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Vorwort

So, das ist der erste Versuch von mir, eine Kurzgeschichte zu schreiben. Bevor ihr jetzt das Lesen anfangt, kommt erst noch der übliche Disclaimer: Diese Geschichte ist völlig frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen wäre unbeabsichtigt und rein zufällig. Falls in dieser Geschichte irgendwelche Firmen- oder Markennamen auftauchen ist dies nicht als Werbung gedacht.

Auch diese Geschichte unterliegt meinem Copyright, ist für Nick's Stories geschrieben und darf ohne meine ausdrückliche Genehmigung nicht anderweitig verbreitet werden. Für jegliche Meinungen bin ich immer offen und freue mich sogar sehr darüber. So das war's von meiner Seite und nun viel Spaß beim Lesen.

Euer Sammy

Diese Geschichte ist für Flo. Pass auf Dich auf ... Irgendwann werden wir uns wiedersehen, ja irgendwann ...

 

»Come with me
Where chains will never bind you
All your grief
At last, at last behind you
Lord in Heaven
Look down on him in mercy
Forgive me all my trespasses
And take me to your glory
Take my hand
And lead me to salvation
Take my love
For love is everlasting
And remember
The truth that once was spoken
To love another person
Is to see the face of God …«

(Aus dem Musical »Les Miserables« von Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg, der englische Text stammt von Herbert Kretzmer.)

»Tupfer, schnell .... Sauerstoff und legen sie mir einen Zugang ... So, das war's, ab in den OP, wie müssen ...«

Dann wusste ich nichts mehr. Alles war dunkel ... nichts ... gar nichts ... Wo war ich? ... Was ist los? ... Was geschieht da mit mir? ... War das alles nur ein Traum? ...

Als ich später wieder zu mir kam, war alles weiß. Ich weiß nicht mehr genau wie lange ich da gelegen hatte, als irgendwo eine Tür aufging. Ich konnte nicht sagen woher das Knarren der Tür kam, denn jede Bewegung tat mir weh. Mein Kopf fühlte sich an, als wäre gerade ein ICE darüber gerauscht. Mein rechter Arm und Fuß taten mit weh. Und mein Magen fühlte sich an, als ob ihn gerade jemand wie einen Teig durchgeknetet hatte. Ich hörte wie eine mir bekannte Stimme redete. Ich konnte nichts davon verstehen, denn der ICE meldete sich noch einmal mit lautem Hupen. Die zwei Personen, die gerade noch neben mir standen, gingen wieder, löschten das Licht und schlossen die Tür. Ich wollte etwas sagen, denn so brauchen sie die Tür auch nicht zuknallen, aber ich war zu schwach dazu. Ich schloss meine Augen und dann war wieder nichts ... nur diese Stille ... und Dunkelheit ... Noch einmal kam ich zu mir, aber da war nur ein gleichmäßiges Piepen sonst nichts ... Ich schlief wieder ein ...

Irgendwann wurde ich geweckt. »Guten Morgen, haben sie gut geschlafen?«

»Ja, was ist denn los, mir tut alles weh.«

Wer hatte mich da angesprochen, wo war ich? Was ist passiert? Oder hatte ich nur einen schlechten Traum?

»Sie sind im St. Thomas Krankenhaus, ich bin Schwester Michaela. Sie hatten einen Unfall.«

Jetzt konnte ich mich wieder erinnern. Ich war mit meinen Skates unterwegs, als ich plötzlich einen heftigen Schmerz im Bauch fühlte, ich muss dann wohl kurz abwesend gewesen sein, denn die Schwester erzählte mir, dass ich in ein Auto gefahren bin. Mittlerweile war auch ein Arzt hinzugekommen und versuchte mir alles zu erklären.

»Schon gut, aber könnten sie etwas leiser reden, mir tut mein Kopf ziemlich weh.«

»Das glaube ich ihnen sofort. Sie haben eine starke Gehirnerschütterung, ihr rechter Arm und Fuß ist angebrochen, sie haben zahlreiche Schürfwunden und Schnittverletzungen und wir haben ihren Blinddarm entfernt. Aber sie hatten Glück, ihnen ist nicht viel passiert, mit dem Auto sieht es da schon ganz anders aus. Übrigens müssen sie etwa vier Wochen hier bleiben. Ich bin Dr. Weinmann.«

Na das sind ja rosige Aussichten, erst macht meine Freundin mit mir Schluss, dann fällt der geplante Urlaub ins Wasser und jetzt auch noch bei diesem herrlichen Wetter im Krankenhaus liegen.

»Der Liegegips kommt in zwei Wochen ab und dann bekommen sie einen Gehgips und dann sehen wir weiter.«

Was nützte es schon mich aufzuregen, ich hatte ja keine andere Wahl und fliehen konnte ich auch nicht, zumindest nicht ohne fremde Hilfe.

»Sie bekommen später etwas zu Essen, jetzt müssen wir erst noch ein paar Untersuchungen machen und dazu müssen sie nüchtern sein. Sebastian wird gleich kommen und sie zum Behandlungsraum bringen.« Und schon war er weg.

Na toll, irgendein dummer Pfleger wird mich jetzt dorthin schieben und dann werde ich etliche Untersuchungen über mich ergehen lassen müssen. Es klopfte an meine Zimmertür.

»Herein.«

»Guten Morgen. Ich bin der Sebastian, aber du kannst Basti sagen. Was hast du denn angestellt, siehst ja gar nicht gut aus.«

Ich erzählte Basti also, dass ich Marc bin und was passiert war, während er mich zum Lift schob. Irgendwie erzählte ich mehr, als ich eigentlich wollte, denn ich kannte ihn ja erst ein paar Minuten und sonst erzähle ich solche Dinge nicht jedem, aber er war irgendwie anders. Ich erzählte ihm von meiner Freundin, wie wir noch glücklich waren, aber auch wie wir uns getrennt hatten. Eigentlich hatte sich ja sie von mir getrennt, da sie diesen tollen Typen kennen gelernt hatte. Toller Typ? Besser gesagt, er sah aus wie ein einziger Riesenmuskel, aufgepumpt bis zum Gehtnichtmehr, und dann dieser Name - Benedikt - wenn ich den nur höre bekomme ich das Ko... Dieser Affe meinte er wäre etwas ganz tolles. Am Tag nachdem Lisa (meine Freundin, halt, Exfreundin) mit mir Schluss gemacht hatte, kam er in der Schule zu mir und meinte:

»Endlich hat sie einen richtigen Kerl, nicht so einen Waschlappen wie dich. Sie ist so geil, sie kann gar nicht genug von mir bekommen.«

»Ich war dann kurz davor ihm eine reinzuhauen, konnte mich aber dann gerade noch beherrschen, denn sonst wäre ich wohl schon eher hier im Krankenhaus gewesen. Also drehte ich mich einfach um und ging. Seine Worte hatten mir weh getan, ich wusste nicht warum, aber er hatte ja recht, ich war ja nicht das was man einen Traum von Mann nennt. Ich bin nur 1.72 m groß, habe auch keine allzu reine Haut. Meine Nase ist meines Erachtens zu groß und meine Haare haben keinen Glanz und sind total spröde. Auch sonst hat es Gott nicht gut mit mir gemeint, ich habe ein Hohlkreuz, und dadurch, zumindest optisch, einen Bauchansatz. Naja, ich bin halt nicht Adonis.«

»Also, komm, mach dich nicht schlechter als du bist, du scheinst ein netter Kerl zu sein und auch sonst. Du siehst nett aus.« Dabei grinste er mich an.

»Danke.«

Da waren wir auch schon vor dem Zimmer und Basti schob mich hinein. Er wollte gerade wieder gehen, als Dr. Weinmann nach Basti rief. Er sprach kurz mit ihm, leider konnte ich nichts verstehen, denn ich bin von Natur aus neugierig, und dann war Basti auch schon verschwunden.

Nach einer Stunde waren dann auch alle Untersuchungen abgeschlossen und Basti kam wieder rein, um mich abzuholen und auf mein Zimmer zu schieben.

»Freu dich, ich werde die nächsten Wochen dein persönlicher Pfleger sein.«

»Aha, du siehst so jung aus, bist du denn überhaupt Pfleger.«

»Nein, ich leiste hier gerade meinen Zivildienst, aber ich weiß, was ich tun muss. Mein Vater ist Arzt.«

»Naja, dann hoffe ich mal, dass du mich nicht umbringst.«

»Keine Angst, bis jetzt hat noch jeder meine Behandlung überlebt.« Dabei setzte er wieder eines von diesen undurchschaubaren Lächeln auf.

»Das kann ja heiter werden, so viele Schwestern hier und ich bekomme einen Zivi, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat.«

»So ganz stimmt das nicht, aber das ist jetzt nicht so wichtig, hast du Hunger?« Wieder eines von diesen Grinsen.

Mittlerweile waren wir wieder in meinem Zimmer angekommen. Gott sei Dank hatte ich ein Einzelzimmer, das Gequengel von anderen Patienten wäre mir gehörig auf den Geist gegangen. Es hat schon seine Vorteile, wenn man privat versichert ist. Und das mit dem Hunger, ich hatte Kohldampf, denn ich hatte seit über 24 Stunden nichts mehr gegessen. Basti verschwand kurz und kam dann mit einem riesigen Tablett an. Da war alles drauf, wovon man nur träumen konnte. Müsli, Wurst, Nutella, Orangensaft und mein heißgeliebter Kaffee.

»So, ich wusste nicht genau, was du alles magst, also habe ich die Küche geplündert und von allem etwas mitgebracht.«

»Danke, aber seit wann gibt es denn im Krankenhaus so eine große Auswahl?«

»Also erstens bist du ja Privatpatient und zweitens ist mein Vater wie schon gesagt Arzt und arbeitet hier, also habe ich ein paar Sonderrechte. Nicht, dass ich weniger Arbeiten müsste, aber ich werde viel freundlicher behandelt, als die anderen Zivis, und so Sachen halt.«

»Naja, da hat es ja doch etwas Gutes, wenn du mich betreust.«

»Hab ich doch gesagt.«

Ich nahm jetzt erst mal einen großen Schluck Kaffee, den Basti gemacht hatte, denn er hasst, wie ich, nichts mehr als schlechten Kaffee und musste den Schwestern erst einmal erklären, wie guter Kaffe gemacht wird. Basti schmierte mir Brötchen und ich aß gemütlich mein langersehntes Frühstück.

»So Basti, nachdem du jetzt schon einiges über mich erfahren hast, will ich aber auch was von dir wissen.«

»Was willst du denn wissen.«

»Eigentlich alles, aber fangen wir mal damit an, hast du eine Freundin?«

»Äh, mhh, wieso?«, druckste er herum.

»Weil du schon erfahren hast, dass meine Freundin gerade mit mir Schluss gemacht hat und da ist es doch nur fair, wenn ich das auch von dir weiß, oder?«

»Nee, ich hab keine, aber eigentlich will ich ja auch keine ... Zumindest im Moment nicht.«

Das Zögern vor dem letzten Satz machte mich stutzig, aber ich wollte nicht genauer darauf eingehen und eigentlich interessierte es mich auch nicht besonders. Wir redeten noch ein bisschen über dieses und jenes, und dann wurde ich müde. Nachdem Basti ging, drehte ich mich auf die linke Seite und schlief etwas. Ich träumte von meinem verpatzen Urlaub. Ich war gerade an einem Strand. Die Sonne ging gerade unter und, was mich erschrecken ließ, war, dass Basti nackt neben mir lief. Es war komisch, was sollte er in meinem Traum. Ich kannte ihn doch kaum und außerdem stand ich doch auf Mädchen, aber sein Anblick erregte mich doch etwas.

Als ich wieder aufwachte, saß Basti auf einem Stuhl, der neben meinem Bett stand. Ich freute mich richtig ihn zu sehen. Schon wieder dieses komische Gefühl, was war nur los mit mir. Aber zu weiteren Gedanken kam ich nicht denn er riss mich abrupt aus meinen Gedanken.

»Hunger, willst du etwas essen?«

»Gerne.«

Er ging los und kam mit etwas Undefinierbarem zurück, das aber gar nicht so schlecht war. Weiter passierte an diesem Abend nichts. Am nächsten Morgen sollte ich gewaschen werden, was mir natürlich nicht so ganz passte, denn zu so früher Stunde hatte ich immer ein gewisses Problem in Höhe der Hüften. Ich wollte mich wehren, aber da kam auch schon die Schwester und wollte mir die Decke wegziehen. Nachdem ich das mit einem schnellen Griff der gesunden Hand noch verhindern konnte, kam Basti in das Zimmer und fragt, was sie denn da machte?

»Ich soll den Patienten waschen.«

»Nein, das mache ich, ich soll mich um ihn kümmern, da gehört das auch dazu.«

»Aber ...«

»Nichts aber, oder soll ich erst zu Papa gehen und mich beschweren, dass du mich meinen Dienst nicht machen lässt?«

»Schon gut, ich gehe ja schon ...«

»Gut, also was ist, du bist ja immer noch da.«

»Schon weg und sei brav.« Dabei grinste sie ihn ganz frech an.

»Endlich ist meine nervige Schwester weg.«

»Scheint hier wohl ein Familienbetrieb zu sein?«

»Nicht ganz, meine Mutter arbeitet in einer Augenarztklinik.«

»Gut, aber das mit dem Waschen, muss das sein?«

»Sicher, was denkst du denn?«

»Naja, ich hab da ein Problem«, brachte ich ganz verlegen hervor.

»Wenn du das meinst, was ich denke, das habe ich auch, also es gibt nichts was ich nicht darüber wüsste, also zier dich nicht so.«

»Was meinst du denn?« fragte ich ihn ganz unschuldig.

»Ich würde sagen, du hast eine Morgenlatte und du hast Angst, dass ich darauf komisch reagiere. Aber sei doch ehrlich, wir sind alle jung und da spielen die Hormone etwas verrückt.«

Ich glaube ich bin rot angelaufen wie eine Tomate, denn ich hatte zwar schon etwas Erfahrung mit Mädchen, aber es ging nie bis zum Äußersten und ich hatte auch irgendwie noch nie so offen mit jemandem darüber geredet. In diese Hinsicht war ich etwas altmodisch.

Noch ehe ich reagieren konnte, hatte Basti die Bettdecke zurückgeschlagen, und mein Krankenhemd, eines, bei denen einen immer der Hintern friert, ausgezogen.

»So, ab ins Bad.«

Gesagt getan, kurze Zeit später war ich im Bad und er zog meine Boxershorts herunter. Das Problem hatte sich mittlerweile zum Glück etwas gelegt und ich verspürte einen unangenehmen Druck auf der Blase. Nachdem auch dieses Problem behoben war, begann Basti mir den Rücken zu waschen. Es war ein tolles Gefühl, endlich wieder, nach fast 50 Stunden, Wasser auf dem Körper zu spüren. Eins jedoch bereitete mir Kopfschmerzen, als mir Basti den Rücken wusch, kam diese unpassende Blutstauung wieder zurück. Ich verstand die Welt nicht mehr. Was war nur los mit mir, ein fremder Junge fasste mich an und ich wurde steif, das kann doch gar nicht sein. Ich griff mir ein Handtuch und versuchte möglichst unauffällig das Offensichtliche zu verbergen, aber Basti hatte es schon längst bemerkt, denn ich konnte ein fieses Grinsen auf seinen Lippen sehen. Gott sei Dank sagte er nichts, denn mir war das so peinlich. Was würde er nur von mir denken. Bestimmt etwas in der Richtung 'Oh Gott, ich muss eine Schwuchtel waschen', die ich zwar nicht war, aber er hätte bestimmt so etwas gedacht. Aber er schwieg und darüber war ich sehr froh, denn ich hätte nicht gewusst, was ich ihm in diesem Moment antworten hätte sollen.

Die nächsten drei Wochen passierte nichts ungewöhnliches, jeden Tag schlafen, essen, waschen, ein paar Freunde die mich besuchen kamen, usw. Nach 22 Tagen sagte mein Arzt, dass ich jetzt heim könnte und mir noch am selben Tag der Gips abgenommen wird und mein Arm einen Verband kriegen würde. Einerseits freute ich mich, dass ich endlich wieder nach Hause und in meinem eigenen Bett schlafen konnte, andererseits waren meine Eltern für zwei Monate verreist und würden noch über einen weg sein. Als ich mich gerade damit beschäftigte, wie ich die ganze Sache lösen würde, kam Basti und wollte sich von mir verabschieden.

»Hast du schon gepackt, oder brauchst du Hilfe?«

»Nein, aber ich glaube ich schaffe das alleine, aber wenn du Lust hast kannst du mir gerne etwas Gesellschaft leisten.«

»Klar, mach ich.« Seine Augen funkelten. »Ach, bevor du gehst will ich dir noch etwas sagen, was ich bis jetzt nicht konnte.«

»Schieß los.«

»Also, Marc, ich weiß nicht wie ich anfangen sollte.«

»Das ist aber Schade, dann wirst du wohl ...«

Aber er ließ mich nicht ausreden. Was er zu sagen hatte schien ihm sehr wichtig zu sein, aber auch schwer zu fallen und so beschloss ich erst mal zu schweigen. Er setzte sich auf das Bett neben mich.

»So, wenn du jetzt die Klappe hältst, dann würde ich es gerne sagen und das werde ich bloß einmal tun, also red mir nicht dazwischen.«

Er hatte so einen ernsten Tonfall, die ganze Fröhlichkeit, mit der er mich die letzten Wochen aufgebaut hatte, schien plötzlich verschwunden zu sein.

»So schwer ist es mir noch nie gefallen, das zu sagen, und ich will dich nicht verlieren, denn ich glaube wir sind in den letzten Wochen so etwas wie Freunde geworden. Aber ich muss es dir sagen, denn man sollte immer ehrlich sein, und ich war es nicht ganz. Als du mich damals gefragt hast, ob ich eine Freundin habe, da habe ich geantwortet, nicht im Moment, aber das war nur zu Teil richtig, denn eigentlich will ich auch keine.«

Er schwieg, also nutzte ich die Gelegenheit auch etwas zu sagen.

»Also bist du Schwul?!?«

»Ja.«

»Warum druckst du damit eigentlich so rum, glaubst du, bloß weil du auf Jungs stehst, dass ich nicht mehr mit dir befreundet sein will?«

»Nein, so schätzte ich dich eigentlich nicht ein, aber ich muss noch etwas dazu sagen, ich habe mich in einen wirklich süßen Jungen verliebt.«

»Ist doch toll, wie heißt er denn?«

»Marc.«

»Und wie sieht er aus?« Ich saß mal wieder völlig auf der Leitung.

»Bist du so begriffsstutzig oder tust du bloß so? Ich hab mich in dich verliebt.«

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Einerseits fühlte ich mich geschmeichelt, dass sich jemand in mich verliebt hatte, andererseits war es neu, das von einem Jungen zu hören. Ich mochte Basti ja auch, aber ob ich ihn Lieben könnte, sicher da war irgendetwas, aber ich dachte das war nur der Hormonhaushalt, der da verrücktspielte. Basti musste bemerkt haben, dass ich über etwas nachdachte.

»Was ist los? Wenn ich dich damit vor den Kopf gestoßen habe, dann tut es mir leid, aber ich wollte einfach ehrlich sein.«

Ich versuchte das ganze Chaos in meinem Kopf, das zwar jeder kennt, das man aber nicht in Worte fassen kann, zu sortieren und ihm zu antworten.

»Also Basti, ich finde dich sehr nett, du bist ein richtig guter Freund geworden und ich mag dich mehr als meine anderen Kumpels, aber ob ich dich liebe, kann ich dir nicht sagen, noch nicht. Ich muss mir erst über mich selbst klar werden. Bis jetzt hatte ich nur Freundinnen und ich habe auch noch nie über etwas anderes nachgedacht. Gib mir einfach noch ein bisschen Zeit, OK?«

»Ich gebe dir so viel Zeit wie du brauchst, aber bitte gib mir irgendwann eine Antwort, ich möchte nicht mein Leben lang nichts mehr von dir hören und immer in dieser Ungewissheit sein.«

»Sobald ich mir klar bin, gebe ich dir sicher eine Antwort, die bin ich dir auch schuldig, nachdem du so ehrlich warst. Aber wann weiß ich nicht.«

»Danke, könne wir uns bis du dich entschieden hast trotzdem sehen?«

»Ja, aber nur wenn du versprichst mich nicht zu bedrängen oder über mich herfällst.«

»Da kann ich dich beruhigen, soweit habe ich mich noch selbst unter Kontrolle.«

»Gut, dann lass uns mal fertig packen, ich will Heim.«

Wir packten noch schnell den Rest meiner Sachen zusammen, was ja nicht gerade viel war und dann fuhr mich Basti nach Hause. Wir verabschiedeten uns noch und ich ging ins Haus. Der Nachmittag wollte mir nicht aus dem Kopf gehen. Irgendwie versuchte ich mir klar zu werden, aber es war so schwer, ich kann es nicht anders sagen, denn was da in mir vorging kann man nicht beschreiben. Ich schaltete meinen Computer ein, um mich etwas abzulenken, aber das klappte auch nicht so richtig, also sah ich mich auf diversen Gay-Sites um, ob ich da irgendwie Hilfe finden würde. Aber die Informationen, dich ich gebraucht hätte, konnte ich nirgends finden. Das einzige was ich fand war ein Link zu einem Chatroom. Dort traf ich einen wirklich netten Jungen. Dem erzählte ich was mir passiert war und was ich tun sollte um zu wissen, ob ich nun schwul war oder nicht. An seine Antwort denke ich noch heute öfter, ich weiß zwar nicht mehr den genauen Wortlaut, aber ich versuche jetzt einfach mal es sinngemäß wiederzugeben.

‚Soweit ich weiß bist du ja normal mit ihm befreundet, aber wenn du jetzt immer noch ständig an ihn denken musst, und irgendwie ständig in seiner Nähe sein willst, und wenn du sonst eher down bist aber in seiner Nähe nur noch glücklich und zufrieden, dann würde ich sagen du hast dich in ihn verliebt. Aber zieh keine voreiligen Schlüsse, nur weil du ihn magst, denk wirklich in Ruhe darüber nach. Und es ist doch egal wen man liebt, Hauptsache man liebt.'

Das war so in etwa das, was dieser Junge mir damals geraten hat. Wir sprachen dann noch etwas allgemein über das Schwulsein und über Gott und die Welt, bis ich dann müde wurde, und mich zum Schlafen hinlegte.

Die nächsten Tage meldete ich mich nicht bei Basti und auch er ließ mir Zeit darüber klar zu werden. Aber die meiste Zeit des Tages musste ich an Basti denken, sogar in meinen Träumen sah ich sein Gesicht. Es wurde mir immer klarer, aber ich wollte es mir nicht eingestehen, und so traute ich mich nicht Basti anzurufen. Nach einer Woche, es war ein verregneter Tag, klingelte das Telefon und am anderen Ende der Leitung war er.

»Hi, wie geht's?«

»Danke gut, wenn ich mich falsch hinlege oder eine schnelle Bewegung mache, dann tut es mir weh, aber sonst ist es schon kaum mehr zu spüren.«

»Das freut mich, wenn du Lust hast, könnten wir heute etwas zusammen unternehmen.«

»Mal schaun, was schlägst du vor.«

»Wie wäre es mit Kino, da soll ein toller Streifen laufen.«

»Ja, gut, wann und wo?«

»Um halb sechs, vorm Kino.«

»Gut, ich bin pünktlich, bis dann.«

»Ja, man sieht sich.«

Ich legte auf und war froh, dass ich ihn endlich wieder sehen konnte. Ich hatte ihn richtig vermisst, aber glücklicherweise gingen wir ins Kino, somit musste ich wenigstens nicht so viel mit ihm reden. Ich hätte nicht gewusst, was ich ihm sagen sollte und wollte nur in seiner Nähe sein.

Als ich pünktlich am Kino ankam, war Basti schon da. Er sah sehr erleichtert aus, ob das nun daher kam, dass ich überhaupt kam, oder einfach nur weil ich rechtzeitig da war, weiß ich nicht. Ich war froh ihn endlich wieder zu sehen. Er stand im roten Sonnenlicht und ich weiß nicht, aber da war mir klar was ich ihm bald sagen musste, nur irgendwie traute ich mich nicht. Wir begrüßten uns kurz und erzählten, was wir so die letzten Tage gemacht hatten, aber er fragte nicht, ob ich schon etwas entschieden hätte und ich verlor auch kein Wort darüber.

Wir hatten noch nicht sehr viel reden können, als auch schon der Film anfing. Basti saß links von mir und als ich gerade in die Popcorn- Tüte griff, die wir und noch gekauft hatten, musste er sie selbe Idee gehabt haben, denn unsere Hände trafen sich in der Tüte. Es war als würde ein Blitz in mir einschlagen, so gut hatte ich mich noch nie gefühlt. Jetzt war ich mir ganz sicher, ich hatte mich in ihn verliebt. Er wollte seine Hand schon wieder wegziehen, aber ich hielt sie fest und schaute zu ihm. Ich sah nur seine Silhouette, aber ich konnte deutlich ein Lächeln auf seinen Lippen erkennen. Er bewegte seinen Kopf langsam zu meinem. Ich wich nicht zurück sondern blieb einfach nur regungslos sitzen. Seine Lippen trafen die meinen und ich schloss die Augen. Er nahm seinen Kopf leicht zurück, aber als ich ihm folgte, stoppte er seinen »Rückzug« und unsere Lippen trafen sich wieder. Er öffnete den Mund und seine Zunge bat um Einlass. Auch ich öffnete den Mund und meine Zunge wanderte in seinen. Ich hielt immer noch seine Hand fest und legte nun den anderen Arm um seine Hüfte, während er sanft die Innenseite meines Oberschenkels streichelte. Ich drückte seine Hand leicht. Unser Kuss dauerte in meinen Augen eine Ewigkeit ...

»The heart may freeze - Or it can burn
The pain will ease - If I can learn
There is no future - There is no past
I live this moment as my last
There's only us - There's only this
Forget regret - Or life is yours to miss
No other road - No other way
No day but today
There's only yes - Only tonight
We must let go - To know what's right
No other course - No other way
No day but today
I can't control - My destiny
I trust my soul - My only goal
Is just to be
There's only now - There's only here
Give in to love - Or live in fear
No other path - No other way
No day but today...«

(Aus dem Musical »Rent« von Jonathon Larson)

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