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Sie waren ein Paar

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Sie waren ein Paar

Sie waren ein Paar, ein Liebespaar.

Zwei ältere Männer, die immer Arm in Arm gingen, einen kleinen Rauhaardackel an der Leine, ebenso alt wirkend, wie die beiden.

Sie sahen sich verliebt an, wann immer sie miteinander sprachen. Nie sahen wir den Einen ohne den Anderen.

Der offenbar Jüngere war ein Niederländer, so Ende 50. Sein Partner kam aus dem Ort, wir kannten ihn seit Langem. Er war sicher schon 60.

Sie wohnten in unserer Wohnanlage, unweit von unserem Zuhause, in der Anonymität der Wohnghettos.

Wenn wir sie am Wochenende auf dem Weg zum Einkaufen trafen, blieben wir immer stehen und wechselten ein paar Worte mit ihnen. Zuerst, kurz nach unserem Einzug dort, waren beide etwas misstrauisch und zurückhaltend. Niemand sprach sonst mit ihnen. Nicht nur, weil sie in einer schwulen Beziehung lebten, sondern weil sich hier jeder nur um sich kümmerte.

Erst, als sie die Erfahrung machten, dass wir sie immer und immer, wenn wir uns trafen, freundlich begrüßten und einen Plausch mit ihnen hielten, tauten sie langsam auf.

Bei jeder unserer Begegnungen merkten wir, dass sie sich freuten, uns zu sehen, mit uns sprechen zu können.

Wir erfuhren nach und nach mehr über sie. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt mit einer kleinen Schleifendruckerei, die sie wohl günstig übernommen und erworben hatten, sie bedruckten Schleifen für Trauerkränze.

Allmählich verloren sie jegliche Berührungsängste und sprachen frei und ohne Scheu mit uns über ihr Leben, wie sehr sie sich liebten, ohne einander nicht sein könnten.

Und dann war der Holländer plötzlich gestorben. Ganz ohne Vorbereitung, ohne, dass sich der andere auf ein Leben allein hätte einstellen können. Keine Krankheit, kein Unwohlsein hatte ihn gewarnt.

Als wir ihn am Tag nach dem schockierenden Ereignis trafen, ahnungslos, von nichts wissend, und ihn – natürlich – nach seinem Gefährten fragten, konnte er vor Weinen kaum sprechen. Er verlor völlig die Fassung, und wir brachten ihn nach Haus in seine Wohnung, die er nun nur noch mit seinem kleinen Hund teilte. Wir blieben lange bei ihm, bis er sich ein wenig gefasst hatte und sich schlafen legte, und gingen dann still unserer Wege.

Die Beerdigung sollte, dem Wunsch des Freundes entsprechend, in aller Stille stattfinden, und er bat uns um Verständnis, dass wir nicht teilnehmen konnten.

In den folgenden Tagen und Wochen kümmerten wir uns besonders um ihn, denn er war nun ganz ohne einen Ansprechpartner, einzig sein Hund verhinderte wohl, dass er ganz das Interesse verlor, in den Suff sackte oder sonst eine Flucht antrat.

Und allmählich, ganz allmählich ging es ihm wieder etwas besser.

Und als wir dort wegzogen, konnten wir ihn beruhigt dort lassen. Er hatte das Leben wieder aufgenommen, hat aber seitdem diesen melancholischen Ausdruck.

Wenn wir ihn heute treffen, bemerken wir eine traurig-würdige Haltung an ihm.

Und wir sind dankbar, dass wir uns haben, dass wir nicht allein sind, dass wir uns auf einander verlassen können.

Und sind glücklich, wenn wir ihn sehen, und sind traurig, wenn wir dann, nach dem Plausch, den wir immer noch mit ihm halten, unserer Wege gehen.

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