zur Desktop-Ansicht wechseln. zur mobilen Ansicht wechseln.

Köttbullar och Kiwi

Ein Nordlicht im Süden

Kapitel III - Ground Zero - Die Bombe platzt

Lesemodus deaktivieren (?)

Informationen

Neuseeland – Waiheke Island – Delamore Drive 122

Donnerstag, 21.01.2016, 09.59 AM

Das nächste Erwachen von Erc ist etwas ‚entspannter‘, die Uhr zeigt 9:59 AM. Sich reckend klettert er aus dem Bett, öffnet die Fenster und dann die Klappläden. Der Blick, der sich ihm bietet, ist einfach nur fantastisch und der Schrecken der letzten Nacht verblasst darüber. Der Anblick der Bucht, etwa 20 Meter unter ihm, ist wirklich atemberaubend. Mit der Sonne im Osten hinter sich, sieht Erc einen fast kreisrunden Wasserkessel mit einer schmalen Öffnung nach Westen. Am fernen Horizont erkennt er deutlich die Skyline von Auckland, gekrönt von der markanten Silhouette eines schlanken, hohen Turms. Wie hatte Trenton diese ‚Klippen-Alternative‘ gestern doch gleich genannt? Ja, richtig, den Sky-Tower! Das Wasser in der Bucht vor Erc schimmert in einem satten Türkisblau und ist gesprenkelt mit den weißen Rümpfen von einem guten Dutzend Segelyachten, die im Schutze der Bucht die Nacht verbracht hatten. Niedrige Vegetation drängt sich über große Bereiche des Ufers hinweg bis an das Wasser, doch es gibt auch Abschnitte am Südufer, die leicht felsig sind und fast schon kleine Klippen bilden. Linker Hand kann der junge Schwede die Fährstation erkennen, an der er wohl am Abend vorher schlafend die Insel erreicht haben dürfte. Am Nordrand der traumhaften Bucht erstreckt sich eine kleine Wiese mit vorgelagerten, schmalen Sandstreifen bis unmittelbar an das Wasser. Dort erblickt er ein kleines Haus mit roten Wänden und weißen Fensterrahmen. Ein warmer Schauer überkommt ihn: Fallun röd och vitt, die typischen Farben der Häuser seiner fernen Heimat. Das Wetter ist sagenhaft, und die Möwen kreischen, während sie ihre weiten Kreise über der Bucht ziehen, auf der Suche nach etwas Fressbaren. Bevor er aber seine Sachen zusammenrafft, um in das Bad zu gehen, nimmt er sich noch ein wenig Zeit für eine Runde Schattenboxen. Ein wenig zusätzliche Entspannung kann sicherlich nicht schaden!

Das Erlebnis der vergangenen Nacht zieht jedoch immer wieder vor seinem geistigen Auge vorbei. Allerdings ist es nicht die Tatsache, dass er halbnackt und mit einem Ständer vor Trenton stand oder diese dämliche Rüstung umgerannt hatte, was seine Gedanken beschäftigt. Vielmehr ist es Trentons Verhalten nach diesem ‚Unfall‘. Er hatte ihn in den Arm genommen und gemeint das es nicht schlimm sei. Es war Erc nicht unangenehm gewesen, allerdings war dies keine Reaktion, die man von jemanden erwarten würde, den man nur ein paar Stunden kannte. Auch viele von Trenton, über den Tag, fallengelassenen Kommentare sowie einige seiner Reaktionen, hatten Erc schon manchmal stutzig gemacht. Er mochte Trenton und fühlte sich in seiner Gegenwart auch sehr wohl, aber so ganz geheuer war ihm das Verhalten des Kiwis nicht. Der Gedanke, dass Trenton auf Männer stehen könnte, lässt sich nicht so einfach verdrängen. Nicht dass er damit ein Problem hätte, aber er befürchtet mögliche Komplikationen. Er hatte schon das Gefühl, dass der Mann ihn ziemlich gut ‚leiden‘ kann. Daher beschließt er, ihn bald danach zu fragen, auch auf die Gefahr hin, dass er sich vielleicht blamieren könnte. Was nach der Rüstungsaktion eh schon schwierig zu toppen gewesen wäre. Verführerischer Kaffeeduft holt Erc in die Wirklichkeit zurück. Sein Magen gibt auch schon wieder Geräusche von sich.

Verantwortlich für Erc‘s Geruchserlebnis, in das sich nun auch der leckere Duft von frisch gebackenen Brötchen mischt, ist Trenton, der in der Küche steht und das Frühstück zubereitet. Küche? Naja. Es ist vielmehr ein Seitenbereich des riesigen Wohn- und Esszimmers, aus dem ein breites Panoramafenster mit vorgelagerter Terrasse den gleichen, atemberaubenden Blick eröffnet, wie ihn Erc schon aus seinem Zimmer genießen konnte. Trenton ist barfuß, trägt knielange Shorts und ein offenes Hawaiihemd. Um seinen Hals trägt er ein dünnes Lederband mit einem gefassten Stein vor seiner gebräunten Brust. Offensichtlich ist es ein Schmuckstück maorischen Ursprungs. Vergnügt summt der Surfer vor sich hin, als er sorgfältig Marmelade, Honig, Müslimischung, Milch und ähnliches Frühstückszubehör auf dem Tisch arrangiert. Der junge Mann scheint exzellente Laune zu haben, und als Erc den Raum betritt, lächelt er ihm freundlich zu. "Guten Morgen, Herr Wikinger. Na? Ausgeschlafen? Ich habe Brötchen gemacht, ich hoffe, die sind so ähnlich wie die, die du von zu Hause kennst. Setzt dich doch."

"Guten Morgen, Mr. Kiwi. Ja, ich denke schon... Oh, sehr nett von Dir. Ähm, ich habe die Handtücher benutzt, die auf der Anrichte lagen, ich hoffe, das war in Ordnung?" Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu, "Also, dass mit der Panne heute Nacht tut mir leid! Hast du wieder alles richten können?" Etwas unsicher setzt sich Erc auf den Platz, an dem Trenton gerade mit einladender Geste einen Becher mit dampfenden Kaffee füllt. Dankend nickt der Schwede. „Das sieht toll aus und riecht auch total lecker, wie lange bist du denn schon auf?“

Trenton lächelt verschmitzt. "Heey, Erc, entspann dich. Ist doch nix passiert. Glaub mir, du bist nicht der erste, der ‚Onkel Simon‘ umgerannt hat. Ich habe meinen Onkel schon so oft vorgeschlagen, ihn woanders hinzustellen, aber er meinte nur, das müsse so sein, wegen dem „Feng Shui“ und so, naja. Du weißt ja jetzt, wo er rumhängt, und soweit ich weiß ist er der einzige in diesem Haus." Trenton lacht hell auf. "Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob ich schon in allen Zimmern in diesem Haus gewesen bin." Trenton versprüht eine ansteckend gute Laune. "Also mach dich locker, und fühle dich wie zu Hause, okay? Ich bin so etwa seit zwei Stunden wach, bin auch schon eine Runde gelaufen." Er zwinkert Erc vergnügt zu.

Das Augenzwinkern mit einem schüchternen Lächeln quittierend, greift Erc nach einem der warmen und knusprigen Brötchen. Er hat noch mehr auf dem Herzen, zögert jedoch noch, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Trenton bleibt nicht verborgen, dass Erc irgendetwas sehr zu beschäftigen scheint. Selber bestens gelaunt, nimmt er einen Löffel voll von seinem Früchtemüsli und beobachtet seinen Gast aufmerksam. Nach einer Weile hebt er die Brauen und fragt "Hey, alles klar? Du siehst so…, grübelnd aus. Stimmt was nicht?"

Erc schüttelt den Kopf, während er dem Brötchen mit der Klinge seines Frühstücksmessers üble Dinge antut. "Es ist nichts, ich bin nur…, etwas verwirrt.“ Mit sich ringend fährt er fort. „Hmm…, darf ich dich etwas fragen? Etwas sehr per... persönliches?" Dabei blickt er auf das leidende Hefegebäck und meidet Trentons Blick.

"Na klar, nur zu. Was möchtest du wissen?" Trenton mustert erstaunt die Einzelteile des Brötchens, dann legt er den Löffel beiseite und sucht Blickkontakt mit den grünen Augen seines Gegenübers. Er ist jetzt sehr gespannt, was der Schwede von ihm wissen will. Als dieser noch immer zögert, meint der Kiwi trocken. „Du weißt schon, dass wir die Kernspaltung in Neuseeland seit 1984 abgeschafft haben?“

Tatsächlich ist es Erc mittlerweile gelungen, das Brötchen nahezu komplett in seine Atome zu zerlegen. Erstaunt hebt der vielversprechende Amateur-Kernphysiker den Kopf. „Kernspaltung? Was..., was meinst du?“ Irritiert blickt er jetzt zu Trenton auf. Nachdem ihn dieser weiterhin mit hochgezogenen Augenbrauen ansieht, seufzt er, gibt sich einen Ruck und setzt erneut, aber wieder mit gesenktem Blick, an. Er atmet tief durch. "Nun, also..." Und doch bricht er den Satz ab, bevor er ihn richtig begann.

"Hmmm? Na komm, lass es doch einfach raus!" Trenton neigt den Kopf etwas, um Erc's schüchternen, auf die Tischdecke gerichteten Blick zu folgen.

"Okay…, Trenton, bist Du…, schwul?" Mit dem unvermeidlich geröteten Gesicht blickt Erc den Gefragten nun doch noch in die Augen.

Trenton's Mund lächelt zwar noch, aber dieses Lächeln erreicht nicht mehr seinen braunen Augen. Vielmehr spiegeln diese eine ganze Reihe von teils recht widersprüchlichen Empfindungen wider: Erschrecken, Scham, Zuneigung, Hoffnung, Angst und Wehmut… Es ist eine echte emotionale Achterbahnfahrt, die Trentons Gefühlswelt in diesem Moment reichlich durcheinanderwirbelt. Sein Herzschlag rast, er atmet schneller und sein Mund fühlt sich auf einmal furchtbar trocken an. Unbewusst umkrampft er seinen Müslilöffel, seine Knöchel treten dabei auffallend weiß unter der gebräunten Haut hervor. Dann löst bestimmte Entschlossenheit die Wehmut seines Blickes ab und er sagt: "Ja."

Kaum merklich verzieht Erc schmerzhaft das Gesicht. Er spürt deutlich den inneren Kampf, die innere Zerrissenheit, ja die Verletzlichkeit des Kiwis in diesem Moment. Das ‚Ja‘ kommt klar und deutlich, für Erc schon fast ein wenig aggressiv. Sollte dieser Ton eine Art emotionaler Schutzschild für Trenton sein? Es könnte aber auch Einbildung gewesen sein. Er wollte Trenton nicht verletzen, aber die Frage war gestellt. Ein Zurück gab es nicht. Was bedeutete das ‚Ja‘ nun für ihn? Er würde kein Problem mit Trenton‘s Schwulsein haben. Allerdings hatte er ein ungutes Gefühl, wenn er daran dachte, was dessen Verhalten ihm gegenüber zu bedeuten haben könnte. Was, wenn der junge Mann sich bei ihm Hoffnungen machte? Trentons Blick erwidernd, schauen sie sich scheinbar eine Ewigkeit in die Augen.

Trenton forscht in Erc‘s Blick nach dessen Reaktion. Nach einer etwas längeren Pause fragt er dann zögernd. "Ist das..., ein Problem für dich?"

Auf die Frage hin, macht Erc große Augen und schüttelt heftig den Kopf. "Was…? Das du schwul bist? Warum sollte DAS ein Problem für mich sein? Nein, Blödsinn, ist es nicht, wie kommst Du denn auf das schmale Brett?" Erc schaut Trenton fast etwas entsetzt an. Der vergangene Tag zieht nochmals an Erc´s geistigem Auge vorbei. Vieles wird ihm nun schlagartig klarer: Der Grund für Trenton‘s Aufenthalt in Schweden, die vielen merkwürdigen Bemerkungen oder ‚zufälligen‘ (?) Berührungen. Eben genau deshalb könnte es aber vielleicht noch ein Problem für sie beide werden. Nicht ahnend, wie sich das Ganze weiterentwickelt, greift Erc unsicher nach seinem Kaffee.

Des Kiwis Blick scheint entspannter, ja sogar etwas erleichtert zu sein. Er schaut Erc eine Weile nachdenklich an, wobei sich sein Herzschlag wieder etwas beruhigt. "Wow... Ich habe nicht viele Jungs kennengelernt, die wie du reagierten. Die meisten..." Schmerzhafte Erinnerungen lassen den Satz unvollendet, und er schaut hinab auf sein Müsli. Dann hebt er den Blick wieder und stellt mit zitternder Stimme die unvermeidliche Gegenfrage: "Und du? Bist du es auch?"

Erc lässt das Gesagte auf sich wirken. Die Hoffnung in Trenton‘s Worten ist fast greifbar und Erc fühlt sich mies. Mies, weil er den jungen Mann mit seiner Antwort sicher nicht glücklicher machen wird.

"Du willst wissen, ob ich auch schwul bin? Nun, nein, das bin ich nicht." Er studiert Trenton´s Gesichtszüge und sagt nach einer Weile: "Ist das jetzt ein Problem für Dich?" Fast hat er Angst vor der Antwort, denn er meint vage die Antwort und deren Tragweite zu erahnen.

Trenton schließt nach Erc´s Antwort schlagartig die Augen und lässt sie auch eine Zeitlang geschlossen, während er seine Lippen fest zusammenpresst. Sie zittern etwas. Sein Atem geht wieder heftiger, als er versucht, sein inneres Gleichgewicht wieder zu finden. Seine Schultern sinken herab, und er wirkt trotz seiner sonnengebräunten Haut merkwürdig blass im Gesicht. Als er die Augen wieder öffnet, rinnt eine Träne über seine linke Wage. "Ich..., ich, ..., ich fürchte... ja, ich fürchte, dass..., es das ist." Seine Stimme versagt, und er wendet seinen Blick wieder nach unten, auf das totlangweilige Müsli. Ihm scheint die Welt um ihn herum deutlich dunkler geworden zu sein.

Erc blickt mit schmerzlich verzogenem Gesicht auf Trenton vor ihm am Tisch. Mit belegter Stimme und einem dicken Kloß im Hals, erwidert er nach einer Weile kaum hörbar: "Dann..., dann ist es wohl besser, wenn ich jetzt gehe." Er erhebt sich langsam von seinem Platz, hält inne und sagt mit glasigen Augen: "Es tut mir leid Trenton... Ich freue mich, dass ich dich kennenlernen durfte. Du…, du bist ein toller Kerl und …, danke für deine Hilfe. Ich suche gerade noch meine Sachen zusammen und dann…, verschwinde ich." Mit diesen Worten wendet er sich ab und verlässt den Raum.

Trenton vergräbt das Gesicht in den Händen und versucht, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken, mehr oder weniger erfolglos. Er hört Erc's Worte, hört, wie der Junge den Raum verlässt, um seine Sachen zu packen. Ihm wird bewusst, dass Erc ihn wirklich verlässt. In seinem Gedächtnis hallen immer drei Worte wider: "Dann verschwinde ich. Dann verschwinde ich. Dann verschwinde ich.“ Diese Worte lösen einen undefinierbaren Schmerz in Trenton aus. Okay, er kannte den Schweden seit noch nicht mal 24 Stunden... Aber das anfängliche Gefühl des lediglichen Begehrens war inzwischen einer anderen, tieferen Empfindung gewichen. Und ihm war mittlerweile auch klar, wann dies geschah: Am Sunset-Beach, als er das ausgelassene, fröhliche Treiben des Jungen am Strand sah, seine Unbekümmertheit. Und jetzt sollte er nie wieder das Lächeln dieser Lippen, das Strahlen dieser hellen, grünen Augen sehen sollen? Nein, das durfte nicht sein! Außerdem hatte Erc seine Antwort auf dessen Frage wohlmöglich völlig falsch gedeutet. Er steht auf und folgt dem jungen Mann.

Als sich langsam die Tür öffnet, sucht Erc gerade seine Sachen zusammen. Trenton steht mit geröteten Augen im Rahmen.

"Erc, bitte ..., bleib." Trenton sieht ihn flehend an.

Erc lässt seine Arme sinken, eine ganze Weile stehen sie sich gegenüber. Dann geht der Schwede langsam auf den Kiwi zu, nimmt dessen Hände in die seinen und legt sie sich auf die Brust. Mit leiser Stimme sagt er in die Stille: "Auch, wenn ich deine Gefühle nicht im gleichen Maße erwidern kann: Würde dir meine Freundschaft dennoch etwas bedeuten?" Er blickt Trenton tief in die Augen, sein Griff ist fest. Für Trenton scheint die Zeit stillzustehen. Der Blick dieser Augen, die sanfte Berührung, die Wärme von Erc's Körper, das lebendige Gefühl des schlagenden Herzens in Erc's Brust: Er schaut abermals in diese wundervollen, klaren Augen und verliert sich in ihnen. Mühsam unterdrückt er den sehnlichen Wunsch, diesen jungen Mann zu umarmen, ihn zu küssen, und an sich zu drücken. Seine Stimme ist nicht viel mehr als ein heiseres Krächzen, als er sagt: "Ja Erc..., das würde sie. Sehr sogar. Es würde mich... sehr glücklich machen."

Erc zieht Trenton zu sich, nimmt dessen Kopf in die Hände, führt sein Gesicht an das seine und küsst den jungen Mann auf die Stirn und, zu guter Letzt, nach kurzem Zögern, auch auf seinen Mund. Dann legt er die Arme um ihn und drückt ihn fest an sich. Er bereut es sofort, Trenton geküsst zu haben, er kann die Verwirrung des Kiwi‘s regelrecht spüren. Nun, jetzt war es eben zu spät. Nach einer Weile löst er die Umarmung und schiebt Trenton sachte von sich. Er schaut ihm in die Augen, lächelt unsicher und fragt leise. "Und, ist es jetzt vielleicht ein wenig besser?"

Trenton ist wie in Trance. Die Berührung durch Erc's weiche Lippen, der Geruch seines Körpers, der feste Druck seiner Arme... All das waren Schätze für Trenton's Erinnerungen, die er nie wieder vergessen würde. Als Erc die Umarmung löst, schlägt sein Herz wild und er hat so einen dicken Kloß im Hals, dass er nicht antworten kann. Daher begnügt er sich mit einem leichten Nicken, begleitet von einem wehmütigen Lächeln, das der Gewissheit entspringt, dass sich dieser Moment nie wiederholen würde. Er räuspert sich, und fragt Erc traurig: "Und..., willst du immer noch gehen?"

Erc schaut erstaunt. Dann grinst er Trenton frech an. "Das würde dir so passen, was??? Nein, mein Junge, DU bist mein New Zealand Guide, das hast du selbst so rumposaunt! So einfach wirst du mich nicht los." Er schnippt Trenton eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Und jetzt gehen wir zurück zum Frühstück, okay? Ich habe immer noch megamäßigen Hunger." Er zwinkert Trenton zu. "Außerdem haben wir heute auch noch viel vor!"

"Ja?!" Trenton ist wahnsinnig erleichtert! "Yeah, Kiwiland will dich kennen lernen! Lassen wir es nur bis nach dem Frühstück warten! Komm, du schöner Mann!" Dann schlingt er seinen rechten Arm um Erc's Schulter, greift mit seinem linken von hinten in dessen Kniekehle und hebt ihn hoch. Vorsichtig trägt er ihn zurück zum Frühstückstisch, wobei er ihn fortwährend anlächelt.

"Uuuuups", Erc kreischt erschrocken auf, als Trenton ihn auf den Arm nimmt und zurück zum Frühstück trägt, „Ähm, Du bist mein Guide, Trenton, nicht mein Sklave, der mich auf Händen tragen soll." Als Trenton ihn am Tisch wieder absetzt, hat Erc schon leise Zweifel, ob er die Sache mit dem Kuss nicht unnötig verkompliziert hatte. Aber der junge Neuseeländer wirkte so verloren und verzweifelt, da wollte er ihn einfach trösten und ihm eben auch etwas ... ja, Wärme geben.

Trenton bringt seine Schauspielerkunst zum Tragen, als er übertrieben theatralisch vor Erc auf die Knie sinkt und ebenso meint: "Oh, Ihr Herrscher meines Herzens, lasst mich Euer Diener sein, Euer Untertan, Euer Sklave. Allzeit und immerdar möchte ich treu in Euren Diensten stehen, in guten, wie in bösen Zeiten. Und möge einst ein böser Drache mir Euren Liebreiz rauben, so werde ich nicht eher ruhen wollen, ehe ich Euch nicht der widerlichen Bestie Krallen entrissen habe, oder ich durch diese Queste nach Walhalla heimkehren werde!" Während seiner ganzen Rede kniet Trenton vor Erc, hat die rechte Hand zum Schwur auf seine Brust gelegt und den linken Arm zu Erc ausgestreckt.

Entgeistert schaut dieser auf den vor ihm knienden Trenton. Er greift nach dessen Kaffeebecher und schnuppert daran. "Was, um Gotteswillen, hast Du in diesen Kaffee gemischt, Trenton?" Während er noch kichernd den Kopf schüttelt, ist aus dem Nachbarraum das deutliche Klingeln eines Telefons zu hören.

"Keine Sorge, der Kaffee ist völlig in Ordnung." grinst Trenton. "Greif zu!" Er erhebt sich und setzt sich auch wieder an den Tisch, um sich über das total leckere Früchtemüsli herzumachen. Das Telefongeklingel ignoriert er so lange, bis der Anrufbeantworter sich einschaltet. Man hört seine Stimme: "Hi, hier ist Tren. Bin wieder auf Achse oder auf den Wellen, also hinterlasst mir ‘ne Nachricht, ihr wisst ja, wie das geht. PIEEEP."

"Hey Trennylein, na, haste das Nordlicht schon zum Glühen gebracht? Lass keine Schweinerei aus, sag‘ ich dir! Ich will ..., ich muss ALLES wissen!!! Dieser blonde Gott, den du mir da geschickt hast, Mann..., ich musste mir gestern darauf erst mal einen von der Palme wedeln. Sag, was treibt ihr heute so? Ihr werdet ja nicht nur im Bett rumlümmeln, oder? Melde Dich doch, vielleicht können wir was zu dritt machen! *schnauf* " Der AB verstummt.

Eine merkwürdige Stille breitet sich aus. Erc legt den Kopf schief und schaut Trenton fragend an. Dabei sind seine Augenbrauen zu einem Balken zusammengeschoben.

"Jag väntar på dess motivering!", sagt Erc leise und blickt den langsam errötenden Trenton abschätzend an.

Trenton verschluckt sich an seinem Müsli. Er hustet und keucht, bis er den Krümel, der die falsche Abfahrt genommen hatte, wieder auf die richtige Bahn gebracht hat. Seine Birne ist jetzt puterrot, nicht nur vom Husten. Er hat Erc soweit verstanden, dass dieser nun eine Erklärung für den Inhalt des Anrufes erwartet.

‚O M G, MARC! Irgendwann werde ich dich noch... ‘ ‚ denkt er sich. Er wagt es kaum, in Erc's Augen zu schauen. Dann versucht er sich zu rechtfertigen. "Ääähm..., das war, ähm, ..., Marc. Sorry..., er hat manchmal ‘ne richtige dreckige Fantasie, und..., ähm..., kann echt nervig sein. Sein Vater ist Anwalt, daher habe ich ihn am Flughafen angerufen, als du bei den Cops warst... Das war wohl ein Fehler..., sorry, tut mir leid, ich..., ääähm ...." Trenton reibt sich verlegen das Kinn. "Er wollte unbedingt mehr über dich wissen, und da habe ich ihm ein Foto von dir am Sunset Beach geschickt. Keine Angst, nix Gewagtes, schau hier." Als Beweis hält Trenton Erc sein Handy hin, nachdem er die gesendete Nachricht geöffnet hat, deren Empfänger mit "Mark 'Nervling' Webster" betitelt ist. Man kann das Bild mit Erc's halben Torso deutlich erkennen. "Tut mir leid..., ehrlich." Trenton sieht aus wie ein begossener Pudel. Dann murmelt er kleinlaut: "Das einzige, was man Marc zu Gute halten kann, ist, dass er einen wahnsinnig guten Geschmack hat..."

Erc nickt gewichtig. "Marc? Der Fotograf?“

"Ja, genau der.", nickt Trenton zerknirscht. "Wie ich ihn kenne, wird er bestimmt noch heute Nachmittag hier auftauchen. Ich muss dich warnen, er ist..., etwas..., ähm, …, exzentrisch? Und öfters auch schon mal direkt. SEHR direkt, wenn du mich verstehst. Aber er bellt mehr, als dass er beißt."

Trenton schaut Erc unsicher an. Wie wird er reagieren? Shit, dabei lief bis jetzt wieder alles so gut, nach der Bombe von vorhin. Aaahhrgh, Marc, irgendwann bis du fällig, dass schwör ich dir...!

"Trenton, ich muss Dich eindringlich darum bitten..., solche Aktionen in Zukunft zu unterlassen, ist das klar!?" Erc´s Ton hat eine pikante Schärfe.

"Ja... Tut mir leid..., kommt nicht wieder vor. Ehrenwort!" Trenton ist sichtlich geknickt.

"Gut so! Ich habe nämlich so überhaupt keine Lust...", er schaut böse auf Trenton.

Der wirft Erc einen furchtsamen Blick zu. Was kommt jetzt?

"... das mir halb Neuseeland sabbernd hinterher hechelt und ich dann so gar keine Zeit mehr für meinen besten neuen Freund hier habe! Hast Du das verstanden?“, fragt er streng.

Trenton schaut Erc erstaunt an. Dass er keine Zeit mehr für ihn hat? Seinen BESTEN Freund? Sehr durcheinander und zögernd nickt er Erc zu. Dann kapiert er endlich, dass Erc ihn gerade total verscheißert hat und er beginnt, wieder breit zu grinsen. „Ja…, ich glaube schon. Hab’s kapiert.“

"Gut, da wir das jetzt geklärt hätten, können wir zur Tagesordnung übergehen." Er lacht fröhlich. "Auf diesen Marc bin ich echt gespannt, das ist bestimmt ein ‚interessanter‘ Charakter... Du sagtest, er hat mal Judo gemacht? Vielleicht frage ich ihn, ob er mal mit mir auf die Matte will?!" Erc schaut gespielt lüstern durch halb geschlossene Augen auf Trenton. "Was meinst du?"

Trenton stellt sich die Situation vor: So, wie Erc sie gemeint hat, so, wie er selbst sie verstanden hat, und so, wie Marc sie sich garantiert vorstellen würde. Dann schmunzelt er, auch dadurch erleichtert, dass Erc wieder lacht. Bei dem Blick, den ihm dieser zuwirft, wird ihm richtig warm ums Herz, und er grinst: "Tja... Oh ja, das ist er. Und wenn du ihn wirklich danach fragst: Ich habe dich gewarnt, mach mir also später bitte keine Vorwürfe. Ich denke, dass er nicht vor fünf Uhr hier aufkreuzen wird. Nutzen wir also diese Gnadenfrist so lange, wie es geht.“

"Keine Angst ich kann mich verteidigen, wenn er mir also zu aufdringlich wird...“

Trenton trommelt unternehmungslustig mit den Handflächen einen Wirbel auf den Tisch. "Also gut! Was wollen wir machen? Hast du deinen Jetlag schon durch? Wenn nein, könnten wir ein bisschen am Pool entspannen und sonnenbaden. DAS hast du ja auch bitter nötig. Ansonsten... wir könnten auch hier auf der Insel noch ein paar Klamotten kaufen, oder was du sonst noch brauchst. Oder einen Rundgang in der Nähe hier? Wie schaut's aus?"

„Nun, der Jetlag ist eigentlich so gut wie weg. Aber ich würde müsste ja nochmal zum Flughafen und dann würde ich in der Stadt gerne ein paar Dinge kaufen. Ich bin ja völlig abgebrannt und brauche wieder neuen Kram, mit dem ich mich identifizieren kann. ‚Wenn ich konsumiere, bin ich!‘, so sagt man doch, oder? Außerdem muss ich mir doch noch was Schickes für Deinen Marc kaufen, nicht?!" Er klimpert mit den Wimpern.

"Oooch..., ich vermute, den größten Gefallen würdest du Marc tun, wenn du überhaupt nichts anhast.", grinst Trenton breit und zwinkert Erc frivol zu. "Also gut! Nächster Halt: Auckland International Airport. Danach führt diese Linie weiter nach Downtown. Ausstieg am nächsten Halt: In Fahrtrichtung links!" So, wie er es betont, könnte er alle Bus- und Bahn-Ansagerinnen der Welt in die Arbeitslosigkeit katapultieren. "Na, dann komm, schöner Jüngling. Lass uns Marc bis zum Herzinfarkt begeistern."

"Prima, dann hole ich schnell meinen Rucksack aus dem Zimmer und dann können wir meinetwegen los."

Gesagt, getan, so dauert es nicht mehr lange bis die zwei an der Reling einer Fähre nach Auckland stehen, sich den Wind um die Nasen wehen lassen und die Sonne genießen. Erc schaut hinüber zur Stadt, dann blickt er zu Trenton und beobachtet, wie dieser wiederum die Gischt am Bug beobachtet.

"Sag‘ mal, Tren, darf ich dich wegen deiner ‚sexuellen Neigung‘ etwas fragen?" Er schaut unschuldig drein.

Trenton stutzt etwas. Nach Erlaubnis für eine Frage bezüglich dieses Themas hat ihn noch nie zuvor jemand gebeten. Er löst seinen Blick von der Buggischt und schaut zu Erc, dabei lächelt er ihn an. Da sie alleine am Bug stehen, sagt er: "Na klar, immer, nur zu. Was willst du wissen?"

"In Schweden, wie war es da für dich damals? Ich meine, hattest du schon..., na ja, ich meine hattest du vor Schweden schon mal was mit einem Jungen?"

"Tja, ... seltsam, dass du danach fragst. Ähm. Ja, ich hatte mal was mit einem Schulkameraden. Wir wohnten damals noch in Christchurch, auf der Südinsel. Ich dachte, es wäre was Ernstes, von beiden Seiten aus. Aber..., hm, blöde Geschichte. Ich war damals gerade sechzehn geworden und in die High School gekommen. So nach zwei, drei Monaten lernte ich dort Timothy Evans kennen. Er..., gefiel mir sehr. Er hatte so ungefähr deine Figur, jedoch schwarzes Haar und rehbraune Augen. Echt süß, der Junge." Trenton seufzt. "Naja, was soll ich sagen? Wir haben uns einige Male getroffen, zusammen rumgeknutscht, gestreichelt und so Sachen. Mein erstes Mal, damals, und es war wunderschön. Zumindest für mich. Aber nach der Nacht, in der wir so..., so richtig zusammen waren, ..., mit allem dran und drin, wenn du mich verstehst..., da wurde ich nach der Schule von einer Bande von etwa acht Jungs aufgelauert, darunter auch Tim. Naja... sie verprügelten mich, traten mir in die Eier, nannten mich ‚Schwucke‘, ‚verdammter Arschficker‘, ‚dreckiger Schwanzlutscher‘ und so weiter. Und Tim war mit einer der schlimmsten. Sie hatten mir eine Falle gestellt, und ich Depp bin voll hineingetappt. Naja, meine Eltern haben mir meine Story von einem ‚Sportunfall‘ natürlich nicht geglaubt, und mir so lange zugesetzt, bis ich ihnen die Wahrheit sagte. Nicht, dass sie mir wegen meines Schwulseins böse gewesen wären, nein, das kann ich nicht sagen. Bei meinem Vater hatte ich allerdings immer so ein wenig das Gefühl, als wäre er von mir enttäuscht, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Rechtlich konnten wir nichts machen, da ich keinen Zeugen hatte, der meine Version hätte bestätigen können. Die Väter von zwei der Jungs waren auch sehr gute Großkunden von meinem Vater. Jedenfalls machte ich mir selbst Vorwürfe, dass ich ‚anders‘ bin als die anderen, ‚normalen‘, ‚echten‘ Jungs.“ Trenton schweigt einen Moment, als in ihm die Erinnerungen wieder aufsteigen. Er atmet tief durch und fährt dann fort. „Damals wollte ich nicht mehr leben, und ich nahm Tabletten. Zum Glück fand mich meine Mutter rechtzeitig genug. Tja, und dann beschlossen meine Eltern, dass es besser für mich sei, einige Zeit im Ausland zu verbringen." Trenton dreht sich um und schaut zur Brücke des Schiffes hinauf. Sein Blick ist traurig und doch irgendwie leer. Eine warme Windböe weht ihm ein paar dunkelblonde Strähnen in das Gesicht. Dann fährt er fort. "In einem Land, das mit dem Thema deutlich gesünder umgeht, als wir hier. Klar, dass die erste Wahl dafür Schweden war. Dumm nur, dass ich kein Wort Schwedisch konnte, daher ging's an die Britisch International School of Stockholm. Und parallel dazu kam ich in eine Therapie. Hat mir alles sehr gut getan, damals."

Erc lauscht angespannt Trenton‘s Ausführungen. Während der Erzählung wechselt seine Mimik öfter von anfangs belustigt bis erschrocken und dann nach böse, gar zornig. "Oh shit, das tut mir leid, nicht gerade eines DER ersten Male, über die man später auch mal lachen kann.“ Er legt den Arm auf Trenton‘s Schulter und zieht ihn zu sich. "Ich bin froh, dass du damals keinen Erfolg hattest ..., mit den Tabletten meine ich natürlich.“ Er massiert Trenton‘s Schulter mit der einen Hand und blickt auf einen nicht vorhandenen Punkt am Horizont.

Trenton ist erstaunt über Erc's Reaktion. Nicht das Gesagte, sondern vielmehr seine Geste. Zögernd legt er seinen Kopf an den von Erc und betrachtet mit diesem zusammen den nicht vorhandenen Punkt am Horizont. Dann fragt er: "Und bei dir? Wie war dein erstes Mal?"

Erc schmunzelt. „Von WELCHEM willst du denn wissen?" Er blickt schief auf Trenton.

"Öhm... Von welchem? Ähm..., oh! Oooh! Du meinst..., du meinst..., du hast auch..., schon mal mit einem ...?" Trenton wagt nicht, den Satz zu Ende zu stammeln.

"Nun, nicht direkt, aber es war dennoch eine ziemlich abgefahrene, ‚interessante‘ Geschichte. Ich war damals auch sechzehn, wie mein bester Freund Kalle. Der wohnt mit seiner Familie auf dem Land und sie sind mit einer der größten Milchbauern im Umland von Stockholm. Kalle hat einen Bruder, der ist ungefähr zwei Jahre älter als wir, Roger heißt er. Roger machte damals eine Lehre zum Mechatroniker, er ist wirklich talentiert. Er hatte eine kleine Werkstatt am anderen Ende des Hofes, in der er immer wieder irgendetwas zusammenbastelte. So auch an einem Abend, als wir zwei bei ihm vorbeischauten. Roger war aber irgendwie komisch und sagte, wir sollen verschwinden, er habe für eine Prüfung zu lernen. Das war merkwürdig, denn eigentlich war er immer bereit, uns von seinen Projekten zu erzählen und für Prüfungen lernte er so gut wie nie. An diesem einen Abend aber nicht. Das machte Kalle und mich natürlich seeeehr neugierig und wir beschlossen, am nächsten Tag, wenn Roger auf der Arbeit war, ein wenig zu schnüffeln. Praktischerweise hatten Kalle und ich gerade Ferien."

Erc kichert leise vor sich hin. "Manno man, wenn ich gewusst hätte, wohin das ganze führt... Na ja, wir sind also in Rogers Werkstatt geschlichen und haben uns ein wenig umgesehen. Auf der Werkbank stand etwas, das Roger mit einem Stück Plane abgedeckt hatte. Als wie die Plane entfernten, staunten wir nicht schlecht: eine mobile und nagelneue Melkmaschine stand da. Teilweise zerlegt, aber als das, was sie war, zu erkennen. Die Melkbecher waren abgenommen worden und lagen nun in einer Pappschachtel am Boden. Neben der Maschine stand auf dem Tisch ein Satz von sieben größeren, durchsichtigen Melkbechern. Es sah so aus, als ob Roger die Maschine modifizieren würde. Auch ein paar andere Dinge waren ersichtlicher Weise geändert worden. Unsere Neugierde war zwar nicht ganz befriedigt, aber hielt sich jetzt auch in Grenzen. Da wir nicht wirklich weitergehend daran interessiert waren, deckten wir die Maschine wieder ab und gingen.

Am folgenden Wochenende übernachtete ich bei Kalle, seine Eltern wollten auf eine Landwirtschaftsmesse nach Malmö und waren daher schon früh am Morgen losgefahren. Wir hatten also das Wochenende sturmfrei und freuten uns auch darauf. Allerdings machte uns Roger einen Strich durch die Rechnung. Er selber hatte vier seiner Kumpels zu Besuch und meinte, dass wir uns gefälligst in Kalles Zimmer verziehen sollten, während die ‚Männer‘ sich einen schönen Abend machten. Natürlich hatten Kalle und ich nicht wirklich Lust den ganzen Abend und die Nacht im Zimmer zu hocken und nur PC zu spielen oder Musik zu hören. Auch wollten wir wissen, was die anderen Jungs so trieben und warum Roger so ein Geheimnis daraus machte. Du kannst dir sicherlich denken, dass wir Rogers Anweisungen also nicht befolgten. Nein, wir sind heimlich zur Werkstatt geschlichen, wo die Jungs mit großer Wahrscheinlichkeit auf dem Heuboden saßen um, wie wir vermuteten, Alkohol zu trinken. Na ja, ich will es nicht allzu spannend machen, wir erwischten sie dabei, wie sie die Melkmaschine genauestens auf Herz und Nieren testeten. Jedenfalls war uns jetzt klar, warum die Melkbecher größer werden mussten!" Erc sieht Trenton verschwörerisch an und zwinkert ihm zu.

Der bekommt ganz große Augen. Wollte Erc ihn etwa schon wieder verscheißern? Er hatte eine ungefähre Ahnung, wie es vielleicht weitergehen könnte, aber… Oh Mann, was für eine Story! Er ist gespannt auf mehr. „Oookay, die Becher mussten größer sein, weil …?“

Erc beobachtet Trenton´s ungläubigen und Gesichtsausdruck und lacht.

„Es war ein ziemlich heftiger Anblick. Da saßen fünf achtzehnjährige Jungs mit heruntergelassenen Hosen auf Strohballen und schauten einen Porno auf einem tragbaren TV und ließen sich ihre Nudeln von der Melkmaschine bearbeiten. Wie du dir sicher schon denken kannst, haben es Kalle und ich bestens geschafft, nicht unbemerkt zu bleiben. War ein ziemliches ‚Hallo!‘ als wir entdeckt wurden. Roger war stinksauer und wollte uns verprügeln. Zu mindestens hatte er es uns angedroht. Ich glaube zwar, dass es nur ein Bluff gewesen ist, denn Roger ist viel zu nett, als das er für so etwas imstande gewesen wäre. Nach tausend Einschüchterungen und Verwünschungen waren wir soweit. Hoch und heilig versprachen wir, nichts von dem zu erzählen, was wir hier gesehen hatten. Nicht den Eltern von Kalle und Roger oder sonst wem. Na ja, das hätten wir eh nicht, wäre ja viiiiiel zu peinlich gewesen, selbst uns. Nun denn, als wir uns dann endlich trollen wollten, sagte Ole, einer der Freunde von Roger: "Lass sie doch mitmachen, da haben Sie ihren Spaß und verpfeifen uns erst recht nicht. Was meint ihr, ihr Hüpfer?" Dabei grinste er uns scheinbar gespielt lüstern zu. Ein großes Raunen und eine Diskussion setzte ein, ob wir denn nun verschwinden oder mitmachen sollen. Roger fragte dann, ob wir denn überhaupt mitmachen wollten. Kalle und ich sahen uns fast zeitgleich an und nickten eifrig.“

Erc hebt verteidigend die Arme. „Hallo, das war doch mal sowas von cool und abgefahren! Wir also an die freien Becher, Hose auf, Schniedel raus…“ Erc macht eine kurze Pause und schüttelt grinsend den Kopf. „Die im Übrigen mittlerweile schon etwas größer als normal waren. Ehe wir Piep sagen konnten, stülpte Roger mir und seinem Bruder so einen Becher über." Erc beobachtet Trenton, er lacht. "Du glaubst mir nicht, oder?!"

"Keine Ahnung, die Story klingt sooowas von abgefahren, dass sie schon wieder wahr sein könnte. Aber selbst wenn nicht... Schon alleine die Vorstellung ist klasse! Los Mann, erzähl weiter, was passierte dann?", grinst Trenton breit.

„Als sie die Maschine dann wieder in Gang setzten sagte der hinterhältige Ole noch, dass wir aber nach deren Regel spielen müssten. ‚Nur damit das klar ist, ihr Scheißer! Keine Ausnahmen!‘. Kalle und ich nickten heftig, jedoch besann ich mich schnell und fragte nach dem Inhalt dieser ‚Regel‘. Die war kurz, knapp und lautete: ‚Wer zuerst kommt, trinkt aus.‘“

Der junge Schwede schüttelt den Kopf und beißt sich kichernd auf die Lippen, als er Trenton‘s weit aufgerissene Augen bemerkt. "Also um genau zu sein, der erste bekam zwei Drittel, der zweite den Rest. Das war mir jetzt doch etwas heftig, aber kneifen ging nicht mehr, zumal Kalle für uns beide alles absegnete und bereitwillig zustimmte. Danke, Kalle!"

Trenton‘s Mund steht offen, und ungläubig starrt er den Schweden vor sich an. "Eeeey..., du nimmst mich jetzt aber doch auf den Arm, oder? Los, spann mich nicht auf die Folter: Wer kam als erster?"

"Wie, glaubst du, würde es dir gehen?“. Erc schaut beschämt zu Boden, „Und du stehst auf Jungs. Ha, was denkst du? Wenn um Dich herum sechs Jungs sitzen, die Ihre Latten von einer Melkmaschine abgenuckelt bekommen, dazu noch wie irre stöhnen, schnaufen und so ein Becher auch an dir selber hängt, der dir die Eier aus dem Sack saugt, dass du kirre wirst… Nebenbei bemerkt, macht man oder vielmehr ich, so etwas nicht jeden Tag, also mit abgestumpft ist da nix." Erc zieht eine Schnute. "Aber Ole, der Drecksack, war der zweite und es blieb noch genug für ihn über!" Er kichert wieder. "Ich habe den Verdacht, dass er insgeheim ziemlich scharf auf mich war, denn als ich kam, hat er fast zeitgleich abgerotzt. Naja, ist ziemlich schräg gewesen, aber..., ich lach darüber..., jetzt jedenfalls."

Trenton schaut Erc an, erst verblüfft, dann schelmisch. "Wow... Was für eine Story. Oh Mann!“ Er lacht lauthals los. "Oh Mann, oh Mann, die darfst du auf keinem Fall Marc erzählen! Der würde glatt an einem Herzkasper eingehen! Wie cool ist das denn?" Trenton schnappt Erc an der Taille, hebt ihn hoch und wirbelt ihn ein paar Mal im Kreise herum. Dann setzt er ihn wieder behutsam hin. "Ich glaube inzwischen, dass ich damals in der völlig falschen Ecke von Schweden war. 'Heißes Treiben in kalten Nächten!' Was für eine Story! Sowas verrücktes habe ich schon seit langem nicht mehr gehört, einfach klasse!" Trenton's Blick wird etwas nachdenklicher, obwohl er weiter grinst. "Aber..., hat es..., ähm..., ich meine..., wie hast du dich denn dabei..., gefühlt? War es..., schlimm für dich? Ach komm, nein." Trenton macht eine abwehrende Geste. "Entschuldige bitte die Frage, das geht jetzt zu weit." Trotzdem schaut er unverhohlen neugierig zu Erc.

Erc grinst verschwörerisch und lässt seine weißen Zähne aufblitzen. "Also, wenn du die Qualitäten der Melkmaschine meinst? Roger hatte wirklich ein geschicktes Händchen mit ihr. Immerhin die ‚Ausbeute‘ war groß und wenn einer gesagt hätte, das wäre nicht scharf gewesen, hätte er glatt weg gelogen. Was dann die ‚Verkostung‘ anging…, nun ja, ich sage mal, dass mir Erdbeerjoghurt lieber gewesen wäre.“ Erc's Grinsen geht bis zu den Ohren. „Naja, es ging, gibt schlimmeres."

Trenton schaut Erc kurz in die Augen, dann lässt es damit auf sich beruhen. Sein einziger Kommentar hierzu ist nochmals ein bewunderndes "Cool!". Als Trenton wieder in Richtung Auckland schaut sieht er, wie die Schwesterfähre ihnen entgegenkommt. Als diese nur noch etwa 100 Fuß entfernt ist, rührt sich drüben etwas. Eine ‚Person‘ (?) steht irgendwie 'flatternd' auf dem Deck des anderen Schiffes. Sie scheint Erc und Trenton entdeckt zu haben, jedenfalls rudert sie wie verrückt mit den Armen zu den beiden Jungs hinüber und versucht eindeutig, deren Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, was ihr allerdings nicht schwerfällt. Trenton meint nur, "Allmächtiger!", und schlägt sich die rechte Hand vor die Augen. Ein paar Sätze wehen undeutlich herüber: "JUUUHUUUUUU!!! TRENNY!!! Treeentooon, huhuuuu! Ist das da etwa dein süßer Russenschwede? Juuuhuuuu!!!! Oh mein GOTT, oh mein GOTT!!! Der ist ja wirklich allerliebst! Trenton, mein Schätzchen, ich komme nachher um fünf bei dir vorbei... Sei... u Hau... nst.. mme ich n.. iede..." Den Rest dieser 'Konversation' weht ein gnädiger Wind ungehört aufs Meer hinaus. Trenton grinst Erc an. "Nun rate doch mal, wer DAS wohl war? Da wirst du NIEEEE draufkommen!"

Erc erwidert knochentrocken. "Euer Premierminister!?“

Trenton lacht laut auf! "Nee, nee, das muss mindestens unsere Queen sein! Ihre Majestät, Queen Marcia die Erste, hochwohlgeborene Durchlaucht derer von und zu aus dem Hause Webster. Zumindest aus seiner Sicht." Dann lacht er wieder herzhaft und winkt dem anderen Schiff hinterher. "Zumindest nett von ihm, dass er uns vorwarnt."

"Deiner Mimik zu urteilen sollte ich ihm zu Herzkasper verhelfen???" Erc blickt Trenton mit fragendem Blick an.

"Tja, das wird wohl unausweichlich passieren. Vielleicht sollte ich ihm eine Warnungs-SMS zuschicken..." Trenton zwinkert Erc zu.

"Spaß bei Seite, ist der immer SO?“

"Ja, ist er, ist er. Ich hatte dich ja gewarnt. Aber wie gesagt, im Grunde ist er ein anständiger Kerl, auch wenn er erst mal etwas..., ‚schrill‘ erscheint. Vermutlich wird er dir nachher zuerst Küsschen rechts und links geben, dann dir die Haare verwuscheln und möglicherweise einen Klaps auf den Hintern geben. Aber keine Angst, weiter wird er nicht gehen. Körperlich, zumindest. Was das Verbale angeht..., da ist man bei ihm vor keiner Überraschung sicher. Aber er ist auf jeden Fall ein Spitzen-Fotograf, der sein Handwerk versteht. Da macht ihm keiner was vor!"

"Aha, na du machst mir Mut." Immer noch blickt der Schwede der anderen Fähre hinterher. Kommt da nicht Rauch aus der Motorlüftung am Heck? Liegt das Schiff nicht schon viel tiefer im Wasser? Ja geht es nicht gerade mit Mann und Marc unter? Nein wohl nicht, das war wohl nur so eine Art Wunschdenken.

"Na komm, mach nicht so ein Gesicht. Zur Not bin ich auch noch da, und werde ihn bremsen. Aber glaub mir, das wird nicht nötig sein. Schau mal da!" Trenton dreht sich wieder nach Auckland um und dreht Erc dabei mit. "Da ist der Skytower, unser höchstes Gebäude in der Stadt. Da können wir auch mal raufgehen, es gibt ‘ne tolle Aussicht von da oben."

Lesemodus deaktivieren (?)