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Wie ein roher Diamant

Teil 4 - Onyx

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Informationen

 

Die Tage schlichen dahin.

Doch anstatt, dass sich meine Verwirrung legte, wurde sie nur von Tag zu Tag größer. Es blieb den anderen nicht verborgen, das ich mich plötzlich anders verhielt.

Ich versuchte Jan so gut es ging aus dem Weg zu gehen: wenn ich ihn denn

sah, was durch unser Zusammenwohnen unumgänglich war, wich ich seinem Blick

aus. Ich konnte ihm einfach nicht in die Augen sehen. Wie Röntgenstrahlen

spürte ich seinen Blick auf mir, das sich mir die Nackenhaare sträubten.

Ich wurde das Gefühl nicht los, das der Traum, kein Traum gewesen war oder

aber das Jan einfach nur in meinen Kopf sehen konnte, wo er das ganze Chaos

erblickte, das mich förmlich beutelte.

Am meisten war sicherlich Valandro betroffen. Er sagte nichts, aber ich

kannte ihn gut genug um in seinen Augen die unausgesprochenen Fragen lesen

zu können. Das schmerzhafteste daran war, das ich sie ihm einfach nicht

beantworten konnte, und auch nicht wollte.

Seit einigen Tagen verzichtete er darauf mich zu Hause zu besuchen. Wenn

wir uns trafen, dann in einem Cafe oder bei ihm. Er begründete seine

plötzliche Entscheidung damit, das ich sehr hart arbeitete und auch meine

Ruhe bräuchte, da müsste er mir nicht noch auf die Nerven gehen.

Verwirrt hatte ich das zur Kenntnis genommen, aber ich glaube Jans Präsenz

machte ihn genauso wahnsinnig wie mich... und vielleicht noch ein bisschen

mehr.

Ich ahnte nicht das Valandros Beweggründe ganz andere waren.

Es überraschte mich aber nicht wirklich, das zwischen Valandro und mir eine

unsichtbare Wand stand. Es lief nicht mehr so perfekt wie am Anfang. Wir

stritten uns häufig und das aus den fadenscheinigsten Gründen. Unsere

Beziehung erreichte einen Tiefpunkt, an dem ich schon mit dem schlimmsten

rechnete. Nur hatte ich nicht den Mut das Thema auf den Tisch zu bringen.

Das nahm mir Valandro ab.

Ich saß auf seiner Couch, meine Teetasse an mich gedrückt und beobachtete

ihn. Seit ich eingetreten war und wir einen fast scheuen Begrüßungskuss

getauscht hatten, schwiegen wir uns an.

Valandro holte tief Luft und mir wurde schlecht. Die Art wie er Luft holte,

sagte mir, dass er über ein Problem nachgedacht hatte, welches er jetzt

anschneiden würde und ich wusste nur zu gut, was es war.

"Irgendwas läuft gerade ziemlich schief."

Seine braunen Augen hafteten an mir und ich spürte seinen forschenden

Blick, doch hatte nicht den Mut dazu, ihn zu erwidern. Stattdessen blickte

ich interessiert in meine Tasse und sah den trüben Schwebteilchen zu, wie

sie sich am Boden zu merkwürdigen Formen absetzten, um nach einer kleinen

Bewegung meiner Hand wieder aufzuwirbeln.

"Alexander?"

Ich seufzte innerlich und sah auf.

"Ja, ich höre dir zu.", murmelte ich bedrückt. "Was soll ich denn sagen?

Ich... weiß das auch." Ich fühlte mich plötzlich ziemlich hilflos, wie ein

Kaninchen das vor einer Schlange saß und genau wusste das sie mich fressen

würde, egal was ich tat.

Valandro schwieg einen Moment, bevor er weitersprach. "Nun, ich weiß das

ich nichts getan habe, das diese merkwürdige Stimmung zwischen uns

verursacht. Oder bin mir dessen nicht bewusst, vielleicht kannst du es mir

sagen."

Ich rang mit mir und sah überall hin, nur nicht zu ihm.

"Willst du sagen, das ich Schuld bin?"

"Nein."

"So hört es sich aber an. Falls du denkst das ich fremd gegangen bin,

kannst du das aus deinem Register streichen." Meiner Meinung nach fiel Sex

mit einem anderen im Traum, nicht in die Kategorie des Untreu seins, auch

wenn es mich verwirrte.

"Findest du es nicht komisch das du gleich den allerschlimmsten Fehler zur

Sprache bringst?" Seine Stimme klang merkwürdig kühl, was mich veranlasste

ihn jetzt doch anzusehen. Ich zog die Stirn in Falten und mein Herz begann

zu rasen.

"Du... du denkst ich hatte einen andern. Aber... wieso und vor allem bitte

wen?" Meine Handflächen wurde schwitzig, ich stellte die Tasse zur Vorsicht

ab, da ich das Gefühl hatte, sie würde mir jeden Moment entgleiten.

Gleichzeitig spürte ich das eiserne Band, das sich unsichtbar immer enger

um meine Brust zog und mir das Atmen schwer machte.

"Ich habe keine Ahnung wen. Wenn ich es wüsste, würdet ihr beide jetzt wohl

eine gebrochene Nase haben." Valandro sprach es so ruhig und kalt aus, das

mir ein unangenehmer Schauer über den Rücken kroch und ich mittlerweile

Angst bekam. Ich sah die Schlange bereits über mir, nur wenige Augenblicke

davon entfernt mir ihre Zähne in den Leib zu bohren und ihr todbringendes

Gift zu verspritzen.

Ich war so sprachlos, dass mein Kopf völlig leer war. Ich war nicht mal in

der Lage entsetzt über sein Misstrauen zu sein.

"Was? Habe ich etwa einen wunden Punkt getroffen?" Valandros spottende

Tonlage in seiner Stimme, war wie ein Peitschenschlag in mein Gesicht. Noch

immer war ich nicht in der Lage etwas zu erwidern. Ich schluckte leer und

das erstbeste was mir einfiel, war mir mit beiden Händen durch die Haare zu

fahren. Ich schloss die Augen und atmete tief durch, dann erhob ich mich

und begann mit meiner unruhigen Wanderung durch seine Wohnung.

"Okay, ganz langsam..." Ich betrachtete den Teppich unter mir und zählte

die Muster ab, um meine Füße punktrichtig nur in jedes zweite Karo zu

setzen. Was zum Geier tat ich hier? Meine Beziehung stand auf dem Spiel und

ich bewunderte das Teppichmuster?

Valandro hatte mich beobachtet, wie jemand, der bei einem Tennisspiel

zusieht, aber eigentlich eher wegen des Balls als wegen der Spieler

gekommen ist, um dessen Flugbahn zu berechnen. Seine Augen folgten mir,

während der Rest seines Körper in eine Art Starre verfallen waren.

Mir fiel auf wie steif er dort im Sessel saß. Das erste Mal bemerkte ich

die ausgeprägten Kieferknochen, die er besaß, und die jetzt, da er die

Zähne aufeinander presste, so deutlich hervortraten.

Wie er da so saß und mich ansah, als hätte ich die Büchse der Pandora

geöffnet, konnte ich ihm noch nicht einmal böse sein. Hatte er denn so

Unrecht? Eigentlich nicht. Denn so gern wie ich es verdrängen wollte. Es

gab nun mal einen zweiten Mann in meinem Leben, der es stark beeinflusste.

Auch wenn ich Jan zu gern in eine Kiste verpackt hätte, die nach Timbuktu

verschifft wurde mit der Aufschrift ‚Vorsicht - Gefährlicher Inhalt'.

Ich ließ die Schultern hängen und setzte mich neben ihn. Er wandte mir sein

Gesicht zu und zog fragend eine der schmalen schwarzen Brauen nach oben.

Mir wurde bewusst, dass das eigentlich das erste Mal war, das ich Valandro

von einer anderen Seite kennen lernte. Bisher war er immer der freundlich

junge Mann gewesen, der immer ein Lächeln auf den Lippen trug.

Ich zögerte kurz, doch dann nahm ich eine seiner Hände, legte sie zwischen

meine und begann seine Handrücken mit dem Daumen zu liebkosen. Er ließ es

anstandslos mit sich geschehen, aber die Strenge war noch nicht aus seiner

Haltung oder seinem Gesicht gewichen.

"Valandro.", begann ich und setzte erst einmal einen tiefen Seufzer nach.

"Glaub mir. Ich hatte keinen anderen, im Bett gleich gar nicht." Ich sah

ihm in die Augen und gleichzeitig lief ein kleiner Film vor meinem

geistigen ab. Moment. Es stimmte, im Bett war er nicht gewesen, jedenfalls

nicht auf der elementaren Ebene. Träume waren frei. Aber was war mit dem

Kuss gewesen? Nun, der war richtig echt gewesen, auch wenn er nur einseitig

ausgeführt worden war. Zwei Paar Lippen waren daran beteiligt gewesen, und

ein Paar davon hatten mir gehört.

Ich blinzelte verstört. Wieso kamen einem schuldbewusste Gedanken immer zum

ungünstigsten Zeitpunkt?

Die kleinen Veränderungen meiner Mimik waren Valandro nicht verborgen

geblieben. Er hatte schon immer in meinem Gesicht gelesen, wie in einem

offenem Buch. Und ich hasste das wie die Pest. Sein Blick verdüsterte sich

und seine Hand, die zwischen meinen lag, schloss sich wie ein Schraubstock

um meine darunter liegende. Ich quietschte auf.

"Du tust mir weh!", klagte ich, obwohl der Schmerz mich aus meinem trüben

Überlegungen geholt hatte.

"Sag mir die Wahrheit, Alex! Sei so ehrlich und lüg mich nicht noch an. Ist

irgendwas zwischen dir und einem andern gelaufen?" Valandro versuchte ruhig

zu bleiben, das spürte ich, denn seine Wut, die er nicht zum Ausdruck

brachte, floss in seine Hand und ich dachte schon, er würde mir die Knochen

brechen.

Ich verzog das Gesicht und bemerkte langsam, das meine Hand bereits taub

wurde, doch ich versuchte dem weiter keine Beachtung zu schenken.

Ich atmete tief durch und erwiderte mit aller Kraft die mir noch geblieben

war, seinen Blick.

"Ich habe dich nicht betrogen." Ich war selbst erstaunt, wie selbstsicher

es über meine Lippen gekommen war. Valandro musste mir einfach glauben.

Wenn er es nicht tat, dann hatte er wohl einen psychischen Knacks hinter

sich und ich würde beten, das ich nur mit einer gebrochenen Nase davonkam.

Der harte Griff um meine Hand löste sich und Valandro atmete tief durch. Er

nickte mir zu und lächelte leicht.

Ich war fasziniert. Wie ein plötzlicher Gewittereinbruch, der bei schönstem

Sonnenschein einen mit Regen und Blitzen überschüttete und genauso schnell

wieder verschwindet, wie er gekommen war, damit die Sonne deine nassen

Haare wieder trocknen konnte; so plötzlich waren die Kälte und Ablehnung

aus Valandros Gesicht verschwunden und hatten wieder dem wärmenden

liebevollen Ausdruck in seinen Augen Platz gemacht.

Neben Überraschung durchströmte mich eine ungeahnte Glückswelle.

Ich umarmte ihn und schloss die Augen. Nie im Leben konnte ich ihn gegen

einen anderen eintauschen. Das wurde mir jetzt klar. So unsicher ich mir

jemals gewesen war, ob es das richtige gewesen war, Valandros Avancen

nachzugeben, jetzt wusste ich es genau. Valandro würde mit mir noch einige

Jahre gemeinsam durchs Leben gehen. Auch wenn meine schmerzende Hand kleine

anklagende Impulse in mein Gehirn schickte.

So lautlos wie möglich versuchte ich mir einen Tee zu machen, um keinerlei

Aufmerksamkeit meiner Mitbewohner auf mich zu ziehen. Ich rieb mir mit dem

Fußrücken die Wade. Es war schweinekalt geworden. Sobald die Sonne

unterging, konnte man förmlich die Eisschwaden heranschweben sehen und

Väterchen Frost dabei beobachten, wie er in graziler, präziser Arbeit

kleine kunstvolle Gemälde in Form von Eisblumen an die Fenster malte.

Doch es war schier unmöglich Vincents Radar zu umgehen.

"Ah, Sweetheart. Wie gut das ich dich antreffe."

Ich konnte mir gerade noch ein frustriertes stöhnen verkneifen. Mit einem

strahlendem Lächeln wandte ich mich zu ihm um.

Er trug rosa Kaninchen an den Füßen. Die Ohren schwankten bei jedem Schritt

hin und her, wie ein betrunkener Matrose bei schwerem Seegang. Ich hatte

nie verstanden, was für eine magische Anziehung diese merkwürdigen

Pantoffeln, mit verniedlichten Tierköpfen und riesigen Glubschaugen, auf

Menschen ausübten. Ich hielt sie mehr für gemarterte Fehlproduktionen der

Wirtschaft, die trotzdem gewinnbringend unter die Leute gebracht wurden.

Ich erwartete, angesichts des dunkelblauen Baumwollpyjamas mit Winnie Puuh

Motiven, das Vincent zumindest einen Lolli im Mund hatte. Doch ich wurde

enttäuscht.

"Was hast du denn auf dem Herzen?", fragte ich nach und wandte mich wieder

dem Wasserkocher zu, der bereits verdächtige Blubbergeräusche von sich gab.

Vincent schwang sich auf die Arbeitsplatte und kramte im Küchenschrank nach

einer Tasse, die er unauffällig zu der meinen schmuggelte.

Seufzend hielt ich ihm die Früchteteepackung hin und er nickte mir zu.

"Haben du und Valandro Silvester schon was vor?" Er beobachtete mich, wie

ich einen Teebeutel in seine Tasse gab und nickte mir erneut zu, als ich

die Würfelzuckerdose hochhielt.

"Noch nicht wirklich. Wir werden wahrscheinlich zum Tor gehen."

Vincent wiegte den Kopf hin und her.

"Kommt doch mit zu mir. Ich hab mir ein kleines Haus am Stadtrand gemietet.

Wird eine riesige Fete."

Ich schaltete den Wasserkocher aus und goss uns beiden ein. Ich überlegte

einen Moment

"Wird Jan da sein?"

"Warum fragst du?"

"Reine Neugierde."

"Wahrscheinlich nicht. Ich habe ihn schon gefragt, aber er meinte, er hätte

etwas besseres vor." Vincent zuckte die Schultern. Ich spürte seinen

bohrenden Blick förmlich in mir. "Warum fragtest du noch mal?"

"Vincent...", meinte ich mahnend, drückte ihm seinen Tee in die Hand und

wandte mich um, um zurück in mein Zimmer zu gehen.

"Was ist nun? Kommt ihr mit?" rief er mir noch hinterher.

"Ich frag Valandro, ja!?" damit fiel die Tür ins Schloss und ich seufzte

auf. Im Grunde fand ich es nicht schlecht, mit Vincent und Steffen ins Neue

Jahr zu feiern. Die Frage war nur, ob Jan das auch fand.

"Da wären wir."

"Ja..."

"Ist dir schlecht?"

"Nein..."

"Du siehst aber so blass aus." Valandro musterte mich mit besorgtem Blick

von der Seite und irgendwie fühlte ich mich auch krank. Es war keine gute

Idee gewesen, hier her zu kommen. Denn Jan würde unter Garantie hier

auftauchen und dann würde es kritisch.

Ich seufzte tief und vergrub mein Gesicht bis zur Nase hinter meinem dicken

Schal, als ein eisiger Wind mir ins Gesicht schnitt. Ich betrachtete das

Haus, das unter einer dicken Schicht Schnee vergraben lag. "Mitten in der

Tundra...", murmelte ich gedämpft und konnte trotzdem sehen, wie sich mein

Atem als kleines Wölkchen vor mir kondensierte.

"Ja, aber das muss ja nicht schlecht sein, hm?"

Valandro lächelte mir aufmunternd zu, während ich ihm eine leidende

Grimasse schnitt.

"Wer weiß, was für Typen da drin herumspringen. Ich meine, Vincent ist ja

nur die Spitze vom Eisberg." Ich schielte zu meiner Nasenspitze, wo sich

eine dicke Schneeflocke platziert hatte, um in Bruchteilen von Sekunden als

Wassertropfen an jener hängen zu bleiben. Ich wischte mir mit dem Handschuh

über die Nase und Valandro lachte leise.

"Ich wusste nicht, das du so konservativ eingestellt bist, mein Lieber."

"Was hat das mit konservativ zu tun? Glaubst du, Steffen trägt die

Handschellen nur beruflich mit sich herum?" Ich schnaufte leise. "Aber ich

erinnere dich daran, wenn du vor Mitternacht, mit Lederriemen gefesselt von

er Decke baumelst und danach zur Drag-Queen gewählt wirst."

Valandro starrte mich an. "Ernsthaft?", fragte er mit gespieltem Entsetzen.

Ich murrte ihn an. "Du wirst schon sehen..."

Als wir das Haus betraten, beruhigte ich mich dann doch. Es schien keinen

Dresscode zu geben, denn außer ein paar Lederhosen fühlte ich mich nicht in

einen BDSM Club versetzt. Er war eigentlich eine ziemlich bunte Mischung.

Es gab Musik und eine Bar, die bereits gut besucht war, auf der Tanzfläche

tummelten sich junge Männer und Frauen. Noch bevor wir unsere Jacken

ausziehen konnte, hörte ich einen spitzen Aufschrei und das nächste was ich

sah, waren ziemlich viele schwarze Haare mit blutroten Strähnen die mir im

Gesicht klebten. Ich ächzte leise unter der festen Umarmung von Vincent.

"Da seid ihr ja...", meinte er fröhlich und meine Nase nahm den feine

unterschwelligen Geruch von genossenem Alkohol wahr. Valandro wurde eine

ebenso überschwängliche Begrüßung zu Teil, der er nicht minder überrascht

gegenüberstand als ich. Ich kam mir vor als hätte Vincent uns seit Jahren

nicht mehr gesehen.

Steffen stand hinter ihm, ein Glas Cola in der Hand und grinste breit. Das

ewige Lächeln. Es gehörte zu den seltenen Augenblicken im Leben, wenn man

Steffen mal nicht lächeln, grinsen oder lachen sah. Es wirkte wie ein von

Natur aus angeborenen Reflex, aber es machte ihn auch unglaublich

sympathisch.

"Wir hatten schon die Befürchtung, ihr würdet gar nicht kommen.", meinte er

und schlang in einer besitzergreifenden Geste, den Arm um Vincents schlanke

Taille.

"Wir hatten Probleme mit dem Verkehr.", teilte Valandro mit, und er hielt

bereits Ausschau nach der Bar.

"Willst du auch was?" Noch bevor ich antworten konnte, war er bereits

verschwunden und kämpfte sich einen Platz an der Theke frei.

Ein weiteres seufzen verließ meine Kehle.

"Du siehst gar nicht glücklich aus." Meinte Vincent mitfühlend und warf

einen kurzen Blick zu Valandro, nickte zu ihm und zog fragend die Brauen

hoch.

Ich hob abwehrend die Hände. "Nein, nein...alles okay, wirklich. Alles

bestens."

Vincents argwöhnischer Blick zeugte davon das er mir nicht glaubte. Er

entwand sich Steffen und legte mir den Arm um Schulter, zog mich etwas vom

Trubel fern.

"Ist wirklich ALLES okay bei euch?"

"Jaha. Vincent, es ist alles in Ordnung, so wie es ist. Mir ist nur etwas

flau im Magen, das ist alles."

"Hm,...ihr hattet aber schon Sex, oder?"

Ich spürte wie nach einer kurzen Schocksekunde, die ich Vincent angestarrt

hatte, flammend errötete. Mühelos würde jeder die kleine Dampfwolke, die

über meinem Kopf aufstieg, sehen können.

"VINCENT!"

"Was denn? War nur eine ganz normale Frage." Er zuckte die Schultern.

"Weißt du, so ganz normal war die nicht." Verlegen huschte mein Blick immer

wieder von Valandro zu Vincent.

"Also nein." seufzte er.

"Was?"

"Also hattet ihr noch keinen Sex." Vincent sprach das so gelassen aus, als

würde er mit mir über das Wetter reden.

Ich boxte ihn gegen die Schulter und sah ihn finster an.

"Könntest du noch lauter brüllen? Ich glaube es hat noch nicht jeder

gehört?"

Vincent rieb sich die malträtierte Stelle und seufzte.

"Weißt du, ein Mann wie Valandro...na ja, wie lange seid ihr jetzt

zusammen? Über ein halbes Jahr?"

"Vinc, hör mal...wir hatten schon, okay." Ich unterstrich meinen Satz mit

beiden Händen, doch er zog nur eine Augenbraue in die Höhe.

"Was?" fragte ich gereizt.

"Richtig?"

"Wie richtig?" Ich war verwirrt.

"Analsex, mein Süßer."

Erneut erklomm meine Verlegenheit ungeahnte Höhen und brannte lichterloh

auf meinen Wangen.

"Wie kommst du jetzt eigentlich da drauf? Und was zum Henker hat ‚ein Mann

wie Valandro' zu bedeuten?"

Vincent seufzte und wandte sich um. Er beobachtete Valandro, wie er mit

zwei Gläsern in der Hand, neben Steffen stand und sich mit ihm unterhielt.

Der Arme konnte gar nicht wissen, in wie weit Vincents Interesse an ihm

hing.

"Schau ihn dir doch mal an. Er sieht gut aus und ich sage dir, heute Abend

wird er angebaggert werden, das du deinen Arsch keine zwei Sekunden drehen

kannst, ohne das ein anderer an ihm klebt. Ich meine nur, er hat auch

Bedürfnisse..."

"Moment!", unterbrach ich Vincent. "Verstehe ich das richtig: Du meinst,

entweder mein Arsch muss dran glauben oder Valandro gibt mir den Laufpass.

Was ist denn das für eine bescheuerte Theorie?"

Würden Blicke töten, wäre von Vincent nur ein schwelender kleiner

Aschehaufen übrig geblieben. Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte.

Wollte mir Vincent mitteilen das Valandro nur einer dieser Typen war, die

nach dem ersten Fick Auf Widersehen sagten? Das konnte unmöglich sein, denn

dann hätte er bereits mit fliegenden Fahnen aufgegeben. "Sag mal, hast du

uns nur eingeladen, damit du mir das sagen kannst und ich Valandro das Neue

Jahr versüße, in dem ich ihm meine Unschuld schenke, oder was?"

Vincent bedachte mich mit einem ruhigen aber auch klein wenig amüsierten

Blick.

"Zumindest scheinst du dich bereits in der devoten Rolle zu sehen."

Eine erneute Welle Schamesröte überzog mein Gesicht.

"Hör mal." Vincent legte mir die Hände auf die Schultern und übte damit

sanften Druck auf sie aus.

"Ich will gar nichts sagen. Eigentlich war das sogar so ziemlich bescheuert

von mir gerade. Ich finde nur, ihr beide seid ein süßes Paar und solltet

das auch bleiben....Tut mir leid."

Er machte ein so mitleiderregendes Gesicht, das er mir vollkommen den Wind

aus den Segeln nahm. Ich ließ die Schultern hängen.

"Schon gut..."

Vincent lächelte wieder glücklich. Er klopfte mir auf die Schulter. "Wird

schon werden. Aber...ist er wenigstens gut bestückt?", fragte er mit

verschwörerischem Flüsterton und kicherte über mein Gesicht, das sich

schlagartig verdunkelt hatte.

"Vinc...", knurrte ich, doch er war bereits auf dem Weg zu den andern

beiden, schnappte sich Steffen und verschwand mit ihm im Gewühl.

Valandro reichte mir mein Glas und musterte mich. "Alles o..."

"Noch einmal das Wort ‚okay' und ich flippe aus."

Er schloss den Mund wieder und trank stattdessen einen Schluck von seinem

Drink.

Ich seufzte, bedankte mich erst mal artig für meinen Drink und vergrub dann

das Gesicht an seinem Rücken.

Das würde ja ein toller Abend werden...

Wider Erwarten amüsierte ich mich doch Recht gut an diesem Abend. Ich

lernte ein paar von Vincents Freunden kennen und stellte fest, das er im

Gegensatz zu anderen noch recht schlicht gekleidet war.

Der Wein und die Cocktails legten sich schwer auf meine Beine, so dass ich

nach einer Weile die Couchecke aufsuchte um mich dort nieder zu lassen und

zu versuchen das Karussell anzuhalten. Ich vertrug nicht sehr viel Alkohol,

was daran lag das ich kaum welchen trank. Trotzdem verwunderte es mich wie

schnell er mir zu Kopf stieg.

"Wenn du kotzen musst, geh am besten nach draußen."

Ich wünschte mir das ich mir das nur eingebildet hatte, doch als ich den

Kopf hob verpuffte die Hoffnung und machte der grausamen Wirklichkeit

Platz.

"Damit kennst du dich ja bestens aus.", erwiderte ich giftig und Jan ließ

sich auf den Sessel mir gegenüber fallen. Er hob nur die Schultern und

musterte mich amüsiert.

Ich wusste es! Den ganzen Abend hatte ich es erfolgreich verdrängt, doch

die unterschwellige Angst saß mir wie ein Virus in den Knochen. Und

natürlich musste ich Recht behalten.

Ich lehnte mich zurück und versuchte Jan zu einer einzigen Person

zusammenzufügen. Es reichte aus, das er mir das Leben schwer machte, aber

zwei davon wären zuviel des Guten.

"Ich denke, du hattest was besseres vor?", fragte ich nach und lehnte meinen Kopf hinten an. Er fühlte sich zu schwer für meine Schultern.

"Ja, aber die Party war stinklangweilig, da dachte ich, ich gehe hierher.

Vinc hat sich gefreut. Aber ich glaube, er hätte sich auch über den

Weihnachtsmann gefreut. Der Gute ist voll wie tausend Russen.", schmunzelte

Jan.

Gegen meinen Willen musste ich lachen. Mir ging es nicht besser.

Jan wandte den Kopf, er schien noch erstaunlich nüchtern zu sein, und

schien interessiert in die Richtung der Tanzfläche zu sehen. Der Tumult

brauchte etwas, bis er meine Aufmerksamkeit erregte. Der Alkohol hatte

meine Gehirnwindungen lahm gelegt und demnach brauchten Informationen etwas

länger um von mir bearbeitet zu werden und eine dementsprechende Reaktion

zu veranlassen. Irgendjemand war auf den Tisch geklettert und verkündete

lauthals, das noch fünf Minute bis zu Jahreswende fehlten. Ich kämpfte mich

hoch und schwankte gefährlich. Gleichgewicht war eine arglistige Sache, für

jemanden der leichtsinnig schnelle Bewegungen machte, dessen Umgebung aber

viel langsamer mitwanderte.

Jan fing mich auf, bevor ich mit dem Kopf auf der Tischplatte aufschlug und

der Feier eine melodramatische Wende gegeben hätte.

"Hey, Vorsicht Kleiner." Er lächelte mir zu und ich blinzelte ihn an. Da

war es wieder, dieses Lächeln. Verfluchter Alkohol. Wo der Verstand

aussetzte, begann auf einmal das Herz die Regentschaft an sich zu reißen.

Und das begann in meiner Brust zu rasen, als wolle es explodieren. Eine

ganze Wagenladung Schmetterlinge rutschte durch meinen Unterleib.

Ich schüttelte benommen den Kopf.

"Valandro...". murmelte ich und Jan nickte.

"Ich bring dich zu ihm."

Ich lehnte mich schwerer als nötig gegen Jan und suchte nach dem ‚Wild

Wind' Duft, der mich jedes Mal umnebelt hatte, wenn wir uns näher gekommen

waren, als mein Sicherheitsabstand zugelassen hätte. Er kroch mir ganz

langsam in die Nase, zusammen mit einem anderen. Als hätte man mir ein

Brett vor den Kopf geschlagen, war ich wieder in der Gegenwart. Mein Kopf

formte eine einfach Gleichung ‚Jan = böse; Valandro = gut' und für meinen

Zustand reichte die vollkommen aus. Ich versuchte mich selbständig auf den

Beine zu halten.

"Danke, Jan...ich glaube ich schaff das allein." Ich lächelte ihm kurz zu,

zumindest nahm ich an, das ich das getan hatte und ließ ihn stehen.

Valandro kam mir bereits mit unseren Jacken entgegen. "Da bist du ja. Hier,

zieh das an." Er warf mir die Jacke über die Schultern und legte den Schal

um meinen Hals. "Es ist gleich soweit und wir wollen draußen anstoßen."

Er schien genauso ekelhaft nüchtern zu sein, wie Jan.

Als ich mich mühevoll am Reißverschluss meiner Jacke zu schaffe machte, kam

mir Valandro zu Hilfe. Danach nahm er mich an die Hand und führte mich

hinaus.

Dass hätte er nicht tun sollen. Ich war kaum zwei Meter weit gekommen, als

der kleine Neger mit dem großen Holzhammer mir eine überzog. So schnell ich

konnte, stolperte ich zum nächsten Gebüsch bei dem keine Leute standen und

übergab meine Mageninhalt, der mittlerweile nur noch aus Wein und

Mixgetränken bestand, der Natur.

Valandro strich mir seufzend über den Nacken und reichte mir ein paar

Papiertaschentücher. Ich schwankte von der Stelle fort und lehnte mich

gegen die Hausmauer. Hinter uns grölte es, Sektkorken knallten und Valandro

wurde plötzlich in grünes Licht getaucht.

Er nahm mich in die Arme. "Alles Gute fürs neue Jahr.", meinte er. Ich

klammerte mich an ihm fest und vergrub das Gesicht an seiner Schulter.

"Komm, ich bring dich hinein. Du solltest dich hinlegen."

Er löste sich von mir und strich mir durchs Haar.

"Nein. Ist schon gut. Ich werd nur mal ins Bad verschwinden und komm dann

wieder."

Valandro sah mich zweifelnd an. Doch ich nickte ihm zu. Jetzt wo mein

Innerstes nach außen gekehrt war, ging es mir besser; bis auf die

Halsschmerzen.

"Aber ich bring dich hin.", beharrte Valandro weiter.

"Ich schaff das allein, wirklich. Schau du dir das Feuerwerk an." Ich

strich ihm über die Wange und stolperte wieder ins Haus.

Im Bad schloss ich mich ein und spülte mir erst einmal den Mund. Ich war

leichenblass, aber dafür drehte es mir nicht mehr.

Als ich wieder nach draußen gehen wollte, begegnet mir Jan. Fast alle waren

draußen, nur ein paar wenige waren im Warmen geblieben und sahen sich das

Feuerwerk vom Fenster aus an.

"Hey, Frohes Neues.", wünschte ich ihm strahlend.

"Danke, Kleiner." Er kam auf mich zu und umarmte mich. Vor Verblüffung

konnte ich gar nichts tun. "Dir auch ein Frohes Neues Jahr.", wisperte er an meinem Ohr und hauchte einen Kuss darauf.

"Jan, was...", fragte ich verwirrt und sah ihn auch genauso an.

Er löste sich von mir und strich mir über die Wange, zuckte die Schultern

und ließ mich stehen. Ich blinzelte und sah ihm nachdenklich nach.

Ich bemerkte Valandro erst, als ich mich umdrehte. Leicht erschrocken

zuckte ich zusammen, fühlte mich ertappt; obwohl ich gar nichts getan

hatte.

"Willst du auch was trinken?", fragte ich nervös und lief zur Bar. Da selbst der Keeper draußen war, ging ich hinter die Theke und goss mir ein Glas Wasser ein. Ich nippte an meinem Drink und fürchtete mich vor der

bevorstehende Diskussion. Und es würde eine geben, dessen war ich mir

sicher.

Valandro trat neben mich und bedachte mich mit einem Lächeln, aber auch mit

dem Blick eines Menschen, der sich ins unvermeidliche fügte. Mir wurde ganz

flau im Magen. Das machte mir noch mehr Angst.

"Du solltest zu ihm gehen."

Dafür erntete er nur einen fragenden Blick meinerseits.

"Ich seh es dir doch an."

"WAS siehst du mir an?", fragte ich verwirrt und mit aufsteigender Panik in

der Stimme. Was ging hier ab?

"Alex,..." Valandro holte tief Luft. Mir explodierten bereits kleine Punkte

vor den Augen. "...ich kann in deinem Gesicht lesen, wie in einem Buch, das

weißt du doch."

"Das beantwortet meine Frage aber nicht!"

Valandro nahm eine meiner Hände, drückte sie. "Bitte Alex, mach es mir

nicht noch schwerer, als es jetzt schon ist. Ich weiß, wann ich den

Kürzeren gezogen habe." Er beugte sich vor und küsste mich. Ich schloss die

Augen und erwiderte den Kuss genauso innig. Ich verstand nicht was hier

passierte, aber ich wollte diesen Kuss förmlich in mich aufsaugen. In

Erinnerung behalten wie sich diese weiche Lippen angefühlt hatten. Denn das

es der letzte sein würde, wusste ich bereits, auch wenn ich es nicht

wahrhaben wollte.

Er löste sich von mir, lächelte mich tapfer an und stand auf, ich aber

wollte seine Hand nicht loslassen. Ich fühlte mich wie Salomons Kind. Zwei

Seiten zerrten an mir, doch Valandro ließ los, bevor man mich zerriss. Ich

wollte unsere Beziehung nicht beenden. Warum tat er es dann?

Valandro küsste meine Hand und ließ sie dann los.

Ich fühlte gar nichts.

Das Haus füllte sich wieder mit Leuten. Stimmen drangen an mein Ohr,

schließlich stieß mich jemand an. Ich blinzelte verwirrt. "Hey, willst du

noch was?", fragte mich der Barkeeper, der ebenfalls zurückgekehrt war. Ich

schüttelte benommen den Kopf und rutschte vom Barhocker.

Ziellos stolperte ich wie betäubt durch die Menge. Valandro hatte Schluss

gemacht und ich wusste noch nicht mal warum.

Immer wieder rempelte ich Leute an, die mich schief musterten oder nur den

Kopf schüttelten. Ich entschuldigte mich nicht. Sie dachten wohl ich wäre

betrunken. Was ich wohl auch war. Trunken von Verwirrung und Leere, denn

der Alkohol war verpufft. Ich wusste nicht mal wohin ich lief oder was ich

zu finden dachte.

Kurz bevor ich die Tür zum Garten erreichte, fiel mein Blick auf Jan, der

hatte jemanden kennen gelernt und war dabei, die Bekanntschaft intensiv zu

vertiefen. Mehr, seine Zunge in dem anderen zu vertiefen.

Irgendetwas in mir explodierte. Heiße Wellen schossen durch meinen Körper,

als Zorn unkontrolliert in mir zu wüten begann. Ohne zu wissen was ich tat

oder nur einen klaren Gedanken fassen zu können, lief ich auf das fummelnde

Pärchen zu. Im vorbeigehen am Büffet, schnappte ich mir die noch halbvolle

Bowleschale.

Ich sah mir selbst dabei zu, als würde mein Geist außerhalb meines Körpers

neben mir stehen, wie ich den Inhalt der Glasschale über Jan auskippte.

Ein erschrockener Aufschrei folgte, und die beiden stoben, wie von der

Tarantel gestochen, auseinander.

Was danach geschah bemerkte ich gar nicht mehr, da ich die Schale bereits

abgestellt hatte und mir einen Weg nach draußen bahnte. Was gar nicht so

einfach war, da die gaffende Meute mit ihren halboffen klappenden Mäulern

auf die beiden Getauften starrte.

Die eisige Kälte der Minustemperaturen krochen mir in die Glieder, als ich

durch den Vorgarten lief, um von diesem verfluchten Haus weg zu kommen.

Bevor ich das Tor erreicht hatte, grub sich eine Hand schmerzhaft in meine

Schulter, um mich zum anhalten zu bewegen und umzudrehen.

"Spinnst du?", fauchte Jan mich an. Er wollte noch mehr sagen, doch

verstummte bei meinem Anblick.

Ich hatte die Hände zu Fäusten geballt, meine Auge sprühten vor Wut.

"Was?", schrie ich. "Was? Was? WAS?" Ich bebte vor Zorn und stand kurz davor

vollkommen auszurasten.

Jan atmete tief durch, bevor er erneut den Mund öffnete. "Was zum Geier

sollte das eben?", fragte er etwas ruhiger, aber nicht minder aufgebrachter.

"Geh doch zurück zu deinem...deinem Fick und lass mich endlich in Ruhe!"

Mein Hirn war vernebelt von den chaotischen Emotionen, die sich kaum

einigen konnte, welche an erster Stelle stand.

Jan zog die Stirn in Falten. Von den hängenden Haarspitzen troff

ununterlassen und stetig die Bowle, einige Tropfen sammelten sich auf

seiner Nasenwurzel um sich gemeinsam den Nasenrücken hinabstürzen.

"Du tust gerade so, als wenn ich dich betrügen würde."

Jetzt klinkte sich das letzte bisschen Verstand aus.

"Du verdammtes Arschloch! Mistkerl! Elendes Schwein!" Mit den Fäusten hieb

ich auf seine Brust ein. "Wegen deinem beschissenen Spiel hat Valandro mit

mir Schluss gemacht! Warum ich? Wieso ausgerechnet ich? Konntest du keinen

anderen finden, mit dem du dein perverses Spiel treiben konntest?"

Mittlerweile schrie ich nicht mehr, sondern sprach etwas holprig, da der

dicke Kloß in meiner Kehle meine Stimme belegte und das schlucken fast

schmerzhaft machte.

Jan ließ mich, aber inzwischen hatte ich nicht mal mehr die Kraft, auf ihn

einzuschlagen. Ich sank einfach auf die Knie und legte mir die Hand über

die Augen. Die Feuchtigkeit durchtränkte meine Hose binnen weniger Momente.

Aber ich spürte die Kälte kaum, denn sie übertraf nicht die Kälte die ich

innerlich fühlte.

Das Knirschen von Schnee drang an mein Ohr und dann legten sich zwei Arme

um mich. Ich holte schniefend Luft und kuschelte mich schließlich an die

wohlige Wärme.

"Tut mir leid...", flüsterte Jan und strich mir etwas unbeholfen über den

Rücken.

"Es tut dir leid?", krächzte ich. "Fällt dir reichlich spät ein." Und

wischte mir über die Augen.

Jan seufzte. Er zog mich hoch. "Na komm, ich bring dich nach Hause. Sonst

holen wir uns nur den Tod."

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