen Ohren durch. Die tröstenden Worte, die er aussprach, klangen alle so hohl. Sie waren bedeutungslos, denn kein Wort konnte den Schmerz, den er fühlte, stillen, konnte die Wunde, die er erhalten hatte, als ihm sein Herz herausgerissen wurde, wieder heilen. Niemals. Die Worte des Pfarrers endeten. Andy, Martin, Tom, Tobi, Flo und Toni standen auf und hoben den Sarg von der Aufbahrung. Langsam begaben sie sich zum Ausgang, ihnen vorweg ging der Pfarrer mit seinen Ministranten, und hinter ihnen folgten die anderen Trauergäste. Draußen klang leise Musik aus den Lautsprechern.

„There's a da of hope, ma I live to see

When our hearts are happ, and our souls are free

Let the new da dawn, oh Lord, I pra

We'll never get to heaven till we reach that da

It's a da of peace, a da of pride

A da of justice, we have been denied

When a man dan live, and a child can pla

We never get to heaven till we reach that da“

(„Till we reach that da“, aus dem Musical Ragtime; Texte: Lnn Ahrens)

Der Sarg wurde auf zwei Latten, die über dem Grab lagen, abgestellt. Der Pfarrer sprach noch einige letzte Worte.

„Und nun will Andreas Krüger noch einige letzte Worte an die Trauergemeinde richten.“

Langsam ging Andy zu dem Mikrofon und begann zögernd zu reden.

„Mein geliebter Felix, du bist nicht mehr hier, und ich vermisse dich unendlich. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, als wir uns das erste Mal trafen. Wie du auf den Stufen vor dem Jungendzentrum gesessen bist. Oder an den Abend, als du das ganze Badezimmer mit Rosen und Duftkerzen geschmückt hattest. Wie du das Badewasser eingelassen hast mit meinem Lieblingsduft. Oder meinen Geburtstag, an dem du mir die Karten für das Konzert geschenkt hast und mich anschließend zu diesem kleinen Italiener eingeladen hast. Wenn ich daran denke, könnte ich vor Glück schreien. Jeden Tag warte ich darauf, dass du durch die Tür kommst, um mich mal wieder mit einem deiner vielen Einfälle zu überraschen. Aber die Tür bleibt zu. So sehr ich sie auch anstarre und hoffe, dass du erscheinst, sie geht nie wieder auf. Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder so lachen kann, wie wenn du in meiner Nähe warst. Ich denke nicht, aber ich werde mein Bestes versuchen. Da fällt mir ein, heute genau vor einem Jahr, hast du mich gefragt, warum ich immer so strahle. Damals wusste ich es nicht. Heute ist es mir klar. Ich habe so gestrahlt, weil du in meiner Nähe warst. Vor kurzem hast du gemeint, dass du so glücklich wärst, weil du solche Freunde wie uns gefunden hast, aber wir waren es, weil wir dich kennen lernen durften.“

Tränen liefen Andys Wangen hinunter. Seine Stimme versagte für einen kurzen Moment. Nachdem er einmal kräftig geschluckt hatte, setzte er seine kleine Rede fort.

„Jetzt gibt es nur noch eines, das ich dir sagen will. Ich werde dich immer lieben, was auch passieren mag. Und jetzt bitte ich Martin, Flo, Tom und Tobi zu mir, um dir ein letztes Mal Danke zu sagen ...“

Die vier Erwähnten stellten sich hinter And und leise Musik begann aus den Lautsprechern zu erklingen. Sanft erhob sich Andys Stimme über den dezenten Klang.

„There's an angel in us all

A little voice inside that answers ever call

There's a joous sound resounding in our heart

A ra of hope that shines as bright as an star

Remember...

For each and ever bell that rings

Another angel gets his wings

So show ou care and share our light

And help an angel fl tonight

An act of kindness, a tender smile

These little blessings seem to make it all worth while

So tr and do what's ringing true inside our heart

Remember...

For each and ever bell that rings

Another angel gets his wings

So show ou care and share our light

And help an angel fl tonight

(Another angel) Everbod sing

(Another angel) It's a wonderful life

For each and ever bell that rings

Another angel gets his wings

Sa ou believe in what ou are

Share the love that's ringing true inside our heart

Remember...

For each and ever bell that rings

Another angel gets his wings

So show ou care and share our light

And help an angel fl tonight

(Another angel) Everbod sing

(Another angel) It's a wonderful life

For each and ever bell that rings

Another angel gets his wings

(Another angel) Everbod sing

(Another angel) It's a wonderful life

(Another angel)

(Another angel) It's a wonderful life

(Another angel)

(Another angel)“

(„Another angel gets its wings“ von V. Gill und T. Yearwood; Lrics: Robert Irving)

Als die letzten Klänge verhallten, ertönte das dumpfe Dröhnen von Glocken. Danach zog alles wie ein schnell vorspulender Film an Andy vorbei. Der Sarg wurde in das Grab gelassen. Die Gäste warfen ihre Blumen und etwas Erde auf den Sarg und spritzten etwas Weihwasser in das Grab. Auch Andy ließ seine Blumen auf den Sarg gleiten. Die anderen Gäste zogen sich nach und nach zurück. Nur Andy blieb vor dem offenen Grab stehen und starrte hinein ...

47. KAPITEL – Eine Person Zu Viel

Oder ... Wer verschwindet jetzt, du oder ich

„Verschwinden Sie sofort aus meinem Haus. Ich verbitte mir, dass Sie meinem Sohn auch nur ein einziges Mal mehr in ihrem Leben näher als 5 Meter kommen. Zur Not werde ich das sogar durch eine gerichtliche Verfügung erwirken. Und jetzt verlassen Sie dieses Haus. Sie sind hier nicht willkommen.“

Die ältere Dame, die gerade so freundlich den jungen Mann aus dem Haus befördert hatte, wandte sich an ihren Sohn. Aber vorher flüsterte Mark Carsten noch in sein Ohr, er solle draußen warten. Mit der Frau war ein freundlich wirkender Mann mittleren Alters hereingekommen.

Was war geschehen. Mark und Carsten hatten sich gerade gefunden und waren dabei den gegnerischen Mundraum zu erforschen, als Marks Eltern nach Hause kamen. Marks Vater, der zuerst das Haus betrat, stutzte kurz, lächelte dann aber seinen Sohn an. Dicht gefolgt kam Marks Mutter herein. Sah, was gerade vor sich ging und beförderte als Erstes Carsten vor die Tür.

„Und du? Was denkst du dir eigentlich? Du hast sie ja wohl nicht alle. Ich wusste ja schon immer, dass du nicht ganz normal tickst, aber das schießt jetzt den Vogel ab. Schleppst hier einen Kerl an, und dann knutschst du auch noch mit ihm rum. Ich kann bloß für dich hoffen, dass du das nicht auch schon in der Öffentlichkeit gemacht hast.

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht ...?“

„Du wagst es mir zu widersprechen?“

„Ja.“ Marks Antwort kam so trocken wie ein Fallwind aus der Sahara. Er brachte seine Mutter für einen kurzen Moment aus der Fassung. Leider hielt die Verblüffung nur einen kurzen Moment an, schon war seine Mutter wieder in eine Redeattacke übergelaufen.

„So nicht, du nichtsnutziges Balg. Ich glaube du vergisst, mit wem du redest.“

„Das sehe ich völlig anders. Ich weiß genau, mit wem ich rede. Aber du scheinst vergessen zu haben, mit wem du redest.“

„Was bildest du dir eigentlich ein? Ist das dein Dank dafür, dass ich dich jahrelang groß gezogen hatte?“

„Pah, du und mich groß gezogen. Dass ich nicht lache. Ich wüsste nicht, dass du jemals mit mir gespielt hättest, oder dich sonst um mich gekümmert hättest. Das Einzige, was dir wichtig war, waren deine Treffen mit diesen anderen Tussen. Das war das Einzige, was dich interessiert hat, und natürlich auch, dass dein kleiner niedlicher Sohn immer den Strahlemann abgab, damit du bei deinen Freundinnen angeben konntest. Aber das läuft nicht mehr.“

„Was fällt dir ein. Ich wollte nur immer dein Bestes.“

„Mein Bestes? Siehst du nicht, wie lächerlich du dich machst. Eine aufgeblasene Frau bist du. Und das Einzige, was du jemals wolltest, war das Geld von mir. Nun schau nicht so schockiert. Dich hat nur immer das Geld interessiert, das Tante Erna damals mir vererbt hat, und nicht dir. Das war das Einzige, was dich an mir interessiert hat. Aber dem wird heute ein Ende gemacht. Verschwinde aus meinem Haus und lass dich hier nie wieder blicken.“

„Thomas, willst du diese Frechheiten nicht endlich unterbinden, und deinem Sohn gehorchen zu lernen.“

Marks Vater war bis jetzt still nebenbei gestanden und hatte sich die Szene genüsslich angeschaut, diese Genugtuung wollte er seinem Sohn nicht nehmen.

„Nein. Ich wüsste nicht wieso. Alles, was er gesagt hat, war die Wahrheit. Du nimmst besser dein kleines Handtäschchen und machst auf deinen kleinen Schühchen kehrt und siehst zu, dass du so schnell wie möglich dieses Grundstück verlässt. Schließlich hat dir gerade der Besitzer, unser Sohn, Hausverbot erteilt. Und jetzt, verpiss dich!“

Marks Mutter konnte nur noch den offenen Mund bewegen wie ein Karpfen. Ihr Kopf wurde hoch-rot, als sie sich umdrehte und das Haus verließ. Es war vorbei. Mark trat durch die offene Tür und holte Carsten wieder herein.

„Es tut mir leid, dass du das miterleben musstest, aber jetzt ist es vorbei. Darf ich dir meinen Vater vorstellen. Paps, das ist Carsten, mein Freund.“

„Grüß Gott, Herr von Steinsaal. Es tut mir Leid, dass so etwas wegen mit passiert, das wollte ich nicht.“

„Erstens, ich freue mich, dich kennen zu lernen, zweitens, braucht es dir nicht leidtun, das war schon längst überfällig, und drittens, nenn mich bitte Thomas. Sonst komm ich mir noch älter vor als ich bin.“ Marks Vater reichte Carsten die Hand und bat dann die beiden Jungs ins Wohnzimmer.

„Paps?“

„Ja, mein Sohn?“

„Bist du jetzt nicht böse?“

„Warum?“

„Na, weil ich schwul bin ...?!?“

„Würde ich wohl deinen Freund hier ins Haus bitten, wenn ich sauer wäre. Nein, wirklich nicht. Gut, ich gebe zu, dass ich mir Enkelkinder gewünscht habe, aber auf die kann ich gut verzichten. Hauptsache du bist glücklich. Und ich habe dich seit Jahren nicht mehr so strahlen sehen.“

„Also ist es ok?“

„Selbstverständlich.

Mark strahlte. Aber eine Frage brannte ihm dann doch noch auf den Lippen.

„Warum hast du eigentlich nicht sofort etwas zu Mutter gesagt?“

„Also, erstens hätte ich schon rechtzeitig eingegriffen, aber nachdem ich sah, dass du ihr gehörig die Meinung geigst, da wollte ich dir nicht dazwischen funken. Und jetzt lass dich endlich drücken.“

Vater und Sohn umarmten sich, während Carsten daneben saß wie bestellt und nicht abgeholt.

„Oh, entschuldige Carsten. Du wunderst dich bestimmt, warum ich so gelassen auf die Trennung mit meiner Frau reagiere. Aber unsere Ehe war schon seit Jahren im Eimer. Das Einzige, was sie noch interessierte, waren ihre Partys und das Geld. Wie ich diese Frau verachte, aber jetzt erzählt doch mal, wie ihr beide euch gefunden habt.“

Und so erzählten die beiden ihre Geschichte, natürlich in Eltern kompatibler Form, und änderten die Duschszene etwas ab. Nachdem sie sich noch etwas unterhalten hatten, schickte Thomas die beiden Jungs auf Marks Zimmer. „Und jetzt zischt ab, aber seid nicht zu laut, bei was auch immer ihr macht ...“

48. KAPITEL – Alles Und Nichts

Oder... Was man eigentlich nicht sagen darf

„Andy komm, wir sollten jetzt wirklich gehen.“

„Lass mich in Ruhe! Ich will nicht gehen.“ Andys Laune war nicht gut, und somit war er auch nicht fair und maulte Tobi an.

„Du stehst hier schon zwei Stunden und schaust in das offene Grab. Die Leute vom Grabdienst müssen ihre Arbeit verrichten. Hier kannst du nichts mehr tun.“

„Was weißt du schon, was ich tun kann? Ich bin doch nur immer nach deiner Nase getanzt, und jetzt soll ich das schon wieder!“

„Andy!!! Jetzt mach aber mal einen Punkt. Was ist wirklich los. Ich weiß, dass du traurig bist, und auch wütend. Ich bin es auch. Vermutlich nicht so wie du, aber doch auch. Aber wenn du jetzt hier stundenlang weiter am Grab stehst, davon wir Felix auch nicht wieder lebendig. Damit nicht.“

„Was willst du damit sagen?“

„Nichts.“ Tobis biss sich auf die Zunge. Er hatte mehr gesagt, als er hätte sollen.

„Verarsch mich nicht!!! Entweder du sagst mir jetzt, was dieses ganze geheimnisvolle Gebrabbel soll, oder ich werde dich persönlich auch in so eine Kiste verfrachten!“ Andy redete nicht mehr mit Tobi, er schrie ihn an.

„Ich kann nicht.“

„Klar kannst du!!!“

„Hör endlich auf zu schreien. Ich darf nicht. So sehr ich auch wollte, es ist nicht möglich.“

„Ich hasse dieses Gelaber. Was soll das?“

„Das weiß du genau. Wir würden die Zukunft beeinflussen, viel mehr würde ich die Zukunft beeinflussen. Du weißt genau, dass sich jedes Wort über die Zukunft auswirken kann, auf das was passieren soll.“

„Achso, naja, dann ist es doch eh schon Scheiß egal. Das ist doch schön längst passiert, als ich den Tod gesehen hab. Den ich überhaupt nicht sehen hätte dürfen.“

„Gott, manchmal hasse ich meinen Job. Jedes Mal ist es das gleiche mit dir. Könntest du nicht mal einen anderen Charakter bekommen.“ Tobi hatte mehr zu sich gesprochen als zu Andy. Dieser sah ihn jetzt schmunzelnd an.

„Bin ich wirklich so schlimm?“

„Nein. Schlimmer. Also komm mit zu mir, dann reden wir.“ Tobi lächelte Andy an.

Tobi fuhr zu seiner Wohnung. Auf dem Beifahrersitz saß Andy. Die ganze Zeit starrte er zum Fenster raus und machte sich Gedanken, was ihm Tobi wohl erzählen würde. Am Anfang der Fahrt hatte er noch ein paar Mal versucht Tobi darauf anzusprechen, aber immer blockte dieser ab – also hieß es warten. Verschiedene Gedanken, vor allem sehr verwirrende Gedanken schossen And durch den Kopf. Was wollte ihm Tobi damit sagen, dass Felix davon nicht wieder lebendig wurde? Was könnte es bloß sein? Die Bäume waren in dieser Allee sehr schön gepflanzt worden, wirklich sehr schön. Fast schon zu gerade um noch natürlich zu wirken. Wenn ihm schon kein vernünftiger Einfall kommen wollte, dann wollte er sich wenigstens ablenken. Aber die alten Birken lenkten ihn nicht wirklich ab. Immer wieder schweiften seine Gedanken ab, zu dem, was er gleich erfahren würde.

Tobi war in Gedanken auch nicht beim Autofahren. Er dachte darüber nach, wie er Andy wohl am besten sagen konnte, was er ihm sagen musste. Und wie könnte er es schaffen viel genug zu sagen, damit Andy zufrieden war, aber nicht zu viel, damit nicht die Zukunft zu sehr beeinflusst wurde. Auch in den vergangenen Zeitaltern hatte er immer versucht, diesen schwierigen Seilakt zu schaffen. Bis jetzt war es ihm jedes Mal geglückt, naja, mehr oder weniger ... Durch sein voreiliges Gerede hatte er beinahe die Französische Revolution zum Scheitern gebracht ... Naja, das war ein einmaliger Fehler, den er nie wieder begehen würde. Aber wie sollte er es diesmal angehen. Jedes Mal wenn es zu dieser Situation kam, wurde Andy ungehaltener. Anfangs war er nur sehr neugierig, aber mittlerweile, und er durchlebte diese Szene schon zum 50sten Mal, war And richtig launisch und fast schon bösartig. Das war auch einer der Gründe, warum er so schnell nachgegeben hatte. Er konnte schon den dunklen Schatten sehen, der sie von weit weg beobachtete. Er musste also handeln. Daher packte er Andy in sein Auto. Das würde ihm wenigstens ein bisschen Zeit zum Nachdenken geben, und zudem war diese Unterhaltung keines Wegs für Außenstehende geeignet. Immerhin ging es hier um etwas seltsames ...

Mit diesen und anderen Gedanken kamen sie schließlich zu Tobis Wohnung. Er schloss auf und sie gingen hinein. Nachdem sie beide etwas zu trinken hatten, setzte sich Tobi auf einen Sessel, der dicht bei And stand.

„Also, was willst du wissen?“

To be continued ...

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