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Reality, oder Hansi und ich?

2. Teil

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Tja, wie erkläre ich Björn das Ganze? Er ahnt ja gar nichts von meiner Liebe zu Hansi. Gut, er merkt sicher, dass ich in letzter Zeit ein wenig distanziert bin. Ich lasse mir ja auch dauernd Ausreden einfallen um die ehelichen Pflichten zu umgehen. Nein, sicher sind wir nicht verheiratet, aber nach fast sechs Jahren kommt es mir manchmal so vor, als wären wir ein altes Ehepaar. Aber bei jedem Gedanken an Sex kommt mir Hansi in den Sinn. Und das ist dann irgendwie schlecht sich auf seinen Partner zu konzentrieren, wenn man im selben Moment an einen anderen denkt.

Ach ja, da wären wir ja schon beim nächsten Problem. Ich habe wieder eine Nachricht von Hansi gekriegt.

„Und jetzt sag, Tobi, was war damals mit Chrissie, als ihr zusammen gekifft habt?“

„Hey, wieso fängst jetzt wieder mit dem Thema an? Das ist doch erledigt!“

„Ich will das jetzt wissen, nun sag schon!“

„Du, wenn ich dir jetzt davon erzähle, dann musst du mir versprechen, dem Chris nix davon zu erzählen. Geht das klar? Nicht, dass der mich hinterher hasst...“

„Hey, jetzt will ich das echt wissen, also los, sag schon!“ meinte er noch. Gut, versprochen hat er jetzt nichts, aber ich erzähle ihm doch das Ganze. Das wollte ich ja eigentlich nie machen, aber er hat mich schon einmal damit genervt. Tja, so rücke ich also mit der Wahrheit heraus.

„Verdammt, ich hab immer gedacht, ich kann mich 100 Prozent auf dich verlassen, Tobi, und jetzt sagst du, da ist doch was gelaufen, was soll ich dir denn jetzt noch glauben?“ Super, jetzt ist er sauer auf mich. Verdammte Scheiße.

„Kannst du denn gar nicht verstehen, dass ich davon nix sagen wollte, weil ich nicht der Böse sein wollte, der Schuld dran ist, wenn das nicht mehr läuft zwischen euch beiden? Vor allem jetzt, wo du weißt, dass es für mich gar nicht so ungelegen käme, wenn’s zwischen euch aus ist? Außerdem ist ja wirklich bis auf das bisschen Knutschen nichts gelaufen. Nur, es wäre halt was gelaufen, wenn ich gewollt hätte. Sei jetzt bitte nicht sauer auf mich!!!“

„Das muss ich jetzt erst mal alles verdauen. Gut, dass ich die nächsten Tage eh auf einer Schulung bin, da krieg ich dann meinen Kopf frei. Und den Chris will ich jetzt sowieso nicht sehen.“

Mist, also werde ich die nächsten Tage von Sternchen auch nichts hören. Hoffentlich kann der mich da auch echt heraushalten. Eigentlich wäre es mir am liebsten, er würde Chris das nicht vorwerfen. Ja, lieber wäre es mir, er wüsste das und sagt nichts drüber. Aber das kann er sicher nicht. Im umgekehrten Fall würde ich ja wohl auch meinen Freund zur Rede stellen wollen. Hoffentlich hasst mich der Chrissie dann nicht, weil ich das ausgeplaudert habe.

„Wem hast du denn davon erzählt, Tobi?“ war dann logischerweise auch die Frage, als ich Chris bei Gelegenheit mal wieder treffe. Muss ganz schön rumdrucksen.

„Dem Markus aus München,“ war dann auch meine erste Antwort, weil ich dem ja wirklich davon erzählt habe. Aber wenn der jetzt mit da reingezogen wird... Nein, das geht nicht.

„Nee, aber der Hansi, der weiß das schon von mir, wollte ihm ja nix davon erzählen, ehrlich, aber er hat mich so lange genervt, kennst ihn ja, wie dickköpfig der ist und er wollte mir halt nicht glauben. Sorry, echt jetzt.“

Er nimmt das Ganze recht gelassen. Nein, er ist nicht einmal sauer auf mich. Was bin ich darüber froh.

Dummerweise haben sich die beiden dann tatsächlich getrennt. Naja, nicht wirklich. Aber offiziell eben schon. Hansi ist da aber noch längst nicht so weit. Er will Chris wohl auf die Probe stellen.

Also kommt er bei nächster Gelegenheit allein mit mir und Flo nach München mit. Chris bleibt zu Hause.

Seit Hansi von seinem Chris getrennt ist, tanzt er viel mehr als vorher. Und so schnappe ich mir mein Sternchen einfach, als sie „Hung Up“ spielen und hebe ihn hoch, weil ich ihn ja eigentlich an mich drücken möchte. Dummerweise ist da eine Lampe oder so etwas ähnliches im Weg. An die stößt er nämlich mit seinem Köpfchen. Der Arme, und wie lustig das aussieht, als er mich dann so gespielt böse anguckt und sich die Haare reibt. Hab das Dingens da gerade echt nicht gesehen.

Mist, so müssen wir das romantische Tanzen zu zweit auf später verschieben. Aber es gibt an dem Abend sicher noch genug Gelegenheit dazu.

Später sitze ich auf einem Sessel und unterhalte mich mit Flo und noch einem Bekannten, als er zu uns stößt. Platz ist leider keiner mehr, also schwups sitzt er auf mir drauf und kuschelt sich auch sogleich an mich. Mein Herz fängt natürlich sofort an wie irre zu schlagen. Man hat ja nicht ständig seinen Traumtypen auf dem Schoß. Er bleibt da auch ungefähr eine halbe Stunde sitzen und ich halte ihn nur fest.

„Könnte ich dich eigentlich kriegen, Tobi?“ Was war denn das für eine Frage?

„Hey, vielmehr ist es die Frage, ob ich dich kriegen könnte, Sternchen,“ mache ich mir doch gerade derbste Hoffnungen. Leider erfahre ich dann wirklich, dass Hansi diesen einen Bekannten scharf findet, den Norbert. Wenn man schon so heißt? Nur gut, dass der jetzt verschwindet und sich von uns verabschiedet.

„Was empfindest du jetzt eigentlich für mich?“ möchte ich dann doch wissen.

„Weißt du, du bist mir schon sehr wichtig geworden, Tobi, aber du hast ja deinen Björn und außerdem bin ich doch eh ab Februar nicht mehr in Rosenheim.“ Das weiß ich auch, dass er eine Stelle 50 km entfernt annimmt, der Hof läuft halt dann so nebenbei her.

„Als ob das ein Problem wäre. Jetzt mal echt. Das weiß ich doch, dass du demnächst nicht mehr ständig hier bist. Aber was soll’s?“

Verdammt, ich will mit Hansi glücklich werden.

Wenig später machen wir uns auch schon wieder auf den Heimweg.

Wieder einmal sitzt er neben mir. Sein Kopf an meiner Schulter. Ich kuschle mich auch fest an ihn und möchte am liebsten, dass die Zeit stehen bleibt.

Leider sind wir schon bald zu Hause und ich lande in meinem Bettchen neben Björn. Hansi liegt auf der Couch, bei Chrissie im Wohnzimmer. Ja, die beiden sind nicht mehr zusammen, aber übernachten tut er trotzdem immer noch dort. Komische Sache, das Ganze...

Die nächsten Wochen werden ganz schlimm.

Schreibe Hansi ständig irgendwelche ellenlangen Mails und im Endeffekt kommt nie groß was zurück. Nur ständig. „Das darf einfach nicht sein, Tobi...“ Super, verdammt noch mal, das muss sein. Das muss ganz einfach sein, dass das mit mir und Hansi etwas wird.

Bin im Moment ziemlich garstig zu Björn. Ja, ich hab echt gerade keine Lust auf irgendwelche Zuneigungen. Hab mich wohl wie ein richtiger Arsch verhalten.

Wenn ich mich nicht ein wenig durch Schwimmen hätte ablenken können, ich hätte Tag und Nacht nur an Sternchen gedacht.

Als wir zwei Wochen darauf wieder einmal weggehen wollen, möchte Hansi am liebsten absagen.

„Ist, glaub ich, echt besser für uns beide, wenn ich da nicht mitfahre, Tobi.“

„Hey Sternchen, jetzt komm schon, ich hab mich schon die ganze Zeit drauf gefreut. Du kommst da jetzt mit, ok?“

„Ok, ich überleg’s mir,“ war dann bloß sein Kommentar. Na super.

Aber schließlich kam er ja dann doch noch mit. Außerdem waren noch mein Namensvetter Tobi und Flo dabei. Flo ist ja eigentlich immer dabei. Wäre echt verwunderlich, wenn der mal absagt.

Diesmal kommt mir Hansi nicht aus. Soviel ist sicher.

Er sieht ja wieder einmal zum Anbeißen aus. Er hat sich richtig aufgebrezelt und erzählt mir, dass er heute einfach mal unanständig sein will. Verdammt, das hört sich nicht gut an, gar nicht gut, denn ich glaube fast, dass das nicht so sehr auf mich bezogen ist.

Hab mich ja auch extra gestylt um gut auszusehen. War noch schwimmen vorher um meine Muskeln ein wenig aufzupumpen. Außerdem natürlich im Solarium, sodass ich im Moment sogar ein bisschen braun bin. Also eigentlich bin ich sehr mit mir zufrieden. Im engen Shirt sehe ich bestimmt nicht schlecht aus.

Hab ja mit Markus ausgemacht, dass wir kommen, und er wollte auch hinschauen, nur ist er noch nicht da, als wir ankommen. Also sag ich zu Hansi: „Du, ich werde mal schauen, ob ich den Markus finde.“

„Ach, der hat wohl auch so eine süße Stupsnase?“ kam dann wieder mal von ihm. Mann, wie oberflächlich und ignorant kann man eigentlich sein?

„Verdammt noch mal, du weißt genau, dass ich, wenn ich auf jemanden stehe, dann auf dich stehe.“ Wieso macht mich das nur so fertig? Da bekommt der da Liebesgeständnisse am laufenden Band von mir und sagt so was. Jetzt mache ich mich erst recht auf die Suche. Er ist auch tatsächlich ein wenig umhergeirrt, der Markus, und so führe ich ihn zu unserer Clique.

Natürlich hält es uns nicht lange auf der Couch, also sind wir schnell wieder beim Tanzen. So eng gedrängt wie es auf der Tanzfläche ist, tanzt jeder so ein wenig mit jedem. Berühren tut man sich ja sowieso. Ist im Moment auch ganz schön heiß, all die verschwitzten Leiber um dich herum. Irgendwann habe ich Hansi im Arm und tanze eng an ihn gedrückt zu einem recht geilen Song aus den 90ern. Er tanzt mit dem Rücken zu mir. Und meine Hände gleiten an ihm auf und ab. Irgendwann dreht er sich zu mir um.

„Bist wohl ganz schön rattig, Tobi?“ wobei er gar nicht auf eine Antwort wartet, sondern lieber praktisch im Selbstversuch nachforscht. Zufrieden dreht er sich wieder um, und wir tanzen weiter.

„Jetzt müssen wir echt aufhören, sonst kann ich mich nimmer beherrschen,“ war dann wenig später sein Kommentar.

„Was wäre denn so schlimm dran?“ musste ich mit innerlichem Grinsen feststellen. Leider war der Song gerade vorbei und er machte sich auf, wieder alleine zu tanzen. Menno.

Später gehen wir gemeinsam einen Sambucca trinken. Gut, es werden dann schon zwei draus, weil ich mich schließlich für die Einladung revanchieren muss. Mist, wenn das Zeugs nicht so reinhauen würde...

Ziemlich angeheitert geht’s auf der Tanzfläche weiter. Und nein, was macht mein Hansi da gerade? Ich glaub ich spinne. Da knutscht der doch glatt mit Markus, und nicht nur kurz. Und tanzt auch innig mit dem. Aha, das hat er also gemeint, als er sagte, er will einfach mal unanständig sein heute. Rumknutschen mit anderen und so...

Der Schock steht mir sicher ins Gesicht geschrieben. Muss da jetzt sofort weg. Deshalb verlasse ich fluchtartig die Tanzfläche, hole mir einen starken extra doppelten Wodka, setze mich hin und kippe das Zeugs hinunter. Verdammt noch mal, was soll der Scheiß?

Hätte heulen können. Irgendwann nach ewigen Zeiten kommt Hansi dann angewackelt. „Hey, was ist los, Tobi?”

“Das fragst du jetzt, nachdem du mit Markus rumgeknutscht hast?”

„Komm, lass uns nicht hier reden, lass uns an die Bar gehen.“

„Mann Hansi, ich liebe dich und du weißt das. Warum willst nicht mit mir knutschen?“

„Ich glaub ja nicht, dass das mit dem mithalten könnte, wenn wir zwei zusammen wären, was du jetzt mit Björn aufgebaut hast.“

„Das ist mir scheißegal, und ich hab ja auch nie gesagt, dass das so lange halten muss. Und wenn’s nur vier Jahre sind, dann sind’s wenigstens immerhin vier schöne Jahre, das ist mir das Ganze verdammt noch mal wert!“ Was denkt er sich eigentlich? Dass ich nur so ein wenig für ihn schwärme und das Ganze sich übermorgen in Luft auflöst?

Der hat doch keine Ahnung, wir kennen uns jetzt vielleicht ein halbes Jahr. Gut, das ist nicht so arg lange, aber mit jedem Tag und jeder noch so kleinen Zärtlichkeit von ihm hat sich da bei mir etwas entwickelt, was weit über Verschossensein hinausgeht. Wie bei einer Droge könnte man hier sogar von Abhängigkeit sprechen.

„Weißt du, jeder Tag, an dem ich dich nicht im Chat sehe oder dich treffe, ist bei mir sowieso schon verschissen. Kann den Tag gleich wegwerfen.“

„Aber du weißt doch, dass das nicht geht. Komm, denk an Björn und was du dir aufgebaut hast.“

Hey, das Thema hatten wir schon mal. Und ich habe mir jede Nacht in den letzten Tagen Gedanken gemacht. Wegen Björn, weil mein Entschluss eben schon gefallen ist. Sicher tut mir Björn leid und ich verstehe auch, wenn er dann nix mehr mit mir zu tun haben will, aber ich kann’s nicht ändern.

„Verdammt noch mal, ich möchte alles hinschmeißen. Du bist mir das einfach wert!“

„Komm, lass uns ein ander Mal drüber reden, wenn wir beide nüchtern sind.“ Von mir aus, dann verschieben wir das Ganze halt ganz einfach. Auch wenn ich das eigentlich nicht möchte.

„Ok, von mir aus, aber wir werden jetzt sofort Brüderschaft trinken, schließlich will ich dich auch endlich mal küssen.“

Tja, so machen wir uns auf den Weg zu einer Bar etwas abseits, um einen weiteren Sambucca zu bestellen. Gut, der ist eigentlich nur Mittel zum Zweck, denn zum Brüderschaft Trinken gehört halt auch was zum Trinken dazu.

Mein Sternchen sitzt dann auch wenig später auf meinem linken Bein und wir gucken uns tief in die Augen. Jeder schlingt den Arm um den anderen und wir flößen uns gegenseitig das Aniszeugs ein. Bäh, schmeckt eigentlich widerlich. Zumindest jetzt, wo ich eh schon so viel getrunken habe.

Der Kuss hinterher entschädigt mich ein bisschen.

„Hey, bitte zärtlich küssen, nicht so, ok?“ Er hatte nämlich schon wieder mit dem gefühlslosen Rumgeknutsche angefangen, das ich gar nicht so leiden kann. Zunge reinrammen und so. Nein, nicht mit mir. Muss ihm erst mal zeigen, wie das geht. Diesmal berühren sich unsere Lippen zuerst nur ganz leicht. Mache mich also mit geschlossenen Augen auf Erkundungstour. Wow, Hansi hat einen wahnsinnig erotischen Mund. Kann ihn gleichzeitig riechen und schmecken. Langsam öffnet jeder seine Lippen und sanft berühre ich seine Zunge mit meiner. Wir spielen miteinander und ich kann einfach nicht mehr aufhören. Genau so hab ich mir das immer vorgestellt. Klein-Tobi scheint das auch recht gut zu gefallen.

„Nein Tobi, das geht nicht, das darf nicht sein,“ höre ich Hansi noch sagen, bevor er von mir runter steigt und sich wieder auf die Tanzfläche aufmacht. Verdammt, verdammt, verdammt, verdammt. Warum soll das nicht gehen? Ich hab genau bemerkt, wie ihm der Kuss eben auch was bedeutet hat. Vor was hat er nur Angst? Wenn einer Angst haben muss, dann ich, denn ich muss heute Abend wieder neben Björn liegen und so tun, als sei nix gewesen.

Demnächst muss ich Klartext reden, ich kann Björn nicht weiter was vormachen. Das geht einfach nicht. Das bin ich ihm schuldig.

Auf dem Weg nach Hause sitzt dummerweise einer meiner Kumpels auf dem einzig freien Zweier-Sitzplatz. Tja, er hatte den Bahnwaggon als Erster betreten und sich gleich hingesetzt. Mist, so wird das wohl eine Heimfahrt ohne mein Sternchen an meiner Seite. Er sitzt genau gegenüber von mir. Ich lege meinen Kopf schief, so als ob er neben mir sitzen würde und schaue ihn traurig an. Er zuckt nur mit den Schultern, aber ich merke doch, dass er genau so gerne wie ich neben mir gesessen wäre. Will ihm durch Blicke signalisieren, sich doch auf meinen Schoß zu setzen, denn ich möchte ihm jetzt einfach nah sein, aber er schüttelt nur den Kopf und schließt auch gleich die Augen um zu pennen. Das mache ich jetzt auch. Leider ohne Hansi riechen zu können, so kriege ich von der Mischung aus Badewannenbad, Parfum, Rauch und Hansis frischem Schweiß, vermischt mit seinem Deo, leider nichts mit. Natürlich werde ich auch nicht von seinen Haaren gekitzelt, was zwar richtig kitzlig ist, bei seinen Strubbellocken, aber ich nehme das gerne in Kauf. Wie gerne hätte ich jetzt doch seine Hand gehalten.

Am Tag darauf hab ich erst einmal richtig ausgeschlafen. Bin erst um halb drei aufgestanden. War mal wieder so ein richtiger Rumgammel-Sonntag. Aber nur auf der Couch liegen hat mich dann doch genervt. So bin ich in den Chat gegangen.

„Hi Sternchen, na ausgeschlafen? Hast du denn Lust heute zu squashen?“

„Hi Kleiner. Könn ma scho machen, heute Abend. So um 5?“ So ist das schnell ausgemacht.

Und ich hab eh gerade Lust auf ein bisschen Sport. Nur im Schwimmbad wären mir zu viele Leute, sind nämlich grad wieder mal Ferien, da rennen die alle mit ihren Kindern hin.

Wir haben dann auch nur einen Ball verschossen. Waren also richtig gut, für unsere Verhältnisse.

„Ich glaub, ich werde die Szene jetzt dann in Zukunft etwas meiden, Tobi,“ meinte Sternchen dann während eines Ballwechsels.

„Wieso das denn?“

„Na die sind doch alle nicht mehr sauber. Seit ich die Partnerverlinkung nicht mehr drin habe, schreiben mich ständig irgendwelche Leute an. Und erzählen mir dann auch die wildesten Storys über Chris und so. Bin auch schon oft angemacht worden jetzt. Als hätten alle bloß drauf gewartet, dass ich wieder solo bin.“

„Schon komisch. Mit was für Leuten chattest du denn da?“ Also mir ist so was noch nicht passiert. Gut, ich hab ja auch drin stehen, ich habe einen Partner. Aber ich kann mir auch nur schwer vorstellen, dass dann gleich Heiratsanträge per Mail kommen, wenn ich das rauslöschen würde.

„Der Tim hat auch gemeint, ich soll ihm einen Platz freihalten.“

„Wie jetzt, der Tim, der Freund von Flo? Naja, dass das mit Flo nicht lange gut geht, das hab ich mir ja gleich gedacht, das war irgendwie von vornherein klar. Aber nach zwei Wochen? Länger dürfte es ja noch nicht her sein, dass die zusammen sind.

„Ja genau, jetzt hab ich ihm erst mal erzählt, dass er unbedingt dem Flo reinen Wein einschenken muss. Er soll nicht mit dem Flo spielen, denn das hat der nicht verdient.“

„Na warte, wenn ich den Tim sehe, dann werde ich ihm sagen, er soll die Finger von dir lassen,“ sage ich mehr so als Spaß. Hab mir ja nichts dabei gedacht.

„Nee, das darfst du nicht sagen und das bleibt auch unter uns, gell,“ höre ich da einen leichten Unterton raus, dass ihm das etwa sogar wirklich was bedeuten könnte? Das kann doch gar nicht sein. Kenne den Tim zwar nicht so gut, aber der wäre mein absoluter Anti-Typ.

Gut, ist wohl wieder mal so ein Fall, wo man einfach seine Vorurteile hat, aber auch rein optisch find ich den nicht so wirklich atemberaubend um das mal nett auszudrücken.

Flirte noch so ein wenig mit Hansi, als wir später, frisch geduscht bei einem Bierchen in der Kneipe sitzen, die zu dem Sport-Park gehört. Nur leider hab ich nicht so arg viel Zeit, hab nämlich Björn versprochen noch was zu kochen. Außerdem ist heute Sonntag, also unser Tag. Naja, wir haben meistens nur Sonntag frei und so will er mich halt gerne zeitig zu Hause haben und natürlich auch ein wenig mit mir kuscheln. Blöd nur, dass ich dabei ständig an Hansi denken muss. Aber ich kann verdammt noch mal nicht anders. Wenn ich ihm nicht jetzt gleich hier und sofort von Hansi erzählen will, dann muss ich einfach so tun, als würde alles normal laufen.

Björn ist natürlich trotzdem angepisst, als ich nach Hause komme.

„Verdammt Tobi, jetzt ist es so spät, warum bist du auch nicht eher heim gekommen?“

„Du, ich hab mich extra beeilt,“ meinte ich nur zu diesem Thema.

„Das mit dem Kuscheln, das kannste dir eh abschminken, jetzt ist’s dann gleich viertel nach acht und ich will heute mal einen Film gucken. Komme ja die ganze Woche nicht dazu.“

Na super, jetzt ist er echt angefressen, weil ich erst um sieben heimgekommen bin.

„Ach, ist doch nicht so wild, dann haben wir halt mal unter der Woche Sex. Kriegst auch schön die Füße gekrault.“ Hoffentlich kann ich ihn damit wieder versöhnen. Normalerweise biete ich das nämlich nicht freiwillig an. Aber er hat das so gerne. Kann mir ja selbst kaum was Schöneres vorstellen als eine Fußreflexzonenmassage.

So wird das Ganze noch ein richtiger Björn-Verwöhn-Abend. Erst etwas Deftiges zum Essen, dann das Fuß-Verwöhnprogramm und währenddessen gucken wir Rosamunde Pilcher. Natürlich war das nicht meine Fernsehauswahl, was ihr schon wieder von mir denkt!

Naja, Lust auf Sex hätte ich jetzt eh nicht gehabt. Ich glaube, der dafür zuständige Hirnbereich ist gerade irgendwie blockiert. Ständig schweben mir bei dem Thema Bilder von Hansi im Kopf herum.

Die nächsten Abende verbringe ich fast komplett vor dem PC. Das erste, was ich immer mache, ist den Chat anzuwerfen. Gut, langweilig wird’s da nie großartig, weil immer irgendwelche Bekannten online sind, aber im Großen und Ganzen bin ich doch am Warten. Darauf, dass Hansi irgendwann online ist und ich kurz mit ihm reden kann. Meistens wird das dann ein sehr kurzes Gespräch, aber ich will halt einfach was von ihm hören.

Hab auch nach einem passenden Auto für ihn Ausschau gehalten, weil er sich nämlich ein neues kaufen will. Autoscout hatte wirklich eine super Auswahl bei uns in der Gegend.

„Hast dir jetzt den Alfa schon angeschaut? Der würde gut zu dir passen, find ich und teuer ist der ja auch nicht.“

„Hab noch nicht reingeschaut.

Hatte doch SPD-Versammlung und nun bin ich eingepennt und geh gleich schalfen, Kleiner

geb’ dir aber morgen Bescheid *G*

guts nächtle“

„Da ist wohl einer müde, heute? Dann schlaf schön, Sternchen und träum was Nettes. Bis Morgen.“

Na, der scheint ja echt müde zu sein und muss wohl auch dringend ins Bett, wenn er gar keine Lust hat sich zu unterhalten und auch noch so viele Fehler reinhaut. Aber „schalfen“ klingt immer lustig, das schreibt der nämlich regelmäßig falsch. Und ja, in der SPD ist er ja auch vertreten. Als Landwirt in Bayern. Sachen gibt’s.

Tja, dann werde ich mich noch mal auf die Suche nach Wohnungen machen, hab ja die letzten Tage schon geschaut. Nur war halt noch nichts passendes dabei.

Ich bin ständig am Grübeln, wie ich Björn das Ganze erkläre, und schließlich wohnen wir ja zusammen. Werde mir also eine neue Wohnung nehmen müssen. Schließlich will ich nicht so eine Affäre nebenbei, sondern Hansi ganz für mich allein. Am liebsten für den Rest meines Lebens an meiner Seite. Auch wenn ich dafür sechs Jahre mit Björn einfach hinschmeiße. Aber ich bin mir inzwischen sicher, dass ich das will. Ist ja nicht so, dass mir Björn nichts mehr bedeuten würde, aber Hansi ist halt einfach mein Traummann. Werde so jemanden wie ihn nie wieder finden. Ich hab mich hoffnungslos in Hansi verliebt.

Naja, diesmal wäre sogar eine geeignete Wohnung zu haben. Mit Badewanne für Hansi, Dusche für mich und natürlich einem kleinen Büro, das man in einem Raucherhaushalt schon haben sollte. Natürlich ist das dann keine so schöne Wohnung wie die, in der ich jetzt mit Björn wohne, aber mir macht das nichts aus. Hauptsache, ich kann sie mir leisten.

Tja, da haben wir schon das nächste Problem, was mache ich, wenn Björn nicht mehr mit mir zusammen arbeiten will. Ist ja immerhin gut möglich. Naja, in der ersten Zeit wohl nicht, weil ich nicht so leicht zu ersetzen bin. Hoffe da ja immer noch darauf, dass wir irgendwie trotzdem Freunde bleiben können. Ansonsten muss ich mir halt wirklich einen neuen Job suchen.

Werde also im schlimmsten Fall Job, Wohnung und einen Freund los sein, der mir jahrelang der wichtigste Mensch in meinem Leben war.

Wirklich nicht einfach, das Ganze. Manchmal denke ich mir echt, es wäre besser gewesen, ich hätte den Hansi nie kennen gelernt.

Gehe die nächsten Tage eigentlich ständig voller Hoffnungen aber auch Ängste ins Bett. Zum Teil flüchte ich mich echt in die Arbeit. So komme ich wesentlich später heim als eigentlich nötig und sehe Björn dadurch nur noch kurz, bevor er ins Bett geht. Dadurch habe ich meine Ruhe und kann nachdenken. Einfacher wird das Ganze dadurch nicht.

Ständig schwirren mir Szenarien, wie das wohl ausgehen mag, im Kopf herum.

Da kommt es gerade gelegen, dass mich ein Kumpel über das Wochenende besuchen will. Werde mit ihm wohl Rosenheim unsicher machen. Hoffentlich kann ich Björn überzeugen, dass er bei uns übernachten kann.

„Björn, du, der Martin möchte mich mal besuchen kommen. Geht das in Ordnung, wenn der am Samstag bei uns übernachtet?“

„Nee Tobi, das geht echt nicht, ich will am Sonntag bloß meine Ruhe haben und brauche da keinen Martin, der im Wohnzimmer liegt und pennt.“

„Ach komm, wann hat er uns zum letzten Mal besucht? Vor drei Jahren, oder? Das wird wohl einmal möglich sein in drei Jahren, dass er uns besucht! Dann hast du auch die nächsten drei Jahre deine Ruhe. Aber ich kann doch nicht ständig bei ihm übernachten und er darf nicht zu uns kommen!“

„Mann, dann ist das ganze Wochenende versaut!“

„Hey, er wollte uns schon längst mal besuchen, da haben wir noch gar nicht hier gewohnt. Da musst du jetzt einfach durch.“ Tja, so haben wir das dann doch noch geregelt, wenn auch nur unter Protest von Björns Seite. Das ist aber auch echt nicht normal, dass uns nie einer besuchen darf.

Hansi will am Samstag auch mitkommen. Hab ihn nämlich eingeladen, schließlich will ich mal mit ihm über die ganze Sache reden. Darüber, was aus uns werden könnte und natürlich ob es überhaupt ein UNS gibt. Bisher hatte er ständig irgendwelche Ausreden und hat so eine Möglichkeit immer übergangen. Entweder hatte er keine Zeit oder wir waren mit Freunden weg, sodass das nie ging. Wenn Martin dabei ist, wäre das nicht so ein Thema gewesen. Kenne ihn doch, irgendwann ist er dann nämlich mit den Mädels am Flirten und wir hätten schon Zeit gefunden. Martin ist halt hoffnungslos Hetero. Aber wir kennen uns nun schon seit Jahren und waren halt früher immer die besten Kumpels. Beide haben wir Basketball im Verein gespielt und es gab immer ein wenig Rivalität zwischen uns. Wer hat besser gespielt und so... Inzwischen komme ich halt nicht mehr dazu, wegen der Arbeit. Schade eigentlich.

Leider hat Hansi dann noch ein paar Bekannte gefragt, ob sie mitkommen wollen. Soviel zu unserer Aussprache.

Martin hatte ja schon so seine Bedenken, wenn da Bekannte von mir mitkommen.

„Ach, sind das die, mit denen du immer schwul weggehst? Ich hab fei keine Lust wieder in so ne Bar zu gehen, wie letztes Mal bei mir zu Hause.“ Tja, so was haben wir hier eh nicht, das war aber auch schlimm. Hatte mal Lust mit ihm schwul weg zu gehen, und in den Gelben Seiten bei ihm zu Hause gab’s halt nur diese eine Bar. Wir waren außer dem Kellner definitiv die zwei jüngsten. Ich glaub beinah, wir haben den Altersdurchschnitt halbiert. Also lange hat es uns da auch nicht gehalten.

„Nee, nee, mach dir da mal keine Gedanken. So ne schlimme Bar haben wir hier eh nicht. Und meine Kumpels sind ganz nett. Keiner von denen läuft mit Handtäschchen rum, verspreche ich dir,“ musste ich ihn dann doch ein wenig beruhigen.

Björn unterhält sich dann noch ganz nett mit Martin, als wir zu Hause ankommen. Ich hab ihn nämlich vom Zug abgeholt, und er wusste ja auch nicht, wohin. Er war ja noch nie bei uns in der neuen Wohnung. Nur mit uns mitkommen will Björn halt nicht, weil er schon ein wenig fertig ist. Wieder mal um sechs aufgestanden, der Kleine, und nicht vor sechs Uhr Abends heimgekommen. Aber ich bin froh, dass sich die beiden so gut verstehen. Immerhin ist Martin mein Kumpel, und die beiden kennen sich nicht so gut.

Machen dann noch eine nette Kneipentour mit dem Rest der Truppe, nachdem wir die im Anacondra getroffen haben.

Hansi ist wieder mal in seinem Element.

Er muss Martin und mich natürlich damit aufziehen, dass wir aus einer dunklen Ecke von Niederbayern kommen. Also wirklich, er, der auf einem Hof wohnt, in einem Kaff mit vielleicht grad mal 30 Einwohnern.

„I hab fei scho größere wie dich geschlagen, kimm, gehen wir aussi,“ war dann mal sein Kommentar. Lustig, der Kleine, will Martin drohen. Logisch war das nur ein Spaß. Denn Martin ist genau wie ich drei Köpfe größer als der kleine Hansi und wiegt ungefähr das doppelte. Martin könnte Hansi glatt mit einer Hand fertig machen. Die zweite bräuchte er gar nicht.

In einer ruhigen Minute hab ich mir dann mal Martin gekrallt.

„Du, was hältst eigentlich von Hansi?“

„Ist ganz nett der Kleine, aber so a bissl vorlaut,“ war dann sein Eindruck.

„Weißt Martin, kann nämlich sein, dass ich und Hansi zusammenkommen. Hab mich derbst in ihn verliebt.“

„Ja und was ist mit Björn?“

„Das weiß ich noch nicht. Also wenn das was wird mit Hansi und mir, dann werde ich mich wohl von ihm trennen.“

„Ganz schön kompliziert, das Ganze,“ war seine Antwort darauf. Aber so abwegig findet er all das nicht. Das ist schon mal positiv.

Später gehen wir dann wieder mal ins Beat. Nur ist dummerweise nicht wirklich was los. Die Leute kommen wohl samstags erst später.

Hansi hab ich ja nur mit Mühe überreden können überhaupt noch mitzukommen. Musste ihn regelrecht packen und mitschleifen. Er war aber auch schon gut beieinander. So viele wie er schon getrunken hat zuvor.

Wir sitzen also an der Bar und ich unterhalte mich mit Martin, als er mich plötzlich auf das Geschehen hinter mir aufmerksam macht.

„Jetzt knutscht er mit wem anderen, dein Hansi.“

Drehe mich natürlich sofort um und tatsächlich. Er küsst einen Bekannten. Verdammte Scheiße, was soll das? Bin tierisch sauer. Als er später zu uns rüberkommt, werfe ich ihm das auch vor.

„Was war denn das eben? Knutscht du jetzt mit jedem rum, oder was?“

„Wir haben doch nur Brüderschaft getrunken. Kenne den ja schließlich schon ewig. Er war der erste, mit dem ich mich mal im Beat getroffen habe. Vor Jahren war das.“

Super, und deswegen knutsche ich mit dem rum, oder wie? Bin tierisch angefressen, Hansi merkt das und will mich wohl beruhigen.

„Na dann küsse ich dich halt auch, so.“ Super, toll. Hat mich gefreut. Trotzdem lasse ich mir von ihm ein Bussi geben. Angefressen bin ich aber immer noch.

„Mann, Hansi, wo stehe ich denn jetzt eigentlich bei dir?“ Auch wenn’s nicht der geeignete Moment für ein Gespräch ist, so will ich dann doch mal wissen, ob ich ihm auch was bedeute. Im Moment sieht das nicht danach aus, wenn er vor meinen Augen mit wem wildfremden rumschmust.

„Ach Tobi, das bereden wir ein anderes Mal.“ Super, schon wieder die gleichen Ausflüchte.

„Das will ich aber jetzt wissen, erst recht, wenn du mit wildfremden Jungs rumknutschst, wo du doch weißt, was ich für dich empfinde.“

„Das ist jetzt nicht so einfach, ich muss mich halt zuerst entscheiden, gäbe ja mehrere Alternativen.“

„Was soll denn das heißen? Mehrere Alternativen?“

„Na ich muss mich halt entscheiden zwischen Chris, Dir, Tim und Norbert.“ Höre ich da gerade richtig? Gut. Dass er es mit Chris noch mal versuchen will, obwohl er sich gerade getrennt hat, das verstehe ich schon, so verliebt wie er immer in seinen Chris war. Aber jetzt ernsthaft Tim in Erwägung zu ziehen? Der hat doch irgendwo ein Rad ab. Gut, für Norbert, einen langjährigen Kumpel von ihm, hat er ja schon auch immer mal geschwärmt. Aber auch da hätte ich gedacht, den kann er ja wohl nicht ernsthaft in Erwägung ziehen. Mein Magen verkrampft sich gerade im Moment. Ich glaube, erst so langsam realisiere ich, was ich da eben eigentlich erfahren habe.

„Ach ja, und wo stehe ich dann da, bei all deinen Alternativen?“ Bin nicht wütend, nur halt furchtbar enttäuscht.

„Du bist mir schon sehr wichtig, Tobi, stehst da ganz vorne.“ Super, einer von vieren. Und das erfahre ich nur so nebenbei. Unter allen anderen Umständen hätte ich jetzt gesagt, komm, Hansi, streich mich aus deiner Liste. Was soll der Scheiß? Und ich stress mich da auch noch so. Mach mich echt schon selbst fertig, weil ich ja mit Björn zusammen bin. Aber ich liebe den Kerl einfach. So einfach ist es eben leider nicht. Muss unbedingt mit ihm reden. Und das möglichst bald.

Er hat sich schon verabschiedet und ist zu den Taxen raus, da renne ich ihm noch mal nach.

„Hey, lass uns die Woche mal in Ruhe unterhalten. Ich komme mir echt schon blöd vor, ständig renne ich dir hinterher. Schreib dir ewige Mails und es kommt nichts zurück. Und dann darf ich auch noch so was hören, wie eben gerade.“

„Das machen wir auch, Tobi, versprochen, die Woche. Nur jetzt muss ich heim. Bin jetzt echt fertig.“ Und schon ist er im gerade ankommenden Taxi verschwunden.

Als ich wieder in den Club gehe, ist mir die Lust am Feiern irgendwie vergangen. Da ich aber mit Freunden unterwegs bin, versuche ich mir möglichst nichts anmerken zu lassen.

Bin auch noch ungefähr ne Stunde am Tanzen und versuche dann Martin von seinen Mädels loszureißen. Das entpuppt sich als gar nicht so einfach. Er will partout noch nicht los und macht sich da auch echte Hoffnungen bei einer. Der Arme. Als wir gehen, hat er noch nicht mal die Handynummer von ihr bekommen.

Am Montag mache ich mit Hansi aus, mich am Tag darauf zu treffen. Bin so voller Hoffnungen, dass das mit Hansi was wird, dass ich noch am Abend eine ausführliche Erklärung an Björn schreibe. Versuche zumindest, ihm das Ganze zu erklären. Und wenigstens eine Möglichkeit zu schaffen, mit ihm befreundet zu bleiben. Auch wenn ich Realist genug bin um zu sehen, dass es die erste Zeit wohl nur Zoff geben wird zwischen uns beiden. Vielleicht ist er ja nicht mal dazu bereit mit mir befreundet zu bleiben. Hab mir deshalb auch schon überlegt, wie wir die Arbeit im Geschäft erst mal aufteilen könnten, damit wir uns so wenig wie möglich über den Weg laufen. Zumindest in der ersten Zeit. Warum schreibe ich das eigentlich? Ich könnte es ihm ja auch einfach sagen? Aber ich denke, dass ich das so besser ausdrücken kann. Gut, vielleicht bin ich auch einfach zu feige. Aber wenn, dann liest er das ja eh, wenn ich dabei bin, also kann von feige eigentlich nicht die Rede sein. Gehe erst spät schlafen heute, so lange brauche ich für meine Erklärung. Und ich glaube auch irgendwie, dass er das Ganze verstehen kann. Zumindest hoffe ich das.

Hansi kommt mich also am Tag darauf in der Arbeit besuchen. Später wollen wir irgendwo hingehen, wo wir uns in Ruhe unterhalten können. Kommt mit dem neuem Auto angefahren, das er gerade abgeholt hat. Natürlich will ich mir das gleich anschauen. Gar nicht so schlimm für einen Opel, trotzdem ist es natürlich ein hässliches Dingens. Hätte ich mir nie gekauft. Aber da gab’s wohl scheinbar den größten Rabatt. Wie immer war das wohl ausschlaggebend.

Irgendwie ist er nicht gut drauf, das gefällt mir gar nicht.

„Hey, was ist denn los? Du scheinst nicht gut drauf zu sein?“

„Ach ich war grad mit Tim beim Griechen, hab ihm ja schon erklärt, dass das nix wird mit uns zweien. Nur er gibt die Hoffnung ja nicht auf. Musste es ihm heute noch mal erklären.“

Verdammte Scheiße, was soll denn nun das schon wieder? Bin ich dem echt nicht wichtig genug, dass der sich heute mal nur auf mich konzentriert? Schlucke den Ärger aber runter, weil ich’s nicht versauen will.

Bin gerade am Kasse zählen, damit ich für heute Schluss machen kann, Hansi sitzt mir gegenüber.

„Du riechst gut, Kleiner,“ mache ich ihm ein Kompliment. Sicher hat der gerade wieder gebadet.

Er sieht irgendwie gar nicht zufrieden aus. Fast wie ein Häufchen Elend. Trotzdem wird er gerade rot, was unheimlich süß aussieht.

„Ja? Findest du?“

„Ach, eigentlich riechst du immer gut, aber das kommt wahrscheinlich davon, weil du immer frisch aus der Badewanne kommst, wenn wir uns irgendwie treffen.“

So, bin fertig mit Kasse zählen und wir können los. Jeder fährt also für sich, und wir wollen uns eigentlich in der Bar treffen, aber ich sehe schon sein Auto parken und er sitzt noch drin. Musste wohl grad noch seine Mails abrufen. War sicher wieder nichts so tolles, denn besser drauf ist er jetzt auch nicht. Möchte am liebsten unser Gespräch verschieben. Erst recht, als ich höre, dass er heute kein Bier trinken kann, weil er ja grad schon eins getrunken hat, beim Essen. Ist mir ja egal, ob er jetzt ein Bier trinkt oder nicht, nur dass er eben mit mir keines trinken kann, weil er grad mit Tim eins getrunken hat, das nervt mich. Ich bestelle mir trotzdem eines. Naja, ein Radler trinkt er mit. Komische Situation, irgendwie weiß keiner, wie er anfangen soll.

Irgendwann starte ich die Initiative und fange an ihn nach seinem Traumtyp zu fragen. Ich möchte halt einfach wissen, ob ich da annähernd in sein Bild passe.

„Ach, ich hab keinen Traumtyp. Vertrauen und Liebe, das ist für mich am wichtigsten. Das Aussehen nicht so sehr.“

„Komm, das kannst mir nicht erzählen, dass das Aussehen für dich keine Rolle spielt.“

„Also ich hab dir ja mal von dem einen erzählt, 35 war der. Das war ein richtiger Mann. So jemanden in der Art wünsche ich mir.“

„Naja, sag mir wenigstens mal nen Filmstar oder so, damit ich ein ungefähres Bild habe.“ Dummerweise kenne ich keinen von denen, die ihm da einfallen.

„Weißt, ich frage das deswegen, weil du eben mein absoluter Traumtyp bist. Echt jetzt, du hast all das, was ich mir immer an nem Jungen gewünscht habe. Und du ähnelst meiner Jugendliebe, in die ich so verknallt war, so stark. Bist nur einfach viel sympathischer.“

„Also, die Leute, die nur auf so junge stehen, die tun mir echt leid. Mit einem Kumpel von mir ist es das Gleiche, wie soll denn das mal werden, wenn er 40 ist?“

„Ich hab nie gesagt, dass ich auf so junge Jungs stehe, nur du hast was Jungenhaftes, das mag ich so an dir. Weißt, als ich 18 war, da stand ich auf total kleine 16-Jährige. Heute könnte ich mit so jemandem nichts mehr anfangen.“

„Ach das Jungenhafte, das wächst sich auch raus irgendwann.“

„Nee, bestimmt nicht, du wirst auch in zehn Jahren noch ein bissel was Spitzbübisches haben. Du hast gesagt, Treue wäre dir wichtig und Vertrauen. Darauf kannst du dich bei mir absolut verlassen.“

„Ach, und was war mit Andy damals? War mit dem etwa nichts?“ Ach ja, ich hab ihm ja von Andy erzählt, meiner kurzen Affäre in diesem Frühjahr. Wobei man das so gar nicht nennen könnte. Wir haben uns ja nur dreimal getroffen.

„Weißt du, das hatte gar nichts zu bedeuten, das mit Andy. Er hatte mich gefragt, ob ich denn mit ihm zusammen sein wollte. Aber ich hätte mich nie wegen dem von Björn getrennt. Du bist der Erste und Einzige, bei dem mir das passiert ist. Und es wird mir auch nicht mehr passieren. Schließlich bist du genau der, den ich immer haben wollte.

Irgendwie schweifen wir dann vom Thema ab und landen beim letzten Wochenende.

„Das fand ich schon krass, wie du da mit dem einen geknutscht hast.“

„Du fandest das krass? Was meinst, wie es mir ergangen ist, als du den Chris geküsst hast auf der einen Party?“

„Das hatte nichts zu bedeuten, das weißt du auch. Das war ganz ohne Hintergedanken. Außerdem hab ich dir das schon einmal erklärt.“ Verdammt, das läuft alles in die ganz falsche Richtung.

„Weißt, und dann ist es bei mir so, dass ich furchtbar launisch sein kann. Da staut sich was auf und dann, bei der kleinsten Gelegenheit, bricht das aus. Hab den Chris heute furchtbar zur Sau gemacht.“ Will ja gar nicht wissen, was er denn mit Chris heute hatte.

„Ach, das ist doch normal. Und so viele Gründe gebe ich dir dafür bestimmt nicht. Ich bin nicht der Typ, der fremdgeht. Andy war mir da echt ne Lehre. Also mit anonymem Sex kann ich nichts anfangen, das geht bei mir einfach nicht, Sex ohne Liebe.“

„Das finde ich ja gar nicht so schlimm, nur ehrlich muss man sein. Das war auch das Problem bei Chris, wenn er es nur zugeben würde.“ Super, jetzt reden wir schon wieder über Chris. Natürlich wird auch das Thema mit dem Kiffen noch mal aufgewärmt. Muss mich eigentlich nur rechtfertigen die ganze Zeit. Verdammt, was soll das jetzt? Wir sollten über uns reden, ob es eine gemeinsame Zukunft gibt oder nicht.

„Sternchen, was ist mit uns?“

„Ach Tobi, du bist so lange mit Björn zusammen, das kannst du nicht einfach wegwerfen. Hast du da überhaupt schon mal drüber nachgedacht?“

„Meinst, ich hab mir da drüber keine Gedanken gemacht? Habe die ganzen letzten Nächte nicht schlafen können. Eigentlich mache ich mir die letzten ein, zwei Monate über nichts anderes mehr Gedanken, ich möchte einfach mit dir zusammen sein.“

„Du hast mir gesagt, das Ganze hält eh nur vier Jahre.“ Sag mal spinnt der jetzt?

„Ich hab nie gesagt, dass das nur vier Jahre halten würde mit uns beiden. Ich hab gesagt, und wenn’s nur vier Jahre hält, dann wären es wenigstens schöne, glückliche vier Jahre, das wär’s mir wert. So hab ich das gesagt.“ Im Grunde hätte ich sagen müssen, und wenn’s nur zwei Jahre hält, dann wäre es mir das Wert. Denn genau so denke ich im Moment grad.

„Ach Tobi, das Ganze kann nie so werden, wie das, was du jetzt mit Björn hast. Und überleg doch mal, ihr habt euch doch was aufgebaut zusammen.“

„Sicher haben wir uns was aufgebaut, und ich mag ihn ja auch gerne, so ist es ja nicht. Nur du bist halt mein absoluter Traum. Weißt, als ich Björn kennen gelernt habe, da waren bei weitem nicht die Gefühle da, wie ich sie jetzt für dich habe.“

„Tobi, das geht einfach nicht.“

„Das muss einfach gehen. In der nächsten Zeit ist es für mich die Hölle auf Erden, das weiß ich auch, wenn ich Björn alles erkläre. Aber ich denke, ich hab einfach glückliche vier, vielleicht sechs, vielleicht 20 Jahre mit dir zusammen. Aus dem Grund möchte ich das einfach hinschmeißen und möchte mit dir zusammen sein!!!“

„Ich möchte mich im Moment keinem antun, bin einfach nicht fähig für ne Beziehung im Moment. Das geht einfach nicht. Und ich könnte auch nie damit leben, dass du dich von Björn wegen mir getrennt hast.“

„Also ist es nur wegen Björn, dass du sagst, das geht nicht? Habe ihm ne Erklärung geschrieben. Hab die dabei, möchte gerne, dass du die liest.“

„Nee Tobi, echt nicht, jetzt muss ich auch einmal an mich denken. Wie einfach wäre doch alles. Hätte bloß zu Tim heute sagen brauchen ‚sicher, lass uns Sex haben’ und könnte jetzt einfach zu dir sagen ‚ja, lass es uns versuchen’. Ich will das jetzt nicht lesen.“ Meine Laune sinkt gegen den Nullpunkt. Wie kann der über UNS reden und im selben Moment von Tim erzählen?

„Ich hab’s dir extra ausgedruckt, ich möchte gern, dass du das liest, magst das echt nicht lesen?“

„Nein, echt nicht. Außerdem muss ich jetzt eh los. Muss morgen um sechs aufstehen.“ Ganz toll, kann ich mit ihm nicht einmal ein vernünftiges Gespräch führen? Warum bedeutet ihm das alles nichts? Hat er sich wegen dem schlechten Gewissen, dass er nicht schuld sein will, und sich das vorwerfen will, wenn ich mich von Björn trenne, ein Schutzschild aufgebaut, oder ist er wirklich so gefühlskalt?

„Ach Stern, das muss einfach was werden mit uns beiden. Ich hab doch sogar schon nach ner Wohnung für mich Ausschau gehalten. Natürlich mit Badewanne für dich.“ Möchte seine Hand drücken. Aber noch nicht mal das lässt er im Moment zu.

Kurz drauf zahlen wir und verlassen die Bar.

„Ist wohl besser, wenn wir die nächste Zeit nicht gemeinsam weggehen. Für uns beide besser.“

„Jetzt schließ mich bitte nicht aus und sag nicht, du möchtest nichts mehr mit mir zu tun haben.“ Werde ich ihn jetzt etwa gar nicht mehr sehen?

„Wir können ja gerne squashen und auch zur Cindy gehen. Aber besser nicht gemeinsam nach München fahren. Mit’m Zug. Das müssen wir mal ne Weile sein lassen.“

„Ok, dann war’s das wohl, ich verspreche dir, ich werde dich nicht mehr anmachen. Muss das jetzt erst mal verdauen.“ Und schon mache ich mich auf den Heimweg. Er legt mir noch kurz die Hand auf die Schulter und verabschiedet sich. Wenn ich aus ihm nur schlau werden würde? Hat er das jetzt nur wegen Björn alles so gesagt. Und geht es nur deshalb nicht? Oder bin ich ihm nicht wichtig genug? Mir ist ja die ganze Situation im Moment noch gar nicht so klar. Erst als ich zu Hause bin und vor meinem Rechner sitze, realisiere ich langsam, was eigentlich los ist. Dass mein schönster und wichtigster Traum zerplatzt ist wie eine Seifenblase. Muss ihm unbedingt noch meinen Brief an Björn schicken. Mist, mit einer Mail geht das gar nicht im Chat, das Ganze ist viel zu viel Text. So teile ich den auf vier Mails auf.

„Ich hab dir ja versprochen, dass ich dich ab morgen nicht mehr auf das Thema ansprechen werde, deshalb muss ich einfach die Gelegenheit nutzen und schicke dir heute noch diesen Brief an Björn. Musst ihn ja nicht im Moment lesen. Lies ihn halt später. Morgen oder wann du Lust hast...

Mir ist es halt einfach wichtig, dass du ihn gelesen hast.“

Habe heute nun eigentlich gar kein vernünftiges Gespräch mit ihm geführt. Trotzdem war das ein Schlussstrich unter dem Kapitel. Mein Traum mit Hansi zusammen glücklich zu werden ist zerplatzt wie eine Seifenblase. Wenn ich ehrlich sein soll, dann war das heute wirklich keine vernünftige Aussprache. Er hätte sich ja wohl echt die Zeit nehmen können um alles zu bereden. Wenn ich ihm wirklich etwas bedeuten würde, dann hätte er das sicher auch gemacht. Also ich hätte heute alles liegen gelassen. Und wenn ich um drei wieder hätte aufstehen müssen. Es wäre mir egal gewesen. Wenn ich zehn Kilometer nach Hause gehabt hätte und ich hätte kein Auto gehabt und der letzte Bus wäre mir davon gefahren, ich wäre die Strecke gelaufen. Tja, da war mein Traum von einer gemeinsamen Zukunft wohl wirklich zu groß. Betrinke mich heute Abend ganz fürchterlich, weil ich einfach nicht ins Bett gehen kann. Erst als wirklich der letzte Rest ausgetrunken ist und mir schon schlecht ist, falle ich ins Bett.

Alle meine Hoffnungen haben sich von heute auf morgen in Luft aufgelöst. Gut, dass ich einfach an nichts mehr denken kann und gleich einschlafe.

Der nächste Tag wird ja eine echte Katastrophe. Nicht weil ich einen Kater hätte, das hält sich noch in Grenzen, schließlich kann ich ja ausschlafen. Aber es fängt schon damit an, dass ich ganz einfach nicht aufstehen will. Dann bin ich aber doch diszipliniert genug, denn ich muss ja mittags im Geschäft an der Kasse sein. Habe den Brief an Björn per E-Mail an die Geschäftsadresse geschickt. Möchte ihm den nämlich heute zeigen und zu Hause funktioniert der Drucker nicht. Mir ist im Moment alles egal. Auch, wie Björn auf das Ganze reagiert. Es ist mir scheiß egal. Und wenn er mich nicht mehr sehen will, kein Problem. Ich hab ja schließlich nichts mehr zu verlieren. Alles, was ich wollte und was mir so wichtig war wie kaum was anderes, das hab ich schon verloren. Nämlich Hansi.

Komme also im Geschäft an.

„Du Björn, ich hab was Wichtiges mit dir zu bereden heute. Nur geht das halt leider nicht im Moment grad. Muss ja dann an die Kasse, aber später machen wir das dann...“

„Ach komm, was ist denn los? Jetzt sag schon!“

„Du, das lässt sich nicht in ner halben Stunde besprechen. Später, ok?“

„Jetzt sag schon, was los ist.“

„Geht jetzt echt nicht. Weißt, ich bin ziemlich fertig im Moment. Aber auf die Schnelle ist das nicht erklärt. Warum muss ich auch ausgerechnet jetzt an die Kasse gehen?“

„Warte mal, ich frag mal schnell Martina, ob sie heute vielleicht ausnahmsweise mal länger bleiben kann.“ Martina bleibt wirklich eine Stunde länger. Gut so, so kann ich wenigstens alles loswerden, was mir auf der Seele liegt.

„Weißt du Björn, ich hab mich verliebt, das ist das Problem, nur will ich das halt nicht länger vor dir verheimlichen, weil wir nie Geheimnisse voreinander hatten.“

„Verliebt? In wen? In den Flo?“ Er meinte den kleinen Flo, den er ja noch gar nicht kennt.

„Nein, sicher nicht in den Flo, sondern in den Hansi.“ Muss ja fast schon lachen, als er meint, ich könnte mich doch wirklich in Flo verliebt haben.

„In den Hansi?“ fragt er mich auch gleich total ungläubig.

„Also, da wäre ich im Leben nicht drauf gekommen, wie er neulich so da saß und traurig war drüber, dass das mit seinem Chris nicht so läuft, wie es soll.“

„Ja doch Björn, ich hab mich Hals über Kopf in den Hansi verliebt. Kann das nicht ändern. Weißt, gestern, als ich dich angerufen habe und meinte, Hansi ist noch vorbei gekommen und wir wollen noch was trinken gehen, das war kein Zufall. Wir haben uns gestern ausgesprochen und geklärt, dass das nichts wird mit uns beiden.“

„Dann war dir das echt ernst mit Hansi, oder wie?“

„Ja, sehr ernst. Ich hab dir sogar einen Brief geschrieben. Den würdest du ja jetzt normalerweise gar nicht bekommen, weil er hinfällig ist. Aber ich möchte doch gerne, dass du ihn liest. Hab dir in dem Brief versucht alles zu erklären.“ Und schon krame ich den ausgedruckten Brief aus meiner Jackentasche. Mist verdammter, genau in dem Augenblick kommt Martina von der Kasse ins Büro und meint, ein wichtiger Geschäftspartner würde auf uns im Laden warten. Super, kommen die immer im falschen Moment, oder was? Wir unterhalten uns also mit dem Herrn, aber dann muss ich auch schon an die Kasse.

Als ich kurz nach hinten ins Büro schaue, sehe ich, wie Björn den Brief gerade fertig gelesen hat und ihn sofort zerreißt und in den Müll wirft. Logisch war das harter Tobak für ihn. Man bekommt ja nicht aller Tage gesagt, dass man nur durch Glück seinen Partner nicht verloren hat. Aber so schlecht wie es mir gerade geht, hätte ich ihm sowieso nichts vormachen können. Er hätte irgendwann sicher gefragt, was mit mir los ist. Und ein wenig habe ich mein Gewissen auch erleichtert.

Später kommt er zu mir an die Kasse vor.

„Also wenn das Ganze ein Gutes hatte, dann, dass ich eben erst wieder gemerkt habe, wie wichtig du mir bist, Tobi. Wie sehr ich dich noch liebe.“ Mensch, wenn ich nur das Gleiche sagen könnte. Kann ich aber leider nicht, da ich zu sehr verzweifelt bin im Moment. Ich bin echt am Boden zerstört, Björn merkt das und will mich sogar noch trösten. Obwohl ich ihm gerade das Schlimmste gesagt habe, was man überhaupt jemals einem Partner nur sagen kann.

Als ich an der Kasse abgelöst werde, fahre ich erst mal zum Schwimmen. Ich muss raus. Ich muss mich heute irgendwie fertig machen. Bis ich absolut nicht mehr kann.

Björn versteht das sogar irgendwie.

„Also mir hat das heute echt wieder gezeigt, wie sehr ich dich doch immer noch liebe, Tobi. Wäre es nicht so, dann hätte ich doch jetzt ne super Gelegenheit. Ich könnte mich von dir trennen und müsste nicht mal ein schlechtes Gewissen bei dem Ganzen haben. Ne bessere Vorlage hättest du mir ja gar nicht geben können. Weißt, ich hab auch schon ein paar Mal gedacht, warum hab ich eigentlich ne Beziehung? Aber jetzt gerade hab ich wieder gemerkt, was ich an dir habe, wie wichtig du mir doch bist.“ Verdammt, ich wäre froh, ich könnte das Gleiche sagen, vielleicht kann ich das in ein paar Monaten rückblickend auf das ganze Geschehen. Jetzt im Moment könnte ich nur heulen.

Mache mich dann auf den Weg zum Schwimmbad, als sie wieder mal einen Song spielen, zu dem ich mit Hansi immer getanzt habe. „Push the button“ von den Sugarbabes. Mir fließen die Tränen nur so runter. Überlege kurz, wo ich denn jetzt hinfahren könnte, weil ich Lust habe mit 230 Sachen die Autobahn lang zu rauschen. Vielleicht hätte ich ja dann sogar Glück und die Tränen würden meine Sicht vernebeln. Biege dann aber doch rechts ab in Richtung Schwimmbad. Wische mir kurz übers Gesicht und gehe dann wie geplant schwimmen. Natürlich verlange ich mir körperlich alles ab, was nur geht. Bin später ziemlich geschafft, aber das wollte ich ja so haben.

Am Abend dann habe ich noch ein langes Gespräch mit Björn.

„Wie geht’s dir jetzt, Tobi?“

„Beschissen, Björn, einfach nur beschissen.“

Naja, darauf hin erzähle ich ihm, wie es denn nun zu dem Ganzen gekommen ist. Ein klein wenig versteht er mich ja sogar wirklich, denke ich mal. Auch wenn er es nie so weit kommen lassen würde und sich von mir trennen würde, wenn er in einer vergleichbaren Situation wäre.

Inzwischen sind fast zwei Monate vergangen. Hansi hab ich nur selten gesehen, und auch im Chat ist er immer recht kurz angebunden. Neulich waren wir zum ersten Mal seitdem wieder weg. Aber es war einfach nicht wie sonst. Gut, Björn war mit dabei, aber auch ohne Björn, wäre das nicht dasselbe gewesen. Immerhin waren wir neulich mal wieder squashen. Und das hat mich echt sehr gefreut. Vielleicht klappt es ja doch noch, dass wir einfach normale Kumpels bleiben oder werden können. Hansi und ich. Auch wenn ich mich immer noch oft dabei ertappe an ihn zu denken.

Für Björn hab ich mich dieses Wochenende echt ins Zeug gelegt. Am Freitag waren wir schön beim Essen. Samstag und Sonntag hab ich uns was Leckeres gekocht. Und Sonntag haben wir auch wieder mal ausgiebig gekuschelt. Ich mag ihn schon sehr gerne. Hoffentlich werde ich demnächst sagen können „Ja, es war die richtige Entscheidung.“

Jedenfalls fliegen wir demnächst für ein romantisches Wochenende nach Madrid. Da freue ich mich schon richtig drauf. Nur Björn und ich.

Neulich hat er mich mal gefragt:

„Was wäre eigentlich, wenn Hansi jetzt sagen würde ‚Komm, lass es uns doch versuchen’?“

„Ich weiß es nicht,“ war meine Antwort. Ich weiß es wirklich nicht.

THE END

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