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Die Liebe und die Freiheit

Teil 3 - Auf der Suche

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Julius lief im Schutz der Dämmerung zu den Stallungen, nahe dem großen Tore. Doch auch hier antwortete Tasius nicht auf die vorsichtigen Rufe seines Knappen. Schon fast panisch vor Angst um seinen Prinzen verließ Julius die Ställe und kroch dicht an der Palastmauer entlang und fand dabei einen Spalt. Dieser schien ihm groß genug, dass ein schlanker Junge wie Tasius hindurch passen könnte. Julius zwängte sich mit seinem Oberkörper in das Loch. Zum Durchschlüpfen war es ihm zu eng, dennoch konnte er wenigstens mit dem Kopf auf der anderen Seite herausschauen und blickte zu jeder Seite. Er versuchte etwas auszumachen – da! Zur Rechten sah er plötzlich eine Gestalt davonrennen. Konnte diese Person Tasius sein? Versuche nach ihm zu rufen blieben erfolglos, denn sein Oberkörper war durch die Mauer so eingeengt, dass ihm kaum Luft zum Atmen blieb, geschweige denn zum Rufen. Mit aller Mühe kroch Julius zurück aus dem Loch. Für einen Moment musste er hocken bleiben und mehrfach tief durchatmen. Er hätte nie eine Chance gehabt durch diesen Spalt nach außen zu gelangen. Enttäuscht, weil er sicher war Tasius erkannt zu haben, ihm jedoch nicht folgen konnte, aber auch froh, bisher nicht erwischt worden zu sein, schlich er zunächst zurück in seine Kammer.

In seiner Kammer lief Julius völlig aufgelöst und nervös auf und ab. Er wusste nicht was er machen sollte und überlegte sein weiteres Vorgehen, um die verwirrende Situation irgendwie zu lösen. „Was soll ich jetzt tun? Soll ich zum König laufen, ihm alles berichten? Dann macht er mir Vorwürfe, warum ich nicht besser aufgepasst habe. Alles ist jetzt sehr verzwickt, mein bester Freund läuft draußen herum und ich verkrieche mich hier. Hätten wir uns nicht gestritten, dann wäre Tasius noch hier bei mir“, dachte Julius mit Tränen der Verzweiflung in den Augen.

Wie sollte er das alleine schaffen? Er musste doch jemanden vom Verschwinden des Prinzen in Kenntnis setzen. Aber wenn er dies tun würde, hätte er Tasius vielleicht für immer verloren. Egal was er jetzt machen würde, es würde falsch sein.

So beschloss Julius König Fietus nicht zu unterrichten, sondern am nächsten Morgen in die Stadt zu gehen und sich heimlich auf die Suche nach Tasius zu machen. Es schien ihm die einzige Möglichkeit zu sein die ihm blieb, ohne davon abgehalten zu werden, selbst seinen Freund zu suchen. Er musste Tasius zurück bringen, bevor ihm etwas zustoßen würde. Oder bevor der König davon Wind bekäme, dass die beiden verschwunden wären. Julius suchte seinen Quersack und packte eilig alles zusammen was nötig war, dass er sich bei den ersten Sonnenstrahlen auf die Suche machen konnte. Viel Schlaf bekam er diese Nacht nicht. Wie denn auch, er war mit den Gedanken immer nur bei seinem besten Freund Tasius. Julius versuchte sich zu zwingen, etwas zu entspannen und auszuruhen, denn die Suche würde anstrengend genug werden. Es gelang ihm aber nur schlecht.

Fast noch vor den ersten Sonnenstrahlen machte sich Julius auf den Weg, er packte noch seine gesparten Münzen ein, hängte sich sein Schwert um und verdeckte es mit seinem Umhang, bevor er dann Richtung Tor lief. Er ahnte, dass die Wachen ihn nicht einfach gehen lassen würden, denn sie wussten, dass Tasius und Julius immer zusammen in die Stadt gingen. Deshalb musste er sich eine Ausrede einfallen lassen.

Am Tor angekommen lief es so, wie Julius es schon vermutete, denn die Wachen wollten ihn tatsächlich nicht alleine hinaus lassen, da Tasius fehlte. Er musste versuchen die Wachen zu täuschen und sagte sehr selbstbewusst: „Prinz Tasius schläft noch und ich wollte den heutigen Tag mit meinen Eltern einmal allein verbringen. Der Prinz weiß davon, er hat es erlaubt und gab mir heute einen freien Tag. Bis Sonnenuntergang bin ich zurück.“

Die Wachen schauten den jungen Mann an, es musste sehr glaubwürdig gewesen sein, denn sie ließen ihn passieren, sie wünschten ihm sogar noch einen schönen Tag.

Außerhalb des Tores holte Julius tief Luft und machte sich, ohne sich umzuschauen, geradewegs auf in die Stadt. Schon mit den ersten Schritten versuchte Julius Tasius zu entdecken. Vielleicht wartete er ja schon vor dem Tor, denn er musste doch gemerkt haben, dass der Spalt zu eng für Julius gewesen wäre und würde jetzt sicher darauf hoffen, dass dieser einen anderen Weg finden würde, den Palast zu verlassen. Doch nirgends ein Anzeichen von Tasius. Julius wusste gar nicht wo er anfangen sollte zu suchen. Die Stadt war ja riesig. Würde Tasius denn überhaupt noch in der Stadt sein? Oder war er vielleicht die ganze Nacht unterwegs? Julius suchte jeden Winkel der Stadt ab, wo er Tasius am ehesten vermuten würde, er fragte auch bei den Bewohnern nach. Er suchte wirklich lange, fast hob er jeden Stein an. Julius suchte in jedem Schuppen und sogar in den Ställen, die sie schon besucht hatten. Doch Tasius war einfach nicht zu finden, nicht einmal der kleinste Hinweis, welche Richtung er eingeschlagen haben könnte. Er schaute sich auch auf dem Marktplatz um, wusste er doch, dass Tasius von einigen Dingen hier sehr begeistert war. Leider nichts, keiner hatte den Prinzen gesehen.

Am Ende seiner Suche kam Julius zu seinen Eltern und hoffte dort auf Rat. Nachdem er das Geschehene berichtet hatte, sagte er verzweifelt: „Vater, Mutter, ich weiß einfach nicht mehr weiter. Ich habe jeden Winkel, jeden Ort nach Tasius abgesucht. Ich weiß nicht mehr wo ich weiter suchen soll. Ich glaube fast, dass Tasius die Dummheit beging und die Stadt verlassen hat.“

„Junge beruhige dich. Vielleicht wäre es besser wenn du dem König eine Nachricht zukommen lässt, er hat doch viel mehr Möglichkeiten. Er kann sofort Soldaten ausschicken lassen, um den Prinzen zu suchen“, antwortete der Vater.

„Nein, das will ich Tasius nicht antun. Wir haben uns gestritten und deswegen ist er weg. Ich als sein Freund muss ihn suchen. Hätte ich ihm nur besser zugehört, dann wäre das alles nicht passiert. Und der König wird mir die Schuld geben, weil ich Tasius nicht besser im Auge behalten habe. Außerdem, muss ich auch wieder los, nach Sonnenuntergang wird man auch mich vermissen, wenn man nicht bereits Tasius´ Fehlen bemerkt hat und uns beide nun sucht. Ich habe keine Zeit zu verlieren! Ich brauche nur etwas, was schneller ist, als meine Füße“, erwiderte Julius.

Da mischte sich seine Mutter ein: „Damit du schneller bist, nimm das braune Pferd aus dem Stall. Es sollte schon längst deines sein.“

„Danke Mutter, danke“, sprach Julius und fiel ihr erleichtert um den Hals. „Ich weiß eure Hilfe zu schätzen. Ich verspreche euch, dass alles gut wird. Und sollte ich morgen mit Tasius noch nicht zurück sein, so sorgt dafür, dass der König Kenntnis von unserem Verschwinden bekommt“, gab Julius noch zu verstehen.

Julius ging zum Stall und sattelte sein Pferd. Er legte noch Decken dazu, falls er länger unterwegs wäre und die Nächte kalt würden. Mit einer festen Umarmung verabschiedete er sich von seinen Eltern und seinen Geschwistern, stieg aufs Pferd und ritt mit einem letzten Blick über die Schulter davon. Hinaus aus der Stadt, ins offene weite Land.

Julius ritt den ganzen Rest des Tages und die Stadt war mittlerweile nur noch ein dunkler Fleck am Horizont. Es wurde langsam dunkel und Julius musste sich schnell einen Rastplatz suchen. An einem Baum, der am Wegesrand stand, machte er Rast. Er band das Pferd an einem kräftigen Ast, ließ ihm aber genug Leine, dass es sich bewegen und grasen konnte. Mit einer Decke im Rücken lehnte sich Julius an den Baum und aß etwas von dem reichlichen Proviant, welchen ihm die Mutter noch in die Satteltaschen gepackt hatte. Darüber nachdenkend musste er schmunzeln und fragte sich, weshalb er geglaubt hatte, dass er mit seinen Eltern nicht klar kommen würde. Dann bedachte er aber seine eigene Entwicklung und entschied, dass er richtig gehandelt hatte und so nun auf eigenen Füßen stünde, er seine Eltern immer noch liebte und sie auch ihn, denn sie hatten ihm nie Vorwürfe wegen seines Wegganges gemacht und sie freuten sich jedes Mal ehrlich, wenn sie ihn sahen.

Doch bald dachte er wieder an seinen Prinzen, seinen Freund, an Tasius. Das bedrückte ihn sehr. Wenn ihm nun wegen meines Starrsinns etwas zustoßen sollte, was würde er dann tun? Tasius war doch so von ihm abhängig … Nein! Das war er gar nicht, wenn er genau darüber nachdachte. Tasius hatte eigentlich schon immer eigenständig gehandelt. Natürlich war er immer dabei gewesen, hatte seinen Prinzen begleitet, überall, wo sie waren, sogar zuletzt zum Unterricht der Gelehrten, den Julius ganz nebenbei sehr interessant fand. Auch in Geschicklichkeit mit den Waffen war Tasius fast besser als er, das musste er sich eingestehen. Er würde sich verteidigen können. Und in der Fremde? Da kannten sich beide nicht aus. Tasius hatte vielleicht sogar mehr Wissen, was das betraf. Doch würde es ihm nützen, so allein da draußen? War er auch zu Pferd unterwegs? Hatte er eins bekommen? Gehört hatte Julius in der Stadt nichts davon. Aber konnte er darauf vertrauen? Mit Sicherheit hatte er nicht alles erfahren … bis jetzt ja eigentlich gar nichts.

Wollte sich Julius eben noch Mut und für Tasius Sicherheit einreden, wurde er nun doch wieder von Zweifeln und Angst geplagt. Mit den Gedanken immer bei seinem Freund Tasius, schlief der junge Knappe, erschöpft in seinen Umhang gewickelt, am Baum lehnend, mit seinem Schwert in der Hand neben seinem gemütlich vor sich hin grasenden Pferd ein.

Noch im Morgengrauen, das Gras noch nass vom Tau, wachte Julius auf. Sein Pferd stubste ihn an und schnaubte ihm durch die Nüstern warmen Atem ins Gesicht. Der Junge reckte und streckte sich, schaute direkt seinem Pferd in die Augen. Auf seinen Guten-Morgen-Gruß wieherte es zurück. Vertrautheit bekundete dieses Prozedere. Julius musste sogar lachen, stand auf und strich seinem Pferd über den Kopf: „Na mein Freund, willst du los? Wollen wir weiter suchen?“

Julius bekam ein kräftiges Kopfnicken zurück und sein Pferd trampelte auf der Stelle. Sodann legte er ihm den Sattel wieder auf, rollte die Decken zusammen, befestigte sie, schloss die Satteltaschen und saß auf. So machten sich Pferd und Reiter weiter auf den Weg, auf die große Suche nach dem vermissten Freund, auf in die weite Ferne des Landes.

Tasius hatte eine gute Nacht Vorsprung im Gegensatz zu Julius. Nur leider wusste der Knappe nicht, in welche Richtung sein Freund gegangen war. Die Suche nach dem Prinzen würde nicht leicht werden, denn er konnte überall sein. Es war wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Insgeheim hoffte Julius, dass ihm sein Gefühl den richtigen Weg einschlagen ließ.

Julius saß auf seinem Pferd und machte sich, während er ritt, große Sorgen. In der Ferne sah er einen anscheinend großen Wald. Er hielt darauf zu, in der Hoffnung Tasius dort zu finden. In dem Wald war es dunkel, aber angenehm kühl. Die Sonne hatte keine Möglichkeit durch die Baumkronen zu brennen. Die Bäume waren sehr hoch gewachsen und viele verschiedene Pflanzen wuchsen unter ihnen. Julius hatte so etwas noch nie gesehen, er staunte. Die Farben der vielen Blüten waren prachtvoll, in vielen verschiedenen Grüntönen zeigten sich die Blätter der Bäume, Büsche und Gewächse. Der Weg durch den Wald führte auf eine Lichtung, doch irgendetwas sagte ihm, dass er die Lichtung verlassen und tiefer in den Wald reiten sollte. Denn Tasius wollte weg und würde nicht sogleich eingeholt werden wollen. Also war weiter hinein in den Wald die beste Möglichkeit sich unsichtbar zu machen und seine Spuren verwischen.

Nach weiterem Suchen im dicht bewachsenen Wald, entdeckte er durch Zufall eine Lagerstätte mit platt gedrückte Blumen und Gräsern, sowie eine kleine Feuerstelle. Die Glut war zwar gelöscht, jedoch noch warm. Konnte dies der Lagerplatz von Tasius gewesen sein? Der Knappe schaute sich weiter um und fand einen abgebrochen Ast, an dem könnte man hängen geblieben sein. Und tatsächlich fand sein geübtes Auge nicht weit davon einen Knopf. Der war sicher abgesprungen und konnte in der Dunkelheit nicht wieder gefunden werden. Bei genauer Betrachtung erkannte er den Knopf. Er war ganz sicher von Tasius´ Umhang, also war der Prinz hier gewesen. Julius suchte weiter nach Hinweisen: „Welche Richtung habt Ihr eingeschlagen?“, murmelte Julius zu sich selbst.

Dann machte er eine Entdeckung, Fußspuren. Julius schwang sich auf sein Pferd und folgte ihnen weiter und tiefer in den Wald hinein, den Blick auf den Boden gerichtet, immer bedacht keine Spur zu übersehen oder sie zu verlieren. Ein schnelles Reiten war so nicht möglich und so folgte er angestrengt den Spuren bis es dunkel wurde, ohne ein weiteres Lebenszeichen seines Freundes. Zwischendurch rastete er und ließ sein Pferd ausreichend aus einem Bach, der den Wald durchschnitt, saufen und am Ufer grasen, womöglich an der gleichen Stelle, wie sein Prinz, denn die Spuren ließen diese Annahme zu.

Weitere Stunden folgte Julius den Spuren, ohne dass es ihm schien, Tasius näher gekommen zu sein. Bevor Julius wegen der einbrechenden Dunkelheit gar nichts mehr sehen würde, machte er sich wieder ein Lager zurecht. Diesmal baute er sich einen Unterschlupf aus Ästen und seinem Umhang, denn es sah nach Regen aus. Danach entzündete er noch ein kleines Feuer, um sich zu wärmen. Den ganzen Tag im dichten, kühlen Wald, da tat Wärme sehr gut. Schließlich aß er noch von seinem Proviant, dachte ungefähr die gleichen Dinge, wie am Abend zuvor. Was Julius unverständlich erschien, war, wie Tasius es soweit schaffen konnte, ohne ein Pferd zu haben. Darauf fiel ihm aber keine vernünftige Antwort ein. Er legte sich in seinen gebauten Regenschutz und deckte sich mit seinen mitgebrachten Decken zu, zufrieden sein Pferd in der Nähe zu wissen und sein Schwert in der Hand zu haben. Kaum lag er, schlief er auch schon ein. Die Suche nach dem Prinzen war anstrengend gewesen.

Mitten in der Nacht wurde Julius plötzlich aus dem Schlaf gerissen, Geräusche, die sich nach Schritten anhörten, waren in unmittelbarer Nähe. Er hörte sein Pferd wiehern. Sein Feuer musste wohl Räuber angelockt haben. Julius täuschte sich nicht, denn da standen sie nun. Um seinen Unterschlupf herum, eine ganze Horde Männer. Der junge Knappe sprang auf, sein Schwert schwingend und versuchte sich zu verteidigen. Etliche Angriffe wehrte er ab, beherzt schlug er zurück. Etliche Hiebe trafen, doch es war aussichtslos, es waren einfach zu viele. Mit einem Mal bekam Julius einen heftigen Schlag auf den Kopf, sank zu Boden und war ohne Bewusstsein.


Als Julius wieder zu sich kam, spürte er, dass er an den Füßen gebunden und mit den Händen an einem Baum gefesselt worden war. Der Junge sah sich um, er befand sich in einem provisorischen Lager. Die Räuber hatten ihm doch ganz schön zugesetzt. Alles tat weh, egal wie er sich bewegte, es tat einfach weh. Einer der Männer bekam mit, dass Julius wach wurde. Er saß in seiner Nähe und drehte Julius´ Schwert in seinen Händen: „Na, gut geschlafen? Hast dich ja ziemlich heftig gewehrt. Einige meiner Männer hast du damit ganz schön erwischt.“ Fast war so etwas wie Anerkennung in seiner Stimme zu hören.

Julius schaute zu Boden und antwortete nicht.

„So, so. Du magst wohl nicht reden? Sei froh, dass du noch lebst, wir wollten dir nur deine Habe abnehmen, hätten dich dann gehen lassen. Mit deiner Gegenwehr hatten wir nicht gerechnet.“

„Ich habe nichts“, antwortete Julius.

„Das hier sieht aber gar nicht nach Nichts aus“, entgegnete der Räuber und hielt Julius das Schwert vor das Gesicht. „Wie kommt es, dass einer wie du hier allein durch den Wald zieht, mit diesem Schwert und auch noch sehr gut damit umzugehen weiß. Du musst von hohem Stand sein, wenn du so ein Prachtstück mit dir trägst oder du bist ein lausiger Dieb, dann solltest du dich uns anschließen.“

„Ich war ein einfacher Knappe und bin auf der Durchreise“, log Julius, „mein Dienstherr hat mich ziehen lassen, als ich ihn darum bat. Wahrscheinlich hatte er bemerkt, dass ich besser mit dieser Waffe umgehen konnte, als er. Deswegen hat er sie mir als Lohn für die Jahre überlassen. Ich will in ein anderes Land ziehen, meine Dienste anderswo anbieten. Mit Räubern wie Euch habe ich nicht gerechnet. Nehmt was Ihr wollt und lasst mich ziehen!“

Doch der Mann ließ sich nicht darauf ein. Er hatte wohl seine Gründe, um Julius noch etwas bei sich zu behalten: “Hier, nimm!“ Er reichte seinem Gefangenem etwas zu essen und zu trinken, nachdem er ihm die Handfesseln gelöst hatte.

Julius rieb sich die Handgelenke und seine Hände, sie waren schon fast taub. Dann nahm er das Stück Fleisch und den Beutel mit Wasser an, als er sah, dass der Räuber auch davon aß und trank.

„Bist ja ein ganz Vorsichtiger“, sprach der Räuber, der wohl der Anführer der Bande sein musste. Denn keiner der anderen kam in die Nähe und wagte es, Julius´ Gegenüber anzusprechen, obwohl sie Julius giftige Blicke zuwarfen und Julius erkannte, dass der eine oder andere einen Verband trug. Das mussten sie anscheinend ihm zu verdanken haben. Ein gewisser Anflug von Stolz überkam ihm.

„Und wie schmeckt dir das Fleisch? Vielleicht kommt es dir ja bekannt vor?“ Höhnisch grinste der Räuber.

Julius schaute sich um und fand sein Pferd nicht, da spuckte er sein Fleisch wieder aus und schrie:

„Du verdammter Hund! Was hast du meinem Pferd da angetan? Wenn ich könnte, würde ich dich gleich abschlachten!“

Der Mann lachte den Jungen aber nur aus, auch einige andere Männer lachten nun mit und waren näher gekommen, auf Grund Julius´ Geschrei. „Glaubst du wirklich, dass wir ein so gut genährtes Tier auffressen, wie verhungernde Wölfe? Keinesfalls, aber los bist du es trotzdem, ich werde es reiten. Aber selbst wenn, wäre das kein Grund, dieses Stück Fleisch mir vor die Füße zu werfen. Undankbarkeit ist des Retters Lohn oder wie? Meine Männer hätten dich getötet, wenn ich es zugelassen hätte.“

Auf des Anführers Wink hin, hob einer der Männer das Fleisch auf und versuchte es dem Jungen mit Gewalt in den Mund zu schieben, denn Julius wehrte sich dagegen. Plötzlich schlug der Räuber hart zu. Julius wurde es schwarz vor Augen, fiel bewusstlos zur Seite und blieb auf dem Boden liegen.

Julius wachte irgendwann mitten im Wald von den durch die Baumwipfel dringenden Strahlen der hoch am Himmel stehenden Sonne auf und bemerkte, dass er nur noch sein vom Kampf zerrissenes Hemd am Leibe trug. Die Räuber hatten ihm alles genommen, sein Pferd gestohlen, seine Stiefel und Hosen, seinen Umhang, natürlich waren auch sein Proviant und seine Münzen in den Satteltaschen weg. Das einzige, was sie ihm ließen, war sein Schwert. Weshalb auch immer er es jetzt neben sich liegen sah, der Anführer schien es ihm bewusst nicht genommen zu haben, denn es war in ein unscheinbares Tuch gewickelt. Fast bereute er, sich der Bande nicht angeschlossen zu haben, dann hätte er vermutlich jetzt keinen so heftigen Hunger und Durst und möglicherweise einen gewissen Schutz gehabt. Aber nein! So hätte er noch mehr Zeit verloren. Was er nicht alles für seinen Freund tat. Tagelang durch die Gegend reiten, um den Prinzen zu suchen, sich von Räubern überfallen und ausnehmen lassen, jetzt nur im Hemd dazusitzen und daran zu denken, ihn zu finden und nach Hause zu bringen. Es waren schon gut zwei Tage vergangen und Julius hatte ihn immer noch nicht eingeholt. Wenn noch weitere Dinge passieren würden, könnte er Tasius letztendlich nie finden. Er versuchte sich zu orientieren und zu sammeln. Julius musste weiter, trieb sich an aufzustehen und weiterzugehen. So rappelte er sich auf, verzog aber bei jeder Bewegung das Gesicht vor Schmerzen. Mit ungeschickten Handgriffen befestigte er die zerrissenen Ärmel seines Hemdes mit langen Tannennadeln, so dass sie nicht herabhingen, er schlug sich das Tuch um die Hüften und knotete es zusammen. Julius griff sein Schwert, steckte es sich hinter das Tuch und ging barfuß, bei jedem Schritt seine Schmerzen fühlend, mit der Hoffnung, bald jemanden zu finden der ihm helfen würde. Er musste auch Hilfe für die Suche bekommen, alleine würde er es nicht schaffen. Mit diesen Gedanken machte sich der Knappe weiter auf den beschwerlichen Weg.

Julius wusste nicht, wie lange er gelaufen war. Es dunkelte schon, als er endlich den Waldrand erreichte. In der Ferne sah er ein einsames, altes Haus stehen. Mit letzter Kraft lief Julius darauf zu und schlug mit der Hand schwach an der Tür. Eine ältere Frau öffnete und Julius fiel ihr buchstäblich erschöpft und erleichtert in die Arme. Auf sie gestützt, schleppte sich Julius ins Haus bis zu einem Bett, auf welches er sich legen sollte. Kaum lag er, fielen ihm auch schon seine Augen zu. Er nahm gar nicht mehr wahr, dass sie ihn von oben bis unten musterte, ihn dann auszog, seine Wunden säuberte und versorgte.

Die Alte wachte noch an dem Bett als Julius die Augen wieder aufschlug: „Wo bin ich? Wie lange liege ich hier schon?“

Die Frau hatte eine sanfte Stimme und sprach: „Ich bin Sarafin, du bist hier geschwächt zusammen gebrochen. Ruh dich nur so lange aus, wie es nötig ist. Meine Tochter Tirka wird dir helfen, wenn sie zurück ist“. Sie hob seinen Kopf und gab ihm zu trinken, einen wohlschmeckenden Kräutertee. Der junge Knappe war schwach und dankte nur mit einem leichten Nicken, dann schlief er wieder ein.

Als Tirka zurück war, übernahm sie die Wache und Pflege des Jungen, sie erneuerte die Verbände und flößte dem Schlafenden ab und zu einige Schlucke Kräutertee ein. Sie strich ihm die blonden Haare aus dem Gesicht und tupfte ihm den Schweiß ab. Dabei hatte sie Gelegenheit, sich Julius genau anzusehen und fand, dass er ein recht hübscher Bursche war.

Irgendwann kam Julius wieder zu sich, sah das Mädchen neben seinem Bett und richtete er sich auf. Als er bemerkte, dass er nackt war, traute er sich nicht das Laken zurückzuschlagen, sondern versuchte es um sich zu legen und aufzustehen, denn ein Bedürfnis trieb ihn hinaus. Tirka erkannte die Not des Burschen und half ihm hoch. Trotz seiner Schwäche setzte er einen Fuß vor den anderen, geführt vom Mädchen bis hinter das Haus, immer bedacht, dass ihm das Laken nicht herabfiel. Sie ließ ihn dann allein und verschwand im Haus.

Ganz vorsichtig öffnete Julius das Laken und entledigte sich dessen, weswegen es hier war. Wankend und am Haus abstützend ging er die Schritte zurück zur Tür. Tirka erwartete ihn schon und führte ihn wieder zurück an das Bett. In der kurzen Zeit hatte sie es frisch gerichtet und bezogen und bat ihn jetzt auch um sein Laken. Julius wandte ihr den Rücken zu, ließ es sich abnehmen und auf das Bett helfen, wo sie ihn mit einem neuen Laken zudeckte. Julius war noch nie einem Mädchen so nahe gewesen. Das ließ ihn erröten und es war ihm unangenehm, doch ließ er die Behandlungen des Mädchens zu. Ihre Hände fühlten sich auf seiner Haut an, wie eine beruhigende Salbe. Tirka war ein hübsches Mädchen, mit roten langen Haaren und Sommersprossen um die Nase. Ihre Augen strahlten wie Sterne, in einem golden schimmernden braun.

„Ich bin Euch sehr dankbar, dass Ihr Euch um mich sorgt. Ich war noch nie solange auf Reisen gewesen, schon gar nicht überfallen worden“, bedankte Julius sich überaus höflich mit einem verlegenen Blick.

„Du musst dich nicht bedanken, wir sehen es als selbstverständlich an, dass wir helfen. Hier ist doch sonst niemand. Das nächste Dorf liegt zwei Tagesreisen entfernt. Du darfst mich Tirka nennen und das ist meine Mutter Sarafin“, gab sie zurück und wies dabei auf die ältere Frau, die inzwischen näher gekommen war. „Und nun erzähl, wer bist du, warum bist du auf Reisen?“

Julius schluckte schwer und erzählte die ganze Geschichte, zwischen ihm und den Prinzen Tasius. Von seinem Aufbruch bis zum Überfall: „Und dann bin ich hier gelandet, den Rest kennst du ja.“

Es vergingen noch ein paar Tage bei den beiden Frauen, bis Julius sich vollständig erholt hatte. Sie versorgten ihn, gaben ihm Essen und Trinken. Tirka hatte ihm sein Hemd genäht und aus festem Stoff auch ein paar brauchbare Hosen, bei deren Anprobe es auch zu kleinen Peinlichkeiten kam, denn schließlich musste der Stoff abgesteckt werden und da mussten auch an gewissen Stellen Nadeln die Stoffbahnen zusammen halten. Entsprechend führte das bei Julius zu Reaktionen, die er jedoch verbarg. Ein paar feste Sohlen gaben sie ihm auch, die er unter seine Füße binden konnte, es waren zwar keine Stiefel, aber besser als ohne war es allemal.

Nach und nach half Julius auch mit im Haus und nahm den Frauen die schwerere Arbeit ab. Sie sprachen viel, wurden sich vertrauter, so dass er ihnen erzählen konnte, was er vorhatte. Er dachte, dass sie ihm vielleicht auch sagen könnten, wo er Hilfe für die Suche bekommen könnte. Doch sie kannten niemanden, denn sie lebten hier allein.

Julius konnte sich denken, dass König Fietus ganz sicher, bestimmt schon kurz nach der ausgebliebenen Rückkehr von Julius, erfahren hatte, dass Tasius und er verschwunden waren, denn immerhin war er schon sieben Tage unterwegs, wenn er seine ersten Suchtage und die Tage seiner Genesung zusammen zählte. Julius musste sich schnell wieder auf den Weg machen. Der junge Mann ließ sich den Weg bis zum nächsten Dorf erklären. Die Frauen packten ihm noch Proviant ein. Erholt und gestärkt machte er sich auf den Weg.

„Halt, warte. Hast du nicht was vergessen?“, fragte das Mädchen.

Julius drehte sich zu ihr um und gab ihr und der alten Dame einen Kuss auf die Wange. Mit einer Geste des ehrlichen Dankes wandte er sich wieder zum Gehen.

„Das meinte ich nicht. Brauchst du nicht einen Reisegefährten? Gut ich bin ein Mädchen, aber ich kann auch tapfer sein. Lass mich dir bitte helfen. Vor allem kenne ich mich hier viel besser aus als du. Meine Mutter hat schon zugestimmt, also ein ‘Nein‘ akzeptiere ich nicht“, erklärte das Mädchen.

Julius lächelte und ging die wenigen Schritte auf sie zu, er nahm das Mädchen in den Arm und nickte. Alsdann lief Tirka ins Haus, holte ihr Bündel, drückte ihre Mutter und ging mit Julius fort. Die alte Frau winkte den Gefährten noch lange nach.

Die Zwei wanderten durch die Landschaft, Tirka erklärte, während sie zügig in Richtung der nächsten Ortschaft gingen, Julius jede einzelne Pflanze, jeden Baum. Julius kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Hier sah es anders aus, nicht wie in seiner Heimat Lia. Er hörte Tirka gerne zu, sie sprach so unbeschwert vom Leben und von ihren Träumen. Er wünschte sich, auch ein so unbeschwertes Leben haben zu können, wie sie. Dann aber dachte er wieder an Tasius und an das eigentlich sehr unbeschwerte Leben am Hof des Königs mit seinem Freund.

Als es Abend wurde, machten sich die Beiden ein Lager zurecht. Julius kümmerte sich um das Feuer und Tirka machte das Essen. Sie sprachen noch lange miteinander. Julius erzählte von seiner Familie und von dem Leben am Hofe. Als er sich dann an den Streit mit Tasius erinnerte, bekam er wieder diese Sorgen. Wo ist Tasius nur? Hat der König das Verschwinden bemerkt, was wird er in Sorge um seinen Sohn unternommen haben?

Tirka hörte zu, machte Julius Mut und zeigte Verständnis für seine Lage, sie versuchte ihn zu beruhigen: „Und als er es gemerkt hat, wird er sich denken können, dass du bei seinem Sohn bist. Natürlich macht er sich Sorgen, doch er weiß, dass du dich ebenso um das Wohlergehen des Prinzen sorgst, wie er selbst. Aber glaub mir, es wird bestimmt alles gut werden. Wir sollten uns jetzt nicht darüber den Kopf zerbrechen und das ´was wäre, wenn´... Wichtig ist, dass wir Tasius finden und ihn heil nach Hause bringen.“

Das Mädchen gähnte und legte sich zum Schlafen: „Leg dich auch hin Julius, morgen ziehen wir früh weiter, dafür brauchen wir unsere Kräfte.“ Mit diesen Worten schlief sie ein. Julius legte sich etwas abseits von ihr und dachte noch lange nach. Irgendwann überkam ihn aber ebenfalls die Müdigkeit und er schlief ein.

Am Morgen wurde Tirka als erste wach und machte Frühstück, denn ohne eine Stärkung konnten sie nicht weiter. Für Essen war immer Zeit. Julius wachte auf, die Vorbereitungen Tirkas weckten ihn. Er stand auf und wusch sich mit dem klaren Wasser aus dem nahen Bach, dann setzte sich Julius zu seiner neuen Freundin. Sie reichte ihm einen Becher Kräutertee, Brot und ein Stück Käse.

„Wie hast du geschlafen?“, fragte sie.

Julius war noch etwas müde und schaffte es nur mit einer Geste zu deuten, dass er schlecht geschlafen hatte, doch das Frühstück tat den zwei Gefährten gut.

„Wir müssen gleich weiter, bist du dir sicher, dass du mir weiter folgen willst? Es könnte gefährlich werden. Ich genieße deine Anwesenheit, aber kannst du denn auch kämpfen wenn es darauf ankommt?“, fragte Julius ernsthaft besorgt, denn ihm fiel der Überfall der Räuber und die Wunden ein, die er davontrug.

„Natürlich folge ich dir weiter. Ich weiß schon, worauf ich mich eingelassen hab. Und glaub mir, ich kann mich schon wehren. Ich weiß wie man mit einem Dolch umgeht. Das ist nämlich meine Waffe und ich bin eine Frau, ich kann auch gut verführen. Mach dir keine Gedanken um mich. Wir haben eine Mission und die werden wir zusammen durchstehen“, gab sie Julius zurück.

„Komm wir packen zusammen, wir müssen weiter in die westliche Richtung, heute Abend sollten wir im Dorf ankommen. Es liegt genau an der Grenze. Dahinter befindet sich das Land von Kieran dem Schrecklichen. Ich werde dir nicht zu viel erzählen, denn das musst du selbst gesehen haben. So, los! Komm schon“, schob Tirka nach.

Julius war von diesem Mädchen begeistert. ihre Unbeschwertheit steckte ihn an. Das machte ihm Mut. Nur noch ein Tagesmarsch, dann waren sie erst einmal sicher. In dem Dorf wollte Julius dann aber wissen, wer oder was Kieran genau ist. Tirka sprach nicht darüber. Sie liefen ohne Pausen zu machen. Die Sonne folgte ihnen.

Sie kamen gut voran, zeitweise tollten sie durch die Wiesen, wie kleine, übermütige Kinder, erfrischten sich im Bach und kamen sich dabei stündlich immer näher. Einmal liefen sie um die Wette, Julius gab ihr natürlich zunächst etwas Vorsprung, dann holte er Tirka ein und hielt sie fest. Seine Hände umschlungen ihre Hüften, ihre Arme lagen auf seinen Schultern. Während sich ihr Atem beruhigte, schauten sie sich lange in die Augen, ihre Herzen schlugen immer schneller, dann trafen sich ihre Lippen. Tirka küsste Julius mit Leidenschaft. Dies war sein erster Kuss. Er löste Gefühle bei ihm aus, die er nicht kannte. Aber er wusste, was sie bedeuteten und das gefiel ihm sehr. Er erwiderte ihren Kuss und sie ließ sich in seine Arme fallen. Langsam glitten sie ins Gras, ohne ihre Umarmung zu lösen. Ihre Münder trafen sich immer wieder, ihre Zungen umspielten einander. Julius erregte das neue Spiel körperlicher Nähe sichtbar immer mehr. Er fühlte, wie sich ihre Hüften immer näher an die seinen drängten. Auch ihre Erregung stand seiner in nichts nach, durch den dünnen Stoff ihres Mieders zeichneten sich deutlich die festen Spitzen ihrer Brustwarzen ab. Vorsichtig berührte seine Hand die sich ihm entgegen streckenden Brüste, worauf sie auch ihn berührte, seine Erregung frei legte und ihn mit sicherer Hand in das begehrte Ziel lenkte, welches sie für ihn öffnete. Wie von selbst versank er in ihr und so taten sie das, was seit tausenden Jahren Ausdruck tiefster Zuneigung war. Nach dieser innigen Vereinigung, die so heftig war, dass ihnen die Sinne schwanden, blieben sie noch einige Zeit eng umschlungen beieinander, eh sie sich trennten. Es dauerte geraume Zeit, eh sich ihre Körper beruhigt hatten und sie wieder klar denken konnten.

Hand in Hand und immer wieder fest gegenseitig in die Augen blickend, legten sie den Rest des Weges zurück. Als sie das Dorf erreichten, suchten die beiden ein Gasthaus. Julius und Tirka wollten zusammen in einem ordentlichen Bett schlafen. Doch es sollte nicht so einfach sein. Die Gasthäuser waren entweder herunter gekommen oder sie waren unbezahlbar. Julius hatten die Räuber alles genommen, was irgendwie einen Wert hatte und Tirka konnte mit ihren wenigen Münzen nicht das bezahlen, was man verlangte. Am Ende des Dorfes sahen sie dann einen Hof, auf dem sie um Unterschlupf bitten wollten. Sie gingen hinein und fragten den Herren des Hofes nach einem Schlafplatz. Er sollte ihnen gewährt werden, jedoch nicht umsonst. Da der Herr in Julius einen starken Burschen sah, bot er ihnen an, ihren Schlafplatz zu verdienen. Sie nahmen an und so half Julius den Knechten die gerade eingebrachte Ernte unters Dach zu bringen, die vollen Wagen zu entladen, die Scheune zu füllen, auf dass das gebündelte Korn trocken blieb und im Winter auf der Tenne gedroschen werden konnte. Tirka wurde zu der Gänsemagd hinausgeschickt, die Gänse einzutreiben, denn es sah nach einem Gewitter aus, da war jede helfende Hand willkommen. Sie scheuten sich nicht mit anzupacken und arbeiteten gemeinsam mit den Knechten und Mägden des Hofes, bis das letzte Tier im Stall und versorgt und der letzte Halm des kostbaren Korns eingebracht war. Da sie sich gut mit den Menschen verstanden und der Herr sehr mit ihrer Hilfe zufrieden war, bekamen sie nicht nur einen Schlafplatz zugewiesen. Ganz wie es sittsam war, Tirka bei den Mägden in der Kammer und Julius mit einigen Knechten im Heuschober, denn es waren zur Zeit, auf Grund der Ernte, mehr Leute auf dem Hof, als es Strohbetten gab. Sie wurden außerdem zum Abendmahl des Gesindes geladen, wo es reichlich für jeden gab. Bei guter Arbeit ließ sich der Hofherr nicht lumpen, wurde ihnen erzählt. Alle setzten sich an einen langen Tisch, aßen eine heiße Fleischsuppe mit dicken Brocken Fleisch, frisch gebackene Laiber Brot, frisches Gemüse, gekochte Eier, sogar einen Humpen selbstgebrautes Bier gab es für alle, als Dank und zu Ehren der Gäste.

Nach dem gemeinsamen Mal trafen sich die beiden Gefährten etwas abseits, besprachen ihr weiteres Vorgehen, denn Tasius hatte einen großen Vorsprung. So wollten sie am nächsten Morgen frühzeitig Aufstehen und ihren Weg fortsetzen. Gern hätten sie heute Nacht ihr Lager geteilt, doch so einfach war das nicht, wenn man sich an die Sitten halten musste. Bald gingen sie in die Kammern oder krochen in den Schober und machten es sich es bequem. Julius redete noch ein wenig mit einem anderen Erntehelfer, der ebenso in seinem Heuschober Platz gefunden hatte. Jedoch nicht lange, denn beide schliefen vor Erschöpfung sehr schnell ein.

Frühzeitig erwachte Julius, das Gewitter hatte sich tatsächlich über ihnen entladen und es goss in Strömen. Wie gut, dass die Schober so genial geschichtet waren, kein Tröpfchen drang hindurch, der starke Regen lief an den äußeren Halmen der Gräser ab. Hin und wieder erhellte ein Blitz den Himmel, gefolgt von heftigem Donner, der von jenseits der Grenze, wo das Land Kierans des Schrecklichen begann, an den Bergen brach und als Echo wieder zurück zum Dorf getragen wurde. Das Gewitter war heftig, aber kurz und schon hatte sich alles ringsum beruhigt. Julius lauschte, noch war es ruhig und sein Schlafnachbar schniefte leicht vor sich hin, er hatte das Gewitter gar nicht wahrgenommen. Des Knappen Gedanken kreisten wieder um die Geschehnisse der letzten Tage, besonders sein gestriges Erlebnis versetzte ihm leichtes Herzklopfen. Er war sich nicht sicher, wie es mit ihm und Tirka weiter gehen sollte. Er mochte dieses Mädchen, sogar sehr. Die Gefühle, die er hegte waren für Julius neu. Würde Tasius diese Verbindung gut heißen? Das Mädchen weckte in ihm ein neues Lebensgefühl. Julius hatte geahnt, dass diese Suche Überraschungen mit sich bringen würde, dass er Gefahren bestehen müsste, aber nicht, dass er sich verlieben würde.

Es war noch weit vor dem ersten Hahnenschrei, an wieder Einschlafen war für Julius nicht zu denken. So stieg er leise aus dem Schober, lief auf den Hof und zog sich noch vor den ersten Strahlen der Sonne einen Eimer frisches Wasser aus dem Brunnen herauf. Damit wusch er sich, richtete seine Kleider und ging in Richtung der Hofküche, aus der schon Geräusche drangen. Hier wurde bereits das Frühstück bereitet. Julius half beim Feuer machen, trug Schalen und Geschirr an den großen Gesindetisch und bekam auf seine Bitte hin für Tirka und sich ein kleines Proviantpaket gepackt, welches er schon in seinem Bündel verstaute. Dann schlich er vorsichtig zu den Mägdekammern. Tirka war auch schon wach und fertig zum Aufbruch. Als sie ihn sah, sprang sie ihm um den Hals: „Ich hatte Angst, du könntest mich zurücklassen, deswegen konnte ich nicht wieder einschlafen nach dem Gewitter.“

„Nein, wie könnte ich denn? Du bist mir wirklich wichtig. Und das meine ich ernst, es ist nicht nur wegen der Mission, ich habe Frühstück besorgt, wollte dich überraschen“, gab Julius zurück.

Das Mädchen ließ nach einem langen Kuss den Hals ihres Geliebten los. Julius ergriff ihre Hand und zog sie an den Gesindetisch, der bereits fertig gedeckt war. Die beiden nahmen das Frühstück zu sich. Gestärkt verabschiedeten sie sich, von den langsam eintrudelnden Mägden, Knechten und Helfern, dankten für die Gastfreundschaft und ließen dem Herren des Hauses einen ebenso herzlichen Dank übermitteln. Sie wollten sich nun im Dorf umschauen und die Bewohner befragen, ob ein Unbekannter hier durch gekommen sei, dessen Beschreibung auf Tasius passen könnte.

„Komm, wir müssen weiter. Tasius muss gefunden werden, bevor uns der König findet“, trieb Julius sein Mädchen an und lief mit großen Schritten, sie an der Hand haltend den Weg ins Dorf.

Dort liefen sie zusammen durch die Straßen und befragten die unterwegs befindlichen Bewohner. Aber die Bewohner waren zu viel mit sich selbst beschäftigt, als dass ihnen ein solcher Fremder aufgefallen wäre. „An der Grenze kommen immer Fremde durch, bald merkt man sich die Gesichter nicht mehr“, entschuldigte man sich. Irgendwann entschieden sich Tirka und Julius dafür, getrennt zu suchen.

„Wir treffen uns hier wieder am Markt, dann sehen wir alles weitere. Und Tirka, pass auf dich auf!“, verabschiedete sich Julius besorgt und erhielt dafür einen innigen Kuss von ihr.

So gingen sie in verschiedene Richtungen. Tirka nahm das westliche Viertel und Julius suchte im östlichen Viertel nach Hinweisen, die sie zu Tasius führen könnten.

Julius fragte jeden, der ihm begegnete, doch niemand erinnerte sich an Tasius. Bis er einem älteren Mann traf. „Entschuldigt bitte, kann ich Euch eine Frage stellen?“ sprach Julius den Alten an.

Der drehte sich um: „Wie kann ich Euch helfen, junger Mann?“

„Ich suche einen jungen Mann, der etwa meine Größe hat. Etwas jünger als ich. Er könnte hier durchgekommen sein. Ein Fremder, den Ihr noch nie hier im Dorf gesehen habt.“

Der Mann legte Daumen und Zeigefinger an seine Unterlippe und überlegte, dann schaute er Julius an und sagte: „Ja, da war ein Junge, schwarze, lange Haare. Erst habe ich gedacht er sei ein Mädchen. Ich habe ihn für zwei Nächte bei mir beherbergt. Er sagte, er sei ein einfacher Wanderer und wollte nur hier durch ziehen und sich stärken. Weshalb fragt Ihr denn so genau, stimmt mit dem Jungen was nicht?“

Julius schüttelte den Kopf: „Nein, mit ihm ist alles in Ordnung. Wir waren zusammen auf Reisen, nur dann hat man uns überfallen. Dabei haben wir uns aus den Augen verloren. Könnt Ihr mir sagen welche Richtung er eingeschlagen hat?“

Julius wusste, dass dies eine Lüge war, aber er wollte kein Aufsehen erregen und den Prinzen nicht in Gefahr bringen. Denn er wäre ein gefundenes Fressen für Räuber, Mörder und Erpresser, die dem König schaden wollten.

„Er bedeutet Euch viel, richtig? Nun, er ist in Richtung Westen aufgebrochen, in das Land von König Kieran. Ich sagte ihm noch, dass er auf sich aufpassen soll. Fremde sind bei Kieran überhaupt nicht gern gesehen“, gab der alte Herr zurück.

Julius nickte zunächst und verneigte sich dann, als Zeichen seiner Dankbarkeit. Sofort lief er zurück zum Markt, mit den Gedanken bei Tirka und Tasius. Es galt keine Zeit zu verlieren. „Ich hoffe ihr, ist nichts geschehen. Ob sie auch was herausgefunden hat? Werde ich ja gleich sehen“, dachte er.

Es war bereits später Vormittag, als er den Marktplatz sah, auf welchem reges Treiben herrschte. Er hielt Ausschau nach seinem Mädchen, bald erkannte er sie. Weil auch sie Ausschau hielt und wohl auf ihn wartete, trafen sich ihre Blicke. „Immer noch so schön wie heute Morgen“, erinnerte sich Julius.

Tirka sah Julius auf sich zukommen. Das Mädchen freute sich augenscheinlich. Sie umarmten sich und gaben sich einen Kuss, dann setzten sie sich auf eine Mauer und besprachen ihre Erkenntnisse. Tirka hatte eine Frau getroffen, die sich erinnerte Tasius gesehen zu haben, wie er über die Grenze ins Land Kierans wechselte. Julius berichtete von dem Alten, den er getroffen hatte und der Tasius Herberge gegeben hatte. „Wir müssen uns einen Plan ausdenken. Wenn dieser Kieran erfährt, dass sich der Prinz in seinem Lande aufhält, wird er ihn suchen lassen“, erklärte Julius.

„Was gedenkst du zu tun? Wir wissen doch nur, das Tasius in die westliche Richtung und über die Grenze gelaufen ist. Da ist nichts, nur karges Land bis sich die Berge erheben und ab dort beginnt Kieran’s Reich“, antwortete Tirka.

Julius versuchte eine Lösung zu finden, doch er fand keine andere, als diese: „Wir werden gleich aufbrechen und Tasius schon finden, davon bin ich überzeugt. Wir laufen bis an den Rand der Berge, bestimmt erfahren wir dort mehr.“

Mit dem Ziel vor den Augen und ihren Bündeln über der Schulter verließen sie händehaltend den Markt und gingen in westliche Richtung, geradewegs auf die Grenze, das karge Land und die Berge des Landes von Kieran dem Schrecklichen zu. Es konnte Tage dauern, bis sie die Berge und das Land von Kieran erreichen würden, so genau hatten sie das nicht in Erfahrung gebracht. Doch das schreckte sie nicht ab, Julius war nicht mehr allein auf der Suche, Tirka versuchte für Julius eine Hilfe zu sein und Tasius könnte darauf vertrauen, dass er Freunde hatte, die ihm auf der Fährte waren, um ihm zur Seite zu stehen. Nur leider konnte er das natürlich nicht wissen, so blieb für Julius und seine Tirka nur zu hoffen, ihn bald zu finden.

Sie trafen niemanden auf ihrem Weg durch das karge Land. Nach zwei Nächten und zwei Tagen hatten sie es fast geschafft. Die Berge von denen man sprach, waren schon in Sichtweite. Julius und Tirka machten eine Rast, um sich nochmal zu stärken und dabei dachten sie sich eine Geschichte aus, die glaubwürdig sein musste und vor allem gleich, wenn man sie befragen sollte, damit rechneten sie. „Wir sagen dass du meine Frau bist und wir suchen eine neue Heimat. Da man uns in unserem alten Dorf nicht mehr wollte. Uns wird die Ketzerei nachgesagt. Bevor wir auf dem Scheiterhaufen landen, sind wir her gekommen“, sagte Julius.

Tirka wusste nicht ob sie damit so einverstanden war, denn der Ketzerei beschuldigt zu werden, war doch schon sehr theatralisch, außerdem würde es keiner zugeben, selbst wenn es so wäre. Deshalb schlug sie vor: „Besser wäre es, wir hätten uns heimlich unsere Liebe gestanden, wären geflohen, denn unsere Eltern wären damit nicht einverstanden gewesen, zumal wir schon anderen versprochen wären. Und nun suchten wir nach einem Ort uns niederzulassen, zu heiraten und eine Familie zu gründen.“

Das schien auch für Julius eine bessere Geschichte zu sein, obwohl er sich selbst noch nicht als Ehemann und Vater von Kindern sah. Er stimmte zu.

Die weite Ebene wurden immer unebener, Steine und Geröll, das den Weg versperrte und das Laufen viel beschwerlicher machte. Julius und Tirka standen plötzlich an einer hohen Felswand, beide schauten hinauf. Da hoch mussten sie kommen. Auf dem ersten Blick kein Weg weit und breit. An einer versteckten Stelle fand Tirka einen kleinen Pfad, der in der Felswand hinauf führte. Beide gingen hintereinander diesen Pfad hinauf, Tirka vorweg. Oben angekommen standen sie ganz still und blickten über den Horizont. Da waren sie nun, angekommen im Land Kaskur. Das Land vor dem sich so Viele fürchteten, aber diese zwei Gefährten nicht, sie hatten eine Mission.

Julius und Tirka starrten in eine ausgetrocknete, weite Steppe. Hier wuchs kein einziger Grashalm. Kein einziger Baum war zusehen und wenn dann nur noch die Reste von Bäumen, vertrocknet und vom Wind gebrochen. Viel weiter in der Ferne sahen sie sie, bei dieser ungewöhnlich klaren Sicht, die Festung von Kieran. Sie war anscheinend sehr groß und wuchtig und deshalb machte die Festung auch Angst. Die beiden Gefährten schauten sich an, nahmen sich an die Hand und marschierten in diese Richtung, in der Annahme, Tasius hätte den gleichen Weg gewählt, denn irgendwie zog auch sie diese Festung magisch an.

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