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Drei Tage

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Ein Klopfen an meiner Tür ließ mich hochfahren. Wer konnte denn das sein? Um diese Zeit?

Außerdem war ich ja gar nicht daheim, sondern in einem kleinen Zimmer in einem schäbigen, dafür aber umso billigeren Studentenheim. Hier in D., wo ich den Sommer über den verantwortungsvollen Job am Empfang eines Unternehmens machen durfte. Immer freundlich, immer lächeln.

Also meine Freunde konnten es nicht sein. Weil die paar echten Freunde, die ich hatte, waren alle auf Urlaub gefahren; mit ihren Eltern oder allein.

Nicht dass ich nicht auch gern eine größere Reise gemacht hätte, aber als Student kann ich mir keine größeren Sprünge erlauben. Seit meine Eltern vor zwei Jahren bei einem Unfall getötet worden waren, musste ich gut haushalten, um mit der kleinen Waisenrente auszukommen. Ich hatte unsere große Wohnung verkauft und war in eine kleinere in billigerer Lage gezogen, um Geld zu sparen, aber auch um quälenden Erinnerungen zu entkommen.

Wieder klopfte es.

»Wer ist da?«, fragte ich hinter der Tür stehend.

»Ich bins, Sascha.«

»Sascha wer?«

»Nattlinger. DER Sascha. Morgentau21.«

Ungläubig öffnete ich die Tür.

Tatsächlich, das war Sascha. Ich war so baff, dass ich nichts sagen konnte, sondern einfach nur da stand.

»Hey! Darf ich reinkommen? Willst Du mich gar nicht begrüßen?«

»Oh. Wie? Was?« Langsam kehrten meine Sinne wieder zurück.

»Oh ja. Natürlich«, druckste ich ein bisschen verlegen.
»Hallo mein Morgentau. Hm, redet sich ein bisserl komisch. So in echt mein ich.«

»Stimmt, bisher haben wir ja auch nur übers Internet miteinander geredet.«

»Wie, wie kommst du eigentlich hier her? Ich mein das sind doch fast 600km. Das fährt ma doch nicht mal eben so auf Verdacht zum Kaffee.«

»Schon richtig. Aber ich wollte dich einfach mal kennen lernen. Und da uns ja leider bisher immer was dazwischen gekommen ist, hab ich mir gedacht, wer keine Pläne schmiedet, dem kann auch nix dazwischen kommen und bin einfach drauflosgefahren. Du hattest mir ja auch mal ungefähr erzählt, wo du arbeiten und wohnen wolltest und so hab ich dich einfach heut nach der Arbeit abgepasst und bin dir nachgegangen. Sexy Hüftschwung übrigens.«

Ich wurde rot.

»Noch sexier als ich ihn mir vorgestellt hatte.«

Sascha grinste.

Und er sah unverschämt gut aus, wenn er grinste.

Wie einem Poster entstiegen. Zu gut, um wahr zu sein. Zu gut, um hier in meinem schäbigen Zimmer zu stehen.

Irgendwie war ich immer noch nicht sehr gesprächig. Ich konnte es einfach nicht fassen. Nicht nur, dass dieser 22jährige Adonis schon geraume Zeit aufs heftigste mit mir übers Netz flirtete, nein, jetzt stand er sogar in lebensgroß vor mir. Hier. Und jetzt. Und ganz in echt. Und flirtete schon wieder mit mir.

Und streckte mir seinen viel zu gut gebauten Hintern entgegen, als er seinen großen Rucksack am Boden abstellte.

»Also ich könnte jetzt echt was zu Essen vertragen«, meinte er mit verführerischem Augenaufschlag. »Wo gibts denn hier eine Burgerversorgungszentrale?«

»Warte, ich zieh mir nur schnell noch Schuhe an. Und n andres Hemd.«

Nachdem er keinerlei Anstalten machte, sich umzudrehen, zog ich mir das Hemd einfach aus und ging zum Kasten, um ein anderes zu holen.

»Also die Photos haben echt schamlos untertrieben. Wenn ich mir das hier so anschaue. Du schaust wirklich gut aus.«

Und wieder mal signalrot. Irgendwie brachte er mich immer wieder dazu, verlegen zu werden.

Ich fand mich zwar ganz ok, aber nicht unbedingt so toll, dass ma dann so ins Schwärmen geraten musste.

Rasch griff ich mir eines der engeren Hemden aus dem Kasten und zog mich an.

»So, von mir aus können wir.«

»Na dann mal los, mein Süßer.«

Mit einem Klaps auf den Hintern jagte er mich zur Tür raus.

»Und du bist echt einfach so wegen mir so weit gefahren?«

Ich konnte es echt noch immer nicht ganz fassen.

»Aber klar. Ich hatte grade Zeit und wollte dich jetzt endlich auch mal in echt sehen. Und ich muss sagen, es hat sich gelohnt.«

Sprachs und zog mich zu sich ran. Irgendwie konnte ich es kaum glauben. Sollte das endlich die Erfüllung meiner Träume werden? Der Lohn für all die kalten, einsamen Nächte, in denen ich mich nach einem Freund gesehnt hatte? Jemanden, der mich einfach hält und liebt.

Dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er wieder weg musste, ignorierte ich einfach. Ich wollte einfach das Gefühl genießen. Richtig und echt verliebt zu sein. Geliebt zu werden. Begehrt zu werden.

Schon bald waren wir in der Frittenzentrale angekommen. Verliebt suchten wir uns ein ruhiges Plätzchen und holten uns ein paar Burger mit Zubehör.
Wir hätten aber ebenso gut die Schachteln essen können, weil wir nur Augen für uns hatten. Und ich spürte, dass heute DER Tag war.

Der Tag, an dem ich meine Unschuld ablegen würde. Sie würde sanft von mir abgleiten wie ein Mantel aus feinster Seide. Und es wird schön werden. Einzigartig. Orgasmisch sozusagen.

Nachdem wir unsere Burger verdrückt hatten, zeigte ich Sascha ein wenig die Stadt. Verliebt bummelten wir durch die Straßen. Wir entdeckten gemeinsame Vorlieben für Blumengeschäfte und für ausgefallene Musik.

Zwei Stunden taperten wir so durch die Gegend und landeten schließlich in einer Eisdiele, wo wir gemeinsam eine große Portion »Heißer Liebe« löffelten. Für den prüden Teil der Menschheit wäre wahrscheinlich schon die laszive Art, wie wir unser Eis genossen und die Löffel ableckten, Grund genug für einen Herzinfarkt gewesen.

Nachdem auch das beste Eis irgendwann aufgegessen ist, setzten wir uns nachher in den Park, horchten den Vögeln bei ihrem geschäftigen Umtreiben zu und bewunderten gemeinsam den Sonnenuntergang.
Es war schon faszinierend, wie sich der Feuerball allabendlich in eine große blutrote Scheibe verwandelte, die dann eigentlich erstaunlich schnell hinterm Horizont verschwand.
Aneinandergeschmiegt saßen wir da und schauten verträumt in die Richtung, wo gerade eben noch die Scheibe verschwunden war.
Und dann war es so weit. Wir drehten uns zueinander und Sascha schaute mir tief in die Augen und ich in seine. Sie schienen richtig zu strahlen und leuchteten in der Dämmerung. Ich wollte etwas sagen, aber er legte nur seinen Finger auf meine Lippen und bedeutete mir zu schweigen.
Behutsam zog er seinen Finger weg und seine Lippen näherten sich den meinen.

Ich konnte die Wärme seiner Lippen schon spüren noch bevor sie mich berührten.
Es war als ob er, als ob wir beide Fieber hätten.
Sanft trafen sich unsere Lippen, verschmolzen glühend miteinander.
Schon alleine diese sanfte Berührung löste ein unglaubliches Glücksgefühl in mir aus. Ich wollte lachen, schreien, tanzen, singen und vor allem ich wollte nie mehr aufhören.

Vorsichtig begehrte seine Zunge Einlass und was ich nie für möglich gehalten hatte, das Gefühl wurde noch intensiver. Es war so schön, dass ich zu vergehen glaubte.

Wir hatten bestimmt eine halbe Stunde oder länger so geknutscht, bevor wir eine Pause einlegten. Inzwischen war es ganz finster geworden und nur ein paar Laternen gaben etwas Licht. Ich fühlte neben einer unmissverständlichen Latte etwas Feuchtes an meinem Oberschenkel. Nach einer kurzen Schrecksekunde wurde mir klar, dass ich wohl zuerst allein durchs Küssen einen Orgasmus gehabt hatte.
Dieser Typ brachte mich um den Verstand.

Hand in Hand spazierten wir gemütlich und verliebt zurück zum Studentenheim. Immer wieder drückten wir uns mal in einen Winkel für eine Runde Fummeln oder Knutschen. Ich schwebte echt im 7. Himmel. Es war einfach zu schön, um wirklich wahr zu sein.

Im Heim angekommen schafften wir es kaum noch bis ins Zimmer, bevor wir regelrecht übereinander herfielen. Also ausgezogen fand ich Sascha noch mal so scharf. Dabei war er schon mit Gewand einfach atemberaubend.

Tja, was dann noch passierte in dieser Nacht war einfach zu schön, um es in Worte zu fassen. Aber soviel sei gesagt: Ich behielt recht und verlor meine Unschuld.

Am nächsten Morgen wurde ich wach, weil sich mein linker Arm irgendwie taub anfühlte. Erschrocken wollte ich hochfahren, aber etwas Schweres lag auf meinem Arm. Schön langsam wurde ich wach und erinnerte mich. Sascha lag auf meinem Arm und hatte sich dicht an mich geschmiegt. Daher auch der eingeschlafene Arm. Aber ich brachte es nicht übers Herz, ihn zu wecken. Er sah einfach zu süß aus, wie er hier so an mich gekuschelt lag, die Decke bis zur Hüfte runtergerutscht.
Ja, dieser Typ sah wirklich umwerfend aus, und wenn es so etwas wie die große Liebe gibt, dann musste es sich wohl genau so anfühlen. Ich hatte ein Gefühl als hätte ich eine Schmetterlingsfarm im Bauch. Lachen, Weinen, Schreien, ich hätte alles gleichzeitig machen können. Es war einfach wow, Wahnsinn.

Irgendwann wurde dann auch Sascha wach, räkelte sich ein wenig und gab meinen Arm wieder frei. Als dann irgendwie das taube Gefühl nachließ, spürte ich dafür eine andere Gegend umso mehr. Sascha hatte nämlich als kleine »Entschädigung« begonnen, mich intensiv zu massieren. Und schon bald war ich wieder kurz davor, meinen Verstand zu verlieren. Er schien einfach tausend Hände zu haben, die überall gleichzeitig waren und streichelten, kneteten, zupften und liebkosten.

Ich hätte wirklich nichts dagegen einzuwenden, jeden Morgen so begrüßt zu werden. Ok, ich wäre dann wohl nicht mehr zu viel zu gebrauchen, weil nachher war ich wieder einmal ein klein wenig ausgepumpt. Aber das war ja auch kein Wunder, so intensiv, wie ich die Zärtlichkeiten und den Sex mit Sascha erlebte.

Den größten Teil des Wochenendes verbrachten wir damit, alles das zu tun, was zwei verliebte Jungs halt so tun.
Aber wie halt das Leben so ist, nichts währt ewig. Und so ging auch dieses traumhafte Wochenende mal zu Ende, auf mich wartete eine neue Arbeitswoche und Sascha musste wieder zurückfahren. Und so kam er, der unvermeidliche Sonntagabend des Abschieds. Wir hatten gerade noch einmal wunderschönen Sex gehabt und doch fühlte ich mich wie ausgespuckt. Ich hatte auch das Gefühl, dass da noch mehr in der Luft lag, als dieser Sonntagabendabschied. Aber ich konnte nicht näher bestimmen, war dieses Gefühl mir sagen wollte oder woher das kam.

Sascha küsste mich sanft auf die Lippen. »So, jetzt ist wohl Zeit zu gehen«, sagte er leise.

»Ich wünschte, du könntest bleiben.« Ich spürte Tränen in mir aufsteigen.

»Du weißt, dass das mit uns nicht gut gehen würde. Was würde von uns bleiben, wenn die Leidenschaft nicht mehr so unbarmherzig lodert?«

»Sag das nicht! Ich liebe dich! Ja, ich liebe dich«, sagte ich mit tränenerstickter Stimme.

»Tu das nicht, Kleiner. Es hätte keinen Sinn. Ich bin nicht der, für den du mich hältst.«

»Das ist mir egal«, antwortete ich trotzig. »Ich liebe dich und das kann nichts so schnell ändern.«

»Du darfst mich nicht lieben. Hörst du? Ich hätte nicht kommen dürfen.«

»Warum? Was spricht dagegen?«, presste ich mit gebrochener Stimme hervor.

»Ich fahre heim zu meinem Freund, den ich nächstes Wochenende heiraten werde. Wir hatten uns beide ausgemacht, noch mal ein letztes Wochenende als Junggesellen zu verbringen, bevor wir uns auf ewig treu sein werden. Jetzt bereue ich, dass ich das mit dir getan habe. Du hättest was Bessres verdient gehabt. Es tut mir leid.«

Er stand auf und küsste mich noch mal sanft auf die Lippen.

Ich brachte kein Wort heraus, sondern brach nur mehr in Tränen aus. Eine einzelne Träne lief seine Wange runter, als er seine Reisetasche nahm, sich noch mal umdrehte, die Hand zum Gruß hob und dann verschwand.

Er ließ mich zurück. Allein, leerer denn je zuvor. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört. Von meiner ersten Liebe, die ein Wochenende dauerte und mir das Herz gebrochen hat.

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