zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Der verlorene Sohn

Teil 4 - Die Exkursion

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

 

Mein Gott, kann mal jemand den Krach hier ausmachen, das ist ja nicht auszuhalten. In der Hoffnung, das nervtötende Geräusch etwas zu dämpfen, vergrub ich meinen Kopf unter das Kissen, was aber nur wenig Linderung verschaffte. Schließlich öffnete ich doch langsam meine Augen, schaltete die Nachttischlampe an meinem Bett an und realisierte, dass heute die Schule wieder anfing. Die ganzen Sommerferien lang hatte ich mich vor diesen Tag gefürchtet und nun war er unbarmherzig gekommen. Ich hasste die Schule und freute mich schon jetzt auf den Tag, an dem ich endlich meinen Abschluss machen und diese grauen Gemäuer nie wieder sehen müsste. Von meiner ganzen Clique war ich der Einzige an dieser Schule, weil ich damals ja unbedingt da hin wollte, bis heute bereute ich diese Entscheidung. Schon seit Jahren versuche ich meinen Vater von einem Schulwechsel zu überzeugen, ich wäre gerne auf Finns Schule gegangen, aber er wollte davon nichts wissen, ganz im Gegenteil, er findet es gut, dass ich auf mich alleine gestellt bin und mich hinter niemanden verstecken kann. Er ist ja der Meinung dass ich zu große Menschenfurcht habe, wenn es darum geht, meinen Mitschülern “Zeugnis” (Bereitwillig und offensiv Auskünfte über unseren Glauben) zu geben und daher findet er es optimal, dass ich der einzige Zeuge Jehovas auf meiner Schule bin. Wie oft wurde ich schon in der Vergangenheit wegen meiner Religion von meinen Mitschülern gemobbt, aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Man findet sich in seiner aufgezwungenen Rolle als Sonderling irgendwann zurecht. Anfangs, als ich noch klein war und neu an diese Schule kam, war es echt hart für mich, ich verstand nicht, wieso meine Mitschüler mich wegen meiner Religion immer wieder hänselten, wie oft kam ich weinend nach Hause und wollte nie mehr zur Schule gehen. Aber mit der Zeit legt man sich ein Schutzschild zu, einen Panzer, an dem die ganzen Beleidigungen abprallen, anders wäre es auch nicht auszuhalten.

Ich stand also notgedrungen auf, um meinen blöden Wecker auszuschalten, den ich in weiser Voraussicht wieder außerhalb meiner Reichweite aufgestellt hatte. Ich hatte jetzt schon ein flaues Gefühl im Magen, wenn ich an die Schule dachte, aber da musste ich wohl durch. Ich schleppte mich träge in das Badezimmer und stellte mich unter die Dusche. Das warme Wasser tat mir gut und weckte langsam meine Lebensgeister. Circa eine halbe Stunde später saß ich fertig gestylt am Esstisch, an dem bereits die gesamte Familie versammelt war.

“Guten Morgen Luca, setz dich doch, magst du einen Kaffee?”, fragte mich meine Mutter.

“Ja bitte. Danke Mama.”

“He Bruderherz, mach doch nicht so ein Gesicht, es wird schon nicht so schlimm werden.”

“Du hast leicht reden, immerhin bist du im Gegensatz zu mir nicht der einzige Zeuge an deiner Schule.”

“Luca, dieses Thema hatten wir doch schon, du bleibst auf dieser Schule und jetzt basta”, kam es rigoros von meinem Vater.

“So und jetzt lasst uns gemeinsam den Tagestext betrachten. Daniel wärst du so freundlich ihn uns vorzulesen?”

“Natürlich Vater.”

Eine halbe Stunde später schnappte ich mir meinen Rucksack, setzte mich auf mein Fahrrad und machte mich auf den Weg zur Schule. Unterwegs kreisten meine Gedanken wieder um Jonas, er würde heute sein ersten Tag an meiner Schule haben und es könnte sogar sein, das er in meine Klasse kommt. Ich war mir nicht ganz sicher, ob es gut oder schlecht wäre, wenn er in meine Klasse kommt, da wir ja so unschön auseinander gegangen sind. Mittlerweile bereute ich meine Worte ihm gegenüber, ich wollte mich bei ihm entschuldigen und ihm versichern, dass ich ihn mit seiner Homosexualität akzeptiere und nicht versuche, ihn davon zu “heilen”. Es war halt schwer für mich, da ich nie zuvor Kontakt zu einem Schwulen hatte und nicht wusste, wie ich mich richtig verhalten sollte, ich kannte nur die Vorgaben von den Zeugen. Rahel hatte Recht, es ist grausam jemanden zu zwingen seine Sexualität zu verleugnen, je mehr ich darüber nachdachte, um so überzeugter war ich davon. Tief in meinen Gedanken versunken merkte ich gar nicht, dass ich mich bereits vor dem tristen, grauen Gemäuer befand, das sich meine Schule nannte. Ich fuhr mein Rad zu den Fahrradständern und machte es mit meinem Schloss daran fest. Ein letzter Blick auf die Uhr - gut 7:45 Uhr, ich hatte noch genug Zeit. Also machte ich mich auf den Weg über den Schulhof in Richtung Haupteingang. Hier und da standen auf den Schulhof bereits vereinzelte Grüppchen, die ganz euphorisch ihr Wiedersehen feierten und aufgeregt über ihre Ferienerlebnisse berichteten. Da ich keine Freunde auf der Schule hatte, wurde ich von niemanden begrüßt und begab mich schnellen Schrittes in das Schulgebäude. Vor meinem Klassenzimmer atmete ich nochmal kurz durch und begab mich dann in die Höhle des Löwen. Das Klassenzimmer war bereits gut gefüllt, von Leon und seinen Freunden zum Glück noch keine Spur, nahm ich erleichtert meinen Stammplatz am Fenster ein. Der Platz neben mir war wie immer leer. Vereinzelt wurde ich von ein paar Mitschülern gegrüßt, bevor sie sich wieder mit sich selbst beschäftigten. Ich sah aus dem Fenster, träumte mich ganz weit weg und hoffte, dass der Schultag schnell zu Ende gehen möge. Plötzlich nahm ich neben mir eine Bewegung war und sah in das freundliche Gesicht von Marie Baumann, unser Klassensprecherin. Sie war so ziemlich das beliebteste Mädchen an der Schule, groß, blond, eine tolle Figur, außerdem noch was im Kopf und dafür noch herrlich uneingebildet. So ziemlich jeder Typ an der Schule wollte mit ihr zusammen sein, doch bisher blitzten alle bei ihr ab.

“He Luca, ist der Platz neben dir noch frei?”

Ich sah sie entgeistert an, da sich unser bisheriger Kontakt nur auf freundliches gegenseitiges Grüßen beschränkt hatte und sie immer neben Melanie ihrer besten Freundin gesessen hatte.

“Was ist mit Melanie, habt ihr euch verkracht?”

“Nein Quatsch, Melanie ist mit ihrer Familie nach Berlin gezogen, ihr Vater hat dort ein Jobangebot bekommen, dass er nicht ausschlagen konnte. Tja und jetzt fühle ich mich ehrlich gesagt ein bisschen verloren ohne sie. Also was ist jetzt mit dem Platz, ist er noch frei?”

“Ja klar, wenn du wirklich neben dem Klassensonderling sitzen willst, der Platz ist noch frei.”

“Weißt du was Luca, ich mag dich und deine Religion ist mir egal. Ich würde dich wirklich gerne näher kennenlernen, aber du bist immer so verschlossen.”

Ich sah sie schuldbewusst an.

“Du hast ja Recht, aber es ist halt nicht so leicht in meiner Haut zu stecken, ob ich will oder nicht, ich bin immer der Außenseiter.”

“Also gut, wir fangen nochmal ganz von vorne an.”

Lächelnd hielt sie mir ihre Hand entgegen und sagte:

“Hi schön dich kennenzulernen, ich bin die Marie.”

“Hi ja freut mich auch, ich bin der Luca.”

Daraufhin mussten wir beide erst einmal herzhaft lachen. Vielleicht würde das neue Schuljahr ja doch nicht so übel werden. Marie erzählte mir ausführlich, was sie in den Ferien so getrieben hatte, unter anderem war sie im Urlaub in Italien und auch ich berichtete ihr von meinen Ferienerlebnissen. Kurz vor Unterrichtsbeginn betraten dann auch Leon und seine Freunde das Klassenzimmer, als Leon mich neben Marie sitzen sah, fielen ihm fast die Augen aus dem Kopf.

“He Marie, was ist denn mit dir los, hast du deine Liebe zu Loosern entdeckt oder wieso sitzt du jetzt neben dem da?”

“Ach Leon weißt du was, Luca ist bestimmt kein Looser und wenn du dir die Zeit genommen hättest, ihn näher kennenzulernen, dann wüsstest du das und überhaupt, seit wann bestimmst du wer ein Looser ist und wer nicht?”

“Ach bleib mal locker Kleine, ich habe es ja nur gut gemeint, schließlich hast du einen Ruf zu verlieren.”

“Danke für deine Anteilnahme Leon, aber lass das mal meine Sorge sein.”

Daraufhin stapfte er wütend zu seinem Platz, ganz nach hinten im Klassenzimmer, begleitet von dem leisen Geflüster und Gekicher meiner Mitschüler.

“He danke, dass du mich in Schutz genommen hast, aber ich werde mit dem schon alleine fertig.”

“Das musst du jetzt aber nicht mehr, wir sind doch jetzt Freunde und ich stehe meinen Freunden bei.”

“Ok, Freunde”, sagte ich und steckte ihr meine Hand entgegen, in die sie prompt einschlug, daraufhin mussten wir beide erneut lachen. Es fühlte sich gut an, ein bisschen Unterstützung in meiner Klasse zu haben und nicht mehr völlig alleine dazustehen.

Kurze Zeit später öffnete sich die Klassentüre und meine Klassenlehrerin Frau Schnell betrat den Raum, sie unterrichtete uns in Deutsch und Englisch und war meine absolute Lieblingslehrerin. Sie hatte einen tollen lockeren Unterichtsstil, war stets gerecht, konnte aber, wenn es sein musste, auch hart durchgreifen. Plötzlich musste ich wieder an Jonas denken, er war wohl in die Parallelklasse gekommen, naja, war vielleicht auch besser so. Die Stimme von Frau Schnell und ein leichter Ellenbogen in die Seite von Marie, brachten mich wieder in die Wirklichkeit zurück.

“Luca, wärst du so freundlich mir auch zuzuhören.”

“Eh ja, Entschuldigung Frau Schnell, ich war gerade abgelenkt.”

“Ja, das habe ich gesehen”, meinte sie schmunzelnd.

“So wenn ich dann ihre ungeteilte Aufmerksamkeit hätte, habe ich eine Mitteilung zu machen:

Wie die meisten von euch bereits wissen, hat uns Melanie Wiedmann verlassen und ist mit ihren Eltern nach Berlin gezogen. Aber wir haben dieses Schuljahr auch einen Neuzugang, den Jonas Stahl. So, wo er herkommt und was er so für Hobbys hat, erzählt er euch am besten selbst, Jonas kommst du herein.”

Die Tür öffnete sich und Jonas erschien im Klassenzimmer. Ich hatte seit dem Kongress von ihm weder was gehört noch gesehen, aber selbst hatte ich mich auch nicht getraut, mich bei ihm zu melden. Er hatte eine schöne, enge, gut sitzende Jeans und ein Poloshirt an, war perfekt gestylt und sah, wie er so da stand, wirklich gut aus, also für einen Jungen meine ich. Er lächelte, ließ seinen Blick einmal durchs Klassenzimmer schweifen und als sich unsere Blicke trafen, meinte ich in seinem Blick eine gewisse Traurigkeit erkannt zu haben, vielleicht war unsere Freundschaft ja doch noch irgendwie zu retten. In mir keimte wieder ein Funken Hoffnung auf. Marie stieß mich auf einmal mit dem Ellenbogen an und meinte flüsternd:

“Sag mal kennst du ihn bereits, es hatte den Anschein als sich eure Blicke trafen, das ihr euch nicht zum ersten Mal gesehen habt.”

“Ja, ich kenne ihn, wir waren so was wie Freunde, aber jetzt redet er nicht mehr mit mir.”

“Oh, das ist ja spannend und warum? Was ist zwischen euch vorgefallen?”

“Das ist eine lange Geschichte, erzähle ich dir ein anderes Mal, ok.”

“Also gut, aber lass nichts aus, ich will jedes schmutzige Detail wissen”, meinte sie lachend.

“Du bist echt unmöglich, weißt du das? Auf was habe ich mich mit dir nur eingelassen”, sagte ich ebenfalls lachend.

“Tja, zu spät Schätzchen, jetzt kommst du aus der Nummer nicht mehr raus. Ich bin jetzt deine neue beste Freundin und daher musst du mir alles erzählen.”

Daraufhin konnten wir uns nicht mehr zurück halten und fingen laut das Lachen an.

“Marie und Luca, wärt ihr bitte so freundlich, Jonas eure ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, ansonsten muss ich euch wieder auseinander setzten.”

“Entschuldigung Frau Schnell”, meinten wir beide wie aus einem Mund.

Hoffentlich hatte Jonas das eben nicht missverstanden und gemeint, dass wir über ihn gelacht hätten, kam mir gerade in den Sinn, aber ich glaubte nicht, dass mir Jonas so etwas zutrauen würde.

Alle Blicke, insbesondere die der Mädchen, von denen ihn bereits einige anschmachteten, waren nun auf Jonas gerichtet, als er anfing sich zu räuspern und dann schließlich sein Wort an die Klasse zu richten:

“Also gut, wo soll ich anfangen. Ich bin der Jonas Stahl, bin 16 Jahre alt und vor kurzem zu euch in die Stadt gezogen, da mein Vater hier einen Job angeboten bekommen hat. Meine Hobbys sind Tennis, Fitness, Kino, Playsi zocken usw.”

Plötzlich hielt er einen Moment inne, er sah mich an, es schien in ihm zu arbeiten und dann sagte er etwas, über das noch lange in dieser Schule gesprochen werden sollte:

“Ach scheiss drauf, wisst ihr was, ich habe echt lange mit mir gerungen, ob ich das heute sagen soll, aber mir ist gerade klar geworden, dass ich keinen Bock habe, mich länger zu verstecken, ich will endlich frei sein und zu mir selber stehen. Also Leute um es auf den Punkt zu bringen, möchte ich Wowi zitieren: Ich bin schwul und das ist auch gut so.”

Ein Raunen ging nach Jonas Outing durch die Klasse, nie zuvor hatte sich an dieser Schule bisher jemand offiziell als homosexuell geoutet.

“Wisst ihr, an meiner alten Schule hatte ich, als das aufgeflogen war, echt große Probleme, selbst ehemalige Freunde wollten nichts mehr von mir wissen. Es wurde dann sogar so schlimm, dass wir umziehen mussten. Deshalb habe ich beschlossen, diesmal von Anfang an mit offenen Karten zu spielen und ich hoffe, dass ihr mich einfach so wie ich bin akzeptieren könnt. Ok, das war auch schon alles, was ich sagen wollte.”

Im Klassenzimmer herrschte auf einmal eine gespenstische Stille, man hätte eine Stecknadel fallen hören können, wie man so schön sagt, bis Frau Schnell sich entschloss, das Heft wieder in die Hand zu nehmen.

“Vielen Dank für deine mutigen Worte Jonas und ich bin sicher (dabei sah sie jeden einzelnen im Raum an), dass meine Klasse offen und tolerant genug ist, dich so zu akzeptieren wie du bist.”

“Das kann doch nicht ihr Ernst sein Frau Schnell, dass sie uns jetzt so einen Schwuli vorsetzen und das wir alle noch schön Beifall klatschen sollen”, kam auf einmal von hinten von Leon.

Seine Speichellecker Sven und Tim beeilten sich schnell Leon zuzustimmen und ebenfalls ihren Unmut darüber kundzutun.

“Ja genau, wir wollen keinen Schwuli bei uns in der Klasse, der soll dahin zurück, wo er hergekommen ist”, meinte Sven.

“Ich habe auch keine Lust, jedes Mal nach dem Sport beim duschen auf meinen Arsch aufpassen zu müssen”, kam von Tim.

Plötzlich stand Marie neben mir wütend von ihrem Platz auf und sagte:

“Also ich kann mir diesen Schwachsinn von diesen 3 homophoben Schwachmaten einfach nicht länger anhören. Ich für meinen Teil finde es super mutig, dass Jonas sich vor der gesamten Klasse geoutet hat und ich bin mir sicher, dass der Großteil der Klasse damit überhaupt kein Problem hat. Ich würde dich sehr gerne in unserer Klasse willkommen heißen Jonas, ich bin die Marie.”

Daraufhin stand sie auf und schloss einen verdutzten Jonas in ihre Arme. Maries Aktion hatte einen Dominoeffekt zu Folge, die ganze Klasse, mit Ausnahme von Leon und seinen Freunden, stand auf und hieß Jonas in der Klasse willkommen, die Mädchen mit einer Umarmung, die Jungs wie auch ich, per Handschlag. Mit Ausnahme von Marcel, unserem Fußballer und angeblichen Womanizer, auch er nahm Jonas in die Arme und sagte an die Klasse gerichtet:

“Jonas, ich bewundere echt deinen Mut und jetzt, nachdem du so offen warst, möchte ich mich auch nicht länger verstecken. Ja, auch ich bin schwul und es fühlt sich gut an, das endlich los geworden zu sein.”

“Das darf ja wohl nicht wahr sein, sind jetzt alle verrückt geworden, bin ich jetzt hier nur noch von Schwuchteln umgeben”, schrie Leon von hinten, wieder unter lautstarker Zustimmung seiner Freunde.

“So das reicht jetzt, ich habe die Nase voll von euch, Leon, Sven und Tim, ihr begleitet mich jetzt sofort ins Direktorat.”

“Aber Frau Schnell, das ist unfair, wir leben in einem freien Land, in dem man wohl noch seine Meinung sagen darf”, entgegnete Leon.

“Seine Meinung ja, aber sobald hier jemand beleidigt wird, bin ich raus und das habt ihr getan. Also jetzt kommt ihr ohne Widerrede mit mir ins Direktorat.”

Murrend begleiteten die 3 Frau Schnell daraufhin zum Direx.

Nachdem sie das Klassenzimmer verlassen hatten, bildete sich eine Traube um Jonas und Marcel, und die beiden mussten ausführlich berichten, wie und wodurch sie gemerkt hatten, schwul zu sein. Obwohl Marie mich mit penetranten Handzeichen aufforderte mich der Fragestunde anzuschließen, hielt ich mich zurück und kehrte zu meinem Platz zurück. Versteht mich nicht falsch, ich freute mich für Jonas, dass sein Outing überwiegend so positiv von der Klasse aufgenommen wurde und dass er sogar noch einen Gleichgesinnten gefunden hatte, aber ich war mit der Situation einfach überfordert und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Kurze Zeit später kam Frau Schnell zurück und erklärte, dass die 3 für den Rest der Woche vom Unterricht suspendiert wurden, um über ihr Verhalten nachzudenken. Das war doch wirklich mal eine positive Nachricht. Der Rest des Unterrichts bis zur Pause verlief ruhig und harmonisch. Jonas setzte sich auch prompt neben Marcel, was ich mit Unbehagen zur Kenntnis nahm. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie störte mich diese Tatsache und vor allem ihre plötzliche Vertrautheit. Jonas war mein Freund, nicht seiner und überhaupt wie lange kannten die sich jetzt - 10 Minuten, es war doch lächerlich was für eine Show sie hier jetzt abzogen. Es fiel mir schwer, mich auf den Unterricht zu konzentrieren, immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich heimlich zu Jonas rüber schielte. Das blieb auch Marie nicht verborgen, so dass sie mich anstupste und mir ins Ohr flüsterte:

“Ich will in der Pause jedes Detail hören und lass bloß nichts aus.”

Aus dieser Nummer kam ich wohl nicht mehr raus, also ergab ich mich meinem Schicksal. Als die Schulglocke zur Pause läutete, schnappte sich Marie meinen Arm und zog mich in eine stille Ecke des Schulhofes.

“So Luca, jetzt rede mal Tacheles mit mir, was läuft da zwischen dir und Jonas?”

Also erzählte ich ihr die gesamte Geschichte, wirklich alles, was seit unserer ersten Begegnung passiert war. Da die Pausenzeit dafür nicht ausreichte, schoben ich und Marie unsere Fahrräder nach der Schule nebeneinander her und ich erzählte ihr den Rest der Geschichte, auch meine Meinung über die neue Freundschaft von Jonas und Marcel teilte ich ihr mit. Als ich fertig mit erzählen war, schaute mich Marie eine Weile nachdenklich an, bis sie schließlich sagte:

“Schätzchen, sei mir nicht böse, aber ich glaube, dass du eifersüchtig bist und dir das wegen den Ansichten in deiner Religion einfach nicht eingestehen kannst.”

“Was redest du denn da für einen Quatsch, ich bin doch nicht eifersüchtig. Hallo, ich habe eine Freundin und bin ganz bestimmt nicht schwul und mit meiner Religion hat das auch nichts zu tun.”

“Ok, dann liege ich vielleicht falsch. Es war ja nur so ein Gedanke.”

“Ja, da liegst du komplett falsch”, schnauzte ich sie an.

“Ok, es tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen, verzeihst du mir?”

Immer noch wütend sah ich sie an, aber bei ihrem traurigen Hundeblick den sie aufsetzte, konnte ich ihr einfach nicht länger böse sein.

“Ok, Schwamm drüber.”

Daraufhin schloss sie mich überschwänglich in die Arme und beteuerte mir, wie froh sie war, mich näher kennengelernt zu haben. Noch ein kurzes Stück des Weges gingen wir zusammen, bis wir uns schließlich verabschiedeten und in unterschiedlichen Richtungen davon radelten. Auf dem Weg nach Hause machte ich mir noch allerhand Gedanken, auch Maries Vermutung, dass ich eifersüchtig wäre, ging ich gedanklich nochmal durch, doch tat es dann auch mir gegenüber als Schwachsinn ab. So in Gedanken versunken realisierte ich kaum, dass ich mich schon vor unserem Haus befand. Ich schob mein Fahrrad in den Schuppen im Garten und ging hinein.

“Ah Luca, da bist du ja. Wasch dir deine Hände und komm dann gleich Essen. Daniel sitzt auch schon am Esstisch.

“Ja Mama, ich komme gleich.”

Ich stocherte lustlos in meinem Essen herum und ließ die Ereignisse des Tages in meinem Kopf nochmal Revue passieren. Daniel übernahm zum Glück die Gesprächsführung am Tisch und erzählte mir und unserer Mutter ausführlich von seinem ersten Schultag. Als Daniel seine Ausführungen beendet hatte, wurde auch ich von meiner Mutter um einen Bericht meines ersten Schultages gebeten, doch ich antwortete ihr nur einsilbig und schaffte es unter dem Vorwand von plötzlich auftretenden Kopfschmerzen in mein Zimmer zu verschwinden. Ich hatte einfach keine Lust, mit meiner Mutter über die Ereignisse des Schultages zu sprechen. In meinem Zimmer angekommen, machte ich schnell die Tür hinter mir zu, drehte die Musikanlage auf und legte mich aufs Bett. Zum Glück hatten die Lehrer heute darauf verzichtet, uns Hausaufgaben aufzugeben. So konnte ich mich auf mein Bett legen, Musik hören, chillen und meinen Gedanken nachhängen. Doch ein vorsichtiges Klopfen, riss mich aus all meinen Gedanken.

“Man, ich will meine Ruhe haben.”

Vorsichtig wurde die Tür geöffnet und Daniel lugte in mein Zimmer.

“Ist alles klar bei dir? Geht es dir gut?”

“Ja alles gut, was soll denn sein?”

“Naja, du warst so weggetreten und einsilbig am Tisch, dass ich dachte, dass vielleicht wieder etwas mit Leon und seinen Freunden vorgefallen ist.”

“Nein, mit denen habe ich aktuell keine Probleme, die wurden sogar für den Rest der Woche vom Unterricht ausgeschlossen.”

“Echt ist ja krass, was ist den passiert?”

Also beschloss ich Daniel die ganze Geschichte mit Jonas zu erzählen, sowohl was sich heute in der Schule, als auch auf dem Kongress zugetragen hatte, schließlich musste ich ja jetzt keine Rücksicht mehr auf ihn nehmen, da er sich ja öffentlich geoutet hatte. Als ich geendet hatte, sah mich Daniel mit großen Augen an und sagte:

“Wieso hast du mir nicht gleich damals die Wahrheit erzählt und hast dir stattdessen die Geschichte mit dem Unfall seiner Mutter ausgedacht. Vertraust du mir nicht mehr? Wir haben uns doch immer alles erzählt und gegenseitig vor den Eltern gedeckt.”

“Nein, das ist es nicht, natürlich vertraue ich dir. Ich wollte nur Rücksicht auf Jonas nehmen und ihn nicht vor allen outen, aber jetzt hat er ja eh die Katze aus den Sack gelassen.”

“Ok, das verstehe ich und wie geht es jetzt weiter mit euch? Wie denkst du darüber?”

“Keine Ahnung, das Heimbibelstudium hat er ja abgebrochen und auch sonst scheint er nicht mehr mit mir reden zu wollen. Ich weiß immer noch nicht so richtig, wie ich damit umgehen soll, du weißt ja, dass die Bibel Homosexualität verurteilt. Ich habe darüber auch schon mit Rahel gesprochen. Sie ist der Meinung, dass es furchtbar ist, von einem Menschen zu verlangen, seine Sexualität zu verleugnen.”

“Und was denkst du?”

“Keine Ahnung, je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass sie Recht hat. Man sucht sich ja seine Sexualität nicht aus, man wird mit ihr geboren.”

“Deine Freundin ist echt eine intelligentes Mädchen, höre auf sie. Sie hat absolut Recht mit dem was sie sagt, ich bin übrigens der gleichen Meinung.”

“Wirklich, ist das dein Ernst?”

“Klar ist das mein Ernst. Weißt du, wir sind so versessen darauf was die Bibel sagt, dass wir gar nicht mehr unseren eigenen Verstand gebrauchen und mal kritisch darüber nachdenken. Du weißt doch, wie das bei uns ist, sobald man mal eine Aussage der Bibel in Frage stellt, wird einem gleich unterstellt, dass man schwach im Glauben geworden ist. Außerdem bin ich der Meinung, dass viele Texte in der Bibel durchaus unterschiedlich interpretiert werden können, und ob die Interpretation von uns immer die Richtige ist, bezweifle ich doch.”

“Wow krass, ich wusste gar nicht, dass du so darüber denkst. Du meinst also, dass ich trotzdem weiter mit Jonas befreundet sein kann, obwohl er schwul und ein Ungläubiger ist?”

“Die Frage ist doch, was sagt dein Herz dir? Lass die Zeugen und die Bibel in deiner Überlegung mal weg.”

“Mein Herz sagt mir, dass ich die Freundschaft zu ihm vermisse und ich ihn um Verzeihung bitten muss.”

“Na dann ist doch alles klar.”

“Wow, wann bist du eigentlich so weise geworden”, meinte ich lachend.

“Naja, ab und zu habe ich auch mal meine lichten Momente”, sagte er grinsend.

“Komm her Kleiner, ich hab dich lieb, weißt du das?”

Daraufhin schloss er mich in seine Arme. Ich war total baff aufgrund seiner plötzlichen Zuneigungsbekundungen, ich wusste gar nicht, wann wir uns zuletzt umarmt hatten.

“Ich hab dich auch lieb.”

Danach verabschiedete sich Daniel von mir, da er noch zu Max musste. Er hatte Fragen wegen irgendwelcher Hausaufgaben. Die beiden hatten ja das Glück, sogar in eine Klasse zu gehen. Ich musste dringend den Kopf frei kriegen und beschloss daher, noch eine Runde Fitness im Keller zu machen. Nachdem ich mich dort richtig verausgabt hatte und meine Muskeln schon schmerzten, ließ ich es für heute gut sein und entschied duschen zu gehen. Nachdem ich frisch geduscht war, piepste mein Handy und teilte mir den Eingang einer Textnachricht mit.

“He wie ist es heute in der Schule gelaufen? Wollen wir uns kurz sehen, hast du Zeit?”

Da heute eh keine Hausaufgaben anstanden, willigte ich ein.

“Ja, habe Zeit. Wann wollen wir uns treffen?”

Die Antwort von Rahel ließ nicht lange auf sich warten.

“Sagen wir in 30 Minuten an unserem Platz?”

“Geht klar. Ich freue mich.”

“Ja und ich mich erst:-)”

Da der Spielplatz von uns zu Hause um die Ecke lag, hatte ich noch etwas Zeit. Also legte ich mich auf mein Bett und hörte noch etwas Musik. Ich versuchte etwas Ordnung in meine wirren Gedankengänge zu bringen. Ich stellte fest, dass ich immer mehr die Lehren der Bibel und der Zeugen Jehovas anzuzweifeln begann. Als ich noch kleiner war, war irgendwie alles einfacher, was meine Eltern und die Versammlung mir erzählten war Gesetz und ich wäre niemals auf die Idee gekommen, irgendetwas von dem anzuzweifeln. Doch je älter ich wurde, um so mehr Zweifel kamen mir, ob die Bibelauslegungen der Zeugen immer die Richtigen waren.

Ein Blick auf die Uhr riss mich unsanft aus meinen Gedanken, es war an der Zeit mich fertig zu machen. Ich föhnte mir schnell die nassen Haare und brachte sie mit etwas Gel in Form - alles klar, so konnte ich unter die Menschheit treten.

Als ich den Spielplatz erreichte, sah ich Rahel bereits auf einer von unseren Schaukeln sitzen.

“Hi, wartest du schon lange?”

“Nein, ich war auch nicht ganz pünktlich, ich kenne dich doch und weiß, dass du es mit der Pünktlichkeit nicht so genau nimmst, also bin ich auch später los”, sagte sie grinsend.

Ich schaute sie schief grinsend an und meinte:

“Naja, wenigstens hat meine Freundin dafür Verständnis.”

Wir küssten uns zur Begrüßung lange und innig. Ich war einfach total froh, jemanden wie Rahel in meinem Leben zu haben, das wurde mir jetzt mal wieder bewusst.

“So Luca erzähl mal, wie schlimm war der erste Schultag?”

Also erzählte ich ihr ausführlich, was heute in der Schule vorgefallen war. Sie hörte mir aufmerksam zu und unterbrach mich kein einziges Mal. Als ich mit meiner Schilderung fertig war, meinte sie:

“He, das ist ja super, besser hätte dein erster Schultag ja gar nicht für dich laufen können. Dieser widerliche Leon und seine dämlichen Freunde sind den Rest der Woche vom Unterricht suspendiert und in Marie hast du noch eine große Unterstützerin in der Klasse gewonnen. Muss ich mir Sorgen machen wegen dir und Marie?”

“Nein Quatsch, wir sind echt nur Freunde, das kannst du mir glauben.”

“Ach natürlich glaube ich dir, ich nehme dich doch nur ein bisschen auf den Arm”, meinte sie neckisch.

“He, das ist gemein, so darfst du deinen Freund nicht behandeln.”

“Ach ja, wo steht das denn bitte?”

“In unserer Beziehungsvereinbarung.”

“Das wüsste ich aber, wenn ich so etwas unterschrieben hätte”, meinte sie grinsend.

Daraufhin lachten wir uns beide schlapp. Es tat einfach total gut mit ihr Zeit zu verbringen. Niemand verstand mich so gut wie sie und sie schaffte es immer wieder, mich aufzuheitern, wenn mir es schlecht ging.

“Ich finde es echt total mutig von Jonas, sich öffentlich vor der Klasse zu outen”, meinte sie plötzlich.

“Ja, das finde ich ja auch. Ich war nur ein bisschen überfordert mit der ganzen Situation. Findest du, ich sollte nochmal versuchen mit Jonas zu sprechen und mich bei ihm zu entschuldigen?”

“Was denkst du denn?”

“Man, ich hasse es, wenn du eine Frage mit einer Gegenfrage beantwortest. Also gut, ich vermisse seine Freundschaft, ich werde versuchen, mich bei ihm zu entschuldigen.”

“Siehst du, so hast du dir deine Frage selbst beantwortet”, lachte sie.

“Ist ja gut, du alte Klugscheißerin”, lachte ich.

“Ich geb dir gleich Klugscheißerin”, meinte sie und stürzte sich auf mich und begann mich durchzukitzeln, bis ich sie um Gnade anflehte.

“Also gut, dann will ich mal nicht so sein, Sie können sich ihre Freiheit mit einem Kuss erkaufen.”

“Nein bitte nicht, Gnade, dann wähle ich doch lieber die Folter”, sagte ich lachend.

“Also gut, Sie haben es ja nicht anders gewollt”, und schon setzte sie schon wieder an, mich abermals durchzukitzeln.

“Nein, bitte Gnade, ich habe doch nur Spaß gemacht. Ich wähle natürlich den Kuss”, meinte ich lachend und nach Luft schnappend.

“Das will ich dir auch geraten habe”, sagte Rahel grinsend.

Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten wir uns voneinander.

“Sorry Luca, ich muss los. Ich bin noch mit Lea verabredet.”

“Alles klar, kein Problem. Es war schön dich zu sehen.”

“Ja, das finde ich auch.”

Nach einem letzten Kuss verabschiedeten wir uns schließlich und jeder ging seines Weges, ich nach Hause und Rahel zu Lea.

Zu Hause angekommen, ging ich auf mein Zimmer und überlegte mir, was ich mit dem Rest des Nachmittags anstellen sollte. Erst überlegte ich mir, ob ich mich bei Finn melden sollte, verwarf den Gedanken aber dann wieder. Ich beschloss mich endlich mit Jonas auszusprechen und es nicht länger aufzuschieben. Also setzte ich mich kurz entschlossen auf mein Fahrrad und fuhr in Richtung Neubaugebiet, zu dem Haus der Stahls. Auf dem Weg ging ich immer wieder im Kopf durch, wie ich mich am besten bei Jonas entschuldigen sollte, doch als ich dann vor seinem Haus stand, war mein Kopf total leer. Ich stand noch in sicherer Entfernung vor dem Haus und versuchte mich nochmal zu sammeln, als plötzlich die Tür aufging und Jonas mit Marcel im Schlepptau das Haus verließ. Die beiden lachten und schienen sich prächtig zu verstehen, als ob sie sich schon ewig kennen würden. Der Anblick der beiden gab mir irgendwie ein Stich ins Herz und ich machte kurz entschlossen kehrt und machte mich wieder auf den Heimweg. Naja, Jonas hatte anscheinend sehr schnell Anschluss und Ersatz für mich gefunden, anscheinend hat ihm unsere Freundschaft nicht so viel wie mir bedeutet. Tief enttäuscht fuhr ich zurück, unschlüssig, was ich mit dem Rest des Tages anstellen sollte. Nach Hause zu fahren hatte ich keine Lust, also beschloss ich mal auf gut Glück bei Finn vorbei zu fahren. Ich hoffte, dass wenigstens mein bester Freund Zeit für mich hat.

Keine 15 Minuten später stand ich vor Finns Tür und klingelte. Kurze Zeit später öffnete eine sichtlich überraschte Schwester Bachmann (Die Bezeichnung bei den Zeugen Jehovas) die Tür.

“Luca, was machst du denn hier? Finn hat mir gar nicht erzählt, dass ihr verabredet seit.”

“Sind wir auch nicht, ich habe mich spontan dazu entschlossen, ihn zu besuchen.”

“Oh, das tut mir leid für dich. Finn ist vor ungefähr 10 Minuten aus dem Haus, er ist mit seinem Vater in den Predigtdienst gegangen. Aber wenn du willst, kannst du hier auf ihn warten.”

“Nein, ist schon gut Schwester Bachmann. Vielen Dank für das Angebot, aber so lange habe ich heute keine Zeit mehr. Morgen ist schließlich wieder Schule. Richten Sie Finn schöne Grüße von mir aus.”

“Ja, das mache ich. Komm gut nach Hause Luca, fahr vorsichtig.”

Also begab ich mich enttäuscht und frustriert wieder auf den Heimweg. Den Rest des Tages verbrachte ich in meinem Zimmer, nur zum Abendessen verließ ich es kurz. Beim gemeinsamen Essen erkundigten sich meine Eltern nach dem befinden von Jonas Mutter. Ich versicherte ihnen, dass es Jonas Mutter schon wieder viel besser ging und sie bereits wieder aus dem Krankenhaus entlassen wurde, aber das Jonas jetzt gerade keinen Kopf für unser Heimbibelstudium hatte, was sie auch verstanden. Manchmal erschrak ich mich selbst, was ich mit der Zeit doch für ein begabter Lügner geworden bin. Ich wusste, dass ich meinen Eltern irgendwann beichten musste, dass Jonas unser Bibelstudium abgebrochen hatte, aber momentan sah ich dafür noch keine Veranlassung.

Am Abend lag ich wieder in meinem Bett und hörte mit meinem Kopfhörern Musik. Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie meine Gedanken um Jonas und Marcel kreisten. Ob die beiden wohl schon inzwischen ein Paar waren? Wieso interessierte mich das eigentlich? Jonas hatte sein eigenes Leben und ich hatte meines und wenn ich ehrlich war, passten unsere beiden Lebensentwürfe auch nicht zueinander. Wenn ihm unsere Freundschaft nichts Wert war, dann ist das eben so. Ich würde schon darüber hinwegkommen, ich hatte schließlich meine eigenen Freunde.

Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, denn ich wachte mitten in der Nacht auf und hatte noch immer meine Kopfhörer auf. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es erst 3 Uhr war. Ich stand möglichst leise auf, ging in die Küche und holte mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. Auf dem Rückweg sah ich das in Daniels Zimmer noch Licht brannte. Ich beschloss mal kurz nach ihm zu sehen, da ich meine Eltern nicht wecken wollte, verzichtete ich darauf anzuklopfen.

Als ich Daniels Zimmer betrat, erschrak er sichtlich und versuchte hektisch ein kleines Buch verschwinden zu lassen, in dem er bis eben noch geschrieben hatte.

“Na kannst du auch nicht schlafen? Hast du etwa Geheimnisse vor mir oder wieso hast du gerade das kleine Buch verschwinden lassen?”

“Man Luca, sag mal, kannst du nicht anklopfen, bevor du in mein Zimmer kommst.”

“He tut mir Leid, ich wollte die Eltern nicht aufwecken. Außerdem konnte ich ja nicht ahnen, dass mein großer Bruder Geheimnisse vor mir hat. Sag mal, schreibst du immer noch Tagebuch oder was war das eben?”

“Man Luca, du musst nicht alles wissen, ok. Respektiere gefälligst meine Privatsphäre.”

“Ok, tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten.”

Als ich mich schon daran machte, sein Zimmer wieder zu verlassen, sprang er auf und hielt mich am Arm fest.

“Sorry Luca, ich habe es nicht so gemeint. Verzeih mir bitte. In meinem Leben geht gerade so viel vor, aber ich kann noch nicht mit dir darüber reden. Wenn die Zeit reif ist, bist du aber der Erste, der alles erfahren wird. Verstehst du das?”

“Ok. Ist alles in Ordnung bei dir? Geht es dir gut?”

“Ja, mach dir keine Sorgen, mir ging es nie besser”, meinte er lachend.

Bevor ich Daniels Zimmer verließ, umarmte er mich nochmal und versicherte mir, dass er mich lieb hat. Daniels seltsames Verhalten in letzter Zeit beunruhigte mich doch ein wenig, aber mir blieb ja nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis er mir alles erzählen würde. Also machte ich mich, mit einer großen Wasserflasche bewaffnet, wieder zurück in mein warmes Bett. Nachdem ich noch eine ganze Weile wach gelegen und gegrübelt hatte, überkam mich dann doch irgendwann die Müdigkeit.

Am nächsten Morgen wurde ich wieder unsanft von meinem Wecker geweckt, den ich in weiser Voraussicht wieder außerhalb meiner Reichweite platziert hatte. Ich ließ ihn noch eine Weile klingeln, bis ich mich dann doch geschlagen gab und schließlich aufstand. Ich fühlte mich total gerädert und hatte ungefähr so viel Lust auf die Schule, wie auf eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Aber es half ja wie immer nichts, wenn die Pflicht ruft. Also schleppte ich mich ins Badezimmer und ging meiner morgendlichen Routine nach. Eine halbe Stunde später saß ich bereits fertig gestylt am Frühstückstisch mit meiner Familie. Wie immer besprachen wir noch den Tagestext, ehe es uns erlaubt war zu frühstücken. Ich hatte überhaupt keinen Appetit, zwang mich dann aber doch ein paar Bissen runterzuwürgen und mit Kaffee runterzuspülen. Nach einem kurzen Frühstück verabschiedete ich mich als erster vom Frühstückstisch und begab mich auf den Weg zur Schule. Mit meinem Fahrrad brauchte ich auch nicht lange, bis ich das Schulgelände erreichte. Meine Laune befand sich auf dem Nullpunkt, ich hatte mich mit Jonas immer noch nicht versöhnt und seit gestern war ich mir auch nicht so sicher, ob er darauf überhaupt noch Wert legte, immerhin schien ja jetzt Marcel sein neuer bester Freund zu sein. Naja, mein einziger Trost war, dass Leon und seine Freunde den Rest der Woche vom Unterricht suspendiert waren.

Im Klassenzimmer angekommen, fiel mir auch schon freudestrahlend Marie um den Hals.

“Da bist du ja endlich, ich dachte schon, du kommst nicht mehr.”

“Wieso, es sind doch noch mindestens 10 Minuten Zeit bis zum Unterrichtsbeginn?”

“Ja, das schon, aber wenn du immer so spät kommst, haben wir ja keine Zeit mehr uns zu unterhalten”, meinte sie grinsend.

Das brachte mich dann doch zum Lachen und mir ging es schon ein kleines bisschen besser.

“Also erzähl mal, warst du gestern noch bei Jonas? Habt ihr euch ausgesprochen?”

“Hä, woher weißt du? Sag mal, stalkst du mich oder so was?”

Marie begann daraufhin herzhaft zu lachen.

“Ich weiß nicht, was daran so witzig sein soll?”

“He, jetzt beruhige dich erst mal wieder. Ich würde dich doch niemals stalken. Ich habe nur gedacht, dass du bestimmt nochmal zu Jonas gehen und versuchen wirst mit ihm zu reden.”

“Also manchmal bist du mir echt unheimlich.”

“Jetzt quatsch nicht, ich will Details. Was hat er gesagt, hat er deine Entschuldigung angenommen?”

“So weit ist es gar nicht gekommen. Ich stand bereits schon fast vor seine Tür und hatte wirklich vor, nochmal mit ihm zu reden, aber dann kam er gerade mit Marcel aus dem Haus und die beiden schienen sich bestens zu verstehen und da wollte ich nicht stören.”

“Oh man Luca, du bist echt ein Feigling.”

“Wieso bin ich denn ein Feigling? Er hat doch offensichtlich kein Interesse mehr an unserer Freundschaft, jetzt wo er bereits Ersatz für mich gefunden hat.”

“Luca, weißt du was, du bist echt kompliziert. Spring doch mal über deinen Schatten, schluck deinen Stolz hinunter und rede nochmal mit ihm. Ich bin mir sicher, dass du ihm nicht egal bist.”

“Ja mal sehen, keine Ahnung. Ich denke darüber nach, ok.”

In diesem Moment betrat Frau Schnell das Klassenzimmer und wir mussten unsere Unterhaltung einstellen.

“So, darf ich jetzt mal um Ruhe bitten. Wie ihr alle wisst, steht bereits nächste Woche unsere Klassenfahrt nach Verona an. Offiziell gilt die Klassenfahrt als Exkursion, da wir uns auch viel historisches und vor allem die Originalschauplätze von Romeo und Julia anschauen werden. Über dieses Shakespeare Stück schreiben wir dann auch unsere Klassenarbeit, eine literarische Erörterung, also bitte ich Sie alle, nächste Woche schön aufmerksam zu sein. So, da wir jetzt unverhofft einen neuen Schüler in der Klasse haben, wollte ich dich fragen, Jonas, ob deine Eltern es schaffen, möglichst gestern, die veranschlagte Summe für die Exkursion zu bezahlen, ansonsten gibt es in dieser Schule auch einen Hilfsfond, falls es deine Eltern nicht schaffen die Summe so schnell bereit zu stellen. Hier hast du alle Unterlagen, gib sie bitte deine Eltern und gib mir morgen unbedingt Bescheid.

Alle Augen waren jetzt auf Jonas gerichtet.

“Ich denke, das dürfte kein Problem sein. Wenn Sie erlauben, würde ich kurz raus gehen und gleich mit meinem Vater telefonieren?”

“Das wäre großartig. Du bist entschuldigt.”

Jonas verließ seinen Platz neben Marcel, schnappte sich die Unterlagen und verließ den Raum um zu telefonieren. Derweil ging die Englischstunde bei Frau Schnell weiter.

Keine 15 Minuten später kam Jonas mit einem triumphierenden Lächeln im Gesicht ins Klassenzimmer zurück.

“Ah Jonas, da bist du ja wieder und was sagt dein Vater”, wollte Frau Schnell wissen.

“Es geht in Ordnung, ich habe ihm die Bankverbindung bereits telefonisch durchgegeben und er macht gerade die Onlineüberweisung fertig.”

“Wunderbar, dass es so schnell geklappt hat, richte deinem Vater meinen Dank aus. So jetzt haben wir bereits genug Zeit verplempert, jetzt geht's weiter mit dem Unterricht. Schlagt bitte alle Seite 12 in eurem Englischbuch auf.”

Dann hatte uns der normale Schulalltag auch wieder, Frau Schnell zog erbarmungslos ihren Stoff durch und ich hatte Mühe, ihr zu folgen, weil ich mit meinen Gedanken immer wieder abschweifte. Es würde meine erste Klassenfahrt sein, an der ich teilnehme. Klassenfahrten wurden bisher von meinen Eltern immer kategorisch abgelehnt, wegen schlechten Umgang und so. Während meine Mitschüler auf Klassenfahrt waren, musste ich immer in die Parallelklasse in den Unterricht, aber da ich eh keine Freunde in der Klasse hatte, störte es mich auch nicht weiter. Frau Schnell kannte aber diesmal kein Pardon, am letzten Elternabend hatte sie sich eine hitzige Diskussion mit meinem Vater geliefert, der mich wieder nicht mitfahren lassen wollte. Aber letztendlich konnte sie ihn davon überzeugen, das dies keine Klassenfahrt, sondern eine Exkursion war und für alle Schüler verpflichtend ist. Mein Vater bestand allerdings darauf, dass ich in einem Einzelzimmer untergebracht werde, mit diesem Kompromiss konnte Frau Schnell dann auch leben. Der Unterricht zog sich mühsam dahin, bis die Pausenglocke uns endlich rettete.

Auf dem Pausenhof stand Jonas mit Marcel und einigen Mädchen aus unserer Klasse zusammen und die Gruppe unterhielt sich lebhaft. Ich selbst ließ mich von Marie in eine ruhige Ecke ziehen, da sie mal wieder quatschen wollte.

“Ich finde es voll cool, dass Jonas nun auch auf unserer Klassenfahrt dabei sein wird, dann kann er dir gar nicht mehr aus dem Weg gehen und ihr habt endlich die Möglichkeit, euch auszusprechen.”

“Ach keine Ahnung, ob ich das überhaupt noch möchte. Er scheint ja auf meine Freundschaft eh keinen großen Wert zu legen.”

“Man jetzt sei doch nicht so. Er ist verletzt, dass du ihn nicht so akzeptiert hast, wie er nun mal ist. Das kann man doch auch verstehen oder nicht?”

“Ja doch, aber er gibt mir ja nicht mal die Chance, mich bei ihm zu entschuldigen und so langsam habe ich auch keine Lust mehr.”

“Oh man, sei doch nicht so dickköpfig. In Verona kann er dir nicht weglaufen, dann redet ihr endlich miteinander.”

“Das würde ich ja gerne, aber Marcel weicht ja neuerdings nicht mehr von seiner Seite, ich habe nie die Gelegenheit, ihn mal alleine zu erwischen.”

“Das lass mal meine Sorge sein Schätzchen, ich werde mich um Marcel kümmern und dafür sorgen, dass ihr ungestört seid.”

“Ok, danke, dass du mir helfen willst.”

“Klar, dafür sind Freunde doch da.”

Der Rest des Unterrichts zog sich hin wie Kaugummi, wir hatten noch Mathematik und Physik, würg. Aber auch dieser Schultag ging irgendwann zu ende.

Am Nachmittag traf ich mich noch mit Finn zum Tennis spielen, wir lieferten uns wieder mal ein denkwürdiges Match, das ich am Ende aber gewinnen konnte.

Es tat gut, sich voll zu verausgaben und mal so richtig Dampf abzulassen. Am Abend telefonierte ich noch mit Rahel, ansonsten ging ich früh ins Bett, da ich ziemlich erschlagen war. Der Rest der Schulwoche verlief ereignislos. Jonas ging mir weiterhin aus dem Weg und ich verbrachte die Pausen mit Marie. Am Freitagabend war wieder Versammlung, am Samstag Vormittag ging ich mit meinem Vater in den Predigtdienst und am Sonntag Vormittag fand abermals eine Versammlung statt, dazwischen traf ich mich mit meiner Clique und verbrachte Zeit mit meiner Freundin. Mein Wochenende war also wieder einmal sehr ausgelastet.

Dann war es endlich soweit, es war Sonntagabend, um 22 Uhr würde unser Bus nach Italien ins schöne Verona fahren und am Samstagmorgen würden wir dann zurückkehren. Ich stopfte hektisch noch ein paar letzte Sachen in meine Reisetasche, denn ich war wieder einmal spät dran. Mein Vater wartete schon ungeduldig in der Küche auf mich, da er mich zur Schule fahren wollte, von dort würde dann auch der Reisebus nach Verona abfahren. Noch ein letzter Blick in den Spiegel - check, ok, ich war aufbruchbereit. Von unten hörte ich bereits meinen Vater rufen, er schien langsam ungeduldig zu werden. Also schnappte ich mir meine Reisetasche und meinen Rucksack und lief eilig die Treppe hinunter.

“Da bist du ja endlich, musst du immer so trödeln, wir müssen los, der Bus fährt in 20 Minuten ab.”

“Tut mir leid Vater, ich hatte noch was vergessen einzupacken. Ich wäre dann soweit, wir können los.”

Ich verabschiedete mich noch von Daniel und meiner Mutter, bevor wir uns auf den Weg machten. Auf der Autofahrt ermahnte mich mein Vater nochmal, nach den Schulausflügen immer in mein Zimmer zurückzukehren und ja kein Alkohol zu trinken. Ich konnte spüren, dass er sich Sorgen machte und dieser Exkursion nur mit großen Bauchschmerzen zugestimmt hatte. Ich versicherte ihm, natürlich anständig zu bleiben und ihm und unserer Religion keine Schande zu bereiten, das half ihn einigermaßen zu beruhigen. Gute 10 Minuten vor Abfahrt des Busses erreichten wir dann schließlich das Schulgelände. Ich verabschiedete mich schnell von meinem Vater und machte mich schleunigst auf den Weg zum Bus. Vor dem Reisebus drängelten sich bereits die gesamten Schüler meiner Klasse mit ihrem Gepäck und warteten ungeduldig darauf, endlich in den Bus gelassen zu werden. Als ich die Gruppe erreichte, stürmte bereits eine völlig aufgelöste Marie auf mich zu.

“Da bist du ja endlich. Ich dachte schon, du hättest es dir anders überlegt und kommst nicht mehr.”

“Keine Panik, jetzt bin ich ja da. Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit meinem Gepäck, deswegen hat es ein wenig länger gedauert”, meinte ich lachend.

“Oh man, ich freu mich echt total, dass du mitfährst”, sprachs und umarmte mich stürmisch.

“Schade, dass wir nicht zusammen auf ein Zimmer dürfen, dieses Mädchen und Junge getrennt unterzubringen Ding ist echt so was von Old School”, meinte Marie.

“Also ich bin eigentlich ganz froh, ich hätte echt Angst, dass du Nachts über mich herfällst, so lüstern wie du mich immer ansiehst.”

“Sehr witzig Mister, du bist zwar ganz süß, aber überhaupt nicht mein Typ, ich stehe auf Männer und nicht auf kleine Jungen.”

“He, ich bin kein kleiner Junge mehr, ok.”

“Du bist echt süß, wenn du dich aufregst”, meinte sie lachend.

“Manchmal frage ich mich echt, warum ich überhaupt noch mit dir rede”, sagte ich grinsend.

“Vielleicht, weil ich deine allerbeste Freundin bin und du einfach nicht ohne mich sein kannst.”

“Ja bestimmt, das wird es sein”, meinte ich hörbar ironisch.

Daraufhin bekam ich ihren Ellenbogen in die Seite gestoßen, woraufhin wir beide lachen mussten.

Jonas sah ich auch bereits am Bus stehen, natürlich bereits von Marcel, seinem neuen besten Freund, flankiert. Leider waren auch wieder Leon, Sven und Tim mit von der Partie, aber die Lehrer hatten bereits angekündigt, die 3 besonders zu beobachten.

Nachdem Frau Schnell und Herr Kraus (Unser Mathe - und Physikleher) die Anwesenheit aller Schüler überprüft hatten, wurde mit Hilfe der 2 Busfaher unser Gepäck in dem Laderaum des Busses verstaut. Anschließend wurden wir endlich hinein gelassen. Ich sicherte mir zusammen mit Marie ein Zweierplatz im hinteren Teil des Busses und wie es der Zufall wollte, nahmen Jonas und Marcel direkt vor uns Platz. Leon und seine Freunde mussten zum Glück vorne bei den Lehrern sitzen, da die Lehrkörper ein Auge auf sie werfen wollten. Marie bemerkte zuerst, wer direkt vor uns Platz genommen hatte.

“Schau mal, wer vor uns sitzt, das ist ja ein Zufall”, flüsterte sie mir ins Ohr.

“Oh nein, lass uns schnell einen anderen Platz suchen.”

“Zu spät, alle Zweierplätze sind bereits besetzt und überhaupt wie sähe es denn aus, wenn wir uns jetzt wegsetzen würden.”

“Also gut, dann bleiben wir halt hier”, meinte ich mürrisch.

Die Busfahrer erklärten uns, dass wir im besten Fall gut 8 Stunden unterwegs wären, wenn wir gut durch kommen würden. Ziemlich schnell kehrte in unserem Reisebus dann auch Ruhe ein, weil die meisten bereits nach kurzer Zeit eingeschlafen waren. Ich hörte mit Marie über ihr IPod noch etwas Musik, weil sie mir unbedingt ihre Lieblingslieder vorspielen wollte. Jonas und Marcel teilten sich ebenfalls die Kopfhörer und hörten Musik. Plötzlich stupste Marie mich an und bot mir Kaugummis an, die ich auch sehr gerne entgegen nahm. Danach gab sie mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich meinen Kopfhörer heraus nehmen soll.

“Was ist denn?”

“Biete Jonas und Marcel meine Kaugummis an.”

“Hä, mach doch selber wenn du unbedingt willst.”

“Ich will aber, dass du es machst, das wäre eine gute Gelegenheit mit Jonas Kontakt aufzunehmen.”

“Ich habe aber keinen Bock, ok.”

“Jetzt mach schon du Feigling.”

Damit hatte sie mich bei meiner Ehre gepackt, also gab ich mir einen Ruck und stupste Jonas vor mir an. Dieser nahm seinen Kopfhörer aus dem Ohr und drehte sich überrascht zu mir herum.

“He Jonas, magst du einen Kaugummi?” Ich hoffte, dass man meiner Stimme die Nervosität nicht anmerkte.

“Ok, danke, hast du auch einen für Marcel.”

“Klar, gib ihm auch einen.”

Danach gab er mir die Kaugummipackung zurück und sah mich seltsam an, aber ich konnte seinen Blick nicht deuten. Danach bedankten er und Marcel sich nochmal und steckten sich wieder ihre Kopfhörer herein. Marie strahlte danach wie ein Honigkuchenpferd.

“Siehst du, ein Anfang ist gemacht, du bist ihm nicht egal, dass konnte ich deutlich in seinem Blick sehen.”

“Ja, meinst du wirklich?”

“Da bin ich mir ganz sicher.”

Schlagartig hellte sich meine Stimmung auf und ich begann wieder Hoffnung zu schöpfen, dass vielleicht doch noch nicht alles verloren war. Ich steckte mir wieder meinen Kopfhörer hinein und Marie tat es mir gleich. Wir ließen uns von ihrer, zugegeben gar nicht mal so schlechten, Musik berieseln und ich musste dann irgendwann eingeschlafen sein, denn ich wachte erst auf, als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster hindurch lugten.

“Guten Morgen Schlafmütze”, kam es von einer bereits bestens gelaunten Marie.

“Du siehst echt süß aus, wenn du schläfst.”

“Sag mal, bist du morgens immer so gut drauf, ist ja echt ätzend.”

“Ist da etwa jemand ein kleiner Morgenmuffel”, neckte sie mich.

“Ach lass mich doch in Ruhe”, antwortete ich mürrisch.

Sie schlürfte lächelnd einen Becker Kaffee.

“He wo hast du den Kaffee her”, wollte ich wissen.

“Soll ich dir auch einen holen, den gibt's vorne beim Busfahrer?”

“Ja das wäre echt super lieb von dir.”

“Na wenn du so süß fragst, kann ich ja schlecht nein sagen”, meinte sie und machte sich auf den Weg nach vorne.

Ich nutzte die Zeit, um nach Jonas zu sehen. Er schien noch zu schlafen und sein Kopf ruhte dabei auf Marcels Schultern. Dieser war bereits wach und hörte bereits wieder Musik, aber es schien ihm nicht im Geringsten zu stören, dass Jonas Kopf auf seinen Schultern lag. Dieser Anblick gab mir einen Stich ins Herz und mir wurde bewusst, wie sehr ich Jonas vermisste. Marie schreckte mich aus meinem Gedanken, als sie mir lächelnd einen dampfenden Becher Kaffee hinhielt.

“Danke. Was bekommst du von mir?”

“Lass stecken, einen Kaffee kann ich mir gerade noch leisten.”

“Ok, dann vielen Dank.”

“Ach schau mal, sehen die beiden nicht süß zusammen aus?”, fragte Marie, als sie Jonas und Marcel entdeckte.

“Ja zuckersüß.”

Marie schaute mich mit einem fragenden Blick an, sagte aber nichts weiter, wofür ich ihr auch dankbar war.

So gegen 7 Uhr kam dann eine Durchsage vom Busfahrer, dass wir in Kürze einen Stopp an einem Rasthof einlegen würden, da viele bereits pinkeln mussten und es im Bus nur eine Toilette gab. Gesagt - getan, keine 5 Minuten später standen wir auf dem Rasthof und machten dort 30 Minuten Pause. Alle Schüler, auch Jonas, der auch endlich wach geworden war, verließen den Bus um pinkeln zu gehen, sich die Beine zu vertreten oder mit Proviant einzudecken, da uns noch eine gut zweistündige Fahrt bevor stand. Ich nutzte die Zeit um pinkeln zu gehen und danach besorgte ich mir noch mit Marie einen guten italienischen Kaffee und süße Croissants. Danach kehrten wir in den Bus zurück und genossen unser italienisches Frühstück. Mit 5 minütiger Verspätung verließen wir dann letztendlich den Rasthof, da wir noch auf einige Nachzügler warten mussten. Auch Jonas und Marcel hatten sich mit Frühstück eingedeckt und vertilgten gerade ihren Proviant. Als sie damit fertig waren, packte Marcel eine Tüte Gummibärchen aus, die er wohl soeben erstanden hatte.

Jonas und er ließen es sich schmecken, aber auch Marie und mir bot er welche an, die wir auch gerne entgegen nahmen. Wahrscheinlich wollte er sich für die Aktion mit den Kaugummis revanchieren, dachte ich mir, naja auf jeden Fall war mir Marcel immer noch nicht besonders sympathisch und das sagte ich auch Marie. Sie war der Meinung, dass ich wohl nicht ganz unvoreingenommen wäre, was Marcel betrifft und er eigentlich ein netter Kerl ist. Wie auch immer, ich mochte ihn einfach nicht - Punkt.

Der Rest der Fahrt verlief ohne weitere Zwischenfälle und wir waren alle froh, als wir gegen 9 Uhr endlich in die Einfahrt unseres Hotels fuhren. Wir verließen erleichtert den Bus und nahmen unser Gepäck vom Busfahrer entgegen. Das Hotel sah von außen ganz gut aus fand ich und lag am Stadtrand von Verona. In der Lobby war auch alles sauber und ordentlich. Es war jetzt kein Luxushotel oder so, aber ein gutes Mittelklasse Hotel und für uns Schüler allemal ausreichend. Die Lehrer kümmerten sich zum Glück um den Check-In und wiesen uns der Reihe nach unsere Zimmer zu. Wir bekamen ausschließlich Doppelzimmer, mit getrennten Betten, die jeweils zu zweit bewohnt wurden. Für mich war eigentlich ein Einzelzimmer vorgesehen, wie mir Frau Schnell erklärte, doch diese waren bereits ausgebucht, deshalb bekam ich ohne Aufpreis ein Doppelzimmer mit großem Bett – tja, Glück muss man haben. Wir wurden von den Lehrern gebeten, nur schnell unser Gepäck auf die Zimmer zu bringen und dann sofort runter zum Frühstück zu kommen, da das Buffet in Kürze schließen würde.

Auf der Suche nach meinem Hotelzimmer teilte ich mir natürlich, wie soll es auch anders sein, den Aufzug mit Jonas und Marcel, außerdem fuhren noch Marie und Lisa mit, die sich auch ein Zimmer teilten. Wir waren alle, auch die Lehrer, in der obersten Etage des Hotels untergebracht, was wohl auch so vorgesehen war, ich nehme an, um den Lehrern ihre Kontrollgänge zu erleichtern. Als der Aufzug sich öffnete, gingen Marie und Lisa in entgegengesetzte Richtung davon, da sich ihr Zimmer auf der anderen Seite der Etage befand. Ich hatte Zimmer 512 und wie ich soeben an Marcels Zimmerkarte sehen konnte, er und Jonas 514, was sich direkt neben meinem Zimmer befand. Super, dann durfte ich den beiden auch noch zuhören, bei was immer sie auch miteinander trieben, ich hoffte nur, dass die Zimmer nicht zu hellhörig waren.

Missmutig betrat ich dann schließlich mein Zimmer und war doch positiv überrascht. Ich hatte ein helles, relativ großes Zimmer mit einem Doppelbett und sogar ein kleines Sofa mit Beistelltisch befand sich darin. Das Badezimmer war dunkel gefliest und hatte eine große Dusche, mit anderen Worten - ich war echt zufrieden mit meinem Zimmer, hier ließ es sich schon eine Woche aushalten, wenn nur meine Zimmernachbarn nicht wären, aber was soll man machen.

Ich verstaute mein Gepäck und beeilte mich in den Frühstücksraum zu kommen, bevor es zu spät war. Als ich den Raum betrat, sah ich, dass er bereits vollständig von unserer Klasse in Beschlag genommen wurde, zum Glück sah ich Marie, die mir einen Platz freigehalten hatte.

Nachdem wir uns alle satt gegessen hatten, wollten die Lehrer uns oben auf der Dachterrasse sehen, um mit uns die weitere Tagesplanung zu besprechen. Nachdem alle auf der großen Dachterrasse des Hotels versammelt waren, ergriff Herr Kraus das Wort:

“So, hört mal alle her, wir möchten mit euch jetzt über die weitere Tagesplanung reden. Da wir eine sehr anstrengende Anreise hatten, haben Frau Schnell und ich beschlossen, euch den Rest des Tages zur freien Gestaltung frei zu geben. Wir möchten aber alle um 18:30 pünktlich zum Abendessen sehen, dort besprechen wir dann die weitere Planung und jetzt haut schon ab. Das ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und schon war die Dachterrasse wie leer gefegt. Marie und ich überlegten angestrengt, was wir mit dem freien Tag anstellen sollten, auf schlafen hatte wir beide keine Lust, dafür waren wir zu aufgekratzt. Die Sonne strahlte von einem wolkenlosen blauen Himmel und es war bereits schon ziemlich heiß. Marie kam auf einmal mit dem Vorschlag um die Ecke, ins Freibad zu gehen, sie hatte im Internet ein schönes ganz in der Nähe gesehen, wir müssten nur ein paar Stationen mit dem örtlichen Bus fahren. Gesagt - getan, packten wir unsere Rucksäcke und machten uns auf den Weg zum Bus. An der Bushaltestelle konnte ich glücklicherweise keinen unserer Klassenkameraden entdecken, was mir sehr recht war, da ich froh war, mit Marie alleine zu sein. Nach genau 4 Stationen mit dem Bus hatten wir auch schon unser Ziel erreicht. Wir bezahlten unseren Eintritt und suchten uns ein schattiges Plätzchen. Nachdem wir unser Lager aufgeschlagen hatten, cremten wir uns beide ausgiebig mit Sonnenmilch ein, legten uns auf die Handtücher und genossen die Sonnenstrahlen. Als ich schon beinahe eingedöst war, schreckte mich plötzlich Maries Stimme hoch.

“Ach ne, dass darf ja nicht wahr sein, schau mal wer da hinten gerade gekommen ist.”

Ich sah auf und konnte in einiger Entfernung Jonas und Marcel ausmachen, die gerade ihre Handtücher ausbreiteten.

“Mein Gott, die scheinen uns ja echt zu verfolgen, oder hast du was damit zu tun, Marie.”

“Nein, ich schwöre, dass ich damit nichts zu tun habe, das ist echt nur ein krasser Zufall, aber vielleicht auch Schicksal. Also jetzt oder nie. Willst du mit Jonas wieder befreundet sein, ja oder nein?”

“Du weißt doch, dass es so ist.”

“Ich wollte es nur nochmal von dir hören. Also gut, dann sorge ich jetzt dafür, das du und Jonas ungestört seid.”

“Aber wie?”

“Lass das mal meine Sorge sein.”

Schon ging sie auf den Platz der beiden zu und redete mit ihnen, ich konnte aber nicht verstehen, was geredet wurde, dafür waren sie zu weit entfernt. Dann schnappte sich Marie Marcel und die beiden schienen irgendwo hinzugehen. Also gut, das war jetzt meine Chance, ich atmete noch einmal tief durch und ging direkt auf Jonas Platz zu. Ich war total aufgeregt, als ich vor seinem Handtuch stand. Erst schien er mich gar nicht zu bemerken, da er mit geschlossenen Augen auf seinem Handtuch lag, aber dann sah er doch auf einmal zu mir auf.

“Darf ich mich zu dir setzen?”

“Luca, was willst du?”

“Bitte lass uns nochmal reden.”

“Also gut, dann rede.”

“Es tut mir echt leid, wie die ganze Sache auf dem Kongress gelaufen ist. Hör zu, dein Outing hat mich einfach überfordert, ich hatte bis dato nie direkt etwas mit Homosexuellen zu tun und habe einfach ohne nachzudenken, die Ansicht der Zeugen heruntergebetet. Ich habe echt viel darüber nachgedacht und mir ist klar geworden, dass es falsch ist, von jemandem zu verlangen, seine Sexualität zu verleugnen. Es tut mir leid Jonas, ich wollte dir nicht weh tun. Ich würde dich echt gerne als Freund behalten, weißt du, mir ist egal, dass du schwul bist.”

“Na dir macht es vielleicht nichts aus, aber deine Freunde, geschweige deine Eltern würden unsere Freundschaft niemals akzeptieren, wenn sie von meiner Homosexualität wüssten. Wie stellst du dir das vor? Sollen wir heimlich befreundet sein?”

“Nein, keine Ahnung, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich dich als Freund nicht verlieren will.”

“Ok Luca, ich nehme deine Entschuldigung an, aber ich glaube trotzdem, dass es besser ist, wenn wir von nun an getrennte Wege gehen.”

“Ah, ich verstehe schon, du hast bereits Ersatz für mich gefunden mit Marcel, jetzt brauchst du mich ja nicht mehr.”

“Du verstehst gar nichts. Nicht im Geringsten.”

“Und seid ihr 2 jetzt zusammen, seid ihr ein Paar?”

“Was geht dich das an? Wieso willst du das wissen? Bist du eifersüchtig oder was?”

“So ein Quatsch, ich bin doch nicht eifersüchtig. Ich will es einfach nur wissen, seid ihr oder seid ihr nicht ein Paar?”

“Weißt du was Luca, das wird mir jetzt echt zu blöd mit dir. Ich haue ab.”

Schon packte er seine Sachen zusammen und machte sich auf den Weg zum Ausgang.

“Ja dann hau halt ab du Blödmann. Geh ruhig zu deinem Marcel”, schrie ich ihm hinter her.

Erst jetzt merkte ich, dass ich weinte. Verdammt, was war nur los mit mir? Ich erkannte mich selbst nicht mehr. Ein Teil von mir wollte ihm hinterher gehen, aber dafür war ich im Augenblick zu stolz. Ich beschloss mich wieder auf mein Handtuch zu legen und hörte etwas Musik um runter zu kommen.

Aus den Augenwinkeln sah ich Marie und Marcel zurück kommen.

“Wo ist Jonas?”, wollte Marie wissen.

“Er ist gegangen”, antwortete ich einsilbig.

Plötzlich stürzte sich Marcel auf mich, als ob er mich schlagen wollen würde.

“Was zum Teufel hast du mit ihm gemacht?”

“Geh runter von mir du Penner.”

“Rück jetzt endlich raus mit der Sprache, sonst werde ich ungemütlich.”

“Ich habe gar nichts mit ihm gemacht, unsere Aussprache ist einfach nicht so gut gelaufen, ok. Und jetzt lass mich endlich los.”

Damit ließ er endlich ab von mir und sagte:

“Halt dich in Zukunft fern von ihm, verstanden.”

Schon packte er seine Sachen und verließ ebenfalls das Schwimmbad.

Marie kniete sich runter zu mir und schaute mich mitleidvoll an.

“Man Luca, was ist denn passiert?”

Also erzählte ich ihr was vorgefallen war.

“Ich habe es vergeigt oder?”

“Naja, wenigstens hast du dich entschuldigt und er hat deine Entschuldigung doch offensichtlich auch angenommen. Und was die andere Sache betrifft, ich glaube nicht, dass er und Marcel ein Paar sind.”

“Na klar sind sie das. Du hast doch eben gesehen, wie er Jonas verteidigt hat.”

“Ich glaube eher, das Jonas für ihn wie ein Bruder ist und er ihn deshalb beschützen will.”

“Das glaube ich nicht.”

“Ich habe eher eine andere Vermutung.”

“Aha und welche?”

“Jonas ist in dich verliebt.”

“So ein Quatsch, wie kommst du denn bitte darauf?”

“Naja, es passt alles zusammen. Er hat sofort dem Bibelkurs mit dir zugestimmt, obwohl ihr euch nicht kanntet und er offensichtlich nicht so wahnsinniges Interesse an deiner Religion hatte. Dann ist er gleich auf diesen Kongress mit und wollte mit dir in einem Zelt schlafen, um dir nahe sein zu können, und seine Reaktion auf dein Verhalten am Bahnhof nach seinem Outing spricht auch Bände, wie ich finde. Er will auf Abstand zu dir gehen, weil er Gefühle für dich hat und er denkt, dass sie von dir nie erwidert werden können.”

“Das kann ich mir nicht vorstellen, deine Theorie ist schon ziemlich weit hergeholt.”

“Nein, denke doch noch mal genau darüber nach, ich bin mir echt sicher, dass es so ist, es passt einfach alles zusammen.”

“Ok, mal angenommen du hast Recht, dann hätte unsere Freundschaft eh keinen Sinn mehr, weil ich nun mal nicht schwul bin und seine Gefühle nicht erwidere.”

“Und du bist dir da ganz sicher?”

“Ja verdammt. Ich bin nicht schwul.”

“Ok, ich finde aber, dass du trotzdem nochmal mit ihm reden solltest, vielleicht irre ich mich ja auch.”

“Ja, du hast Recht. Ich muss ihn direkt auf deine Vermutung ansprechen und dann sehen wir weiter.”

Wir verbrachten noch einige Stunden im Freibad, ehe wir beschlossen, unsere Sachen zusammenzupacken und in das Hotel zurückzukehren. Im Hotel angekommen, machten wir uns für das Abendessen fertig, dass gleich stattfinden sollte. Als ich und Marie den Speisesaal betraten, herrschte schon ein reger Betrieb, aber es gelang uns doch noch, uns einen freien Tisch zu sichern. Wie uns die Lehrer erklärten, war mit der Hotelleitung ausgemacht, dass uns jeden Abend sowohl ein Fleischgericht, als auch ein vegetarisches Gericht zur Auswahl gestellt wird, zum Hauptgericht gab es dann noch Salat, sowie einen Nachtisch. Zur Auswahl heute stand entweder Lasagne oder Gnocchi mit Gorgonzolasauce und zum Nachtisch gab es für alle Tiramisu.

Marie entschied sich für die Gnocchi, ich für die Lasagne. Anschließend vernichteten wir noch genüsslich unser Tiramisu. Nach dem Essen kamen wir alle nochmal auf der Dachterrasse zusammen, da die Lehrer mit uns den Tagesablauf für morgen durchgehen wollten. Diesmal übernahm Frau Schnell das Wort:

“Also hört mal alle her, der Tagesablauf für morgen sieht folgendermaßen aus:

Um 8 Uhr treffen wir uns zum gemeinsamen Frühstück. Um 9 Uhr treffen wir uns dann alle vor dem Hotel und fahren mit dem Bus in die Stadt und machen dort etwas Kulturprogramm. Gegen 17 Uhr sollten wir im Hotel zurück sein, um 18 Uhr gibt es dann Abendessen und danach habt ihr den Abend wieder zur freien Gestaltung. So, das war es auch dann schon wieder, ihr dürft euch entfernen, aber denkt daran, um spätestens 23 Uhr im Bett zu liegen. Herr Kraus und ich werden das kontrollieren und damit meine ich auch, dass jeder in seinem eigenen Bett zu liegen hat. Also erspart uns und euch peinliche Situationen und haltet euch an die Regeln. So und jetzt haut ab”, meinte sie lachend.

So damit hatte ich noch gute 4 Stunden um mit Jonas zu reden, wenn nicht nur immer dieser Marcel an ihm dran hängen würde. Ich beschloss Jonas eine SMS zu schreiben mit folgendem Inhalt:

“He Jonas, es tut mir leid, wie unser Gespräch im Schwimmbad gelaufen ist, ich habe es echt vergeigt, schon wieder. Aber wenn dir ich und unsere Freundschaft noch irgendetwas bedeuten, kommst du bitte in mein Zimmer, wir müssen dringend nochmal reden. Ich warte auf dich und hoffe, dass du kommst.”

Ich teilte Marie mit, was ich vor hatte und sie zeigte dafür vollstes Verständnis. Sie verbrachte den Rest des Abends mit den anderen auf der Dachterrasse und trank dort auch einige Bier, wie ich später von ihr erfuhr.

Ich machte mich also alleine auf den Weg in mein Zimmer und hoffte, dass Jonas kommen würde. Stunden vergingen, in denen ich auf die Tür starrte und inständig hoffte, ein Klopfen zu vernehmen, doch es blieb aus. Gegen 21 Uhr gab ich dann die Hoffnung auf, dass Jonas noch kommen würde, da ich auch per SMS keinerlei Reaktion auf meine Nachricht von ihm bekam. Also machte ich mich dann auf den Weg in die Dusche und beschloss enttäuscht mich bettfertig zu machen. Als ich gerade nur mit Handtuch um die Hüften bekleidet in mein Zimmer zurückkehrte, hörte ich es plötzlich an der Tür klopfen. Da ich Angst hatte, dass er gleich wieder abhauen wird, wenn ich mich vorher noch schnell etwas anziehen und nicht gleich öffnen würde, stürmte ich in diesem Aufzug an die Tür und öffnete sie. Ein missmutig drein schauender Jonas blickte mich an und ich konnte riechen, dass er bereits was getrunken hatte.

“Also hier bin ich, was gibt es denn so dringendes zu bereden?”

“Komm doch erst mal rein”, meinte ich unsicher und schloss die Tür nachdem er reingekommen war.

“Weißt du, Marie hat da so eine abstruse Theorie und auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wieder ordentlich in die Nesseln setze, muss ich dich einfach etwas fragen, auch wenn es total abwegig ist, da du ja offensichtlich mit Marcel zusammen bist.”

“Jetzt rede doch nicht die ganze Zeit um den heißen Brei herum, frag einfach was du fragen willst.”

“Also gut, kann es sein das du in mich verliebt bist?”

Ich sah ihn erwartungsvoll an und rechnete schon fast damit, dass er mich auslachen würde, doch dann sagte er:

“Wenn du es unbedingt wissen willst, ja ich liebe dich.”

“Aber ich dachte, du und Marcel ...”

“Ach Quatsch wir sind nur Freunde, da läuft nichts zwischen uns.”

“Und wie lange schon?”

“Seit du mit deinem Vater das erste Mal an meiner Tür standest, es war Liebe auf den ersten Blick bei mir. Du sahst total süß aus in deinem Anzug und ich fand es total niedlich, wie unsicher du mich angesprochen hast.”

“Wieso hast du nie etwas gesagt?”

“Ich hatte Angst vor deiner Reaktion und die war wohl auch nicht ganz unbegründet, wie sich später herausgestellt hat.”

“Ich weiß gerade echt nicht, was ich sagen soll. Tut mir leid, ich bin einfach nicht schwul.”

“Und da bist du dir ganz sicher?”

“Ja natürlich, was soll die Frage, ich habe eine Freundin, wie du weißt.”

“Also gut jetzt oder nie”, hörte ich Jonas murmeln, bevor ich seine Lippen auf meinen spürte.

Erschrocken stiess ich ihn von mir weg.

“Was soll das, bist du verrückt geworden?”

Plötzlich sah er mir ganz intensiv in die Augen, mir wurde ganz anders bei seinem Blick.

“Luca, lass los. Hörst du mich, lass los. Stehe endlich zu deinen Gefühlen.”

Und wieder hatte ich seine Lippen auf meine und diesmal ließ ich mich einfach von meinen Gefühlen leiten und küsste zurück. Es war der beste Kuss meines Lebens, seine Lippen fühlten sich ganz sanft an und unsere Zungen trafen sich immer wieder ganz vorsichtig, bis wir schließlich alle Hemmungen über Bord warfen und wild zu knutschen anfingen. Ich konnte vor lauter Geilheit keinen klaren Gedanken mehr fassen und unter meinem Handtuch bildete sich ein ordentliches Zelt. Jonas zog sich hastig sein T-Shirt und seine Hose aus, bis er nur noch in Boxer vor mir stand und auch bei ihm war eine deutliche Erregung zu sehen, denn seine Boxer spannte bedrohlich. Wild miteinander knutschend befreite Jonas mich von meinem Handtuch und schubste mich aufs Bett, auf dem ich nun nackt vor ihm lag. Er zog sich nun ebenfalls seine Boxer aus und legte sich nackt auf mich. Wieder begannen wir wild miteinander zu knutschen und seine Zunge wanderte immer tiefer. Erst saugte er zärtlich an meinen Brustwarzen, diese wurden sofort steinhart unter dieser Behandlung, danach bedeckte er meinen Bauch mit Küssen und wanderte immer tiefer. Kurz bevor er meinen Schambereich erreichte, machte er halt und wanderte mit seiner Zunge wieder nach oben, was mich schier wahnsinnig vor Geilheit machte. Das ganze Spiel begann von vorne, nur diesmal anders herum, ich wimmerte unter seiner Behandlung und war im ganzen Leben noch nie so erregt gewesen. Als er mit seiner Zunge wieder oben angelangt war, küsste er mich leidenschaftlich, nur um kurze Zeit später mit der Zunge wieder an mir herabzuwandern. Kurz vor meinem Intimbereich stoppte er wieder, aber da ich vor Geilheit kaum noch klar denken konnte, bettelte ich:

“Bitte berühre meinen Schwanz, ich halte es nicht mehr aus.”

Er sah mir tief in die Augen und grinste mich dabei dreckig an, nur um danach mit seiner Zunge in meinen Intimbereich einzudringen. Er leckte mir sanft über die Eier und wanderte mit seiner Zunge an meinem Schaft entlang. Mein Schwanz war steinhart, stand wie eine Eins, und obwohl er mit seinen Lippen bislang noch nicht einmal meine Eichel berührt hatte, war ich kurz davor zu kommen. Als er dann endlich mit seinen Lippen meine Eichel umschloss und anfing mir sanft einen zu blasen, war es auch schon um mich geschehen, ich war kurz davor zu explodieren und hatte Angst in seinem Mund zu kommen.

“Hör auf, ich komme gleich”, stöhnte ich.

Jonas hatte verstanden und stellte auf Handarbeit um und begann meinen Schwanz zu wichsen, erst langsam und dann immer schneller. Es geschah das Unvermeidliche, ich hatte den Orgasmus meines Lebens und hörte gar nicht mehr auf, mir die Sahne in mehreren Schüben auf den Bauch zu spritzen, ein Spritzer traf mich sogar ins Gesicht, so stark ejakulierte ich. Jonas stellte sich danach vor mir auf und begann sich heftig seinen Schwanz zu wichsen. Es dauerte auch nicht lange, bevor er mir in mehreren Schüben sein Sperma über den Körper spritzte. Jonas grinste mich danach verliebt an und legte sich auf mich, obwohl mein Körper durch und durch mit unserer beiden Sahne, bedeckt war. Er küsste mich zärtlich, sah mich durchdringend an und sagte:

“Ich liebe dich Luca Hellmann, weißt du das.”

Noch bevor ich auch nur darüber nachdenken konnte, antwortete schon mein Herz für mich:

“Ja, ich liebe dich auch Jonas Stahl.”

Jonas strahlte über das ganze Gesicht und begann mein Gesicht mit Küssen zu übersähen.

“He, ich fühle mich gerade ein bisschen ekelig, wollen wir duschen gehen?”

“Klar, wer zuerst im Bad ist”, lachte Jonas und stand ruckartig auf und lief in Richtung Badezimmer.

“He, das ist unfair, immerhin lagst du auf mir drauf”, antwortete ich ebenfalls lachend, bevor ich ihm ins Bad folgte.

Die Dusche im Badezimmer war zwar klein, aber dennoch duschten wir zusammen. Wir rieben uns gegenseitig mit Shampoo und Duschgel ein und waren sofort wieder geil. Wir knutschen heftig und wichsten uns gegenseitig bis es uns kam. Krass so kurz nacheinander war ich bisher noch nie gekommen, aber Jonas war einfach zu scharf. Nachdem wir zu Ende geduscht hatten, stellten wir mit Schrecken fest, das es bereits kurz vor 23 Uhr war und so trennten wir uns widerwillig, da die Lehrer ja Kontrollen angekündigt hatten und ich alleine im Zimmer sein sollte. Bevor er mein Zimmer verließ, küsste er mich nochmal ganz sanft und romantisch und sagte:

“Ciao Luca bis morgen, schlaf gut Süßer.”

“Gute Nacht Jonas, träum was schönes.”

“Auf jeden Fall von dir”, sagte er grinsend und verließ leise das Zimmer.

Als ich wieder alleine auf dem Zimmer war, spielten meine Gedanken verrückt. Ja ich liebte Jonas, dessen war ich mir jetzt sicher, aber dennoch hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich konnte nicht glauben, was ich so eben getan hatte, ich hatte Sex mit einen anderen Jungen, obwohl ich wusste, dass die Bibel es verurteilt. Mein Vater würde mich umbringen, wenn er davon erfahren würde und was ist mit Rahel, wie konnte ich ihr so etwas Schreckliches nur antun. Meine restlichen Freunde würden diese Beziehung auch niemals akzeptieren. Mein gesamtes Leben würde sich radikal ändern, wenn ich mich auf Jonas einlassen würde, ich würde alles verlieren und stände ganz alleine dar. Man würde mich offiziell aus der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas ausschließen und mit einem Ausgeschlossenen war jeglicher Kontakt verboten. Ich wusste nicht, ob ich mit meinen 16 Jahren schon in der Lage war, eine solch schwerwiegende Entscheidung zu treffen. Nein, wenn ich wirklich mit Jonas zusammen sein wollte, müsste es zunächst auf jeden Fall heimlich sein, denn wenn ich diese Beziehung öffentlich machen würde, würde ich jeden verlieren, der mir wichtig ist und da müsste ich mir schon ganz sicher mit unserer Beziehung sein. Ich musste über all dies dringend mit Jonas reden. Ich musste wissen, wie er darüber denkt, aber dafür war es heute schon zu spät. Ich beschloss noch ein wenig zu schlafen und morgen mit Jonas zu reden. Als ich mein Handywecker stellen wollte, fielen mir zahlreiche Anrufe und auch 2 SMS auf meinem Telefon auf. Shit, ich sollte ja jeden Abend zu Hause anrufen, das hatte mir mein Vater im Auto noch eingebläut, fuck, das hatte ich total vergessen. Mit einem mulmigen Gefühl ging ich die Anrufliste auf meinem Handy durch und wie ich es vermutet hatte - mehrere Anrufe von meinem Vater, aber auch von Rahel. Ich öffnete mit zittrigen Händen die erste SMS, sie war von meinem Vater:

“Luca, was ist los? Warum rufst du nicht an? Wir hatten eine Vereinbarung, falls du dich erinnerst. Ruf bitte sofort an, wenn du das hier liest, egal wie spät es auch ist.”

Scheiße, das klang nach Ärger. Die zweite SMS war von Rahel:

“He Luca, alles gut? Melde dich doch mal.”

Ok, da es jetzt schon so spät war, beschloss ich mich bei Rahel erst morgen früh zu melden, aber der Anruf bei meinem Vater duldete keinen Aufschub. Daher wählte ich einfach unsere Nummer und machte mich auf ein gehöriges Donnerwetter, seitens meines Vaters gefasst. Es klingelte und bei mir stieg die Anspannung mit jeder Sekunde, in der ich wartete.

“Hellmann, hallo.”

“Hallo Papa, ich bin’ s. Sorry, das ich jetzt erst anrufe, aber ich war so müde und muss wohl eingeschlafen sein”, log ich.

“Man Luca, weißt du eigentlich, was deine Mutter und ich uns für Sorgen um dich gemacht haben? Wir hatten doch eine feste Vereinbarung, dass du dich jeden Abend bei uns zu melden hast.”

“Ja ich weiß Papa und es tut mir wirklich leid. Es war wie gesagt wirklich keine Absicht, ab morgen werde ich so wie vereinbart jeden Abend anrufen.”

“Ok aber halte dich auch wirklich daran und halte dich von deinen Mitschülern fern. Du machst diese Exkursionen mit, die angeblich so wichtig für deine Klassenarbeit ist und ansonsten verbringst du deine Freizeit in deinem Einzelzimmer, verstanden.”

“Ja Papa, mach dir keine Sorgen, ich halte mich an die Regeln.”

“Hat das mit deinem Einzelzimmer geklappt?”

“Ja hat alles funktioniert, macht euch wie gesagt keine Sorgen, hier ist alles gut.”

“Also gut, dann schlaf gut mein Sohn und melde dich morgen Abend, nicht wieder vergessen.”

“Nein werde ich nicht. Gute Nacht Vater.”

Na da war ich ja noch einigermaßen glimpflich davon gekommen. Zum Glück hatte mein Vater keinen Verdacht geschöpft. Mit Rahel musste ich spätestens morgen auch sprechen, mir graute es ein wenig davor, immerhin hatte ich sie gerade betrogen. Sie kannte mich von allen am besten und merkte es meistens sofort, wenn ich sie anlog. Das würde auch ein schwieriges Telefonat werden, ich hoffte, dass sie mir mein schlechtes Gewissen nicht gleich anhören würde. Doch trotz meiner vielen Sorgen musste ich auch immer wieder an den Sex mit Jonas denken. Immer wieder ließ ich die Szenen vor meinem geistigen Auge ablaufen. Ich war zur gleichen Zeit geil und hatte ein schlechtes Gewissen - ich steckte wirklich in einem Dilemma.

Irgendwann überkam mich dann doch die Müdigkeit und ich verfiel in einen unruhigen Schlaf.

Am nächsten Morgen wurde ich, um 7:15 Uhr, von meinem röhrenden Handywecker geweckt, wie so oft verfluchte ich innerlich dieses Ding, es kam mir so vor, als wäre ich gerade eben erst eingeschlafen. Widerwillig stand ich auf und schaltete den Wecker aus und schleppte mich unter die Dusche. Eine halbe Stunde später stand ich fertig gestylt vor dem Spiegel. Gut, ich hatte noch 15 Minuten Zeit bis zum Frühstück, also entschied ich Rahel noch schnell eine SMS zu schreiben:

“He Rahel, sorry das ich mich jetzt erst melde, aber ich war gestern echt total kaputt, diese Busfahrt hat mich echt geschlaucht. Ich muss jetzt auch gleich wieder zum Frühstück, rufe dich heute Abend mal an. Kuss Luca”

Sie schien wohl sehnsüchtig auf ein Lebenszeichen von mir gewartet zu haben, denn Ihre Antwort folgte prompt.

“Ok, kein Problem. Sprechen uns heute Abend. Freue mich deine Stimme zu hören. Kuss Rahel”

Oh man, ich steckte wirklich in Schwierigkeiten und hatte keine Ahnung was ich tun sollte. Als ich gerade im Begriff war mein Zimmer zu verlassen, klopfte es zaghaft an der Tür. Ich öffnete die Tür und blickte in Jonas strahlendes Gesicht. Er schubste mich wieder zurück in mein Zimmer und drückte mir sofort einen Kuss auf die Lippen.

“Morgen Luca, ich habe dich vermisst. Hör zu ich habe gute Neuigkeiten, ich habe heute morgen nochmal mit Marcel geredet und er hat sich bereit erklärt, mit dir das Zimmer zu tauschen. Dann müsste ich mich nicht mehr heimlich in dein Zimmer schleichen und ich denke mal die Lehrer hätten auch nichts dagegen. Was hältst du davon, ist das nicht super?”

“Ja ist eine gute Idee. Hör zu, ich muss unbedingt mit dir reden.”

“Ok, dafür haben wir heute Abend genug Zeit. Jetzt müssen wir wirklich los zum Frühstück.”

“Ok, dann reden wir heute Abend.”

“Jetzt schau nicht so ernst”, sagte Jonas lachend und küsste mich erneut zärtlich.

“Ist das ok, wenn wir die Sache mit uns erst einmal für uns behalten?”

“Klar, was hast du denn gedacht? Dachtest du, dass ich jetzt von dir erwarte händchenhaltend mit mir da raus zu laufen?”

“Nein Quatsch, ach keine Ahnung was ich dachte, ich wollte nur sicher gehen”, stotterte ich.

“Weißt du, du bist echt süß, wenn du so verlegen bist.”

“Du bist echt blöd”, meinte ich lachend und küsste ihn erneut.

“Weiß Marcel über uns Bescheid?”

“Ja, tut mir leid, ich musste es ihm sagen. Immerhin hat er mich die ganze Zeit auch getröstet, als ich Liebeskummer wegen dir hatte und ich musste ihm doch die Sache mit dem Zimmertausch erklären. Schlimm?”

“Nein, ist ok. Er soll aber bitte dicht halten, ok?”

“Ja, keine Sorge auf Marcel ist Verlass, er wird es niemandem erzählen.”

Danach machten wir uns gemeinsam auf den Weg in den Frühstücksraum. Marcel, Lisa und Marie saßen bereits zusammen an einem Tisch, Jonas und ich setzten uns zu ihnen.

“Guten Morgen”, begrüßten wir die anderen am Tisch, was von ihnen auch freundlich erwidert wurde.

Marie grinste uns wissend an, sagte aber nichts weiter, was mir auch sehr recht war. Marcel ließ sich ebenfalls nichts anmerken.

Jonas und ich bedienten uns am Buffet, tranken unseren Kaffee und wurden von Lisa und Marie über den neuesten Klatsch der letzten Nacht aufgeklärt. Leon und seine Freunde hatten wohl zu tief ins Glas geschaut und waren den Lehrern gegenüber ausfallend geworden. Diese schickten die drei sofort ins Bett und kündigten Konsequenzen für dieses Verhalten an. Angeblich soll es sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen sein, aber das wussten Marie und Lisa nur vom Hörensagen. Aber als ich meinen Blick so in die Runde schweifen ließ, war von Leon und Konsorten auch tatsächlich nichts zu sehen. Nachdem wir unser Frühstück beendet hatten, riefen die Lehrer uns zur Tagesbesprechung auf die Dachterrasse zusammen.

Als wir alle versammelt waren, ergriff Frau Schnell das Wort:

“So, bevor wir jetzt unsere Stadttour starten, habe ich noch eine Mitteilung zu machen. Wie vielleicht einige von euch bereits bemerkt haben, fehlen 3 Mitschüler aus Ihrer Klasse. Leon, Sven und Tim haben sich gestern Abend derartig betrunken, dass sie uns gegenüber ausfallend und am Ende sogar handgreiflich geworden sind. Wie ihr euch vielleicht denken könnt, können wir als Lehrkräfte ein derartiges Verhalten nicht tolerieren. Deshalb haben wir die 3 heute Morgen bereits in den Flieger nach Hause gesetzt, auf Kosten ihrer Eltern versteht sich. Seid versichert, das es für die 3 ernste Konsequenzen haben wird. So, das war es auch schon wieder, wir treffen uns um Punkt 9 Uhr am Bus.”

Das Mitleid meiner Mitschüler hielt sich in Grenzen, ganz im Gegenteil schienen viele eher erleichtert zu sein, das die 3 nun endlich weg waren, ich am allermeisten. Auf den Weg in mein Zimmer fing mich Marie noch ab und zerrte mich in eine ruhige Ecke.

“Du musst mir unbedingt alles über letzte Nacht erzählen. Was ist mit dir und Jonas passiert, ihr seid ja wie ausgewechselt.”

“Du bist ja gar nicht neugierig was?”

“Jetzt erzähl schon.”

“Ok, du musst mir aber wirklich versprechen, dass du es für dich behältst.”

“Ja natürlich, für wenn hältst du mich und jetzt erzähl endlich.”

“Also gut, ich habe Jonas gestern doch eine SMS geschrieben, dass ich nochmal mit ihm reden muss. Ich habe eine Ewigkeit auf ihn gewartet und dachte schon er kommt nicht mehr, als es dann doch an meiner Tür klopfte. Naja, auf jeden Fall haben wir uns ausgesprochen und jetzt ist wieder alles gut zwischen uns.”

“Und weiter?”

“Wie meinst du das, nichts weiter?”

“Luca, verkauf mich nicht für blöd, ich habe doch gesagt, ich will alles wissen. Du hast ihn nicht zufällig gefragt, ob er ihn dich verliebt ist.?”

“Doch das habe ich.”

“Man, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Was hat er darauf geantwortet?”

“Er hat es zugegeben.”

“Und dann?”

“Naja, irgendwie kam dann eins zum anderen und wir hatten Sex. Ok, bist du jetzt zufrieden?”

Marie grinste von einem Ohr zum anderen.

“Oh mein Gott, ich glaube es ja nicht. Hast du mir gestern erst nicht noch versichert, dass du absolut hetero bist.”

“Ja, keine Ahnung, ich weiß auch nicht. Es ging alles so schnell.”

“Aber ihr habt doch verhütet, oder?”

“Indiskret bist du ja gar nicht. Wir hatten nur Oralsex, ok.”

“Krass, das ist ja voll spannend. Aber du spielst doch nicht mit ihm, weil du es mal ausprobieren wolltest?”

“Nein Quatsch, ich denke, ich habe mich in ihn verliebt.”

“Oh man, das ist ja voll süß.”

“Nein, das ist eine Katastrophe.”

“Wieso das denn?”

“Hallo, ich habe eine Freundin und bin zufällig ein Zeuge Jehovas. Bei uns wird Homosexualität nicht toleriert, weder meine Familie noch meine Freunde würden das akzeptieren. Ich habe keine Ahnung, was ich jetzt tun soll.”

Ich konnte einfach nicht mehr und brach in Tränen aus. Marie nahm mich gleich in den Arm und versuchte mich zu trösten. Sie redete beruhigend auf mich ein.

“He Luca, ist doch nicht so schlimm. Das Einzige, was doch zählt, ist dass ihr euch liebt und für alles andere wird sich schon eine Lösung finden. Ich bin immer für dich da, ok. Wenn du mal reden musst oder eine Schlafgelegenheit für die Nacht brauchst, du kannst dich immer bei mir melden, Tag und Nacht, mein Handy ist immer an.”

Sie streichelte mir beruhigend über den Kopf und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.

“Danke, dass ich mit dir über alles reden kann”, sagte ich mit zitternder Stimme.

“Ist doch klar Schatz, dafür sind Freunde doch da. Geht's wieder einigermaßen?”

“Ja, ist schon gut, entschuldige, dass ich so ein kleines Baby bin und gleich losflennen muss.”

“Ach Quatsch, das würde anderen in deiner Situation doch genauso gehen. Wollen wir langsam runter gehen. Es wird Zeit, der Bus fährt gleich ab.”

Also machten wir uns auf den Weg. Als wir den Bus erreichten, waren die anderen bereits ihm Bus und eine säuerlich rein schauende Frau Schnell kam uns entgegen.

“Da seid ihr ja endlich, ist es so schwer sich an eine einfache Abfahrtzeit zu halten?”

“Entschuldigung Frau Schnell, wir hatten noch ein kleines Problem zu klären”, sagte Marie.

Nach einem Blick in mein verheultes Gesicht, legte sich Frau Schnells Ärger und wich Besorgnis.

“Geh doch schon mal in den Bus Marie. Ich will noch mal kurz mit Luca reden.”

Für einen kurzen Moment machte es den Anschein, dass Marie widersprechen wollte, doch dann überlegte sie es sich doch anders und ging in den Bus.

“Luca ist alles ok bei dir?”

“Ja danke Frau Schnell, es ist alles gut, machen sie sich bitte keine Sorgen.”

Sie sah mich nicht gerade überzeugt an, ließ es dann aber so stehen.

“Wie du weißt, bin ich auch Vertrauenslehrerin. Du kannst immer zu mir kommen, wenn du Probleme hast.”

“Ja, das weiß ich. Vielen Dank Frau Schnell.”

“Ah noch was anderes, Jonas war heute morgen bei mir und hat gefragt, ob es möglich wäre mit dir in ein Zimmer zu kommen. Ist das auch in deinem Sinne?”

“Ja Frau Schnell, das wäre super.”

“Also gut, an mir soll es nicht scheitern. Ich habe deinem Vater zwar versprochen, dass du in einem Einzelzimmer unterkommst, aber wenn das dein eigener Wunsch ist, soll es mir Recht sein.”

“Danke Frau Schnell, keine Sorge, ich werde meinem Vater davon nichts erzählen.”

“Gut, dann jetzt ab in den Bus mit dir.”

Als ich den Bus betrat, sah ich gleich, dass Jonas mir einen Platz neben sich reserviert hatte, also steuerte ich unter den besorgten Blicken meiner Mitschüler darauf zu und nahm Platz. Mein verheultes Gesicht blieb natürlich auch Jonas nicht verborgen.

“He Luca, was ist los mit dir? Hast du geweint?”

“Alles gut, wir reden heute Abend, ok?”

“Ok, magst du ein bisschen Musik hören?”

Ich lächelte ihn an, er war einfach zu süß.

“Ja gerne.”

Also gab er mir einen seiner Kopfhörer ab und wir hörten den Rest der Fahrt gemeinsam Musik.

Wir hatten dann noch einen schönen Tag in Verona. Wir sahen uns den berühmten Balkon Julias an, an dem Romeo angeblich hinauf geklettert war und noch diverse andere Orte in der Stadt mit historischem Hintergrund. Den ganzen Tag über blieben Jonas, Marie, Lisa, Marcel und ich zusammen und hatten auch eine Menge Spaß.

Pünktlich um 17 Uhr waren wir dann im Hotel zurück und hatten noch eine Stunde bis zum Abendessen. Die Zeit nutzten Marcel und ich, um unsere Zimmer zu tauschen und unsere Sachen ins jeweils andere Zimmer zu räumen. Da wir den Umzug in einer guten halben Stunde geschafft hatten, beschloss ich die restliche Zeit bis zum Abendessen zu nutzen und Rahel anzurufen.

Mit klopfenden Herzen wählte ich Ihre Nummer.

“Hi Luca, na endlich, ich habe schon auf deinen Anruf gewartet. Wie geht's dir? Wie ist es so in Verona?”

“Hi sorry, dass ich mich jetzt erst melde, aber ich war gestern einfach zu kaputt dazu. Die Stadt ist echt toll und das Wetter ist wirklich großartig. Heute haben wir uns unter anderem Julias Balkon angesehen, wenn du mich fragst, sieht der nicht groß anders aus als jeder andere Balkon in der Stadt, außer natürlich, dass ein Haufen Touristen davor stehen und Bilder machen.”

“Cool, schade, dass ich nicht mit dabei bin. Was ist mit Leon und seinen Freunden, gibt es Ärger mit ihnen?”

“Nein, das habe ich dir ja noch gar nicht erzählt, die wurden alle 3 heute morgen nach Hause geschickt, weil die gestern so besoffen waren, dass sie die Lehrer beschimpft und sogar körperlich angegangen sind.”

“Echt, das ist ja cool. Die haben es auch nicht anders verdient. Hoffentlich bekommen die riesigen Ärger zu Hause.”

“Ja, das auf jeden Fall. Die Flugtickets werden ihren Eltern in Rechnung gestellt und außerdem hat Frau Schnell noch angekündigt, dass es Konsequenzen für sie geben wird. Ich hoffe ja, dass sie von der Schule fliegen, das wäre echt cool.”

“Ja, das wäre auch höchste Zeit, nachdem was die sich alles schon geleistet haben. Und was ist mit Jonas, hast du nochmal mit ihm geredet?”

Ich hatte befürchtet das diese Frage kommen würde, umso nervöser wurde ich jetzt.

“Ja, wir haben uns ausgesprochen und verstehen uns jetzt wieder ganz gut, aber das Heimbibelstudium möchte er trotzdem nicht weiter führen”, stammelte ich.

“Ja, das ist aber doch verständlich. Aber schön, dass ihr euch wieder versteht, weißt du, ich mag ihn echt gerne, egal ob schwul oder nicht.”

“Ja, geht mir auch so. Hör zu Rahel, ich muss jetzt Schluss machen, das Abendessen fängt an, ich melde mich morgen wieder bei dir, ok.”

“Ok, alles klar. Ich liebe dich. Ciao.”

“Ich liebe dich auch. Ciao.”

Plötzlich stand Jonas im Zimmer, ich hatte ihn gar nicht bemerkt, er sah mich seltsam an, sagte aber nichts weiter. Ich wusste nicht, wie viel vom Telefonat er mitbekommen hatte, hatte aber dennoch ein schlechtes Gewissen, aber was sollte ich machen - ich steckte nun mal in einer echt beschissenen Situation.

“Es wird Zeit, wir sollten langsam runter zum Essen gehen”, meinte Jonas.

“Ok, lass uns gehen und danach reden wir, ok?”

“Ok.”

Also machten wir uns auf den Weg in den Speisesaal und nahmen am Tisch von Marie, Lisa und Marcel Platz. Zum Essen gab es heute Spaghetti Bolognese und für die Vegetarier Spaghetti Napoli mit Tomatensoße. Das Essen schmeckte wirklich ausgezeichnet, die Italiener verstanden einfach was von Nudeln. Nach dem Essen fand sich die ganze Klasse wieder auf der Dachterrasse des Hotels ein, um die Tagesplanung für den morgigen Tag von den Lehrern zu erfahren. Die Freude war natürlich groß, als uns die Lehrkörper mitteilten, dass nach dem Kulturprogramm von heute für morgen ein Ausflug an den nahe gelegenen Gardasee geplant war. Nach der Besprechung seilten Jonas und ich uns schnell von den anderen ab, da wir ja noch einiges zu besprechen hatten.

In unserem Hotelzimmer angekommen, rief ich aber zuerst bei mir zu Hause an, bevor ich es wieder vergaß. Mein Vater war wieder am Telefon, aber diesmal war er echt kurz angebunden, als ob er mich schnell los werden wollen würde. Naja, mir war es Recht, er hatte wahrscheinlich wieder total wichtige Dinge, um die er sich kümmern musste, somit war dieses Pflichttelefonat wenigstens schnell erledigt.

Nach dem Telefonat kam Jonas gerade nur mit einem Handtuch um die Hüften aus der Dusche und sah wirklich zum anbeißen aus.

“So, erzähl, worüber willst du mit mir reden und warum hast du heute morgen geweint?”

“Ähm, Jonas, würde es dir etwas ausmachen dir erst mal etwas anzuziehen, ich kann mich bei diesem Anblick nicht konzentrieren.”

Grinsend ließ er ungeniert sein Handtuch fallen und stand plötzlich splitterfasernackt vor mir.

“Zuerst küsst du mich, ich warte seit heute morgen darauf.”

Mein kleiner Freund in der Hose stand plötzlich wieder wie eine eins.

“Findest du es nicht unfair, dass ich der einzige bin, der hier nackt ist? Los zieh deine Sachen aus.”

Irgendwie machte mich dieser dominante Ton von Jonas total an und ich schälte mich in Windeseile aus meinen Klamotten. Als ich ebenfalls nackt vor ihm stand, kam er auf mich zu und wir begannen wild miteinander zu knutschen. Naja und es kam wie es kommen musste und wir brachten uns gegenseitig zum abspritzen. Danach duschten wir noch gemeinsam und beseitigten alle Spuren von unseren Körpern und hatten auch dort noch unseren Spaß.

Als wir später dann zusammen eng aneinander gekuschelt im Bett lagen, fuhren meine Gefühle wieder Achterbahn, ich war hin- und hergerissen zwischen totalem Glück und einem verdammt schlechtem Gewissen. Ich musste dringend mit Jonas über meine Gefühle reden.

“Du, Jonas wir sollten jetzt mal reden.”

Er sah mich verschlafen an, er hatte wohl schon etwas gedöst.

“Ok, lass uns reden, erzähle mir was dich bewegt.”

“Verstehe mich bitte nicht falsch. Ich liebe dich, aber es ist nicht leicht für mich. Ich brauche Zeit und ich hoffe, dass du sie mir geben wirst. Ich kann nicht einfach wie du zu meinen Eltern gehen und ihnen gestehen, dass ich schwul bin und sie versichern mir dann, dass es ihnen egal ist und sie mich auch trotzdem immer lieben werden. Sie würden das niemals akzeptieren, verstehst du? Nicht einmal meine Freunde würden das. Ich stände von heute auf morgen völlig alleine da. Meine Eltern würden mich aus dem Haus werfen und meine Freunde verstoßen. Ich würde alles verlieren, mein bisheriges Leben, wie ich es kannte, wäre ein für allemal vorbei. Ich hätte nur noch dich und ich weiß nicht, ob ich dir zumuten kann, so eine Bürde auf dich zu nehmen. Ich meine, wenn das aus irgendeinen Grund zwischen uns in die Brüche gehen sollte, wirst du dich immer dafür verantwortlich fühlen, dass ich mein ganzes Leben für dich aufgegeben habe.”

“He nein, hör mir bitte zu. Ich liebe dich auch, so wie ich noch nie einen Menschen zuvor geliebt habe und ich weiß, was für dich auf dem Spiel steht. Deshalb werde ich dir auch überhaupt keinen Druck machen, ok. Wir können erst mal heimlich zusammen sein und wenn du dann irgendwann dazu bereit bist, klaren Tisch zu machen und du dir wirklich sicher mit uns bist, kannst du es deinen Eltern und Freunden sagen. Falls sie dann tatsächlich so reagieren sollten, wie du glaubst, bin ich für dich da, hörst du und meine Eltern auch, da bin ich mir ganz sicher. Du kannst bei uns unterkommen, falls deine Eltern dich wirklich aus dem Haus werfen sollten. Mach dir bitte keine Sorgen, ich lasse dich damit nicht alleine, ich bin immer für dich da.”

Mir kamen die Tränen bei seinen Worten und er nahm mich daraufhin liebevoll in den Arm und streichelte mir beruhigend durch die Haare.

“Du kannst dir soviel Zeit lassen, wie du brauchst, hörst du. Ich werde dir keinen Druck machen, alles was ich will, ist mit dir zusammen zu sein, ok?”

“Ok, danke, dass du mich verstehst. Ich will ja auch mit dir zusammen sein, aber das geht nicht von heute auf morgen. Scheiße, wieso muss nur alles so kompliziert sein?”

“He mach dir keinen Kopf. Wir kriegen das schon zusammen hin, versprochen. Und bis es soweit ist, sind wir eben heimlich zusammen, das ist ok für mich.”

“Ok. Danke.”

“Aber du musst mir eins versprechen: Solange wir jetzt noch hier sind, vergisst du einfach mal alles. Zu Hause warten dann noch genug Sorgen und Probleme auf uns, aber die lassen wir jetzt einfach mal dort und genießen die restlichen Tage in Verona. Ok, haben wir einen Deal?”

“Deal.”

Ich schlug in seine ausgestreckte Hand ein und musste sogar wieder etwas grinsen. Danach musste ich ihn einfach küssen, ich wusste zwar nicht, ob das mit uns eine Zukunft hatte, aber für den Moment war ich glücklich und ich hatte wirklich vor, für den Moment mal meine ganze Sorgen zu vergessen und die restliche Zeit in Italien mit Jonas zu genießen.

Den Rest der Nacht verbrachten wir knutschend im Bett, bis wir dann irgendwann eng aneinander gekuschelt einschliefen.

Am nächsten Morgen wurde ich wieder unsanft von meinem Wecker geweckt und ich musste mich erst mal aus Jonas Umklammerung befreien, bevor ich aufstehen und den Wecker ausschalten konnte. Der Herr schlief wie immer seelenruhig und bekam von allem nichts mit. Auf dem Weg zum Wecker stieß ich mit meinem Schienbein im Dunkeln auch noch gegen den Stuhl, was verdammt weh tat.

“Verdammt noch mal, muss dieser verfluchte Stuhl auch mitten im Weg stehen”, fluchte ich.

Von dem Krach, den ich machte, war inzwischen auch Jonas aufgewacht und nuschelte verschlafen:

“Was ist denn los? Warum machst du so einen Krach?”

“Ach mein Wecker hat geklingelt und als ich aufstehen wollte, um ihn auszuschalten, bin ich voll gegen diesen scheiß Stuhl gelaufen.”

“Hast du dir weh getan?”

“Nein, gebrochen ist nichts, falls du das meinst, aber mit dem Schienbein gegen so einen kack Stuhl zu stoßen, tut halt brutal weh”, gab ich genervt zurück.

Ich öffnete die Vorhänge und ließ Licht in das Zimmer, was bei Jonas auf wenig Begeisterung stieß.

“Oh man, mach die Vorhänge wieder zu, willst du mich umbringen”, sagte er und hielt sich seine Hände vor die Augen.

“So schnell stirbt man nicht und jetzt steh auf, wir müssen uns fertig machen”, gab ich zurück, musste dabei aber schon wieder grinsen.

“Komm mal kurz zu mir ins Bett, bitte.”

“Man Jonas, wir müssen uns wirklich fertig machen, wir haben nicht mehr soviel Zeit.”

“Nur ganz kurz”, bettelte er.

Ich konnte seinen flehenden Hundeblick einfach nicht widerstehen, er sah einfach total niedlich aus, wenn er noch so verschlafen war, also kam ich nochmal zu ihm ins Bett.

“So und jetzt?”

Plötzlich zog er mich zu sich und küsste mich ganz zärtlich auf den Mund.

“Guten Morgen, mein Schatz. So weckt man jemanden anständig und so will ich in Zukunft auch immer von dir geweckt werden”, lachte er.

“Das hättest du wohl gerne”, sagte ich, warf mich auf ihn und begann ihn durchzukitzeln, bis er um Gnade winselte.

“Gnade, bitte ich kann nicht mehr”, japste er.

Ich hielt seine Hände über seinen Kopf fest.

“Ok, der Preis für Ihre Freilassung ist ein Kuss, nicht verhandelbar.”

“Oh, man muss das sein, kann ich nicht Geld bezahlen oder so?”

“He du kleiner Frechdachs”, lachte ich.

“Ich mach doch nur Spaß. Komm her Süßer, küss mich.”

Nach einem richtig tollen letzten Kuss gingen wir schließlich duschen und machten uns ausgehtauglich.

Im Frühstücksraum setzten wir uns wieder zu Marie, Marcel und Lisa an den Tisch, da sie uns wieder Plätze freigehalten hatten.

“Morgen, habt ihr gut geschlafen”, fragte Marie grinsend.

“Ja bestens, danke der Nachfrage”, gab Jonas ebenfalls grinsend zurück.

Ich war schon in Sorge, das jedem auffallen würde, dass sich zwischen Jonas und mir etwas verändert hat, so verliebt wie wir waren, doch zum Glück war jeder meiner Mitschüler mit sich selbst beschäftigt und es schien niemanden aufzufallen, außer Marie und Marcel natürlich. Naja und Lisa wird sich wohl auch ihren Teil gedacht haben, sagte aber nichts dazu. Nachdem wir ausgiebig gefrühstückt hatten, wurden wir um 9 Uhr am Bus erwartet, da wir heute zum Gardasee fahren wollten, aber vorher nahm mich Marie nochmal zur Seite.

“Wie ich sehe, ist euer Gespräch gestern Abend erfreulich gelaufen. Seid ihr jetzt richtig zusammen?”

“Ja sind wir, aber vorerst nur heimlich, bis ich alles zu Hause geklärt habe. Also hänge es nicht an die große Glocke, ok?”

“Für wenn hältst du mich denn? Bei mir ist euer Geheimnis sicher. Oh man, ich freue mich ja so für euch, ihr seid echt ein ganz süßes Paar.”

“Danke. Ich wollte mich auch nochmal bei dir für gestern bedanken, dass du mir zugehört hast und mir geraten hast, nochmal mit ihm zu reden, ohne dich wären wir wohl jetzt nicht zusammen.”

“Das habe ich doch gerne gemacht Schatz und vergiss nicht, dass du immer zu mir kommen kannst, wenn du jemanden zum reden brauchst, ok?”

“Ja ok, danke für alles, du bist wirklich ein tolles Mädchen.”

“He hör auf, ich werde ja ganz rot bei so vielen Komplimenten”, lachte sie.

Wie ich im Nachhinein erfahren habe, hatte Jonas ein ganz ähnliches Gespräch mit Marcel, aber auch er versprach dicht zu halten.

Um Punkt 9 Uhr machte sich unser Bus dann schließlich auf den Weg zum Gardasee, den wir auch in einer guten halben Stunde erreichten. Wir hatten traumhaft sonniges Wetter und verbrachten einen ausgelassenen tollen Tag dort. Ich war so locker und beschwingt, das ich tatsächlich alle meine Sorgen mal vergaß und mit Jonas und den anderen die Zeit einfach genoss. Ich glaubte, in meinem ganzen Leben noch nie so glücklich gewesen zu sein. Am Abend erledigte ich wieder das Pflichttelefonat mit meinem Vater und auch diesmal war er seltsam kurz angebunden, aber mir war es Recht, um so schneller konnte ich dieses Telefonat hinter mich bringen. Mit Rahel telefonierte ich auch nochmal kurz und versuchte dabei so normal wie möglich zu klingen, ich hoffte, dass mir das auch gelungen war. Nach einem erneut leckeren Abendessen saß unsere neue Fünfer Clique mit Jonas, mir, Marie, Marcel und Lisa noch lange auf der Dachterrasse zusammen, köpften eine gekaufte Flasche Wein zusammen und unterhielten uns angeregt über Gott und die Welt. Als es schon langsam spät wurde, verabschiedeten Jonas und ich uns von den anderen und genossen im Zimmer noch unsere Zweisamkeit.

Am nächsten Tag stand wieder Kulturprogramm an, das wir alle gelangweilt über uns ergehen ließen, aber mit Jonas zusammen machte einfach alles Spaß.

Am Abend meldete ich mich wieder pflichtbewusst bei meinem Vater und versicherte ihm, mich nach dem Tagesprogramm immer brav in mein Einzelzimmer zu verkrümeln - wenn der wüsste. Mein Vater versprach mich am Samstag Morgen wieder von der Schule abzuholen und damit war das Telefonat auch schon beendet. Bei Rahel meldete ich mich auch nochmal, denn ich wollte ja, dass sie keinen Verdacht schöpfte, aber es fiel mir schon schwer, sie anlügen zu müssen, aber was sollte ich denn machen. Den letzten Abend verbrachten wir wieder auf der Dachterrasse bei einer Flasche Wein und guten Gesprächen, bis Jonas und ich uns wieder vorzeitig verabschiedeten, immerhin stand unsere letzte gemeinsame Nacht an. Kaum im Zimmer angekommen, fielen wir auch schon übereinander her und hatten eine wunderschöne letzte Nacht zusammen. Ich wünschte mir, dass diese Nacht niemals enden möge, denn ich hatte überhaupt keine Lust nach Hause zu kommen. Nach dem Sex (Kein Analsex, soweit waren wir noch nicht) lagen wir noch aneinander gekuschelt in unserem Bett, bis Jonas mich plötzlich fragte:

“Sag mal, wirst du mit Rahel eigentlich gleich Schluss machen, wenn wir wieder zu Hause sind?”

“Man Jonas, du hast doch versprochen mich nicht unter Druck zu setzen. Ich werde mit ihr Schluss machen, sobald der richtige Zeitpunkt gekommen ist, ok?”

“Tut mir leid, ich will dir ja keinen Druck machen, aber ich ertrage es einfach nicht zu wissen, dass du sie weiterhin küssen wirst und wer weiß was sonst noch.”

“Man Jonas, wir sind Zeugen Jehovas, außer küssen läuft da nichts vor der Ehe. Ich weiß, dass ich dir da viel zumute und verspreche möglichst schnell mit ihr Schluss zu machen, ok. Aber ich will auch nicht, dass sie Verdacht schöpft und das alles auffliegt. Ich bin noch nicht soweit, zumindest noch nicht, ok?”

“Ok, tut mir leid, ich wollte dich nicht bedrängen. Ich liebe dich nur einfach so, weißt du?”

“Jonas, ich liebe dich doch auch und am liebsten würde ich mit dir abhauen und an irgendeinem Ort, an dem uns keiner kennt, nochmal komplett neu anfangen und offen zu unserer Liebe stehen, aber das geht leider nicht.”

“Ja leider, aber wir schaffen das schon, das verspreche ich dir. Gemeinsam schaffen wir das.”

“Ich hoffe, du hast Recht.”

Irgendwann mussten wir dann doch eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen wurden wir wieder unsanft von meinem Wecker geweckt.

Wir machten uns fertig und gingen zum Frühstück. Den Rest des Tages hatten wir dann zur freien Verfügung, da um 21 Uhr die Abfahrt nach Hause anstand. Jonas und ich versuchten die restliche Zeit bis zur Abfahrt so gut es ging gemeinsam zu verbringen, Marie und Marcel hatten dafür auch vollstes Verständnis. Also verbrachten wir den Rest des Tages auf unserem Zimmer und taten Dinge die Verliebte nun mal eben so tun. Nur für das letzte Abendessen kamen wir herunter. Anschließend gingen wir wieder auf unser Zimmer um Koffer zu packen und uns nochmal frisch für die lange Fahrt nach Hause zu machen. Die Zeit ging um wie im Flug und in melancholischer Stimmung machten wir uns dann auf den Weg in Richtung Reisebus, der uns nach Hause bringen sollte. Jonas und ich besorgten uns einen ruhigen Zweierplatz im hinteren Teil des Busses und hörten die meiste Zeit der Fahrt über Musik über Kopfhörer, bis wir irgendwann einschliefen. Erst durch die Durchsage von Frau Schnell, dass wir in Kürze die Schule erreichen würden, wurden wir geweckt. Dann war es also soweit, wir fuhren den Parkplatz der Schule an und vom Fenster aus konnte ich meinen Vater bereits in seinem Auto auf mich warten sehen. Ich hatte plötzlich einen Kloß im Hals, als ich Jonas ansah und hätte auf der Stelle losflennen können. Ich zog die Gardine vor das Fenster, um uns vor möglichen neugierigen Blicken zu schützen. Jonas und ich ließen uns anschließend mit Absicht viel Zeit, um die letzten im Bus zu sein. Als wir uns sicher waren, das wir alleine sind, küssten wir uns nochmal zum Abschied und hatten beide Tränen in den Augen.

“Sehen wir uns dieses Wochenende nochmal”, fragte Jonas mit brüchiger Stimme.

“Ich weiß nicht, ich versuche es, ok”, gab ich mit ebenfalls brüchiger Stimme zurück.

“Wir müssen gehen, mein Vater wartet.”

“Ja, ich weiß. Ich werde auf dich warten, hörst du? Ich gebe dich nicht auf. Ich liebe dich.”

“Ja, ich liebe dich auch.”

Dann war es leider um meine Selbstbeherrschung geschehen und die Tränen liefen bei mir, aber Jonas ging es auch nicht anders. Bevor es noch schlimmer wurde lösten wir uns voneinander und verließen den Bus. Wir gingen zum Laderaum des Busses und nahmen unsere Gepäckstücke in Empfang. Dort verabschiedeten wir uns auch noch von Marie und Marcel, die auf uns gewartet hatten.Danach trennten sich unsere Wege. Ich machte mich auf den Weg zum Auto meines Vaters und Jonas zu dem seiner Mutter. Seine Mutter stieg aus dem Auto und umarmte ihren Sohn liebevoll. Nachdem sie sich voneinander gelöst hatten, erkannte sie mich und winkte mir freundlich zu. Ich winkte zurück und wünschte mir nichts sehnlicher, als auch mit ihr mitzufahren. Ich wurde durch die Hupe meines Vaters aus meinem Träumen gerissen und beeilte mich zum Auto zu kommen.

Lesemodus deaktivieren (?)