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Angel of Darkness

Tyr Dieanell - The last royal Beast

Chapter 9

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„Okay. So wird das nichts.“ ertönte es von Tyr nach geschätzten Stunden, die in Wirklichkeit nur wenigen Minuten entsprachen. Während er diese Worte von sich gab, trat er auch ein Stück auf Callan zu. Dieser blickte erschrocken auf, noch immer in seinen Überlegungen einer doppelten Person gefangen und fürchtete beinahe jede Reaktion von seinem Gegenüber.

Unbewusst nur die Übelsten, vom unsanften Zupacken an den Oberarmen, an denen er dann durchgerüttelt wird, bis zu einer handfesten Auseinandersetzung. Umso überraschender war es dann für ihn, als nichts dergleichen geschah. Obwohl selbst Milans Tonlage keine Zweifel offen ließ, dass dieser dieselben Überlegungen anstellte wie Callan selbst.

„Was hast du jetzt vor?“, mischte sich Milan ein, der den Wechsel der Emotionen wie ein Kribbeln über seiner Haut fühlen konnte. Irgendwas lag hier in der Luft und das war keine rosa Zuckerwatte.

„Es ist eindeutig.“, antwortete der Vampir monoton an Cal gewandt ohne auf die Frage seines Kumpels einzugehen. „Da du nichts über deine Existenz weißt, werden wir ein bisschen weiter ausholen müssen. Zunächst will ich also wissen, wen du letztens besucht hattest. Wer war die Frau, der du die Blumen gabst?“

Cal so wie auch Milan blickten irritiert. „Könntest du das bitte wiederholen?", antwortete Cal mit einem Hauch von Ärger in der Stimme. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Hatte dieser Typ ihn etwa beschattet, das war doch wohl die Höhe. Obwohl er ja vermutet hatte, dass Tyr präsent war.

„Nein, du hast mich ganz gut verstanden. Ja, ich habe dich verfolgt. Ganz richtig und ja, du hast mich auch gefühlt. So wie ich dich auch. Das war jedoch nicht alles. Da war was in diesem Haus, ziemlich bedrohlich sogar, und ich will wissen, wer diese Leute waren! Ich bin mir sicher, dass es eine plausible Erklärung zwischen dir und ihnen gibt und die wiederum zur Aufklärung deines Wesen beitragen wird.“

„Also habe ich mir das alles nicht eingebildet?“, überlegte Cal matt. Er hatte diesen Vorfall so gut wie verdrängt, denn es hieße, seine Eltern zu hinterfragen und das wollte er nicht. Er hatte schon genug Probleme mit seinem Vater, er wollte sich nicht noch mehr von ihnen entfernen. Oder sie sogar noch in Gefahr bringen.

Was wusste er schon von dem Mann vor sich. Nichts, außer dass er ein Geschöpf der Finsternis war. Ein böses Wesen sollte man den Bibelpredigern Glauben schenken können. Was wusste er? Das Tyr einen anderen Menschen – nein Vampie – einfach so geköpft hatte, der es auf ihn abgesehen hatte. Dieser Mann, Tyr, den er irgendwie mochte, hatte ihm das Leben gerettet und war trotzdem nicht gut für ihn. Er spürte es tief in sich drinnen, dass er ihm nicht verfallen, gar sich auf ihn einlassen dürfe. Und trotzdem konnte er gegen seine Gefühle nicht viel machen, wie sollte er Diesen auch entgegentreten. Gefühle konnte man weder steuern oder geschweige einfach so abstellen. Dennoch stellte Tyr eine Bedrohung für ihn dar, nicht nur weil der in seiner Gegenwart immer häufiger außer Kontrolle geriet.

Callan durfte ihn auf keinen Fall unterschätzen und sich einfach blindlings ihm hingeben. Tyr war ein Dämon, ganz gleich ob er Gut sein konnte oder mit seinen Artgenossen im Schatten lebte oder nicht. Sie symbolisierten alle Schlechtigkeiten der menschlichen Eigenschaften. Wie moralischer Verfall konnten sie einfach nichts Liebes, Zartes, Sanftes gar Gutes in sich vereinen. Das war schier unmöglich und sprach allein schon gegen jegliche Vernunft. Es wäre daher am Besten sich von ihnen, ganz besonders von ihm zu distanzieren.

„Nein hast du nicht, also raus mit der Sprache, das ist wichtig!“, fuhr Tyr energisch fort und überforderte Cal damit. Zum einen da er seine Überlegung laut von sich gegeben hatte, was er gar nicht wollte und zum anderen, weil er sich nun bedrängt fühlte. Auf eine Weise, die er nicht zulassen wollte.

Er wusste nicht, was mit seinen Eltern geschehen würde. Ob sie in Schwierigkeiten gerieten, wenn er offen sprechen würde? Er hatte neben der Anwesenheit Tyr's einen Hauch magnetisches Kraftfeld gespürt und die erwähnte Bedrohung ebenso wahrgenommen. Doch ging er damals davon aus, dass diese von Tyr kam, auch wenn er sich nicht sicher war, wieso auch seine Eltern diese wahrnehmen konnten. Und genau die Reaktion war es auch, die ihn von allem anderen ablenkte.

Allerdings traute er sich nicht, auf diesen Vorfall zu sprechen zu kommen, da seine Mutter und sein Vater danach unerwartet still waren. Die Stimmung war merkwürdig, denn die Anspannung war zum Greifen nah. Callan beließ es daher auch das mutwillige Schweigen nicht zu brechen. Insbesondere war das Verhalten seines Vaters mehr als untypisch, da er sonst nie irgendeine Möglichkeit ausließ ihm verbal aufzuzeigen, welche herbe Enttäuschung sein Sohn doch für ihn war.

Trotzdem hatte gerade er sich zu jenem Zeitpunkt ebenso nicht getraut, nur ein Geräusch von sich zu geben, so dass diese Geste allein die Ernsthaftigkeit des Ganzen widerspiegelte. Es war daher schlicht und ergreifend pure Panik, welche Cal innehalten ließ. Natürlich war ihm sofort klar gewesen, dass seine Eltern ein Geheimnis bargen. Doch er konnte und wollte sie auf keinen Fall mit in diese Sache zwischen Tyr und sich mit hineinziehen. Nicht in eine Angelegenheit in der keiner vorhersehen konnte wie das Ende aussah.

Er durfte Tyr nicht vertrauen, auch wenn sein dummes Herz dies wollte. Gefühle und Liebe machten bekanntlich blind und viele waren bereits dadurch in ihr verderben gerannt. Doch er konnte nur für sich eine Entscheidung treffen. Seine Eltern mussten ihre eigene treffen und die hatten sie seines Erachtens schon längst getroffen, sonst wäre es kein Geheimnis – nicht vor ihm.

Und so blieb ihm nur eins übrig, zu beschützen was geschützt werden wollte. Er würde kämpfen gegen seine Gefühle und zur Not Mann gegen Mann mit dem Mann, dem er sich nur zu gern hingegeben hätte. Seine Familie, ganz egal welche Schwierigkeiten es immer wieder gab, war ihm heilig und keiner würde ihn benutzen um an jene heranzukommen.

„Schluss damit.“, begehrte Cal daher lautstark auf. „Ich will dich nicht mehr sehen oder fühlen. Verschwinde aus meinem Leben, ich kann dich nicht gebrauchen. Entschwinde in die dunklen Gassen, aber halt dich aus meinem Leben raus. Keine nächtlichen Besuche, keine Verfolgungen und auch keine Manipulationen. Es ist mein Leben und ich allein entscheide, wer darüber bestimmt. Mir ist es gleich ob ich mehr bin, niemand außer euch beiden weiß es. Richtig?! Fein, dann verschwindet und lasst mich in Ruhe. Für IMMER!“

Mit dieser Entscheidung schwoll sein Wirbelsturm an und eine weitere Energie, die er im selben Moment nicht kontrollieren, gar einzuordnen wusste, explodierte in ihm. Mit einem Mal brach alles aus ihm heraus und entfachte eine unheimliche Entladung.

„Nein!“, donnerte mitten in Callans verbalen Ausbruch dieses einzige Wort von Tyr, der gleichzeitig auf ihn zusprang und den Jungen fest an sich drückte. Schon allein der Gedanke ihn nicht mehr sehen zu können ließ ihn fast in den Wahnsinn treiben. Er konnte ihn nicht gehen lassen. Sie waren füreinander bestimmt, das war so sicher wie das Band, welches sich bei ihrem ersten Aufeinandertreffen auf unerklärliche Weise gebildet hatte. Callan verlieren hieß einen Teil seines Selbst zu verlieren.

Doch kaum hatte Tyr Callan berührt, begann eine Kettenreaktion, abgefeuert mit dem letzten Befehl „Für IMMER!“

Eine Druckwelle gleich magischer Energie brach sich ihre Bahn in Callans Körper allmählich nach draußen, als dieser fest ergriffen wurde. Ein Abwehrmechanismus, der es wahrlich in sich hatte. Selbst Tyr fegte es gegen die gegenüberliegende Wand, doch Schaden nahm nur einer.

Kein Möbelstück war verrückt, keine Fenster zerplatzt, nichts Materielles war zerstört worden, obwohl diese Druckladung einer Atombombendetonation gleich kam. Die Zerstörungskraft hatte sich allerdings nur auf mentaler Ebene abgespielt. Und das sah man auch eindeutig Milan an.

Aus unerklärlichen Gründen hatte Tyr nicht einen Kratzer, keinen blauen Fleck, nichts. Aber Milan war bewusstlos zusammengesackt. Blutete aus vielen verschiedenen Wunden unterschiedlichen Verletzungsgrades. Seine Haut, die nicht in Kleidung steckte hatte Brandblasen gebildet. Seine Knochen sahen deformiert und gebrochen aus, schienen sogar hier und da aus der Haut zu ragen. Sein Gesicht sah aus wie von „Schnitzern“ bearbeitet und zu allem Überfluss floss aus jeder Öffnung Blut. Jeder normale Mensch wäre bereits verstorben, doch auch für einen Vampie sah dieser Zustand alles andere als gut aus.

Tyr war fassungslos schockiert, als er seinen Freund erblickte. Sofort eilte er zu ihm und ließ sich auf die Knie fallen. „Oh verflucht. Was hast du getan?“, jammerte Tyr verzweifelt, der nicht verstand wieso er im Gegensatz zu Milan so heil geblieben war. Was war das nur für eine Kraft in dem Jungen?

Sofort biss sich Tyr ins Handgelenk und ließ sein Blut in die Wunden tropfen. Er ignorierte seine innere Bestie, die an den Ketten riss und zerrte um sich zu befreien und zu wüten. Nur gut, dass er vor kurzem erst solch eine Blutorgie hinter sich gebracht hatte, sonst wäre er kaum in der Position jetzt Blut abgeben zu können. Da entweder zu wenig in ihm wäre oder gar schon verbraucht.

Das war der einzige Nachtteil daran ein reinblütiger Dämon zu sein. Sein Organismus arbeitete nicht so wie der von Menschen oder Vampies. Durch ein fehlendes schlagendes Herz war das Blut, was er sich einverleibte nicht in permanenter Bewegung, da es nicht im selben Maße durch seinen Körper katapultiert wurde, bzw. werden konnte, wie bei Sterblichen. Bei ihm war nur das Saugen und seine körperliche Bewegung für die Blutverteilung zuständig, die jedoch primär vielmehr wie Öl oder eine Art Treibstoff fungierte und sich überall dort einlagerte wo es benötigt wurde.

Dämonen wie er waren in der Lage längere Zeit ohne Blut auszukommen, da sie eine völlig andere Anatomie besaßen. So kam es aber auch, dass ihre besonderen Fähigkeiten, die sie besaßen, kaum genutzt werden konnten, da sie grundsätzlich zu wenig Blut in sich trugen. Doch heute war dem nicht so, bedingt durch den tollen Ausflug mit Milan. Und wieder musste Tyr sich eingestehen, dass sein Kumpel unverzichtbar war, da er stets Sorge trug, dass er genug Blut zu sich führte.

Mit Tränen in den Augen musste Tyr jedoch mit ansehen wie Milans Zustand nicht besser wurde. Seine Heilungskräfte sprangen nicht an und sein – Tyrs – Blut wirkte nicht so effizient wie es musste. Wenn ihm nichts einfiel würde sein Freund und derzeitiger Liebhaber sterben. Das durfte nicht passieren. Nicht jetzt, nicht wo sie wieder zueinander gefunden hatten. So viele Jahrhunderte hatten sie sinnlos ohne einander verbracht und jetzt wo sie endlich wieder vereint waren, sollte das vorbei sein. „Nein, bitte Milan, Mil Schatz kämpfe. Du darfst nicht... Kämpfe, hörst du. Kämpfe!“

„Ihr solltet jetzt besser gehen.“, riss die neutrale Stimme Tyr aus seiner Trauer. Der ruhige Tonfall war unerträglich und obendrein beleidigend. Sein bester Freund, sein einziger Kamerad starb und das noch durch die Hand, die er so begehrte, dass er seinen einstigen Liebhaber in seiner Fantasie mit Bildern des anderen ersetzte. Und genau da begriff er erst, dass Callan Milan niemals ersetzten könnte. Als Liebhaber bestimmt, aber nicht als Freund.

Schwankend kam er daher auf die Beine, blickte düster drein, als er das Kraftfeld immer noch um Callan spüren und es mittlerweile sogar sehen konnte. Der Staub sammelte sich um die magnetische Kraft und das Licht zeigte die Umrisse eines Art Kokon. Einer Schutzhülle, die ihn jedoch nicht aufzuhalten vermochte. Denn aus einem irrwitzigen Grund, konnte ihm diese Energie nicht schaden. Pech für Callan.

„Gib ihm dein Blut!“, forderte Tyr unumwunden auf und ging zielsicher auf den Blonden zu. Dieser wich nicht aus, seine Augen blickten kalt und seelenlos. Wie eine Waffe sah er aus. Doch das was Tyr egal. Er hatte bereits einige Vernichtungszauber gesehen und wusste, dass nur das Blut der gesprochenen Hexe den Spruch aufheben konnte, wenn kein Stammesblut den Effekt neutralisieren konnte. Was es für gewöhnlich immer konnte. Es sei denn, es handelte sich um einen nicht deaktivierten Bann einer sehr mächtigen Hexenvereinigung, wie sie sie nicht mehr geben konnte. Da er persönlich die letzten Nachkommen vernichtet hatte. Jeden einzelnen aus dem Familienstammbaum, da diese gleichzeitig auch noch sterbliche Vampirjäger waren.

Umso verzweifelter war Tyr über die Situation, die er vor sich hatte. Er der ein Reinblüter und sogar der Stammeshüter ist und schon immer in der Lage war jede Art von Zauber mit seinem Blut aufzulösen, ganz gleich wie mächtig sein Gegner war, hatte in diesem Fall keine Chance. Sein Blut hatte keinen Effekt, jedenfalls nicht bei Milan. Wenn also bisher noch irgendein Funke Hoffnung bestand, dass Callan normal sein könnte, dann hatte dieses Vorkommnis das Gegenteil bewiesen. Callan war alles andere als normal und ein gewöhnlicher Anwendungszauber war das auch nicht gewesen.

Der ganze Raum roch, nein stank noch immer danach. Doch er konnte keine richtige Hexe sein, die rochen und schmeckten anders und der Angriff war für einen Magier auch alles andere als üblich. Der sonst nur einherging mit einem Zauberspruch, doch Callans Kraft kam von Innen ohne Bündelung gewählter Worte.

Das Callan magisches Potential und die dazugehörigen Energien hatte, war nicht das Schlimmste, sondern dass diese Milan nicht wohl gesonnen gewesen waren und sein Blut als Stammesältester nicht half. Warum wirkte es nicht und warum war er selbst unverletzt geblieben? Dies war genauso unerklärlich wie umgekehrt Milan direkt das Zentrum des Angriffs war.

Wenn es weiße Magie war, dann hätte er – Tyr – wie ein Magnet wirken und Milan hätte verschont bleiben müssen. Und rote oder wie manche dazu sagten schwarze Magie?! Was in Milan sollte es angreifen, er war ein Vampie – ein Kind der Dunkelheit, wenn auch nicht so sehr Schatten wie Tyr. Die Situation war so merkwürdig wie unbekannt. Warum prallte die Energie an ihm ab, aber zerstörte Milan beinahe? Ha, beinahe, wenn Callans Blut nicht half, dann war Milan zerstört. Denn auch das war neu für Tyr. Sein Blut war universell, er war der Stammhüter der Dämonen. Wenn nicht er seine Kinder zu retten vermochte, dann war ihr Untergang gewiss.

„Nein!“ kam die schalle Antwort und brachte Tyr wahrlich für wenige Sekunden zum Stillstand. Diese Nüchternheit war einfach nur erschlagend.

„Verdammt, gib ihm dein Blut, sonst stirbt er.“, sammelte sich Tyr, er durfte jetzt nicht hadern. Nicht mit sich oder seinen Gefühlen für Callan. Jetzt ging es nur darum Milan zu helfen und dazu brauchte er Callans Blut. Unbedingt und egal wie. Er probierte es daher kurz entschlossen mit Vernunft. „Willst du wirklich einen Tod auf deinem Gewissen lasten haben?“

„Einen Tod?“, kam es eisig klingend zurück. „Er ist doch schon Tod. Er ist schon längst kein Mensch mehr. Wie alt ist er 100 Jahre oder 1000. Denkst du nicht er hatte genügend Leben gehabt? Wie viele Menschen starben nur damit er leben konnte?“

„Verflucht, weißt du was du da sagst?“, schrie Tyr auf und packt sich den für ihn fremd gewordenen Mann. Konnte er sich so sehr getäuscht haben. Callan war für ihn der Inbegriff von jugendlicher Unschuld und Reinheit. Niemals hätte er vermutet, dass er so herzlos sein konnte. So kalt. Wo war seine Wärme hin, die er immer in sich trug? In die er sich verliebt hatte. 'Verdammt, nur nicht gefühlsduselig werden. Denk an dein Ziel.' ,fuhr es automatisch durch seine Gehirnwindungen.

Ja er hatte sich verliebt in diesen Jungen, das hatte er sich in der gemeinsamen Nacht mit Milan eingestehen müssen. Nicht umsonst spukte nur Callan in seinem Geist. Es war der erste Gedanke beim Aufwachen und der letzte beim Einschlafen. Es konnte nur Liebe sein und er war bereit sich ihr zu stellen. Doch nicht um jeden Preis und schon gar nicht wenn die Summe Milans endgültiger Tod war.

Er riss Callan deswegen mit grober Gewalt mit sich und vergaß dabei jegliche Kinderstube. Er biss so hart er konnte in dessen Handgelenk und drückte die Wunde an Milans Mund. Seine Hoffnung bestand darin, dass es wie bei den Magiern funktionierte. Doch kaum hatte der Kokon Milans Haut berührt begannen die Blasen nur noch stärker zu werden und teilweise sogar aufzuplatzen. Was für eine Sauerei! Sofort nahm Tyr das Handgelenk vom Körper seines Freundes. So ging es nicht.

Vielleicht würde es aber reichen, wenn das Blut nur auf ihn tropft. Callan wehrte sich, doch nur die körperliche Kraft kam bei ihm an und die reichte nicht aus Tyr am Weitermachen zu hindern. Die Worte die er schrie, registrierte Tyr überhaupt nicht. Doch die Magie oder was es auch immer in Callan war, blieb nicht so ruhig.

Nachdem neue Vibrationen und Schwingungen die von dem Jungen ausgingen erneut Milans bewusstlosen Leib malträtierten, verlor Tyr jegliche Geduld, gar Vernunft. Innerhalb eines Sekundenbruchteils schlug er Callan nieder. Gefühle hin oder her. Es war ein verzweifelter Versuch in der Hoffnung, dass Callan ähnlich reagierte wie ein bewusstloser Hexer, der seine Kräfte versiegelte. Und es gelang glücklicherweise.

Schlaff hing Callan nun in seinen Armen, doch in diesem Zustand ging die Heilung einfacher von statten. Tyrs Herz, sofern er ein schlagendes besessen hätte, hätte einen freudigen Hüpfer vollführt, als das Blut von Callan anfing allmählich Wirkung zu zeigen. Es kroch in die Wunden und eine Reaktion begann. Es puffte und zischte. Blau-Violetter Rauch stieg auf aus der Wunde. Zunächst nur aus der einen, aber nach und nach aus jeder einzelnen. Kaum jedoch war der Qualm vorbei, konnte Tyr sehen, wie sich Milans eigenen Heilungskräfte mobilisierten. Selbst sein ihm verabreichtes Blut begann die Heilung zu beschleunigen, die wieder auf mysteriöse Weise nicht angegriffen wurde von Callans Blut oder dem blau-violetten Rauch.

Nach gefühlten Jahrhunderten schlug sein Kumpel endlich die Augen auf und krächzte schwach. „Was ist passiert, wieso fühl ich mich so niedergeschlagen? Oh, verdammt habe ich Kopfschmerzen, hat jemand die Nummer von dem unbekannten Flugobjekt notiert.“ Der Scherz kam natürlich nicht an, doch dieser Scherz war das Allerschönste was Tyr je zu hören bekam und er lächelte glückselig. Es hatte funktioniert. Die Anell sei Dank, Milan war gerettet.

„Wie geht es dir?“, schluchzte er kurz darauf überrannt von seinen eigenen Gefühlen und Ängsten seinen besten Freund beinahe verloren zu haben. Milan sah skeptisch zu Tyr und dann sofort verwundert zu dem bewusstlosen Menschen, der eine offene Handgelenkwunde hatte.

„Oh, sag mir nicht, dass du mir sein Blut gegeben hast?“ Als er ein schwaches Nicken sah und der Blick von Tyr traurig zu Callan wechselte, den er sehr sanft auf den Boden legte und das Gelenk nur verband und nicht mit seinem Speichel heilte, schwante ihn unheilvolles. Tyr sah tief verletzt aus und die Trauer und Verzweiflung waren sehr greifbar, die von dem alten Geschlecht ausging.

„Okay was ist passiert?“, versuchte Milan sich daran seine Standfestigkeit hervorzubringen, was eindeutig scheiterte und ihm die gesamte Aufmerksamkeit von Tyr zusicherte, der ihm beim Aufrichten half.

„Ich weiß es nicht so genau. Es sah aus wie ein Eliminierungsbann und war doch was völlig anderes. Mein Blut half nicht, daher brauchte ich seins. Da er im wachen Zustand weiterhin schädlich für dich war, blieb mir nichts anderes übrig.“

„Er ist also ein Magier?“, fasste Milan gerade das Ergebnis ungläubig zusammen. Die hatte er sich anders vorgestellt, nicht so unscheinbar.

„Vielleicht auch.“, zuckte sein Kumpel kurz mit den Schultern. „Er ist anders, als alle Hexen die ich je gesehen oder gegen die ich gekämpft habe. Dass sein Blut seinen Schaden wieder wettmacht, ist das einzige was verbindend wirkt. Weiße Magie wirkt ausschließlich physisch, während unsere Kraft im psychischen liegt. Doch in deinem Fall geschah beides.“

„Tyr, bitte, ich weiß es ist unzumutbar, aber du musst ihn dir aus dem Kopf schlagen. Ich weiß nicht was er ist, doch er ist dein Untergang, wenn du weiter an ihm festhältst. Du musst ihn töten, wenn er eine Gefahr für uns alle darstellt und das weißt du. Du hast gesagt dein Blut half nicht? Hast du eine Ahnung was das bedeutet? Du kannst niemanden unserer Art vor ihm schützen. Jeder ist dem Verderb ausgesetzt, sollten sich diese Wege kreuzen und du nicht in der Nähe sein um eingreifen zu können.“

„Ich kann nicht.“, wimmerte Tyr wie ein geprügelter Hund.

„Bitte Tyr, du musst...“ ,flehte Milan indessen, der mit dem Versuch scheiterte Callan nahe zu kommen. Noch immer glomm schwach eine ungeheure Zerstörungskraft in dem Körper, der ihn daran hinderte ihn zu berühren ohne vor Agonie in den Fingern zu keuchen. Verdammt was war er?

„Nein“ schüttelte der braunhaarige vehement den Kopf. „Ich muss und werde nicht.“

„…dich wenigstens von ihm fernhalten. Besser gesagt ihn von uns fern halten. Du kannst ihn nicht weiter treffen.“, beendete Milan seinen Satz und blickte in zwei dunkel betrübte Augen.

Wie geschlagen und tot-unglücklich nickte Tyr leicht mit dem Kopf. Wieder schimmerte eine glänzende Spur auf seinen Wangen. Sanft drückte er seine Lippen ein letztes Mal auf die roten zart-weichen von Callan, bevor er sich dann mit Milan aus der Wohnung verabschiedete. Er hatte seinen Freund zurückgewonnen und sollte zufrieden damit sein. Immerhin war das mit Callan sowieso reiner Schwachsinn. Zudem war er schon immer allein, warum sollte sich daran etwas ändern in den nächsten Äonen. Doch warum sprachen seine Gefühle dann eine ganz andere Melodie?!


Wochen nach dem Ereignis, dass Callan Milan fast getötet hätte und sich Tyr mit seinem Freund zurückzog, schien Ruhe eingekehrt zu sein auch wenn sich Tyrs Gefühle nicht beruhigt hatten. Er sehnte sich schlimmer als jemals zuvor nach dem blonden, jungen Mann, auch wenn er ihm nie vergeben wollte, was er seinem Kumpel angetan hatte. So wollte er sich trotzdem mit ihm versöhnen und schuld daran war zum Teil ihr unsichtbares Band, welches sie verbunden hatte.

Sie gehörten zusammen, ob sie es wollten oder nicht. Keiner würde etwas dagegen tun können und trotzdem musste Tyr hart bleiben. Die Gefahr war zu groß. Er hatte Milan zustimmen müssen, dass so außergewöhnlich wie Callan war, keiner vorhersehen konnte, was noch so geschah. Nur eins konnte er nicht, ihn eliminieren. Das würde er nicht ertragen können. Callan zu verlieren würde ihn selbst auch umbringen. Dann doch lieber die quälende Einsamkeit und die nagende Sehnsucht.

Neben all dem hingegen verlor er was völlig anderes vollkommen aus den Augen. Den Fall in den er hineingeschlittert war, hatte er vollkommen vergessen. Er hatte niemandem davon erzählt, sich nicht einmal Notizen gemacht über die er stolpern könnte, um sich zu erinnern. Und selbst Milan hatte die Andeutung Callans durch alle anderen Vorkommnisse seiner beinahen Vernichtung verdrängt.

So vergingen Wochen, die die zwei Freunde damit beschäftigt waren sich gegenseitig von jedem trübsinnigen Gedanken fern zu halten. Vielmehr war Tyr dabei sich von seinem Schmerz abzulenken und sich von seiner Sehnsucht ablenken zu lassen und was half da mehr, als in ihre alten Spielereien zurückzufallen. Sie jagten, feierten und hatten eine Menge Sex.

Milan gefiel die ungeteilte Aufmerksamkeit durchaus und schaffte es fabulös Tyr von allem fern- und auch abzuhalten. Primär natürlich von Callan und sekundär von allen anderen Pflichten, so das Vico wieder verstärkt gefordert war und dem Titel „Rechte Hand“ alle Ehre machte. Er war es auch, der den Schein wahrte, dass ihr Hüter noch immer hundertprozentig zur Verfügung stand.

Das dies jedoch irgendwann zu einer Katastrophe führen musste, war Vico klar. Nicht klar aber war, dass es so schnell kam und im wahrsten Sinne des Wortes über sie einbrach.


„Mein liebes Kind, reiße, beiße, zerstöre und zerfleische alles was dir unter die Krallen kommt.

Sei mein Werkzeug, sei mein Bote. Bis die Nacht der Macht von neuem erwacht.“

Daraufhin erhob sich ein Geschöpf gehüllt in langen Kleidern und Umhängen und verließ die am Boden liegende Kreatur mit einem „Plopp“ und war von einer Sekunde auf die andere entschwunden.

Einst war diese Kreatur ein Mensch, nun würde sie eine trieb-gesteuerte Vampie werden, sollte sie diese Nacht überstehen. Doch ganz gleich was dieses junge Ding werden würde, in jedem Fall würde sie Unheil anstellen, darauf kam es ihrem Schöpfer an.

Sie war nicht die erste und sie würde nicht die letzte Person bleiben, allerdings war sie seine erste Freiwillige. Ganz in Schwarz, sogar die Augen bemalt, den Teint weiß eingepudert und die Lippen blutrot angemalt, flehte sie ihn geradezu an sie zu wandeln. Er sollte sie zu einer von Ihren machen, die sie so bewunderte.

Natürlich nahm er dieses Geschenk an, doch sie würde nicht zu dem werden, was sie sich gewünscht hatte. Keine Vampirin, die so romantisch verklärt war in dieser Welt. Nicht solch eine Ausgabe würde sie werden, sondern eine erbarmungslose und trieb-gesteuerte Bestie. Verachtet und gejagt in beiden Welten und doch Bildhübsch.

Schade, dass sie nicht wirklich miterleben würde, was aus ihr geworden war. Dafür würde ihr Killerinstinkt zu stark sein, als ihr menschliches Gewissen. Das würde all den dummen Sterblichen gut tun. Sie waren Dämonen und keine harmlosen Kuschelbären. Er würde es allen zeigen. Die Menschen waren nichts weiter als Nahrung und das würde er aus ihnen auch wieder machen. Sie – die Kinder der Dunkelheit – allein waren die wahren Götter über die Welt und er stand über jedem Einzelnen.

Wenn Tyr so sentimental war seine Kräfte nicht zu nutzen gegen das wahre Übel ihrer Existenz – diese erbärmlichen und unwürdigen Sterblichen, dann war es seine Pflicht Ihnen allen die Freiheit zu bringen. Zu lange kämpfte er gegen Seinesgleichen. Und für was? Für diese dummen Menschen, die einer wie der andere wie Fliegen starben. Dabei sich selbst der schlimmste Feind waren.

Sie zerstörten, sie mordeten, sie betrogen ohne Kummer oder Sorge. Sie waren feig und hinterhältig. Diese Blender waren es nicht Wert beschützt und behütet zu werden. Abschaum alle miteinander. Nicht würdig Ihnen Regeln zu unterbreiten. Sie schlachten und quälen Tiere, plündern die Natur um an Nahrung zu gelangen und nahmen auf nichts und niemand Rücksicht. Mal abgesehen davon, was sie sonst noch alles taten um sich in der Weltordnung nach oben zu katapultieren. Sie sahen gar nicht welche Schäden sie anrichteten und sobald sie es verstanden, kümmerte sie das ganz und gar nicht. Und warum, weil sie nur eine begrenzte Lebenszeit hatten und allesamt maßlose Egoisten waren. Was kümmerte sie, was in 100Jahren geschah, ihnen sollte es gleich sein, denn sie berührte das Ganze dann schon lange nicht mehr.

Vampire wenigstens schenkten vom Urinstinkt her geleitet schon einen sanften, manchmal sogar lustvollen Tod. Und waren durchaus daran interessiert ihre Beute größtenteils unversehrt am Leben zu lassen. Wenn Sie das nicht zu der Elite der Jäger machte, wen dann? Es wurde endlich Zeit es den niederen Geschöpfen ein für alle Mal zu zeigen. Jawohl!

Es war Zeit das alte Machtgefüge wieder herzustellen. Die Anell würde stolz auf ihn sein, wenn es endlich begann. Doch leider musste er einen weiteren Tag warten und viele noch dazu. Seine Kräfte reichten nur für eine Wandlung pro Nacht. Aber er hatte Zeit, genug Zeit. Der naive Vampir von einem Hüter der Dämonen würde nicht einmal den Sturm sehen, wenn er schon mittendrin stand. Denn eins stand fest, die kleine Armee die schon bereit stand, ruhte direkt unter dessen angeblichen Adleraugen. Und bisher sah er sie einfach nicht. Warum und weshalb kümmerte ihn nicht, denn es gefiel ihm durchaus sich erst einmal positionieren zu können.

Selbst wenn es nur eine Frage der Zeit war, dass dieses Spiel aufflog, machte es doch unheimlich Spaß. Wer wusste schon, ob die anderen die richtigen Schlüsse ziehen und den wahren Grund hinter dem Ganzen erkennen würden. Es war herrlich. Er fühlte eine wundervolle Vorfreude auf das Spektakel und ein bisschen Spiel war wohl auch ihm vergönnt. Was blieb ihm den sonst von seinem ewigen Leben?


Weitere Wochen vergingen und niemand in der mystischen Welt bemerkte die signifikante Veränderung in der Welt. Nicht wirklich. Es verschwanden unzählige Menschen. Die Überfälle und mysteriösen Mordfälle häuften sich erschreckend und niemand war da, um dem Wandel Einhalt zu gebieten.

Das Team Dingo war auf Erholungsreise und Tyr damit beschäftigt im Bett seinen Verlust zu kompensieren. Vico hatte alle Hände voll zu tun und hatte kaum Gelegenheit von den neuen Änderungen viel mitzubekommen, umso heftiger schlug es auf sie ein, als die Zeitung ihnen weit voraus war. Im Augenblick nur eine, doch es würde nur wenige Tage sein, bis sie alle darüber berichten würden. Weltweit!

Ein absoluter Skandal, denn wenn die Zeitungen davon berichteten, war alles schon viel zu spät. Sie mussten intervenieren bevor irgendein Sterblicher davon Wind bekam. Wenn die Presse darüber schrieb, hieß das, dass es schon genug mitbekommen hatten um überhaupt einen Artikel schreiben zu können.

Und selbst das hätte nie geschehen dürfen, denn dafür war spätestens Tyr zuständig, die Erinnerungen zu löschen oder zu manipulieren, dass es eben nicht öffentlich wird. Er war wie die Feuerwehr und löschte den Brand wenn er am Ausbrechen war und zwar in Form eines Journalisten, der begann seine Erlebnisse niederzuschreiben. Dass dies nicht geschah, geschweige denn es überhaupt notwendig gewesen wäre, dass Tyr den Verstand eines Pressemenschen manipulieren hätte müssen, war eine Katastrophe!


Die Tür zum Arbeitszimmer ging auf und herein kam Vico, der mit seinem Blick tief in der Zeitung vergraben weiter geradeaus zum Tisch lief, ohne einen Sinn für seine Umgebung zu haben. „Ich glaube wir haben ein kleines, ernstzunehmendes Problem...“

Mitten im Satz schaute er auf und fand einen leeren Bürosessel vor. Leicht irritiert blickte er sich um und sah kurz darauf einfach nur genervt aus. Er ließ die Zeitung sinken und vergaß gleichzeitig was er eigentlich sagen wollte. Stattdessen war er ein bisschen enttäuscht von dem Anblick der sich bot.

„Könnt ihr nicht aus Fehlern lernen, sagt mal? Ihr seid doch keine Teenager mehr, verflucht noch eins.“

Beide blickten den anderen Mann wie zwei unschuldige Engel an, doch ein Fingerzeig auf die Kleidung der Zwei, die dieser Andeutung folgten, konnten sie ihr krampfhaft zurückgehaltenes Kichern nicht mehr aufhalten.

Tyr und Milan fielen vor Lachen beinahe auf den Boden. Waren sie mitten im Liebesspiel gestört worden, hatten sie doch den glorreichen Einfall besessen sich schnell aus der Affäre zu ziehen, indem sie sich anzogen. Das jedoch ging wohl oder übel nach hinten los. Die Hemdknöpfe waren teilweise falsch geknöpft, die Haare zerzaust und zu allem Überfluss hatte Milan seine Weste auch noch verkehrt herum an.

Vico ergab sich seufzend und verschwand. Tyr war im Moment alles andere als hilfreich und wer wusste schon, wie er auf die Neuigkeiten reagieren würde. Entweder gar nicht oder viel zu unüberlegt. Es war wohl besser erst mal mehr Informationen einzuholen und herauszufinden wo sich gerade Gil, Moony, Rider und James befanden.


Gil lag entspannt in der Baummatte und genoss den Frühmorgen. Natürlich lag er im Schatten, doch so ein Sonnenaufgang hatte einfach was Unvergleichliches. Wenn die Schatten allmählich zurückgedrängt wurden, die ihre Existenz und Sicherheit bedeuteten, und das ganze Leben von neuem erwacht. Manchmal sehnte er sich sehr danach, wieder wie ein normaler Mensch den ganzen Tag sich in der Sonne tummeln zu können. Auch wenn dieser Planet sonst stets für seine Stimmungsschwankungen zuständig gewesen war und ihn jetzt körperlich ermüdete. Mit Sonne war einfach alles einfacher und leichter zu ertragen gewesen, doch jetzt war sie der Inbegriff von Untergang. So wie einst die Nacht. Schon komisch der Wechsel eines Licht- in ein Schattenwesen. Was einen bisher betrübte, war nun der beste Freund.

Die Schatten überschwemmten ihn, seit er sein Vermächtnis akzeptiert hatte, mit einer ungeheuren Tatkraft. Einer Lebensenergie, die die Sterblichen nur von der Sonne her kannten. Man war bereit alles zu erreichen was man sich vornahm. War dieses Zentralgestirn aber plötzlich weg, brach Unmut auf die Welt ein. Nichts schien mehr zu gelingen. Doch für ihn stellte der große, orange Ball nicht mehr das dar, was er für alle anderen Millionen Lebewesen darstellte. Für sie Leben, für ihn die Vernichtung. So weit entfernt und doch so unheimlich mächtig. Gab es was vergleichbar Schönes? Nicht für ihn.

Daher seufzte er, er würde sich bald zurückziehen müssen, immerhin waren sie hier um ihre Kräfte wieder aufzutanken und da waren die aggressiven UV-Strahlen leider kontraproduktiv, ganz gleich wie toll der Anblick war. Sonne schwächte sie einfach und es benötigte eine Weile sich wieder davon zu erholen. Doch einen letzten Blick wollte er noch für heute auf den warmen Planeten werfen. So öffnete er seine Augen, die natürlich mit einer sehr starken Sonnenbrille verdeckt wurden.

Doch statt gleißend helles Licht, war es düster. Das war irgendwie gar nicht möglich, immerhin konnte er die Strahlung auf seiner Haut fühlen. Es dauerte jedoch nicht lang, dass sich seine Augen angepasst hatten und genau ersehen konnten was vor seinem Gesicht baumelte. Eine Tageszeitung.

An für sich natürlich nichts womit er sich beschäftigte, doch die Gänsehaut die sich nun auf seinem Körper ausbreitete, ließ ihn sofort mit einem lauten Fluch auf die Füße springen. Pures Entsetzten verdunkelte sein Gesicht. Das konnte nicht sein, unmöglich. Oh Verflucht Tyr würde ihn eigenhändig Köpfen, oder schlimmer, ihn in der Wüstensonne an einem Pfahl ausbluten und dann verbrennen lassen.

Er schüttelte sofort seinen Kopf um die grausigen Vorstellungen zu verbannen und dennoch musste er sofort zu Tyr. Doch im nächsten Moment stockte er und lief bleich an, wobei das kaum möglich war. Vico stand vor ihm. Wenn er es schon wusste, dann konnte er gleich auf der Stelle seinen Kopf abgeben.

„Argo muss einfach überfordert sein.“, entwich es ihm unbedacht und er konnte den nun geschockten Ausdruck des Ratssekretär nun gar nicht nachvollziehen.

„Argo ist suspendiert, das weißt du oder? Er ist der Blutgier anheimgefallen!“, donnerte es zurück, bevor die Erkenntnis aufblühte und Vico nur leise fluchen konnte. „Oh verdammt, das erklärt natürlich einiges.“ Vico wusste bereits jetzt wie Tyr darauf reagieren würde.

Der Urvampir hatte es sofort gewusst, als er ihn gesehen hatte. Es war zu spät für Argo gewesen, selbst wenn er den Fels in der Brandung finden würde, wäre es ein harter Kampf, den er irgendwann verlieren würde. Und dennoch hatten sie gehofft, dass Argo stark genug wäre, um diesen Wahnsinn zu stoppen. Oder wenigstens noch sehr viele Jahrhunderte ins Land streichen würden, bis es soweit war die Konsequenzen zu ziehen.

Dennoch bestand für den Erstgeborenen von Difi keine Chance mehr jemals wieder in den Rat der Jäger aufgenommen zu werden und nur weil Tyr sich auf besondere Weise mit diesem verbunden fühlte, konnte er diesen Mann nicht entkörpern. Dabei wusste Vico nur zu gut, dass er seinen eigenen Halbbruder genauso wenig zur Strecke bringen könnte. Familie war die Achillesferse eines Anells, gerade dann wenn Argo genauso ein Stammhalter einer Hüterin war, wie Tyr der einen Hüters. Sie waren die geborenen Stammhüter aller Dämonen. Auch wenn Tyr das Vorrecht besaß als ältester Dämon, blieb die Tragik nicht unbedacht. Der Verlust eines Hüters, ganz gleich ob Numero Uno oder Duo, ohne Nachkommen war nicht kompensierbar und bedeutete auf lange Sicht den Wandel ihrer Art. Ohne reinblütige Dämonen, gäbe es bald nur noch Hybriden und keinen mehr, der sie schützen könnte. Ohne Hüter gab es keinen wirklichen Beschützer mehr, weder für sie noch für die Sterblichen. Jeder der nach Argo und Tyr käme, war nichts Ganzes. Umso bitterer ist die Pille, die es nun zu schlucken gab. Argo Einhalt gebieten und notfalls vernichten.

Beide waren ein unschlagbares Dreamteam gewesen zu ihrer aktiven Jagdzeit. Die rechte und linke Faust des Fürsten im Kampf gegen das wahre Böse in Jedem von ihnen. Und nun würden sich die beiden Freunde wie Feinde gegenüberstehen müssen. Nur ihr Schöpfer konnte wissen, wie das enden würde. Dabei war es ganz egal, ob Tyr diesen Kampf gewann, er würde daran verenden.

Doch welche Wahl hatten sie schon? Sie mussten ihn aufhalten, sonst war alles zerstört. Sie konnten ihn nicht mit dem Wahnsinn wandeln lassen und ruhig zusehen. Sie würden alles verlieren und das war Tyrs Aufgabe. Er musste zur Not einen Einzelnen für alle opfern, ganz gleich wer es war. Das einzige Problem welches Vico im Moment sah, war der angeknackste Panzer.

Tyr's Gefühle hatten ihn überrannt und irgendetwas war vorgefallen, dass er so unbeschreiblich litt. Auch wenn er es versuchte zu verbergen, war es sehr offen zu sehen, die Wunde die in ihm wucherte. War es eine einseitige Liebe oder war er zurückgewiesen worden, weil er ein „Monster“ war?

Weder Tyr noch Milan hatten sich in die Karten schauen lassen. Doch seit ihrer Rückkehr war alles anders. Tyr stellte dem Menschlein nicht mehr nach, war aber auch nicht in der Verfassung seine Arbeit aufzunehmen. Und wenn man es mit den neuen Erkenntnissen kombinierte, war das eine ganz schlechte Ausgangsbasis, um Tyr dazu zu bringen einen Teil der Familie zu richten. War er doch schon ohne das ganze emotionale Chaos sehr weich. Selbst oder gerade wenn man ihm das nicht ansah. Aber man sollte sich nicht täuschen. Er war dennoch der schärfste Richter, den es unter ihnen gab. Einmal einen Entschluss auf Verfolgung und Vollstreckung gefasst konnte man ihn an Kaltblütigkeit nicht überbieten.

„Ich...“, stotterte Gil eingeschüchtert. „Woher hätte ich das wissen sollen. Es gab keine offiziellen Statements zu Argo. Keiner hat je verlauten lassen, dass er nie wieder in den Dienst zurück könne.“

Wie wahr. Leider hatte er so etwas von Recht, dabei lag das nicht daran, dass der Rat nicht der Meinung war, dass diese Information verbreitet werden sollte. Doch sie beide, Tyr und Vico, baten um Geheimhaltung. Vorerst. Wollten sie das Andenken des Bluthund Nummer Zwei nicht schmälern. Argo sollte für das gefeiert und respektiert werden was er geleistet hatte und nicht verstoßen für das was aus ihm werden würde.

Jeder von ihnen trug das Erbe, den Fluch des Blutdurstes. Jeder spürte die Macht in sich, wenn der Hungerdurst kam und jeden konnte es von jetzt auf gleich erwischen. Nur gab es einen Fehler, den man ihnen beiden anlasten konnte. Nämlich der, dass sie Ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigt hatten. Die restlichen Mitglieder akzeptierten den Wunsch, verlangten aber gleichzeitig, dass sie ein Auge auf ihn warfen. Und das war nur sporadisch passiert und sehr zurückhaltend.

„Warum bist du eigentlich gekommen und nicht gleich Tyr?“, holte ihn Gil zurück.

„Wahrscheinlich weiß er noch nichts von seinem Glück und zum anderen ist er gerade anderen Spuren auf der Fährte, die ihn vollends einnehmen.“ Vico fühlte sich nicht besonders wohl andere Jäger anzuflunkern, doch wie sollte er auch erklären, dass Tyr scheinbar gerade eine sehr menschliche Phase durchmachte und ziemlich unpässlich war.

Der machtvollste Dämon in ihrer Zeit, der Erbe des großen Die Anell, kämpfte mit einer Welle von Hormonen, die so erschreckend wie unwahrscheinlich waren, dass sie mehr Sorge als Erleichterung darstellten. Der einzige Trost war da Milan, er hatte schon vor hunderten Jahren einen kleinen Einfluss auf Tyr gehabt und hätte ihn möglicherweise wieder stabilisieren können. Nun aber war die Situation eine vollkommen andere und Vico wünschte sich, dass Tyr bereits bekommen hätte was er von dem Menschen wollte. Dann wäre er vielleicht auf das gefasst, was jetzt auf sie einbrach.

„Soll ich gleich mitkommen oder ist es besser, wenn wir uns schon einmal der Sache annehmen?“

„Ich weiß es nicht.“, gab Vico geschlagen zu. Beide Alternativen waren gefährlich und eine davon in jedem Fall tödlich. Keiner von ihnen wusste, wie weit Argo bereits der Krankheit erlegen war und im ersten Schock sollte man Tyr besser nicht zu direkt gegenüberstehen.“ Seufzend setzte er sich daher und nahm für einen Moment seine Hände vor die Augen.

Nachdem er sich wieder gefangen hatte, sie beide auch die Örtlichkeit gewechselt hatten mit sehr viel Schatten und UV Abschirmung, überlegten beide Männer nun, was zu tun wäre und sie kamen nur auf eine einzige Entscheidung.

Egal was sie nun begannen, sie mussten Argo stoppen und dazu brauchten sie Tyr. Ganz gleich wie vernebelt er momentan durch seine aufgewirbelten Gefühle war. Vielleicht würden die Empfindungen zu dem Sterblichen, die zu Argo möglicherweise sogar unterdrücken und er würde sich den Fakten besser stellen können. Oder der Schock allein würde ihn wecken. Zu hoffen war es für alle Anwesenden.

„Wie hast du mich eigentlich gefunden?“, wechselte Gil abrupt das Thema, welches kurzzeitig zur Desorientierung führte. Die jedoch so schnell wie sie da auch schon wieder vorbei war.

„Das bleibt mein Geheimnis und sagen wir es mal so. Besser ich als Tyr, oder?“

„Absolut!“ Mit dieser Zustimmung widmeten sie sich zunächst der Tagesruhe um dann bei Anbruch der Dunkelheit mit dem Rest des Jägerteams einen Plan zu überdenken.

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