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Dämonenjäger

Teil 9

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

Köln, Deutschland, Anno Domini 2017

Der Adju hatte das Wohnzimmer verlassen und Kevin saß schweigend auf seinem Platz, während es rings um ihn herum weiterhin summte wie in einem Bienenstock. Er versuchte immer noch zu verstehen, was ihre Führung dazu veranlasst hatte, ihm – nein, Lucas und ihm – eine solche Verantwortung mit der Führung der Special Mission Unit zu übertragen. Sie hatten doch nichts Besonderes geleistet, nur einfach das getan, was in ihren Augen getan werden musste.

Kevin seufzte schwer und Lucas wandte sich ihm zu. Er wusste, was in seinem Partner vorging und er hatte ebenfalls Bedenken, dass sie die Erwartungen, die in sie gesetzt worden waren, nicht würden erfüllen können.

Und dann zum Schluss der Knaller mit dem zweiten Gestaltwandler. Die Führung wusste doch ganz genau, dass sie bereits einen Werwolf hatten. War das Gedankenlosigkeit oder Absicht? Steckte da etwa mehr dahinter? Kevin erinnerte sich, dass der Adju gesagt hatte, der Katzenwandler wäre sehr schwer unterzubringen. Waren sie nicht für den Kampf geeignet? Bestimmt nicht in einer Einheit zusammen mit einem Werwolf. Aber warum eigentlich nicht? War das hier bei ihnen etwa so eine Art Feldversuch?

Pater Anselm betrat das Wohnzimmer und ging hinüber zu Kevin und Lucas.

„Das Gestaltwandler-Korps hat euch einen weiteren Mitarbeiter geschickt. Soviel, wie mir Hauptmann Isfeld gesagt hat, seid ihr bereits darüber informiert. Soll ich ihn hereinbringen?“

Kevin schüttelte erst den Kopf, doch dann nickte er schwach. Das ging ja Schlag auf Schlag. Er konnte kaum seine Gedanken sammeln, da kam schon die nächste Nachricht.

Pater Anselm verließ den Raum und als er wiederkehrte, hatte er einen jungen Mann bei sich, bei dessen Anblick sich Lucien wieder einmal zu einer unbedachten Äußerung hinreißen ließ. Zum Glück war Tobias schneller und hielt Lucien mit einer Hand den Mund zu, so dass lediglich er das

„Oh, geil“, zu hören bekam.

Der junge Mann neben Pater Anselm war groß, sah sportlich aus und hatte rötlichbraune Locken. Die Haare waren zwar ziemlich kurz geschnitten, doch die feinen Locken waren deutlich erkennbar. Was Lucien zu seiner Aussage gebracht hatte, war das freundlich lächelnde, jugendliche Gesicht. Kevin hätte ihn bei einer Begegnung auf der Straße wohl um die Siebzehn oder Achtzehn geschätzt, doch er wusste, dass das Gestaltwandler-Korps seine Leute nicht unter Achtzehn in irgendwelche Einheiten schicken durfte. Außerdem erinnerte er sich an die Aussage, dass der junge Mann bereits einen Beruf erlernt hatte, also schätzte er ihn mindestens auf neunzehn.

„Das ist Kyan von Södern vom Gestaltwandler-Korps. Das neueste Mitglied der SMU.“

Das „Hä?“ kam diesmal ausnahmsweise nicht von Lucien, sondern von Lucas. Pater Anselm verzog etwas das Gesicht.

„Ihr solltet euch dran gewöhnen. Special Mission Unit ist deutlich zu lang. Und da auch bei uns der Aküfi um sich greift - der Abkürzungsfimmel - wird im dienstlichen Sprachgebrauch eure Einheit schon jetzt mit SMU bezeichnet.“

Dann drehte sich der Pater um und wandte sich an Kyan.

„Und dies ist Oberleutnant Kevin Böttcher, der Leiter der SMU.“

Kevin war inzwischen aufgestanden und hielt dem Neuankömmling die Hand hin, die dieser sofort ergriff.

„Du bist also unsere kaufmännische Geheimwaffe“, Kyan stutzte zunächst, dann grinste er leicht.

„Jawohl, Herr Oberleutnant.“

Lucas und Kevin tauschten einen kurzen Blick, dann stand Lucas ebenfalls auf.

„Ein paar Worte an unseren Neuzugang, Kyan war der Name, richtig?“

Kyan nickte und sah etwas erstaunt hoch zu dem rothaarigen Riesen.

„Ich weiß, es wird etwas merkwürdig für dich klingen, aber diese Einsatzeinheit ist ein Team, eine gewachsene Struktur. Die Mitglieder hier haben eine engere Beziehung zueinander als üblich. Deshalb verzichten wir soweit wie möglich auf Förmlichkeiten. Eine der ersten Grundlagen ist also: Es gibt keine Dienstgrade, keine dienstlichen Distanzen oder gar Befehl und Gehorsam. Unser Team beruht auf Zusammenarbeit, Teamgeist und persönlicher Nähe.“

Lucien grinste etwas zum Abschluss der kleinen Rede und gab noch einen Kommentar dazu.

„Und wenn dann diese persönliche Nähe manchmal auch sehr, sehr nah sein kann, ist es umso schöner.“

Kevin sah Lucien mit erhobenen Augenbrauen an und dann prüfend zurück zu ihrem Neuzugang. Der vorher leicht angespannte Gesichtsausdruck schien zunächst verwirrt zu sein, doch dann ließ sich eine gewisse Resignation erkennen.

Kyan hatte aufmerksam der kurzen Ansprache gelauscht und war dann etwas verwirrt wegen des Kommentars des jungen Mannes vom anderen Ende des Tisches. War das etwa so gemeint, wie es geklungen hatte? Dann machte sich die Erkenntnis breit, dass er wohl nie zu dieser Gemeinschaft gehören würde. Nicht, wenn er alles richtig erfasst hatte.

Die Angehörigen des Gestaltwandler-Korps waren bis auf wenige Ausnahmen Werwölfe. Und hier im Raum war ein Werwolf, wenn er seinen Instinkten trauen konnte. Das bedeutete, dass sie ihn im besten Fall wegen seiner beruflichen Qualifikationen behalten würden, wenn überhaupt. Aus der Traum von einem Leben als Gestaltwandler im Einsatz. Das wäre ja auch zu schön gewesen, doch sein Ausbilder hatte ihn schon vor seiner Reise hierher gewarnt, seine Hoffnungen nicht zu hoch zu schrauben.

Das Gestaltwandler-Korps hatte pro Jahr etwa drei bis vier Werwölfe in der Basisausbildung. Alle paar Jahre kam ein anderer Gestaltwandler dazu, der kein Wolf war. Fast alle von ihnen waren von den Rekrutierern der Organisation gefunden worden, doch nur die wenigsten blieben nach der Basisausbildung im Korps. Wenn sie blieben, wurden sie zusammen mit normalen Menschen im Ausbildungsstab verwendet. Kyan saß schon fast zwei Jahre im Stab, als diese merkwürdige Anfrage hereinkam. Es wurde ein Gestaltwandler gesucht, der ausdrücklich kein Werwolf war und zusätzliche Qualifikationen im Bereich Büro oder Logistik besaß. Die einzigen beiden Wandler, außer ihm selber, die in Frage kamen, waren ein Rehbock und ein Feldhase. Keiner der beiden hatte eine berufliche Ausbildung in dem gefragten Bereich.

Kurz nachdem er seine Bewerbung auf die Anfrage abgegeben hatte, bekam Kyan eine Nachricht von seinem Supervisor, er möchte ihn bitte sofort aufsuchen.

„Sie wollten mich sehen, Herr Hilprecht?“

„Oh, ja. Um es kurz zu machen, Herr von Södern, ich habe Ihre Bewerbung gelesen. Sind Sie sicher, dass Sie dorthin wollen? Das ist ein Einsatzverband.“

Kyan sah den Supervisor erstaunt an, der etwas nervös ein paar Papiere auf seinem Schreibtisch hin- und herschob.

„Bitte? Aber die Anfrage war doch genau spezifiziert. Außer mir erfüllt hier doch niemand die Voraussetzungen.“

„Ja, ähhh, also… diese Anfrage kam direkt vom Exekutivrat. Der Leiter des Gestaltwandler-Korps hat sich entschlossen, dort erst einmal rückzufragen, ob das nicht vielleicht ein Irrtum gewesen ist.“

Kyan war verblüfft. Natürlich kannte er inzwischen die Struktur der Organisation und konnte sich nun wirklich keinen Grund vorstellen, warum sich der Exekutivrat ausgerechnet mit einem Gestaltwandler beschäftigen sollte, der kein Werwolf war.

„Zum zweiten befindet sich die fragliche Dienststelle, für die dieser Wandler angefordert wurde, direkt beim Divisionskommandeur.“

Beim Divisionskommandeur? Was sollte das? Der brauchte alles Mögliche, aber garantiert keinen Gestaltwandler. Es dauerte keine fünf Sekunden, bis Kyan sich entschlossen hatte.

„Entschuldigen Sie bitte, aber dann möchte ich gerne den Leiter persönlich sprechen.“

Der Supervisor starrte Kyan fast entsetzt an, als ob dieses Ansinnen vollkommen abwegig sei. Doch als er dessen entschlossenen Gesichtsausdruck sah, seufzte er kopfschüttelnd und griff zum Telefon.

Nach einem kurzen Gespräch wurde der Supervisor bleich und legte vorsichtig den Hörer zurück.

„Der Leiter des Gestaltwandler-Korps wurde abberufen. Der neue Leiter trifft heute Nachmittag ein und Sie haben morgen früh um neun Uhr einen Termin bei ihm.“

Kyan bedankte sich und erhob sich aus seinem Besuchersessel. Als er das Büro verließ, fragte er sich ernsthaft, ob eine einfache Rückfrage beim Exekutivrat solche Kreise ziehen konnte.

Am nächsten Morgen stand Kyan Punkt neun Uhr vor dem Büro des Leiters. Auf sein vorsichtiges Klopfen ertönte ein lautes „Herein!“ und Kyan trat ein.

Hinter dem Schreibtisch saß ein älterer Mann, etwa um die vierzig, und sah Kyan neugierig entgegen. Kyan registrierte erstaunt, dass der neue Leiter eine Uniform trug, die schwarze Uniform der Organisation mit orangefarbigen Abzeichen. Orange war neu für ihn, das hatte man nicht unterrichtet, doch die vier breiten Streifen deuteten auf einen Oberst.

„Nehmen Sie ruhig Platz, Herr von Södern. Sie haben sich vielleicht etwas gewundert, doch auch im Gestaltwandler-Korps gibt es die Möglichkeit, Offizier zu werden. Ich bin Oberst Kayser, der neue Leiter, wie Sie sich vielleicht gedacht haben. Bis gestern war ich noch Fachleiter beim Offiziersseminar, doch ich möchte Sie nicht mit meiner Biografie langweilen. Sie haben sich für den Posten bei der Special Mission Unit beworben und wurden dafür ausgewählt. Unsere beiden anderen Ausbildungszentren in Schweden und Frankreich haben leider keine qualifizierten Mitarbeiter stellen können.“

„Also bin ich nur ausgewählt worden, weil ich der einzige war“, platzte es aus Kyan heraus und dann klappte er so schnell seinen Mund zu, dass er sich dabei auf die Zunge biss.

Oberst Kayser sah ihn erstaunt an, dann lachte er.

„Nein, nicht ganz. Wir haben Ihre körperlichen, geistigen und beruflichen Qualifikationen eingehend geprüft, ebenso wie Ihre Fähigkeiten beim Gestaltwandel. Wären Sie nur bei einer einzigen dieser Überprüfungen durchgefallen, würden Sie nicht hier sitzen.“

Kyan schluckte schwer und hielt lieber den Mund. Die Zunge schmerzte immer noch.

„Der Grund, warum ein zweiter Gestaltwandler für diese Einheit gesucht wurde, ist, um ehrlich zu sein, ein Test. Es wird wohl in absehbarer Zeit mehrere Einheiten geben, die nicht den üblichen Einsatzeinheiten entsprechen und spezielle Aufgaben haben. Dort sollen dann Gestaltwandler eingesetzt werden, die den Aufgaben dieser Einheiten besser entsprechen als zum Beispiel Werwölfe. Außerdem würden Werwölfe dann eventuell auch mit anderen Wandlern zusammenarbeiten müssen, was für einige eine völlig neue Erfahrung sein wird. Ihre Einheit ist die erste dieser Art und wir hoffen, dass Sie dort Erfolg haben werden. Sie werden morgen früh mit einem Dienstwagen nach Köln zu Ihrer neuen Einheit gebracht werden. Viel Glück.“

Den Vormittag des nächsten Tages verbrachte Kyan hauptsächlich auf der Autobahn. Seine Fahrt endete in einem Vorort von Köln vor dem Tor einer kleinen Villa. Sehr merkwürdig. Nach kurzer Anmeldung durch die Sprechanlage durften sie passieren. Er hatte so ziemlich alles erwartet, aber nicht einen älteren Mann in einer schwarzen Kutte, der ihn freundlich begrüßte.

„Herr von Södern. Schön, dass Sie angekommen sind, ich bin Pater Anselm. Der Kommandeur hat Sie bereits angekündigt.“

Der Kommandeur? Ihn angekündigt? Meinte er tatsächlich den Divisionskommandeur? Kyan war sich nicht sicher, ob er alles richtig verstanden hatte, doch dieser Pater redete weiter.

„Die Einheit ist noch beim Briefing, aber ich kann ihnen ja schon einmal kurz erklären, wo man Sie hier hineingeschubst hat.“

Hineingeschubst schien das richtige Wort zu sein. Kurz erklärte Pater Anselm Kyan die Struktur und die Aufgaben seiner neuen Einheit.

Etwas kritisch musterte der Pater den jungen Mann, der so kurzfristig hierher versetzt worden war. Der Junge war groß, wohl deutlich über 1,80 m und schlank. Die rotbraunen Locken waren wohl erst vor kurzem geschnitten worden und trotz der ungewohnten Umgebung musterten seine hellbraunen Augen ruhig sein Umfeld.

Pater Anselm bemerkte, dass Kyan öfter unbewusst seinen Kopf drehte, als würde er lauschen. Der Pater lächelte leicht, denn der Kommandeur hatte ihm verraten, welches Tier in dem Wandler steckte.

„So, ich glaube, das Briefing ist nun zu Ende. Dann wollen wir mal.“

Der Tisch im Wohnzimmer war voll besetzt und Kyan sah sich plötzlich einer größeren Gruppe fremder Leute gegenüber. Er war nicht menschenscheu, doch er wusste, dass die meisten, wenn nicht sogar alle, Magier waren.

Als Kevin vorgestellt wurde, erinnerte sich Kyan an die Erklärungen von Pater Anselm und er reagierte so, wie er es in seiner Ausbildung gelernt hatte, wenn er mit Magiern zu tun hatte.

„Du bist also unsere kaufmännische Geheimwaffe.“

„Jawohl, Herr Oberleutnant.“

Kyan beobachtete, wie Kevin und ein großer, rothaariger Mann einen kurzen Blick tauschten. Das musste Lucas sein, den Erzählungen nach.

Völlig erstaunt lauschte Kyan dann der kurzen Ansprache von Lucas und dem Kommentar von Lucien. Es würde noch viel schwerer werden, als er gedacht hatte. Nichts hatte ihn darauf vorbereitet, dass er in eine fest zusammengeschweißte Gemeinschaft gestoßen würde. Er spürte, wie sein inneres Ich sich zurückzog und das Tier in ihm einsam sein Revier verteidigen würde.

Etwas unschlüssig sah Kyan sich um und bemerkte nun, dass ein junger Mann auf der linken Seite sich erhoben hatte und auf ihn zukam. Als er näherkam, bemerkte Kyan, dass der Mann eine sehr auffällige Frisur mit einem flachen Irokesenschnitt trug. So was war hier erlaubt?

„Hi, ich bin Max. Eigentlich Maximilian, aber das ist deutlich zu lang. Du bist der neue Bürokaufmann? Ich bin der IT-Mitarbeiter vom Logistik-Corps. Komm rüber, wir finden noch einen Platz für dich.“

„Oh, hi. Mein Name ist Kyan.“

Max sah Kyan zögernd an, dann sah er sich am Tisch um. Mit einem „Bin gleich wieder zurück“, ließ er ihn erst einmal dort stehen. Kevin schüttelte wortlos den Kopf, dann ging er hinüber zu Kyan.

„Bevor Max wieder da ist, machen wir einmal die Runde. Dies hier sind Michael und Rafael, Bannmagier und Kampfmagier. Die beiden hier sind Lucien und Tobias, ebenfalls Bannmagier und Kampfmagier. Meinen Partner Lucas hast du ja schon gehört, er ist übrigens Astralmagier, ich bin der Kampf-Part.“

Dann drehte sich Kevin schwunghaft um und fixierte Robin. Ihn hatte er bis zum Schluss gelassen, weil er nicht genau wusste, wie er auf einen Katzenwandler reagieren würde.

„Und dies hier ist Robin. Er ist…“

„Ich weiß, er muss der Werwolf sein, wie man mir…“

„Ganz recht, Mieze. Ich bin der WOLF.“

Kevin hob erstaunt die Augenbrauen, doch da ertönte schon die laute Stimme von Lucas durch das Zimmer.

„Robin! Nach draußen, sofort!“

Mit schnellen Schritten ging Lucas zur Tür und Robin folgte ihm mit einem völlig verdatterten Gesichtsausdruck. Als Robin draußen war, schloss Lucas geräuschvoll die Tür, doch seine Stimme konnte man bis ins Wohnzimmer hören, wenn auch nicht der Wortlaut zu verstehen war.

Nur wenige Minuten später trat Robin wieder ein, dicht gefolgt von Lucas. Robins Gesicht war gerötet, doch er hatte den Kopf gesenkt und sein Blick war mehr auf den Boden gerichtet, als in den Raum. Mit langsamen Schritten ging er auf Kyan zu und blieb etwa einen Meter vor ihm stehen, dann hob er seinen Kopf.

Das Schweigen im Raum war fast greifbar und so konnten alle deutlich hören, wie Robin sich nervös räusperte.

„Kyan, ich möchte mich entschuldigen. Ich… ich könnte es ja auf meinen Wolf schieben, aber ich war wohl etwas zu sehr von mir überzeugt. Lucas hat mich gerade sehr deutlich daran erinnert, was es heißt, zu dieser Gemeinschaft zu gehören und auch, welche Pflichten und Verantwortungen damit verbunden sind. Du gehörst jetzt zu uns. Ich verspreche dir, ich werde mich ab sofort um dich kümmern, besonders, was das Leben als Gestaltwandler in dieser Gemeinschaft betrifft. Auch wenn ich Katzen immer noch nicht besonders mag.“

Robin hatte seinen Kopf gehoben und sah Kyan in die Augen, auch wenn er dazu etwas hoch blicken musste. Dann streckte er Kyan seine Hand hin. Der zuckte automatisch etwas zurück, nahm aber dann nach einigem Zögern die Hand.

„Es ist etwas ungewohnt für mich, so nah mit einem Wolf zusammenzuarbeiten, denn im Stab des Gestaltwandler-Korps gab es da eine sehr strikte Trennung. Aber ich werde versuchen, mich so gut wie möglich zu integrieren. Nur eines noch, ich bin keine Katze.“

Robin sah, wie alle anderen auch, Kyan erstaunt an. Der beugte sich leicht vor und flüsterte Robin etwas ins Ohr.

„Oh, geil. Wir sollten mal zusammen draußen jagen. Ich meine, wenn es dir…“

Kevin räusperte sich laut und die beiden Gestaltwandler fuhren erschreckt herum.

„Wenn das jetzt geklärt ist, können wir vielleicht mit unserer Besprechung fortfahren?“

Max war inzwischen auch wieder zurück und schob einen Bürostuhl vor sich her. Dann platzierte er Kyan mit dem Stuhl zwischen sich und Tobias.

Kevin und Lucas hatten inzwischen wieder Platz genommen und sahen kurz die Papiere durch, die der Hauptmann ihnen dagelassen hatte.

„Bevor wir in diese neue Firma transformieren, müssen noch etliche Vorbereitungen getroffen werden. Hauptmann Isfeld hat uns einen ganzen Stapel an Papieren dagelassen, die alle durchgearbeitet und teilweise auch ausgefüllt und wieder abgegeben werden müssen. Ich bin ganz froh, dass wir Kyan bekommen haben. Ich denke, er wird wohl ab sofort das Büro besetzen und den größten Teil des Schriftverkehrs machen, der nichts mit der Organisation zu tun hat. Nur zur Info: Wir werden bis zum Ende dieses Monats hier noch als Christliche Studiengruppe residieren, danach gehören wir übergangslos zu diesem Konzern. Was anderes, Robin, schon eine Idee, wie wir Kyan unterbringen?“

Robin schielte hinüber zu Kyan und kritzelte etwas in ein kleines Heft vor sich.

„Das ist gar kein Problem. Wenn Max einverstanden ist, zieht Kyan einfach zu ihm.“

Kevin nickte langsam, ebenso wie Max.

„Müssen wir noch etwas wegen des Badezimmers unternehmen?“

Kevin sah noch einmal zu Robin, doch der winkte ab.

„Kein Problem. Ich hab‘ den Plan schon geändert.“

„In Ordnung. Es ist schon spät. Morgen Vormittag findet die nächste Besprechung statt. Das wird vor allem die Umstrukturierung betreffen und die materielle Ausstattung der SMU. Heute passiert nichts mehr weiter. Wir werden zusammen mit dem Kommandeur und seinem Adju noch zu Abend essen und dann ist frei.“

Bevor sich alle erheben konnten, war Robin aufgesprungen.

„Bevor alles auseinanderrennt. Der Plan für den Küchendienst wurde ebenfalls geändert. Für das Frühstück sind jetzt jeweils zwei Mann eingeteilt. Wir beginnen morgen früh mit Lucien und Tobias. Den kompletten Plan hänge ich morgen Vormittag aus. Für heute Abend bitte drei Freiwillige für die Küche. Ich möchte was Anständiges bieten.“

Kyan von Södern saß auf seinem Platz und war etwas überwältigt. Er hatte es noch nie erlebt, dass ein Werwolf sich entschuldigt hatte. Sie hatten eine etwas ausgeprägte dominante Persönlichkeit. Hier schien das anders zu sein. Zumindest Lucas hatte wohl einen erheblichen Einfluss auf Robin.

„Was ist? Kommst du mit nach oben? Da kann ich dir schon mal das Zimmer zeigen.“

Kyan schreckte hoch und sah Max vor sich stehen. Insgeheim bewunderte er den Irokesenschnitt und auch Max, der sich traute, so etwas zu tragen. Langsam erhob er sich und schüttelte etwas den Kopf.

„Das war jetzt etwas verwirrend. Ich hätte nicht gedacht, dass es hier so locker vor sich geht und schon gar nicht war ich auf die ganzen… ganzen…“

„Hübschen jungen Männer vorbereitet?“

Kyan lachte, doch dann seufzte er.

„Nein. Ja, natürlich… Es war mir nur nicht so richtig klar. Bei uns im Stab waren die meisten ja alle schon etwas älter gewesen. Außerdem waren die Werwölfe, nun ja, sie haben immer etwas auf den Rest herabgesehen. Wenn ich mal jemanden kennenlernen wollte, musste ich schon in die nächste Großstadt.“

„Wir werden sehen, wie sich das entwickelt.“

Während des Gespräches hatte Kyan sein gesamtes Gepäck aus dem Büro geholt und Max half ihm, alles die Treppe hochzubringen. Max blieb vor der Badezimmertür stehen und sah auf den Plan. Der Name von Kyan war handschriftlich neben dem von Max und Robin nachgetragen worden. Robin hatte dann noch ein Sorry daneben geschrieben.

„Hm, ich hoffe, du hast nichts dagegen, das Bad mit zwei Leuten zu teilen?“

Kyan sah auf den Plan und zuckte mit den Schultern.

„Wir hatten für die beiden Doppelzimmer einer Wohneinheit auch nur ein Bad. Na ja, es waren da nicht alle gleichzeitig drin, aber ich werde es überleben.“

Dann studierte Kyan noch einmal die Liste.

„Wir werden also mit Robin zusammen im Bad sein. Ich weiß, es ist vielleicht unhöflich von mir, aber ich bin mir bei ihm nicht so ganz sicher. Er kommt mir sehr dominant vor.“

Max sah Kyan prüfend an.

„Manchmal stimmt das vielleicht, aber er ist kein typischer Wolf. Zumindest glaube ich das. Ich habe in der Pause, bevor du ankamst, mit ihm gesprochen. Die Einheit wird umgestellt und soll Spezialaufträge erfüllen. Das heißt aber auch, kein Kampfeinsatz, kein Werwolf. Was soll er noch hier? Ich nehme an, im ersten Moment hat er geglaubt, du sollst ihn hier ersetzen.“

Kyan starrte Max vollkommen erstaunt an.

„Nein. Auf gar keinen Fall. Ganz im Gegenteil. Ich bin derjenige, dessen Fähigkeiten für Spezialeinsätze getestet werden soll.“

Schnell erklärte Kyan Max, was der Kommandeur des Gestaltwandler-Korps über seinen Einsatz gesagt hatte.

„Hm, wenn das so ist, sollten wir Kevin gleich morgen davon unterrichten.“

Im Schlafzimmer betrachtete Kyan etwas kritisch das große Doppelbett. Er hatte kein Problem damit, mit jemand anderem in einem Bett zu schlafen, doch hier war alles neu und er kannte die Leute kaum.

Max deutete auf den großen Kleiderschrank.

„Da kannst du erst mal alles unterbringen. Du kannst dich morgen da komplett häuslich einrichten. Lass uns jetzt wieder runter gehen. Vielleicht brauchen die Jungs ja noch Unterstützung in der Küche.“

Max grinste Kyan etwas entschuldigend an.

„Und schließlich sind wir ja die Unterstützungstruppe.“

Die beiden konnten tatsächlich noch etwas helfen, denn ein komplettes Abendessen für zwölf Personen war nicht mal eben so aus dem Ärmel zu schütteln. Außerdem hatte Kevin sich überlegt, dem Kommandeur etwas Besonderes zu bieten, was allerdings bei der eingeschränkten Auswahl nicht gerade einfach war. Nach einer kleinen Diskussion mit Max hatte sich Kevin allerdings überzeugen lassen, etwas mehr Bodenständiges zu servieren.

„Kein Schickimicki. Mein Vater hasst es, wenn bei unseren Bekannten oder sogar bei öffentlichen Empfängen, mal wieder die neuesten Kreationen der Molekularküche auf den Tisch kommen. Ludwig hat ihn eigentlich mit süddeutschen Gerichten angefüttert, aber ich bezweifle, dass wir hier auf die Schnelle Eisbein und Sauerkraut zusammenbekommen.“

Max grinste, während Kevin seine Augen zum Himmel verdrehte. Michael und Lucien hielten sich dezent zurück, während Kyan mit großen Ohren zuhörte, als Max von seinem Vater sprach. Da Hauptmann Isfeld noch nicht alt genug war, blieb eigentlich nur Generalmajor Harder übrig, die sich beide mit Pater Anselm in das Büro zu einem Kaffee und einem kleinen Gespräch zurückgezogen hatten.

Blieb noch eine Frage offen. Wieso eigentlich Vater? Kyan war davon ausgegangen, dass die Kommandeure ebenso schwul waren, wie der Rest der Truppe.

„Nein. Definitiv kein Eisbein. Das Einzige, was wir noch ausreichend haben, sind verschiedene Sorten Gemüse und natürlich Kartoffeln. Aber das hilft uns ja auch nicht weiter.“

„Dann würde ich vorschlagen, Frikadellen, gemischtes Gemüse und Salzkartoffeln.“

Alle drehten sich zu Kyan, der jetzt rot anlief. Lucien musterte ihn kritisch.

„Geil. Du hast dich schon gut eingelebt. Dieses Rot wir sonst nur noch von Lucas oder Tobias übertroffen.“

Kyan sah Lucien verblüfft an und Kevin fuhr herum.

„Okay, Lucien. Du darfst heute die Zwiebeln schneiden. Michael, einmal Karotten und Kohlrabi. Max die Kartoffeln. Kyan, mir nach. Wir brauchen erst mal das Geld für das Hackfleisch. Die Finanzen verwaltet noch Pater Anselm.“

Auf Kyans erstaunten Blick musste Kevin zunächst leicht lächeln. Kyan hatte diesen leicht unschuldigen Gesichtsausdruck, der möglicherweise dazu führte, dass ihn einige Leute unterschätzten.

„Wir sind hier eigentlich ein Seminar für christliche Studien. Die Teilnahme an diesem Seminar beinhaltet natürlich auch Unterkunft und Verpflegung, wobei die Verpflegung selbst zubereitet werden muss. Alle notwendigen Ausgaben tätigt der Seminarleiter, in diesem Fall Pater Anselm. Wenn wir einkaufen gehen, bekommen wir Bargeld, dass wir nachher mit ihm abrechnen.“

Kyan nickte. Das Verfahren war ihm bekannt. So wurde vermieden, dass eine eingesetzte Kreditkarte eventuell nachverfolgt werden konnte.

Von Pater Anselm erhielten sie ausreichend Geld und von Lucien aus der Küche noch eine Liste von Sachen, die sie gleich mitbringen konnten.

Als sie mit dem Hackfleisch zurückkamen, waren die anderen schon fleißig bei der Arbeit und Kyans Blick fiel auf Lucien, der munter die Zwiebeln würfelte.

„Was ist das denn?“

Lucien hörte auf zu schnippeln, sah zu Kyan und bemerkte dessen Staunen. Dann hob er seine linke Hand komplett an, um die sich ein sanfter orangefarbener Schimmer gelegt hatte.

„Das ist mein Beitrag zur Arbeitssicherheit. Eine physische Barriere. Damit kann man sich nicht mehr in die Finger schneiden.“

Lucien fuhr fort mit den Zwiebeln, während Kyan ihm immer noch halb ungläubig dabei zusah. Auch Kevin hatte erstaunt gelauscht und dann zu Michael gesehen, der aber nur mit den Schultern zuckte.

„Bei der Größe und der Intention lässt sich so eine Barriere gut zehn Minuten ohne Probleme aufrechterhalten. Ist ja nur gegen Messerschnitte und umhüllt auch nicht den ganzen Körper.“

Kevin schüttelte nur den Kopf und suchte nach Eiern und Semmelbröseln.


Das Abendessen verlief in sehr lockerer Atmosphäre und daran waren nicht nur die zwei Kisten mit ‚ausländischem‘ Weißbier Schuld, die der Adju aus dem Kofferraum ihres Dienstwagens geholt hatte.

„Wieso denn ausländisch? Hier steht doch, das Bier kommt aus…“

Lucas bedachte Rafael mit einem mitleidigen Blick.

„Alles südlich von Bremen ist Ausland.“

Über die anschließenden Buh-Rufe konnten nur Kevin und Lucas lachen, die nördlich dieser neuen Grenze beheimatet waren.

Nachdem sich der General und sein Adjutant verabschiedet hatten und Wohnzimmer und Küche aufgeräumt waren, zogen sich alle auf ihre Zimmer zurück.

Kyan stand etwas unschlüssig vor dem Kleiderschrank und kramte in seinen Sachen. Interessiert blickte er hinüber zu Max, der sich schon bis auf seine Boxershorts ausgezogen hatte. Für seinen Geschmack fast etwas zu mager, aber sonst ganz niedlich. Voller Wehmut dachte er an Marcel und den Krach, den es gegeben hatte, als es zur Trennung kam.

Kyan schüttelte unwillig den Kopf. Kaum sah er einen halbnackten jungen Mann, schon wanderten seine Gedanken in eine unanständige Richtung. Nun ja, seine letzte Begegnung in dieser Hinsicht war ja nun auch schon gut einen Monat her.

„Wenn du ins Bad willst, musst du dich beeilen. Wir könnten uns grade noch vor die anderen drängeln.“

Kyan suchte nun endlich seine Sachen für morgen aus dem Schrank und zog sich dann ebenfalls bis auf die Unterhose aus. Im Gegensatz zu Max trug er Retro-Shorts, die eine ganze Reihe der Jungs hier bevorzugten.

Max versucht erst gar nicht, seine neugierigen Blicke zu verbergen. Kyan war ein ganzes Stück größer als er, so etwa 1,85 m. Die kurzen rötlichbraunen Locken hatten Max schon vermuten lassen, dass die Haut ziemlich hell war. Kyan hatte keine weiteren erkennbaren Haare, bis auf den deutlich sichtbaren hellbraunen Happy-Trail, der in den Shorts verschwand.

Dieses jugendlich unschuldige Gesicht passte nicht mehr so ganz zu dem gut entwickelten Körper. Brust und Bauch waren deutlich durchtrainiert, die Brustmuskulatur war sehr ausgeprägt, genau wie ein deutlich erkennbares Sixpack. Trotzdem schien er nicht in die Breite gegangen zu sein, seine Statur würde Max immer noch als schlank bezeichnen.

„Oh, du treibst Sport?“

„Äh, ja. Hauptsächlich Kraft- und Ausdauertraining.“

„Na, dann kannst du ja mal mit Lucas reden. Der hat auch sowas gemacht, soviel ich weiß. Und dann auch noch Geräteturnen oder so. Aber los, komm.“

Als die beiden gerade durch die Badezimmertür waren, schlüpfte noch jemand hinter ihnen herein. Max sah einen grinsenden Robin vor sich.

„Puh, gerade noch geschafft.“

Max sah nun ebenfalls grinsend an Robin herab, der lediglich ein Handtuch trug. Kyan sah ihn ebenso an und musste schwer schlucken. Wenn die alle hier so aussahen, würde er schwierige Tage und unruhige Nächte verbringen. Werwolf oder nicht, der Junge sah echt geil aus.

Robin bemerkte die Blicke, legte das Handtuch ab und sah Max an.

„Wir werden dem neuen Herrn die Waschbecken lassen. Kommst du mit duschen?“

„Klar.“

Max entledigte sich ebenfalls seiner restlichen Kleidung und folgte Robin in die Duschecke. Kyan fummelte nervös mit Zahnbürste und Zahnpasta herum, während er, wie er meinte unauffällig, die beiden im Spiegel beobachtete. Vollkommen gebannt verfolgte er, wie sich Max und Robin gegenseitig die Rücken einseiften, als die Vorderseiten drankamen, verschluckte sich Kyan fast an der Zahnbürste. Er musste etwas vom Waschbecken zurücktreten um der Beule in seiner Unterhose ein wenig Platz zu bieten. Der sinnliche Kuss der beiden trieb ihm die Röte ins Gesicht und der gemeinsame Höhepunkt führte bei ihm fast ebenso zum Schluss. Nach einem kurzen Moment kam Max zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Entschuldige, bitte. Wir haben uns wohl etwas gehen lassen.“

„Nein, nein. Ist schon gut. Ist ja nicht so, dass ich sowas nicht schon mal gesehen hätte.“

Kyans Hände zitterten etwas und Max machte sich ernsthaft Vorwürfe, nicht umsichtiger gewesen zu sein. Der Junge sah vielleicht gut aus, aber anscheinend war er etwas mehr zurückhaltend. Die Blicke, mit denen er Robin bedacht hatte, waren schon sehr eindeutig gewesen, dennoch schien ihn der Wolf abzuschrecken.

„Ja, schon, aber wir wollten dir echt nicht zu nahe treten mit unserer, na ja, Dusche halt. Aber es gibt da etwas, was du mit Robin noch klären musst, bevor wir hier auf engstem Raum zusammenleben. “

Kyan warf Max einen fragenden Blick zu, der eine deutliche Ablehnung trug, doch Max blieb standhaft.

„Es passiert besser jetzt, als wenn wir es ewig herauszögern.“

Kyan nickte zögernd. Ein Wolf war schließlich immer noch ein Raubtier und er war sich seiner eigenen Reaktion nicht sicher. Max atmete erleichtert aus.

„Robin?“

„Ja?“

„Wau.“

„Oh, bist du sicher?“

Max nickte und Kyan folgte grinsend der kurzen Unterhaltung.

Max wies auf Robin, der sich nun auf den Boden hockte und bei dem sich langsam die Proportionen der Gliedmaßen verschoben. Völlig fasziniert starrte Kyan auf das, was sich da vor ihm abspielte, bis nach gut fünf Sekunden ein hellgrauer Wolf vor ihm saß und ihn ebenso neugierig anstarrte, wie er diesen.

Kyans erste Reaktion war Flucht. Max hatte dies Vorhergesehen und hielt ihn an einem Arm fest.

„Ganz ruhig. Ganz langsam. Kyan, sieh mich an.“

Langsam drehte Kyan seinen Kopf zu Max.

„Du weißt, wer er ist und was er ist. Das hier ist Robin. Er ist der gleiche, wie der, mit dem du mich vorhin unter der Dusche gesehen hast. Und er ist auch derjenige, der dir versprochen hat, sich um dich zu kümmern.“

Natürlich hatte er während seiner zwei Jahre im Stab schon öfter einen Werwolf in seiner Wolfsform gesehen, aber doch nicht so nah!

Kyan sah Robin unsicher entgegen, während dieser aufstand und heftig mit der Rute wedelte. Dann kam er langsam näher, zunächst zu Max. Laut schnüffelt er an Max, der immer noch vollkommen nackt war. Die Nase von Robin war genau in der richtigen Höhe und er schnupperte an Max‘ Genitalien. Max sah ebenso erstaunt herab wie Kyan.

Dann wandte sich Robin zu Kyan. Der stand einen Moment erstarrt da, dann machte er etwas, was sowohl Max, als auch ihn selbst erstaunte. Mit einem entschlossenen Griff beider Hände entledigte er sich seiner Unterhose und stand nun ebenfalls nackt vor Robin, der sich langsam näherte und an ihm fast intensiver herumschnupperte als an Max.

Robin stieß ein leises Winseln aus, dann zog er sich zurück in die Mitte des Raumes und legte sich auf den Boden. Fast wie in Trance folgte ihm Kyan und beugte sich herunter um über das weiche Fell zu streichen. Ebenso wie bei Max eine ganze Weile zuvor, verwandelte sich Robin zurück, während er gestreichelt wurde. Kyan fuhr mit seiner Hand geistesabwesend über den Bauch und die Brust des jungen Mannes, bis er bemerkte, was er da tat. Er zuckte zurück, doch Robin fasste mit einem Arm um seinen Hals und hielt ihn fest.

„Gefällt dir eher das weiche Fell oder die weiche Haut?“, flüsterte er. Kyan zögerte und sah wieder hinunter auf den sportlichen Körper mit der leicht gebräunten Haut.

„Du bist wunderschön. Doch der Wolf macht mir immer noch Angst.“

Versonnen streichelte Kyan weiter über Robins Bauch und fuhr langsam tiefer. Robin griff nach seiner Hand und stoppte ihn.

„Ich würde dich gerne weiter machen lassen, aber zuerst möchte ich dein anderes Ich sehen.“

Kyan nickte nachdenklich, dann erhob er sich. Robin folgte ihm und stellte sich neben Max bei den Waschbecken.

Jetzt hockte sich Kyan in die Mitte des Raumes und ähnlich wie bei Robin zuvor begann die Verwandlung. Nach ein paar Augenblicken erkannte Max, was es werden würde. Der kompakte Körper hatte ein rötlichbraunes Fell bekommen, der runde katzenähnliche Kopf mit der kurzen Schnauze hatte hoch angesetzte aufrechte Ohren mit den typischen schwarzen Pinseln.

„Ein Luchs!“, entfuhr es Max unwillkürlich und Robin nickte lächelnd.

„Ja. Lynx lynx. Die größte Raubkatze Europas.“

Langsam ging er auf Kyan zu, kniete vor ihm ab und streckte eine Hand aus. Der Kopf des Luchses zuckte unwillkürlich zurück, doch dann ließ er sich zwischen den Ohren kraulen. Robin sah erfreut, dass sich die Ohren hoch aufrichteten und eher auf Neugier als auf Angst schließen ließen. Als Kyan sich ablegte, strich Robin über das kurze, feste Fell. Es war kürzer als seines und nicht so flauschig, doch das hier war augenscheinlich das Sommerfell.

Max kam nun ebenfalls näher und ließ sich auf dem Boden nieder um Kyan zu streicheln. Das rotbraune Fell hatte keine Fleckenzeichnung und Max fragte Robin danach.

„Keine Ahnung, wir können ihn ja nachher danach fragen, aber erst möchte ich etwas anderes probieren. Kyan, bleibst du gewandelt, wenn ich mich ebenfalls noch einmal wandle?“

Der Kopf des Luchses ruckte hoch und sein kurzer Schwanz zuckte nervös hin und her. Die Ohren wurden angelegt, doch Kyan ließ sich auf die Seite sinken und wartete.

Robin zögerte noch etwas, doch dann ging er hinüber in die am weitesten entfernte Ecke und verwandelte sich in seine Wolfsform.

Max hielt den Atem an, als sich Robin langsam dem Luchs näherte. Kyan sprang auf und sah dem Wolf entgegen. Misstrauisch umkreisten sie sich in kurzem Abstand. Jetzt wurde Robin mutiger und näherte sich vorsichtig, während er den Luchs am Hinterteil beschnupperte.

Max wusste nicht, ob er lachen sollte, denn er wollte die beiden auf keinen Fall erschrecken. Als Robin zudringlicher wurde, fauchte Kyan und schlug spielerisch mit einer Pranke nach der Schnauze des Wolfes. Robin zuckte sofort zurück. Zufrieden legte sich Kyan wieder ab und beobachtete den Wolf, der ihn nun weiter umkreiste.

Leise verließ Max das Bad und holte aus dem Schlafzimmer sein Handy. Als er zurückkam, lagen beide Gestaltwandler friedlich nebeneinander und rieben ihre Köpfe aneinander.

„Das glaubt mir kein Mensch“, flüsterte Max zu sich selber, während er eine Aufnahme machte. Kyan drehte seinen Kopf, denn er hatte ihn sehr wohl gehört.

Gleichzeitig verwandelten sich die beiden jungen Männer zurück und Robin strich fasziniert über Kyans Sixpack.

Als er ein weiteres leises Geräusch hörte, drehte Kyan den Kopf und sah Max, wie dieser dabei war, die Tür des Badezimmers zu öffnen.

„Nein!“

Kyan zuckte zusammen, als seine eigene Stimme so laut erklang.

„Bleib bitte hier“, flüsterte er nun fast so leise, dass Max ihn kaum verstehen konnte.

„Ich… ich muss auch noch… duschen.“

Langsam stand Kyan auf und ging hinüber zu der großen Duschecke, während Max und Robin sich wortlos ansahen. Robin erhob sich ebenfalls und die beiden gingen hinüber zur Dusche, wo Kyan sie abwartend ansah. Max und Robin nahmen sich jeweils eine Flasche Duschgel und begannen, systematisch und intensiv Kyans Vorder- und Rückseite einzuseifen. Zunächst.


Am nächsten Morgen war Kyan zunächst etwas orientierungslos, bis ihm dann einfiel, wo er war. Dann schreckte er hoch. Etwas hektisch blickte er nach links und rechts. Tatsächlich, er hatte nicht geträumt. Rechts von ihm waren die verwuschelten dunkelblonden Haare von Robin und tatsächlich, links von ihm der schwarze Iro von Max. Dann überwältigten ihn die Erinnerungen an die Vorgänge in der Dusche und danach hier im Bett, was zu einer weiteren körperlichen Reaktion führte, die Kyan erstaunt zur Kenntnis nahm. Irgendwie hatte er gedacht, nach der letzten Nacht würde der sich drei Tage nicht melden.

Max drehte sich herum und sah amüsiert auf die nicht unerhebliche Beule in der Bettdecke.

„Na, nicht genug bekommen, letzte Nacht?“

„Sollte er eigentlich“, kam es von der anderen Seite. Kyan konnte es kaum fassen. Er war noch nicht mal einen Tag hier und schon war er mit zwei Mitgliedern der Einheit im Bett gelandet. Man hatte alle Gestaltwandler immer wieder darauf hingewiesen, dass Magier tabu waren, doch die beiden waren streng genommen ja gar keine Magier.

Kyans Blick fiel auf den Wecker neben dem Bett.

„Oh, Scheiße. Schon 07:30 Uhr. Müssen wir nicht nach unten?“

Robin grummelte etwas und Max sah nun ebenfalls auf die Uhr.

„Mpf, gerade mal drei Stunden geschlafen. Frühstück gibt’s bis neun. Vorher finden ohnehin keine Besprechungen statt. Aber wenn du willst, kannst du gerne schon mal runter gehen. Badezimmer müsste jetzt noch frei sein.“

Kyan musste das Bett nach vorne verlassen und schnappte sich seine Sachen, die er sich gestern Abend herausgelegt hatte. Dann verschwand er in Richtung Badezimmer.

Robin drehte sich zu Max und sah ihn verschlafen an.

„Der Typ ist echt niedlich, obwohl es mit der Tiergestalt noch etwas schwierig verläuft. Hoffentlich haben wir ihn nicht allzu sehr verschreckt, mit der einen und auch der anderen Aktion. Weißt du eigentlich, wie alt er ist?“

„Keine Ahnung, Kevin hat die Akte. Aber wenn er tatsächlich einen Beruf gelernt hat und im Stab tätig war, würde ich sagen, mindestens zwanzig.“

Robin hob die Augenbrauen.

„Dann ist er älter als ich. Schade, ich dachte, ich wäre die Stelle als Jüngster nun los.“

Max grinste ihn an.

„Du bist eben noch jung und knackig. Aber so wie ihr beide gestern… Los, hoch. Ich hab‘ da eine Idee.“

Robin protestierte immer noch leicht verschlafen, aber Max zerrte ihn in Richtung Badezimmer.

Eine gute halbe Stunde später spähte Max ins Wohnzimmer. Wider Erwarten waren alle anderen bereits um den großen Tisch versammelt. Lucien und Tobias sahen etwas müde aus, aber die hatten ja auch das Frühstück machen müssen.

Kevin sah hinüber zu Max, der in der Tür stehengeblieben war.

„Na, was ist? Wo sind denn unsere beiden Raubtiere?“

Die Bemerkung sollte ein Scherz gewesen sein, doch Max machte ein gespielt entsetztes Gesicht. Dann öffnete er die Tür komplett und betrat das Wohnzimmer. Links von ihm lief ein großer, grauer Wolf und auf der rechten Seite ein fast ebenso großer, rotbrauner Luchs. Max hatte den beiden Gestaltwandlern jeweils eine Hand auf den Kopf zwischen die Ohren gelegt. Mit langsamen Schritten führte Max sie auf Kevin zu und blieb dann vor ihm stehen. Die beiden Gestaltwandler setzten sich auf die Hinterbeine und sahen zu Kevin hoch.

Rings um den Tisch hatten sich alle erhoben um die Vorgänge besser sehen zu können und nicht nur Lucien starrte die beiden mit offenem Mund an.

Kevin kniete sich ab, um den beiden Gestaltwandlern in die Augen sehen zu können. Robins blaue Augen waren bei dem Wolf unverkennbar und der Luchs hatte die goldbraunen Augen, die Kevin schon gestern an Kyan aufgefallen waren.

Robin hob seine rechte Pfote und Kevin ergriff sie, um sie kurz zu schütteln. Dann hob auch Kyan seine rechte Pfote und Kevin spürte den Unterschied, während er sie ebenfalls schüttelte. Die Pfote des Luchses war breiter und hatte eine größere Fläche, als die des Wolfs.

Kevin erhob sich und die beiden Gestaltwandler ebenfalls. Dann drehten sie sich simultan um und gingen mit langsamen Schritten zurück zur Tür. Vor der Tür drehten sie sich noch einmal um und sahen jetzt Max an, bis dieser nickte. Beide begannen mit ihrer Verwandlung und nur wenige Sekunden später standen zwei nackte junge Männer vor der Tür und grinsten etwas unsicher in den Raum. Nach einer kurzen Verbeugung huschten sie durch die Tür nach draußen, wo sie ihre Sachen abgelegt hatten.

Kevin sah hinüber zu Max.

„Lass mich raten, es war nicht ganz so einfach, wie es gerade ausgesehen hat oder?“

Max schüttelte den Kopf.

„Nein. Robin versucht sein Bestes, aber er kann nicht raus aus seiner Wolfsnatur und Kyan hat immer noch ein wenig Angst vor dem Wolf, aber er ist mutig und entschlossen. In der menschlichen Form geht es schon erheblich besser.“

Lucien lauschte ganz gebannt, sah hinüber zu Max und grinste.

„Dann hattet ihr drei wohl eine lange Nacht.“

In diesem Moment betraten Kyan und Robin das Wohnzimmer, diesmal ordentlich bekleidet und setzten sich ebenfalls an den Tisch. Kyan hatte die Bemerkung von Lucien mitbekommen und sah Robin etwas erstaunt und auch fragend an. Robin zuckte nur mit den Schultern, während Rafael Lucien strafend ansah.

„Lucien! Es geht dich nichts an. Wenn du was über Kyan wissen oder mit ihm machen möchtest, frag ihn gefälligst selber.“

Kyan sah sich zum zweiten Mal erstaunt um und diesmal blieb sein fragender Blick an Rafael hängen, der immer noch Lucien anstarrte. Rafael sah Kyan fast bedauernd an, dann schüttelte er den Kopf. So ging das nicht.

„Kyan, würdest du mir bitte in das Büro folgen. Ich möchte kurz mit dir reden.“

Kyan sah Rafael sichtlich erleichtert an und erhob sich sofort. Die meisten anderen am Tisch sahen erstaunt zu Rafael, während Max ihm einen Daumen hoch gab.

„Du kannst dir gerne einen Kaffee mitnehmen.“

Wortlos goss Kyan sich die Tasse voll und folgte dann Rafael hinüber in das kleine Büro.

Rafael setzte sich schwunghaft hinter den großen Schreibtisch und deutete auf den Besucherstuhl davor.

Kyan setzte sich und platzierte seine Kaffeetasse vorsichtig auf dem Schreibtisch. Seine Ausbildung hatte ihn gelehrt, dass eine volle Kaffeetasse eigentlich nichts am Arbeitsplatz zu suchen hatte.

„Also, Kyan. Ohne dir persönlich nahe treten zu wollen, würde ich sagen, du hast nicht viel Erfahrung mit anderen Jungs, die offen über ihre sexuellen Aktivitäten reden.“

Kyan errötete wieder leicht und griff zur Kaffeetasse, um etwas Zeit zu gewinnen.

„Nein. Es ist irgendwie anders. Dass ich schwul bin, wusste ich schon mit fünfzehn und später hatte ich einen Freund, mit dem ich über zwei Jahre zusammen war. Ich habe ihn das erste Mal beim Blockunterricht in der Berufsschule getroffen. Wir haben dann alles zusammen gemacht, aber wir sind selten ausgegangen oder haben uns mit anderen getroffen. Na ja, das Kaff aus dem ich komme hat gerade mal 9.000 Einwohner. Ich habe ernsthaft gedacht, es würde immer so weiter gehen, aber kurz vor der Abschlussprüfung im letzten Jahr hat Marcel mir einfach gesagt: Es war ja ganz lustig mit dir, aber ich habe jetzt eine Freundin und gedenke, eine steile Karriere zu beginnen und eine Familie zu gründen.“

Während seiner kurzen Geschichte starrte Kyan ausdauernd in seine Tasse und schwieg dann, seinen Gedanken nachhängend. Rafael schwieg ebenso, denn er spürte, Kyan würde noch mehr erzählen.

„Na ja, ich war so blöd, mich mit seiner Freundin zu treffen und ihr alles zu erzählen. Was wir die letzten zweieinhalb Jahre getrieben hatten. Ich dachte damals ernsthaft, wenn sie ihn verließe, würde er zu mir zurückkommen. Sie hat ihn verlassen und er ist zurückgekommen. Allerdings nur, um mich zusammenzuschlagen. Ich habe eine ganze Weile den Krankenhauspsychologen aufgesucht, der mich dann auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht hat. Außerdem hat er mir eine zunächst sehr verstörende Eröffnung gemacht. Ich dachte zuerst, das wäre so ein psychologischer Trick, als er mir sagte, ich wäre mehr als eine Person.“

Kyan seufzte und die Kaffeetasse hörte aufmerksam zu.

„Ich war mehr als erstaunt, als ich von der Organisation hörte. Noch viel erstaunter war ich, als man mir das Konzept eines Gestaltwandlers erklärte. Es hat fast zwei Monate gedauert, bis ich alleine den Gedanken daran akzeptiert hatte. Meine erste Verwandlung wäre beinahe schief gegangen. Ich hätte mich beinahe in der Tierform verloren, also eine Rückverwandlung nicht mehr geschafft. Zum Glück hat mich ein Bannmagier zurückgeholt. Man hat mir angeboten, für die Organisation zu arbeiten und ich habe zugesagt.“

Rafael nickte. Die Geschichte hatte bis jetzt eine sehr große Kurve um seine ursprüngliche Fragestellung genommen, aber er lauschte geduldig.

„Nun, während der Zeit im Stab des Gestaltwandler-Korps gab es nicht viel Spannendes, lediglich Büroarbeit. Es wurde mir auch schnell klar, dass lediglich die Werwölfe in die Einsatzeinheiten kamen. Einzige Ausnahme war mal ein Bär, aber der hat nach einem halben Jahr gekündigt. Was wollte ich sagen? Ach ja, Sex mit anderen Jungs? Nicht bei den Gestaltwandlern. Die Werwölfe waren überwiegend unter sich und die meisten traten äußerst eingebildet auf. Von Seiten der meisten Vorgesetzten wurde uns auch von einer Beziehung mit einem Werwolf dringend abgeraten, denn die wären noch schlimmer als Magier. Im günstigsten Fall wird man durchgefickt und dann aus dem Bett gekickt.“

Nun verfinsterte sich Rafaels Gesicht.

„Hat man das so wörtlich gesagt?“

Kyan nickte.

„Okay, das klären wir nachher. Es war also nicht so prickelnd dort im Stab.“

„Ganz gewiss nicht. Wenn ich jemanden kennenlernen wollte, musste ich bis in die nächste Großstadt fahren. Das bedeutete aber, keine Unterkunft, bis auf ein billiges Hotelzimmer vielleicht. Schneller Sex in der Sauna oder auf einer Klappe. Wenn’s hoch kam…“

Kyan grinste bei der Anspielung

„… mal ein One-Night-Stand bei jemandem zu Hause. Aber das war fast alles anonym, unpersönlich. Hier kenne ich die Leute zwar auch erst sehr kurz, aber ich weiß, dass ich längere Zeit hier bleiben werde. Hier ist es etwas anderes. Ich werde den Leuten jeden Tag begegnen und muss ihnen mit einem guten Gewissen noch ins Gesicht blicken können.“

„Aha? Dann jetzt eine etwas persönliche Frage. Du brauchst nicht zu antworten, wenn du nicht willst.“

Kyan sah Rafael erwartungsvoll an.

„Du hast ja offensichtlich die letzte Nacht bei und auch mit Robin und Max zugebracht. Wie würdest du dein Verhältnis zu den beiden nach dieser Nacht beschreiben?“

Kyan sah Rafael erstaunt an. Sein Verhältnis zu den beiden?

„Also… Ich finde sie echt nett. Besonders Robin ist, wie soll ich es sagen? Niedlich? Wie gesagt, die Wolfsform ist etwas anderes, aber als Mensch ist er lieb, zärtlich und manchmal auch etwas fordernd. Genauso wie Max. Ich hatte das Gefühl, als würde ich sie schon ewig kennen.“

Kyan schüttelte den Kopf und grinste.

„Okay, zu Anfang war es etwas stürmisch, aber dann brauchten wir nicht mal Worte, um uns zu verstehen. Bei Robin und Max untereinander hätte ich das ja noch verstanden, aber es ging mir ja genauso.“

Kyans Ohren wurden plötzlich rot, als er Rafael unsicher angrinste.

„Ich mag die beiden. Während der Basisausbildung hat man uns das Gefühl gegeben, wir wären sowas wie die untere Stufe. Ich habe dabei noch Glück gehabt als Raubtier, doch mit dem armen Feldhasen haben sich die Wölfe öfter einen Spaß gemacht. Manchmal hatte ich den Eindruck, die Organisation, oder besser das Gestaltwandler-Korps, hat alle Nicht-Wölfe nur zähneknirschend aufgenommen und weiß mit ihnen nicht so Recht was anzufangen...“

Rafael nickte langsam und überlegte, wie er seine nächste Frage am besten formulieren sollte.

„Du hast ja auch den Rest der Truppe gesehen und du weißt, dass alle anderen, außer Max und Robin, Magier sind. Was würdest du tun, wenn du von einem oder vielleicht sogar mehreren, ebenfalls zu einer netten Nacht eingeladen werden würdest?“

Kyan sah auf. War das eine Fangfrage? Wollte man ihn loswerden? So wie die Jungs miteinander umgingen, war das nicht sehr wahrscheinlich. Wenn das eine ernsthafte Frage war…

„Ich… keine Ahnung. Ich habe keinen Freund, keine Beziehung. Es ist angeblich verboten, mit einem Magier Sex zu haben. Zumindest hat man uns eindringlich nahe gelegt, uns nicht in die Beziehungen der Magier einzumischen. Ich.. ich weiß es wirklich nicht. Du hast vorhin zu Lucien gesagt, wenn er etwas über mich wissen oder mit mir machen möchte, soll er mich fragen. Das war keine lustige Einlage? Das war ernst gemeint?“

Rafael nickte grinsend. Dann erzählte er mit ein paar kurzen Sätzen die Geschichte und das Zusammenleben ihrer kleinen Truppe. Es war im Prinzip die gleiche Geschichte, die Pater Anselm am Vortag bereits erzählt hatte, doch dies hier war eine nicht so jugendfreie Variante.

„Es ist im Prinzip sehr frei. Das wichtigste ist, dass jeder ‚nein‘ sagen kann und auch sollte, wenn er dieser Meinung ist. Auch dir ist es freigestellt jemanden zu fragen, egal wen.“

Kyan schüttelte ungläubig den Kopf. Rafael lachte, dann stand er auf und wuschelte in Kyans rotbraunen Locken.

„Versuch, dich an den Gedanken zu gewöhnen. Aber jetzt müssen wir arbeiten. Ich glaube, Kevin wartet schon darauf, dass er mit dir die Unterlagen über unsere neue Einheit durchgehen kann. Du kannst ruhig hier sitzen bleiben oder am besten, du holst dir vorher noch einen neuen Kaffee.“

Kyan verließ hinter Rafael das Büro und besorgte sich einen neuen Kaffee, während Rafael in einer Ecke leise mit Kevin sprach. Als Kevin dann hinüber zum Büro ging, folgte ihm Kyan eilig.

Kevin setzte sich, wo vorher Rafael gesessen hatte und Kyan ließ sich wieder vor dem Schreibtisch nieder. Kevin räusperte sich kurz.

„Okay. Also Rafael hat ja wohl das Wichtigste zum persönlichen Umgang gesagt, da brauche ich nichts zu wiederholen. Was wir jetzt machen werden, ist ein Schnelldurchgang durch unsere geplante Ausrüstung und Ausstattung. Ich möchte wirklich so wenig wie möglich auffälliges Material bei uns haben. Wir sollen ja wohl keine Tore schließen, zumindest nicht vordringlich. Deshalb möchte ich geklärt haben, ob wir nicht sogar unsere Patch-Suits abgeben oder einlagern oder was auch immer, können. Als nächstes möchte ich gerne wissen, was es an nicht handelsüblichem Material gibt, das wir gebrauchen könnten. Bestes Beispiel sind die Handys mit ihren zusätzlichen Funktionen. Wie wollen wir am besten vorgehen?“

Kyan sammelte seine Gedanken. Das war etwas, wofür er ausgebildet worden war und das er gut beherrschte. Als ihm Kevin eine mehrseitige Liste zuschob, warf er nur einen Blick darauf und verdrehte die Augen gen Himmel.

„Das ist eine Gesamtliste. Hier ist alles erfasst, was wir theoretisch anfordern könnten, ohne dass wir es begründen müssten oder dass Rückfragen kommen. Normalerweise geht das allerdings anders herum. Wir sehen nicht die Liste durch und machen einen Wunschzettel wie zu Weihnachten, sondern Sie… äh, du musst mir sagen… Verdammt, das fällt mir immer noch schwer mit dem duzen.“

Kevin nickte grinsend.

„Hab ich gerade gemerkt. Ist aber ganz einfach. Stell dir einfach vor, du würdest mit Max oder mit Robin reden.“

Kyan grinste etwas schüchtern, doch dann nickte er.

„Ich hab schon verstanden. Also, noch einmal. Du musst mir sagen, was benötigt wird. Es braucht nicht einmal speziell sein, es reicht auch, wenn ich weiß, wofür etwas gebraucht werden soll. Dazu zählen übrigens auch magische Artefakte.“

„Ach ja. Der Adju hatte so etwas erwähnt. Gibt es vorgefertigte oder können wir auch spezielle Sachen bestellen. Wir haben mal eine Kreole für Max selbst angefertigt, aber wenn wir so etwas geliefert bekommen, ist es natürlich einfacher.“

„Das ist beides möglich. Es gibt vorgefertigte Artefakte aus einer gesonderten Liste und auch Sonderanfertigungen. Ich muss nur wissen, wie sie aussehen und was sie können sollen.“

„Sehr schön. Dann hab ich hier noch einen Stapel. Die Unterlagen über unsere neue Tarnfirma. Da ist alles drin, von den Arbeitsverträgen bis zu den Fragebogen über die Krankenkassen. Was machen wir damit?“

„Oh, das ist ganz einfach. Das kann hier liegen bleiben. Gleich nach der Besprechung sehe ich den Stapel durch und bearbeite die Sachen, die raus müssen. Falls Papiere dabei sind, die von jedem einzeln unterschrieben werden müssen… hm, haben wir hier interne Postfächer?“

Sie verbrachten tatsächlich den gesamten Vormittag mit der Sichtung der Unterlagen für die neue Tarnfirma. Kevin war mehr als froh, dass man ihnen Kyan zugeteilt hatte.


Nach dem Mittagessen saßen wieder alle zusammen um den großen Tisch im Wohnzimmer. Diesmal war die Stimmung deutlich lockerer, zumindest, bis Kevin eine Hand hob.

„Hört mir mal bitte zu, Leute. Ich habe heute fast den ganzen Vormittag mit Kyan zugebracht. Nein, Lucien, wir haben gearbeitet. Dabei habe ich festgestellt, dass ich nicht die blasseste Begabung für irgendwelchen Bürokram habe. Darauf hatte dann Lucas eine seiner blendenden Ideen.“

Alle ringsum stöhnten auf und Kyan sah sich erstaunt um. Lucas grinste und erhob sich.

„Wir werden die anfallenden Aufgaben wie bei einem Stab verteilen. Wir werden eine einzelne Person, nicht ein Paar, mit einem Sachgebiet beauftragen. Das soll nur eine Nebenbeschäftigung sein, die aber dem Einheitsführer“, damit wies er mit einem Finger auf Kevin, „einen Teil der Arbeit abnehmen kann. Rafael, was hältst du von S1?“

Rafael sah Lucas erstaunt an.

„Ich habe keine Ahnung von Personalführung. Geschweige denn von dem Papierkram der damit zusammenhängt.“

Kevin nickte ihm zu.

„Haben wir alle nicht. Aber zum einen hat mich dein Einsatz heute Morgen mit Kyan sehr beeindruckt und zum anderen dürftest du die größte Ruhe und Gelassenheit bei so trockenen Themen mitbringen. Es betrifft ja auch nicht nur unsere Personalangelegenheiten bei der Organisation, sondern auch die Personalführung bei der Scheinfirma. Kyan wird dort zwar die Hauptarbeit machen, aber ich möchte bei so etwas immer zwei Mann haben, damit nichts schief geht und wir vielleicht dumm auffallen.

Rafael sah Michael an, aber der zuckte nur mit den Schultern.

„Sehr schön. Dann der S3. Organisation, Planung, Taktik, Ausbildung. Tobias, du warst an der Offiziersschule Gruppenführer. Würdest du dir zutrauen, den Job als S3 hier zu machen? Wir werden hauptsächlich nur Planung und Ausbildung machen, doch ich glaube, du bist sehr gut dafür geeignet.“

Tobias sah Kevin erstaunt an, dann Lucien. Doch genau wie Michael zuvor, zuckte der nur mit den Schultern.

„Mach ruhig. Dann habe ich ein wenig Ruhe.“

Tobias sah Lucien indigniert an, doch Kevin grinste breit.

„Das glaube ich kaum. Denn an den Mann mit dem rasiermesserscharfen Verstand geht der schwierigste Job. Du wirst S2, mein lieber Lucien.“

„Was? Ich? Was habe ich verbrochen?“

„Gar nichts, aber du brauchst deine Fähigkeiten nicht zu verstecken. Außerdem hast du einen offiziellen Mitarbeiter, denn Max gehört ab sofort ebenfalls zu deiner Abteilung.“

„Huh?“

Lucien sah etwas irritiert zu Kevin, dann zu Max und zum Schluss zu Tobias, der bereits seine Augenbrauen gehoben hatte.

„Zum Arbeiten, mein Lieber, zum Arbeiten.“

Kevin sah zum Schluss hinüber zu Kyan.

„Und als letzten brauchen wir noch einen S4. Er wird mit Kyan und Max zusammen alle anfallenden logistischen Probleme lösen und uns mit allem versorgen, was das Herz begehrt.“

Kyan verzog bei dieser Ankündigung etwas das Gesicht, aber dann grinste er, denn er wusste bereits, wen Kevin ausgesucht hatte. Lucien wusste es nicht und war entsprechend neugierig.

„Und wer soll dieser Wunderknabe sein?“

„Na, der Offizier, der sonst am Wenigsten zu tun hat. Robin.“

„Was? Warum ich?“

„Wie bereits gesagt, du hast bis jetzt am wenigsten zu tun. Deine Arbeit als Leiter des Innendienstes wird Rafael übernehmen. Außerdem wird es bestimmt interessant zu sehen sein, wenn die Herren aus dem Divisionsstab oder dem Logistik-Corps bemerken, dass sie versuchen, mit einem Werwolf zu verhandeln. Drittens hast du Kyan zu deiner Unterstützung. Er wird auf jeden Fall zu deiner Abteilung gehören. Ebenso wird Max mit euch zusammenarbeiten.“

„Ja“, lachte Lucien, „die drei werden Tag und Nacht unzertrennlich sein.“

Kyan warf Lucien einen missgestimmten Blick zu, während die Blicke von Rafael eher die Qualität mittlerer Dolche hatten. Dann fiel Rafael etwas ein, was er am Morgen gehört hatte. Er drehte sich zu Robin.

„Das geht natürlich nur, wenn du ihn nach dem Ficken nicht aus dem Bett kickst.“

„Was?!“

Das leichte Gelächter am Tisch verstummte, während Kyan vergeblich versuchte, Rafael ein Zeichen zu machen.

„Kyan hat mir heute etwas über die Rangordnung der Gestaltwandler erzählt. Es soll wohl eine Formulierung in der Basisausbildung gefallen sein, dass Werwölfe noch schlimmer sind als Magier. Im günstigsten Fall wird man durchgefickt und dann aus dem Bett gekickt.“

„Ha, durchgefickt - rausgekickt. Reimt sich sogar.“

Kyan warf nun Lucien einen deutlich bösen Blick zu, während Robin rot anlief, doch Rafael winkte ab.

„Reg dich nicht auf. Ich habe bereits einen Bericht verfasst. Wir müssen nur noch herausfinden, wie unser Dienstweg ist, wenn wir selber einen Vorfall melden oder verfolgen wollen.“

Max sah fragend hinüber zu Lucien, der sich nicht ganz sicher war, was Max von ihm wollte. Tobias stieß seinen Partner an.

„Er möchte gerne etwas Fachliches zu der Angelegenheit sagen, aber du bist sein Abteilungsleiter.“

„Ihr habt sie doch nicht alle. Max, du kannst reden wie dir der Schnabel gewachsen ist. Ich werde dir ohnehin in der ersten Zeit nur zuhören können.“

Max grinste erleichtert.

„Also, wir unterstehen direkt und unmittelbar dem Divisionskommandeur. Alle Berichte, Meldungen und Vorgänge die wir erstellen, gehen direkt an ihn. Er wird sie dann an die entsprechende Stabsabteilung weiterleiten.“

Kevin sah etwas unglücklich aus.

„Ist das nicht ein Bisschen viel?“

„Nein, es geht ja nur um Sachen, die unsere Aufträge betreffen. Alles andere erledigen wir selbst mit dem Stab.“

„Gut, dann Befehl Nummer eins. Die Abteilung S2 sammelt alle Meldungen, Berichte oder Vorgänge über unsere Aufträge und schickt sie gesammelt einmal wöchentlich an den Kommandeur. Alle sonstigen Schriftstücke werden von mir nach Dringlichkeit bewertet und entsprechend des Vermerks versandt.“

Lucien grinste in die Runde.

„Geil, die Arbeit hat begonnen.“


Der Nachmittag brachte eine ganze Menge Arbeit und eine kleine Überraschung. Kevin bemerkte, dass nach einer kleinen Pause die sonst übliche Sitzordnung verändert worden war. Zu seiner linken saßen nun Rafael, Max und Lucien, zur rechten Lucas, Tobias und Michael. Hinten am Ende saßen Kyan und Robin.

„Hab ich etwas nicht mitgekriegt?“

Lucas grinste schwach.

„Nee, alles in Ordnung. Wir haben uns für die Arbeit nur nach Sachgebieten sortiert. Michael und ich werden Tobias bei Taktik und Ausbildung etwas beraten.“

„Ach so? Hm, dann hab ich auch gleich etwas für den Ausbildungsbeauftragten. Das hier sind Übungsunterlagen der Offiziersschule. Ich darf alle Herrn Leutnante bitten, die Unterlagen zu bearbeiten und dann an Rafael zurückzugeben. Wir werden in halbjährlichen Abständen weitere Übungsbögen bekommen und einmal jährlich sind schriftliche Prüfungen. Daraus ergibt sich die Reihenfolge für die Beförderungen. Allerdings nicht nur auf Grund der Prüfungen, sondern auch auf Grund einer Bewertung der dienstlichen Leistungen. Das gleiche gilt für die Unteroffiziere des Logistik-Corps. Dort gibt es Übungsbögen, entsprechend des jeweiligen Fachbereiches.“

Max sah erstaunt hoch. Das war neu.

Auch Robin besah sich skeptisch einen dicken Stapel Blätter, den Kevin so einfach als ‚Übungsbogen‘ bezeichnet hatte.

„Was? Ich auch?“

Kevin verdrehte die Augen.

„Bist du Leutnant oder was?“

Dann sah Kevin hinüber zu Kyan, der etwas unsicher auf zwei dicke Aktenordner sah, die Tobias ihm auf Kevins Anordnung hingelegt hatte.

„Jetzt kommt etwas wirklich Neues. Kyan, hör mir genau zu. Die Unterlagen vor dir sind die Ausbildungsunterlagen für die Offiziersausbildung eines Gestaltwandlers. Du hast hier bei uns die Möglichkeit, ebenso Offizier zu werden wie Robin. Oberst Kayser hat die Unterlagen übersandt, mit der Bitte, sie gleichzeitig zu überarbeiten, so dass sie für jeden beliebigen Gestaltwandler anwendbar sind. Jetzt der Grund, warum du so genau zuhören solltest. Die Arbeit mit und an den Unterlagen ist freiwillig. Du wirst nicht gezwungen, Offizier zu werden, genauso wenig wirst du gezwungen, die Unterlagen zu bearbeiten.“

Direkt neben Kyan flüsterte Robin etwas, was alle sehen konnten, doch nur Kyan konnte ihn hören.

„Aber ich würde mich freuen, wenn du es machen würdest.“

Kyans Kopf ruckte herum und er sah Robin an, dann sah er zurück zu Kevin. Plötzlich sprang er auf und rannte aus dem Wohnzimmer. Aus den Augenwinkeln konnte Robin erkennen, wie Kyan die Tränen herunterliefen.

Kevin sah Robin auffordernd an.

„Na los, hinterher. Ich möchte gerne weitermachen. Mit allen.“

Robin sprang auf und lief Kyan hinterher, während Kevin in seinen Unterlagen blätterte und mit Lucas flüsterte. Lucien sah durch seine Übungsunterlagen und hob dann eine Hand.

„Lucien, noch was Wichtiges?“

„Ja, du hast gesagt, es gibt auch eine Bewertung der dienstlichen Leistungen. Wer bewertet uns denn?“

„Das macht unser direkter Vorgesetzter.“

„Was? Du?“

„Lucien, du hast mal wieder nicht zugehört. Ich habe gesagt, unser direkter Vorgesetzter. Das ist der Divisionskommandeur.“

„Oh.“

„Genau. Deshalb werden wir uns auch schon gleich in unseren ersten Auftrag stürzen, falls die beiden Fellträger dann erscheinen.“

Wie auf ein Stichwort kamen Kyan und Robin wieder herein und setzten sich wortlos. Kevin räusperte sich kurz und sah auf seine Unterlagen.

„Ich glaube, es wurde bereits erwähnt, dass wir zunächst den Verbleib aller vier Magier klären sollen, deren Daten wir bei unserem letzten Auftrag bekommen haben. Kyan kann sich eine Zusammenfassung der Ereignisse aus dem Archiv von Max geben lassen.“

„Ich dachte, wir haben mindestens zwei davon schon geklärt.“

„Haben wir auch, Lucien, aber wir müssen einen abschließenden Bericht erstellen mit allen relevanten Angaben. Also eine lückenlose Beweiskette vorlegen.“

„Huh? Ist das nicht Polizeiarbeit, so wie in CSI oder wie das heißt?“

„Ja, ein bisschen schon. Abgesehen davon, dass wir kein forensisches Labor und keinen Pathologen haben, ist das fast so ähnlich.“

Lucien sah Kevin mit großen Augen an,

„Ein forensisches Labor? Whow, das wär‘ doch was.“

„Du kannst dich gerne darum kümmern, denn das ist Sache des S2.“

Lucien wurde blass und Kevin grinste jetzt.

„Nein, natürlich nicht. Wir können und werden lediglich unsere magischen Fähigkeiten verwenden. Wir machen keine Verbrechensbekämpfung, sondern versuchen eher, ungelöste Fragen zu beantworten.“

„Also mehr so wie bei ‚Cold Case‘?“

„Lucien, machst du eigentlich noch etwas anderes, außer den ganzen Tag fernzusehen?“

„Oh, ja!“

Lucien grinste Kevin an und leckte sich die Lippen. Kevin seufzte theatralisch.

„Ich ziehe meine letzte Frage zurück. Max, kannst du bitte nochmal die Daten, die wir damals über diese vier Männer bekommen haben, auf den Projektor bringen?“

Max nickte und an der Wand erschienen vier Datensätze.

„Noch mal zur Erinnerung. Der erste ist Christoph Harms, geboren 1964 in Hamburg. Astralmagier. Hat nach der schulischen Ausbildung gekündigt. Das war 1983, da war er neunzehn. Er wurde 30 Jahre überwacht, dann wurde die Überwachung gelockert und 2015 ist er ihnen entwischt. Aufenthaltsort unbekannt.“

Kevin sah hinüber zu Max, der in seinen Updates blätterte.

„Der Aufenthaltsort ist immer noch unbekannt. Keine neuen Erkenntnisse.“

„Na gut. Der zweite war dann Christoph Langlütjen, geboren 1966 in Köln. Bannmagier. Komplette Ausbildung durchlaufen, danach Einsatz in der 2./III. Ist 1997 angeblich Opfer eines Verkehrsunfalles geworden. Begraben auf dem Kölner Melaten-Friedhof.“

Diesmal sah Kevin hinüber zu Lucas, der die Daten mit leichtem Stirnrunzeln betrachtete.

„Der Fall ist von Lucas zu einem endgültigen Ende gebracht worden. Er liegt jetzt tatsächlich in Köln auf dem Friedhof, neben seinem Partner übrigens.“

Kevin sah noch einmal zu Lucas, doch den schienen die Erinnerungen nicht sonderlich aufzuregen.

„Dann Christoph Raue-Berger. Geboren 1967 in Neumünster. Nicht ausgebildeter Elementar. Hat sich nach dem Erstkontakt für eine Ausbildung beworben, wurde aber nicht angenommen. Das psychologische Gutachten lautete auf ‚geistig nicht stabil genug‘. Wurde mit einem Block versehen und 20 Jahre überwacht. Erst nach unserer Anfrage wurde bemerkt, dass er nicht mehr überwacht wird und sein Aufenthaltsort unbekannt ist.“

„Lucas hat uns einen Hinweis gegeben, dass auf dem Gutshof der Raue-Bergers vor sechs oder sieben Jahren ein Brand ausgebrochen sein soll, bei dem mehrere Menschen gestorben sind. Sollte der Block versagt haben oder umgangen worden sein, erinnere ich nur nochmal daran, dass Elementare unbewusst feuerresistent sind. Er könnte also überlebt haben. Christoph Raue-Berger wäre dann jetzt 50 Jahre alt, sein Aussehen unbekannt. Wir müssten wieder ein Morphing anwenden, was in Anbetracht des Ausgangsbildes und der Zeit allerdings nicht sehr erfolgversprechend aussieht.“

Kevin wandte sich dann an Max.

„Ich habe hier einen Vermerk, dass ich in Auftrag gegeben hatte, etwas über den Brand und die darin verwickelten und dabei umgekommenen Personen herauszufinden.“

Max hob einen schmalen Ordner.

„Alles hier drin. Ich habe ein paar Recherchen bei den öffentlichen Daten gemacht, aber nicht weiter fortgesetzt, weil wir ja unser eigentliches Ziel gefunden hatten.

Kevin nickte und blickte wieder auf seine Notizen.

„Und zum Schluss Christof Schneider, geboren 1968 in Freiburg/Breisgau. Bannmagier. Hat nach über zwanzig Jahren Dienstzeit 2009 ohne Angabe von Gründen gekündigt, seinen Partner verlassen und ist bereits damals der Überwachung entkommen. Wurde seit 2010 gesucht. Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass er in Thailand registriert wurde, als er dort eine Geschlechtsumwandlung hat durchführen lassen. Ist das Ergebnis verifiziert worden?“

Diesmal antwortete Lucien, der von Max einen Schnellhefter bekommen hatte.

„Es ist ein Antrag auf astrale Erkennung gestellt worden. Da Thailand zur Division Südostasien gehört, wurde der Antrag über den Exekutivrat weitergeleitet. Eine Antwort aus Thailand steht noch aus.“

Kevin sah etwas verloren auf seine Unterlagen.

„Also bleibt uns folgendes: Ein immer noch spurlos verschwundener Astralmagier, ein möglicherweise untergetauchter oder aber unbewusst agierender Elementar und eine unbestätigte Geschlechtsumwandlung in Thailand. Ich werde mich mit Tobias zusammensetzen und wir werden versuchen, die Fälle zu gewichten und für jeden ein paar Lösungsansätze zu erarbeiten.“

Kevin hob den Stapel mit Papier an, den er vor sich liegen hatte und sah erst zu Max, dann zu Kyan.

„Das hier ist äußerst hinderlich bei der Arbeit. Überlegt euch bitte, was wir an Hardware haben sollten oder kriegen können, um unsere Arbeit optimal koordinieren zu können. Danke, das war‘s dann für heute. Wer hat Küchendienst?“

Rafael und Robin erhoben sich. Kevin atmete erleichtert auf. Das Abendessen versprach wenigstens einigermaßen essbar zu werden.


Kurz vor Beginn des nächsten Monats war es dann soweit. Sie würden ihre Arbeit als DIGISOFT DEVELOPMENT DETACHMENT beginnen. Einziger Hinweis auf die kleine Niederlassung war ein Messingschild vorne an der Mauer neben dem Tor. Unter dem Logo des Großkonzerns war nur

Digisoft Dev

Detachment

vermerkt, ohne weitere Hinweise.

Lucien besah skeptisch das ziemlich kleine Messingschild. Bewaffnet mit ein wenig Werkzeug hatte er zusammen mit Rafael das Schild angebracht.

„Digisoft ist ja klar. Und Dev heißt ja wohl Devil oder?“

„Lucien, du bist ein Ignorant. Wir sind ja wohl nicht die Abgesandten des Teufels.“

Lucien grinste Rafael breit an.

„Nein. Nicht wenn man hier zwei Erzengel herumflattern hat.“

„Ich geb‘ dir gleich Erzengel.“

Geschickt wich Lucien dem spielerischen Schlag von Rafael aus und flüchtete in Richtung Haus. Kopfschüttelnd sammelte Rafael das Werkzeug zusammen und folgte ihm.

Am schwersten fiel Kevin der neuerliche Abschied von Pater Anselm.

„Du hast mehr als einmal bewiesen, dass du sehr gut auf dich selbst und auch auf andere aufpassen kannst. Sei einfach weiter der nette Junge von Nebenan, den ich kennengelernt habe und der verantwortungsvolle junge Mann, den ich schätzen gelernt habe.“

Kevin schluckte schwer und trat einen Schritt vor. Pater Anselm umarmte ihn kurz und klopfte ihm beruhigend auch die Schulter. Dann ging er zu jedem einzelnen hin und umarmte ihn kurz. Sie begleiteten ihn bis vor die Haustür, wo bereits ein Wagen auf ihn wartete.

„Einen Moment!“

Alle sahen den Pater an, als er seine Arme zum Segen erhob.

„Der Herr sei mit euch, auf allen euren Wegen und bei allen euren Taten. Er leite euch und gebe euch Weisheit. Er stärke euch und gebe euch Kraft für das, was ihr tun müsst. Nun gehet hin in Frieden. Amen.“

In das ‚Amen‘ stimmten alle ein, selbst Max.

Zurück im Wohnzimmer saßen alle zunächst schweigend um den großen Tisch. Kevin seufzte laut.

„Es nützt nichts. Wir müssen sehen, dass wir uns auf unsere Aufgaben konzentrieren. Vorher jedoch ein paar administrative Informationen.“

Auf einen Wink hin stand Kyan auf und verteilte aus einem großen Karton Tablets an jeden einzelnen. Max hielt sein Exemplar hoch.

„Die Tablets sehen aus wie handelsüblich, sind aber Spezialanfertigungen. Ein 12‘‘ Bildschirm mit der bekannten Touch-Funktion und virtueller Tastatur. Die Hardware ist hauptsächlich auf große Rechenleistung ausgelegt. Die Software verbindet die Geräte mit dem hier bereits vorhandenen Sicherheitsrechner. Die Reichweite ist aus Sicherheitsgründen auf etwa zehn Meter um das Haus begrenzt. Der Internetzugang läuft ebenfalls über den Sicherheitsserver. Jeder hat spezielle Kanäle mit denen die anderen Tablets direkt oder auch im Konferenzmodus erreichbar sind.“

„Sehr schön, danke Max. Wir werden ab sofort mit den Tablets arbeiten. Max hat schon ein paar Sachen voreingestellt, zum Beispiel alle Daten über unsere aktuellen Fälle. Jeder kann etwas hinzufügen, was bei den anderen dann als Neuzugang gekennzeichnet ist. Wenn Bedarf besteht, macht Max auch eine Einweisung in die Oberfläche.“

Kevin grinste in sich hinein, als er fast alle dabei sah, wie sie mit den Tablets spielten.

„Nächster administrativer Punkt kommt von Rafael.“

Plötzlich richtete sich die Aufmerksamkeit auf Rafael, der sich kurz räusperte.

„Aus technischen und taktischen Gründen habe ich mit Tobias abgesprochen, dass wir ein kleines Lagezentrum einrichten. Dort werden in Zukunft die Briefings stattfinden und der Raum wird entsprechend abgesichert, so dass wir dort auch Unterlagen der Sicherheitsstufe A1 bearbeiten können. Da wir die Unterkünfte nur ungerne vermindern würden, haben wir vorgeschlagen, die gesamte Anlage in der Doppelgarage unterbringen. Der an der Rückwand gelegene Abstellraum wird der Serverraum, die Garage das Lagezentrum. Es wird einige Umbauten im Bereich des Büros geben, wo eine neue Tür installiert werden muss. Tore, Fenster und Türen werden im Bereich des Lagezentrums von innen zugebaut, ansonsten aber nicht verändert, damit von außen keine Veränderungen erkennbar sind. Der Vorschlag wurde von der Division genehmigt und die Bauarbeiten werden am Anfang der nächsten Woche beginnen.“

Es gab einige erstaunte Blicke, aber keine weiteren Kommentare. Kevin nickte beifällig.

„Sehr schön, wo wir dann gerade bei der Garage sind, habe ich auch noch eine Ankündigung zu machen. Ich habe mich mit Kyan beraten und wir sind einer Meinung darin, dass wir unseren Fuhrpark erweitern sollten. Der 8-Sitzer gehört dem Seminar für Christliche Studien, der wird auch dorthin wieder abgegeben. Der SUV ist ja nun auf meinen Namen zugelassen worden, den werde ich auch behalten. Als Ersatz für den 8-Sitzer haben wir zwei PKW-Kombi bestellt. Handelsüblich, weil sie als Firmenwagen angemeldet werden. Sie können in knapp einem Monat direkt ab Werk in Ingolstadt abgeholt werden.“

„Whow, ganz was exklusives.“

„Wie gesagt, das sind offizielle Firmenwagen. Wer darüber hinaus ein Fahrzeug haben möchte, muss es sich leider selber kaufen. Und damit sind wir schon bei etwas Neuem für uns, nämlich dem Geld. Bitte, Kyan.“

„Wie bereits vorher schon öfter erwähnt gibt es ab heute das Gehalt. Das ist vollkommen offiziell und abgabenpflichtig. Unsere Firmenzentrale hat inzwischen alle relevanten Unterlagen bekommen und ich hoffe, dass am Ende des Monats die Gehaltsabrechnungen und auch das Geld eintreffen.“

Lucien sah immer noch etwas genervt aus.

„Komplizierter ging’s nicht oder?“

„Nein, tut’s tatsächlich nicht. Wir sind nämlich noch lange nicht fertig. Wir müssen einen Job haben und ein Gehalt beziehen, sonst kommt uns das Finanzamt auf die Schliche. Es können eben nicht neun Leute munter hier wohnen und kein Geld haben und keine Steuern bezahlen. So etwas ist im Berufsalltag eines Steuerbeamten nicht vorgesehen.“

Nach dem kurzen Gelächter wurde Kyan wieder ernst.

„Der nächste Punkt ist unsere Unterkunft. Die Mietverträge sind ja von jedem bereits unterschrieben worden. Es sind WG-Mietverträge mit mehreren Hauptmietern. Das Gleiche gilt für die Verpflegung. Die Firma bezuschusst die Verpflegung mit einem bestimmten Tagessatz. Da wir nicht, wie alle anderen Mitarbeiter in einer Werkskantine essen können, gibt es eine Zuschuss von 5,80 € pro Person und Arbeitstag. Das macht im Monat durchschnittlich 116 € pro Person. Da dies natürlich nicht ausreicht, um unsere Verpflegungskosten abzudecken, möchte ich gerne ein Verpflegungskonto einrichten, in das jeder einen monatlichen Betrag einbezahlt. “

Max nickte enthusiastisch, doch er wurde von Tobias angestoßen.

„Wieviel brauchen wir denn?“

Kevin sah auf und rechnete kurz nach.

„Es kommt darauf an, ob wir unsere Ansprüche zurückschrauben wollen oder so weitermachen wie bisher. Wir benötigen etwa 150 € pro Mann und Monat. Das ist nur die reine Verpflegung. Dazu kommen noch Gemeinschaftsausgaben wie Badartikel oder Haushaltswaren. Noch mal etwa 20 € pro Mann und Monat. Ich würde vorschlagen, jeder zahlt von seinem Gehalt 60 € pro Monat in ein Gemeinschaftskonto ein, von dem dann diese Ausgaben bestritten werden. Alles andere, was ihr sonst noch so bekommen habt, müsst ihr ab sofort selber kaufen.“

Alle am Tisch sahen sich etwas betreten an.

„Na, kein Problem, 60 € sind ja nicht der Renner. Wenn ich mich recht erinnere, war da von 1800€ netto die Rede. Ist ja nicht so, dass wir jedes Wochenende wilde Partys feiern.“

Die meisten stimmten Tobias zu, während Lucien hektisch auf seinem neuen Tablet tippte.

„Oh, Mann. Bei den ganzen Sachen die ich unbedingt brauche, kann ich mein Motorrad ja wohl erst mal abschreiben.“

Kyan grinste ihn an.

„Ich kann dir ja mal meines leihen.“

Alle Köpfe ruckten herum. Lucien sah Kyan sprachlos an.

„Du… du hast ein Motorrad?“

„Jep. Hab ich mir nach dem Abschluss der Lehre gekauft. Steht immer noch in der Kfz-Halle der Gestaltwandler-Schule.“


Der Übergang zur Softwarefirma verlief reibungslos. Dann kamen die Bauarbeiter. Eine von der Organisation beauftragte Spezialfirma erstellte in erstaunlich kurzer Zeit die gewünschten Änderungen, inklusive der neuen Vernetzung und der Sicherheitseinrichtungen.

Kevin und Max sahen sich vor der offiziellen Einweihung die neue Einsatzzentrale an.

„Das hier ist der Serverraum. Der Zugang vom Garten aus wurde versperrt, damit ist die nutzbare Fläche sogar etwas größer als oben im ehemaligen Ankleidezimmer. Hier stehen der Zentralserver für den öffentlichen Zugang, der Sicherheitsserver für die Kommunikation mit der Organisation und der Hausserver für das Domestic Ethernet.“

Max wies auf einen futuristisch aussehenden Arbeitsplatz mit mehreren Monitoren und diversen Bediengeräten.

„Außerdem ist hier auch der Arbeitsplatz des Systemadministrators.“

Max wies nach draußen in die ehemalige Doppelgarage.

Die eine Schmalseite, wo früher das Garagentor gewesen war, zierte nun ein riesiger Flachbildschirm. Daneben war ein klassisches Rednerpult für Vorträge aufgebaut. Vor dem Bildschirm befanden sich drei Reihen von kleinen Einzeltischen mit je einem Drehstuhl. Kevin zählt die Sitzplätze.

„Drei Reihen mit sechs Plätzen sind doppelt so viel, wie wir brauchen.“

„Vielleicht. Ich erinnere daran, dass wir bei Bedarf Personal anfordern können und dass ja vielleicht auch mal der Kommandeur einem Briefing lauschen möchte.“

Kevin hob erstaunt die Augenbrauen, sagte aber nichts.

„Der Monitor an der Wand hat 100 Zoll. Das dürfte in dem kleinen Raum reichen. Die Tische sind alle mit Adaptern ausgerüstet, so dass jeder sein Tablet anschließen und auf den Vortrag oder was auch immer zurückgreifen kann. Falls notwendig, können auch von jedem Platz aus Informationen auf dem großen Monitor angezeigt werden.“

Kevin stellte sich hinter das etwas erhöhte Rednerpult und sah auf die Sitzreihen herab. Max deutete auf das Pult.

„Auch hier das Gleiche. Anschlussmöglichkeit für das Tablet und Zugriff auf alle Datenbestände und den Monitor.“

Kevin sah nun hinüber nach links, zu der Außenmauer der Garage. Dort waren drei Arbeitsplätze direkt nebeneinander aufgebaut, jeder ausgerüstet mit zwei übereinander angeordneten Monitoren und einer erweiterten Tastatur.

„Das ist das eigentliche Lagezentrum. Von hier aus lassen sich das Gebäude, das Grundstück und wenn es notwendig sein sollte, auch alle Mitglieder des Teams überwachen.“

„Was? Die Leute auch?“

Max hob beruhigend eine Hand.

„Es ist nur für Einsätze vorgesehen. Falls es notwendig werden sollte, können alle Personen und Fahrzeuge mit Peilsendern ausgerüstet und von hier aus verfolgt werden. Alle Personen mit Peilsender bekommen auch eine Kommunikationsverbindung, damit sie sich melden und wir notfalls auch Anweisungen geben können.“

Kevin betrachtete skeptisch die Anlage.

„Wenn ich jetzt Lucien wäre, würde ich sagen, dass ist so etwas wie in SWAT oder so.“

„Viel besser. Wir sind erheblich unauffälliger, weil nicht bewaffnet. Was glaubst du, wie auffällig Lucien aussehen würde, wenn er in seinen abgefahrenen Klamotten, mit einem dieser großen bunten Kopfhörer auf, durch die Fußgängerzone von Köln schlendert.“

Unwillkürlich musste Kevin bei dieser Vorstellung lachen und Max stimmte ein.

„Na gut. Aber da muss jeder einzelne zustimmen. Wir werden die Versammlung heute Nachmittag hier abhalten. Oder spricht was dagegen?“

Max schüttelte den Kopf.

„Nein. Ich, melde das Einsatz- und Lagezentrum der Special Mission Unit einsatzbereit, Herr Oberleutnant.“

Max konnte sich gerade noch wegducken um der Hand zu entgehen, die auf seinen Hinterkopf gezielt hatte.


Als die ganzen „Ahhhs“ und „Ohhhs“ verklungen waren, machte Max noch einmal eine kurze Führung durch das Lagezentrum.

Zum Abschluss betrachtete Lucien noch einmal die Anordnung der Arbeitstische vor dem großen Monitor.

„Ist echt toll, aber ein bisschen unpraktisch.“

Max sah ihn fragend an.

„Na, wenn wir bei Vorträgen zusammenarbeiten, sollten wir auch direkt nebeneinander sitzen. Ich würde vorschlagen, wir machen Dreier-Kombinationen. Jeweils zwei in einer Reihe und drei hintereinander. Das reicht für den normalen Dienstbetrieb und wir können uns bei Bedarf jederzeit anders aufteilen.“

Kevin überlegte kurz. Dann sah er zu Max.

„Macht mal. Und dann teilt euch auf, so wie ihr meint, wie es am besten bei einer normalen Besprechung ist.“

Begeistert schoben die jungen Herren die Tische zusammen und nach einer kurzen Phase der Konfusion saßen alle an ihren gewünschten Plätzen.

Kevin stand am Pult und sah herunter. Direkt vor ihm saßen Lucien und Max. Am Dreiertisch daneben saßen Tobias, Lucas und Michael, mit Tobias in der Mitte. Und in der Reihe hinter Lucien und Max saßen Robin, Kyan und Rafael, mit Kyan in der Mitte.

Kevin nickte, als er sich noch einmal daran erinnerte, wer welche Aufgaben hatte. Dann grinste er leicht und sah nach links zu Tobias.

„Gute Idee. Aber ich glaube, ihr werdet gleich noch einmal die Plätze wechseln. Für unseren ersten Auftrag haben Tobias und ich uns nämlich überlegt, dass wir für die drei zu klärenden Fälle unser Team aufteilen und diese dann parallel bearbeiten. Tobias, bitte.“

Tobias wischte auf seinem Tablet herum und auf dem Monitor erschien eine kleine Liste mit drei Gruppen.

„Einsatzteam Eins bearbeitet den Fall des verschwundenen Astralmagiers. Das Team besteht aus Michael, Rafael und Kyan. Einsatzteam Zwei besteht aus Kevin, Lucas und Robin und bearbeitet den Fall dieses untergetauchten Elementars und Lucien und ich bilden Team Drei und forschen nach dem Typ in Thailand. Bevor jemand fragt, Max bleibt in der Zentrale, bearbeitet die Anfragen und koordiniert die Einsätze, wenn notwendig.“

Interessiert sahen alle auf den Monitor und Robin beugte sich über seinen Tisch um Lucien in den Rücken zu pieksen.

„Hast es ja wieder gut getroffen. Ihr müsst doch bestimmt dienstlich nach Thailand.“

Lucien fuhr herum, dann erstarrte er. Daran hatte er überhaupt noch nicht gedacht. Kevin räusperte sich und bedachte Robin mit einem bösen Blick.

„Das steht noch gar nicht fest. Aber selbst für einen solchen Fall haben wir vorgesorgt. Ende dieses Monats beginnen in Bayern die Schulferien. Ich habe an Haus Birkenstein eine Anfrage stellen lassen, ob wir einige der Schüler während der Ferien hier im Haus als Praktikanten einstellen können. Die Anfrage wurde positiv beschieden. Zum ersten des nächsten Monats erscheinen hier sechs Praktikanten für die ganzen Sommerferien.“

Überall ringsum gab es strahlende Gesichter, denn sie kannten inzwischen alle die Geschichte des abgedrehten Kampfmagiers, der so viel Unheil über die Schule gebracht hatte. Lucas grinste Kevin an und der nickte kurz, dann drehte sich Lucas um.

„Als Verstärkung für Team Eins wurden Daniel und Felix eingeladen. Wir möchten ungerne einen Astralmagier verfolgen, ohne einen eigenen Astralmagier zu haben. Das gleiche gilt für Team Zwei. Hier ist es möglicherweise noch wichtiger, einen eigenen Elementar zu haben. Deshalb werden Christian und Leon zu uns kommen. Und für Team Drei, eigentlich ja keine Überraschung, kommen Prasong und Florian. Damit wären sogar die sprachlichen Hürden abgedeckt, sollten sie sich tatsächlich nach Thailand begeben müssen.“

Rafael machte ein etwas gequältes Gesicht.

„Und wo willst du die alle unterbringen?“

Kevin stutzte einen Moment, dann lächelte er Rafael an.

„Wofür haben wir einen S1? Ihr dürft euch alle Gedanken und auch Vorschläge machen. Rafael wird sie gerne entgegennehmen.“

Nur wenige Minuten später waren Rafael, Robin und Max in ein intensives Gespräch verwickelt. Kurze Zeit später wurde auch Kyan dazu gerufen. Nach viel Getuschel und jeder Menge Gestikulation schien das Ergebnis festzustehen. Rafael sah nach vorne zu Kevin.

„Die Lösung war eigentlich schon vorgegeben. Das Ankleidezimmer ist frei geworden und kann als Schlafraum genutzt werden, ebenso wie das Gästezimmer unten. Da wir die Paare nicht trennen wollten, gibt es folgenden Vorschlag. Christian und Leon ziehen zu Kevin und Lucas. Der Platz dort reicht aus. Daniel und Felix bekommen das Ankleidezimmer. Max bleibt im Master-Bedroom, eventuell mit Kyan und Robin. Es sei denn, die beiden möchten zu Lucien und Tobias oder zu uns. Prasong und Florian bekommen das Gästezimmer.“

Kevin sah die Planung bei sich auf dem Tablet aufpoppen und dann auch auf dem großen Monitor. Robin brummte etwas nachdenklich.

„Lediglich mit den Nassräumen wird das dann sehr sportlich. Mindestens eine Stube von oben muss dann unten das Gästebad mitbenutzen.“

Kevin nickte langsam.

„Die Idee ist gar nicht so schlecht. Es ist ja nur für höchstens sechs Wochen, das werden wir schon durchstehen. Ich möchte dann, dass sich jedes Team mit seinem zugewiesenen Fall befasst, so dass wir am Ende des Monats, wenn unsere Praktikanten kommen, schon ein paar Spuren haben, denen wir gemeinsam nachgehen können. Was den Fall in Thailand angeht, möchte ich… nein, halt. Lucien, erkundige dich bitte nach der SMU in Südostasien. Das sind ja auch diejenigen, die uns die Empfehlungen zum Aufbau einer eigenen Sondereinheit gegeben haben. Ich möchte gerne wissen, ob die uns ohne großes bürokratisches Drumherum helfen können. Und wenn wir dann eine Antwort haben, möchte ich von Rafael und Max oder auch Kyan einen Entwurf für eine Vorlage haben, in der wir anregen, den Kontakt zwischen den einzelnen Special Mission Units direkt und unmittelbar durchführen zu dürfen, um im Notfall einen gemeinsamen koordinierten Einsatz durchführen zu können.“

Rafael, Tobias und Lucien sahen Kevin mehr als erstaunt an. Lucien kratzte sich etwas ratlos am Kopf.

„Du weißt aber schon, dass wir uns damit ziemlich weit aus dem Fenster lehnen?“

„Nein, das ist doch ein ganz naheliegender Gedanke. Wenn jede Division eine SMU hat, lassen sich Probleme sogar ganz einfach lösen, die jetzt einen großen Aufwand an Zeit und Verwaltung kosten. Bestes Beispiel ist doch unser Auftrag. Rein theoretisch könnte die SMU in Südostasien den Auftrag übernehmen, ihn abschließen und uns nur noch einen Bericht schicken.“

Rafael lachte.

„So einfach werden sie es uns nicht machen. Aber ich sehe, was du meinst. Wir kümmern uns darum, sobald wir wissen, wie es tatsächlich dort unten aussieht, was die machen und ob sie uns helfen können.“

„Gut dann mal an die Arbeit. Wir haben nur noch knapp vier Wochen, bis unsere ‚Praktikanten‘ kommen.“


Die sechs ‚Praktikanten‘ wurden mit einem der 8-Sitzer der Schule gebracht und standen nun am späten Nachmittag staunend vor der nicht gerade sehr großen Villa. Christian grinste etwas und stieß Leon leicht an.

„Die Wette gilt.“

Leon grinste zurück. Dann gefror sein Grinsen, als die Tür aufging und eine ganze Horde junger Männer heraustrat. Leon musste zugeben, dass Christian die Wette gewonnen hatte, denn alle waren ähnlich gekleidet und trugen nur unterschiedlich farbige T-Shirts zu blauen Jeans. Wie bei Lucas und Kevin zu erwarten gewesen war, trugen sie gelb und rot. Ein weiteres Paar großer blonder junger Männer trug blau und rot und dann war noch ein weiteres Paar in blau und rot. Leon drehte sich nun zu Christian.

„Was ist das denn? Orange habe ich noch nie gesehen und auch nicht schwarz.“

Christian lächelte versonnen und betrachtete neugierig den zweiten jungen Mann neben Robin mit dem orangefarbigen T-Shirt. Ein zweiter Gestaltwandler war mehr als Außergewöhnlich. Dass Max sich für schwarz entschieden hatte, sah ihm ähnlich.

„Herzlich Willkommen bei Digisoft. Ich möchte euch bitten, euer Gepäck erst einmal im Wohnzimmer zwischenzulagern. Wir möchten euch zunächst eine kleine Einweisung geben, danach die Unterkünfte verteilen und dann kommen wir zum gemütlichen Teil. Bitte einfach nur mir folgen.“

Da Kevin und Lucas schon bekannt waren, folgten die sechs Neuankömmlinge ihnen bereitwillig in das Wohnzimmer um das Gepäck abzulegen. Viele neugierige Blicke wanderten hinüber zu den anderen Magiern, die gut an den farbigen T-Shirts zu erkennen waren. Lediglich die drei jungen Männer in Orange und schwarz bildeten ein Rätsel.

„So, alle fertig? Dann mir nach.“

Als sie das Lagezentrum betraten, blieben doch einige stehen und sahen sich staunend um.

„Ihr setzt euch einfach in die erste Reihe. Es gibt nur zwei kleine, kurze Vorträge, der eine über das Gebäude, der andere über die Special Mission Unit.“

Den ersten Vortrag hielt Max und man hörte leises Murmeln, als er sich vorstellte.

„Mein Name ist Unteroffizier Maximilian Harder. Ich bin der IT-Systemadministrator der Einheit und gehöre zum Logistik-Corps der Organisation. Ich möchte zwei Dinge vorstellen. Das eine ist das Gebäude mit seinem Layout und seinen Einrichtungen, das andere sind das Sicherheitskonzept und die Sicherheitseinrichtungen des Gebäudes. Beginnen wir mit dem Grundriss…“

Es dauerte tatsächlich nicht mehr als zehn Minuten, bis Max fertig war. Danach kam Tobias an die Reihe.

„Mein Name ist Leutnant Tobias Kerner und ich bin der S3 der Einheit. Ich gebe nun einen kurzen Einblick in das Konzept einer Special Mission Unit. Wie der Name schon sagt…“

Tobias war sogar in weniger als zehn Minuten fertig und gab zurück an Kevin.

„Vielen Dank. Als dritter Programmpunkt ist eine etwas ungewöhnliche Vorführung geplant, deshalb möchte ich bitten, die Tische und Stühle dort hinten ganz an die Wand zu stellen.“

Das Umräumen ging schnell. Kevin gab seinen Leuten einen Wink und Lucien und Michael stellten sich etwas vor die Gruppe der ‚Praktikanten‘

„Aus Sicherheitsgründen wird jetzt gleich eine Barriere erstellt. Damit dürfte euch klar sein, dass gleich etwas stattfindet, was noch nicht Teil eures Unterrichts war. Um eines von vornherein klarzustellen. Die Barriere ist nicht etwa dazu da um euch zu schützen, sondern um euch von unbedachten Reaktionen abzuhalten.“

Fünf der der Neuen sahen sich verwirrt an, während Christian zustimmend nickte. Kevin sah ihn an.

„Bleibst du bei Leon?“

„Selbstverständlich.“

Leon ruckte zu ihm herum.

„Du weißt, was kommt?

„Natürlich. Aber lass dich überraschen.“

Leon war etwas verwirrt, als Christian ihm einen Arm über die Schulter legte und ihn fest an sich zog. Dann sah er interessiert nach vorne. Eine rötliche Barriere hatte sich aufgebaut, also eine Energiebarriere. Die Kampfmagier würden ihre Fähigkeiten nicht einsetzen können.

Dann trat einer der beiden Männer in den orangefarbigen T-Shirts in die Mitte des Raumes und begann sich auszuziehen. Grinsend bemerkte Christian, wie Leon ganz interessiert zu Robin hinüberstarrte, der jetzt auch sein letztes Bekleidungsstück abstreifte.

Als Robin sich zu verwandeln begann, erstarrte Leon erst, dann wandte er sich nervös hin und her.

„Was… was ist das?“

„Für was würdest du es denn halten?“

Leon starrte ebenso wie die anderen hinüber zu Robin, der in seiner Wolfsgestalt ganz friedlich da saß.

„Ein… ein Werwolf?“

„Nicht ganz. Ein Gestaltwandler. In diesem Fall ein Lykanthrop, ein Wolfswandler.“

„So-sowas gibt es wirklich?“

Felix starrte immer noch auf Robin, während Daniel in seine Astralsicht gewechselt hatte. Prasong und Florian flüsterten leise miteinander. Kevin hob auf der anderen Seite eine Hand.

„Ich kann euch leider nicht besser vorbereiten, aber jetzt kommt der zweite Teil.“

Leon spürte, wie Christian ihn von hinten mit beiden Armen umklammerte. Vor der Barriere begann sich der Wolf noch einmal zu verwandeln. Er wuchs, richtete sich auf, die Beine knickten ein, die Hände wurden zu Klauen. Aber das bemerkenswerteste war der Kopf mit einer langen Schnauze und riesigen Fängen in dem halb aufgerissenen Maul. Das dunkelblonde Haar war einem dichten, fast graugelben struppigen Fell gewichen. Ein tiefes Grollen erklang in dem kleinen Raum. Leon versuchte sich loszureißen, doch Christian hielt ihn fest. Felix zappelte nervös, lediglich Florian war einigermaßen ruhig, doch Prasong redete unaufhörlich auf ihn ein.

Der riesige Werwolf wurde wieder kleiner und innerhalb weniger Sekunden saß ein unschuldiger grauer Wolf an der gleichen Stelle wie zuvor. Leon atmete zischend aus, als Christian ihn losließ. Als die Barriere erlosch, sah Leon misstrauisch zu dem Wolf, doch Christian zog ihn mit sich.

„Was ist?“

„Ich möchte ihn dir vorstellen.“

„Was?!“

Christian hockte sich vor den Wolf und zog Leon mit sich herunter.

„Leon, das ist Leutnant Robin Wolff, Gestaltwandler-Korps.“

Christian streckte seine Hand aus und Robin gab ihm seine Pfote. Vollkommen Perplex streckte Leon nun auch zögernd seine Hand aus und Robin gab ihm ebenfalls seine Pfote.

„Robin, das ist Leon. Mein Kampfmagier.“

Der Wolf nickte heftig und Leon sah zu Christian.

„Er versteht uns auch in dieser Form?“

„Oh ja. Sehr gut sogar. Also sei vorsichtig was du sagst. Er reagiert etwas allergisch auf Sachen wie Leinen oder Gassi gehen.“

Robin knurrte deutlich.

Hinter Christian und Leon standen nun auch die anderen vier und sahen auf Robin herab. Prasong und Florian waren die nächsten die sich abhockten. Christian machte die Vorstellung.

„Prasong Heimann, Bannmagier und Florian Schmitz, Kampfmagier.“

Beide bekamen das Pfötchen und Florian war ganz fasziniert.

„Darf – darf ich dich streicheln?“

Robin fiepte und legte sich hin. Florian fuhr ihm mit langen Bewegungen durch das dichte Fell, bis Robin sich wieder hinsetzte.

„Und zum Schluss Daniel Bauer, Astralmagier und Felix Läutner, Kampfmagier.“

Auch hier gab es wieder das Pfötchen, auch wenn Felix sich anscheinend nicht so nah herantraute. Kevins Stimme kam aus dem Hintergrund.

„Vielen Dank, Robin. Du bist erst einmal fertig.“

Die Rückverwandlung dauerte nur ein paar Sekunden und Robin stand wieder splitternackt vor der ganzen Gruppe, die ihn nun umso interessierter ansah. Robin nahm seine Sachen auf, ohne sie allerdings anzuziehen und setzte sich nur weiter hinten bei der Einsatzleitstelle auf einen der Drehstühle.

„Wie vielleicht einige schon vermutet haben, ist die Farbe Orange das Kennzeichen des Gestaltwandler-Korps. Wir haben noch einen zweiten Gestaltwandler in unserer Einheit, der nicht für den taktischen Kampfeinsatz, sondern für die Ermittlungsarbeit vorgesehen ist. Da er ebenfalls in seiner Tiergestalt mit uns arbeiten wird, möchte ich ihn auch in dieser Form vorstellen. Kyan, bitte.“

Als Kyan nach vorne trat und seine Sachen ablegte, bemerkte Christian grinsend, wie Leon sich etwas wand und unauffällig versuchte, ein Problem in seiner Hose zu korrigieren. Auch Christian musste zugeben, dass Kyan außergewöhnlich gut aussah, na zumindest für seinen Geschmack.

Als die Verwandlung begann, konnte man sofort sehen, dass es kein Wolf werden würde. Etwas überrascht starrten die Neuen dann auf den rotbraunen Luchs mit den typischen Pinselohren.

Nun kam Robin von der Seite und näherte sich Kyan.

„Ein Eurasischer Luchs. Die lateinische Bezeichnung ist Lynx lynx. Im Gegensatz zu den wildlebenden echten Tieren sind Gestaltwandler etwas größer und schwerer, haben aber ansonsten die gleichen Fähigkeiten wie das Tier. Beim Luchs sind das Gehör und die Augen am ausgeprägtesten.“

Robin trat auf den Luchs zu und deutete auf die Haarpinsel, ohne sie jedoch zu berühren.

„Die Haarpinsel an den Ohren sind bis zu fünf Zentimeter lang und verstärken die Fähigkeit, Lautquellen zu orten. Damit können Luchse das Rascheln einer Maus noch aus 50 Metern Entfernung wahrnehmen und ein vorbeiziehendes Reh noch 500 Meter entfernt hören.“

Nun deutete Robin auf die Augen.

„Die Augen sind etwa sechsmal so lichtempfindlich wie die Augen eines Menschen, was dem Luchs die Fähigkeit gibt, bei Dämmerung und in der Nacht zu sehen und zu jagen. Das Fell ist normalerweise rotbraun mit individuellen Flecken, aber die können manchmal, so wie hier, komplett fehlen. So, das war’s, aber ihr könnt ruhig näher kommen. Kyan beißt nicht, genauso wenig wie ich, übrigens. Na ja, meistens.“

Der erste, der näher trat war Florian. Er sah dem Luchs fasziniert in die Augen, dann fiel ihm ein, dass es ja eigentlich ein Mensch war und kein Tier.

„Darf ich dich streicheln?“

Mit dem typischen indignierten Blick einer Katze legte sich Kyan auf die Seite und Florian begann ihn zu streicheln, genau wie vorhin Robin. Ganz in Gedanken versunken spürte Florian plötzlich eine weiche Schnauze an seiner rechten Seite. Robin hatte sich wieder in einen Wolf verwandelt und wollte ebenfalls Streicheleinheiten. Lachend legte sich Florian zwischen die beiden Gestaltwandler und wuschelte im Fell. Prasong sah seinem Partner sprachlos zu. Darauf war er nun gar nicht gefasst gewesen.

Kevin klatschte in die Hände.

„So, Leute. Jetzt werden die Unterkünfte verteilt und dann gibt es Abendessen. Wir haben beschlossen, alle Mahlzeiten als Buffet zu gestalten, denn mit fünfzehn Mann ist es ganz schön eng hier. Dazu werden jeweils drei Mann für den Küchendienst abgeteilt, bei fünf Gruppen wechselt das dann ohnehin zwischen den einzelnen Zeiten. Heute Abend…“

Kevin sah erstaunt auf einen Zettel, den ihm Rafael in die Hand gedrückt hatte.

„..sind dran, Rafael, Lucien und Florian. Hm, ich hoffe das wird einigermaßen essbar. Aber jetzt erst mal die Unterkünfte. Prasong und Florian bleiben gleich hier unten, der Rest folgt mir nach oben.“

Als sich Florian zwischen den beiden Gestaltwandlern erhob, sah Kevin noch, wie er Kyan etwas in ein aufgestelltes Ohr flüsterte und Kyan nickte zustimmend. Zumindest sah es so aus, denn das Gesicht der großen Katze ließ keine weiteren Rückschlüsse zu. Kevin schüttelte nur den Kopf. Wozu verteilte er eigentlich die Zimmer?


Am nächsten Morgen traf Kyan Robin direkt vor der Tür zum Badezimmer. Robin betrachtete kritisch Kyan müdes Gesicht.

„Hey, wo warst du denn die ganze Nacht?“

Kyan lächelte leicht.

„Unten.“

„Was? Bei Prasong und Florian? Das hätte ich jetzt nicht gedacht. Obwohl, Florian schien ja sehr angetan von deinem Fell.“

Kyan lachte, dann schüttelte er fast ungläubig den Kopf, als er die Nacht noch einmal Revue passieren ließ. Schweigend betraten sie das Bad und zogen sich automatisch aus. Kyan sah bewundernd an Robin herab, während dieser ihm spielerisch durch die Haare fuhr. Kyan grinste ihn an.

„Florian war so begeistert, ich glaube, er ist enttäuscht, dass er nicht selber ein Gestaltwandler ist. Und wo warst du?“

Robin seufzte.

„Zusammen mit Max bei Daniel und Felix. Du hast doch sicherlich bemerkt, dass Felix etwas sehr zurückhaltend war. Er hat ein grundsätzliches Problem mit großen Tieren. Er war noch nie in seinem Leben mit einem Tier konfrontiert, dass größer als eine Hauskatze war. Er hat Angst, weil er das Verhalten des Tieres nicht interpretieren kann.“

„Puh, das kann eine Weile dauern.“

Kommentarlos zog Kyan Robin unter die Dusche und griff nach dem Shampoo. Robin schloss genießerisch die Augen, dann fiel ihm etwas anderes ein.

„Sag mal, du bist ja nicht gerade wasserscheu. Als Luchs auch nicht?“

Kyan stoppte kurz beim Einseifen, dann drehte er Robin mit dem Gesicht zur Wand.

„Nein. Das Fell ist ziemlich dicht und das Winterfell besonders. Bis da Feuchtigkeit durchdringt dauert es schon eine ganze Weile. Schwimmen ist was anderes. Wenn sich das Fell dann doch vollsaugt, wirst du schnell schwerer, als dir lieb ist.“

Nun drehte er Robin wieder um und sah ihm ins Gesicht.

„Fertig. Nun bin ich dran. Denk dran, die anderen wollen auch noch rein.“

„Schade, aber du hast Recht. Wir haben bestimmt noch mehr Gelegenheiten, nicht wahr, meine kleine Miezekatze?“

Kyan stutzte erst, dann lächelte er und beugte sich nach vorne. Kyan und Robin fanden sich zu einem sehr sinnlichen Kuss, der ziemlich lange andauerte, bis das erste Klopfen an der Badezimmertür ertönte.


„So, meine Herren. Nachdem die einzelnen Teams jetzt feststehen, möchte ich, dass die jeweiligen Teamleiter die ihnen zugeteilten Fälle mit ihren Leuten Schritt für Schritt durchgehen. Von den ersten Informationen bis zum aktuellen Stand. Max wird für unsere ‚Praktikanten‘ noch jeweils ein Tablet verteilen, so dass jeder alle Informationen hat und mitarbeiten kann.“

Max ging in der Einsatzzentrale herum und verteilte die sechs Tablets.

„Team Eins kann gleich hierbleiben. Team zwei möchte ich gerne im Wohnzimmer haben und Team drei… Tobias, wo wollt ihr hin?“

„Wir nehmen hier unten das Gästezimmer. Prasong und Florian sind einverstanden.“

„Sehr gut. Auf geht’s.“

Team 1

Kevin bedeutete seinem Team, ihm ins Wohnzimmer zu folgen. Lucien und Tobias zogen sich mit Prasong und Florian ins Gästezimmer zurück, während Michael sich nachdenklich umsah. Daniel und Felix lasen beide aufmerksam die Zusammenfassung des Falles auf ihrem Tablet, während Kyan irgendwie unsicher von einem zum anderen blickte. Michael räusperte sich.

„So, Leute. Ich weiß, es klingt blöd, aber für mich ist es das erste Mal, dass ich offiziell irgendetwas leiten soll, genau wie für Rafael. Bevor wir hier in die Arbeit einsteigen, möchte ich euch eigentlich ganz gerne näher kennenlernen. Es ist schwierig, jemandem eine Arbeit zu übertragen, wenn man dessen Fähigkeiten nicht genau kennt.“

Daniel und Felix sahen sich etwas erstaunt an.

„Ich weiß, was ihr gerade gedacht habt, aber es geht nicht nur um magische Fähigkeiten. Es gibt viele Interessen und Hobbys, die sich als nützlich herausstellen könnten. Besonders hier bei uns, denn wir kämpfen nicht einfach gegen Dämonen, sondern müssen viel variabler sein. Außerdem haben wir ja auch noch Kyan in unserem Team. Da ist es umso wichtiger zu erfahren, was er alles kann, in der einen und auch in der anderen Form. Erstes Beispiel soll jetzt mal Rafael sein. Seine Hobbies sind Fremdsprachen und alte Sprachen. Er spricht Deutsch, Englisch, Französisch, Latein, Altgriechisch, Hebräisch… und was war das noch?“

Rafael grinste bei dem fast entsetzten Gesicht von Daniel, als er antwortete.

„Dazu kommen noch als Schriftsprachen Hieroglyphen und Hieratisch.“

Daniel sah Rafael fragend an, doch bevor der antworten konnte, kam die Antwort von Felix.

„Hieratisch ist eine Schnellschrift der alten Ägypter. Erst als Ersatz für die Hieroglyphen und dann als Demotische Schrift allgemeiner verbreitet.“

Rafael hob erstaunt die Augenbrauen, während Michael lachte. Daniel sah von Felix zu Rafael, dann wieder zurück zu Felix. Michael seufzte.

„Tja, Daniel, ich glaube, wir sind erst mal abgeschrieben, wenn die beiden sich näher unterhalten. Aber bevor das soweit ist, was ist mit euch?“

Felix wollte eigentlich etwas zu Rafael sagen, doch dann besann er sich auf die Frage.

„Also, in der Schule war ich eigentlich immer der Streber. Schwerpunkt auf den Fremdsprachen Englisch, Französisch, Spanisch. Sport ging so, hauptsächlich Leichtathletik, damit ich nicht mit den anderen Deppen Fußball spielen musste. Ansonsten sind meine Hobbies Geschichte und Basteln.“

Felix lächelte etwas schüchtern bei der letzten Aussage. Daniel sah ihn an.

„Klingt etwas merkwürdig, aber Felix macht Modellbau. Schiffsmodelle, so im Maßstab 1:100, die dann auch ferngesteuert werden können.“

Michael sah hinüber zu Felix.

„Oh, echt? Das stell ich mir ganz interessant vor. Obwohl, ich hätte wohl nicht die Geduld dazu.“

„Ist schon ziemlich langwierig bei einigen Modellen, aber ich finde es lohnt sich. Los, Daniel, jetzt du.“

Daniel merkte, dass Felix ein wenig von sich ablenken wollte, aber er tat ihm den Gefallen.

„Um wieder bei der Schule anzufangen, da war ich ziemliches Mittelmaß. Die einzigen herausragenden Fächer waren Mathematik und Physik. Sport ist überhaupt nicht mein Ding, auch jetzt noch nicht wirklich mit Begeisterung, obwohl Felix es geschafft hat, mich bei einigen Sportarten etwas mitzureißen. Hobbies sind die typischen Hobbies eines Couch-Potatoes: Lesen und Computerspiele, wobei Lesen hauptsächlich Science-Fiction und Fantasy umfasst.“

Felix sah Daniel jetzt etwas traurig an.

„Ja, wobei er sagen sollte, dass er über zweitausend Bücher zu Hause gehabt hat. Alles nur Science-Fiction und Fantasy-Titel.“

Rafael wirkte erstaunt und drehte sich zu Michael um, aber der hatte bereits Kyan ins Auge gefasst.

„Bei dir ist es ein Bisschen schwierig. Jedes Mal wenn ich dich sehe, denke ich automatisch an den Luchs, dabei hast du doch bestimmt auch ganz andere Qualifikationen.“

Kyan lächelte etwas säuerlich, aber dann nickte er.

„Es passiert oft, dass ein Gestaltwandler auf sein Tier reduziert wird, aber damit müssen wir halt leben. Ich habe eine Berufsausbildung als Kaufmann für Büromanagement. Das ist relativ neu und hier wurde alles zusammengelegt, was mit Kaufmann und Büro zu tun hat. Ich habe zum Beispiel für meinen Abschluss die Qualifikationen ‚Personalwirtschaft‘ und ‚Assistenz und Sekretariat‘ ausgewählt. Hobbies habe ich im engeren Sinne keine. Ich treibe noch etwas Kraft- und Ausdauersport, ach ja, und ich habe früher mal gerne Pen und Paper Rollenspiele gespielt.“

Daniel musterte Kyan etwas genauer.

„Okay, das mit dem Sport sieht man dir an. Aber was ist mit den Fähigkeiten deines… deines…ähhh?“

„Das Tier? Den Luchs hat Robin ja schon sehr gut beschrieben. In geschlossenen Räumen ist es etwas schwierig, die Ruhe zu bewahren, denn alles ist laut und hektisch. Doch draußen, besonders im Wald, ist es sehr angenehm. Wenn die Menschen meinen, es wäre still im Wald, weiß ich besser, wer oder was sich alles dort bewegt.“

Nach Kyans letzter Äußerung war tatsächlich eine kurze Stille im Raum, bis Rafael ein großes Blatt Papier hervornahm und sich umständlich räusperte.

„Bevor wir weitermachen noch etwas Offizielles. Das Gestaltwandler-Korps hat mitgeteilt, dass Herr Kyan von Södern, rückwirkend vom Ersten Juli an, als Offiziersanwärter geführt wird. Die Ausbildung erfolgt am Arbeitsplatz, die Termine der Prüfungen werden gesondert bekanntgegeben.“

Damit schob er Kyan das Schriftstück zu, der es erstaunt betrachtete.

„Herzlichen Glückwunsch oder sollte ich sagen herzliches Beileid? Ich weiß, was die Prüfungen alles beinhalten. Ist nicht gerade einfach.“

Bevor noch jemand etwas sagen konnte, legte Rafael Michael eine Hand auf die Schulter und sah ihn fragend an. Der nickte nur und Rafael fuhr mit der Vorstellung fort.

„Als letzter bleibt also noch Michael. Bei ihm sieht das etwas anders aus. Er kommt nun nicht gerade aus einer reichen Familie und musste sich seinen Lebensunterhalt während der letzten Jahre fast komplett selbst verdienen. Kurz gesagt, um über die Runden zu kommen, ist er auf den Strich gegangen.“

Daniel und Felix sahen Michael erstaunt an, sagten aber nichts. Michael nahm den Faden auf.

„Ich habe nicht viele Hobbies gehabt, wie ihr euch denken könnt. Die Schule war nicht einfach, besonders weil ich mir damals in den Kopf gesetzt hatte, Arzt zu werden. Deshalb meine etwas besseren Noten in Latein und Biologie, aber da ist ja nun leider nichts draus geworden. Wie auch immer, wir werden uns jetzt langsam mit unserem Fall beschäftigen. Ihr habt ja die kurze Zusammenfassung gelesen. Max hat damals am Anfang unserer Untersuchungen auch die Personalakten der Leute ergattern können. Die werden wir uns als erste vornehmen, ob sich darin irgendwelche, auch noch so unscheinbaren Hinweise finden. Hier ist es auch wichtig, auf die Formulierungen zu achten, ob nicht jemand eine Aussage vielleicht versteckt hat.“

Daniel und Felix sahen sich ratlos an, während Rafael seufzte.

„Tut mir leid, geht nicht anders. Jeder liest erst einmal für sich und macht sich bei Bedarf Notizen. Wenn alle fertig sind, werden wir die Notizen vergleichen und sehen, ob uns davon etwas weiterhilft.


Eine gute Stunde später waren die fünf noch kein Bisschen schlauer. Jeder hatte die vorliegenden Unterlagen studiert, aber es schien sich nichts Auffälliges darunter zu befinden.

Kyan sah hinüber zu Rafael.

„Sag mal, ist es üblich, dass am Ende der Schulzeit jeder seinem Partner einen Treueeid schwört?“

Rafael und Michael nickten spontan.

„Ja. Damit wird für alle sichtbar, dass sie ein Band der Liebe eingegangen sind und auch sie selbst können durch ihre eigenen Handlungen noch einmal reflektieren, was ihnen ihr Partner ab nun bedeutet.“

„Ach so. Hier in der Fußnote zur Vereidigung steht, dass dieser Christoph Harms zusammen mit seinem Partner nur einen Treueeid geschworen hat. Ich kann mich täuschen, aber gibt es auch eine andere Form von Eid?“

Michael sah erstaunt auf.

„Was? Die Formulierung lautet eigentlich auf ‚Liebe und Treue‘. Der Text der Eidesformel ist leider nicht überliefert. Das hab‘ ich komplett überlesen. Warte mal, hier in der anderen Akte von… tatsächlich, hier steht, beide Partner haben einen Eid der Liebe und Treue geschworen. Dann war das bei denen wohl so Ähnlich wie bei dem Plöger.“

Auf drei fragende Augenpaare hin erzählte Rafael kurz die schulische Karriere von Christoph Plöger. Felix grinste leicht.

„Heißen die Deppen denn alle Christoph?“

Das leichte Lachen verstummte, als Kyan eine Hand hob. Er hatte während der lustigen Einlage weitergelesen und war wieder auf etwas gestoßen, was er sich nicht erklären konnte.

„Hier steht, dass er nach der schulischen Ausbildung gekündigt hat. Kann er das so einfach und was passiert dann mit seinem Partner?“

„Zum ersten Teil ein Einfaches: Ja, er kann. Zum zweiten Teil: keine Ahnung. Den hatte bis jetzt ja keiner auf dem Radar. Der war ja nicht als ungeklärt deklariert gewesen. Ich lass Max mal eine Anfrage starten.“

Rafael benutzte dazu das Tablet und sah dann hinüber zu Max, der vor den Bildschirmen des Lagezentrums saß und etwas justierte. Max sah erstaunt auf sein Tablet, dann drehte er sich zu Rafael um, hob kurz eine Hand und verschwand dann in den Rechnerraum.

Nur etwa zehn Minuten später hatte Rafael das Ergebnis und er sah verblüfft auf sein Tablet.

„Ich glaub’s ja nicht. Da ist definitiv etwas schiefgelaufen. Thorsten Feiler, der Partner von Christoph Harms, ist drei Tage nach Abschluss der Schule tot in der Wohnung seiner Eltern aufgefunden worden. Todesursache: Überdosis Heroin. Der Fall gilt als abgeschlossen. Zwei Tage später hat Christoph gekündigt.“

Die vier verbleibenden jungen Herren sahen sich ratlos an. Felix schüttelte den Kopf.

„Wie jetzt? Drei Tage nach Schulabschluss setzt der sich den goldenen Schuss und sein Partner kehrt zwei Tage später der Organisation den Rücken? Hätten die nicht zum Offiziersseminar gemusst?“

Daniel starrte nachdenklich eine Wand an. Zögernd begann er zu sprechen.

„Also, der ganze Aufenthalt an der Schule endet damit, dass dieser Christoph Harms mit einem Partner konfrontiert wird, den er eigentlich gar nicht haben will, denn sonst hätten sie sich ja auch die Liebe geschworen. Er muss aber zumindest mit ihm zusammenarbeiten, wenn er in der Organisation bleiben will. Dann stirbt der Partner plötzlich und er sieht eine Chance zu kündigen. So weit richtig?“

Michael schüttelte den Kopf.

„Eigentlich schon, aber er hätte zu jeder Zeit kündigen können, mit oder ohne Partner. Der Tod seines Partners hätte keinen Einfluss darauf gehabt.

„Also muss es einen anderen Grund gegeben haben. Sein Partner ist tot und er sieht zu, dass er das Weite sucht. Warum? Hatte er vor jemandem Angst?“

„Wir brauchen die Unterlagen von der Schule. Ich möchte gerne wissen, was in diesem Jahrgang da noch alles gelaufen ist.“

Das einzige, was sie aus dem Zentralarchiv über den Server bekommen konnten, war eine Auflistung der Schüler zu Beginn der Ausbildung und eine Liste der Paare am Ende. Es waren zwei Paare mit einem veränderten Eid gekennzeichnet. Von den insgesamt sechzehn Teilnehmern waren bis zum aktuellen Datum zwei als ‚gekündigt‘ gekennzeichnet, einer von ihnen hatte einen Vermerk: Aus der Überwachung gelöst. Ein weiterer war als verstorben gekennzeichnet und vier weitere als ‚im Einsatz gefallen‘. Der letzte auf der Liste hatte einen roten Eintrag: Nach Kündigung seines Partners unbekannter Aufenthalt.

Wütend schlug Michael mit der Faust auf den Tisch.

„Was ist denn das für ein Chaos? Zwei Mann gekündigt, einer davon verschwunden. Ein weiterer einfach ohne Kündigung verschwunden. Wieso werden solche Sachen nicht verfolgt?“

Rafael zuckte mit den Schultern.

„Solche Sachen wurden anscheinend als ‚nicht besonders wichtig‘ eingestuft. Wenn niemand auffällig wird, ist alles in Ordnung. Ich hab den dummen Verdacht, dass in jedem Jahrgang mindestens ein oder zwei Mann abgedreht sind.“

Michael dachte an ihre Schulzeit zurück.

„Kann schon sein, bei uns hat es zum Glück jemanden gegeben, der die ganze Klasse zusammengehalten und den Deppen in seine Schranken gewiesen hat.“

Rafael sah Michael an und wusste, dass er an Kevin und Lucas dachte.

Daniel sah konzentriert auf sein Tablet.

„Also, wir haben hier zwei Paare, bei denen mehr als zwei merkwürdige Sachen vermerkt sind. Paar eins hat die Schule besucht, direkt danach ist der Kampfmagier an einer Überdosis gestorben und der Astralmagier hat sofort gekündigt. Er wurde 30 Jahre überwacht und ist zwei Jahre später spurlos verschwunden. Paar zwei hat noch das Offiziersseminar besucht, kurz darauf ist der Bannmagier ohne Hinweise verschwunden und der Kampfmagier hat gekündigt. Er ist der Einzige, der noch überwacht wird.“

„Dann sollten wir vielleicht mit ihm anfangen. Wir könnten ihn…“

Michael wurde von einem penetranten ‚Ping‘ auf seinem Tablet unterbrochen. Eine Nachricht leuchtete auf mit dem Schriftzug ‚WICHTIG‘ darüber. Michael las neugierig den kurzen Text.

„Das ist interessant. Der besagte Kampfmagier, den wir befragen wollen, hat während seines Aufenthaltes am Offiziersseminar zweimal einen Unfall gehabt. Beide Male während der Einsatzausbildung mit seinem Partner.“

„Verdammt, ich wüsste zu gerne, was da wirklich gelaufen ist.“

Michael sah erstaunt zu seinem Partner. Rafael gebrauchte normalerweise keine Kraftausdrücke. Schnell schickte er noch eine Anfrage an Max, die auch prompt beantwortet wurde. Kopfschüttelnd sah Michael auf die kurze Nachricht.

„Ob du es glaubst, oder nicht, aber der Kerl wohnt in Ratingen.“

„Was?!“

Rafael fuhr hoch und sah Michael mit großen Augen an. Die anderen drei sahen Rafael eher etwas verständnislos an, bis dieser seufzte.

„Ich komme aus Ratingen. Geboren und aufgewachsen.“

Kyan lachte.

„Na, dann weißt du ja, wo es lang geht.“

Rafael nickte etwas säuerlich. Er kehrte ungerne in diese Stadt zurück, die so viele schlechte Erinnerungen in ihm hervorrief. Aber ihr Auftrag war wichtig, persönliche Abneigungen mussten da zurückstehen.

„Dann macht euch schon mal fertig zur Abfahrt. Anzug Nummer A2 und in den Rucksack T1. Für Kyan noch T3.“

Rafael lachte, als alle hektisch ihr Tablet befragten. Bei einem normalen Außeneinsatz kamen die Patch-Suits selbstverständlich nicht in Frage und so hatte er zusammen mit Kevin und Tobias verschiedene Ausrüstungen zusammengestellt, die bei den unterschiedlichsten Einsätzen getragen werden sollten. Mit A war alles gekennzeichnet, was normal auf der Straße getragen wurde, A2 waren in diesem Fall Jeans und Poloshirt, A1 wäre ein schicker Anzug gewesen. Mit T war die Tarnausrüstung gekennzeichnet. T1 war ein zweiteiliger schwarzer Anzug, im Schnitt ähnlich dem Flecktarn der Bundeswehr, dazu Kampfstiefel und die persönliche Einsatzausrüstung. T3 war ein schlichter schwarzer Overall mit Außentaschen für den Gestaltwandler.

Die Abfahrt verzögerte sich dann doch etwas, weil alle ihren Rucksack mit der neuen Ausrüstung packen mussten. Zum Glück hatte die Schule den 8-Sitzer, mit dem die Praktikanten gekommen waren, für den Zeitraum ihres Aufenthaltes in Köln gelassen. Die beiden Kombis waren noch nicht abgeholt worden und mit dem SUV war Kevin mit seinem Team unterwegs.

Team 2

Im Wohnzimmer war Team Zwei inzwischen schon etwas weiter. Kevin und Lucas kannten Christian und Leon ja schon, nur Robin war noch neu für Leon. Gleich zu Anfang konnte Robin es sich nicht verkneifen, einen kleinen Scherz auf Leons Kosten zu machen.

Am großen Tisch setzte Robin sich direkt neben Leon und lehnte sich etwas verschwörerisch zu ihm hinüber.

„Na, möchtest du vielleicht auch gebissen werden?“, flüsterte er Leon zu, der ihn vollkommen entsetzt anstarrte und von ihm abrückte. Erst das Gelächter um ihn herum zeigte Leon, dass er einem Scherz aufgesessen war. Christian strich ihm durch seine nun schon etwas längeren roten Haare.

„Hey, Kleiner. Gestaltwandler werden so geboren. Niemand wird gebissen, um zum Werwolf zu werden.“

Leon warf Robin einen bösen Blick zu, während Kevin leise aufstöhnte. So schwierig hatte er sich das nicht vorgestellt, das war ja schlimmer als der sprichwörtliche Sack Flöhe.

„Unser Fall ist ein wenig kompliziert. Die Unterlagen über die Person und den Brand auf dem Gutshof kann jeder noch mal selber nachlesen. Was jetzt für uns interessant ist, sind die Ergebnisse, die Max zusammengetragen hat. Am 15. November 2010 ist auf dem Gut Heidkoppel ein Brand aus ungeklärter Ursache ausgebrochen und hat zum Teil das Haupthaus und mehrere Nebengebäude vollkommen vernichtet. Mehrere Zeitungsberichte sind beigefügt. Bei dem Brand sind der Besitzer des Gutshofes und seine Ehefrau, sowie sein jüngerer Sohn ums Leben gekommen. Lediglich der ältere Sohn hat schwer verletzt überlebt.“

Lucas sah von seinem Tablet hoch.

„Bei dem ums Leben gekommenen jüngeren Sohn handelt es sich laut den offiziellen Angaben um den von uns gesuchten Christoph Raue-Berger. Meine erste Frage an den Fachmann: Kann ein Elementar im Feuer umkommen?“

Christian sah nachdenklich zu Lucas.

„Im Prinzip, nein. Jetzt kommt das Aber. Die Feuerresistenz ist unbewusst, genauso wie zum Beispiel die Wasseratmung. Allerdings kann ich die Feuerresistenz bewusst unterdrücken, was in den Flammen aber sehr schwierig ist. Die auftretenden Schmerzen führen reflexartig wieder zur Resistenz, die dann mit hoher Willenskraft unterdrückt werden müsste. Man muss sich also selbst wissentlich mit hohem Aufwand den Flammen aussetzen.“

„Wenn er wirklich psychisch instabil ist, wie das Gutachten es behauptet, traue ich ihm eine ganze Menge zu.“

Lucas sah nachdenklich von einem zum anderen.

„Ich glaube, Christoph Raue-Berger hat den Brand absichtlich entfacht, den Tod der anderen Personen unabsichtlich oder sogar wissentlich in Kauf genommen und lebt nun mit der Identität seines Bruders irgendwo in der Nähe des Gutshofes.“

Kevin sah Lucas verdutzt an.

„Gibt’s es irgendetwas, was wir nicht wissen? Das ist eine sehr gewagte Theorie und wir haben nicht den kleinsten Beweis. Ich fürchte, um das zu beweisen, gibt es nur eine einzige Möglichkeit.“

Leon sah fragend zu Christian, der ergeben seufzte.

„Wir müssen ihn finden. Nur er allein kennt die Wahrheit.“

Kevin nickte zustimmend. Dann sah er zu Lucas.

„Ich nehme an, du weißt, wo wir hin müssen. Packt eure Sachen und wir treffen uns in einer Stunde draußen am Auto. Am besten Klamotten für ein paar Tage, Anzug A2 und für Robin noch T3. Mehr dürften wir nicht brauchen. Ach so, Moment noch.“

Kevin bemühte sein Tablet.

„Oh, das nördliche Bataillon ist in Neustrelitz. Das würde eine Weile dauern, bis wir Unterstützung bekommen.“

Lucas schüttelte den Kopf.

„Da ist nur die Führungsgruppe und die erste Kompanie. Die beiden anderen Kompanien sind um Celle und Rendsburg verteilt. Von Rendsburg aus wäre das nur eine halbe Stunde bis zu unserem Ziel.“

Kevin warf seinem Partner einen fragenden Blick zu.

„Hast du jetzt die Verteilung auswendig gelernt?“

„Ahem, also… nach der Nummer in Regenstauf will ich jetzt bei unseren Einsätzen schon gerne wissen, wie lange die Kavallerie braucht, um uns im Bedarfsfall zu retten.“

„Na gut. Also in einer Stunde beim Wagen.“

Es hatte keine Stunde gedauert, bis alle ihre Sachen zum Wagen gebracht hatten, doch die folgende Reise dauerte dann noch gute sechs Stunden, bis sie in der Nähe ihres Zieles waren.

„Heute brauchen wir da nicht aufzutauchen, das ist deutlich zu spät für einen Besuch. Wir suchen uns ein Hotel und starten morgen nach dem Frühstück mit der Naherkundung.

Leon sah sich unsicher um.

„Ein Hotel? Wer bezahlt das denn?“

Kevin lachte und wedelte mit einer Kreditkarte.

„Das geht alles auf Firmenkosten. Wir müssen nachher nur eine Spesenabrechnung machen.“

Team 1, Ratingen, Deutschland, Anno Domini 2017

Für die knapp 60 Kilometer von Köln nach Ratingen brauchten sie nicht mal eine Stunde. Die angegebene Adresse war ein schönes Einfamilienhaus in einer guten Wohngegend.

Michael sah sich etwas unsicher um.

„Und wie machen wir das jetzt? Wir können ja schlecht hingehen und sagen: Entschuldigen Sie bitte, aber wir wissen, dass Sie ein ehemaliger Kampfmagier sind und hätten gerne ein paar Auskünfte über Ihren damaligen Partner.“

Die Magier sahen sich etwas betreten an, doch Kyan zuckte nur mit den Schultern.

„Und warum nicht? Wenn er friedlich hier wohnt, weiß er sicherlich, dass er überwacht wird. Vielleicht freut er sich sogar über Besuch.“

Michael verzog etwas säuerlich sein Gesicht.

„Vergiss nicht, er hat gekündigt. Das macht man nicht so einfach nach drei Jahren magischer Ausbildung. Okay, wer geht hin?“

Alle schwiegen zunächst, bis Michael sich suchend umsah.

„Was brauchen wir denn? Jemanden mit der gleichen Magieschule? Also entweder Rafael oder Felix. Dann noch jemanden – nein, ich weiß es. Kyan geht mit. Mit einem Gestaltwandler wird er nicht rechnen. Die gehören bestimmt nicht zur normalen Überwachung.“

Trotz aller Tarnung im täglichen Leben hatten sie auch dieses Mal nicht auf die dezenten Hinweise auf ihre Magieschule verzichten wollen. Kevin hatte nachgegeben und allen im Außeneinsatz erlaubt, die zum Outfit vorgesehenen Polo-Shirts in der jeweiligen Farbe zu tragen.

Nun standen also ein großer hellblonder junger Mann in einem roten Polo-Shirt und ein etwas kleinerer junger Mann mit rötlichbraunen Locken in einem orangefarbigen Polo-Shirt vor der Haustür und klingelten. Es dauerte etwas, bis die Haustür geöffnet wurde und ein älterer Herr, etwa um die 50 dort erschien. Er hatte kurze, graue Haare und trug blaue Jeans und ein dunkelrotes Freizeithemd.

Er sah die beiden Besucher vor der Tür zunächst etwas irritiert an, während Rafael seine Begrüßung abspulte.

„Guten Tag. Sind Sie Herr Manfred Kunze?“

Der Mann betrachtete die beiden nun genauer. Bei Rafael umspielte ein leichtes Lächeln seine Lippen, bei Kyan hob er erstaunt die Augenbrauen.

„Allerdings, der bin ich. Was führt Sie her?“

„Eine Angelegenheit, die etwa 30 Jahre zurückliegt.“

Das Gesicht von Manfred Kunze verdüsterte sich, doch dann nickte er langsam und öffnete die Tür ganz.

„Dann kommen Sie bitte herein.“

Herr Kunze führte sie durch einen Flur in das Wohnzimmer. Kyan staunte über die vielen Regale mit den unterschiedlichsten Büchern. Manfred Kunze lächelte, dann deutete er einladend auf die Sitzgelegenheiten.

„Ich bin Lehrer geworden, nachdem ich gekündigt hatte, inzwischen Oberstudienrat. Sport und Geschichte. Aber deshalb seid Ihr ja nicht hier. Was ist an den Vorgängen vor 30 Jahren auf einmal so interessant?“

Rafael erzählte knapp etwas über ihren letzten Auftrag, bei dem sie in vier Fällen auf jemanden mit dem Vornamen Christoph gestoßen waren. Jetzt wurde jeder einzelne Christoph gesondert untersucht.

„Aha, der Aufhänger ist also Christoph Harms. Ja, der arme Kerl war damals deutlich überfordert von der Situation. Aber ich werde mal von vorne anfangen.“

Entspannt lehnte sich Oberstudienrat Kunze in seinem Sessel zurück, während Rafael und Kyan auf der Couch saßen. Bevor er jedoch mit seiner Geschichte beginnen konnte, hörte man jemanden durch die Eingangstür hereinkommen. Etwas überrascht sah der Hausherr auf die Uhr.

„Oh, heute schon so früh. Damit habe ich jetzt allerdings nicht gerechnet. Entschuldigt mich bitte einen Moment.“

Doch kaum hatte er sich erhoben, kam ein schlanker, rotblonder Junge ins Wohnzimmer. Rafael schätzte ihn etwa sechzehn oder siebzehn Jahre alt, gekleidet in Baggy-Pants und ein langes Muskelshirt. In der Hand hielt er ein Skateboard.

„Hi, Onkel Manfred, ich bin… oh, du hast Gäste.“

„Komm ruhig herein, Fynn. Die beiden Herren arbeiten an einer Sache, die vor 30 Jahren passiert ist und ich wollte ihnen gerade ein paar Informationen geben.“

Fynn stutzte, dann sah er sich die beiden Besucher genauer an.

„Sind Sie etwa…“

„Ja. Entschuldigung, das ist Fynn, mein Neffe. Der jüngste Sohn meiner Schwester. Er ist bei mir hier untergekommen, weil meine Schwester und mein Schwager der Ansicht sind, ein schwuler Sohn wäre für ihr Seelenheil abträglich.“

Kyan sah vom Onkel zum Neffen.

„Sie werden entschuldigen, aber diese kurze Äußerung über uns – Du weißt genau, wer wir sind. Dein Onkel hat es dir erzählt. Und das kann eigentlich nur einen Grund haben.“

Fynns Gesicht zeigte Erschrecken und er machte schon die Drehung zur Tür, als sein Onkel ihn zurückrief.

„Fynn! Ich habe es dir gesagt. Früher oder später wird es jemand erfahren. Es ist doch alles in Ordnung. Du entscheidest, was du daraus machst. Zeigst du es ihnen?“

Fynn dreht sich wieder langsam um und sah seinen Onkel erstaunt an.

„Hier? Einfach so?“

„Ich bin mir sicher, die beiden haben so etwas schon einmal gesehen und warum nicht hier? Außer uns sieht dich niemand.“

Fynn zögerte etwas, doch dann begann er, seine Strümpfe auszuziehen, die Schuhe hatte er anscheinend schon an der Tür gelassen. Schnell folgten das Shirt und die Baggy-Pants. Rafael sah zu Kyan, der wissend nickte. Zum Schluss kam noch der schwarze Boxerslip, so dass Fynn einen Moment mit brennenden Ohren dastand, dann begann die Verwandlung. Wenige Sekunden später starrten die beiden Besucher auf ein Tier herab, das es in dieser Größe in der Natur draußen nicht gab. Kyan lächelte.

„Vulpes vulpes. Ein Rotfuchs. Du bist ja richtig hübsch.“

Ohne zu zögern kniete er sich nieder und kraulte den Fuchs hinter den Ohren, was dieser nach einem kurzen Zurückzucken über sich ergehen ließ. Rafael sah kopfschüttelnd zu.

„Aber warum ist er so groß?“

„Das liegt an der Wandlung. Die menschliche Form kann nicht gänzlich verdrängt werden. Mindestens die Hälfte der Masse muss in die Tierform mitgenommen werden. Genauso schlecht geht eine Wandlung in ein größeres Tier. Hier ist die doppelte Masse des Menschen die Grenze. Also nix mit Elefant oder Blauwal. Ach so, und du kannst nicht aus der Klasse heraus, als Mensch wirst du immer in ein Säugetier wandeln.“

Der Fuchs vor ihnen hatte den Kopf interessiert schräg gelegt und lauschte aufmerksam. Kyan sah ihn wieder an.

„Wieviel wiegt dein Mensch? Sechzig?“

Heftig schüttelte der Fuchs den Kopf.

„Okay, nehmen wir also mal sechsundfünfzig Kilo. Das wären dann für den Fuchs achtundzwanzig Kilo. Normalerweise wiegt ein Fuchs zwischen sechs und vierzehn Kilo. Der hier darf sich draußen nicht so oft blicken lassen, sonst landet er als Schlagzeile in der Zeitung oder sogar schlimmeres.“

Fiepend legte der Fuchs seine Schnauze auf die Vorderpfoten.

Kyan sah nun hinüber zu Herrn Kunze, der nachdenklich seinen Neffen betrachtete.

„Herr Kunze, hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mich ebenfalls wandle?“

Verblüfft sah Manfred Kunze nun zu dem jungen Mann in Orange, von dem er zwar wusste, dass es ein Gestaltwandler war, aber erst jetzt kam ihm der Gedanke, dass es sich nicht um einen Wolf handeln könnte. Dann lächelte er.

„Kein Problem. Wenn es Fynn hilft, etwas mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln, ist es schon in Ordnung. Außerdem ist es immer ein lohnender Anblick.“

Kyan lächelte und wandte sich wieder an den Fuchs, der ihn neugierig ansah.

„Pass auf, ich werde mich gleich ebenfalls wandeln. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin zwar ebenfalls ein Raubtier, aber kein Wolf. Wenn du ein Problem hast, kannst du dich ja einfach wieder zurück in einen Menschen wandeln. Okay?“

Der Fuchs nickte und Kyan begann, seine Sachen abzulegen. Der Fuchs ließ ihn keinen Moment aus den Augen und als Kyan komplett nackt war, ließ er leises Hecheln hören. Dennoch zuckte er hoch und rannte in die äußerste Ecke des Wohnzimmers, als die Gestalt des Luchses sich manifestiert hatte.

Manfred Kunze sah erstaunt und auch begeistert auf den großen Luchs herab, während dieser sich langsam dem Fuchs näherte. Fynn hatte sich in seiner Tiergestalt in eine Ecke gedrängt und zitterte etwas. Der Luchs stand nun direkt vor ihm, senkte etwas den Kopf und rieb ihn an dem Fell des Fuchses. Das Zittern hörte auf und der Fuchs dreht vorsichtig seinen Kopf zu dem Kopf des Luchses. Zögernd begann er ihn zu beschnuppern.

Rafael räusperte sich.

„Ich möchte nur ungerne der Spielverderber sein, aber ich muss leider noch einmal auf die Vorgänge von vor 30 Jahren zurückkommen.“

„Ja, selbstverständlich. Wo waren wir stehengeblieben? Bei Christoph Harms, richtig. Also es geht hauptsächlich nur um vier Personen. Der erste ist Christoph Harms. Kam aus Hamburg, glaube ich. War ganz lieb und nett, aber ein Bisschen, wie soll ich sagen? Weltfremd. Er glaubte immer an das Gute im Menschen und traute niemandem etwas Schlechtes zu. Ganz das Gegenteil war Torsten Fiedler, ein Kampfmagier. Ein Jahr älter als wir anderen drei, war er aufmerksam und traute niemandem so richtig. Und dann war da Peter Heines, Bannmagier. Er war ziemlich locker drauf, machte dauernd Unsinn und manchmal auch Streiche, die etwas daneben gingen.“

Aufmerksam lagen jetzt der Fuchs und der Luchs nebeneinander vor der Couch und lauschten der Geschichte.

„Peter war die ganze Zeit hinter Torsten her, doch der weigerte sich standhaft. Er sagte immer, jemand wie Peter würde nichts als Ärger und Unglück bringen. Kurz vor Ende der Schulzeit waren nur noch wir vier übrig. Um endlich Peters Avancen zu entkommen, fragte Torsten Christoph nach einer Partnerschaft und als der einwilligte, blieben nur noch Peter und ich übrig.“

Unbewusst lehnte Manfred Kunze einen Arm aus dem Sessel heraus und kraulte den Fuchs hinter den Ohren.

„Peter schäumte vor Wut, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, wenn er nicht kündigen oder die Schule noch einmal machen wollte. Also gingen wir zum Offiziersseminar. Dort hörten wir dann, dass Torsten angeblich an einer Überdosis gestorben war. Ich wusste genauso gut wie Peter oder Christoph, dass Torsten nie in seinem Leben so ein Zeug angerührt hätte. Dann hörte ich, dass Christoph gekündigt hatte. Irgendwann wurde mir klar, dass er Angst hatte und einfach nur verschwinden wollte. Das führte mich dann zu dem Gedanken, dass Peter etwas mit Torstens Tod zu tun gehabt haben könnte. Ich habe ihn darauf angesprochen und er hat natürlich alles geleugnet. Zwei Tage später hatte ich meinen ersten Unfall.“

Rafael machte sich kurze Notizen auf seinem Handy lächelte dann aufmunternd.

„Der zweite Unfall war im zweiten Semester und dann war mir endgültig klar, dass Peter irgendetwas damit zu tun haben musste. Nach unserem Abschluss verschwand er auch sofort spurlos und ich zog die Konsequenzen. Ich weiß nicht, ob er mich einfach loswerden wollte oder einen potentiellen Mitwisser beseitigen, aber erstaunlicherweise habe ich ihn seitdem nicht mehr wiedergesehen.“

Rafael überlegte einen Moment.

„Dann stellt sich mir jetzt die Frage, warum Christoph Harms vor zwei Jahren der Überwachung entkommen ist und nicht mehr gesehen wurde. Und dann müssen wir natürlich auch noch diesen Peter Heines ausfindig machen. Sie haben nicht zufällig eine Idee?“

Manfred Kunze schüttelte den Kopf.

„Keine Ahnung. Ich habe die ganze Zeit von beiden nichts gehört oder gesehen.“

„Na gut, dann war’s das wohl erst einmal.“

Rafael erhob sich und sah auf Kyan und Fynn herab.

„So, und was ist mit euch beiden? Können wir los? Oder wollt ihr noch spielen?“

Kyan ließ ein wütendes Fauchen hören, so dass Rafael zurückschreckte.

„Okay, ist ja gut. Ich hab’s ja nicht so gemeint. Was hältst du denn heute Nacht von ein bisschen Spielen?“

Der Luchs gab ein lautes Schnurren von sich, während der Fuchs ein erstauntes Keuchen ausstieß. Rafael sah ihn zerknirscht an.

„Sorry, ich hab‘ nicht mehr an dich gedacht.“

Manfred Kunze lachte leise.

„Er wird darüber hinwegkommen. Er ist siebzehn und hat schon eine Enttäuschung mit einem Freund hinter sich. Es ist schwer, sich zu verstecken und niemanden merken zu lassen, was noch alles in einem steckt.“

Rafael nickte, während er Kyan und Fynn bei ihrer Wandlung zusah. Unwillkürlich musste er Lächeln, als er bei Fynn die beginnende Erektion bemerkte, während dieser wie gebannt Kyan anstarrte. Auch Kyan hatte Fynns Reaktion bemerkt und grinste ihn dreist an.

„Damit muss man rechnen, wenn man sein halbes Leben ohne Klamotten zubringt.“

Fynns Blick ruckte herunter. Hektisch riss er seine Sachen an sich und rannte aus dem Wohnzimmer. Kyan sah im hinterher, dann zu Manfred Kunze.

„Wie wär’s denn mit dem Gestaltwandler-Korps?“

„Hm? Ich dachte, die nehmen nur Werwölfe… ach so, du bist ja auch keiner. Werden da denn nun auch andere Gestaltwandler ausgebildet?“

„Wir sind da gerade in der Umstellung. Ich bin nicht auf dem neuesten Stand, aber ich kann sie gerne informieren, was in nächster Zeit geplant ist.“

„Das wäre sehr nett. Tut mir leid, dass ich nicht weiterhelfen konnte.“

Rafael winkte beschwichtigend ab.

„Das war schon mehr als ausreichend. Vielen Dank für die Auskünfte.“

Sie verabschiedeten sich an der Tür auch von einem wieder bekleideten Fynn, der Kyan schüchtern ansah.

„Und es gibt wirklich unterschiedliche Tiere im Gestaltwandler-Korps? Würden sie mich dort auch nehmen?“, flüsterte er.

„Es ist noch nicht alles organisiert, aber sobald ich etwas weiß, werde ich es dir mitteilen, okay?“

Fynn lächelte schon etwas, dann begann er zu glühen, als Kyan sich schnell vorbeugte und ihm einen kurzen Kuss gab. Sofort drehte sich Kyan um und folgte Rafael auf dem Weg zur Straße. Fynn sah im überrascht hinterher.

Michael saß immer noch hinter dem Lenker und sah Rafael und Kyan etwas missmutig entgegen.

„Wo zum Henker habt ihr gesteckt? Ihr wart über zwei Stunden da drin.“

Rafael gab eine kurze Zusammenfassung und Michael sah mit erhobenen Augenbrauen zu Kyan.

„Gehst du jetzt auf Werbetour für das Gestaltwandler-Korps?“

„Nein. Aber die Idee ist nicht schlecht.“

Kyan lachte, als ihn alle erstaunt ansahen.

„Hey, das war ein Scherz. Ich muss mich erst mit Robin absprechen und dann werden wir sehen, welche Auswirkungen es auf die Planung hat, wenn noch andere Wandler außer den Wölfen für Einsätze angenommen werden. Andere Wandler für die Stabsarbeit hat es schon immer gegeben.“

Rafael sah Kyan fragend an.

„Sag mal, du hast vorhin den Fuchs mit seiner lateinischen Bezeichnung benannt. Genau wie letztens Robin die des Luchses wusste. Müsst ihr die alle kennen?“

Kyan seufzte.

„Jep. Die komplette Taxonomie der Säugetiere Europas. Hast du eine Ahnung wie lange man da dran sitzt?“

Team 1, Köln, Deutschland, Anno Domini 2017

Als sie wieder zurück zur Villa kamen, war Kevin mit seiner kleinen Gruppe bereits aufgebrochen und so musste Kyans Gespräch mit Robin noch etwas warten.

Michael hatte an Max einen weiteren Suchauftrag vergeben, neben Christoph Harms wurde nun auch Peter Heines in die Liste aufgenommen.

„Mehr habt ihr nicht? Geburtsdatum, Geburtsort und letzter Wohnsitz? Mann, der ist von 1981, das ist nicht gerade hilfreich.“

„Ich weiß, aber mehr haben wir im Moment tatsächlich nicht. Versuchs einfach mal.“

Max seufzte tief und grummelte irgendetwas, als er zurück in sein IT-Büro ging, während Michael seine kleine Gruppe ins Lagezentrum rief.

„Max bearbeitet jetzt zwei Suchanfragen, die eine nach Christoph Harms, die andere nach Peter Heines. Wir können jetzt nichts weiter tun, als…“

Michael wurde von einem lauten Schrei aus dem IT-Büro unterbrochen und Max erschien mit funkelnden Augen in der Tür.

„Ich bin ja so blöd.“

„Soll ich dir jetzt widersprechen?“

Max streckte Rafael die Zunge heraus und wandte sich direkt an Michael.

„Wir haben immer nach Christoph Harms gesucht. Klassischer Fehler. In seiner Akte steht, er ist 2004 eine Lebenspartnerschaft eingegangen und sein Lebenspartner ist 2013 verstorben. Es gab keinen Eintrag über eine Namensänderung, aber die hat stattgefunden. Er hat auch den Namen nach dem Tod seines Partners beibehalten. Wir suchen nicht nach Christoph Harms, sondern nach Christoph Petersen.“

Rafael schüttelte nur den Kopf.

„Wozu lege ich eine Überwachungsakte an, wenn nicht alles drin steht? Irgendetwas stimmt nicht in der Personalabteilung und ich möchte gerne wissen, warum ausgerechnet bei der Überwachung dermaßen etwas schief gelaufen ist.“

Michael nickte langsam.

„Ja, das können wir vormerken, aber dafür haben wir jetzt keine Zeit. Außerdem muss das ganz vorsichtig angegangen werden. Dafür brauchen wir wahrscheinlich nicht nur den Kommandeur, sondern auch den Exekutivrat.“

Michael drehte sich zu Max und seufzte.

„Also dann: Christoph Petersen. Lass die Suche über Nacht laufen und wir werden sehen, was wir morgen früh für Ergebnisse haben.“

Max schien überrascht, aber dann macht er sich ohne weitere Kommentare an die Arbeit.

Team 3

Team Drei hingegen hatte keinerlei verwertbare Unterlagen und saß etwas ratlos beisammen. Prasong blickte etwas irritiert auf sein Tablet.

„Also wenn ich das recht verstehe, ist das einzige, was wir haben, ein altes Foto und eine Registrierung bei einer Privatklinik in Bangkok aus dem Jahre 2009. Der Name stimmt überein, aber Christof Schneider ist ja nun nicht gerade selten. Abgesehen davon reisten schon in den neunziger Jahren jedes Jahr hunderttausende von Touristen in Thailand ein. Mein Vater hat davon erzählt, denn er war damals Angestellter im Generalkonsulat. Da war immer Hochbetrieb, um die Touristen vor der Polizei zu retten.“

Lucien hob fragend die Augenbrauen.

„Früher, und leider auch heute noch manchmal, werden einfach Touristen festgenommen und irgendeiner schwachsinnigen Straftat beschuldigt. Raus kamen sie erst nach Zahlung einer horrenden Kaution, die sie natürlich nie wiedersahen. Das hat sich inzwischen etwas verbessert, aber kommt, wie gesagt, immer noch mal vor. Aber zurück zum Thema. Jemand, der in einer Privatklinik war, wird wahrscheinlich auch eine Zeitlang in einem Hotel gewesen sein. Die Daten von dort sind aber ganz sicher nicht mehr vorhanden.“

Tobias schüttelte unwillig den Kopf.

„Was machen wir denn da?“

Lucien seufzte.

„Wir können nur auf die Special Mission Unit vertrauen. Ich hoffe, sie haben ebenso viele Hintergrundinformationen wie bei uns. Wenn ein Magier einreist, um eine derartige Operation durchführen zu lassen, dürfte das ja wohl aufgefallen sein. Dabei fällt mir ein, ist er – oder sie? – danach überhaupt noch magisch begabt?“

Florian grinste und deutete auf sein Tablet.

„Gibt’s alles auf dem Zentralserver. Es ist alles eine Frage, wann sich die Magie manifestiert und wie mit ihr umgegangen wird. Grundsätzlich heißt es, dass sich das Mana ungeformt in jemandem sammelt, der seine sexuelle Ausprägung bewusst oder unbewusst erfährt.“

Lucien sah zu Tobias, dann wieder zu Florian.

„Was soll das denn heißen?“

„Das bedeutet, wenn du nachts aufwachst und einen feuchten Traum hattest, solltest du mal drüber nachdenken, von was oder wem du geträumt hast. Die sexuelle Ausprägung entsteht mit Erreichen der Geschlechtsreife. Nicht zu verwechseln mit sexueller Ausrichtung, das ist dann das Verhalten, das du tatsächlich an den Tag legst.“

„Moment, das heißt, jemand der seine Ausprägung verleugnet und sich heterosexuell verhält, kann trotzdem Magier sein?“

„Nicht so ganz. Denn dazu bedarf es der bewussten Ausprägung. Und das ist der schwierige Teil, denn niemand weiß genau, wann oder wie das eigentlich funktioniert. Keiner kann sagen, woher mein angesammeltes Mana weiß, ob ich nun Männlein oder Weiblein vor mir im Bett habe. Bei Männlein ist das der Punkt, in dem das Mana frei wird. Das Unterbewusstsein kann darauf zugreifen und manchmal ganz schönen Mist damit machen. Übrigens ist das Mana ganz schön wählerisch. Selbst unter den ausgeprägten Homosexuellen trifft es nur etwa jeden zehntausendsten.“

Tobias dachte an die Geschichte, die er über Felix gehört hatte.

„Ist schon klar, aber was ist mit den Bisexuellen?“

„Erstaunlicherweise sammelt sich das Mana, baut sich aber im Laufe der Zeit von alleine wieder ab. So nach etwa fünf Jahren ist alles wieder auf null. Übrigens, sollte sich der biedere Familienvater im fortgeschrittenen Alter doch noch von seiner Frau trennen und einen Lover zulegen, geht das mit dem Mana-Niveau wieder von vorne los.“

Lucien verdrehte genervt seine Augen.

„Boah, ey. Und dann passiert was?“

„Erst einmal gar nichts. Dann kommt die Erweckung.“

Florian sah sich plötzlich von drei fragenden Gesichtern umringt.

„Hey, das ist nicht meine Formulierung. Die ist schon etwas älter. Also, bei denjenigen, bei denen sich eine Begabung bereits manifestiert hat, braucht sie nur noch ausgebildet zu werden. Solche Manifestationen werden meistens in Notlagen oder bedrohlichen Situationen aktiviert. Bei den meisten jedoch, wird eine Begabung durch einen Astralmagier vom Unterbewusstsein in das Wachbewusstsein verschoben und kann dann dort genutzt werden. Soll übrigens nicht so ganz schmerzfrei sein, je nachdem, welche Begabung man hat.“

Tobias deutete auf das Tablet.

„Und das steht alles auf dem Zentralserver?“

„Ja. Man muss nur vernünftig suchen. Das gibt’s nämlich nicht in Magietheorie sondern in Geschichte unter ‚Erweckung‘ im Gründerteil.“

„Bei Michel de Containbrai?“

Florian nickte.

„Seine ganze Geschichte der Ordensgründung ist ausführlich dokumentiert worden.“

Bevor sich Florian noch weiter über die Frühgeschichte des Ordens auslassen konnte, klopfte es kurz an der Tür und Max steckte seinen Kopf herein.

„Stör ich?“

„Nein, komm rein. Was gibt es?“

Wortlos legte Max einen kleinen Packen Papiere auf den Tisch.

„Was ist das denn?“

„Eure Flugtickets nach Bangkok. Morgen früh ab Frankfurt. Viel Spaß.“

Alle vier sahen erstaunt Max hinterher, der schnell die Tür wieder hinter sich schloss.

„Huh? Was war das denn? So kenne ich ihn ja gar nicht.“

„Kevin hat ihn dazu verdonnert, hier zu bleiben. Wahrscheinlich wäre er ja auch gerne mit nach Thailand geflogen.“

Prasong schnappte sich eines der Tickets und sah es kurz durch.

„Stimmt, morgen früh ab Frankfurt. Da müssen wir in der halben Nacht los. Hier sind auch die Kontaktdaten. Gott sei Dank, wir werden am Flughafen abgeholt.“

„Wieso, ist der weit draußen?“

„Über 30 Kilometer. Es gibt zwar einen Expressway, aber ihr möchtet bestimmt nicht mit dem Auto fahren.“

Lucien legte den Kopf schief.

„Warum?“

Florian grinste.

„Linksverkehr.“

„Oh, Scheiße.“

Prasong lachte, doch dann sah er prüfend zu Tobias und Lucien.

„Wir haben ja noch ein Bisschen Zeit heute. Ich möchte gerne eine kurze Einweisung in die thailändische Kultur und die Umgangsformen machen, damit wir nicht gänzlich dumm auffallen.“

Lucien wollte etwas antworten, doch Tobias stieß ihn an.

„Das ist sehr freundlich. Wir werden es wahrscheinlich gut gebrauchen können. Wenn Lucien etwas zu meckern hat, einfach nicht drauf hören.“

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