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Der Wunschzettel

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Vorwort

© 2005 Peter Conrad – Peter_Co@web.de


Diese Geschichte spielt in Amerika, wo bekanntlich die Bescherung nicht Heiligabend stattfindet sondern der Weihnachtsmann die Geschenke in der Nacht zum 25.12. heimlich abliefert.

Der Wunsch-Zettel

*Schepper*

Ich schrak auf, aus dem Schlaf gerissen durch ein lautes, blechernes Geräusch. War es jetzt etwa soweit? Ich schaute auf die Uhr: kurz vor zwei sagten die Leuchtzeiger. Schon recht spät, letztes Jahr war er viel früher dran. Aber vielleicht war er es ja, der da jetzt mit irgendwas rumgescheppert hatte?

Ich erhob mich von der Couch und streckte meine Glieder. Es war wohlig warm, im Kamin flackerten die Flammen und tauchten das Zimmer in ein unruhiges, anheimelndes Licht. Da, wieder das Scheppern! So tollpatschig hatte er sich ja noch nie angestellt. Ich flitzte zum Fenster und starrte hinaus in die dunkle Nacht, nur erhellt von ein paar einzelnen Straßenlaternen und der üblichen Festbeleuchtung. Mist. Es war wohl doch nur Nachbars Katze, jedenfalls saß das rotgetigerte Viech neben dem umgeworfenen Blecheimer, in welchem sich eigentlich unser Streusand befand. Blödes Ding, konnte nichts als Schaden anrichten. Er ließ also weiter auf sich warten.

Wer auf sich warten ließ? Na auf wen konnte ich mitten in der Nacht vom 24. zum 25. Dezember wohl warten? Santa Claus natürlich! Santa gibt es gar nicht? Haha, ungläubiges Volk. Natürlich gibt es ihn. Wir kennen uns recht gut, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass wir befreundet sind. Kennengelernt haben wir uns vor 9 Jahren, da war ich gerade 7 Jahre alt geworden und hatte bei meiner Geburtstagsfeier wohl etwas zuviel Coke in mich reingeschüttet, jedenfalls trieb es mich nachts aus dem Bett und ich schlich durchs Haus zur Toilette. Plötzlich hatte ich aus dem Wohnzimmer ein leises Geräusch gehört, und neugierig wie ich war, ging ich rein um nachzuschauen.

Man kann sich wohl meinen enormen Schock vorstellen, als da plötzlich Santa Claus in unserem Wohnzimmer stand. Ich war ja mittlerweile ein großer Junge und glaubte nicht mehr an den Weihnachtsmann – ihn dann leibhaftig vor mir zu sehen erschütterte mein gerade gefestigtes Weltbild über die Nichtexistenz von Santa Claus, der Zahnfee und dem Monster unterm Bett bis in die Grundfesten. Ich schrie auf und machte mir vor Schreck in die Hosen – eine Peinlichkeit, die bis an mein Lebensende untrennbar mit jedem Gedanken an Weihnachten verbunden sein wird. Santa selbst ging es nicht viel besser. Okay, er machte sich nicht in die Hosen, aber als er sich zur Quelle des Aufschreis umdrehte und mich sah, erstarrte er regelrecht vor Schreck. Hätte er nicht tun sollen. Jedenfalls nicht direkt vorm Kamin. Im nächsten Moment züngelten kleine Flammen am Saum seines roten Mantels – was er jedoch gar nicht bemerkte. Ich hingegen schon, und das war es wohl, was mich meinen soeben erlittenen Schock sofort wieder vergessen ließ. Ich fing an zu kichern.

»Ja, was lachst du denn so? Hast du noch nie den Weihnachtsmann gesehn?«

»Doch, schon einige, aber noch keinen mit brennendem Mantel!«

Das verpasste Santa dann den zweiten Schrecken innerhalb kürzester Zeit, und nachdem er sich gelöscht hatte, musste er auch darüber lachen. Aus diesem unerwarteten Zusammentreffen entwickelte sich über die Jahre eine Freundschaft, ich richtete es immer so ein, dass ich ihn beim Vorbeibringen der Geschenke treffen konnte, und er versuchte auch nicht mehr, sich vor mir zu verbergen, wie er es üblicherweise bei allen anderen Kindern tut. Er meinte, es hätte ja eh keinen Sinn mehr, ich wüsste ja sowieso über ihn Bescheid – außerdem wäre ich was ganz Besonderes. Nicht jeder hat am 24. Dezember Geburtstag. Ich schon. Oft genug setzte ich ein »leider« mit dazu. Trotz aller Bemühungen meiner Eltern um Gerechtigkeit erhielten alle meine Freunde, die übers Jahr Geburtstag hatten, zusammengenommen mehr Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke als ich. Das Leben ist ein fieser Geselle.

So, wo jetzt hoffentlich sowohl die Existenz von Santa als auch meine persönliche Beziehung zu ihm geklärt wäre, kann es weitergehen. Seufzend ging ich zur Couch zurück. Es war die Katze, und nicht der Weihnachtsmann – sehr frei nach Shakespeare. Ich ringelte mich wieder unter meiner Decke zusammen und beobachtete die Flammen im Kamin. Sehr beruhigend. Sehr einschläfernd. Sehr *gäh...*

»Hallo Nicky.«

Was? Wie?

»He, Nicky, aufwachen!«

Oh. Mühsam hob ich die Augenlider, noch ein wenig verwirrt darüber, wer mich nun warum aus dem schönsten Schlaf riss.

»Also wirklich, Nicky, so verschlafen hab ich dich ja noch nie erlebt. Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass du mich dieses Jahr gar nicht sehen willst.«

Gähnend blickte ich den großen Mann in der roten Arbeitskluft an, der vor mir im Wohnzimmer stand.

»Sorry, Santa, du bist aber heute auch ziemlich spät dran.«

»Früh, spät, du weißt doch, dass Zeit für mich keine Rolle spielt.«

Stimmt, auch wenn er mir nie erklärt hatte wie er es schaffte, in einer einzigen Nacht Millionen von Adressen abzuklappern und Geschenke abzukippen.

»Für mich schon – es ist schon nach drei.«

»Tut mir leid, Nicky, ich musste zwischendurch das Gespann wechseln, das hat mich aufgehalten.«

»Das Gespann wechseln? Ist etwas passiert, hattest du einen Unfall?«

»Ha! Wenn es nur ein Unfall gewesen wäre! Nein, einer der Stallelfen hat mir einen Streich gespielt. Na der kann was erleben, wenn ich zum Feierabend nach Hause komme.«

Ich musste grinsen, Santa hatte mir schon oft erzählt, dass die Elfen, die ja eigentlich seine Gehilfen sein sollten, immer und immer wieder den unmöglichsten Blödsinn anstellten.

»Was war denn diesmal los?«

»Irgendwer hat den Rentieren Zwiebeln und Bohnen zum Fressen gegeben – und die doofen Viecher haben das Zeug verschlungen. Kannst du dir vorstellen wie es ist, im Schlitten hinter einer Horde von Rentieren mit Blähungen herzufliegen?«

Ich musste lachen, das war wirklich eine wahnsinnige Vorstellung.

»Hätte ich ein Streichholz angezündet, dann hätte ich einen Raketenschlitten gehabt.«

»Haha, dann wäre dir diesmal nicht nur der Mantel angekokelt worden sondern auch gleich noch der Bart.«

»Lach du nur, Nicky. Das hat mich eine ganze Stunde gekostet, und ich musste ... aber halt, das geht dich gar nichts an. Ein paar Geheimnisse muss ich schon noch für mich behalten.«

»Du hättest ja gleich hier vorbeikommen können, ich hätte dich mit dem Auto gefahren.«

»Ach ja, du bist ja jetzt 16 und hast den Führerschein, oder?«

»Ja, gestern ganz frisch bekommen. Wurde ja auch Zeit.«

»Herzlichen Glückwunsch, übrigens auch noch nachträglich zum Geburtstag.«

»Danke.«

»Aber das wäre trotzdem nichts geworden, Geschenke im fliegenden Auto verteilen? Da würde ja die gute alte Tradition endgültig über Bord gehen. Außerdem heiße ich Santa Claus und nicht Harry Potter.«

»Du siehst ihm aber ähnlich, so mit der komischen Brille.«

»Hach ja, auch ein Weihnachtsmann wird nicht jünger. Letztes Jahr hatte ich riesigen Stress mit Mrs. Santa, weil es einen Haufen Reklamationen gegeben hat, also hab ich mir diesmal lieber eine Brille besorgt.«

Oh ja, Stress mit Mrs. Santa, der gute alte Herr stand zuhause ziemlich unterm Pantoffel. Aber das interessierte mich nun doch.

»Was für Reklamationen?«

»Naja... Ich hab ein paar Sachen nicht richtig entziffern können, manche Leute haben aber auch eine Sauklaue, und unsereiner soll dann die Wunschzettel alle lesen können!«

Ich musste grinsen, auch ich hatte so eine Sauklaue und schrieb daher meinen Wunschzettel seit Jahren am Computer.

»Eine Mrs. Sourbread wollte ein paar Flummys zum Spielen für ihre Katzen – ich hatte Gummis gelesen.«

Ich lachte laut los, hielt mir dann aber schnell die Hand vor den Mund, schließlich sollten die anderen Leute im Haus nicht aufwachen.

»Blöderweise ist Mrs. Sourbread 89 Jahre alt und eine pensionierte katholische Nonne. Dass die nicht gleich vor Schreck in den Himmel gefahren ist wundert mich heute noch.«

Ich konnte mich kaum noch halten, vor Lachen wäre mir nun beinahe das passiert, was mir vor 9 Jahren vor Schreck passiert war.

»Seit wann bringt denn der Weihnachtsmann Kondome?«

»Guck nicht so verwundert, die Wünsche haben sich in den letzten Jahren ziemlich verändert. Liebe und Sex spielen eine immer größere Rolle, jedenfalls vom Teenageralter an aufwärts. Oder muss ich dich an deinen eigenen Wunschzettel erinnern?«

Ups.

»Okay, okay, hast ja recht. Und was ist sonst noch so passiert? Nur wegen Mrs. Sourbread wird Mrs. Santa ja nicht so ausgerastet sein.«

»Nein... Da war auch noch Oliver Milo aus Indiana, der wünschte sich sehnlichst, dass sich James in ihn verliebt. Früher hätte ich ja nie für solche Geschenke gesorgt, aber wie gesagt, die Zeiten ändern sich. Ich hab also dafür gesorgt, dass sich James in ihn verknallt und ihm nicht mehr von der Pelle rückt.«

»Und was war das Problem?«

»Oliver wollte nicht James sondern Jamie, das Nachbarsmädel...«

»Autsch...«

»Allerdings, autsch.«

»Mist, Indiana ist so weit weg.«

»Wieso?«

»Naja, vielleicht könnte ich den abgeblitzten James ja für mich gewinnen?«

»Keine Chance, der hat mittlerweile einen netten Jungen für sich gefunden. Zum Glück ließ sich das Problem mit Oliver noch reparieren.«

»Schade...«

»Warts ab, Kleiner, für dich findet sich auch noch ein schnuckliges Kerlchen.«

Hoffentlich. Es wurde langsam Zeit.

»Naja, da hatte wohl Mrs. Santa allen Grund, ein wenig verärgert zu sein.«

»Das war aber noch nicht das Schlimmste.«

»So? Ist noch was passiert?«

»Jaaaaa... Da war noch die kleine Emily aus Baton Rouge, die sich einen Hundekuchen von ihrem kleinen Chico wünschte...«

Ich stutzte.

»VON ihrem kleinen Chico?«

»Ähem... Naja... Eigentlich FÜR ihren kleinen Chico, aber das hab ich wohl auch irgendwie verwechselt.«

Moment mal.

»Chico? Baton Rouge? Ist das nicht die Töle, die dich bisher jedes Jahr gebissen hat?«

»Ja, dieses blöde Mistviech und sein verzogenes Frauchen!«

»Soso... Verwechselt also...«

»Na hör mal. ›doggie cake FOR Chico‹ oder ›doggie cake OF Chico‹ - das kann man schonmal verwechseln, wenn die Augen langsam nachlassen. Außerdem: das Mädel ist zwölf, krakelt aber wie ein legasthenischer Erstklässler.«

»Natürlich, natürlich... Wer 's glaubt...«

Santa grinste mich schelmisch an.

»Hauptsache Mrs. Santa glaubt es.«

Sag ich es nicht? Pantoffelheld.

»So, bevor ich weiter muss, hast du wieder etwas für mich?«

Grinsend zeigte ich auf den Kaminsims, wo ein Teller mit Plätzchen und eine Thermoskanne standen.

»Bedien dich. Aber pass bitte dieses Jahr auf und übertreib es nicht mit dem Glühwein. Der alte Mr. Parker hat noch drei Monate lang auf allen Flugplätzen in 100 Meilen Umkreis nachgeforscht um herauszubekommen, welcher ›verdammte Tiefflieger‹ ihm in der letzten Weihnachtsnacht eine Ecke vom Schornstein abgeflogen hat.«

»Das lag nicht am Glühwein, das lag auch nur an den Augen. Kann mir dieses Jahr nicht passieren.«

Santa tippte sich an die Brille, dann kippte er einen großen Becher Glühwein in einem Zug in sich hinein.

»Ah, das tut gut. Ist verdammt kalt da draußen, noch dazu bei der hohen Geschwindigkeit auf dem Schlitten.«

»Du könntest ja lange Unterhosen anziehen.«

»Ha, würde ich ja, aber Mrs. Santa ist dagegen.«

»Wieso das denn?«

»Sie hat Angst, dass das jemand entdeckt, zum Beispiel falls ich einen Unfall haben sollte. ›Santa, wie sieht denn das aus, der Weihnachtsmann auf dem OP-Tisch und es kommen lange Unterhosen zum Vorschein! Du machst uns zum Gespött des ganzen Nordpols!‹.«

Davon sollte sich meine Mutter mal eine Scheibe abschneiden, das mit dem »zum Gespött machen« kannte ich zur Genüge.

»So, jetzt muss ich aber wieder los. Also dann bis nächstes Jahr, Nicky.«

»Flieg vorsichtig, und schönen Dienst noch, Santa.«

»Keine Bange, ich werd schon aufpassen. Ach ja, eins noch.«

Santa griff in seine linke Manteltasche und holte einen gefalteten Zettel heraus, den er mir überreichte.

»Hier, noch ein kleines Geschenk. Hat sich nicht gelohnt, das erst einzupacken.«

Verwundert griff ich zu und faltete das Papier auseinander.

Muldrone Drive 347

»Was ist das für eine Adresse?«

»Ach, nichts weiter, aber vielleicht solltest du da heute mal vorbeischaun. So gegen elf, halb zwölf würde ich sagen.«

»Aber warum?«

»Frag nicht so, tu es einfach. Denk dran, ich bin Santa!«

Ich zuckte mit den Achseln und steckte den Zettel in die Brusttasche meines Schlafanzuges, dann brachte ich Santa noch zur Tür. Wieso zur Tür? Ja wie soll er denn sonst ins Haus und wieder raus kommen? Ach so, die alte Geschichte mit dem Kamin. Was für ein Blödsinn! Käme Santa durch den Kamin, dann würde er sich ja den A...llerwertesten verbrennen! Nein, Santa kommt ganz normal durch die Tür.

Draußen schneite es, und schon wieder leicht vor Kälte zitternd bestieg Santa seinen Schlitten und griff zu den Zügeln.

»So, Nicky, leg dich wieder hin und schlaf noch ein wenig. Und frohe Weihnachten!«

»Dir auch, Santa, also bis nächstes Jahr!«

Santa schnalzte mit der Zunge, und der Schlitten setzte sich in Bewegung. Da fiel mir noch etwas ein, und ich schrie hinterher.

»Paß an der Ecke Harper Street/Mohan Avenue auf! Da steht ein neuer Mobilfunkma...«

Zu spät. Etwas krachte, und die Leute hätten wohl mal wieder allen Grund, sich über die Unzuverlässigkeit der Handynetze in unserer Gegend zu beschweren.

Ich ging zurück ins Haus, trank den letzten Schluck Glühwein aus der Thermoskanne und machte es mir wieder auf der Couch bequem. Schon halb vier durch, da hatte es keinen großen Sinn, noch das Bett zu zerwühlen. Ich grübelte noch ein wenig darüber nach, was wohl der Zettel mit der Adresse zu bedeuten hätte, schlief dann aber doch recht schnell ein.


Meine Mütze tief über die Ohren und das halbe Gesicht gezogen, stapfte ich durch Schnee und Kälte in Richtung Muldrone Drive 347. Hätte ich gewußt, wie kalt und windig es ist, wäre ich wohl doch mit dem Auto gefahren. Wenn mich meine Eltern bei den Straßenbedingungen überhaupt hätten fahren lassen.

Ich hatte nicht mehr lange schlafen können, schon vor acht weckte mich mein kleiner Bruder, der es natürlich nicht abwarten konnte sich auf die Geschenke zu stürzen. Mike quengelte schon seit Jahren, dass er gerne mit mir auf den Weihnachtsmann warten wolle, aber Santa wollte das nicht. Und eine kleine Drohung, dass er dann vielleicht auf seine Geschenke verzichten müsse, hielt ihn auch davon ab, sich trotzdem nachts aus dem Bett zu schleichen. Kleine Brüder sind ja soooooo leicht zu verarschen! Aber wo er nun schonmal da war, stürzte auch ich mich auf meine Geschenke.

Wie erwartet kamen Klamotten, ein paar DVDs und einige Computerspiele zum Vorschein. Und da ich meinen Wunschzettel wie schon erwähnt groß und deutlich mit dem Computer geschrieben hatte, bekam ich auch wirklich das gewünschte Actionspiel und nicht etwa »Britneys Dance School«.

Durch den von Mike und mir verursachten Radau wurden auch unsere Eltern wach. Begeistert waren sie von dieser arg zeitigen Weckaktion nicht, aber in der Beziehung waren sie ja Kummer gewöhnt, also ergaben sie sich in ihr Schicksal und machten auch gleich Frühstück.

Die Zeit nach dem Frühstück verbrachte ich mit Surfen im Internet bis es soweit war, mich für meinen »Besuch« bei der von Santa übermittelten Adresse fertig zu machen. Ich hatte keine Ahnung was mich erwarten würde, beschloss aber, mich ordentlich herzurichten – womit das Bad für eine knappe Stunde blockiert war. Anschließend zappelte ich noch eine Weile unruhig vor dem Computer herum, bis ich es halb elf nicht mehr aushielt und mich auf den Weg machte. Womit wir wieder bei der aktuellen Zeitlinie angelangt wären.

Muldrone Drive 328 ... ich kam der Sache wohl langsam näher. Konnte es das Haus da vorne sein? Das mit dem großen LKW vor der Tür? Ich legte noch einen Schritt zu.

Da schien wohl gerade jemand einzuziehen. Komische Terminwahl, direkt zu Weihnachten? Neugierig näherte ich mich der offenen Ladeluke.

»Hier, bring das hoch in euer Bad.«

Uff. Bei diesen Worten flog mir ein großer Wäschesack entgegen, und im nächsten Moment saß ich auf meinem Hinterteil. Aua.

»Dad? Wieso beschmeißt du wildfremde Leute mit unseren Handtüchern?«

»Was? Wie? Was für wildfremde Leute?«

Verdutzt und noch immer auf meinem Hintern sitzend beobachtete ich das sich entwickelnde Geschehen. Neben mir war ein Mädchen etwa in meinem Alter aufgetaucht, und aus den Tiefen des LKW erschien ein Mann mit langen, blonden Haaren.

»Oh! Das tut mir aber leid, ich hab nur jemanden hinter mir gehört und gedacht, du wärst das, Colleen.«

Falsch gedacht.

»Tja, Dad, ich war es nicht. Warte, ich helfe dir hoch.«

Das Mädchen nahm mir den Wäschesack ab und zog mich dann an der Hand in die Senkrechte.

»Danke.«

»Junge, es tut mir leid, ich hoffe du hast dir nicht weh getan.«

Mein Stolz war wohl mehr verletzt als mein Allerwertester.

»Schon okay, nichts passiert.«

»Na dann ist ja gut. Übrigens, mein Name ist Sandler, George Sandler. Und das ist meine Tochter Colleen.«

»Nicky ... äh ... Nick Johnson, angenehm. Ich wohne zwei Straßen weiter und hab Ihren LKW gesehn, da wollte ich mal schaun, wer hier zu Weihnachten einzieht.«

»Hehe, und ich schmeiße gleich mit unserem Gepäck nach dir. Naja, ist ein blöder Tag zum Umziehen, es ging aber nicht anders.«

Ob Santa die Sandlers wohl gefunden hatte? Die waren nachts doch garantiert noch unterwegs gewesen. Überhaupt, Santa. Warum hatte der mir diese Adresse gegeben? Okay, Colleen sah ja ganz nett aus, aber ich stand nun mal nicht auf Mädels, und das wußte der olle Rauschebart ganz genau. Kam zu Glühweindurst und schlechten Augen nun auch noch geistige Verwirrung dazu?

»Hilfst du mir, das Zeug reinzutragen? Das wäre wirklich seeeeehr nett von dir, Nicky!«

Colleen lächelte mich an, und als zwar schwuler aber wohlerzogener junger Mann konnte ich da natürlich nicht nein sagen.

»Okay, zeig mir nur, wo ich hin muss.«

»Komm einfach mit.«

Colleen griff sich noch einen weiteren Wäschesack und ging dann voraus ins Haus. Dort ging es eine Treppe nach oben, vorbei an zwei offenen Zimmertüren zu einem Badezimmer.

»Stell den Sack einfach in die Ecke.«

Ich tat wie mir geheißen.

»Wartest du kurz draußen auf mich, ich muss gleich mal aufs Klo.«

Das musste ich nun wirklich nicht sehen, also verließ ich das Badezimmer und versammelte mich auf dem Korridor. Dort war es nun wieder meine Neugier, die mich zu den offenen Zimmertüren trieb. Ich schaute ins linke Zimmer hinein – das war ganz offensichtlich Colleens Reich. Jede Menge Mädchenkram lag herum, von Kuscheltier bis Poster war alles vorhanden. Danke, kein weiteres Interesse. Ich schlich zur anderen Tür und spähte ins Zimmer – und mich traf der Schlag!

Das Zimmer war bereits komplett eingeräumt, inklusive Schränken, Tisch und Bett. Und in diesem Bett lag ein absolut schnuckliger Junge! Hach war der niedlich! Wie er da so süß im Schlaf lächelte! Ich konnte mich gar nicht an ihm sattsehen.

Auf dem Nachttisch neben dem Kopfende des Bettes standen verschiedene Medikamente, auch ein Fieberthermometer lag da. Damit war wohl klar, warum das Kerlchen schlafend im Bett lag und nicht mit beim Umzug half.

Mit Mühe gelang es mir, den Blick von dem Jungen loszureißen und durchs Zimmer schweifen zu lassen. Bei diesem Rundblick pochte mein Herz immer schneller. Nicht nur, dass eine Regenbogenfahne und mehrere recht eindeutige Poster an der Wand hingen, auf dem Schreibtisch lag auch noch ein mir nur allzugut bekanntes Magazin für schwule Teenager! Mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund starrte ich von einem verräterischen Stück zum nächsten und merkte dabei gar nicht, wie Colleen hinter mich trat.

»Ja, mein Bruder ist schwul. Und wenn du Dennis deswegen irgendwie doof anmachst, dann bekommst du gewaltigen Ärger mit mir!«

Ich konnte nicht anders, es begann mit einem leisen Kichern und steigerte sich über ein Glucksen tief in mir in ein schallendes Gelächter, von welchem am Ende sogar der Bettbesitzer wach wurde und mich gemeinsam mit seiner Schwester verwundert anstarrte.

Danke, Santa, vielen Dank! Und da gibt es tatsächlich noch Leute die behaupten, dass es dich gar nicht gäbe...

Nachwort

Ich wünsche allen Lesern ein frohes, gemütliches Weihnachtsfest und dass Santa Claus alle ihre Wünsche erfüllt.

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