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Ronny

Teil 8

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Zusammenfassung Teil 7: Julian verbringt einen Nachmittag mit Juan in der Stadt und was für beide schön beginnt, endet damit, dass Juan wortlos wegläuft. Julian ist verzweifelt, Ronny spricht mit Juan und erfährt den Grund für sein Verhalten. Er ist HIV positiv. Juan bittet Ronny, Julian noch nichts davon zu erzählen. Das möchte er selber tun.


Wie langweilig kann eigentlich so ein öder Schultag sein, an dem aber auch rein gar nichts passiert. Gut es war Freitag und scheinbar hatten auch unsere Lehrer schon irgendwie das Wochenende im Kopf. Bei uns Schülern brauchte es natürlich keinen besonderen Anlass, um ein gewisses Desinteresse an den Tag zu legen, wenn es um den Unterricht ging. Außerdem war ja für den Nachmittag der Besuch in unserem Erlebnisbad angesagt und wer hat da noch Lust auf Mathe und Physik?

Für mich hieß das allerdings, dass ich mich nach der Schule ziemlich beeilen musste, denn ich wollte ja noch Getränke für meine Geburtstagsparty besorgen. Da zahlt es sich doch wieder mal aus, wenn man gute Freunde hat, denn ohne das ich ihn extra darum bitten musste, stand Robert grinsend an unserer Haustür, als ich gerade zum Getränkemarkt wollte.

»He Robby, du bist schon da?«

»Klar du Blitzmerker. Ich will doch kontrollieren, dass du auch ja genug einkaufst und ich morgen nicht verdursten muss. Na und wenn ich schon mal da bin, da werd ich auch nicht so sein und dir auch ein kleines bisschen helfen.«

»Cool, dann können wir ja gleich los. Hast du deine Badesachen schon mit?«

»Ja klar, hab ich. Kann ich die derweil hier lassen?«

»Logo, wir müssen uns aber ein wenig beeilen, damit wir nicht zu spät ins Bad kommen.«

Der Einkauf verlief ohne Zwischenfälle. Ein paar Flaschen von diesem, ein paar von jenen und schon waren wir wieder auf dem Rückweg. Das wurde auch Zeit den 15:00 Uhr wollten wir uns ja am Eingang zu unserem Freizeitzentrum treffen. Auf den Weg dahin hatte ich endlich mal Gelegenheit auch Robert etwas über die Juan - Julian - Geschichte zu erzählen. Er war schließlich mein bester Freund und es war mir wichtig, dass auch er Bescheid wusste.

* * *

Mit unseren Schweizer Gästen waren wir immerhin 50 Leute die natürlich einen nicht zu unterschätzenden Tumult veranstalten konnten. Da wir recht spät ankamen, waren die meisten auch schon da und als wir unsere Fahrräder angeschlossen hatten, hielt ich Ausschau nach Julian. Roland stand ganz oben auf der Treppe und prahlte mit seinen Schwimmkünsten. Er erzählte von irgend welchen gewonnenen Meisterschaften, an die sich seine Klassenkameraden komischer Weise gar nicht erinnern konnten. Er ignorierte das wie üblich und machte sich weiter wichtig.

Julian und Juan standen etwas abseits neben Floppe und alle drei lachten. Für das erste war das schon mal sehr beruhigend. Ich wusste zwar nicht, ob die zwei schon über Juan's Problem gesprochen hatten, aber die Stimmung war im Moment jedenfalls gut.

Nachdem die beiden Lehrer zum zwanzigsten mal versucht hatten unsere Gruppe, in der es wimmelte wie in einem Ameisenhaufen, zu zählen, beschloss man dem Unheil seinen Lauf zu lassen und uns den Weg ins Badevergnügen freizugeben.

Natürlich wollte ich unbedingt in Julian seine Nähe.

»Und, hast Du schon mit Juan sprechen können?«

»Nein bis jetzt noch nicht, aber wir wollen uns jetzt mal 'ne ruhige Ecke suchen.«

»Na dann, wir sehen uns später unter Wasser.«

»Ja, machen wir. Du ich bin richtig aufgeregt. Juan ist mir verdammt wichtig.«

»Das wird schon, keine Angst, bis dann.«

Hm? Wird es das wirklich? Wenn ich das gewusst hätte, wäre mir wohler zu mute gewesen. Ich war mindestens genau so aufgeregt wie Julian. Ich glaube ich mochte beide ganz gern.

So ein Bad ist doch was feines und nach so 'ner Woche Schulstress genau das richtige, um sich auf ein noch stressigeres Wochenende vorzubereiten. Konnte es eigentlich etwas wichtigeres geben, als seinen besten Freund unter Wasser zu tauchen, oder immer wieder die großen Gummiringe die Treppen rauf zu wuchten, um dann damit in den langen dunklen Röhren wieder nach unten zu rutschen? Muße man nicht unbedingt seinen Kumpels auf die nass am Körper anliegenden Badeshorts gucken, wenn die Jungs aus dem Wasser kommen? Lauter fast nackte Boys um einen herum, die sich ausgelassen im Wellenbad tummeln. Konnte es da noch Probleme geben? Konnte es. Julian und Juan hatten sich in einen kleinen Wirlpool in den Außenanlagen verdrückt und schienen tief in ihr Gespräch versunken. Da die meisten von uns in der Halle waren, hatten sie auch ihre Ruhe. Ich wollte sie natürlich nicht stören und trotzdem hätte ich sehr gern gewusst, was zwischen den beiden jetzt vorging.

Wie kommt es eigentlich, dass manchmal ein ganzer Monat verstreicht, bevor vier Schulstunden vorbei sind, vier Stunden im Bad allerdings so schnell vergehen, dass man kaum richtig nass wird?

Irgendwie traute sich leider niemand ohne Badehosen zu duschen. Schade eigentlich und um so mehr überrascht war ich, als mich Juan und Julian an den Umkleidekabinen anstubsten.

»Los komm doch gleich mit rein, ist ja eh 'ne große für Familien.«, grinste Julian.

Dem Angebot kam ich natürlich nur zu gern nach. Jeder schlüpfte aus seiner Badehose und ich starrte die beiden an. Nicht etwa weil sie nun nackt waren (na ja ok, ein bisschen auch deswegen *g*), nein weil ich endlich wissen wollte, wie das Gespräch gelaufen ist. Aber was sollte ich fragen? Ich brachte ein kurzes:

»Alles klar bei euch?« heraus.

Julian, der bisher eifrig mit dem Handtuch seinen Körper trocken rubbelte, legte das jetzt beiseite, legte seinen Arm um Juan und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

»Ja, bei uns ist alles klar und bei dir?«, grinste er.

Au verflixt. Die zwei nackten süßen Jungs mit mir in einer Kabine und meine unkontrollierbaren, eigensinnigen Hormone waren tatsächlich keine gute Mischung. Ich wollte mich noch schnell umdrehen aber... Schon zu spät. Die beiden anderen konnten sich vor Lachen nicht mehr halten. Ich muss wohl auch ein sehr komisches Bild abgegeben haben, immer noch nass und regungslos und mein kleiner Freund wippte fröhlich in der Gegend um her.

»He Ronny, wenn du nicht darüber lachen kannst, müssen wir sofort was unternehmen.«

Die zwei schauten sich nur kurz an, nickten sich zu und schon war ich einer Durchkitzel - Attacke unterworfen. Zum einen beruhigte sich mein bestes Stück dabei ziemlich schnell, zum anderen wurde man nun aber auch vor der Kabine auf uns aufmerksam.

»Nun beeilt euch aber ein wenig und benehmt euch wie Erwachsene, wir müssen zum Abendessen.«

Diese Mahnung kam vom schweizer Lehrer. Unsere Gäste hatten heute den letzten »offiziellen« Abend in unserer Stadt, den sie gemeinsam verbringen sollten. Am Samstag war für alle ein freier Tag bei den Gastfamilien und am Sonntag ging es zurück Richtung Schweiz mit einem zweitägigem Aufenthalt in Heidelberg. Während die Schweizer also zum essen und ins Kino gingen, fuhr ich und Robert mit dem Rad nach Hause.

Es war schon nach 23:00 Uhr als ich meine Mutter im Flur hörte:

»Na da seid ihr ja, wollt ihr vielleicht noch was trinken oder essen?«

Ich hörte zweimal: »Nein, vielen Dank.«

Meine Mutter schob Julian in mein Zimmer und meinte:

»Na dann gute Nacht ihr zwei. Morgen früh müsst ihr euch mit dem Frühstück kümmern, ich komme erst kurz vor dem Mittagessen zurück.«

»Wo fährst du denn hin?«, fragte ich erstaunt.

»Kleines Geheimnis mein Schatz.«, lächelte sie und verschwand.

Julian lies sich erschöpft neben mich auf's Bett fallen.

»Puh bin ich kaputt. Trägst du mich ins Bad?«

»Ich glaube das ist mir ein wenig zu schwer, um diese Zeit.«

»He, ich habe doch heute erst gesehen, wie leicht du einen hoch kriegst.«, witzelte Julian.

Ich musste das natürlich sofort mit einem gezielten Schlag mit meinem Kopfkissen bestrafen.

Julian setzte sich auf und zwei strahlende Augen sahen mich an.

»Mit Juan scheinst du dich ja gut zu verstehen?«, fragte ich.

»Ja. Obwohl ich zugeben muss, dass ich mit allem gerechnet hätte, aber nicht damit.«

»Hm. Das ging mir genau so.«

»Ich weiß nicht wie das alles mal werden soll. Ich weiß nur, dass ich ihn ganz doll lieb hab und ich werde zu ihm stehen, was immer auch kommt.«

»Ich wünsche euch Glück, vor allem Juan. Du weißt ja wie ich das meine.«

»Ja klar. Ich glaube ich muss noch viel über die ganze Sache lernen, aber ich habe auch zu Juan gesagt, wenn wir zwei für einander bestimmt sind, dann wird uns auch nichts davon abhalten können. Ich weiß, dass das auch mal sehr schwer werden kann, aber daran will ich jetzt nicht denken.«

Irgendwie war ich erleichtert. Klar, dass Problem an sich war nicht gelöst, aber die Hoffnung, dass alles gut ausgeht, war wieder ein Stück gewachsen. Ich nahm Julian in den Arm und hielt ihn noch eine ganze Weile fest.

* * *

Durch ein künstliches Räuspern neben meinem Bett wachte ich am nächsten Morgen auf. Julians Augen sahen mich erwartungsvoll an. Ich brauchte ein paar Sekunden um richtig wach zu werden. Julian hielt eine kleine niedliche runde Torte in der Hand. In der Mitte stand eine goldene 16 und ebenso viele Kerzen brannten auf dem süßen Backwerk.

»Alles gute zum Geburtstag, Ronny. Wie wär's mit 'ner Runde blasen?«

»Blasen ist immer gut.«, grinste ich und im nu waren die Kerzen gelöscht. »Danke, lieb von Dir.«

»Hab ich extra bei Eurem Bäcker für Dich machen lassen.«

»Bist ein Schatz.«

Die morgendliche Geburtstagsstimmung wurde jäh durch lautes Poltern und Klappern unterbrochen.

»Hilfe, stürzt euer Haus jetzt ein?«

Ich war schnell aus dem Bett und in wenigen Sekunden stand ich mit Julian in der Küche, die offenbar das Zentrum der lautstarken Vorgänge war. Was sich uns bot, war ein Bild mittelschwerer Verwüstung, dass aber mehr zur Belustigung, als zur Besorgnis beitrug. Roland stand am Herd, hatte die Küchenschürze meiner Mutter um und rührte, von oben bis unten bekleckert, in unserer größten Pfanne mit dem größten Rührlöffel, eine Zwölferpackung Eier zusammen.

»Na jemand muss sich doch um das Frühstück kümmern. Sonst verhungert ihr doch noch. Übrigens alles Gute zum Geburtstag Ronny. Jetzt bist du ja wenigstens schon mal so alt wie wir.«

Zwischen all der Verwüstung war doch tatsächlich ein brauchbares Frühstück entstanden und wenn wir auch bis zu Mittag zu tun hatten, die Küche wieder in einen Zustand zu bringen, der für meine Mutter einen gewissen Wiedererkennungswert hatte, ließen wir uns es trotzdem schmecken.

Etwas später waren Julian und Roland gerade dabei in unserem Garten ein paar Vorbereitungen für die abendliche Party zu treffen, als meine Mutter wieder in der Küche auftauchte.

»He, alles Gute zum Geburtstag mein Kleiner.«

Ich war wieder der Kleine und die Welt somit in Ordnung.

»Danke. Wo warst du denn den ganzen Morgen.«

»Ich habe dir noch einen Geburtstagsgast geholt und zwar vom Flughafen.«

In dem Moment trat noch jemand in die Küche.

»Papa!!!!!!!!«

Mit allem hätte ich gerechnet, aber damit nun wirklich nicht.

»Ich dachte du kannst noch nicht nach Hause kommen?«

»Mein Chef hat eingesehen, dass es nichts wichtigeres geben kann, wie den 16. Geburtstag meines Sohnes. Happy Birthday.«

In dem Moment kam Julian in die Küche und schaute verwundert auf den für ihn fremden Mann.

»Julian, das ist mein Dad, Papa das ist Julian unser Gast aus der Schweiz. Draußen im Garten haben wir noch so ein Exemplar namens Roland.«

»Hi Julian. Vielleicht darf ich dich dann gleich mal entführen. Du kannst mir etwas helfen und du Ronny, hast doch bestimmt im Garten noch was zu tun?«

Mein Vater sagte das mit einem Zwinkern und in einem Ton, der wohl eher sagen sollte: »Und du schnüffelst uns mal nicht nach.«

»Geht schon klar Papa.«

Also jetzt konnte es eigentlich nur noch eine schöner Tag werden und vor lauter Freunde über den Überraschungsbesuch meines Vaters, war mir noch gar nicht so richtig aufgefallen, dass ich außer der Torte von Julian noch gar nichts geschenkt bekommen hatte.

Roland war gerade dabei noch einen Tisch von unserem Nachbarn zu holen und erklärte dem, dass er zu Hause einen viel größeren Garten hätte, als mich Julian rief:

»Ronny, kommst du mal in dein Zimmer.«

Julian ging vor mir die Treppe nach oben und hatte irgendwie ein schelmisches, wissendes Grinsen im Gesicht. Auch meine Eltern standen in meinem Zimmer und schauten mich erwartungsvoll an. Ich schaute sie an, dann schaute ich in mein Zimmer. Irgend etwas hatte sich verändert. Unter meinem kleinen Schreibtisch stand ein Computer und darauf ein Monitor, ein Scanner und ein Drucker. Das erste was mir einfiel war meinen Mund zu öffnen und in erst mal offen stehen zu lassen. Brenner, DVD Laufwerk, all meine Wünsche schienen war zu werden.

»Ein Modem ist drin.«, meinte mein Vater der wohl Gedanken lesen konnte.

»Ich weiß überhaupt nicht was ich sagen soll. Danke.«, stotterte ich verlegen.

»Na dann sag am besten erst mal nichts.«, beruhigte mich meine Mutter, »Ich werde dann mit Julian mal nach unten gehen und mich um das Mittagessen kümmern. Du kannst ja Deine Dankbarkeit in der Zwischenzeit noch ein wenig deinem Vater zeigen.«

Dabei blinzelte sie uns zu und verschwand mit Julian aus dem Zimmer.

»Na mein Sohn?«

»Na Papa?«

Wir mussten lachen.

»Ich hoffe du freust dich über dein neues Spielzeug. Ich bin nämlich extra für 3 Tage her gekommen, um dein Gesicht nicht zu verpassen.«

»Klar freu ich mich. Du musst Montag schon wieder weg?«

»Ja, wir haben auf jeden Fall noch drei oder vier Wochen zu tun. Aber bilde dir nicht zu viel ein. Den Computer habe ich zwar gemeinsam mit deiner Mutter bezahlt, den Flug zahlt allerdings die Firma.«

»Ich freu mich so das du da bist.«

Ich hatte meinen Vater bestimmt seit zwei, drei Jahren nicht mehr in den Arm genommen, ein großer Junge macht ja so was nicht, aber jetzt war mir einfach danach.

»Tja Ronny, wo wir gerade mal unter uns sind, deine Mutter hat mir erzählt, dass du mir heute Abend wahrscheinlich keine Freundin vorstellen wirst?«

»Nein Papa, wohl eher nicht.«

»Hm? Da bin ich als Vater jetzt ziemlich aufgeschmissen.«, meinte er ruhig und nachdenklich. »Da habe ich nun schon seit Jahren einen Vortrag geprobt für den Fall, dass du mal eine Frau mit nach Hause bringst und ich dich über die Gefahren im Umgang mit weiblichen Wesen unterrichten muss und nun steh ich ziemlich auf dem Schlauch. Bei Mädchen hätte ich dir einige Tipps geben können, aber wo kriegen wir denn nun einen lieben Freund für dich her?«

»Na das lass mal meine Sorge sein. Mir wäre schon viel geholfen, wenn ich wüsste, dass du damit klar kommst.«

»Na ja? Hm? Wir werden sicher leugnen, dass du unser Sohn bist, wir werden abstreiten dich je gekannt zu haben und denke nicht, dass du noch irgendwas mit unserer Erbfolge zu tun hast, aber ansonsten hab ich natürlich kein Problem damit.«

Wir mussten beide lachen und besser hätte ich mir das Gespräch auch nicht vorstellen können. Was sollte an diesem Tag noch schief gehen können?

Der Nachmittag war für Omas, Opas, Tanten und Onkels reserviert und während Roland und Julian das Glück hatten, meinen neuen PC ein wenig auf den Zahn zu fühlen, musste ich mir zum zweihundertsten mal anhören, wie groß ich doch geworden bin und wie gescheit und wie hübsch und ...

Na ja, auch das geht vorbei und Punkt 19:00 Uhr standen die ersten Partygäste vor der Tür. Was heißt die ersten. Man hatte wohl hinter meinem Rücken sehr gut organisiert, denn es standen alle vor der Tür:

Robert, Markus, Maik, Olli, Floppe, Frank, Juan und Manuela. Diana kam nicht alleine, sie hatte mich am Nachmittag schon angerufen, ob sie nicht Stefan mitbringen darf. Stefan gehörte auch zur schweizer Truppe und die zwei sind sich am Freitag im Bad wohl etwas näher gekommen. Gewisse Dinge sind eben länderübergreifend.

Da die Nachbarschaft gewarnt war, dass es etwas lauter werden könnte, mussten wir dem natürlich auch gerecht werden, was uns aber weniger schwer fiel. Der Ghettoblaster von Olli war dabei eine gute Hilfe. Meine Eltern eröffneten noch das Buffet und zogen sich dann brav zurück.

Nach dem ich mich durch einen Berg nützlicher und weniger nützlicher Geschenke gewühlt und mich bei allen bedankt hatte, war nur noch ein kleines Päckchen übrig, das mir bisher noch nicht aufgefallen war. Ich erkannte recht schnell, dass es sich um eine CD handelte. Westlife - das Album. Ich war schon ein wenig erstaunt, den wer sollte wissen, dass mir das wirklich gefällt? In dem Päckchen war eine kleine Karte in der stand: »Ich hoffe die CD gefällt Dir. Na eigentlich weiß ich es ja genau. Ich habe Dich sehr gern, auch wenn ich mir im Moment noch nicht getraue Dir das persönlich zu sagen. In Liebe...« Also ich war mehr als überrascht.

Es wäre wohl keine Party eines 16jährigen, wenn unter der ganzen Cola nicht auch ein Flasche Whisky versteckt gewesen wäre, den zwar pur niemand mochte, aber im Gemisch mit der Cola, kam man sich gleich viel erwachsener vor. Alles lief wirklich super bis Floppe plötzlich zu Juan sagte:

»Sag mal, darfst du eigentlich alles essen und trinken, wenn du HIV positiv bist?«

Peng!!! Sofort waren alle ruhig. Die Augen waren abwechselnd auf Juan und auf Floppe gerichtet.

»Woher weißt du das?«, stotterte Juan mit verzweifelter Stimme.

Ich schaute hilflos zu Julian und er zu mir.

»Hab ich etwa was falsches gesagt.«, versuchte sich Floppe herauszuwinden, der nun offenbar bemerkt hatte, das irgend was nicht stimmt.
»Deine Mutter hatte meine Eltern angerufen und das erwähnt. Ich meine... ähm...«

»Ist das wirklich war Juan? Warum hast du nie was davon erzählt.«, fragte nun Stefan.

Julian stellte sich hinter Juan und hielt hinter seinem Rücken seine Hand, so das es die anderen nicht sehen konnten und Juan erzählte langsam und ruhig seine Geschichte. Er erzählte, dass er Angst hatte die Schule wieder wechseln zu müssen, wenn es jemand erfährt, dass er Angst hatte wieder rumgestoßen zu werden, Angst davor, dass ihn niemand mag. Mit diesen traurigen Worten war erst einmal Stille in unserer Runde. Juan hatte sich leicht zurück an Julian gelehnt und beide hatten feuchte Augen.

Es war eine grausame Stille und ich hätte sie gern durchbrochen, aber wie? Was hätte ich sagen sollen? Plötzlich stand Roland auf und ging auf Juan zu. Nein bitte nicht Roland. Wenn jemand die eh schon schwierige Situation zu einer Katastrophe verwandeln konnte, dann er. Es passierte aber ganz was anders etwas, dass ich sicher nie vergessen werde. Roland legte den Arm um Juan's Schulter und sagte:

»Wieso sollte dich keiner mögen? Du gehörst doch zu uns und du kannst dich darauf verlassen, wenn es auch nur einer wagen sollte dich rumzustoßen, der kriegt es mit mir zu tun.«

»Nicht nur mit Roland.«, auch Stefan kam jetzt näher und kniff Juan leicht in den Arm: »Wie kommst du nur auf so was. Wir haben bei uns doch immer alle zusammengehalten und das werden wir auch jetzt nicht ändern. Verlass dich drauf, wir würden dich gar nicht wieder gehen lassen.«

In dem Moment war das Eis gebrochen. Alle plapperten wieder wild durcheinander und so merkte es wohl keiner, dass Julian Juan für einen kleine Moment fest in den Arm nahm. Wir drei sahen uns ziemlich erleichtert an. Nun musste Juan seine Geschichte aber noch mal ganz genau erzählen und ich weiß nicht, ob es keiner sah, oder ob es keiner sehen wollte, dass Julian dabei die ganze Zeit seine Hand hielt.

Von der kleinen Schrecksekunde abgesehen, war es wirklich ein toller Abend und wie immer, wenn etwas schön ist, ging er viel zu schnell vorbei. Robert, Floppe und Juan waren die letzten, die sich von mir und Julian verabschiedeten. Roland war schon seit einer Stunde im Bett. Floppe staunte nicht schlecht, als Juan von Julian zum Abschied einen zärtlichen Kuss auf die Stirn bekam, den dieser nur allzu gerne entgegen nahm. Juan nahm auch mich noch mal in den Arm und flüsterte mir ein leises »Danke« ins Ohr. Floppe wich nun ein Stück zurück und schaute uns etwas ängstlich an.

»Ähm..., ich bitte nicht.«, kam es stotternd von ihm, aber seine Angst, er könnte in unsere körperlichen Zuwendungen einbezogen werden, wahr wohl eher unbegründet. Für Robert war das natürlich die Aufforderung und er fiel den sich wehrenden Floppe grinsend um dem Hals:

»Keine Angst vor denen, Floppe. Du darfst heute mit mir poppen.«

* * *

Julian und ich waren beide ziemlich müde, als wir und kurz vor 2 Uhr in meinem Zimmer waren. Wir legten uns, wie schon so oft die letzten Tage, auf mein Bett und starrten eine Weile an die Decke, bevor Julian zu mir herüber sah.

»Ist das wirklich schon unser letzter Abend, Ronny?«

»Ich befürchte ja. Eigentlich würde ich meinen großen Bruder gern noch ein wenig behalten.«

»Ja, ich würde auch gern noch ein paar Tage hier bleiben und Juan sicher auch. Ich glaub er mag dich. Im September kommen Felix und Maik zu uns. Hast du nicht Lust mitzukommen?«

»Auf jeden Fall, wenn das geht?«

»Klar, das kriegen wir schon hin. Du musst die zwei unbedingt kennenlernen. Sie sind echt gute Freunde, genau wie du.«

Eine Weile war es wieder ruhig. Wir waren auch zu müde um noch etwas zu sagen. Ich nahm meine Bettdecke und wir beide kuschelten uns darunter. Es war nicht ganz dunkel im Zimmer und ich konnte Julians Gesicht neben mir sehen. Er war eingeschlafen und schien so ruhig und zufrieden. Ich war glücklich. Glücklich, obwohl wir kein Paar waren. Ich war glücklich, weil er es war. Wieder musste ich an Juan denken. An das, was das Leben für die beiden wohl noch bringen mochte, aber ich sah nichts schlimmes. Ich wusste, sie werden es zusammen schaffen und wer weiß, vielleicht wird man Juan irgendwann auch helfen können, dass er keine Angst mehr haben muss. Ich wünschte es ihnen so sehr.

* * *

Wenn ich etwas wirklich hasste, dann waren es Abschiede. Der Trubel um den schweizer Bus war durchaus mit dem am Ankunftstag zu vergleichen. Allerdings dank geschlossener Freundschaften, gaben auch wir uns jetzt Mühe, unseren Beitrag zum Chaos zu leisten und darin waren wir richtig gut. Die Koffer nach hinten, die Tüten nach vorn, die Taschen nach oben, die Beutel nach rechts und wenn alles einsortiert war, brauchte bestimmt noch jemand sein Handy aus dem hintersten Koffer und das Spiel begann von vorn.

Ich stand mit Roland und Julian etwas abseits von dem Treiben und es war Zeit 'Auf Wiedersehen' zu sagen. In dem Moment kamen auch Floppe und Juan um die Ecke und Julian lief seinem Freund entgegen. Für kurze Zeit stand ich nun mit Roland alleine da.

»Also... , naja...«, stotterte er: »Wenn ihr im nächsten Jahr bei uns seid, dann wirst du ja sicher beim Julian schlafen, aber vielleicht kommst du mich ja mal besuchen, ok?«

»Klar Roland. Ich will doch euer großes Haus und euren riesen Garten, eure perfekte Küche und euer teures Auto mal sehen.«

»Das ist recht.«, freute sich Roland. »Obwohl ob unser Garten und unser Haus nun so viel größer ist...? Hm? Na ja, man kann sich natürlich täuschen, wenn man nicht daheim ist.«

»Na wir werden es ja sehen.«

Mittlerweile waren auch Julian und Juan wieder bei uns, während Roland seine Tasche im Bus verstaute und mir zum Abschied noch mal kurz zu nickte.

Da standen wir nun, wir drei Helden. Ich umarmte beide und am liebsten hätte ich los geheult.

»Ich glaube ihr werdet mir fehlen.«, mehr brachte ich nicht heraus.

»Du uns auch Ronny.«, antwortete Julian etwas verlegen. »Es war schön bei dir und sag auch noch mal deinen Eltern einen schönen Gruß.«

»Mach ich.«

»Wir müssen dann wohl los. Meine E-Mail Adresse hast du ja. Schreib mir gleich, wenn das von deinem PC aus gehen wird.«

»Ja mach ich. Robert will mir beim Einrichten einer Mail Adresse helfen, der hat da Erfahrung.«

»Also dann - Tschüs.«

Ich sah den beiden hinterher und als der Bus los fuhr wurde mir erst so richtig bewusst, dass wir uns für eine lange Zeit nicht sehen werden. Ich war mit Julian nur einige wenige Stunden zusammen, aber er war mir so wichtig und vertraut geworden.

»Du Ronny?«, fragte mich eine Stimme von hinten. »Hat dir mein Geschenk gefallen? Ich meine die CD?«

Ich sah mich erstaunt um.

»Sie war von dir Frank?«

Eine schöne Überraschung, aber das gehört schon gar nicht mehr hier her.

Nachwort

Für viele Helden aus meinen Geschichten gibt es ja reale Vorbilder, die wirklich existieren. So auch für Juan und wenn er auch nicht weiß, dass er in dieser Geschichte eine Rolle spielt, so wünsche ich ihm doch alles Liebe und viel Glück für sein Leben. Bleib so tapfer wie du bist, du wirst es schaffen.

Nico

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