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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Diese Geschichte ist teilweise an tatsächliche Begebenheiten angelehnt, dennoch größtenteils frei erfunden. Daher wären Übereinstimmungen mit irgendwelchen Personen rein zufällig und auch nicht gewollt. Ich bin auch nicht der Florian aus der Geschichte, dennoch verbindet mich viel mit ihm.

Und jetzt viel Spaß beim Lesen.

Euer Neville

Kapitel 1 "Aller Anfang ist schwer"

»Jonas, du musst aufstehen!« Verdammt, wer rief da um so eine unchristliche Zeit meinen Namen? Langsam konnte ich meine Gedanken ordnen und mein Gehirn schien nur ganz allmählich wieder zu sich zu kommen. Das ich morgens gut aus dem Bett komme, kann man nun wirklich in das Reich der Phantasie einordnen.

Ich öffnete also kurz die Augen und sah meinen Vater -Werner- an meinem Bett stehen. Das Grinsen konnte er sich kaum verkneifen während er sagte: »Ja, wer abends nicht in die Kiste kommt, braucht sich morgens nicht zu beschweren!«

Unter mühsamster Anstrengung schaffte ich es, ein kurzes »bingleichwach« zu grummeln. Damit schien er sich fürs erste zufriedenzugeben und verschwand aus meinem Zimmer, aber immer noch mit diesem fürchterlichen Grinsen, während er fröhlich irgendwas vor sich hin summte.

Wie der aufmerksame Leser mittlerweile bemerkt haben dürfte, bin ich nicht gerade das, was man einen Frühaufsteher nennen kann. Ich heiße übrigens Jonas Florian Berger, alle meine Freunde nennen mich nur kurz Flo, bis auf meinen Vater, der mich Jonas ruft. Ich bin seit rund zwei Monaten 16 Jahre alt und Werner ist mein Ernährer, sorry, Erziehungsberechtigter. Leider ist er der einzige seiner Art, will heißen, dass nur mein Vater für mich da ist.

Meine Mutter ist vor rund einem Jahr bei einem schrecklichen Autounfall ums Leben gekommen. In dem Auto saß neben meiner Mutter auch mein Vater. Er wurde bei diesem Unglück ebenfalls schwer verletzt und musste einige Wochen im Krankenhaus verbringen.

In dieser Zeit war ich bei entfernten Verwandten untergebracht worden, denen ich aber irgendwie egal war, hatte ich den Eindruck. Mein Vater hat den Unfall einigermaßen gut verkraftet. Aber der Verlust meiner Mutter macht nicht nur mir noch schwer zu schaffen, auch meinem Dad geht es manchmal noch verdammt schlecht. Er lässt sich zwar nichts anmerken und versucht, Ruhe und Ordnung in unser Leben zu bringen, dennoch merke ich, wie sehr auch ihm Mum fehlt.

Zu allem Unglück hat mein Vater bedingt durch die lange Krankheitszeit seinen Arbeitsplatz verloren, er hat als Sachbearbeiter bei einer kleinen Firma im Ruhrgebiet gearbeitet. Durch Beziehungen hat er jetzt nach einiger Zeit einen neuen Job gefunden. Und hierbei komme nun ich ins Spiel, denn der neue Arbeitsplatz befindet sich in einer mittelgroßen Stadt in Hessen. Äähh, Hessen, jaja, ich weiß J.

Es blieb uns also nichts anderes übrig, als umzuziehen. Wir haben es dann so organisiert, dass der Umzug in den großen Ferien erfolgte, so dass ich keine weitere Schulzeit verpasst habe. Ich bin zwar nicht dass, was man einen Streber nennt, aber dennoch ganz gut in der Schule, auch wenn ich durch den Unfall meiner Eltern und den damit verbundenem Stress einiges nachzuholen hatte.

Seit gut eineinhalb Wochen haben wir den ganzen Umzugsstress nun hinter uns gebracht und leider haben sich damit auch die Ferien dem Ende genähert. Nur noch dieser Sonntag, dann beginnt für mich wieder der Ernst des Lebens, will sagen, die 10. Klasse auf einem mir völlig fremden Gymnasium.

»Jonas, kommst du endlich frühstücken?« rief mein Vater nun im energischeren Ton aus der Küche. Das war das Signal für mich, das kuschelig warme Bett zu verlassen und mich in das Badezimmer zu schleppen.

Durch den Unfall und die damit verbundenen Kosten haben wir leider unsere sämtlichen Ersparnisse verloren und auch durch den neuen Job verdient mein Vater nicht so viel, als dass wir uns eine großzügige und geräumige Wohnung hätten leisten können. Daher habe ich kein eigenes Badezimmer L, sondern ich muss mir das Badezimmer mit Dad teilen.

Es ist nicht so, dass wir arm wären, aber dennoch müssen wir jede Mark zweimal umdrehen, bevor wir sie ausgeben, ich bin das aber schon gewohnt, denn selbst als meine Mum noch lebte, haben wir uns immer gerade so über Wasser halten können, da sie auch nur einen Aushilfsjob hatte.

Im Badezimmer angekommen verrichtete ich nun kurz das absolut Notwendigste, bevor ich mich einer meiner Lieblingsbeschäftigungen widmen konnte, der Nahrungsaufnahme. Augenzwinkernd sagte ich immer zu meinem Vater, dass ich das für mein Wachstum bräuchte, wenn er mal wieder mit ungläubigem Gesichtsausdruck die Mengen der von mir vertilgten Nahrung bestaunte.

Meinem Vater war es sehr wichtig, dass ich immer genug zu Essen hatte und daher sparte er lieber an einem anderen Ende. Gottseidank setzt das viele Essen bei mir nicht an, so dass ich trotz der unglaublichen Mengen schlank bin. Liegt aber wohl auch am Sport, denn ich gehe mit einiger Regelmäßigkeit Laufen (macht nicht nur Spaß, sondern ist auch billig!).

Was gibt es noch zu meiner Person zu berichten? Dass ich 16 bin, habe ich schon erwähnt. Ach ja, ich habe kurze blonde Haare, blaue Augen und bin etwa 1,65m klein. Und vielleicht nicht ganz unerheblich ist die Tatsache, dass ich schwul bin.

Gemerkt hatte ich es schon lange, aber endgültig im Klaren bin ich mir darüber erst seit etwa einem Jahr. Früher habe ich gedacht, dass ist nur so eine pubertäre Phase, wie man es in jeder Bravo nachlesen kann, aber irgendwann hat sich dann die Gewissheit eingeschlichen, dass ich einfach für das andere Geschlecht nichts empfinde.

Da ich jedoch ziemlich schüchtern und ein echter Angsthase bin, habe ich mit niemanden darüber gesprochen. Auch meine alten Freunde aus Dortmund wussten nichts von meiner »Abnormalität«, wie ich damals dachte. Ich hatte einfach nicht den Mumm, es einem von ihnen zu sagen.

Und auch meinem Dad habe ich es bis heute nicht gesagt, obwohl er ein total lieber und verständnisvoller Vater ist und mit Sicherheit hinter mir stehen würde und auch wird, wenn er es einmal erfährt. Ich habe mich aber dennoch bis heute nicht getraut, es ihm zu sagen.

Immer noch müde setzte ich mich an den Frühstückstisch und begann, meinen Tee genussvoll umzurühren. »Du, Jonas....«, setzte mein Vater an, »wenn du nicht mitkommen möchtest, verstehe ich das«.

Zur Erläuterung: wir hatten für heute geplant, noch mal zum Abschied zum Grab meiner Mutter nach Dortmund zu fahren, da wir nun für lange Zeit nicht mehr dahin kommen würden. »Nein, ich will mit«, sagte ich ihm und schaute ihm ins Gesicht.

Meine Mutter war d i e Bezugsperson in unserer Familie für mich gewesen, und ihr hätte ich es auch zuerst gesagt, dass sie von mir keine Enkelkinder erwarten kann.

Während ich noch mal darüber nachdachte, kamen alle Erinnerungen, die verblasst waren, ans Licht und ich merkte, wie mir eine Träne die Backe runter lief. Ich bin zwar keine Heulsuse, aber ganz über ihren Tod bin ich auch noch nicht hinweg. Hey, schließlich bin ich ja auch nur ein Teenager, dem die Hormone zu schaffen machen.

Mein Vater hatte bemerkt, wie plötzlich meine Stimmung umschwang und kam zu mir rüber und nahm mich in den Arm. Wir weinten gemeinsam. Dieser gegenseitige Trost half uns beiden und nach einigen Minuten setzten wir unser Frühstück fort, dennoch war diese traurige Stimmung in der Luft.

Nachdem wir mit Essen und dem Abwasch fertig waren, fuhren wir mit unserer Klapperkiste nach Dortmund. Ich möchte euch jetzt nicht mit langweiligen Einzelheiten nerven, nur so viel, dass wir ankamen und es auch wieder zurück schafften, war schon ein größeres Wunder.

Am Grab meiner Mutter gab es noch mal Tränen, aber es war o.k. Anschließend fuhren wir dann noch zu unseren Verwandten und verabschiedeten uns auch von Ihnen.

Spät abends kamen wir dann zurück und ich viel total erschöpft in mein Bett und schlief auch gleich ein.

Kapitel 2 "Das Grauen nimmt seinen Lauf"

Nach einer viel zu kurzen Nacht schlug mein Wecker am nächsten Morgen mit einem Höllengetönse Alarm. Wie ihr wisst, fällt mir das Aufstehen nicht gerade leicht, aber heute kam erschwerend noch dazu, dass die Ferien jetzt definitiv zu Ende waren und wieder Penne -sprich Schule- angesagt war.

Es half also nichts, ich musste raus. Nach nur fünf Minuten schaffte ich es, mein ach so schön warmes Bett zu verlassen und quälte mich ins Badezimmer. Dad ist -mir unverständlicherweise- ein Frühaufsteher, so dass ich das Bad für eine wachmachende Dusche allein zur Verfügung hatte. So gesäubert konnte ich den Gang in die Küche wagen, wo mich mein alter Herr schon mit Kaffee, Brötchen und gekochten Eiern erwartete.

Ich staunte nicht schlecht, weil das bei uns nicht gerade zum alltäglichen Frühstücksbüffet gehört. Normalerweise belassen wir es bei Müsli und Tee. »Was ist denn hier los?«, fragte ich, aber Dad musste wohl meinen merkwürdigen Gesichtsausdruck schon bemerkt haben, denn er entgegnete fröhlich: »Ja, mein Sohn. Wenn du schon den täglichen Bildungskampf aufnehmen willst, dann solltest du wenigstens am ersten Tag gestärkt die Herausforderung annehmen.«, und grinste sich ins Gesicht.

»Wie fürsorglich«, entgegnete ich lakonisch, während ich mich auf meinen Platz setzte und mir das erste Brötchen schmierte, »aber von Wollen hat keiner was gesagt«.

»Ich hoffe, es läuft heute alles gut für dich«, fing mein Vater an. »Ja, ich denke schon, schließlich bin ich ja in meiner alten Schule nicht gerade schlecht gewesen«, erwiderte ich kauend.

»Jonas, dass du schulisch wahrscheinlich keine Probleme bekommen wirst, will ich stark hoffen. Ich meine eher, dass du hoffentlich schnell Anschluss findest und Freunde kennenlernst.« »Mir würde schon einer reichen, und zwar d e r Freund«, dachte ich so bei mir, sagte aber nur: »Ja, hoffe ich auch.«

Aber Dad hatte mit seiner Bemerkung voll ins Schwarze getroffen, denn schließlich wusste er nur zu genau, wie schüchtern ich bin und daher dauert es bei mir recht lange, bis ich mal Freundschaften aufbauen kann.

»Langsam solltest du ein wenig hinmachen, sonst kommst du an deinem ersten Tag zu spät.«, sagte er kurz darauf. Ich blickte schnell auf die Uhr und sah, dass er Recht hatte. Die Zeit war während des Frühstücks nur so weggelaufen, dass es schon wirklich spät war. »Ach, was soll's, ich fahr dich heute.« Dad hatte heute noch Urlaub, so dass er Zeit genug hatte. Normalerweise würde ich den Weg laufen - knapp 15 Minuten. »Prima!«, entgegnete ich mit einem Grinsen und schob mir noch eine Brötchenhälfte unter den staunenden Blick meines Vaters in die Backe.

Fünf Minuten später saßen wir dann in der Familienkutsche -einem alten Golf- und es ging zur Schule. Je näher wir der Schule kamen, desto stärker wurde das Kribbeln in meinem Magen. »Was erwartet dich da?«, schoss es mir durch den Kopf. Und meine Nervosität steigerte sich von Sekunde zu Sekunde.

Schließlich hatten wir die Schule erreicht und Dad blieb kurz auf der Straße stehen und ließ mich raus. »Viel Glück, Kleiner.«, sagte er zum Abschied. »Danke, kann ich brauchen.«, erwiderte ich und schlug die Tür ein wenig zu fest zu. Jaja, die verfluchte Nervosität.

Ich sah noch kurz zu, wie mein Vater den Wagen wendete und kurz hupend wegfuhr. Dann war ich ganz allein und auf mich gestellt. Vor mir ein absoluter Neuanfang. »Naja, wird schon nicht so schlimm werden.«, versuchte ich mich selbst zu beruhigen, und erklomm die ersten Stufen meiner neuen Schule.

Kapitel 3 "Mach mir den Lebert"

Es hatte gerade zur ersten Stunde geläutet und einige jüngere Schüler versuchten, sich an mir vorbei zu drängeln und hastig vor mir die Schule zu betreten.

Bei meiner neuen Schule handelt es sich um einen etwas altmodischen Bau aus den späten siebziger Jahren. Insgesamt besteht diese Schule aus drei getrennten Komplexen, wobei diese durch Übergänge miteinander verbunden waren. Es gibt den Verwaltungstrakt mit Lehrerzimmer, Büroräumen und der Cafeteria, der zweite Komplex beheimatet die Klassen bis zur neunten Klasse und der dritte Trakt die Klassen 10-13.

»Na denn, los geht's.«, machte ich mir selbst Mut und lies die voreiligen Fünftklässler erst einmal vorbei. Sie giggelten und lachten, wobei sie mich keines Blickes würdigten. Auf den Gängen herrschte das übliche Chaos, dass ich auch schon bei meiner alten Schule gewohnt war und ich glaube, dies ist auch auf allen Schulen der Welt irgendwie gleich. Aber bei einem Schuljahresanfang ist es irgendwie noch extremer, da sich alle erst mal zu begrüßen hatten und sich erzählten, was sie die langen Sommerferien über getrieben hatten.

Ich blieb im Hauptgang zunächst stehen und lies diesen Eindruck auf mich wirken. Langsam aber stetig lichtete sich das Chaos und die Schüler gingen mehr oder wenig schnell in ihre Klassen, so dass ich mir kurz einen ersten Überblick verschaffen konnte.

In dem Brief der Schule an meinen Vater hieß es, ich sollte in der ersten Stunde erst mal in das Sekretariat gehen, um mich anzumelden. Also kurz die Lage gepeilt, wo ich dieses Sekretariat finden konnte. Gottseidank hat sich bei dieser Schule einmal einer Gedanken gemacht und eine Art Wegweiser in Form einer Tafel mit Richtungsanzeigen an einer Wand platziert. »Also, zum Sek da lang.«, dachte ich zu mir und stiefelte los.

Nach zwei Abbiegungen, eine Treppe hoch und einen etwas längeren Korridor entlang, tauchte eine große Tür mit einem Hinweisschild »Sekretariat« auf.

»Bingo!« Da meine Eltern viel Wert auf gutes Benehmen bei meiner Erziehung gelegt haben, klopfte ich natürlich höflich erst mal an und noch bevor das leise Echo verhallte, hörte ich schon ein schneidiges »Ja, bitte.« aus dem Inneren.

Ich öffnete also die Tür und betrat das Sek. Und auch jetzt sah ich etwas, was wohl in jedem Sekretariat der Welt, zumindest aber in Deutschland, gleich ist. Neben den üblichen Pflanzen auf der Fensterbank und der laut vor sich hinblubbernden Kaffeemaschine war da noch die Sekretärin des Direx, in diesem Falle Frau Schneider-Offlein, wie ich an dem Namensschild auf ihrem Schreibtisch erkennen konnte.

Frau Schneider-Offlein sah so aus, wie man sich eine Sekretärin so vorstellt. Ein wenig dicklich, etwa 50 Jahre alt, hochgesteckte Haare, Hakennase, auf der eine gewaltige Brille thronte, über die hinweg sie mich ansah und musterte, während sie dabei war, sich eine Tasse Kaffee einzuschütten.

»Sie wünschen?«, fragte sie mich, nachdem sie ihre Musterung beendet hatte und eine gewisse Belustigung lag in ihrer Stimme. Unsicher geworden schaute ich erst einmal an mir herab, ob ich irgendein wichtiges Kleidungsstück beim Anziehen vergessen hatte. Nein, es war alles da und sogar richtig herum angezogen.

»Guten Tag, mein Name ist Florian Berger.«, erwiderte ich. »Ich bin neu hier und ich soll mich hier anmelden.«, stammelte ich heraus.

»Mal sehen..., Ah, da haben wir es.«, sagte Frau Schneider-Offlein, nachdem sie in einem großen Stapel mit Unterlagen geblättert hatte und eine große Karteikarte hervorzauberte. »Jonas Florian Berger«, wobei sie das Jonas übermäßig betonte.

»Ich melde sie beim Direktor an.«, sagte sie und verschwand nach kurzem Anklopfen hinter einer schweren Tür, die mit Leder beschlagen war.

Kurze Zeit später kam sie wieder heraus und hielt dabei die Tür leicht geöffnet. »Direktor Paschke erwartet sie.«, sagte sie und schob mich mit einem leichten Schubsen in das Zimmer. Gleich danach schloss sie wieder die Tür und ich war in der Höhle des Löwen, im Direxzimmer.

Ich drehte mich noch mal kurz Richtung Tür um, während der Direx sagte »Kleinen Moment noch, bin gleich bei dir.« Jetzt erst registrierte ich, dass er leise telefonierte. Ich nutzte also die Gelegenheit und schaute mich im Zimmer etwas um.

Der Direx saß in seinem Lederdrehstuhl an einem gewaltigen Schreibtisch, der über und über mit Papieren und Büchern übersät war. Hinter diesem gewaltigen Tisch sah er ein wenig klein und fehlplaziert aus. Ich schätzte ihn auf etwa 1,70 m, was aber auch täuschen kann, wenn einer nur sitzt.

Die Schüler schienen ihm noch nicht den letzten Nerv geraubt zu haben, denn seine Haare türmten sich in unmöglichen Formen auf seinem Kopf und hatten wohl für heute noch keine Bürste gesehen. Er trug eine kleine Nickelbrille, die ihm aber stand, fand ich. Sie gab ihm das gewisse Etwas und betonte ein auf den ersten Blick sympathisches Gesicht.

Es gibt ja Menschen, die einem auf Anhieb sympathisch oder unsympathisch sind. Direktor Paschke gehörte meiner Meinung nach klar in die erste Kategorie, ich wusste aber auch nicht genau, warum.

In dem Zimmer standen noch viele Pflanzen und an allen Wänden waren Regale mit tonnenweise Bücher aufgebaut. Insgesamt etwas chaotisch, aber doch vermittelte das Zimmer Behaglichkeit. Irgendwie überhaupt nicht, wie man sich das Zimmer eines Rektors vorstellt, in dem ungehorsame Schüler ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, wenn man alten Schinken Glauben schenken darf. »Hier könnte ich mir auch vorstellen, mal zu arbeiten.«, ging es mir durch den Kopf.

»Ja, bis dann.«, beendete der Direx sein Telefonat und legte den Hörer leise auf. Er sah mich nun an, und wie seine Vozi (Abkürzung für Vorzimmerdame) musterte er mich nun eingehend und nickte dann kurz. »Hallo. Ich bin Direktor Paschke,«, erwiderte er Sekunden nach Beendigung der Musterung und reichte mir die Hand, die ich ebenfalls mit einem kurzen Nicken schüttelte, »und du musst Jonas Berger sein.« Ohne meine Antwort abzuwarten, die eh offensichtlich gewesen wäre, griff er sich eine Akte, meine Akte, wie ich vermutete, und begann ein wenig drin zu blättern.

»So, Jonas, ich darf Sie doch beim Vornamen nennen?« Ich nickte wieder kurz und er fuhr schon fort »Die Unterlagen ihrer alten Schule haben wir erhalten. Sieht insgesamt ja sehr gut aus. Ich denke, wir werden gut miteinander auskommen.« Ich lächelte ein wenig verlegen, was sollte ich auch anderes sagen? Dass ich beabsichtige, Ärger zu machen, den Hausmeister zu verprügeln oder was?

»Das mit ihrer Mutter tut mir sehr leid.«, begann er dann wieder und er setzte ein traurige Miene auf. Das hatte mich dann doch ein wenig geschockt. Mein Lächeln war urplötzlich verschwunden. »Ja, mir auch.«, erwiderte ich mit belegter Stimme. »Tut mir leid, ich wollte keine alten Wunden aufreißen.«, sagte er entschuldigend, als er meinen Gesichtsausdruck gesehen hatte.

»Dann kommen wir jetzt zu etwas angenehmeren. Hier haben sie schon mal ihren Stundenplan. Ich werde sie gleich zu ihrem Klassenzimmer begleiten und sie kurz vorstellen.« »Toll, dachte ich. Schon gleich am ersten Tag der Volltrottel, der nicht mal alleine sein Klassenzimmer findet.« »Oh, das wäre sehr nett.«, erwiderte ich aber. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich mich gut verstellen kann? »Diese Fähigkeit haben wohl irgendwie alle nicht geouteten Schwule, ging es mir durch den Kopf«.

»Und nun noch ein paar kleine Regeln, die dir das Leben an unserer Schule sicher ein wenig leichter machen...« Es folgte nun das übliche Gedöns hinsichtlich Ordnung, Disziplin, keine Kappen im Unterricht tragen, keine Stunden schwänzen, nicht rauchen etc...

Wir werden übrigens auch in Englisch und Mathematik das Vergnügen miteinander haben, denn da bin ich dein Klassenlehrer.», sagte er ein wenig vergnügt. Das war mir wiederum nicht unsympathisch, denn ich konnte Direx Paschke irgendwie auf den ersten Blick leiden und so nett, wie er sich mir gegenüber verhielt, lies das dann doch auf recht angenehme Stunden hindeuten.

»Ich bin gespannt, was mein alter Studienfreund Börgerhaaf euch in Mathe so beigebracht hat.«, sagte er und sprang mit einem kurzen Satz aus seinem Sessel auf. Jetzt konnte ich auch sehen, dass er unmöglich größer als 1,60 m sein konnte, denn ich mit meinen 1,65m war schon ein gutes Stück größer als er.

»So denn, lass uns gehen, sonst verpasst du zu viel.«, und schon öffnete er die Tür und schob mich nach draußen.

Nach einem kurzen Spaziergang hatten wir den dritten Trakt erreicht und standen fünf Minuten später, nachdem wir etliche Korridore und Treppen passiert hatten, vor meinem neuen Klassenzimmer.

»Ich werde wohl ewig brauchen, bis ich mich in dieser Schule einigermaßen auskenne.«, ging es mir durch den Kopf, als der Direx schon kurz aber heftig an der Tür klopfte und ohne eine Antwort abzuwarten die Tür öffnete und mich in den dahinterliegenden Klassenraum schob, wobei er die Tür wieder hinter sich zuschlug.

Sofort verstummte die Stimme, die übrigens meinem neuen GK-Lehrer gehörte, der überrascht aufschaute und den Direx und mich ansah. Sofort polterte Paschke los: »Entschuldigen Sie die Störung Herr Weber, aber ich bringe Ihnen den Neuzugang, Herrn Berger.« »Ich wünsche euch noch viel Spaß und seit artig.«, sagte er in Richtung Klasse und bevor er wieder den Raum verließ, grinste er noch kurz in die Runde und zum Abschluss mich an, bevor wir nur noch das knallen der Tür bemerkten

Ich stand also jetzt alleine vor der Klasse, vom Lehrer mal abgesehen. Irgendwie ein saublödes Gefühl, kann ich euch sagen. Gottseidank legte Herr Weber gleich los.

»So, Herr Berger. Ich begrüße sie zu der großartigsten Veranstaltung in diesem Schuljahr, meinem Unterricht.« Allgemeines Grinsen und leises Gelächter meiner zukünftigen Mitschüler. »Aha, ein Witzbold.«, dachte ich mal wieder, nickte aber nur kurz, während ich ihn ansah.

»Hätten Sie die Güte, sich uns mal ein wenig vorzustellen?« Verdammt, genau das, was ich immer gehasst habe, aber wohl unvermeidlich war. Ich musste kurz schlucken und bemerkte dabei, dass mich neben meinem Lehrer auch alle Schüler nun mehr oder wenig gelangweilt ansahen.

»Ja, ähm, also ich bin der Florian Berger, äh, bin 16 und mit meinem Vater von Dortmund hierher gezogen, weil er hier eine neue Arbeitsstelle gefunden hat.« »Toll, wie geistreich.«, ging es mir durch den Kopf und während ich diesen Satz sagte, der die Welt bedeutete, blickte ich mich ein wenig um und schaute in die Runde meiner Mitschüler.

Auf den ersten Blick eine ganz normale Klasse, und auch auf den zweiten Blick blieb es dabei. Etwas mehr Mädchen als Jungs und von den Jungs nichts dabei, was mein Herz hätte schmelzen lassen können.

»Moment mal, wer ist denn das?« In der vorletzten Reihe links, neben dem pickeligen Mädchen? Halleluja! Da saß ein Junge, der mich auf Anhieb in den Bann zog. Etwa 1,75 groß, schlank, kurze schwarze Haare, grüne Augen (soweit ich es erkennen konnte) und ein Lächeln, dass mich schier umhaute. Und mit diesem Lächeln strahlte er mich an. Wow, ein echter Schnuckel!

Ich war nun völlig von der Rolle und starrte nur in seine Richtung, unfähig, auch nur irgendetwas zu sagen. Plötzlich bemerkte ich, wie sich etwas neben mir räusperte.

»Ähem, ich will sie ja nicht stören, Herr Berger, aber haben Sie uns noch etwas zu sagen?«, kam es aus der Ecke, in der mein Lehrer stand.

Scheiße, da war doch noch was. Was war es bloß? Richtig, ich sollte mich vorstellen, und stattdessen stierte ich diesen Traum von Jungen an. Ich bekam einen hochroten Kopf.

»Ja, ich glaube, dass ist zunächst alles.«, kam dann doch irgendwie aus meinem Mund gekrochen, obwohl ich nicht wusste, wer diese Worte sagte.

Kennt ihr das Buch »Crazy« von Benjamin Lebert? Sicher hat der eine oder andere auch den Film gesehen (ja, genau den mit der Keksw....szene). In dem Buch hat Benjamin eine Szene beschrieben, als er sich vor der neuen Klasse vorstellen musste und sich auch nicht sonderlich geschickt dabei angestellt hat. Bei den Mädchen war er daraufhin untendurch und die Jungs haben ihn für einen Trottel gehalten. In diesem Moment fühlte ich mich genauso, wie er es dort beschrieben hat.

»So, ich denke, sie setzen sich am besten zu Fräulein Wegener da hinten.«, sagte Herr Weber und deutete auf einen freien Platz in der letzten Reihe. Der Platz war schräg hinter dem Tisch mit diesem Schnuckel (*grins*). Könnte eigentlich ganz schön werden, dieses Schuljahr! J

Na ja, nachdem ich mich also auch zum Deppen gemacht hatte, konnte ich ja nun zu meinem Platz gehen. Ich kam auf meinem Weg dahin natürlich an dem Tisch von meinem Traumboy vorbei und ich musste mich wirklich zusammenreißen, ihn nicht direkt anzuschauen. Das hätte mich mit Sicherheit verraten, wenn es eh nicht schon zu spät war.

Ich kam also an meinem vorgebestimmten Platz an und legte meinen Rucksack lauter als ich eigentlich wollte auf den Tisch. Ich schaute kurz meine Leidensgenossin an, die, wie ich ja jetzt wusste, Wegener hieß. Eigentlich recht hübsch, wenn man auf Mädchen steht, dachte ich, nachdem ich sie ganz kurz gecheckt hatte. Sie war recht klein und schlank, blonde Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren und hatte viele Sommersprossen in einem wirklich hübschen Gesicht.

»Hallo, ich bin der Florian, aber für Freunde nur Flo.«, sagte ich zur Begrüßung leise. »Hi, Katrin.«, entgegnete sie mir fröhlich, lächelte mich an und streckte die Hand aus, die ich dankend annahm und schüttelte. Nachdem ich mich gesetzt hatte und mein Schulzeug ausgepackt hatte, war wohl auch der Lehrer der Meinung, dass der Unterricht jetzt weitergehen könnte und fuhr mit seinem Stoff fort.

Während er weitersprach, drehte er, der Traumjunge sich um, und sah mir nun in die Augen. Ich dachte, ich sterbe. »Hallo, ich bin Lukas.«, sagte er leise und grinste mich frech an. »Hoffe, wir haben viel Spaß zusammen.« Bitte, wie sollte ich das jetzt verstehen? Ich war total verwirrt und stammelte nur leise: »Jope, an mir soll's nicht liegen.«

Ich war total weg und hörte nur durch einen Schleier, wie Herr Weber meinen Namen rief. »Wir machen also weiter mit der Novemberrevolution. Herr Berger, können Sie uns vielleicht kurz über die geschichtlichen Ereignisse und den Verlauf dieser Revolution ein wenig in Kenntnis setzen?«

Uups, das geht hier aber schnell. Warum werden eigentlich die Neuen immer gleich auf Herz und Nieren geprüft, sobald man die Schule wechselt?

Kapitel 4: "Die Feuertaufe"

»Wir machen also weiter mit der Novemberrevolution. Herr Berger, können Sie uns vielleicht kurz über die geschichtlichen Ereignisse und den Verlauf dieser Revolution ein wenig in Kenntnis setzen?«

Uups, dass geht hier aber schnell. Warum werden eigentlich die Neuen immer gleich auf Herz und Nieren geprüft, sobald man die Schule wechselt?

Aber was soll's. Antworten musste ich ja nun irgendetwas und so kramte ich in den Niederungen meines Gedächtnisses, um etwas zum Stichwort Novemberrevolution hervorzuzaubern. Dieses Thema hatten wir schon zu Beginn des letzten Schuljahres an meiner alten Schule.

Glücklicherweise musste ich mal ein Referat über die damalige Zeit halten (danke schön, Herr Niemayer!), so dass ich mich doch schon ein wenig intensiver damit beschäftigt hatte. Leider hatte ich aber schon wieder viel vergessen. Nach einigen Augenblicken, die mir wie Stunden vorkamen, erinnerte ich mich dann aber doch noch an einiges.

»Äh, die Novemberrevolution...« »Es gab Matrosenaufstände in den Hafenstädten des Deutschen Reiches im Jahr... hmm..1918, weil diese in den letzten Kriegstagen befürchteten, verheizt zu werden. Von dort sprang der Funke der Revolution in wenigen Tagen auf fast alle Städte im Reich über. Überall bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte, die die sofortige Beendigung der Feindseligkeiten und die Abdankung des Kaisers und der Landesfürsten verlangten.

(Überleg) Der Reichskanzler, ich glaube er hieß Prinz Max von Baden, ließ eigenmächtig die Abdankungserklärung des Kaisers veröffentlichen, die erst Stunden später bestätigt wurde. Kurz danach übertrug der letzte kaiserliche Reichskanzler die Regierungsgeschäfte an Friedrich Ebert, den damaligen Vorsitzenden der SPD.» Ich erzählte dann noch ein wenig weiter und trug alles auf, was ich wusste.

»Hmm, ....doch, ....ganz brauchbar.« meinte daraufhin Herr Weber und nickte zufrieden, während er sich irgendwelche Notizen machte. Lukas drehte sich auf einmal um, lächelte mich an und streckte den Daumen nach oben. »Cool«, sagte er und setzte sich dann wieder richtig herum. Auch Katrin strahlte mich an und flüsterte leise: »Super, hast echt was drauf. Den Weber hat hier noch keiner so beeindruckt.«

Ein wenig rot geworden lächelte ich still und glücklich in mich hinein und genoss einfach nur diesen Moment. Aber wie das mit diesen Momenten nun mal so ist, sind sie leider nur allzu schnell wieder vorbei. So dauerte es auch keine fünf Minuten mehr, und die Stunde war schon vorbei. Es läutete, und Herr Weber beendete die Stunde, nicht ohne jedoch noch Hausaufgaben zu verteilen.

»Ich weiß, dass heute der erste Schultag ist. Aber sie sehen alle so erholt und ausgeruht aus, dass ihnen ein paar Aufgaben sicher nichts ausmachen werden«, sprach‘s und schlug das Unterrichtsbuch auf. »Bitte lesen Sie Kapitel 9 bis 13 durch und beantworten Sie die dazu gestellten Fragen schriftlich. Abgabe nächste Stunde.«

»Toll, fängt ja gut an.«, dachte ich so bei mir und war wohl nicht alleine mit meiner Meinung, den von allen kam irgendein Kommentar und sie klangen nicht sonderlich begeistert. »Bis dann.«, verabschiedete sich Herr Weber und lies uns allein im Klassenraum zurück.

Kurz nachdem er den Raum verlassen hatte, erhoben sich die meisten Schüler. Manche packten ihr Frühstück aus, da jetzt gerade eine kurze Pause war, andere redeten miteinander. Es kamen aber auch einige auf mich zu.

»Klasse Vorstellung.«, sagte ein Junge zu mir. »Ich bin übrigens Hannes.«, stellte er sich vor und streckte mir die Hand aus. Hannes hatte wohl bei der Vergabe der Körpergröße gleich zweimal hier geschrien, denn er war schätzungsweise knapp zwei Meter groß und kräftig, wenn auch nicht dick, gebaut. Man konnte erahnen, dass er viel Sport machte, denn sein Händedruck war für ein Leichtgewicht wie mich recht kräftig. Das er mir die Hand nicht gebrochen hatte, grenzte an ein Wunder.

Während er sich vorstellte, knuffte er Lukas, der noch immer an seinem Tisch saß und in seiner Tasche wuselte, in die Seite und sagte: »Und übrigens bin ich der beste Freund von dieser Flasche.«, und fing lautstark an zu lachen.

Lukas musste nach diesem kleinen Anschlag erst einmal Luft holen, erholte sich dann aber recht schnell. »Hannes, noch mal so'nen Gag, und ich war dein bester Freund.« Zur Rache war jetzt auch Hannes dran, gepiesackt zu werden, genoss es aber offensichtlich, wie Lukas sich bemühte, ihn zu ärgern.

»Den darfst du nicht so voll nehmen.«, sagte dann Lukas und deutete auf Hannes. Er ist zwar groß und stark und hat Appetit wie ein Ochse, aber innerlich ist er ein Schoßhündchen. Jetzt war Hannes dran, verärgert auf Lukas zu schauen.

Ich musste innerlich grinsen, wie sich die zwei gegenseitig aufzogen. Man sah sofort, dass alles nur Spaß war und sie wirklich gute Freunde waren.

Plötzlich hörte ich, wie sich einige in der ersten Reihe anscheinend über mich lustig machten. »Äh, äh komme aus Dortmund...«, äffte mich einer nach und zwei andere Jungs, die um ihn rumstanden, lachten sich kaputt. Der Junge drehte sich auf einmal zu mir um, deutete mit dem Zeigefinger auf mich und prustete los.

»Mach dir nichts draus.«, sagte auf einmal Hannes. »Das sind die Klassenidis, die machen sich über alles lustig. Und Matthias ist ihr Chef.« Das war der Junge, der mich nachgemacht hatte. »Sieh dich aber vor denen vor, die ham‘ se nich mer alle.«

»Wenn du mal Hilfe brauchst, sag Bescheid.«, fing Hannes wieder an und schlug mir auf die Schulter. Ich sackte auf die Knie, rappelte mich aber wieder auf und tat so, als ob ich Staub von meinen Schultern abklopfen würde. »Klar kann ich deine Hilfe brauchen, aber bring mich bitte nicht vorher um.«, sagte ich zu Hannes und wir beide lachten herzlich.

Kapitel 5: "French Connection"

Jetzt kam auch Katrin mit dazu und setzte sich auf den Tisch.

Dabei fiel mir wieder mein Stundenplan ein. »Sagt mal, müssen wir nicht langsam los, sonst kommen wir zu spät zu Franz?«, fragte ich in die Runde. »Nein, wir haben Französisch in diesem Raum.«, entgegnete Katrin, während sie sich ein Brot langsam in die Backe schob und genüsslich darauf rum kaute.

»Ah gut.« »Das wiederholst du nicht, wenn du Mademoiselle Levevrè kennengelernt hast.«, sagte Katrin und verzog das Gesicht. »Stimmt, die Lev ist ein echtes Krötengesicht.«, sagte auch Hannes und nickte zur Bestätigung seiner Worte zustimmend.

»Sie ist mit Abstand die übelste Lehrerin, die wir haben.«, fiel auch Lukas ins Wort ein und machte eine Miene, von der ich annahm, dass diese die Levevrè imitieren sollte. Er spitze die Lippen, zog die Augenbrauen hoch und sagte mit nachgemachten französischen Akzent: »Monsieur Lüka, isch bin entsetzt. Aben sie le Text immer noch nischt verstanden?« Er klimperte, während er dies sagte, bedeutungsvoll mit den Wimpern. Hannes, Katrin und einige andere, die um uns herum standen, standen die Tränen aufgrund dieser Darbietung in den Augen und klatschten sich vor Lachen auf die Schenkel.

Sie konnten sich aber noch rechtzeitig beruhigen, denn der Gong erklang und verkündete das Ende der Pause. Kaum das der letzte Laut verklang, ging die Tür erneut auf und eine Frau betrat das Zimmer.

Sie war schätzungsweise 50 Jahre alt und vom Typ einer alten Jungfer. Blumengemustertes Omikleid, schmal, die Haare zu einem Knoten zusammengebunden und eine viel zu große Brille auf der Nase. Nein, eine Schönheit war sie wirklich nicht und sie betonte mit ihrem Outfit auch nicht unbedingt ihre Stärken, wenn sie denn überhaupt welche haben sollte.

Es war klar, dass dies nur Madame Levevrè sein konnte.

Sofort setzten sich alle Schüler auf ihre Plätze.

»Bonjour, Mesdames et Messieurs.« »Bonjour Madame.«, ertönte es aus allen Mündern.

»Comment allez-vous? Isch offe, sie atten alle eine schöne Ferien?«, sagte sie und blickte in die Runde, während sie eine Öko-Strohtasche mit ihren Materialien auf den Lehrertisch legte.

»Aah, nous avons un étudiant nouveau?« und blickte mich an. Tja, das war wohl mein Stichwort.

»Qui Madame.« »Et könnten sie sisch bitte seulement vorstellen?«

»Äh, ja, äh, ich heiße ...«, aber da fiel sie mir schon ins Wort »en francais s'il vous plait«.

Grundgütiger, warum muss man im Französisch-Unterricht Französisch sprechen? Also kurz das Französisch-Modul reingeschoben und los geht's.

»Äh, alors, äh, je m'appelle Florian Berger. J'habite à Lingusterweg. Mon père est un employè. Il dit, que c'est intéressant mais fatigant.

Qu'est-ce que tu fais le soir? J'aime le cinéma et la musique pop. Quelquefois, ,j'écoute des disques avec des amis...»

So ging es ungefähr noch fünf Minuten weiter. Ich erzählte etwas, sie fragte nach und ich erzählte weiter. Es war zwar an einigen Stellen recht holprig, aber dennoch war ich recht zufrieden. Französisch lag mir doch ein wenig und so schrecklich fand ich die Befragung gar nicht. Nach fünf Minuten ließ die Lev von mir ab, und auch sie war anscheinend zufrieden. Sie kritzelte noch was in ihr Notizbuch.

Nachdem ich meine Feuertaufe nun hinter mir hatte, waren die anderen dran. Frau Levevrè quälte einen nach den anderen und testete ab, aber besonders auf einen Jungen in der zweiten Reihe links schien sie es abgesehen zu haben.

Es war Matthias, der mich vorher so blöd nachgemacht hatte. Französisch schien wirklich nicht seine Stärke zu sein, denn er stotterte sich einen ab, dass man kaum etwas verstehen konnte. Nach ungefähr fünf Minuten sah dann auch die Lev ein, dass es wohl heute keinen Sinn mehr bei ihm hatte, und pickte ein anderes Opfer aus. Irgendwie tat er mir überhaupt nicht Leid. J

Während sie Lukas abfragte, hatte ich endlich Gelegenheit, ihn ohne Aufmerksamkeit zu erregen, mir genauer anzusehen. Leider nur von hinten, aber immerhin besser als nichts. Ich nahm jedes Detail in mich auf.

Von modischer Kleidung schien er was zu verstehen, denn das Zeug an ihm sah verdammt gut aus. Aber irgendwie hätte ich alles an ihm als verdammt gut aussehend empfunden. Ich selbst hatte leider nicht so viel Geld übrig, um ständig nach dem derzeit angesagten Outfit gehen zu können. Daher kam es vor, dass meine Sachen halt ein wenig länger als bei anderen halten mussten. War mir aber auch nicht so wichtig. Und was sind schon Markennamen?

Glaubt ihr an »Love at first sight?« Bei mir war es definitiv so. Ich war hin und weg. Gottseidank war ich bei der Lev schon durch, so dass ich nicht mehr so genau aufpassen musste und meine Gedanken schleifen lassen konnte. Und dreimal könnt ihr raten, um wen sich meine Gedanken drehten **grins**.

Die Doppelstunde ging durch dieses Frage- und Antwortspiel dann doch noch recht schnell rum, so dass jetzt die große Pause angesagt war. Natürlich hatte uns die Lev nicht ohne Hausaufgaben in die Pause entlassen, aber irgendwie hatte ich schon damit gerechnet.

»Kennst du schon ein wenig unsere Schule?«, fragte auf einmal Lukas, während er seine Tasche packte. »Wenn du Lust hast, kann ich sie dir ein bisschen zeigen.«, sagte er. »Wir müssen eh in den anderen Flügel wegen Chemie und Physik, da kann ich dir die Cafete schon mal näherbringen.« »Und wir haben jetzt sowieso eine Freistunde.«

»Nichts lieber als das.«, antwortete ich. Und das war wirklich ehrlich gemeint. Plötzlich horchte Hannes auf. »Cafete?, Habe ich eben Cafete gehört? Ich habe auf einmal so einen Hunger...«

Während er dies sagte, rieb er sich mit beiden Händen den Bauch und machte schmatzende Geräusche. Er erinnerte mich stark an Larry Coupiac (schreibt der sich so?). Das war King Coup aus der Serie »Parker Lewis« Lukas fing an zu lachen. »Cafete ist das Schlüsselwort für Hannes, und Hunger hat der immer.«

Wir nahmen also unsere Sachen und stiefelten los. Lukas und Hannes zeigten mir dann wie versprochen kurz unsere wichtigsten Unterrichtsräume. Anschließend gingen wir in die Cafeteria, wo Hannes seine Stärkung in Form von drei Kaffeestückchen und einem Kakao zu sich nahm. Wir redeten ein wenig über unsere Hobbys und kamen zu dem Schluss, dass wir alle drei gute Filme und gute Musik mochten. Dann war die Freistunde leider schon um und es ging mit Chemie weiter.

In den restlichen Schulstunden meines ersten Tages passierte nicht mehr viel, außer dass ich mich überall wie üblich vorstellen musste. Aber irgendwie habe ich das auch überstanden und ehe ich mich umschauen konnte, beendete der Gong die letzte Schulstunde und wir waren wieder in die Freiheit entlassen.

Als ich im Gang stand und meine Jacke anzog, kamen Lukas und Hannes auf mich zu. »Sag mal, wo wohnst du eigentlich genau?«, fragte Lukas. »Im Lingusterweg 4«, antwortete ich. »Cool.«, antwortete Lukas, »dann haben wir ja ein Stück Weg gemeinsam.« »O.k., laß uns zusammen gehen.«, sagte ich (glaubt mir, ohne Hintergedanken J) und wir drei verabschiedeten uns von der Schule für Heute und verließen das Schulgebäude. Wir verabschiedeten uns dann von Hannes, der einen anderen Weg nehmen musste.

Auf dem Weg erzählte Lukas ein wenig von seiner Familie. Ich erfuhr, dass er drei jüngere Brüder hatte, sein Vater Programmierer war und seine Mutter sich um die Kinder kümmerte. »Und wie sieht es bei dir aus?«, fragte er, nachdem er fertig erzählt hatte.

»Na ja.«, antwortete ich. »Ich wohne mit meinem Dad alleine in einer kleinen Wohnung, da wir uns zurzeit nichts Größeres leisten können.« »Und was ist mit deiner Mutter?«, hakte Lukas nach. »Die gibt's nicht mehr.«, sagte ich und ich merkte, wie sich meine Stimme wieder so komisch belegte. »Ist bei einem Autounfall gestorben.« Kurzes Schweigen. »Oh, sorry.« »Is‘ o.k.«

Wir gingen dann noch ein wenig schweigsam den Weg entlang und fünf Minuten später kamen wir an eine Kreuzung, an der sich unsere Wege trennten.

»Ich muss jetzt hier lang.«, sagte Lukas und deutete in die andere Richtung. »Wenn du Bock hast, können wir morgen nach der Schule ja was zusammen machen.«, schlug er vor. »Klasse.«, antwortete ich. **grins** »Bis dann.« »Ja, tschau.«

Jetzt trennten sich unsere Wege und fünf Minuten später war ich an unserer Wohnungstür angekommen. Dad war noch nicht Zuhause. Obwohl er heute Urlaub hatte, wollte er noch einige Dinge erledigen, was wohl offensichtlich noch dauerte. Das Essen hatte er schon gekocht und ich machte es mir jetzt in der Mikro warm. Schmeckte nicht so toll, aber was soll's. Nicht jeder kann ein guter Koch und großartiger Vater gleichzeitig sein. Nachdem ich gegessen hatte, spülte ich noch kurz ab und ging dann in mein Zimmer.

Nachdem ich meine Schulsachen auf dem Schreibtisch entsorgt hatte, stellte ich erst einmal die Stereoanlage (so ne kleine) an und suchte meinen Lieblingssender. Wenn ich auch bisher nichts sonderlich Tolles über die Hessen sagen konnte, gute Radiosender hatten sie jedenfalls. Nachdem das von mir gewünschte Gedudel dann auch aus den Boxen ertönte, beschloss ich, zuerst die unangenehmen Sachen zu erledigen.

Was soll's, also fing ich mit den Hausaufgaben an. Die GK-Aufgaben waren recht schnell erledigt und auch Französisch dauerte nicht allzu lange (wie lange wohl Matthias dafür brauchen wird –hihi **grins**). In den anderen Fächern hatten wir noch nichts aufbekommen, so dass meine Pflicht für heute erledigt war.

Es war jetzt erst 16 Uhr. Was sollte ich noch den Tag über machen? Plötzlich kam mir Lukas wieder in den Sinn. Während der Hausaufgaben hatte ich ihn völlig verdrängt, aber jetzt musste ich an ihn denken. Er sah aber auch zu süß in seinen Klamotten aus. Und dieses Lächeln... Und was hat er mit seiner Bemerkung mit dem Spaß gemeint. Konnte er etwa auch...?

Nein, das war wohl nur ein Wunschtraum.

»Vergiß es, Flo.«, dachte ich. Wie groß ist schon die Wahrscheinlichkeit, dass einer in deiner Klasse auch schwul ist und dann auch noch ausgerechnet dein Traumjunge? Das wären eindeutig zu viele Zufälle, um wirklich war sein zu können. Aber träumen war ja wohl nicht verboten. Ich seufzte. Und dann kamen wieder alle meine Selbstzweifel hoch.

Klar, mein Dad ist ein toller Vater und ich habe viel Spaß mit ihm. Aber mit dem Tod meiner Mom starb auch ein Stück in mir. Ich suche einfach eine Schulter, an der man sich ausheulen konnte. Jemanden, der einem zuhört und einfach für einen da ist, wenn man ihn braucht. Und da ist mein Dad, auch wenn ich ihn sehr gerne habe, nicht unbedingt meine erste Wahl. Obwohl mein Vater für mich da ist, fühle ich mich doch unheimlich einsam.

Ich brauche jemanden, der mich versteht, den ich lieben konnte. Der auch mich liebt, so wie ich nun mal bin, mit allen meinen Fehlern. Mir geht es dabei nicht um Sex. Nicht in erster Linie natürlich. Jemanden zu finden, mit dem man kuscheln konnte, der für mich da ist und für den ich da sein konnte, dass war es, was ich suchte und brauchte. Verdammt, wie soll ich das bloß besser beschreiben?

Und nichts wäre mir lieber gewesen, als dass Lukas diese Person gewesen wäre. Es gab da nur zwei Probleme. Erstens: Lukas war höchstwahrscheinlich nicht schwul. Zweitens: selbst wenn er es wäre, hätte ich nie die Courage, ihn anzusprechen. Schon jetzt war mir meine Freundschaft zu ihm zu wichtig, als dass ich sie durch ein voreiliges Geständnis zerstört hätte.

Aber wenigstens schien er mich zu mögen. Wenn auch nicht als »Boyfriend«, dann doch zumindest als guten Freund! Sonst hätte er sich wohl nicht für morgen mit mir verabredet und mir heute die Schule gezeigt. Und auch Hannes scheint ein toller Typ und prima Kumpel zu sein. Wenn ich wirklich mal ernste Probleme mit Matthias oder den anderen Idis bekommen sollte, war es gut, jemanden wie Hannes zum Freund zu haben.

Da der Tag noch viel zu jung für die Glotze war und ich den Vormittag noch irgendwie verarbeiten musste, beschloss ich, ein wenig laufen zu gehen. Ich zog also meine alten Sportsachen an und schnallte mir meine Nikes um (leider recht alte, tun aber auch ihren Zweck) und machte mich auf den Weg.

Das Laufen tat richtig gut. Ich hatte schon eine kleine Strecke während der Ferien ausgekundschaftet und die lief ich jetzt ab. Nach ungefähr einer Stunde kam ich doch recht erschöpft wieder zurück. Ich hatte in der letzten Zeit das Training ein wenig schleifen lassen und das rächt sich nun mal irgendwann. Ziemlich keuchend und nach Luft japsend schloss ich die Tür wieder auf. Dad war immer noch nicht da. Ich ging erst mal unter die Dusche und genoss das warme Wasser.

Das Laufen hatte mir geholfen, meine Gedanken doch wieder auf die Reihe zu bringen. Ich war nun überzeugt, dass es absolut idiotisch war, dass ich auch nur irgendeine Chance bei Lukas haben könnte und beschloss, nichts weiter zu sagen.

Nach der ausführlichen Dusche (oh je, die Wasserrechnung...) verbrachte ich den restlichen Nachmittag in meinem Zimmer und las mein derzeitiges Lieblingsbuch.

Habe ich eigentlich erwähnt, dass ich fast süchtig nach Harry Potter bin? Bitte nicht lachen, aber die Geschichten gefallen mir echt gut. Vielleicht liegt es daran, dass Harry genauso wie ich ein Außenseiter ist. Er kann aber alles erreichen, was er nur will. Irgendwie wünschte ich mir das auch und die Bücher gaben mir ein Gefühl, auch in dieser Traumwelt zu leben. Und erst dieser dusselige Neville... J.

Irgendwann schaute ich wieder auf die Uhr und es war schon sieben. Plötzlich hörte ich, wie unten die Tür aufging und Dad heimkam. »Hallo, Junior!«, rief er nach oben und warf geräuschvoll die Einkäufe auf den Küchentisch. »Hi Dad!«, rief ich runter und las noch schnell das Kapitel fertig.

»Hast du Lust auf eine Tasse Tee?«, hörte ich ihn aus der Küche rufen. Ohne zu antworten ging ich nach unten. »Klar, für mich bitte Pfefferminz.«, sagte ich, als ich in der Küche angekommen war. »Eine exzellente Wahl der Herr.«, sagte er und kicherte. Während er den Tee aufstellte, begann ich, die Einkäufe wegzuräumen. Als ich damit fertig war, war der Tee auch schon fertig und Dad und ich gingen in das Wohnzimmer.

»Und, wie war dein Tag?«, fragt er mich, während wir begannen, den Tee zu trinken. »Ganz gut.«, antwortete ich. »Die Lehrer scheinen so ganz ok zu sein und ich scheine nicht allzu viel nachholen zu müssen.« »Aha.«, sagte er mit zufriedenem Gesicht, während er einen großen Schluck nahm.

»Und, sind auch nette Leute in deiner Klasse, vielleicht sogar auch nette Mädchen?«

Uups. Bad question. »Ja, doch.« Ich verschwieg am besten mein Erlebnis mit Matthias. »Ich habe glaube ich schon neue Freunde gefunden. Einer heißt Lukas und wohnt hier ganz in der Nähe und auch sein bester Freund Hannes scheint ganz in Ordnung zu sein.«

»Übrigens wollen Lukas und ich morgen nach der Schule was machen, oder hast du schon andere Pläne?« »Nein, mach ruhig. Ich muss ja morgen wieder zur Arbeit und es wird mit Sicherheit sehr spät werden.« »Ich freue mich aber, es scheint ja alles gut für dich zu laufen.« »Ja. «, sagte ich.

Wir redeten noch ein wenig über Dad's Tag und beschlossen, diesen Abend langsam vor dem Fernseher ausklingen zu lassen. Da wir uns für mich keinen eigenen Fernseher leisten können, suchten wir uns einen schönen Film aus und schauten ihn zusammen, während wir den Rest des Tee's tranken.

Gegen 21 Uhr merkte ich aber, wie müde ich schön war und beschloss, in's Bett zu gehen. »Was ist denn mit dir los?«, kam dann auch gleich der Kommentar von Dad.

Normalerweise pflegte ich, nicht vor elf in die Kiste zu hüpfen, aber der heutige Tag mit den neuen Eindrücken hatte mich doch ganz schön geschafft.

»War ein anstrengender Tag, bin müde.«, grummelte ich und stand auf. »Gute Nacht, Kleiner.« »Gute Nacht, Dad.« »Und Jonas,....«, sagte er, gerade als ich in der Tür stand. Ich drehte mich nochmal um. »Ich hab dich lieb!« »Ich dich auch, Dad.«

Ich stiefelte nach oben und machte mich zur Nachtruhe fertig. Zehn Minuten später lag ich auch schon im Bett. Es dauerte auch nicht lang, und ich schlief ein.

In meinem Traum ging ich allein an einem herrlichen Strand spazieren. Plötzlich hörte ich eine Stimme von hinten und ich drehte mich um. Es war Lukas, der hinter mir stand. »Ich liebe Dich.«, flüsterte er und nahm mich in die Arme. »Ich dich auch.«, sagte ich. Und wir küssten uns. Es war der leidenschaftlichste Kuss, den ich jemals erlebt hatte. Und wenn es auch nur ein Traum war, er kam mir so real vor. Mir kam es so vor, als ob wir uns ewig küssten. Gerade als mein Traum-Lukas sich von mir löste und etwas sagen wollte, hörte ich so ein unmenschliches Geräusch, gerade so, als ob ein Wecker...

»Shit, alles nur geträumt.«, ging es mir durch den Kopf. Es dauerte eine Weile, bis ich wieder einigermaßen Herr meiner Sinne war. Dass ich morgens nur schwer aus dem Bett komme, wisst ihr ja mittlerweile. Aber nach so einem Traum wollte ich eigentlich nie wieder aufwachen. Warum können Träume nicht ewig dauern. Und warum können Träume nie Wirklichkeit werden?

Ich seufzte.

Kapitel 6: "Dunkle Wolken am Horizont"

Ich seufzte nochmal, aber es wurde nicht besser. Also konnte ich ja auch aufstehen. Nach der morgendlichen Prozedur und einem viel zu kurzem Frühstück machte ich mich auf den Weg in die Schule. Ich hoffte, unterwegs Lukas zu treffen, da er ja auch zum Teil den gleichen Weg hatte. War aber nicht so. War wohl wieder zu spät dran.

Nach einer guten Viertelstunde erreichte ich dann auch die Penne und schaffte es sogar noch vor dem Gong, meine Klasse wiederzufinden.

In der ersten Stunde war heute Mathe angesagt. Ehrlich gesagt, freute ich mich schon ein wenig darauf, den Direx wiederzusehen, da er einen echt netten Eindruck auf mich gemacht hatte.

Als ich den Klassenraum betrat, waren die meisten schon da. Lukas saß auch schon auf seinem Platz und grinste mich gutgelaunt an. »Na, gut geschlafen?«, fragte er mich, als ich an seinem Tisch vorbeikam.

»Danke, gut.«, sagte ich und setzte mich neben Katrin, die mich auch gutgelaunt begrüßte. »Hi.«, erwiderte ich auch zu ihr und begann meine Sachen auszupacken.

Schon kam Direx Paschke mit Elan um die Ecke gewirbelt und betrat den Klassenraum, nicht ohne wieder mal viel zu laut die Tür hinter sich zuzuschlagen.

»Morgen, meine Damen und Herren. Ich darf sie nach den viel zu langen Ferien wieder mal in der wunderbaren Welt der Mathematik begrüßen...«

Die Stunde ging wie im Flug rum. Paschke verstand es wirklich, den trockenen Stoff einigermaßen verständlich rüberzubringen, aber er ließ es für die erste Stunde recht gemütlich angehen und alle konnten der kurzen Wiederholung des letzten Schuljahres mühelos folgen.

Auch die zweite Stunde -Englisch- verging viel zu schnell, so dass schon die Pause gekommen war. Ich nutzte sie, um mich mit Katrin, Hannes und vor allem Lukas zu unterhalten. Die restlichen Stunden bis zur großen Pause gingen auch problemlos von statten, so dass jetzt etwas mehr Zeit war, sich zu unterhalten.

Lukas und Hannes stellten mir in dieser Pause auch die anderen aus der Klasse, die ich noch nicht so genau kannte, vor. »Scheint eine echt nette Klasse zu sein.«, sagte ich zu Hannes und er nickte bestätigend. »Bis auf die paar Deppen da vorne.«, sagte er und deutete zu Matthias und seine Vasallen, die gerade nicht hinsahen.

Auch die restlichen Stunden des Schultages gingen schnell vorbei und -oh Wunder- es gab keiner Aufgaben auf. Die Lehrer schienen auch noch nicht so recht in Stimmung gekommen zu sein. Aber was soll's. Mir war's recht.

Ich freute mich schon auf den Nachmittag mit Lukas. »Ich seh‘ dich dann draußen.«, sagte Lukas und ging schon mal mit Hannes vor, da ich immer noch mit Einpacken beschäftigt war. »Ok, komme gleich nach.«, sagte ich und versuchte, mich ein wenig zu beeilen.

Langsam leerte sich die Klasse, während ich immer noch mit meinen Sachen beschäftigt war. Irgendwie war ich heute besonders langsam. Mittlerweile waren nur noch ich, Matthias und seine Kumpanen im Klassenraum. Nun war ich endlich fertig, zog meine Jacke an und wollte gerade das Zimmer verlassen, als ich über etwas stolperte und mich der Länge nach hinlegte. Als ich mich wieder aufgerappelt hatte, sah ich, dass ich über die Tasche von Matthias gestolpert war.

»Du Volltrottel.«, brüllte er mich auch gleich an. »Tschuldigung,«, antwortete ich verlegen, »tut mir leid, aber ich bin gestolpert.« »Meine Sachen sind dem Herrn wohl nicht gut genug.«, schrie er rum. »So..sorry.«, stotterte ich, aber Henning, einer der Kumpanen von Matthias hatte mich schon geschnappt und schubste mich Richtung Matthias.

Dieser machte auch gleich weiter, indem er mich zu Dieter, dem Dritten im Bunde, weiterschubste. »Dann werden wir dir mal zeigen, wie man hier mit fremden Sachen umgeht.«, sagte Matthias und grinste hämisch, als mich Dieter wieder in seine Richtung zurückstieß.

Matthias hielt mich aber nicht auf, sondern ging mit einer zugegebenermaßen eleganten Bewegung zur Seite und ich verlor das Gleichgewicht und schlug mit dem Kopf an einer Tischkante an. Ich war wie benommen und stellte gerade noch fest, dass ich aus einer Kopfwunde blutete, als ich sah, dass Dieter mit seinen schweren Stiefeln zu einem Tritt ausholte ...

Nachwort

So, jetzt habt ihr also den ersten Teil meines Erstlingswerks gelesen. Ich hoffe, er hat Euch ein wenig gefallen. Ich würde mich sehr über Reaktionen freuen.

Wisst Ihr eigentlich, wie verdammt schwer es ist, eine Story zu schreiben?

Bedingt durch meine Lieblingsstories der Nick-Site (»Der Neuanfang«, »On Tour« und »Zuhause«) habe ich beschlossen, selbst einmal zur sprichwörtlichen Feder zu greifen, obwohl das Niveau der »Nick-Stories« sehr hoch und damit die Leser auch verwöhnt sind. Ich hatte dann den ersten Teil fertig und war drauf und dran, ihn Nick zu schicken, hatte dann aber im letzten Moment Angst und sie noch nicht abgeschickt.

Ja, und dann kam das Weihnachts-Update. Und mit ihm viele tolle Fortsetzungen und neue Stories. Als ich dann jedoch »Kopfgeister« von Nero gelesen habe, war nicht nur mein Gefühlsleben wieder völlig aus den Fugen, sondern ich habe meine Geschichte in den (elektronischen) Papierkorb geworfen, weil ich erkannt hatte, dass ich niemals so gut wie Nero, Thomas, Peter oder die anderen Autoren schreiben kann. Hier findet ihr eine Parallele zwischen Flo und mir, denn auch ich habe leider nur wenig Selbstvertrauen.

Nach einigen Tagen und langem Zögern habe ich die Geschichte dann doch ausgegraben (schließlich steckten einige Stunden Arbeit darin) und sie Nick geschickt.

So, ich hoffe, ich habe Euch mit diesem Nachwort nicht allzu lange genervt und hoffe, wir sehen uns bei Teil 2 wieder. Wie gesagt, über Mails würde ich mich sehr freuen...

Euer Nev

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