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Disco on 2007

Teil 3

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Inhaltsverzeichnis

Zähneknirschen

„Gut geschlafen?“, fragte ich und öffnete die Wohnzimmertür. Aber ebenso gut hätte ich mit der Wand Monopoly spielen können. Es war sinnlos. Auf die Frage konnte mir keiner antworten, denn schließlich war ja keiner da. Wo Nick nur sein könnte? Mir ging diese Frage nach. Ich suchte einen Zettel, einen Hinweis, blickte auf den im Standby ruhenden Laptop und durchwühlte den Stapel mit Magazinen und Zeitungen. Aber nichts gab Aufschluss darüber, wo er war.

KNARKS! Die Wohnungstür öffnete sich.

„Brötchen oder Croissant?“ Nick strahlte mich an, hob eine große Tüte vom Bäcker hoch und grinste mich an. Ich sah ernst zurück und antwortete: „Hast du mich jemals hier Croissants essen sehen? Ich will Brötchen!“ Wir beide fingen an zu lachen.

„Heute Nacht habe ich nicht so gut geschlafen. Es ging mir viel im Kopf umher. Ich habe in einigen Dingen überreagiert!“, sagte Nick und blickte auf den Teller, über dem er eine Semmel aufschnitt. „Dann willst du wieder zu mir ziehen?“

„Nein, Phil. Das meinte ich nicht damit. Ich sage nur, dass ich einige Dinge falsch gesehen habe. Aber das mit der Wohnung habe ich doch gestern schon erklärt. Wir Zwei werden so schnell keine WG mehr haben“, entgegnete er und legte eine Scheibe dünne Wurst auf die eine Hälfte und biss vorsichtig, fast misstrauisch dem Brötchen gegenüber, hinein.

Mich juckte seine Reaktion und Meinung nicht. Heute war erstmal ein Tag für mich. Denn der Keller hatte es mal wieder nötig, aufgeräumt zu werden. „Wenn du hier bleiben willst, dann sei mein Gast, aber ich muss gleich leider was tun. Kennst meine Unordnung im Keller ja. Und bevor du fragst, ich schaff das schon alleine“, sagte ich. „Okay, dann gehe ich gleich heim. Danke für die Gastfreundschaft!“ Er konnte so kühl sein. Es klang so, als würde es ihn auch nicht weiter interessieren. Immerhin wollte er doch hierher kommen. Ich kochte innerlich. Denn es kam mir so vor, als habe er mit mir ein böses Spielchen gespielt. Warum hatte er bei mir pennen wollen? Seine Wohnung wäre viel näher gewesen.

Ich kümmerte mich nicht weiter darum. Unter der Dusche ließ ich minutenlang das warme Wasser laufen und wusch die baumelnden Körperteile besonders gründlich. Ich fing, ehrlich gesagt, an zu wichsen. Es war toll. Ich entspannte mich. Was letzte Nacht und am Abend gewesen war, vergaß ich ganz.

Am Tag darauf klingelte mein Handy. „Relax, take it easy…“ Der Klingelton, den Nick mir ausgesucht hatte. Voll schwul, aber total geiler Sound. Ich wusste, immer wenn ich Mika hörte, rief Nick an.

„Ja, wie kann ich dir helfen?“, fragte ich ihn. „Phil, wir müssen uns treffen. Schnell, sofort. Komm am Besten direkt her.“ – „Das geht nicht. Ich muss arbeiten. Heute ist der Elfte, ich muss zu einem Kunden. Schadensregulierung… Morgen habe ich mehr Zeit.“ Seine Stimme wurde laut: „Ja, vergiss es. Ich dachte, es interessiert dich, was ich zu sagen habe. Aber komm vorbei, wenn du magst, es ist deine Gesundheit, du Penner!“ – FREIZEICHEN – Er legte einfach auf. So, wie er immer reagierte, wenn er eingeschnappt war. Ich fühlte mich ein wenig vor den Kopf gestoßen. Und was hatte meine Gesundheit mit seinen Problemen zu tun? Das verstand ich nicht.

Mein Griff in den Kleiderschrank war ein Volltreffer. Schwarzer Anzug, rosa Hemd. Ein wenig schwul, aber chic. Ich wollte perfekt aussehen, wenn ich Toto beruflich traf. Perfektion war ein Streben, was sich fest in mir verankert hatte. Zu dem Anzug zog ich meine besten Schuhe und die beste Krawatte an. Der Slip fiel eher spartanisch aus. Denn wenn was passieren sollte, sollte dieser schnell runtergestreift werden können.

Ich klingelte an Totos Tür. „Jinx“ stand auf der Klingel. Ein modernes Summen erläutete und wenig später öffnete mir ein dunkelhäutiger junger Mann um die 23 Jahre die Tür. „Oh, ich wollte eigentlich zu Thorsten Jinx“, sagte ich leicht verlegen. „Mein Lebensgefährte ist gerade auf Toilette, aber kommen Sie doch rein. Im Wohnzimmer können Sie gerne Platz nehmen. Den Flur durch und dann die letzte Tür links.“ Wenn er wüsste. Ich kannte die Wohnung bereits. Aber von ihm wusste ich nichts. Vielleicht hatten sich die beiden gerade erst kennen gelernt. Ich setzte mich an den Esstisch im Wohnzimmer. Mir fielen auf einmal die vielen Bilder an der Wand auf. Auch Bilder von Toto und dem Neger. Ich sagte immer Neger, damit meinte ich nichts Böses. Es war so in meinem Kopf drin. Anders als Nigger meinte ich einfach sein Aussehen. Mich störten Ausländer nicht. Im Gegenteil. Leon war zu einem Teil Pole gewesen, und das hatte ich total geil gefunden.

Dann kam Thorsten. „Was machst du denn hier?“, fragte er mich sauer. Sein Blick musterte mich. Er sah meine Aktentasche und wusste dann wohl, warum ich hier war. Er ging zur Tür, machte sie zu und flüsterte: „Wenn du nur ein Wort von dem sagst, was ich so treibe, bring ich dich um!“ Ich erschrak ein wenig, aber nickte.

Wir gingen die Regulierung durch als wäre er ein x-beliebiger Klient. Ich blieb bei den Leitlinien und schenkte ihm keinen Cent. Was dachte er, wer er sei. Ich wusste, was er war. Ein billiger Stricher, der sich in einem dunklen Keller verkaufte, wie sich alle, mich eingeschlossen, verkauften. Mir zu drohen war ein Fehler. Während des Gesprächs siezte ich ihn, das verwirrte ihn. Kein Lächeln, nicht einmal ein Schmunzeln ließ ich mir von ihm aus der Reserve locken. Unzufrieden und bittend sah er mich an, aber ich schaute drüber hinweg. Toto wurde sauer: „Wofür bezahle ich so viel an deine scheiß Gesellschaft und bekomm dann nur Bruchteile ersetzt?“ Ich konnte seinen Zorn verstehen. Seine Wohnung war glamourös, aber er konnte sie allein nicht so eingerichtet haben. Das Geld, was er verdiente, würde nicht reichen. Wahrscheinlich hatte er einmal was geerbt. Nun wollte er diesen Standard beibehalten. „Was arbeitet eigentlich Ihr Lebensgefährte?“, fragte ich ihn, als sei es Teil der Police. Dabei war ich nur neugierig. „Er ist Student in Basel. Er ist nur am Wochenende und in den Semesterferien hier“, antwortete Toto. Also konnte er im Studium durch die Gegend ficken. Vielleicht nahm er auch Geld für den Sex, wenn er ihn mit älteren hatte, um sich die Wohnung zu finanzieren. Der Freund konnte sich als Student diese Einrichtung auch nicht leisten.

Ich machte mir Gedanken, wie die beiden sonst so lebten. Ob sich Totos Freund nicht auch fragte, wie all die schönen Dinge in die Wohnung kamen. Dennoch wusste ich, dass Thorsten seinen Freund liebte. Denn sonst hätte er mich nicht bedroht und darauf gedrängt, dass ich die Klappe hielt.

„Ich werde Ihnen einen Scheck ausstellen. Allerdings muss ich auf das Gutachten des Sachverständigen warten. Rechnen Sie in zehn Tagen mit der Post“, sagte ich trocken und sachlich. Ich war ja ein Vollprofi. „Vielen Dank“, antwortete Thorsten, wobei er meine Diskretion meinte und nicht meine Kompetenz im Schadensfall. Dass ich aus Boshaftigkeit die Regulierung herabsetzen konnte, daran dachte er nicht. Mein Bedarf, ihn noch mal zu sehen, war gleich Null. Ich wollte nur schnell aus der Wohnung.

Wenn der Herbst kommt

Nick wollte mir ja noch etwas sagen. Aber er war zum Kuckuck nicht zu finden. Ich telefonierte, rief bei ihm aufs Handy an. Aber mehr als die Mailbox erreichte ich nicht. Dann fiel mir ein, er musste doch in der Uni sein. Ich stieg in mein Auto, was auf der Straße vor Totos Wohnung parkte und fuhr auf den Campus. Ein komischer Ort. Leon wäre jetzt bestimmt auch hier, wenn er noch da wäre, ging mir durch den Kopf.

Die Atmosphäre ähnelte einem Film. Alle Studenten sahen gut aus. Jung, knackig und gebildet. Ich dachte mir: Nick arbeitet im Paradies. Aber dennoch half mir das alles nichts bei der Suche. Irgendwann erinnerte ich mich, was für einen Schwachsinn er studierte und ging den Schildern nach in die richtige Richtung.

Irgendwann war ich im Auditorium Maximum. Ein riesiger Hörsaal mit 1000 Plätzen, die allerdings nur mäßig besetzt waren. Ich blickte eine Zeit lang durch den Saal, bis ich Nick in der achten Reihe sitzen sah. Er hatte einen Block und einen Stift auf seinem Pult liegen und bereitete sich für die Lesung vor. Ich ging zu ihm hin und fragte ihn, was er von mir wollte. „Hi, du wolltest mir doch was sagen?“ Er blickte mich böse an: „Aber nicht jetzt und auch nicht hier! Ich habe jetzt eine Ethik-Lesung. Das ist etwas, was dich eh nicht interessiert. Fahr heim, ich komm bei dir vorbei!“

Wieder maulte er mich an, denunzierte mich. Ließ mich spüren, dass ich unerwünscht war und nicht so ein Student wie er. Sondern nur ein normaler Typ mit Schulbildung. Nicht einmal Abitur. „Weißt du was, ich fahr nach Hause, aber wegen mir musst du nicht vorbeikommen. Ich brauch dich nicht.“ Er sah mich schweigend an.

Mittlerweile war ein alter weißhaariger Mann in den Saal gekommen und fummelte an einem alten Overhead-Projektor herum. Dann legte er eine Folie auf und begann ohne Begrüßung mit seiner Lesung. Von da an interessierte sich Nick eh nicht mehr für mich. Ich wollte gerade hinausgehen, da fragte mich dieser alte Kauz: „Wo wollen Sie denn hin, junger Mann? Denken Sie, Sie kennen sich gut genug aus? Es wäre bestimmt besser, wenn Sie bleiben würden.“

Ich drehte mich um, ging auf den Professor zu und sagte: „Wissen Sie, ich arbeite für eine Versicherung. Da kennt man die ganzen Tricks mit Ethik und Psychologie.“ Der Dozent sah mich fragend an, ließ sich aber nicht anmerken, aus der Ruhe gekommen zu sein: „Inwiefern Tricks?“

„Ja, wissen Sie, wenn ich eine Versicherungspolice an den Mann bringen will, dann muss ich die Scheiße so präsentieren, als sei sie ein fester Bestandteil im Leben des Kunden, und ich rede ihm Schuldgefühle ein, dass er noch keine solche Versicherung hatte. Das ist ethisch gesehen eine Schweinerei und psychisch gesehen ein böses Mittel, aber die BWL sagt mir, dass ich das richtige getan habe. Ethik zu lehren und anzuwenden sind zwei verschiedene Dinge!“

Die Studenten, die unsere Unterhaltung mitbekommen hatten, jubelten und klopften auf den Tisch. Das erste Mal seit langem fühlte ich mich stark. Ich hatte es diesem Dozenten gezeigt.

Nach der Lesung wartete ich im Vorraum des Audi Max auf Nicklas. Die Menge von jungen Leuten ging rasch an mir vorbei. Alle wollten in die Mensa. Hunger, ja der Hunger trieb auch mich schon manchmal eiliger in die Kantine, als es mir lieb war. Für mich war Großküchenessen nichts. Schließlich hatte ich immer jemanden gehabt, der mich kulinarisch verwöhnte. Sei es Mama, Leon oder Nick gewesen. Nur derzeit hatte ich keinen.

„Hey Kleiner, wie war die Lesung noch?“, fragte ich ihn, ohne mir was dabei zu denken. „Das fragst du noch? Hast doch den spannendsten Teil mitbekommen.“

Das Thema war sehr falsch von mir gewählt.

„Du wolltest mir noch was sagen, deswegen bin ich hier.“ Ich versuchte ihn anzulächeln, aber das brachte nicht viel. „Wir reden, wenn wir zu Hause sind. Kannst du mich mit runter nehmen, oder soll ich den Bus nehmen?“ Klar konnte ich ihn mit nach Hause nehmen, aber es war nicht mehr unser, sondern sein Zuhause.

Wir fuhren Richtung City und hörten Radio. Er saß stumm im Wagen. Sagte kein Wort. Ich wollte den Sender umstellen, da sprach er: „Philipp, warum bist du so dumm?“ Ich erschrak, denn immerhin wusste ich nicht, was er meinte. „Hä, was?“, fragte ich. „Du weißt, was ich meine. Der Abend, an dem wir uns im Liberty trafen. Warum kannst du nie Gefühle zeigen?“ In mir wurde es kalt. Ich stellte mir gerade vor, wie dieser Abend abgelaufen war. Erst das anonyme One-Night-Stand-Geficke und dann die Szene mit Nick, der nicht wusste, ob er Fleisch oder Fisch war. Was war aber an mir so kalt? Hätte ich ihm Dinge sagen sollen, die ich nicht so meinte? Nein.

Also fuhr ich ohne zu reagieren weiter. Ich spürte die Enttäuschtheit und die Wut, die Nick in sich trug. Das war alles ein wenig viel für ihn. Klar hätte er gerne gehört, dass ich ihn liebe. Ich hätte nicht einmal gelogen, aber so wie ich mich seit Leons Tod verändert hatte, so hatte sich Nick seit dem Abend verändert, wo ich ihn mit ins Liberty genommen hatte. „Willst du dazu gar nichts sagen?“

„Da gibt es nichts zu sagen, ich war mir nicht ganz klar, was du von mir wolltest. Auf der einen Seite liebe ich dich. Auf der anderen Seite sind wir befreundet. Was sollte da deiner Meinung nach überwiegen?“ Nick sah ein, dass ich nichts hätte machen können. Wenn man mit den Gefühlen unsicher ist, gibt es kein Rezept.

Ich setzte ihn bei ihm zu Hause ab. „Magst du nicht mit reinkommen, Phil?“ fragte er mich. „Klar, wenn du magst, aber ich will dich nicht in Verlegenheit bringen und tu es bitte nicht mit mir.“ „Nein, keine Angst, das passiert schon nicht.“ Ich folgte ihm in seine neue Wohnung. Toll, wie sie glänzte. Das faszinierte mich. Er war wirklich eine perfekte Hausfrau. Meine süße Hausfrau.

„Kekse?“ Er lächelte mich an. „Nein, ich will nicht so fett werden wie du“, gab ich frech zur Antwort. Er kam aus der Küche ins Wohnzimmer, in dem ich auf dem Sofa saß und auf ihn wartete, stellte sich vor mich hin, hob sein Shirt hoch und sagte: „Was soll hieran fett sein?“

Ich sah seinen Bauch. Mann, waren das Muskeln! Nicht ein Gramm Fett und dann die süßen Haare, die um seinen Bauchnabel tänzelten und eine Strasse in die Leistengegend bildeten. Ich fasste mit meinem rechten Zeigefinger sein Sixpack an und fühlte, wie hart es war. Ich schloss ein wenig die Augen und genoss es, meinen Fingerdruck zu spüren. Von nun an sagten wir kein Wort mehr, sondern es passierte, wovon keiner von uns zu träumen gewagt hatte…

Nachwort

Neugierig, wie es weitergeht? Ja, kann ich mir denken. Aber Leute, es kommen so viele Anfragen, da habe ich den Teil 3 etwas kürzer gehalten. Lasst mir für Teil 4 bissel Zeit. Das wird definitiv was Längeres und was Schönes für die Weihnachtszeit. Ich verrate mal soviel: Philipp und Nicklas werden sich näher kommen.

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