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Now or never

Teil 1

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Inhaltsverzeichnis

 

Leise prasselt der Regen gegen meine Fensterscheibe. Es ist jetzt weit nach Mitternacht und ich schaue zum Fenster hinaus. Außer einer kleinen Kerze, die ich schon vor einer Ewigkeit angezündet haben muss, brennt kein Licht in meinem Zimmer. Ich mag es, wenn die Schatten, die die Kerze wirft, sich an der Wand abbilden.

Dann kommt es mir immer so vor, als wäre ich in einer Traumwelt, alles ganz anders als in dieser Realität, die ich nicht mochte und die mich nicht mochte. Ich öffne das Fenster und atme die frische Luft ein. Dabei merke ich, wie feine Regentropfen in mein Gesicht fallen, aber es stört mich nicht. Im Gegenteil, das Wasser erfrischt mich ein wenig und treibt die Müdigkeit fort.

Ich mag es, einfach nur so in die Dunkelheit zu starren, denn dann habe ich Zeit, meinen Gedanken einfach freien Lauf zu lassen und über die Dinge nachzudenken, die mich bewegen.

Obwohl der Sommer schon seit einigen Wochen vorbei ist, ist es noch nicht allzu kalt, nein, es ist sogar richtig angenehm. Ich schaue wieder in die Dunkelheit hinaus. Auf der Straße unter mir ist schon seit Stunden niemand mehr gewesen. Ich muss grinsen. Oh ja, in diesem Kaff ist die Welt noch in Ordnung; da gehört es sich nicht, nach Einbruch der Dunkelheit noch alleine auf der Straße zu sein. Provinz as Provinz can.

Und diese Provinz hatte nun endlich d a s Gesprächsthema bekommen, dass sie solange gesucht hatte. Erst war es nur ein Flüstern, aber dann mehrten sich die Stimmen und es entwickelte sich ein handfester Sturm und mittlerweile haben wir einen Orkan, der alles wegzufegen droht. Und ich habe diesen Orkan ausgelöst.

Ausgerechnet ich, der sonst noch nie etwas fertiggebracht hat, der nie etwas gebacken bekommt. Ich muss wieder lächeln. »Ach, was soll's; lass sie reden.«, hatte mir meine Mom gesagt. Aber es ist mehr als das, sie zerreißen sich das Maul über mich. Doch es ist mir egal. Nein, das trifft es nicht ganz...es ist mir scheißegal. Ich bin noch nie so glücklich gewesen wie jetzt und niemand kann mir das nehmen. Ich habe gefunden, was ich gesucht habe und zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich das Gefühl, mein Leben in den Griff zu bekommen.

Was passiert ist, möchtet ihr wissen?

Hm...also gut, wenn es euch wirklich interessiert. Nehmt euch ein bisschen Zeit und lauscht der Geschichte, die ich zu erzählen habe.

Angefangen hat alles an diesem Freitagnachmittag, der mein ganzes Leben verändern sollte.........

(Regieanweisung: Nebel wabert auf und es folgt ein dramatischer Kameraschwenk *g*)

Kapitel 1

»Daniel.....Daniel, hörst du jetzt endlich mal damit auf?«, hörte ich ein keifendes Zischen neben mir. Ich zuckte zusammen und wäre vor Schreck fast vom Stuhl gefallen. Schuldbewusst blickte ich in die Richtung, aus der die Stimme kam. Natürlich, wieder mal Simone, die alte Nervensäge.

»Mit was soll ich aufhören?«, fragte ich. »Das weißt du ganz genau!«, antwortete sie. Ihre Stimme klang gereizt. »Es gehört sich nicht, derart mit den Stühlen zu kippeln.«, fuhr sie fort, wobei sie mich durchdringend ansah. »Diese Stühle gehören der Schule und müssen noch sehr lange halten und du weißt doch, dass sie durch Kippeln schneller kaputt gehen. Und außerdem stört es mich beim Lesen.«

Ich war total verdattert. »O....Ok...ay, okay.«, gab ich kleinlaut bei und ärgerte mich im selben Moment über mich selbst, dass ich wieder mal kein Rückgrat hatte und vor ihr kuschte. Wieso können die anderen und insbesondere sie immer mit mir machen, was sie wollten? Wieso hatte ich nicht den Mumm, mich mal durchzusetzen?

Deprimiert stellte ich mein Kippeln ein, was Simone mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck quittierte. Zufrieden über ihren Sieg widmete sie sich wieder dem Buch, das vor ihr ausgebreitet auf dem Tisch lag.

Ich dachte ein wenig nach. Sicher war ein Grund für mein fehlendes Durchsetzungsvermögen, dass ich verdammt schüchtern bin. Ich traue mich einfach nicht, andere anzusprechen oder gar näher kennenzulernen. Weiterhin bin ich nicht gerade das, was man einen körperlichen Riesen nennt; im Gegenteil. Für meine 16 ½ Jahre war ich mit meinen 1,62m zu kurz geraten, hoffte aber, dass ich noch wachsen würde.

Ach ja, wo wir gerade beim Vorstellen sind: meinen Namen dürftet ihr jetzt inzwischen mitbekommen haben... ich heiße Daniel. Daniel Merten. Was gibt es sonst noch über mich zu berichten?

*Nachdenk*

Also, neben meiner »Kürze« habe ich kurze blonde Haare blaue Augen und bin recht schlank, obwohl ich so gut wie keinen Sport treibe, wenn man mal vom allmorgendlichen Fahrradfahren zur Schule absieht. Sonst gibt es eigentlich nix besonderes über mich zu berichten. Ich gehöre einfach zu den Typen, die in der Masse untergehen und vielleicht bin ich sogar noch weniger als das... was weiß ich.

»Uff, was für ne Hitze.«, stöhnte ich leise und schaute mich gelangweilt im Klassenraum um. ‚Hey, was mache ich hier noch mal an einem Freitagnachmittag eine halbe Stunde nach Schulschluss?‘, fragte ich mich, um den sich immer stärker aufdrängenden Gedanken fortzutreiben, sofort aufzustehen und wegzugehen. Ach ja, es war die erste Besprechung der neuen Theater-AG meiner Schule und ich hatte mich in einer schwachen Stunde für diese AG angemeldet.

Je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer war ich mir, dass es eine sehr, sehr schwache Stunde in meinem Leben gewesen sein musste. Okay, ich hatte schon meine Gründe. Einer davon war Frau Stoll.

Nein, nicht so, wie ihr denkt.

Vielmehr ist Frau Stoll meine Deutschlehrerin und nebenbei leitet sie auch die recht erfolgreiche Theater-AG. Und mein Problem ist nun, dass ich in Deutsch nicht unbedingt eine feste Größe im Klassenverband bin, will sagen, ich bin in Deutsch ziemlich bescheiden und so dachte ich mir, ein Engagement in dieser Theater-AG könnte mir ein paar Anerkennungspunkte bei Frau Stoll verschaffen.

Ich hoffte nur inständig, dass sich der Aufwand in angemessenen Grenzen hielt und sich auch lohnen würde, heißt, dass ich ein paar Zusatzpunkte in Deutsch bekommen würde. Zwar hatte die Elfte erst vor ein paar Wochen angefangen, dennoch war ich schon auf eine sehr mittelmäßige Punktzahl abgerutscht. Ich musste dringend was tun und so sah also mein Lösungsansatz aus. Wie sollte ich so jemals das Abi packen?

»Schwach, Herr Merten, sehr schwach.«, flüsterte ich zu mir selbst und schüttelte ein klein wenig deprimiert den Kopf.

Als ich mich endlich wieder aufraffen konnte, schaute ich mich im Klassenzimmer der 10c um, der als Besprechungsraum für die erste Sitzung am schwarzen Brett angegeben war. Außer mir und Simone aus meiner Stufe waren noch 5 Schüler anwesend, fast überwiegend aus jüngeren Jahrgängen. Von denen kannte ich nur ein paar vom sehen. ‚Was treibt die wohl her?‘, fragte ich mich in Gedanken, während ich sie kurz musterte. Dabei fiel mir ein Junge auf, der etwa eine Klasse unter mir sein musste.

Ebenfalls kurze blonde Haare, die igelmäßig hochgegelt waren, phantastische ozeanblaue Augen und ein absolut hübsch geschnittenes Gesicht mit vielen Sommersprossen.

Holla!

Ich schaute ihn mir möglichst unauffällig ein bisschen genauer an und er sah auch auf den zweiten Blick wirklich so gut aus (*sabber*).

‚Warum ist er mir vorhin noch nicht aufgefallen‘, fragte ich mich selbst. Als ich ihn erneut anschaute bemerkte er es wohl, schaute zu mir und lächelte mich kurz an. Ich fühlte mich ertappt und blickte wieder weg. Ich war enttäuscht, dass ich noch nicht einmal seinen Namen kannte. ‚So wird das nie was, mit dir‘, flüsterte ich zu mir selbst und seufzte leicht auf, was mir wiederum einen bösen Blick von Simone einbrachte. Blöde Zicke!

Während ich so die Reihe durchging, kam mir der Gedanke, dass die anderen wohl wirklich aus Spaß an dieser AG teilnahmen, während ich andere Beweggründe hatte. Aber egal. In den letzten Jahren lag war die AG ziemlich erfolgreich und führte jedes Jahr ein gut besuchtes Stück in der hiesigen Stadthalle auf.

Im Gegensatz zu mir war Simone auch schon in den vergangenen Jahren mit dabei gewesen, meistens jedoch nur in Nebenrollen, da die Hauptrollen überwiegend die Schüler aus den höheren Klassen bekamen. Und genau das brachte Simone auf die Palme (wo ich sie übrigens auch gern gesehen hätte *g*).

Aber in diesem Jahr hatte sie gute Chancen auf eine Hauptrolle, denn mit dem abgelaufenen Schuljahr waren viele der sonstigen Mitwirkenden abgegangen und daher bestand ein starker Personalmangel. Stöllchen hatte darauf reagiert und diesen Aushang gemacht um neue »Talente« zu entdecken, wie sie es nannte.

Andere würden es akute Panik um den Fortbestand der AG nennen, aber gut... Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass sich Simone für d a s Talent hielt und eigentlich keinen Zweifel an ihrer diesjährigen Hauptrolle hatte.

‚Ach was soll's, klappt doch eh nicht, also was mache ich hier überhaupt?‘ Endlich hatte mich meine Faulheit überzeugt und ich war drauf und dran aufzustehen. Das einzige, was mich noch hielt, war dieser Junge. Wenn ich blieb, konnte ich vielleicht noch ins Gespräch mit ihm kommen. Derart in meinen Gedanken versunken merkte ich fast nicht, wie sich die Tür öffnete.

Mit dem ihr eigenen Elan stürmte meine Lehrerin in den Klassenraum. In ihrem Kielwasser folgten noch weitere Schüler, so dass sich das Zimmer schnell füllte.

»Hallo allesamt.«, begann sie die Besprechung noch bevor sie den Lehrertisch erreicht hatte und ihr stimmlich beeindruckendes Organ füllte den ganzen Raum aus. Wenn Frau Stoll redete, redete nur sie. Zwischenrufe oder sonstige Störungen leistete sich jeder Schüler nur einmal in seiner Schullaufbahn. Dafür war sie berühmt und berüchtigt.

Dennoch gehörte Frau Stoll noch zu der wirklich angenehmeren Sorte der Pauker. Man merkte ihr an, dass sie Lehrerin aus Passion war und sie setzte sich auch für ihre Schüler ein. Wenn sie etwas hasste (neben Zwischenrufen) war es, wenn einem anderen Unrecht getan wurde. Sie war halt ein typisches 68’ Kind und versuchte, ihre Vorstellungen von einem anständigem Leben auch uns Schülern weiterzugeben. Dies bedeutete aber nicht, dass man seine Punkte von ihr geschenkt bekam, oh nein. Man musste sich bei ihr alles hart erarbeiten. Davon kann ich euch ein Liedchen singen. Dennoch mochte ich Frau Stoll und ihre Art.

Während Frau Stoll einen dicken Stapel Papiere geräuschvoll auf den Lehrertisch bugsierte, nutzte ich die Zeit, die zusammen mit ihr gekommenen Schüler zu betrachten. Aber es waren alles Gesichter ohne Namen, ich kannte die fünf Jungs und zwei Mädels nur vom sehen.

»So, meine Schätzchen...«, ertönte die Stimme der Gebieterin, »...dann wollen wir mal.« Sie blickte auf und schaute in die Runde. »Ah, doch so viele. Hätte ich nicht gedacht.«, sprach sie weiter und ein freudiger Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Sie zählte kurz durch. »Na doch immerhin 13 Schüler. Na, damit kann man doch was anfangen.« Einem natürlichen Impuls folgend zählte ich die Schülerzahl ebenfalls kurz durch und stellte fest, dass Frau Stoll recht hatte.

»Also, wie ihr wisst, will ich die Theater-AG auch in diesem Jahr wieder zu Höchstleistungen bringen. Leider hatten wir naturgemäß einige Abgänge. Tja, das die Schüler heutzutage nicht mehr glauben, dass ein gutes Abi vier Jahre braucht, ist schon ein wenig enttäuschend.«

Sichtlich belustigt über ihren eigenen Joke fuhr sie glucksend fort... »Dass anscheinend doch einige der Schüler Interesse an sowas haben, freut mich ungemein. Seit ich in meiner Abschluss klasse selbst in einem Stück mitgespielt habe, hält mich das Theater gefangen.«

Ein verklärter, ja fast träumerischer Blick lag in ihren Augen. Nach einigen Sekunden hatte sie sich wieder gefangen und fuhr fort.

»Ich hoffe, dass es euch genauso gut gefällt.« Sie holte erst mal Luft nach diesem kurzen Monolog und überlegte, was sie als nächstes sagen wollte.

»Okay, also ich habe mir gedacht, dass wir das Stück einer noch relativ unbekannten aber sehr talentierten Autorin aufführen könnten. Sie heißt M. Encege und das Stück heißt...«...sie blätterte in dem Papierstapel...»Normal like You.« Ich stöhnte kurz auf.

Frau Stoll lächelte. »Nein, Daniel, keine Angst. Das Stück ist nicht auf Englisch.« Allgemeine Erleichterung machte sich breit. »Aber es handelt über eine Liebesbeziehung in einem Internat und ich dachte nach diesen Vorkommnissen im letzten Jahr würde es doch ganz gut passen.«

Ich stutzte kurz. ‚Welche Vorkommnisse meinte sie?‘ Aber ich kam beim besten Willen nicht dahinter, was sie damit andeutete, merkte mir aber im Hinterkopf, da nochmal dranzubleiben. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich furchtbar neugierig bin? *g*

»Also, ich dachte mir folgendes über den Ablauf.«, fuhr sie fort. »Ich teile euch jetzt die Fotokopien aus und ihr lest das Stück über das Wochenende durch.«

Wieder kollektives Aufheulen im Raum.

»Nun stellt euch nicht so an, soviel ist es wirklich nicht.«, entgegnete sie ein wenig beleidigt und sprach dann weiter. »Also, lest das Stück mal durch und wir treffen uns am Dienstag wieder um den weiteren Ablauf zu planen. Ich möchte dann wissen, wie euch das Stück gefallen hat und ob ihr euch vorstellen könnt, dass wir es aufführen. Schließlich ist dies hier eine AG und ich habe nicht vor, alles im Alleingang zu entscheiden. Sollte es euch zusagen, werden wir schon beim nächsten Mal über die Rollenverteilung, die Arbeitsaufteilung und den zeitlichen Ablauf sprechen. Seid ihr damit einverstanden?

Sie blickte in die Runde und ich folgte ihrem Blick. Allgemeines Kopfnicken sollte wohl schweigende Zustimmung signalisieren, so dass Stöllchen bestätigend weitersprach. »Okay, das soll wohl Ja bedeuten. Also, hier habt ihr die Kopien.«

Sprachs und reichte die Blätter durch. Ich nahm mir ein geheftetes Exemplar und schaute kurz auf den Titel. »Normal Like You« von M. Encege, stand dort in kursiver Schrift geschrieben. Ich dachte nach, aber die Autorin kannte ich nicht, obwohl ich schon relativ viel lese (was bei meiner Deutschnote dennoch ein wenig verwunderlich ist). Aber egal. Ich öffnete meinen Rucksack und ließ den Stapel darin verschwinden.

»Also, bis Dienstag dann!«, sagte Frau Stoll und verschwand wieder aus dem Raum. Es setzte sofort die schülertypische Unruhe ein. Stühle wurden gerückt, Taschen gepackt und laut miteinander gesprochen. Ich schaute mich kurz um, während ich aufstand. Anscheinend kannten sich die meisten anderen, denn sie unterhielten sich lachend und recht lautstark.

Ich aber suchte diesen Jungen, der mir vorhin aufgefallen war. Er stand ein paar Meter neben mir und wollte gerade die Fotokopien in seinem Rucksack verstauen, als ihm plötzlich der Papierstapel aus der Hand fiel und auf den Boden klatschte.

Danke, lieber Gott! Ich sandte ein kurzes Dankgebet gen Himmel. Der da oben schien mich doch zu mögen, irgendwie.

Das war meine Gelegenheit. Mit einem schnellen Satz war ich bei ihm und noch bevor er sich zu Boden bücken konnte (obwohl dies bestimmt auch ein netter Anblick gewesen wäre) hatte ich seine Blätter schon in der Hand und reichte sie ihm.

»Danke...«, sagte er und blickte mit seinen phantastischen Augen schüchtern unter sich »...aber heute scheint irgendwie nicht mein Tag zu sein.«

Hatte ich schon erwähnt, dass er wunderschöne Augen hat?

Ich war wie hypnotisiert und stammelte nur »...k...keine U...Ursache.« Er lächelte mich an. »Ich heiße übrigens Robin...Robin Weimar.« »Hi.«, erwiderte ich, nachdem ich ein bisschen meine Fassung wiedergefunden hatte und ich mich aus seinen Augen befreien konnte. »Ich bin der Daniel. In welche Klasse gehst du denn, ich habe dich hier noch nicht gesehen.« »Ich bin jetzt in der Neunten.«, antwortete er, wobei mir auffiel, dass er ein wenig lispelte. »Klassenlehrer?« »Herr Müller.« Ich stöhnte kurz auf. »Herzliches Beileid!«, sagte ich und er lächelte gequält. »Ja, danke, kann's brauchen.« Wir mussten beide lachen.

Mittlerweile waren die anderen alle gegangen und ich hörte ein Räuspern an der Tür. Es war der Hausmeister, der mit gelangweiltem Gesichtsausdruck im Türrahmen stand.

»Könnten die Herren dann endlich gehen... ich will auch mal Feierabend haben.«, sagte er sichtlich genervt. Ich schaute Robin kurz an und er erwiderte meinen Blick.

»Aber Klaro, sind schon weg.«, sagte ich dann und verließ zusammen mit Robin den Raum. Gerade als wir den Flur betraten, schaute er plötzlich auf seine Uhr und schrie entsetzt auf. »Shit...schon so spät... Sorry, Daniel, aber ich muss dringend nach Hause.« »Kein Problem.«, erwiderte ich ein wenig enttäuscht. Ich hätte mich gerne noch ein bisschen mit ihm unterhalten (okay, okay... ausgehorcht trifft es wohl besser *g*). »Wir können uns ja am Dienstag näher unterhalten.«, sagte er, winkte kurz zum Abschied und sauste davon. Ich stand ein wenig verdattert auf dem Flur und setzte mich nur langsam in Bewegung.

Kapitel 2

Als ich am Fahrradunterstand angekommen war, war mein Fahrrad natürlich das Letzte im Ständer. So spät war ich freitags auch noch nicht von der Schule weggekommen, immerhin war es schon halb drei. Ich seufzte, schloss die Kette auf und schwang mich auf mein Bike. Gut zehn Minuten später war ich Zuhause.

Ich schloss die Tür auf und hängte meine Jacke in den Flur. »Hallo Daniel.«, hörte ich meine Mom schon aus der Küche rufen. »Du bist aber heute spät.« »Ja, wir hatten doch noch die erste Sitzung von dieser neuen AG.«, rief ich in die Küche. »Ach so, hatte ich ja ganz vergessen...na egal. Beeil dich, sonst wird es wieder kalt.« »Jope.«, erwiderte ich. »Ich will nur noch meine Sachen in mein Zimmer bringen.« »Okay, aber beeil dich und sag JoJo Bescheid.«

Ich musste grinsen.

JoJo ist mein jüngerer Bruder Johannes Jonathan Merten. Er ist vor drei Wochen zehn geworden und ein absoluter Goldschatz. Wir beide verstehen uns super und von der Konkurrenz, die unter Brüdern angeblich üblich sei, war bei uns keine Spur.

Johannes ist ein aufgewecktes Kerlchen und der Sonnenschein der Familie, immer gut gelaunt und zu Späßen aufgelegt. Ich liebe ihn wie sonst kaum was auf der Welt und er vergöttert mich geradezu. Alles, was ich mache, macht er nach und zwar mit einer inneren Überzeugung und Selbstsicherheit, die einem schon Angst macht.

Seinen Spitznamen JoJo hat Johannes schon seit seiner frühesten Kindheit und zwar sehr zum Leidwesen meiner Eltern. »JoJo ist kein Name, sondern ein Spielzeug.«, sagten sie immer. Mittlerweile haben sie aber ihren Widerstand aufgegeben und rufen ihn selbst nur noch JoJo.

»Wie...hat er noch nicht gegessen?«, fragte ich Mom, aber die Antwort hätte ich mir auch selbst denken können. Mit verdrehten Augen blickte sie mich an. »Nein, er wollte zusammen mit dir essen und ich danke Gott, dass du nicht erst Morgen gekommen bist, denn er wäre lieber verhungert, als ohne dich zu essen.« Ich musste wieder grinsen, was Mom anscheinend nicht gefiel. »Jaja, lach du ruhig, Warte mal ab, bis du eigene Kinder hast.«

AUA....das saß.

Ich zuckte innerlich kurz zusammen. Noch hatte ich mich nicht getraut, e s meinen Eltern zu sagen. Nennt mich einen Feigling, aber diese Entscheidung habe ich vor mich hergeschoben, seitdem ich e s weiß.

E s könnt ihr euch ja mittlerweile denken und ich selbst weis e s seit ungefähr einem halben Jahr. Nein... das ist nicht ganz richtig. Geahnt habe ich es schon einige Zeit früher, aber endgültig Bescheid über meine Gefühle weiß ich erst seit dem letzten Schuljahr, als ich mich in meinen Klassenkameraden und zugleich besten Freund verguckte. Ich habe mich aber nie getraut, ihn anzusprechen, weil ich Angst vor seiner Reaktion hatte. Nach den Weihnachtsferien hatte er mir gesagt, dass er mit seinen Eltern umziehen wird, so dass mir keine Zeit mehr blieb, ihm meine Gefühle für ihn zu gestehen. Einen Monat später war er dann weg. Er fehlt mir noch heute.

Während ich die Treppe hinaufging wurde mir schlagartig bewusst, dass ich e s meiner Familie irgendwann mal beibringen musste, und zwar möglichst bald. Ich wollte es ihnen selbst erzählen und sie sollten es unter keinen Umständen von anderen zuerst erfahren. Aber wie sag ich e s ihnen? Probleme über Probleme für einen hormongeplagten Teenager. Ich seufzte.

Kaum das ich auf dem oberen Flur angekommen war, hörte ich schon ein sirenenartiges Geräusch.

»Daaaaaaaaaaaaaaaaaaniel.«

Und dieses etwas, dass dieses Geräusch verursachte, sprang nun mit großem Anlauf in meine Arme. Klar, konnte nur JoJo sein. »Hey Kleiner...«, sagte ich, nachdem er sich wieder etwas beruhigte... »mach langsam, sonst brichst du dir noch eines Tages was.« Aber das war ihm völlig egal und er strahlte mich mit seinen großen Augen an. »JoJo, wir sollen Essen kommen.«, sagte ich zu ihm und streichelte ihm über den Kopf. »Ich leg nur noch schnell meine Sachen in mein Zimmer und dann komme ich auch. Geh schon mal vor.«

Er legte den Kopf schief, lächelte mich mit seinem frechsten Grinsen an und sagte nur »Nööööö.« Ich seufzte. Warum hört eigentlich niemand auf mich? »Okay, dann komm halt mit.« Ich öffnete meine Zimmertür und ließ JoJo den Vortritt. Kaum dass er im Zimmer war, sprang er auf mein Bett und fläzte sich darin.

Ich legte meine Schultasche auf den Schreibtisch, zog schnell meine Schuhe aus und war dann schon wieder auf dem Weg aus dem Zimmer. »Kommst du endlich?«, fragte ich JoJo nun etwas genervt, was er wohl auch verstand. »Klaro.«, sagte er und trottete hinter mir her. Ohne weitere Schwierigkeiten und Verzögerungen erreichten wir die Küche, aus der es herrlich roch. »Hmm...Schnitzel.«, sagte ich und ich merkte, wie mir das Wasser im Mund zusammenlief.

Ich war gerade genüsslich bei meinem zweiten Schnitzel angelangt, als Mom plötzlich fragte: »Sagt mal, Jungs, habt ihr heute noch was vor?« »Jaaaaa!«, rief JoJo ganz aufgeregt. »Ich will doch noch zu Mark rüber spielen.« »Wie konnte ich das nur vergessen.«, antwortete Mom und verdrehte die Augen. Jedes Mal, wenn JoJo und Mark spielten, war anschließend eine komplette Generalwäsche notwendig. Aber so sind kleine Jungs nun mal... ich musste grinsen, obwohl ich die Backen voll hatte. »Und du Daniel... hast du auch schon was vor?« Ich überlegte kurz und schluckte dann runter. »Ne, eigentlich nicht. Ich will nachher noch Hausaufgaben machen und ich muss übers Wochenende dieses Theaterstück lesen für die AG.« »Aha... na dann hast du ja ein volles Programm.«, merkte meine Mutter nur an und räumte das nicht mehr gebrauchte Geschirr vom Tisch ab.

»Jap.«, sagte ich mit dem letzten Bissen im Mund und machte mich dann auf den Weg nach oben. Kaum in meinem Zimmer angekommen, überlegte ich, was ich als erstes machen wollte. ‚Hm...‘...Mathe, Englisch und Franz standen auf dem Programm. Da mir Mathe am besten lag, fing ich damit an.

Ich will euch jetzt nicht mit Einzelheiten nerven, aber nach gut eineinhalb Stunden hatte ich alles erledigt und beschloss erst mal eine kleine Pause einzulegen. Ich schaltete meine Anlage an und legte mich aufs Bett. Dabei musste ich wohl eingeschlafen sein, denn als ich wieder wach wurde, war es schon sieben. Müde rieb ich mir die Augen. »Shit...schon so spät.«, seufzte ich noch schlaftrunken und quälte mich langsam aus meinem Bett.

Nach einem kurzen Abendessen schaute ich noch ein bisschen TV und schlief natürlich wieder prompt vor dem Fernseher ein. Irgendwann um Mitternacht muss mein Vater ins Zimmer gekommen sein und den Fernseher ausgemacht haben, aber davon hatte ich nichts mehr mitbekommen.

Ihr fragt euch jetzt vielleicht, was mit mir los war. Nein, nicht dass ich so viel schlafe, denn ich schlafe gerne viel und lang. Aber hat der Kerl Freitagabends nichts Besseres vor, als vor dem Fernseher einzuschlafen? Jeder normale Jugendliche würde doch mit seinen Freunden um die Häuser ziehen und einen drauf machen und ich lag im Bett. Und das auch noch alleine!

Der Grund dafür ist relativ simpel aber doch die Wahrheit, ich habe nämlich kaum Freunde. In der Schule bin ich das, was man einen typischen Außenseiter nennt, ich falle einfach nicht auf, weder negativ noch positiv. Und leider habe ich noch ein weiteres Handicap... ich bin einfach viel zu schüchtern und traue mich nicht, jemanden anzusprechen. Irgendwann bin ich den anderen in meiner Klasse dann egal geworden und nun halt ein typischer Mitläufer, der nie zu einer Feier, Party oder zu sonst was eingeladen wird, und wenn doch einmal, dann nur aus Mitleid. Dad hat schon oft gesagt, dass ich da was machen muss, aber irgendwie bekomme ich das nicht hin. Tja, traurige Realität.

Während ich schlief, hatte ich einen Traum und in diesem Traum kam der Junge von heute aus der Schule vor. Wie hieß er nochmal... ach ja, Robin. Was für ein schöner Name... Robin. Er sah wirklich süß aus und dieses leichte lispeln... einfach niedlich. Mit einem glücklichen Gesichtsausdruck schlummerte ich wieder weg.

Kapitel 3

Der Samstagmorgen war relativ ereignislos. Ich schlief recht lange und tauchte erst zum Mittagessen wieder in der Küche auf. Am Nachmittag nahm ich mir dann meine Schultasche wieder vor und holte die Kopien von Stöllchen raus. »Hm...soviel ist es ja wirklich nicht.«, fiel mir auf, als ich die Kopien in den Händen hielt. Ich schaltete meine Anlage wieder an, setzte mich aufs Bett und fing an zu lesen.

Kapitel Eins

Da saß ich nun im Auto und meine Eltern fuhren mit ihm ins tiefste Bayern. Wenn’s nur für den Urlaub gewesen wäre, hätte ich mich wahrscheinlich auch gefreut, aber alles nur wegen eines Jobs, den mein Vater annehmen musste, so ein Meteorologen-Posten in den Alpen. Jeden Tag von Hamburg dorthin zur Arbeit zu fahren war natürlich unmöglich gewesen, also zieht die ganze Familie um. Ob meine Eltern bei der Entscheidung groß an mich gedacht haben, wage ich zu bezweifeln. Sie wussten ganz genau, dass ich mich in Hamburg wohl gefühlt hatte, aber was solls. Jetzt konnte ich eh nichts mehr ändern und es hätte mir nicht sonderlich viel gebracht, wenn ich den Rest der Fahrt schmollend im Rücksitz gesessen hätte, deshalb holte ich erst mal einen Block und Stift raus und schrieb an dieser Geschichte weiter.

Es war eine der Geschichten. Schade eigentlich, dass das Leben fast nie so romantisch endet. Ich wusste noch nicht so genau, ob ich die Geschichte Nick schicken würde oder nicht. Das kam ganz darauf an, wie sie sich am Ende anhören würde. Und außerdem kam es ja noch darauf an, ob dieses Internat, auf das seine Eltern mich schickten auch einen Internetanschluß hat. Ja, ihr habt richtig gehört: I-N-T-E-R-N-A-T. Was hätte ich machen sollen. Die andere Möglichkeit wäre gewesen mit meinen Eltern in so ein 100 Seelen Dorf zu ziehen und da zog ich Internat schon vor. Obwohl ich natürlich ziemlich Schiss davor hatte, so ganz alleine... Meine Mutter riss mich aus meinen Gedanken. »Mirc, hast du dieses Formular fürs Internat schon ausgefüllt?« Formular, Formula ... Ach, das Formular. Nein, hatte ich natürlich noch nicht. Das Internat wollte von jedem Schüler persönliche Angaben, die er selbst macht, also mehr oder weniger Steckbrief-mäßig. Also kramte ich das Formular raus. Mir fehlte in dem Augenblick sowieso die Inspiration zum Schreiben. Außerdem hatte ich das dann schon hinter mir.

Was wollten die denn hier wissen... Also 1. Vorname und Name. Na das konnte ich ja gerade noch beantworten: Mirko Grabe. Mirc ist übrigens mein Spitzname, da ich Mirko nicht ausstehen kann. Der Name kam dadurch zustande, dass mein bester Freund in Hamburg Marc hieß, und »Mirc & Marc« passt doch viel besser als »Mirko & Mark«.

Als nächstes ging es um das Alter. 17. Das schien hier nur so eine Art privater Steckbrief zu sein, da überhaupt keine Fragen nach Schulbildung usw. auftauchten. Mir sollte es recht sein.

Und dann kam die Frage nach den Hobbys, den Freizeitbeschäftigungen, wie es so schön ausgedrückt war. Ich hätte natürlich hinschreiben können, dass ich Geschichten über schwule Jugendliche schreibe, aber ob die im stock-katholischen Bayern damit umgehen könnten, bezweifelte ich stark. Außerdem muss man ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen à la »Hallo hier bin ich und ich bin schwul.« Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich schwul bin? Oder »homosexuell«, wie das immer so schön ausgedrückt wird.

Völlig geschockt legte ich die Blätter zur Seite. Mein Gott, welches Thema hatte sich Frau Stoll da ausgesucht? Und vor allem, warum? Was hatte sie noch mal gesagt... »...es handelt über eine Liebesbeziehung in einem Internat und ich dachte nach diesen Vorkommnissen im letzten Jahr würde es doch ganz gut passen.« Was meinte sie damit? Gab es noch weitere schwule Jugendliche in meiner Schule oder was? Ich war völlig irritiert.

Ich brauchte einen Moment um mich zu sammeln. Ich stand auf, ging zum Fenster und öffnete es. Die kühle Luft tat mir gut und ich atmete tief ein. Einen Moment lang schaute ich zum Fenster hinaus. Ich überlegte, ob ich weiterlesen sollte. »Ja.«, sagte ich laut zu mir selbst, denn ich war viel zu gespannt, was da noch kommt und wie es weitergeht. Vielleicht würde ich durch diese Geschichte ein wenig Hilfestellung für meine eigenen Probleme bekommen.

Ich setzte mich wieder auf mein Bett und nahm mir die weiteren Blätter vor. Ich verschlang die Geschichte nahezu. Ohne eine weitere Pause zu machen las ich den ganzen Stapel durch und ich merkte noch nicht einmal, wie die Zeit verflog. Die restliche Geschichte ist eigentlich schnell erzählt. Dieser Mirc lernt in dem Internat eine Menge Freunde kennen und verliebt sich schließlich ausgerechnet in seinen Zimmergenossen Thom. Nach einigen Irrungen finden sie schließlich zueinander.

*Seufz*

Wenn es doch nur in meinem Leben auch so einfach wäre. Ich musste schlucken, denn die Geschichte hatte mich echt bewegt. Wieder ging ich zum Fenster, öffnete es und atmete tief ein. Die Geschichte hatte mich doch mehr berührt, als ich es ursprünglich wahrhaben wollte. Und wieder fragte ich mich, ob die Stoll gerade mit dieser Story etwas beabsichtigte. Ich schüttelte nachdenklich den Kopf, weil ich nicht dahinterkam. Mit Sicherheit hatte sie das Stück aus einem ganz gewissen Grund ausgesucht, aber ich stand noch im Dunklen, was sie damit bezwecken wollte.

Wie spät war es eigentlich? Ich schaute auf die Uhr und erschrak. ‚Mein Gott, schon so spät?‘, fragte ich mich, denn mein zugegebenermaßen billiger Chronograph zeigte schon einundzwanzig Uhr. Ich hatte glatt das Abendessen verlesen. Da mein Magen jetzt aber langsam auf sein gutes Recht aufmerksam machte, beschloss ich, ihm zu seinem Glück zu verhelfen und ging in die Küche. Ein Brot war auch schnell geschmiert und noch kauend machte ich mich wieder auf den Weg nach oben. Von JoJo war weit und breit nix zu sehen, bestimmt hatte er sich schon schlafen gelegt und auch meine Eltern waren schon gemütlich vor dem Fernseher weggeschlummert. Es geht doch nichts über ein anregendes Samstag-Abend-Programm im Kreise der geliebten Familie *g*.

Das restliche Wochenende verbrachte ich damit, die Geschichte wieder und wieder zu lesen. Ich war total fasziniert und tauchte in die Story nahezu ein. Ansonsten spielte ich noch ein wenig mit JoJo und im Handumdrehen war auch der Sonntag schon wieder vorbei.

Kapitel 4

Den Schulmontag verbrachte ich überwiegend damit, Ausschau nach Robin zu halten, er lief mir aber leider nicht über den Weg. Ansonsten nervten die Lehrer wie üblich und alle waren mehr oder weniger froh, als das Schulende durch dieses ohrenbetäubende Klingeln eingeleitet wurde. Den restlichen Tag verbrachte ich mit hoffnungsvollem Warten auf den Dienstag, denn ich freute mich schon wirklich auf die nächste Stunde der Theater-AG. Insbesondere war ich gespannt, wie meine Mitschüler auf das von Frau Stoll ausgewählte Stück reagieren würden.

Der Dienstag kam schneller, als erwartet. Vom Unterricht bekam ich an diesem Tag nicht sonderlich viel mit, da ich mit meinen Gedanken dauernd bei unserer Theatergruppe war. Zwar sollte die Sitzung erst nach der letzten Stunde um kurz vor zwei stattfinden, ich freute mich aber schon den ganzen Tag darauf. Darum nervte es mich ungemein, als mich unser Mathe-Lehrer nach der letzten Stunde noch ansprach.

»Du, Daniel...«, sagte er, während er seine alte, speckige Ledertasche packte, die er sicher zu seinem Referendariat vor Jahrzehnten bekommen hatte und von der er sich nicht trennen konnte. »Jaaa, Herr Müller...was ist denn?«, fragte ich genervt und eine Spur schärfer, als ich eigentlich wollte.

Er überhörte aber meine Spitze einfach und fuhr fort. »Könntest du mir noch kurz beim Tafel wischen helfen?« ‚Gott, kriegt das der Trottel nicht alleine hin?‘, dachte ich aber sprach es natürlich nicht aus. Ich blickte schnell auf meine Uhr, es war schon kurz vor zwei. »Na gut, aber viel Zeit habe ich nicht.«, sagte ich dann und begann, den Wasserhahn aufzudrehen und ertränkte den Schwamm förmlich.

Während also einer von uns fröhlich, der andere nur genervt die Tafel abwischten, begann Dr. Müller wieder die Unterhaltung. »Du...sag mal, ist bei dir alles in Ordnung?«

Aha, hatte ich es mir doch gedacht...von wegen Tafel wischen... Müllerchen versuchte sich also wieder in seinem Hobby als Psychologe. »Warum?«, fragte ich recht kurzsilbig. »Nun, du hattest heute so einen abwesenden Eindruck, hast überhaupt nicht mitgemacht und Mathe liegt dir doch sonst recht gut, oder?«

»Ja, schon....aber nee, is’ nix.«, antwortete ich ihm und wischte schneller. »Hm...«, machte er nur und ich wusste, das er mit dieser Antwort nicht zufrieden war, aber das war mir egal. »Okay, wie du meinst, aber wenn du was hast, kannst du immer mit mir sprechen.«

Ich schaute überrascht zu ihm. »Danke für das Angebot.«, erwiderte ich ihm und legte den Schwamm wieder in das Waschbecken zurück, drehte den Wasserhahn auf und wusch mir die Hände. »Okay, dann mach's mal gut. Donnerstag sehen wir uns wieder.«, sagte Müller und wir beide verließen gemeinsam den Klassenraum. Ich schaute ihm auf dem Flur noch ein wenig hinterher und fragte mich, was das eben sollte.

Ein kurzer Blick auf die Uhr brachte mich aber wieder in die Realität zurück. »Scheiße, schon so spät.«, entfuhr es mir, als ich registrierte, dass es schon kurz nach zwei war. Im Laufschritt machte ich mich auf den Weg zum Besprechungsraum. Ich fluchte noch ein wenig über Müller, weil er mich aufgehalten hatte und bog mit so viel Schwung um die Kurve, dass ich fast ausgerutscht und gestürzt wäre. Ich konnte mich gerade noch so halten und rutschte die letzten Meter zum Besprechungsraum.

Davor angekommen hielt ich erst noch einen Moment inne, um den Puls zu senken und um wieder ein wenig zu Atem zu kommen. Während ich also eine kurze Verschnaufpause vor dem Zimmer einlegte, hörte ich, wie drinnen lautstark gestritten wurde.

Ich öffnete möglichst leise die Tür und bekam gerade noch mit, wie Simone mit wutentbranntem Gesicht »... ist nicht akzeptabel und einfach pervers...«, in Richtung von Frau Stoll brüllte. Ihr habt richtig gehört... Simone brüllte. Und sie brüllte nicht irgendwen an, sondern unsere Frau Stoll.

Diese war ganz fassungslos und starrt mit ungläubigem Gesichtsausdruck auf Simone. Sie konnte offensichtlich nicht glauben, was Simone da eben gesagt hatte.

In der ganzen Klasse herrschte auf einmal eisiges Schweigen. Und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sogar noch heute behaupten, es hätten sich kleine Eisblumen an den Fenstern gebildet.

»Ich weiß gar nicht, was du hast.«, sagte Robin auf einmal und überbrückte damit das eingetretene Schweigen. »Hast du ein Problem damit, dass sich zwei Menschen lieben oder bist du einfach nur so beziehungsgeschädigt, weil dich absolut keiner ausstehen kann?« Während er dies sagte, grinste er frech zu ihr rüber.

Das brachte sie vollends in Rage. Man konnte förmlich sehen, wie tief in ihrem Innern ein Countdown begann abzulaufen. Zudem spiegelten sich auf ihrem Gesicht endlose Wut und Hass wieder.

‚Mit einem solchen Gesicht wachen Massenmörder an ihrem großen Tag auf‘ dachte ich nur und nutzte den Simon'schen Countdown, um mich kurz umzublicken. Alle anderen waren völlig von dem unsichtbaren Kampf zwischen Simone und Robin fasziniert und keiner wagte es, etwas zu sagen. Ich ging so leise wie möglich zu einem freien Platz und setzte mich.

Inzwischen war der Countdown bei 0 angekommen. In schlechten Filmen öffnen sich an dieser Stelle die Startklappen der Raketen und man sieht die Donnervögel davonbrausen, doch hier und jetzt erhob sich Simone ganz langsam und sagte betont leise zu allen: »Okay, ihr werdet noch sehen, was ihr davon habt.« Sie wandte sich, während sie zur Tür ging, noch mal zur Stoll und flüsterte förmlich: »Damit kommen Sie nicht durch. Ich werde die Aufführung dieses gottlosen Stücks verhindern, darauf können Sie Gift nehmen.«

Aber inzwischen hatte sich Frau Stoll wieder gefangen. »Simone, Sie sollten sich genau überlegen, was Sie sagen. Gleichgeschlechtliche Liebe ist nichts Perverses und das Stück behandelt auch nichts Verbotenes. Wenn Sie aber ein Problem mit dem Inhalt haben, will ich Sie nicht aufhalten, aber eine Hauptrolle hätten sie dieses Jahr eh nicht bekommen, denn dafür sind sie als Schauspielerin einfach nur Mittelmaß.«

Das reichte.

Ich war überzeugt, dass wenn Simone eine Waffe in der Hand gehabt hätte, sie jetzt mit einem irren kichern wild um sich geschossen und jeden in dieser Schule umgelegt hätte.

Kennt ihr den Blick von Jack Nicholson in »Shining«, als er ganz irre durch diese Tür schaut? Wenn er Simone jetzt gesehen hätte, wäre ihm das Blut in den Adern gefroren.

Mit einem infernalen Lärm schlug sie die Tür hinter sich zu und ich glaubte, die Bilder an den Wänden in den billigen Plastikrahmen noch eine ganze Zeitlang wackeln zu sehen.

In der eintretenden Stille konnte zunächst keiner was sagen; Frau Stoll war die erste, die die Sprache wiederfand.

»Okay, Ladies. Ich denke, alle haben jetzt mitbekommen, dass Simone gegen das Stück ist. Wie sieht es mit den anderen aus?«, fragte sie in die Runde und blickte sich fragend um.

Nach einiger Zeit meldete sich Julian als erster zu Wort. »Also, Frau Stoll. Ich denke, wir alle haben das Stück gelesen und wir alle waren wohl...«, er machte eine ausholende Handbewegung...»...mehr oder weniger über ihre Stückauswahl überrascht, insbesondere nach den Vorkommnissen vom letzten Jahr«.

Bestätigendes Kopfnicken von fast allen, während Sabine den Spielball aufnahm und für Julian fortsetzte »Ja, aber wir haben uns schon vorher darüber unterhalten und finden das Stück einfach gut und wir sollten es auf jeden Fall aufführen, gerade wegen dem, was letztes Jahr geschehen ist.«

Zustimmendes Gemurmel von den anderen.

Ich stand mal wieder wie immer auf dem Schlauch. »Äh.....Entschul...digt meine Unwissenheit,« fing ich stotternd an, aber meine Neugier war einfach zu groß... »...was ist denn letztes Jahr passiert?« Alle Augen richteten sich auf mich und ich sah, wie sich zwei kichernd was zuflüsterten, als ob ich eben gefragt hätte, ob die Erde wirklich keine Scheibe ist.

»Wie, das weißt du nicht?«, fragte Martin mich ungläubig aber bevor er weitersprechen konnte, kam ihm Frau Stoll zuvor. »Kinder, wir haben wirklich zu wenig Zeit, um hier alles auszudiskutieren. Wir sollten jetzt die wichtigen Sachen besprechen, für das andere ist später noch Zeit.«

Ganz toll, wieder mal war ich der Dödel, der nix gepeilt bekommt. Aber das störte die Stoll gar nicht und sie machte weiter. »Also stimmen wir jetzt ab, ob wir das Stück aufführen wollen. Wer dafür ist, hebt jetzt bitte mal die Hand.«

Nach und Nach gingen alle Hände in die Höhe und auch ich hob, noch ein wenig unsicher, meine Hand. Frau Stoll war sichtlich zufrieden und nachdem sie kurz durchzählte setzte sie sich wieder auf den Schreibtisch.

»Okay, also führen wir das Stück auf. Kommen wir nun zu den wichtigsten Details. Wir müssen die Rollen verteilen, einen Termin-Masterplan aufstellen und dann teile ich euch die Skripte aus. Irgendwelche Einwände?« Sie schaute fragend in die Runde, aber niemand schien etwas dagegen zu haben.

Ich platzte fast vor Spannung, wer die Rollen bekommen würde. Ich ging im Geiste die Anwesenden durch, wen ich mir als die Hauptdarsteller vorstellen konnte. Und dreimal dürft ihr raten, wer mir sofort dafür einfiel *g*.

Ich selbst war mir absolut sicher, dass ich für eine Position vor der Bühne definitiv nicht in Frage kam. Hey, ich sehe weder aus wie ein Schauspieler, noch habe ich im geringsten Talent dafür. Sicher brauchten sie auch noch jemanden hinter der Bühne und da war ich vielleicht zu gebrauchen, wenn ich mich nicht ganz blöde anstellte.

»Also, da haben wir die Hauptcharaktere Thom und Mirko sowie die Nebenrollen Luis, Max und Tim. Dann brauchen wir noch ungefähr drei Leute für die Technik, zwei für die Maske und die Ausstattung sowie zwei für das Bühnenbild und sonstigen technischen Support in der Stadthalle, macht also insgesamt 12 und so viel sind wir ja nun auch. Sehr schön!« Sie sah sich in den Reihen um und als keiner widersprach fuhr sie fort.

»Manuel, Timo und Micha, wollt ihr wie in den letzten Jahren auch wieder die Technik machen?« »Na logo«, sagte Manu und Timo und Micha gaben sich five. »Auf uns können Sie wie immer zählen.«, fuhr Manu fort und Timo fluchte leise, weil Micha ein klitzekleines wenig zu fest geschlagen hatte. Frau Stoll musste lachen. »Schön.«, sagte sie und war sichtlich froh. So chaotisch sich die drei auch benahmen, sie waren für diesen Job perfekt, da sie einen absoluten Technikfimmel hatten und ein eingespieltes Team waren.

»Schön, schön, schön.«, sagte Frau Stoll weiter und sortierte in Gedanken die nächsten Stellen aus. »Michaela, Sabine, Simon und Steve, euch hätte ich gerne für die Maske, Bühnenbild und Support. Ihr habt das auch im letzten Jahr so toll gemacht, kann ich wieder auf euch zählen?« »Na klar.«, antwortete Simon und drückte kurz seine Freundin Sabine. Auch Steve und Michaela waren einverstanden.

»Gut, kommen wir nun zu den Nebenrollen der Freunde Max, Tim und Luis. Wie ihr wisst, ist Tim der «Psychologe» der Gruppe. Er ist ein scharfsinniger Denker und immer für seine Freunde da. Also ich hatte mir für diese Rolle den Martin vorgestellt, weil ich denke, dass du die Rolle toll spielen könntest.«

Man merkte förmlich, wie Martin das runterging wie Öl. Die Stoll hatte ihm am Haken wie der Angler den Fisch. Er druckste noch ein wenig rum, aber alle wussten, dass er natürlich ja sagen würde. Die Stoll hatte recht, Martin entsprach sowohl vom Aussehen als auch charakterlich ziemlich genau dem Tim aus dem Stück, also warum sollte man so eine Ähnlichkeit nicht nutzen?

Nachdem Martin dann doch ja gesagt hatte, ging es weiter. »Gut, kommen wir nun zum Max. Dieser ist ein witziger Typ, immer sehr stürmisch und für jeden Spaß zu haben. Ich denke mal, dass Janis die Idealbesetzung dafür wäre, oder nicht?«, und mit einem Haifischgrinsen schaute sie ihn an. Aber auch hier hatte die Stoll absolut recht. Soweit ich wusste, war Janis der Komiker in seiner Klasse, immer zu einem Späßchen aufgelegt. Aber wenn man ihn brauchte, war er da und stand seinen Mann. »Jo!«, war dann auch nur die kurze, aber knackige Antwort von Janis.

»Guuut. Kommen wir nun zu der letzten Nebenrolle.« Die Stoll erhob sich von ihrem Stuhl, umrundete den Tisch -was zugegebenermaßen bei ihrer Körperfülle nicht ganz leicht war- und ging Richtung Steve, der neben mir saß.

»Luis ist der große Denker der Clique, teilt sich ein Zimmer mit Max und diese Gegenpole ergänzen sich prima.« Mittlerweile war sie kurz vor Steve, aber anstatt ihm direkt anzusehen, drehte sie plötzlich ihr Gesicht und schaute mich an. Mich! Ich merkte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss.

»Daniel, du bist dieses Jahr das erste Mal dabei. Ich weiß natürlich noch nicht, welches Talent du als Schauspieler mitbringst, aber ich würde dir gerne die Rolle geben, weil ich mir keinen Besseren dafür vorstellen kann und ich bin mir sicher, dass du deine Sache prima machen würdest. Also, hättest du Interesse?«

Ich zuckte zusammen.

Mein Gehirn schien die soeben erhaltenen Informationen nur ganz langsam verarbeiten zu können, denn ich glaubte, in einer Zeitblase gefangen zu sein und die Zeit wäre stehengeblieben. Aber da war immer noch die Stoll, die mich fragend ansah und ich merkte auch, wie mich die anderen anschauten und gespannt auf meine Antwort warteten.

Nach einem kurzen Moment war mein Gehirn wieder bei 100% und ich schaffte es, die wohl geschliffenste, mit pointierten Wortspielen gewürzte und von tiefem Sachverstand zeugende Antwort zu geben, die in der Geschichte der neueren Menschheit ein Individuum jemals gegeben hat.

»Häääää?«

Nachdem die Klasse anfing, loszugröhlen, fing ich mich jedoch wieder. »Finden sie wirklich? Ich bin doch gar kein Schauspieler und ich habe null Talent dafür, wirklich.« Aber die Stoll lächelte mich nur an und sagte: »Ach Daniel, das glaube ich nicht. Ich denke, du passt haargenau zu der Rolle und ich würde dich wirklich gern diese Rolle spielen sehen. Ich weiß, dass du mich und alle anderen nicht enttäuschen wirst.«

Das saß. Jetzt konnte ich ja wohl schlecht zurück. »O..Okay...wenn sie wirklich wollen, kann ich es ja mal versuchen.« Das Stoll'sche Lächeln wurde breiter und zufrieden ging sie wieder vor ihr Lehrerpult.

»Schön... kommen wir nun zu den beiden Hauptrollen. Für die Rolle des Thom habe ich...«, sie schaute in Robins Richtung, »...dich vorgesehen.«

Man konnte förmlich spüren, wie auch Robin, genau wie ich zuvor, schlucken musste. Ich dachte nur ‚Geil, Robin bekommt die Hauptrolle‘.

»Ich?«, fragte er ungläubig und voller Staunen. »Ja, du.«, sagte Frau Stoll mit einem breitem Lächeln auf dem Gesicht. »Ich denke, dass du ein sehr guter Schauspieler bist und außerdem ist dir die Rolle des Thom wie auf den Leib geschneidert. Du siehst so ähnlich aus, wie die Autorin sich den Thom selbst vorgestellt hat und du passt auch von deinem Charakter dazu. Frech, manchmal ein wenig zu frech, aber dennoch immer hilfsbereit und liebenswert. Oder hast du mit dem homosexuellen Charakter ein Problem?«

Man sah förmlich, wie Robin rot anlief. Das Blut schoss ihm ins Gesicht und er blickte verlegen zu Boden. Offensichtlich hatte es ihm die Sprache geraubt oder er musste einfach nur nachdenken. In diesem Moment fiel mir auf, dass er unglaublich süß aussieht, wenn er verlegen ist, was aber bei seiner frechen aber liebenswerten Art bestimmt nicht allzu oft vorkommt. Es sah jedenfalls phantastisch aus.

»Nein, ich denke es ist für mich okay, diese Rolle zu spielen und wenn sie das mir wirklich zutrauen, will ich es gerne probieren.«, antwortete er schließlich nach einem Moment. »Aber denken sie nicht, dass ich wegen dem...«, unsicher zuckte er mit seinen Schultern, aber die Stoll hatte schon verstanden, was er meinte.

»Nein, dein Lispeln ist wirklich nicht so schlimm, im Gegenteil, es hilft dir, glaube ich, sogar, dich in die Rolle einzufühlen und sie glaubhafter zu spielen.« Dankbar lächelte Robin sie an und man merkte, wie jeder Zweifel aus seinem Gesicht verschwunden war.

»Gut, dann hätten wir das auch geklärt.«, sagte Frau Stoll und war sichtlich erleichtert, dass sie Robin nicht lange überzeugen musste.

»Dann hätten wir noch die Hauptrolle des Marko Grabe, genannt Mirc« Die Stoll ging in die Mitte des Klassenraums. Dabei umrundete sie einige Tische. Schließlich blieb sie genau vor Julian stehen. »Ich habe dabei an dich gedacht, Julian.«, sagte sie plötzlich und schaute ihn direkt an.

Julian ist ein absolut netter Kerl, der in der ganzen Schule hohes Ansehen genießt, seitdem er sich mal mit den Schulrowdies angelegt hatte, die einen jüngeren Schüler verprügeln wollten. Julian, obwohl alles andere als ein Muskelpakt, warf sich dazwischen und nur durch sein mutiges Eingreifen entging der Jüngere einer gehörigen Tracht Prügel. Julian hatte dabei leider ein bisschen was abbekommen, aber das war schon eine ganze Zeit her. Die Geschichte machte unglaublich schnell die Runde und seitdem waren insbesondere die Girls regelmäßig in seiner Nähe zu finden, wobei bestimmt auch sein super Aussehen nicht gerade abträglich war. Julian ist relativ schlank, ungefähr 1,72 groß und hat tiefschwarzes, glattes Haar, das immer in den unmöglichsten Richtungen absteht, aber einfach nur cool aussieht. Er musste in der gleichen Klasse wie Robin sein, fiel mir noch beim Nachdenken über ihn ein.

Julian war baff, einfach absolut geschockt. »Ich???«, fragte er ungläubig, aber die Stoll verdrehte nur die Augen. »Haben heute alle die „Ich???“ Krankheit?«, fragte sie scherzhaft. » Nein, mal ernsthaft, Julian. Du bist absolut perfekt für die Rolle. und du passt einfach auch vom Aussehen ideal als Mirc und außerdem gebt ihr zwei, du und Robin, ein schönes Paar ab.«

Moment!

Nachdem das ganze Klassenzimmer mit Ausnahme von zwei völlig verdatterten Jugendlichen vor Vergnügen johlte, merkte Frau Stoll, was sie eben eigentlich gesagt hatte und fiel in das Lachen der anderen mit ein. Nur ich schaffte es irgendwie nicht, darüber zu lachen.

»Nein, ihr Lüstlinge, so meine ich das natürlich nicht. Ich denke, dass du dich rollenmäßig prima mit Robin ergänzt und ihr die ideale Besetzung für die Hauptrollen wärt.« In Julian tobte sichtlich ein kleiner Kampf.

Schließlich hatte seine Neugier auf die Hauptrolle gesiegt und er stimmte zu. »Okay, Frau Stoll, ich bin dabei!« »Freut mich wirklich.«, sagte sie, lächelte ihn kurz an und ging wieder zu ihrem Tisch zurück. »Und du hast auch kein Problem damit, einen Schwulen zu spielen? Ihr müsst Bedenken, dass ihr vielleicht nach der Aufführung damit konfrontiert werdet, dass man euch auch sonst für ein Paar hält. Und ich weiß ja, das ihr beide die gesamte Mädchenschaft immer zum Schwärmen bringt.«

Das war nicht ganz zu leugnen, aber den beiden im Moment völlig schnuppe. »Nein, Frau Stoll, ich habe kein Problem damit und freue mich sogar richtig darauf.«, sagte Julian und Robin hob einfach kurz den Daumen nach Oben. Okay, damit war alles geklärt. Frau Stoll grinste beide kurz an und setzte sich dann wieder auf ihren Stuhl.

»Gut, nachdem das alles nun geklärt ist, können wir ja mit den weiteren Einzelheiten weitermachen.«

Es folgte nun die Bekanntgabe der Probentermine, anschließend teilte Frau Stoll die Skripte aus, in denen sie das Stück der Autorin in eine bühnenfähige Version umgeschrieben hatte. Zu guter Letzt besprach sie sich mit den Leuten, die für die Technik und Ausstattung zuständig waren über das weitere Vorgehen.

Ich aber war in dem Moment ganz woanders, obwohl ich immer noch auf meinem Stuhl saß. ‚Mein Gott, warum hast du bloß ja gesagt?‘ ging es mir wieder durch den Kopf und die Angst kam zurück. Der erste Probentermin war schon für übermorgen angesetzt und uns blieben bis zur Generalprobe gerade mal 12 Probetermine. Dies bedeutete, dass die Aufführung schon in guten sechs Wochen stattfinden sollte.

»Okay, dann Schluss für heute.«, sagte Frau Stoll und packte ihre Sachen zusammen. »Die Darsteller fangen bitte schon mal damit an, ihren Text zu lernen und die Techniker kümmern sich um die besprochenen Sachen. Ich denke, wir werden noch viel Spaß zusammen haben, ich freue mich jedenfalls schon darauf.« Mit diesen Worten lächelte sie noch so ziemlich jeden aufmunternd an und verließ dann schließlich das Zimmer.

Zusammengesunken saß ich auf meinen Stuhl und ärgerte mich wieder über mich selbst, dass ich mich hatte beschwatzen lassen. ‚O weia, das gibt vielleicht eine Katastrophe‘...

Nachwort

Hi!

Nach einigem zeitlichem Abstand zu »Lean on Me« ist dies also meine zweite Geschichte und ich hoffe, euch hat die Geschichte (übrigens geplant als Dreiteiler) ein wenig gefallen.

Über Rückmeldungen jeglicher Art würde ich mich sehr freuen. Nichts ist deprimierender für einen Schreiber, als kein Feedback zu bekommen.

Wie ihr sicher gemerkt habt, bezieht sich das von mir hier angeführte Theaterstück auf die Story von n-c-g »Normal Like You«. Ich danke diesem tollen Autoren zum einen für die schöne Vorlage und zum anderen für das Einverständnis, dass ich sie auch benutzen durfte.

Die Grundidee zu dieser Geschichte bekam ich, als ich Nicks »Wintermärchen« gelesen hatte. Ihr findet daher vielleicht Ähnlichkeiten zwischen beiden Stories und ich danke auch Nick für die »Inspiration«.

Zuletzt möchte ich auch noch Andi danken für das mühsame Korrekturlesen und die konstruktive Kritik, die mir wirklich geholfen hat.

Okay, bis mal wieder sagt der

Nev

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