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Köttbullar och Kiwi

Ein Nordlicht im Süden

Kapitel I - Ein Unglück kommt selten allein

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Informationen

 

Neuseeland - Auckland - International Airport (AKL)

Mittwoch 20.01.2016, 10.12 Uhr AM

Ein blonder, junger Mann um die neunzehn Jahre, steht am „Lost and Found - Schalter“ des AKL. Ihm ist die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Seine Wangen sind stark gerötet und das gerade beendete Gespräch mit der dicken Dame am Schalter scheint seine Knochen in Gummi verwandelt zu haben. Jedenfalls dreht er sich mit hängenden Schultern um, stapft müde und langsam zu einer Aluminiumbank und lässt sich missmutig seufzend darauf fallen. Er blickt mit grimmiger Miene auf sein Smartphone und brummelt unverständlich vor sich hin. Kurz darauf entfährt ihm ein lautes "Jävla skit" und er stopft das Telefon erbost zurück in den zu seinen Füßen stehenden, blauen Rucksack. Etwas hilflos schaut er sich um und irgendwie hat man den Eindruck, dass der junge Mann gleich die Fassung verliert und losheult. Seine Augen sind schon ziemlich glasig. Die dicke Dame vom „Lost and Found“-Schalter ruft ihn zu sich herüber und angespannt lauscht der Blondschopf den Ausführungen der Walküre. Nach einer Weile schreit er laut auf. "Till Sibirien? Ryssland - OMSK?????" Es folgt ein hysterisches Lachen. "Underbar ... jävla skit!" Die Walküre zuckt leicht zusammen und blickt hilflos auf den jungen Mann vor sich. "Willkommen in Auckland, Mr. Eriksson.", lächelt sie schief.

Gleichzeitig schlendert ein sportlicher, braungebrannter "Kiwi" durch die Ankunftshalle des Airports. Lässig lässt er sich in einen der Sessel plumpsen und schaut sich die Reisenden aus aller Welt interessiert an. Ab und zu mal die Luft der großen, weiten Welt zu schnuppern war eine seiner Lieblingsbeschäftigungen, wenn er mal nicht am Strand des Woodhill Forest surfte. Er stutzt: hatte er da eben nicht schwedisch gehört? Auch wenn das Gesagte nicht gerade stubenrein war, aber es war wohl eindeutig schwedisch und gehörte zu seinem, wenn auch stark eingeschränkten, Wortschatz. "Jävla skit!" war eine der ersten Floskeln, die er bei seinem einjährigen Internatsaufenthalt in Stockholm gelernt hatte. Damals war er gerade mal 16. Holy shit, „damals“, das ist gerade mal 6 Jahre her! "Nach Sibirien? Russland?! OMSK???!!! - Na klasse... verdammter Mist!" So könnte man das Gehörte in erster Näherung übersetzen. Suchend schaut er sich nach dem Ursprung seiner Wahrnehmung um. Ob etwa der junge Bengel da drüben am LaF-Schalter…? Na ja, blond genug für einen Schweden ist er ja, auch wenn der Haarschopf und die schlanke Figur bisher das einzige waren, was man von ihm erkennen kann. Hm, anscheinend hat er Probleme mit seinem Gepäck. Gespannt verfolgt der Einheimische die weitere Entwicklung.

"Ich werde mich melden, wenn ich etwas Neues in Erfahrung bringe Mr. Eriksson ... ich kümmere mich darum, versprochen." Die Walküre schaut ihn mitleidig an und der Mann blickt kurz auf den gewaltigen Busen der Frau und taxiert das Namensschild. Er nickt kurz und seufzt: "Jag alskar dig, Ewelyn Steward." Langsam und sichtlich frustriert bahnt er sich den Weg in Richtung des in der Nähe liegenden, in der ganzen Welt bekannten, amerikanischen Frikadellenbruzzlers.

Der Kiwi hört den letzten Satz und zieht amüsiert eine Augenbraue hoch. Tja, was für seltsame Geschmäcker doch manche Leute haben. Breit grinsend schaut er dem Jungen, der nicht älter als er selbst sein dürfte, nach. Hm, immer noch kein Gesicht zu sehen. Na ja, das kann man ja ändern. Er steht auf und schlendert unauffällig lässig hinter dem Blondy her.

Dank der Globalisierung dauert es nicht lange, da hat der Schwede ein auf der ganzen Welt gleich aussehendes, fast gleich schmeckendes Menü auf seinem Tablett. Der Laden ist ziemlich voll, nur neben den Toiletten ist noch ein Tisch frei. Ein wenig anheimelnder Duft liegt in der Luft. Mit einem sarkastisch klingenden "Det går bra." lässt er sich auf den Stuhl fallen.

Der Neuseeländer beobachtet, wie der Typ beim Amerikaner verschwindet. Hm, ausgerechnet da... Na ja, ein Salat hier sollte ihn nicht vergiften, auch wenn dieser genauso viel Nährwert hat, wie ein grünes Papiertaschentuch. Auch ist er bei weitem nicht so eklig, wie die Fett- und Kohlenhydrat-Bomben, die man hier sonst angedreht bekommt. Ah, eine Kasse ist frei, also nichts wie ran. "Ein Chefsalat ohne Dressing und ein Mineralwasser." Während sein "Menü" zusammengestellt wird nutzt der Kiwi die Zeit, um sich nach dem Schwedenbengel umzuschauen. Hm, reichlich voll hier. Ah, da hinten sitzt er ja, und COOOL! Der einzig freie Platz ist an seinem Tisch! Alles klar.

In diesem Moment klingelt das Mobiltelefon im Rucksack des Schwedens. Sich schnell die fettigen Finger an einer Serviette abwischend, puhlt dieser sein Mobiltelefon heraus und nimmt ab. "Hej? ...... yes ... mom.... please? Yes, yes Erc Eriksson." Erbost blickt er auf das Display "Mr. Yogomo .... hello!? MR. YOGOMOOOOO, HELLOOOOOO ..... fuck." Er schaut ratlos auf sein Telefon. "Fuck, fuck, FUCK! Och fan och hans moster passerad! Borta bra men hemma best."

Währenddessen nähert sich der "Stalker" seinem Ziel. Hm, der Junge scheint ziemlich Stress zu haben. Bei WEM wird noch was passieren? Na ja, egal, er wird's schon wissen. "Hi, ist der Platz noch frei?", spricht er den jungen Mann breit lächelnd auf Englisch an. "Stört's dich, wenn ich mich setze?"

Der Gefragte hebt den Kopf und blickt den anderen an. "Förlåt? ..... What do you say?" Dabei fummelt er ungelenk sein Telefon in den Rucksack zurück, stößt an seinen Becher und kippt sich seine Cola light in den Schoß. "Nu räcker det! Fucking day!"

"Hej, fullt så illa är det inte. Kan jag hjälpa dig?", erkundigt sich der Neuseeländer.

Das Missgeschick bringt den Pechvogel auf 180 und das kann man auch sehen. "YESSS .... please KILL me! Shit...."

"Sakta, sakta, pojke." Mangels weiterer schwedischer Vokabeln wechselt der Kiwi zurück ins Englische. "Nichts ist so schlimm, dass man es nicht wieder in den Griff bekommt. Was ist denn das Problem?"

Sich mit einigen Servietten im Schritt herum tupfend schaut er den jungen Mann erstaunt an und antwortet in bester Jaja Bings Manier: "Nicht schlimm? Gepäck in Sibirien, Cola im Schritt und keine Klamotten zum Wechseln!? Wann Ihr glauben dann wir haben schlimm?????!"

Der andere verkneift sich ein Grinsen. "Na ja, zum Beispiel: Keine Klamotten in Sibirien, keinen Wechsel im Gepäck und, äääh, ... ja, Cola im Schritt, das ist wirklich eine Katastrophe. Soll ich dich also sofort hier umbringen oder hat es Zeit bis später?", grinst er ihn an, wobei seine Zähne aufblitzen. "Also, darf ich mich setzen?"

Der junge Skandinavier starrt den Mann vor sich stumm an. Langsam schließt sich sein Mund wieder und ein verschmitztes Lächeln huscht kurz über die hohen Wangen. "Nee, lass mal gut sein... Ich muss ja noch so lange leben, um alle Angestellten bei der „Aussie-Airline“ umbringen zu können. Das könnte etwas länger dauern." Er grinst und streckt seine Hand aus. "Tschuldigung, dass ich dich so angefahren habe, mit mir meint es das Schicksal nicht so gut heute. Ich heiße Erc, Erc Eriksson... wie das Telefon." Er grinst schief und mit der anderen Hand macht er eine einladende Handbewegung in Richtung der trockenen Sitzbank.

Der Kiwi ergreift Erc's schmale Hand mit den langen, feingliedrigen Fingern und erwidert dessen Lächeln. "Schön, dich zu treffen, Erc Erikson. Mein Name ist Trenton Orgmant, aber du kannst ruhig Tren zu mir sagen, wenn du willst." Trenton setzt sich auf den trockenen Platz und reicht Erc seine eigenen Servietten. "Hier, bevor du dir noch die Blase verkühlst. So so, die Kängurus von hinterm Meer haben also dein Gepäck verschlampt und nach Sibirien geschafft, was? Hm, das ist ärgerlich. Und was machst du jetzt?"

Erc betupft mit den trockenen Servietten weiter seinen Schritt. "Ahh, danke dir Trenton." Mit triefendem Sarkasmus fährt er fort: "Nun, ich werde mir einen Kindheitstraum erfüllen und werde mit nassem Hosenschritt durch Auckland flanieren und mich freuen, dass mein ganzes Hab und Gut jetzt in der sibirischen Steppe zum Kauf angeboten wird. Des Weiteren werde ich mich auf all die schönen tollen Dinge freuen, die dieser spitzenmäßige Tag noch so zu bieten hat. Mein Gefühl sagt mir, da kommt es noch knüppeldick!"

Trenton mustert Erc aufmerksam, während dieser spricht und sich "trockenlegt". Strohblondes und verwuscheltes Haar, große grüne und glänzende Augen, hohe Wangen, schön geschwungene Lippen. Ein langer Hals mit hervortretendem Kehlkopf, T-Shirt mit weitem V-Ausschnitt und einer leichten Weste um den Schultern; ein echtes Nordlicht! Trenton nippt an seinem Mineralwasser und stochert lustlos in dem herum, was man hier als "Salat" zu bezeichnen pflegt. "Hm, ja, eine blöde Situation. Wird wohl Zeit, dass du echte Kiwi-Gastfreundschaft kennen lernst. Wenn du magst, dann helfe ich dir gerne."

Erc will gerade antworten als ein heller Gong ertönt, gefolgt von einer Lautsprecherdurchsage: "Mrs. Erison Erc.... bitte kommen Sie zu dem Lost and Found - Schalter von Quantas." Pause "Mrs. Erison Erc.... bitte kommen Sie zu dem Lost and Found - Schalter von Quantas." Er blinzelt und schüttelt den Kopf. "Das hab ich jetzt doch wohl falsch verstanden, oder?! So, das war es mit dem letzten Funken Ehre. Die nasse Hose ist jetzt auch nicht mehr schlimm. Pfffff, gib mir Deckung, während ich meine Schrotflinte auspacke. Ach nee, Mist, die ist ja in Sibirien, shit aber auch."

Trenton lacht hell auf und wirft dabei den Kopf in den Nacken. "Hey, du gefällst mir! Na komm, lass uns mal schauen, was die Kängurus für dich haben." Erleichtert, dass er das Zeug doch nicht runterwürgen muss, schmeißt Trenton seine Gabel in den Salat und steht auf. "Na los, komm. Vielleicht gibt's ja ein Ticket für dich nach Novo Sibirsk oder Novaja Semelja." Trenton grinst wieder breit und nickt mit dem Kopf in Richtung Ankunftshalle. Erc klatscht die nassen Servietten auf das Tablett und rammt es in den dafür vorgesehenen Wagen. "Ach, weißt du, mir ist jetzt eh schon alles egal... Was kann da jetzt noch passieren?!" Sie traben Richtung LAF-Schalter. Die dicke Walküre winkt schon von weiten aufgeregt nach Erc. "Mr. Eriksson, es ist mir sehr unangenehm ...." Erc hebt die Hand und unterbricht die Frau. "Lassen Sie mich raten ja? Der Flieger mit meinem Gepäck ist in der sibirischen Wildnis abgestürzt und verbrannt???" Er setzt eine bierernste Miene auf. Die Frau reißt die Augen auf und schaut Erc verwundert an. "Wo ... woher wissen Sie das? Sie wissen, dass die Cessna einer regionalen Omsker Fluggesellschaft mit ihrem Gepäck abgestürzt ist? Wie, woher das denn nun?" Erc klatscht heftig kichernd mit der Hand auf den Tresen, ein irres Lachen ergreift von Ihm Besitz. "Wohe ... hihi .... woher .... muhahaha ... woher ich das weiß, wollen Sie wissen? Kann ich Ihnen sagen: weil in meinem Koffer eine Bombe, "suuuuperheftig" war und ich die von HIER, dem anderen Ende der Welt, ferngezündet habe, um die Tundra mit meiner Unterwäsche zu verzieren. Na jetzt sind sie baff, was?"

Die Nibelungenfrau scheint das nicht ganz so ulkig zu finden. "Das ist nicht witzig Mr. Eriksson ... ich rufe den Sicherheitsdienst ..." Sie winkt mit einer unbestimmten Geste nach einem Wachmann, der daraufhin schnell auf sie zugeschritten kommt, die Hand bereits das Holster seines Colt's öffnend. "Sie wussten, was passiert ist, obwohl die Nachricht eben erst bei uns reinkam, das ist doch merkwürdig!", geifert sie Erc an.

"Hey, das war ein Scherz, was glauben sie denn?????" Er blickt die Frau entsetzt an.

"Sagen sie das den Behörden, Mr. Eriksson." Dessen Rucksack klingelt wieder und Erc will schon den Verschluss öffnen, als der Wachmann, "Finger weg von der Tasche, Sir!“, brüllt und seine Waffe zieht. Erc, jetzt wirklich scheinbar von allen guten Geistern verlassen, schnauzt zurück: "Mensch, ich wollte nur meine abgesägte Schrotflinte aus dem Rucksack holen! Man wird doch noch ‘ne Schießerei anzetteln dürfen!?"

Trenton fand den Witz zu Beginn noch ganz klasse, aber dass sich die Sache SO übel entwickeln würde, hatte er nicht erwartet. Sehr wohl kann er sich aber gut ausmalen, wie das Ganze weitergehen wird. "Erc, mach alles mit, was jetzt kommt. Leiste keinen Widerstand, hörst du? Das ist jetzt ganz wichtig. Ich werde dir da raus helfen, aber KEINEN Widerstand, verstanden?" Trenton tritt ein paar Schritte zurück und zückt sein Smartphone. Er beginnt heftig, auf dem Touchscreen los zu tippen.

Durch die lauten Rufe seines Kollegen alarmiert, nähert sich ein weiterer Beamter Erc von hinten und dreht ihm mit einem schnellen, festen Griff die Hände auf den Rücken. Handschellen klicken um Erc's schmale Handgelenke, und sein Kopf wird hart auf den Schaltertresen gedrückt. "Beine auseinander, los!" Die Szene hat bereits einigen Aufruhr bei den anderen Reisenden hervorgerufen, einzelne, erschrockene Schreie gellen durch die Halle . Trenton weicht noch etwas weiter zurück.

"Hee, was soll das, das war doch nur ein Scherz.... Scheiße! Das war ein Witz, verstehen sie das?" Trenton kann noch ein undeutliches, "...Stora svinehunden..." hören, als Erc auch schon grob in die Richtung einer mit "Staff only" gekennzeichneten Tür geschoben wird.

Tenton verdreht die Augen. "Verdammt... der Junge hat ein echt geniales Talent, sich seinen übelsten Tag noch weiter zu versauen... Hoffentlich haben sie DAS jetzt nicht verstanden...“, grummelt Trenton vor sich hin, während er weiter in sein Handy schreibt. "Hoffentlich kriege ich ihn da wieder raus. Shit! Melde dich, Mark, bitte melde dich bald!" Trenton steckt sein Smartphone wieder in die Tasche und macht sich auf die Suche nach der Wache.

Erc wird unsanft durch einen hellen Korridor geführt. An seinem Ende geht die Gruppe durch eine doppelflüglige Stahltür. In dem anschließenden Raum sieht er Panzerglasscheiben, hinter denen Polizeibeamte an Ihren Schreibtischen arbeiten. Erc wird an den Scheiben vorbei in einen Nebengang geschoben. Ein Beamter öffnet eine schwere Tür mit einer Klappe in Augenhöhe, die anderen schieben ihn in den Raum. In dessen Mitte stehen ein Tisch und zwei Stühle. "Setzen, Junge!" Der bullige Typ zeigt auf einen der Stühle. "Also jetzt mal langsam.... He, Leute, das ist ein wirkliches blödes fuck Missverständnis, ... Ich habe ..." Erc wird unterbrochen. "SCHNAUZE BENGEL, setz dich gefälligst auf deinen Arsch und reg dich nicht! Verstanden?!" Mit diesen Worten wendet sich der Beamte ab, verlässt den Raum mit Erc's verbliebenen Habseligkeiten und schließt die grifflose Tür hinter sich.

Erc lässt sich frustriert in den Stuhl fallen. Mir einem langgezogenen "Na suuuuper... Das hast du gut gemacht, Erc, du bist ein richtiges Naturtalent! Kann ja wohl nicht besser laufen; Urlaub auf Staatskosten, gaaaanz toll!". Um nicht in Tränen auszubrechen, flüchtet sich der junge Schwede in den Sarkasmus.

Mutlos schaut er sich in dem kahlen Raum um. Dieser ist mit seiner blassen, teilweise bereits abblätternden mintgrünen Farbe an den Wänden, ohne Fenster und seinem Kälte ausstrahlenden, ungemütlichen Linoleumboden nicht gerade ein anheimelnder Ort. Die muffige Luft riecht penetrant nach kaltem Schweiß und scharfem Desinfektionsmittel. Durch die mit dicken Wollmäusen verklebten und säuselnden Schlitze der Klimaanlage kann Erc selbst beim besten Willen, keinerlei Luftaustausch feststellen. Sein Blick fällt auf die zerkratzte Holzplatte des Tisches vor ihm. Die darauf stehenden Worte, "Ich habe Sue gevögelt...Ray", eingebettet in dem Abbild eines riesen Phallus, sind noch das Freundlichste und Persönlichste in diesem Raum.

Nachdem Trenton der hysterischen Walrosskuh hinter dem LaF - Schalter noch einen unfreundlichen Blick zugeworfen hat, folgt er den Icons mit dem Sheriffstern. Nach einigem Herumirren findet er schließlich die Wache zwischen der Ankunftshalle und dem Busbahnhof. Bei seiner Annäherung gleitet die Tür beiseite und Trenton tritt ein. Die Wache ist alles in allem hell, da die Sonne durch die getönten Glasscheiben reichlich in den Raum hinein scheint, und die Wände scheinen vor kurzer Zeit erst neu gestrichen worden zu sein. Auch die Bezüge der Sitzgelegenheiten sind noch in recht gutem Zustand. An der Wand hängen einige Steckbriefe, ein großer Miefquirl rotiert behäbig unter der Decke. Der Raum wird durch einen großen Tresen halbiert, einige 'Klienten' sitzen hinter einer Absperrung. Eine aufreizend leicht bekleidete Dame mit eindeutig offensichtlichem Beruf, ein junges Mädchen von vielleicht 17 Jahren, dessen sehr, sehr entspannter Gesichtsausdruck mit den unnatürlich großen Pupillen deutlich beweist, warum sie hier sitzt, und ein elegant gekleideter Geschäftsmann mittleren Alters, der, im Gegensatz zu den beiden anderen, irgendwie fehl am Platz wirkt. Von Erc ist weit und breit nichts zu sehen. Na ja, das wäre auch etwas zu viel verlangt, schließlich ist seit seiner Verhaftung noch keine viertel Stunde vergangen. Auf dem Tresen liegt eine der typischen Polizei-Schirmmützen mit dem schachbrettartigen Muster, ihr Besitzer sitzt dahinter am Schreibtisch und müht sich damit ab, auf einer PC-Tastatur irgendwelche Texte in das Polizeisystem einzutippen. Er ignoriert Trenton völlig, hinter dem sich die Tür wieder lautlos schließt.

Trenton tritt an den Tresen und versucht so halbwegs in den Sichtbereich des Beamten zu gelangen. Dieser murmelt leise Verwünschungen vor sich hin, als er die Tasten traktiert. "... umhüllt ... mit ... nach ... Pa...Para… Paragraf 257/1, Satz 3, Artenschutzgesetz, ... recht...lich geschütztem ... Ma...ha..gho...ni...fu...nier. Gottverdammt, wer denkt sich nur solche Worte aus?! Damn!" Erc scheint heute nicht der einzige am Flughafen zu sein, der einen miesen Tag hat. Trenton räuspert sich leise. "Bitte warten sie gefälligst, bis sie dran sind!" bellt der Beamte missgelaunt. "Sie sehen doch, dass ich beschäftigt bin, Mann!" Trenton hebt entschuldigend beide Hände und wartet geduldig auf bessere Stimmung. Einige Begegnungen dieser Art in der Vergangenheit haben ihn gelehrt, wann es besser ist, sich zurück zu halten.

Trenton's Hose klingelt. Na ja, nicht seine Hose, aber das Handy darin. "Hi? Ah, Mark. Super dass du anrufst, ich brauche deine Hilfe. Also... ich bin hier am Flughafen bei den Bu..." Ein kurzer Blick auf den literarische Schwerstarbeit leistenden Polizisten hinter dem Tresen trifft frontal auf einen finsteren Gesichtsausdruck. "Ähm, Moment, wart mal kurz..." Trenton tritt durch die Tür hinaus und presst sich das Handy in seiner Linken an das eine, seine rechte Hand an das andere Ohr und versucht, Marks Stimme zu verstehen. Es ist grässlich laut hier draußen. "Mark? Mark, bis du noch da? Was? ... Ja ja, so einigermaßen. Kannst du mich auch verstehen? Wie? Ja, mir selbst geht's gut. Ich bin gerade am Airport bei den Bullen und... was?" Trenton hört zu, rollt mit den Augen und denkt "Oh my god, der Typ ist schlimmer als meine Mutter..." „Nein, ich bin nicht verhaftet. Aber ein... Hä? Darf ich bitte mal ausreden? Ja, danke. Also hör zu. Ich bin am Flughafen bei den Bullen und versuche, jemanden frei zu bekommen. Was? Ey Mann, hältst du mich für bekloppt?! Ich schmiere doch keinen Bullen! Also hör zu! Ich versuche hier einen süßen Schweden..." Eine startende 747 röhrt brüllend über das Terminal hinweg. "Also... nochmal. Ich brauche Hilfe, nicht für mich, sondern für einen total süßen Schweden, den ich hier getroffen habe. Ein echter Hingucker! Also... der hatte Ärger, erst mit den Kängurus, die sein Gepäck nach Sibirien geschafft haben, und dann... Was? Nach SI-BI-RI-EN! Das ist in Russland, Mensch! Hä?" Trenton schließt genervt die Augen und pocht mit seiner Stirn gegen eine der Säulen, die das Vordach im Eingangsbereich zum Terminal tragen. Mark konnte manchmal so schrecklich begriffsstutzig sein. "Nein, jetzt hör mir doch mal zu! Der Typ ist kein Russe, sondern ein Schwede, der hier Urlaub oder so was machen will. Aber sein Gepäck ist in Sibirien gelandet. Warum? Na, weil's die Deppen bei der Aussie-Air nicht auf die Reihe gebracht haben, das Zeug hier her zu schaffen. So, und als ich mich gerade ein bisschen mit ihm beschäftigen wollte, da... Was? Nein, nicht was du schon wieder denkst! Ich wollte ihn erst mal nur kennen lernen. Also, wir sitzen da bei Mc Doof und... ja, ich war ausnahmsweise einmal da... Ein Wasser und einen Salat, Mensch, das ist doch aber völlig unwichtig! Also, wir sitzen da und er macht gerade seine Hose sauber, da... NEIN! Nix ALSO DOCH! Er hatte sich ‘ne Coke über die Jeans geschüttet!" Trenton drückt das Handy an seine Schulter, schließt wieder die Augen und nimmt erneut die stützenden Dienste der Säule dankbar an. Seufzend nimmt er das Telefon wieder an das Ohr. "Also, darf ich jetzt weiter erzählen? Danke. Also, wir sitzen bei Mc Doof, da gibt's ne Durchsage über ‘n Lautsprecher und... Marc? Marc?? Bist du noch da? Hey, Marc?! Holy crap!" Wütend starrt Trenton auf das Display, die Verbindung scheint abgerissen zu sein.

Es vergeht fast eine ganze Stunde bis ein junger, gelangweilter Polizist den Raum betritt. Vor seiner Brust trägt er ein Notebook und einen kleinen Kasten mit Glasplatte. "Fingerabdrücke!", kommt es monoton und der Beamte setzt sich vor Erc an den Tisch. Dabei schiebt er den Kasten mit der Glasplatte herüber. Schweigend bearbeitet der Mann einige Minuten lang, die Tastatur. "Bitte den Daumen der rechten Hand auf die Glasplatte drücken - nicht zu fest." Die Stimme könnte lustloser gar nicht sein. Erc tut, wie ihm befohlen und drückt den Daumen auf die Platte. "Sir, ich würde gerne wissen ... ich meine, ich habe..." Der Beamte schaut ihn müde an. "Jetzt den Zeigefinger der rechten Hand auf die Glasplatte drücken - nicht zu fest." Erc rollt mit den Augen und gehorcht. Nachdem sie bei, "Bitte den Daumen der linken Hand auf die Glasplatte drücken - nicht zu fest.", angekommen sind, fällt Erc's Blick auf das Namensschild des Polizisten: "Sgt. J. Weary". Erc verzieht das Gesicht und murmelt ein, "Na, DAS passt!". Das ganze Prozedere dauert knapp zwanzig Minuten, dann verlässt der Mann wortlos den Raum. "Danke, ihnen auch ... Arschloch!" Erc kratzt sich am Kopf und studiert wieder das geschnitzte Machwerk vor ihm. Nach einer gefühlten Ewigkeit steht er auf und wandert in dem kleinen Raum umher. Der alte Boden unter seinen Sohlen gibt schmatzende Geräusche von sich und vermischt sich mit dem Säuseln der Lüftung. Nach weiteren Minuten klopft er zaghaft an die Tür. "Hallo, haaallooo - ist da jemand? Hallo!?" Eine Weile tut sich gar nichts und Erc ist schon wieder auf den Weg zu dem einzigen Kunstwerk in diesem Raum, als sich die Klappe öffnet. Schnauzend meldet sich ein grauhaariger Beamter. "Was ist, was willste? Mußte aufs Klo?" Erc versucht sich mit einem Lächeln ... es misslingt ihm. "Ähm, ich wollte wissen, wie lange ich hier warten muss?" Der Mann am Guckloch zieht die Augenbrauen zusammen, schürzt die Lippen und schließt die Klappe. "Na, das nenne ich mal eine ausführliche Auskunft, wie freundlich hier doch alle sind." Der Gemütszustand von Erc nähert sich mittlerweile dem absoluten Nullpunkt und der Jetlag macht die Sache nicht besser. Er beschließt, es mit einem Nickerchen auf dem Stuhl zu versuchen.

Schon eine geraume Zeit versucht Trenton, die Verbindung zu Marc wieder herzustellen, aber das einzige, was er zu hören bekommt, ist: "Der gewünschte Teilnehmer ist momentan nicht erreichbar. Bitte versuchen sie es später noch einmal."

Dann endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, nimmt Marc ab. "Ah, Mark, na endlich! Mann, wo treibst du dich denn wieder herum, ich hab's mindestens hundertmal probiert, dich zu erreichen! Ja, ich bin immer noch am Flughafen. Ja, bitte hör zu. Also, wir sitzen gerade bei Mc Doof, da gibt's ne Durchsage über ‘n Lautsprecher und Erc soll zum „Lost and found“ kommen. Hä? Was ein Erc ist? Mann, das ist nicht ETWAS, sondern JEMAND! Ein NAAMEE! Ja, ja, genau, … von dem russischen Schweden." Marc macht genau da weiter, wo er vorher aufgehört hatte: er NERVT! "Was weiß ich was der Name zu bedeuten hat? Also, wir tigern zum Schalter, der Typ ist schon total genervt, und die Olle hinterm Tresen scheint keine guten Nachrichten für ihn zu haben. Die will also loslegen und ihm sagen, was mit seinen Sachen ist, da meint der nur: „Warten sie, lassen sie mich raten, das Flugzeug ist abgestürzt und meine Unterwäsche hat sich über die Taiga verteilt... BITTE, MARK! ICH HABE KEINE AHNUNG, OB DER KLEINE TANGAS HAT ODER NICHT! HÖR MIR BITTE ZU!!! ICH SAGTE: TAIGA!" Trenton dreht sich um und lehnt sich diesmal mit dem Rücken an die Säule, einen um Hilfe flehenden Blick zum Himmel werfend. "Jedenfalls ist das Flugzeug mit seinem Gepäck tatsächlich abgestürzt, und das hat die Tussi vom LaF natürlich gleich misstrauisch gemacht. Die hat also nix besseres im Kopp als die Bullen zu... Hey, Marc! Nein, Erc ist kein Terrorist, Mann! Das war ein Schuss in's Blaue von ihm, und dummerweise hat er damit genau ins Schwarze getroffen." Trenton ist sich nicht ganz sicher, ob es eine gute Idee ist, Marc gegenüber im Zusammenhang mit Erc von "Schüssen" zu reden, und ob das die ganze Sache nicht verkomplizieren würde. Aber es scheint gut zu gehen, diesmal gibt es keine blöden Nachfragen. "Na ja, kurz, die Bullen nehmen ihn fest, verhören ihn wohl gerade, und ich stehe hier vor der Wache und versuche, dem Kleinen zu helfen. Hör zu Marc, dein Vater ist doch Anwalt... Könnte der vielleicht... Was? ... Oh nein, er ist in Singapur?! Auf einem Kongress! SHIT!" Das letzte, sehr laut gesprochene Wort, erregt trotz 747 und Co. vorübergehend die Aufmerksamkeit und missbilligende Blicke einiger Passanten in der Nähe. "Na super, und was machen wir jetzt?! Kennst du nicht jemand anderen... keine Ahnung, jemand, mit dem dein Vater zusammenarbeitet... Ja. Ja, okay. Hm, wenn es nicht anders geht? Was meinst du, wie lange das dauert? ... ... Ja, okay, muss wohl. Ich melde mich wieder, tschau!" Er legt auf, atmet tief durch und kehrt in die Polizeiwache zurück.

Der Beamte scheint seinen Bestseller inzwischen verfasst zu haben, denn er schaut dem eintretenden Trenton entgegen. "Hm, kann ich etwas für sie tun?", erkundigt er sich, wobei die Stimme deutlich die Hoffnung verrät, dass es nicht so sei. "Ähm, ja. Mein Name ist Trenton Orgmant. Ich war vorhin am LaF-Schalter, mit einem jungen Mann aus Schweden, Erc Eriksson. Er hat eine blöde Bemerkung fallen lassen, und ihre Kollegen haben ihn verhaftet. Ist etwas kompliziert zu erklären, aber es handelt sich nur um ein übles Missverständnis. Ich möchte mich jetzt nach ihm erkundigen." Der Beamte schaut Trenton prüfend an, als hätte er ihn schon mal gesehen, konnte ihn aber gerade zuordnen. Dann nickt er kurz und tippt wieder in die Tastatur ein. Einem kurzen Blick auf den Monitor folgt der Griff nach dem Telefon, und er gibt eine Nummer ein. "Sam? Ah, schön, grüß dich. Hier ist Elvis, vom Empfang. Du, ich hab hier einen jungen Mann, der sich nach einem gewissen Erc Eriksson erkundigt. Ja, genau, der... Kommst du mal kurz her? Ah, klasse, danke." Der Beamte legt auf und wendet sich Trenton zu. "Officer de Roig kommt gleich und wird sich mit ihnen befassen, Mr. Orgmant. Nehmen sie doch solange bitte Platz." Trenton fragt sich, ob das wirklich der mürrische Beamte von eben ist, aber er sieht so aus. Kurze Zeit später betritt eine schlanke, junge Frau in Uniform mit einem Klemmbrett in der Hand den Raum und schaut sich suchend um. Als sie Trenton erblickt, lächelt sie erfreut. "Mr. Orgmant?" Trenton steht auf, reicht der Dame die Hand und lächelt einnehmend. "Ja, der bin ich, Trenton Orgmant." "Wie schön, sie kennen zu lernen, Mr. Orgmant. Mein Name ist Samantha de Roig. Ich habe schon viel über sie gelesen, herzlichen Glückwunsch zu ihrem Erfolg. Das war wirklich eine Spitzenleistung." Der junge Mann errötet etwas. "Oh, vielen Dank, aber das ist zu viel der Ehre. Der erste Platz wäre mir zwar lieber gewesen, aber..." Fast entschuldigend zuckt er mit den Schultern. "Ach nein, der kommt dann nächstes Jahr, ganz bestimmt. Also, Mr. Orgmant. Sie kennen diesen schwedischen Reisenden, Mr. ..." Sie schaut auf ihr Klemmbrett. "Mr. Eriksson?"

"Ja, genau. Erc Eriksson. Also, die Sache ist die..." Mit kurzen Worten erzählt Trenton, was sich vor und am Schalter abgespielt hatte, und er versucht klar zu machen, dass es sich bei alldem um ein großes, blödes Missverständnis handelt.

Samantha hört ihm lächelnd und aufmerksam zu, macht sich hin und wieder kurze Notizen auf ihrem Brett. Dann nickt sie. "Nun, Mr. Orgmant, ich habe mit unserem jungen Freund noch nicht gesprochen, aber das werde ich in etwa 10 Minuten nachholen. Wollen sie hier solange noch warten?" Trenton nickt und bedankt sich bei der netten Beamtin; wenigstens ein Mensch hier, der nicht im Alltagstrott versunken zu sein scheint. Er schaut hoffnungsvoll hinter der Frau her, als diese durch die Tür wieder verschwindet.

Erc schreckt auf, als sich die Tür unerwartet öffnet. Der grauhaarige Mann von vorhin mault laut. "Aufwachen Bürschlein, hier wird nicht gepennt." Er trägt Erc´s Rucksack in der Hand und stellt ihn auf den Tisch. Hinter ihm betritt eine junge Frau den Raum. Als sie Erc erblickt, rollt sie mit den Augen. "Lass gut sein Mice, ich glaube, der ist jetzt erstmals bedient. Los, scher dich raus. Ist das dein Rucksack?" Sie deutet auf den blauen Trekkingsack. Eingeschüchtert nickt Erc und greift fragend nach dem Gepäckstück. Die Beamtin, auf deren Namensschild Samantha de Roig steht, nickt ihm zu, fischt aber seinen Geldbeutel aus der Fronttasche. Sie überfliegt nur kurz nochmal die Papiere. "Erc Eriksson? Du bist Erc Eriksson aus Huddinge in Schweden?" Erc nickt. "Ähm, ja, das bin ich ... Das ist bei Stockholm, Mam." Erc macht mittlerweile einem Karnickel vor der Schlange starke Konkurrenz. "Ich habe nichts Verbotenes gemacht. Das sollte doch nur einen Witz sein..., Mam." Die Frau lächelt Erc auf eine mütterliche Art zu. "Entspann dich Junge, wenn du nichts gemacht hast, wird sich das ja schnell klären. Übrigens, mein erstes Mobiltelefon hatte DEINEN Namen, "Eriksson." Sie zwinkert ihm zu, dabei setzt sie sich neben ihn auf die Tischkante und blickt lächelnd zu ihm hinunter. "So, dann lass mal hören, was genau vorgefallen ist...", nickt sie ihm aufmunternd zu.

"Also, ich bin heute erst hier in Neuseeland angekommen, mein Gepäck leider nicht. Na ja, es ging heute überhaupt alles schief, ich habe mir sogar Cola in den Schritt geschüttet." Er spreizt die Beine und deutet auf den Fleck, bzw. die braunen Ränder, die noch zu sehen sind. Er erzählt von den Geschehnissen der letzten Stunden und schließt mit, "Dann meldet sich mein Vermieter nicht ... Ich bin hundemüde, und als ich sagte, der Flieger sei sicher abgestürzt, habe ich eigentlich nur meine schlimmsten Befürchtungen ausgesprochen, welche die ganzen Vorfälle noch toppen könnten." Samantha lacht leise in sich hinein. "Na, da hast du ja wirklich einen bescheidenen Start hier in Neuseeland erlebt. Ich glaube, wir können die Sache hier beenden, wie ich das sehe, ist das Ganze wirklich nur ein ganz großes Missverständnis. Mit so viel Pech auf einmal kann man schon mal etwas unbedacht reagieren." Sie lächelt Erc freundlich an. "Kleiner Tipp: Lass dir von der Fluggesellschaft einen Gutschein für dein Gepäck geben, das steht dir nämlich zu. Dann kannst du wenigstens gleich neue Klamotten usw. kaufen und das wäre doch immerhin der erste Lichtblick hier am anderen Ende der Welt, was? Ach ja, bevor ich es vergesse, ein junger Mann wartet draußen auf dich, er hat mir die Geschichte im Großen und Ganzen schon erzählt. Von daher wollen wir das Ganze einfach vergessen."

Das restliche Prozedere verläuft recht unspektakulär. Keiner der Beamten hat große Lust, aus der Mücke im Nachhinein noch einen Elefanten zu machen. Daher dauert es nicht lange, bis Erc mit seinen Habseligkeiten in den Empfangsraum tritt und einen wartenden Trenton, sitzend auf der Bank, erblickt. Erc bemerkt den besorgten Gesichtsausdruck, den Trenton aufgesetzt hat. Kurz überlegt er, ob er den Kiwi nicht einfach besser in Ruhe lassen und sich um seinen Kram kümmern sollte. Schließlich hatte er schon für genug Aufregung gesorgt. Im Nachhinein ist es ihm schon reichlich peinlich, wie sich die ganze Situation vorhin zugespitzt hatte. Allerdings kam er wohl kaum ungesehen an dem Kiwi vorbei, zudem wäre es unhöflich von ihm, sich nicht zu bedanken. Immerhin hatte seine Aussage die Geschichte untermauert. Wer weiß, wie lange Erc in diesem miefigen Zimmer noch hätte ausharren müssen.

Trenton schaut auf und sieht Erc, wie er mit einem doch sehr gestressten Blick, aber irgendwie auch erleichtert, in den Raum tritt. "Hey, Sü... ähm,... hey, Erc!" Er steht auf und hätte den Schweden instinktiv fast umarmt, kann die begonnene Bewegung aber im letzten Moment noch in eine ausgestreckte Hand übergehen lassen. "Ist alles klar? Haben dich die Cops wieder laufen lassen?" Ein aufrichtiges Lächeln umspielt die Lippen des Neuseeländers.

Der Schwede lächelt schief. "Ja, sie haben die Exekution im letzten Moment doch noch abgeblasen."

"Hey, dein zweiter Glücksfall für dich heute.“ Trenton lässt wieder sein blitzendes Lächeln frei. "Ich hätte jetzt gedacht, die behalten dich bis morgen noch da. Haben die dich wenigstens gut behandelt da drinnen?"

"Sagen wir mal so: Es war immerhin kein Waterboarding, eher so in die Richtung 'ignorieren wir den mal, bis er von selbst eingeht'. Nein, war schon OK, aber das auch gerade nur so." Erc grinst noch schiefer.

Trenton kann jetzt nicht anders, er legt nun seine linke Hand auf Erc's rechte Schulter. "Na ja, jetzt hast du's ja hinter dir. Und du darfst raus, bist also auf freiem Fuß, mit allen Papieren und drum und dran?"

"Jo, ich denke schon. Papiere und ein bisschen drum. Für das 'dran' reicht's nicht, dafür hab ich zu wenig Gepäck."

Trenton grinst immer noch, als sie auf den Ausgang zusteuern. "Wenn du dir deinen Gepäckverlust auszahlen lassen willst, musst du zum Aussie-Air-Schalter." Er deutet mit dem Daumen nach rechts in Richtung Empfangshalle. "Vorausgesetzt, du willst da heute nochmal hin..."

"Du, den Tipp mit dem Gepäck verwerfen wir mal schnell. Ich habe nicht die geringste Lust, zu der Walküre und dem „Ritt“ auf ihr zurückzukehren. Und auf die paar Kröten kann ich jetzt auch noch verzichten. Jetzt will ich nur die Sache mit meiner Unterkunft für die nächste Zeit klären." Er macht eine kurze Pause. "Und unter eine Dusche, ich habe das Gefühl, ich stinke wie ein Wasserbüffel ohne Wasser! Nur, ... der ganze 'Skit' heute lässt mich nicht wirklich Gutes für den Rest des Tages hoffen."

Sie betreten die Empfangshalle. "Du Trenton, wo finde ich denn jetzt den Busbahnhof? Ich will diesen schrecklichen Ort nur noch so schnell wie möglich lassen."

Trenton wirkt etwas enttäuscht. "Hm, ja, der Busbahnhof ist da hinten, am anderen Ende vom Terminal. Wo musst du denn hin?"

"Öhm, Weymouth - Hazards Road 2! Weißt du, wo das liegt?"

"Weymouth? Hm, ja, das ist hier im Süden." Trenton zeigt in die passende Richtung. "Die Straße kenne ich nicht, aber mein Navi bestimmt. Soll ich dich hinfahren? Was willst du da eigentlich?"

Erc lächelt schwach. "Meine Herberge für die nächsten Wochen beziehen... So hoffe ich jedenfalls. Ich hatte kurz bevor du mich angesprochen hast, mit meinem Vermieter, Herrn Yogomo, gesprochen, aber die Verbindung war wie der Tag bisher, BESCHISSEN. Ich habe nix verstanden!" Erc zieht eine Schnute.

"Hm, verstehe. Na ja... Weymouth ist ja ganz schön, hat nur einen großen Nachteil: es liegt genau in der Einflugschneise zum Flughafen, und die Flieger donnern schon recht tief darüber hinweg, bevor sie einen U-Turn nach Norden machen, um vom See her die Landebahn anzufliegen. Also... ich glaube kaum, dass du da heute noch Schlaf finden wirst." Trenton schaut den Jungen vor sich an, und dessen enttäuschter Gesichtsausdruck lässt ihn Mitleid für den Bengel empfinden. "Hey, was hältst du davon, wenn ich dich erst mal mit zu mir nehme? Ich wohne deutlich ruhiger, und du kannst gerne so lange bleiben, bis du was anderes gefunden hat. Der ganze 'Älk-Skit' hier und der Jet-Lag haben dich doch ganz schön mitgenommen. Mann, siehst du fertig aus. Also, was meinst du?"

"Du, das ist furchtbar nett von dir, aber ich werde erwartet. Mr. Yogomo ist ein Geschäftsfreund meines Vaters und ich wohne bei ihnen bis zum Start des Wintersemesters. Da geht es dann nach Palmerston North auf die Massey University. Mein Vater und er sind auch alte Studienkollegen und Herr Yogomo ist schon öfter bei uns in Schweden gewesen und hat für meinen Vater gearbeitet. Er war es, der mir hier diesen Studienplatz organisiert hat. Da wäre es sehr unfreundlich, ihn und seine Familie zu versetzen, zudem stammt er aus Japan, wenn du verstehst."

Trenton versucht mehr oder weniger erfolgreich, seine Enttäuschung zu verbergen. "Ja klar, ich verstehe. Hm, da kann man wohl nichts machen. Aber ich fahre dich gerne hin, wenn du willst, okay?"

"Du, ich will dir keine Umstände machen. Ich habe dich schon genug mit Aufregung versorgt, denke ich." Er überlegt kurz. "Andererseits wäre ich schon froh, mich jetzt nicht auch noch mit dem Bus herumzuschlagen. Wer weiß, was noch so auf mich lauert an diesem Tag. Von daher gerne, ja."

Trenton grinst wieder breit. "Cool. Ist wohl besser so, denn wie ich dein Glück kenne, würdest du vermutlich zwar in den richtigen Bus, nur in die falsche Richtung einsteigen. Dann landest du irgendwo in Takapuno oder Riverhead. Denk daran, wir sind hier ein Volk der Geisterfahrer.“ Trenton zwinkert Erc vergnügt zu. "Und vermutlich würde ich eh nicht zur Ruhe kommen wenn ich nicht weiß, ob du sicher angekommen bist. Na, dann komm." Trenton lacht erleichtert auf.

"Schön, danke dir. Ich zahle dir natürlich den Weg!" Erc ist sichtbar froh, diese Gelegenheit ergreifen zu können, eventuell doch noch entspannt sein Ziel zu erreichen.

"Nee, nee, lass mal stecken. Das ist schon okay so. Vielleicht brauch ich ja auch mal Hilfe, wenn ich wieder mal nach Schweden komme.", grinst Trenton. "Mein Wagen steht da drüben auf dem Parkplatz gegenüber. Es ist nicht weit."

"Du warst schon mal in Schweden???" Erc klatscht sich an die Stirn. "Natürlich! Daher hast du mich vorhin auf Schwedisch angesprochen! Ich war so in Rage, dass mir das da gar nicht weiter aufgefallen ist. Toll, wann und wo warst du denn in Schweden?" Erc folgt Trenton, der zielstrebig den Ausgang ansteuert.

"Ach je, das ist schon lange her. So sechs Jahre etwa... Ich war damals ein Jahr auf ‘nem Internat in Stockholm, an der BISS: Britisch International School of Stockholm. Da hab ich auch so ein bisschen Schwedisch gelernt: Tak, min Herr. Jag alskar dig, jävla skit. So etwas in der Art." Trenton grinst wieder vergnügt, als er am Travelex - Schalter vorbei, auf die Treppe zur Brücke über den Ray Emery Drive hinweg, auf die parkenden Autos zusteuert.

Erc lacht laut auf. "Na dann hast du ja DIE wichtigsten Vokabeln gelernt. Wie hat dir Schweden denn gefallen und wie kam es dazu, dass du dort warst, also warum gingst du dort auf die Schule?" Die zwei jungen Männer überqueren den Parkplatz.

"Na ja, ich muss schon sagen, dass für einen english speaker das Schwedische doch recht seltsam klingt. So wie deutsch, dänisch, oder sowas. Aber egal, es war auf jeden Fall lustig, es zu lernen, auch wenn ich mir manchmal die Zunge dabei ziemlich verknotet habe." Trenton steuert auf seinen Wagen zu, einen messingfarbenen Chevrolet Colorado. "Kannst deine Tasche hinten drauf werfen."

"Du, ich behalte den Rucksack lieber bei mir, wenn es dir nix ausmacht. Nicht, dass der letzte Rest meiner Sachen auch noch verloren geht." Er lächelt unsicher. "By the way, was hattest du eigentlich heute am Flughafen zu schaffen, wenn ich fragen darf?"

"Na klar darfst du fragen. Kleinen Schwedenjungs aus der Patsche helfen.“ Er grinst. „Aber Spaß bei Seite, ich komme öfters hierher, um den Duft der großen weiten Welt zu schnuppern. Hatte auch sonst nichts vor, ein Date, das ich für heute hatte, fiel leider ins Wasser." Trenton zuckt mit der Schulter. "Na ja, es gibt schlimmeres." Trenton drückt auf seinen Autoschlüssel und die Zentralverriegelung springt auf. "Du kannst deine Sachen auch auf die Rückbank legen, aber das ist nicht nötig. Du bist hier in Neuseeland, da kommt nix weg. Es sei denn, man fliegt mit den Kängurus hierher." Trenton zwinkert Erc erneut vergnügt zu.

Erc lacht irritiert "He he, ja ja, die Kängurus." Gedankenverloren klettert Erc auf den Sitz der Beifahrerseite LINKS, ja er weiß das und vergisst es nicht! Auf der Ladefläche des Wagens sieht Erc ein Surfboard und einige andere Dinge, die am Meer ganz nützlich sind.

Trenton bemerkt vergnügt, dass Erc die "richtige" Seite zum Einsteigen gewählt hat. Dann steigt auch er ein. "Die Hefte kannst du auch nach hinten werfen, dann hast du mehr Platz." Damit meint Trenton die vier Surfer-Magazine, auf deren Cover einige Typen und zwei Mädels zu sehen sind, denen man ihren Sport ansieht. Bei genauem Hingucken könnte Erc sehen, dass einer der Typen sogar Trenton in Badehose ist, dessen eine Körperhälfte vom gleichen Surfboard auf der Ladefläche, bedeckt ist. Der dazu gehörige Artikel scheint sich mit den New Zealand Open Surf Championships zu befassen.

Erc betrachtet die Hefte auf dem Sitz neben sich etwas genauer.„Cool, du bist wohl ein Sportmodel, was? Das bist doch du? Coole Bilder, krass, sind noch mehr drin im Heft?"

Trenton kommt heute aus dem Grinsen gar nicht mehr raus. "Ja, das bin ich. Ist die Ausgabe von letztem Monat, da hab ich Platz zwei bei den "Seniors" gemacht. Das sind die Jungs zwischen 20 und 23." Er lacht wieder. "Ja, es gibt noch mehr Bilder. Ab Seite 23." Besagter Artikel erstreckt sich über nicht weniger als 33 Seiten, davon einige reine Bilderseiten, die teilweise Format füllend sind. Fast auf jedem ist Trenton abgebildet, meist in Badehose, auf dem Brett, halb im Wasser mit nassem Oberkörper, zusammen mit anderen Surfern, und mit zwei Badenixen, die ihn links und rechts auf die Wange küssen, während ihm eine silberne Medaille vor der gebräunten Brust hängt.

"Ah cool, das ist ja toll!!! Der zweite Platz, Hut ab!" Erc ist wirklich beeindruckt. "Wollte auch mal mit dem Sport anfangen. Na ja, hat sich aber irgendwie nicht ergeben. Tja, man kann ja nicht alles machen, was man so will."

Trenton hebt bei Erc's letztem Satz leicht eine Augenbraue, während er den Windungen des Ray Emery Drives folgt und seinen Chevy auf den Tom Pearce Drive lenkt. "Echt? Du wolltest auch mal Surfen lernen? Hey, cool, wenn du willst, dann bringe ich es dir gerne bei. So einen Surfbuddy wie mich findest du so schnell nicht wieder. Keine Angst wegen dem Equipment, davon hab ich daheim noch genug." Trenton ist happy, dass der Tag sich doch noch so gut zu entwickeln scheint. Na ja, mal sehen... Immer, wenn es der Verkehr zulässt, versucht Trenton im Augenwinkel Erc's Gesichtsausdruck zu sehen, um irgendeine Reaktion des Blondys auf die Bilder zu erkennen.

"Wäre sicher mal ganz lustig, das zu testen, aber ich glaube nicht, dass ich das in ein paar Wochen vernünftig lernen kann.“ Er schaut kurz zu Trenton hinüber. „Sicher stell ich mich dafür zu doof an und würde dir nichts als Schande machen." Er grinst schelmisch. "Machst DU sonst noch einen Sport? Im Winter ist es bestimmt nicht so angenehm zum Surfen?"

"Ach komm, ungeschickt bist du bestimmt nicht, so wie du aussiehst. Und ich kenne einige gute Trainingsplätze, wo niemand sieht, wie du dich anstellst. Und soo schwer ist es auch wieder nicht. Ein bisschen Gleichgewichtssinn und etwas Intuition für Wellen und Wind, mehr ist nicht nötig. Du kannst als Schwede doch bestimmt Schlittschuh laufen? Das wäre dann ja schon die halbe Miete. Ja, im Winter bin ich öfters auf der Südinsel, zum Snowboarden." Trenton muss an einer roten Ampel halten.

Erc nickt. "Nö, das mit dem Gleichgewicht dürfte kein Problem darstellen, na ja, mal sehen was die Tage und Wochen noch so bringen. Muss ja auch noch ein paar Dinge erledigen. Klamotten kaufen und so‘n Zeugs." Er betrachtet interessiert die Umgebung und den dichten Verkehr. Der Linksverkehr verwirrt ihn erst mal etwas und gerade die Kreisverkehre sind gewöhnungsbedürftig. Eine Sache geht Erc allerdings nicht aus dem Kopf: Was sollte die Bemerkung "Kleinen Schwedenjungs ..."??? Sein Telefon meldet sich mit zweimaligem Piepsen und verstummt wieder. Der Schwede holt das Gerät aus der Tasche und blickt skeptisch auf das Display. Was wohl jetzt wieder passiert ist? "Ahh, meine Mutter... Wünscht mir einen schönen ersten Tag in Neuseeland... Wenn die wüsste, dass ich heute schon verhaftet wurde, sie würde durchdrehen." Er drückt die Nachricht weg und steckt das Telefon zurück.

"Ja, vermutlich!", meint Trenton. "Hattest du deinen Leuten eigentlich schon mitgeteilt, dass du in Kiwiland angekommen bist? Er gibt wieder Gas, nachdem die Ampel auf Grün schaltete.

"Ja schon, das war glaube ich so das Letzte, was heute noch ohne Probleme geklappt hat." Das Telefon von Erc macht wieder auf sich aufmerksam. Genervt kramt er es aus der Tasche und blickt darauf. "Oh, mein Vater, entschuldige kurz..."

Trenton Orgmant macht eine zustimmende Handbewegung. „Nur zu!“ Trenton biegt im nächsten Kreisverkehr links ab, in die Puhinui Road. Links erscheinen einige Flugzeughallen.

"Hallo Papa... Ja, ich bin da... Ja, sonst könnte ich doch nicht telefonieren!" Er rollt mit den Augen und lauscht eine ganze Weile. "Was sagst du da? .... Nein, sag jetzt nicht, dass das wahr ist ... Ist doch ein Scher... wie? Na klar doch… Ich kenne mich hier bestens aus, als ob ich hier geboren wäre! … Was denkst du denn, scheiße… Warum ICH gereizt bin? Was glaubst du denn? Mein Gepäck regnet auf die sibirische Wildnis, ich habe keine Bett für die Nacht, kenne hier keine Sau und ... Was sagst du? ...... Hotel? Ja ja, schon klar .... Jaaa doch, die Kreditkarte hab ich bei mir… Nein, Geld ist nicht das Problem...... Nee, bitte sag Mama nix, es reicht, wenn ich mir Sorgen um MICH mache... Im Auto! Warum?... Jemand war so freundlich, mich in die Stadt zu fahren....... Nein, ich glaube nicht, dass er mich ausrauben will... Wie? Woher ich das wissen will?... Glaub mir, das weiß ich! Wäre heute auch das kleinste Übel... Nein, ich pass schon auf... Ja doch, ich melde mich, sobald ich eine Unterkunft habe...Nein, ich will dann erst mal duschen und schlafen, bin total fertig… Ist gut, ich melde mich… Ja, ich euch auch. Mach’s gut, tschöööö!" Erc lässt schwer seufzend das Telefon sinken.

Trenton kann zwar nicht alles verstehen, was Erc neben ihm sagt, aber er scheint so eine Art "Lagebericht" abzuliefern. Oder sollte man lieber sagen, „Katastrophenzustandsmeldung"? Dann sagt er noch irgendwas mit "Hotel" und "Unterkunft". Oh Mann, der Junge ist ganz schön fertig. Armes Kerlchen.

Erc seufzt tief und schüttelt den Kopf. "Dieser Tag ist das Übelste, was ich je erlebt habe, ganz ehrlich. Trenton, gibt es hier eine schöne Stelle am Meer, eventuell mit hohen Klippen und schöner Steilküste?" Bei Erc ist eine sicht- und auch hörbare Resignation zu bemerken. Seine Stimme klingt kraftlos und müde. "Irgend eine schöne Stelle, wo ich auf‘s Meer hinausschwimmen oder mich von einer Klippe stürzen kann!"

Trenton ist von Erc's Stimme mit dem verzweifelten Unterton schon ein wenig ergriffen. Dem entsprechend fällt sein jetziges Lächeln auch etwas gequält aus. "Tja, für‘s 'von der Klippe stürzen' kann ich dir nur unseren Sky Tower in der Innenstadt anbieten. Der sollte hoch genug dafür sein. Aber für einen schönen Strand hätte ich eine ganze Menge Vorschläge." Sie fahren gerade über ein kleines Gewässer und lassen den Flughafen nunmehr hinter sich. "Hey, komm. Das wird schon." Trenton tätschelt kurz Erc's Oberschenkel. "Denk daran: Die Krise von heute ist der Witz von morgen. Und wenn du willst, zeige ich dir auch gerne ein paar coole Shopping Malls, wo es auch völlig hippe Klamotten gibt. Sind auch gar nicht so teuer. Tipps bekommst du dann auch, was du hier so brauchst, und was eher nicht."

Erc lächelt gezwungen. "Auch recht ... wäre super, den Ozean zu sehen. Mein Vater teilte mir mit, dass Herr Yogomo sich bei ihm gemeldet hatte, nachdem unsere Verbindung so schlecht war und abbrach. Die tolle Nachricht ist, dass Herr Yogomo kurzfristig nach Japan musste, mit der ganzen Familie. Sein Bruder ist gestorben. Tja, und nun bin ich hier und frage mich, ob ich nicht gleich morgen ein Ticket zurück nach Stockholm kaufe und die ganze Sache hier besser abblase. Wenn das so weitergeht ... danke nein. Sorry wenn ich jetzt übertreibe aber ich hab die Schnauze echt voll!"

"Heey... Lass mal den Kopf nicht hängen. Du bist hier in Neuseeland. NEU SEE-LAND! Hier ist das Land der Kiwis, das Land der Träume, das Auenland!", grinst Trenton. "Und glaub mir, so ein Pech, wie du es heute hattest, ist hier ab-so-lut außergewöhnlich. Pass mal auf, ich kenne hier eine Stelle, die ist einfach nur traumhaft. Sunset-Beach. Hört sich doch gut an, oder? Da trainiere ich öfters. Und nochmal: du kannst gerne bei mir unterkommen. Meine Hütte ist groß genug, und der Kühlschrank voll. Wir Kiwis lassen unsere Gäste nicht im Stich. Wenn du willst, kannst du ja deinem Alten gerne meine Adresse zu simsen.“ Er kramt in der Mittelkonsole. „Schau, hier ist meine Identycard. Da steht die Adresse drauf." Trenton hält ihm die Ausweiskarte hin. Sie fahren gerade an "Perrys Berries" vorbei, einer Beerenplantage. Sieht so aus, als wären es vornehmlich Erdbeeren.

"Nee nee, mach mal halblang. Ist nicht nötig! Das mit der Adresse meine ich. Bin ja auch kein Kind mehr." Er lächelt wieder etwas. "Sunset-Beach? Hört sich schön an... Ja, ich glaube, das kann ich jetzt gebrauchen. Ist es weit?“ Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu, „Und es macht dir wirklich nichts aus, mich jetzt an der Backe zu haben? Ich meine, hast du denn überhaupt Zeit? Ich kann auch ins Hotel, ist auch nicht schlimm. Echt!"

Trenton kriegt heute wirklich noch einen Grinsemuskelkater. "Zu a): Na ja, was meinst du mit „weit“? Ungefähr eine Autostunde. Also wie mal eben zum Bäcker. Und zu b): Ich hab Zeit genug, das passt schon. Nach der Championship letzten Monat hab ich mir erst mal 'ne Auszeit verordnet. Die Saison war recht anstrengend, da tut das mal ganz gut. Und glaub mir, du störst überhaupt nicht." Trenton lächelt Erc aufmunternd zu.

Trenton´s Telefon klingelt. Er schaut auf das Display und verdreht die Augen. Marc! Oh Mann, der Typ hat ein Timing, das ist ungeheuerlich. Ach komm, Trenton, lass klingeln. Schließlich hast du ihm gesagt, dass DU IHN anrufen wirst, nicht umgekehrt. Es klingelt noch ein paar mal, aber Trenton macht keine Anstalten das Gespräch anzunehmen. Nach einer Weile geht die Mailbox dran. Als es in den Lautsprechern anfängt zu knacken, fährt Trenton kurz zusammen. Die Mithörfunktion hatte er wohl beim letzten Mal nicht ausgeschaltet. "Hey Tren, alte Wasserratte, was war das denn jetzt für ‘ne Aktion? Was ist jetzt mit dem Russen aus Schweden? Haste den klar gemacht? Einer der Kollegen meines Vaters könnte euch helfen? Also, wo soll ich den Bluthund hinschicken? Hast mir echt ‘nen Schrecken eingejagt ... Erzähl mal!... Dieser Typ, ist das ‘ne gei...“ Trenton schaltet hastig das Telefon ab, bevor Marc seinen Satz vollenden kann. Mann, Scheiße! Jetzt nur nichts anmerken lassen, also auf Aussie komm raus weiter grinsen. "Oh Mann, der nervt. Das war Marc, mein Fotograf. Der Typ, der die Bilder im 'Surfers Magazin' gemacht hat. Als du vorhin bei den Cops warst, hab ich ihn angerufen, vielleicht hätte er uns helfen können. Aber es war so laut am Flughafen, dass der bestimmt die Hälfte falsch verstanden hat. Ist eh etwas schwer von Begriff. Und bevor er weiter nervt..." Trenton schaltet das Handy völlig ab. "Sorry, wo waren wir? Ach ja, Sunset Beach. Das liegt an der Westküste, ungefähr in dieser Richtung." Trenton zeigt mit dem Daumen seiner rechten Hand nach rechts hinten und biegt dabei auf den South-Western Motorway Nr. 20 ein.

"Du fängst zum Wintersemester an, hier zu studieren? Darf ich fragen, auf welcher Fakultät?"

Erc ist angesichts der etwas hektischen Reaktion auf den Anruf erstaunt. Was war das nun für ‘n Ding? Erc hatte sowieso so gut wie nix verstanden, da der andere so schnell geplappert hatte. Er zuckt mit den Schultern. Momentan will er eh nur, dass etwas Ruhe in diesen Tag einkehrt. Er hofft am Strand Gelegenheit für ein paar seiner Übungen zu finden und das dort nicht so ein Trubel ist. Er will Trenton aber keine Antwort schuldig bleiben und sagt daher "Ich will Veterinärmedizin studieren."

Trenton ist es nun, der wirklich beeindruckt ist. "Wow. Nicht schlecht. Und so vielseitig. Ich meine... ein Menschendoc muss sich nur mit einer Spezies auskennen, aber ein Tierarzt... Das ist schon etwas komplizierter. Und wie bist gerade darauf gekommen?" Trenton biegt auf den Highway nach Süden ein, geht auf die rechte Spur und gibt Gas.

"Och, liegt wohl in der Familie, meinem Vater gehören einige Tierkliniken in Schweden und er ist auch in der Forschung tätig. Du denkst jetzt sicherlich, dass mein Vater mich dazu getrieben hat, Veterinärmedizin zu studieren, aber nein, das ist wirklich mein Ding. Ich arbeite gerne mit Tieren und ich will mich später mal auf die Zucht usw. spezialisieren. Herr Yogomo ist hier in Neuseeland bei einer der größten Forschungseinrichtung für die Tierzucht. Du weißt schon künstliche Befruchtung und so ... kann recht interessant sein, glaubt man gar nicht..., Genetik usw. Na ja, da finde ich auch nicht alles ok. Bin der Meinung, man sollte der Natur nicht zu sehr ins Handwerk pfuschen. Aber man sollte sich schon auskennen, um Alternativen aufzeigen zu können."

Trenton nickt. Das klingt alles recht durchdacht. "Künstliche Befruchtung? Klingt cool. Und wie geht das?"

Erc grinst breit. "Du nimmst mich auf den Arm!?"

Trenton wird ganz wuschig bei dieser Vorstellung. "Na ja, okay, wie's ohne "Kunst" geht, kriege ich grad noch so zusammen. Aber... ich meine... Wie kommt man an die Eizellen, und das Sperma? Bei einem Elefanten, zum Beispiel. Oder 'nem Pottwal. Stelle ich mir ein wenig... schwierig vor. Hier links ist übrigens der Botanische Garten."

Erc schaut in die ihm gezeigte Richtung. „Na jaaa, ‘nen Pottwal züchtet man jetzt nicht gerade am Fließband... Elefanten auch nicht. Aber denk doch mal zum Beispiel an eure vielen Schafe, glaubst du, die sind ALLE auf natürliche Art entstanden? Ja, oder Pferde zum Beispiel. Wusstest du das ein Hengst circa 200 cm³ mit circa 200 Millionen Spermien bei einer Probe verschießt??? Das hängt natürlich noch von der Haltung, der Zuchtbelastung, dem Alter und natürlich der geschlechtlichen Erregung des Hengstes ab. Joo, hmm, bei Shetlandponys ist es weniger Sperma als bei einem Vollblut!"

Trenton versucht, 200cm³ in Kubikzoll umzurechnen. Bei dem, was er als Ergebnis dabei rausbekommt, ist er zunächst sehr beeindruckt. Neee, echt? Das kann doch nicht. Oder doch? Hm, irgendwo muss er sich superheftig verrechnet haben. Aber was, wenn nicht? Wow. Trenton bekommt heiße Ohren. Die Thematik fesselt ihn jetzt doch sehr.

Erc schaut unschuldig zu Trenton. "Krass, nicht wahr?" Er scheint ein Steckenpferd von sich erwischt zu haben. "Ich war mal bei so einer 'Melkaktion' dabei. Ist schon interessant wie das abgeht." Er lacht, "Vor allem der Hengst", und zwinkert Trenton schelmisch zu. "Aber eigentlich ist es etwas unfair dem Hengst gegenüber."

"Och, wenn er seinen Spaß dabei hat, warum nicht? Dürfte uns ja auch nicht anders gehen." Trenton zwinkert Erc verschmitzt zu. "Fuck, wie lange muss man wichsen, um so ‘ne Menge zusammenzukriegen? Echt krass!"

Erc lacht hell auf. "Oh, was glaubst du, wie lange es dauert bis du ‘nen 200 ml Cola Glas voll hast???" Er lacht noch immer.

Trenton zeigt wieder seine weißen Zähne. "Hm... ‘nen Nachmittag, vielleicht?" Und in Gedanken fügt er hinzu: Wenn du mir hilfst, geht’s schneller, garantiert! Stattdessen wirft er Erc einen heißen Blick zu, halb im Scherz, halb ernst gemeint.

Erc kichert "Nö, schon klar... ihr Kiwis packt das an einem Nachmittag."

Trenton lacht herzlich auf. "Hey, du lernst schnell. Wenn du im Studium auch so fix bist, bist du nach zwei Semestern fertig. Hm, aber es wäre mal echt interessant, herauszufinden, wie lange das dauert. Aus „rein“ wissenschaftlichen Gründen natürlich. Haha, abspritzen für die Wissenschaft, ich hau mich weg!"

"Nee Spaß beiseite, bei einem Erguss verschießt DU ca. 3 - 5 ml deines Spermas. Das ist zwar weniger, aber dafür sind da um die 40 - 600 Millionen Spermien drin." Er überlegt und spricht schnell und professionell weiter. "Ja, wenn du enthaltsam bist und dir Zeit lässt, wird es sicher noch ein wenig mehr. Kommt halt, wie gesagt, auf deine Erregtheit an. Zwischen dem 15. und 60. Lebensjahr hat ein gesunder, durchschnittlich sexuell aktiver Mann, 8.000 bis 14.000 Ejakulationen; jetzt kannst du dir die Anzahl der Cola Gläser ausrechnen!" Erc´s Grinsen ist jetzt etwas sehr dreckig.

"Echt, nur ein Whiskyglas voll pro Schuss? Komisch, mir kam's immer mehr vor. Ähm... 14.000 Abgänge? Hm, ja, die dürfte ich seit letztem Jahr hinter mir haben, grrrr..."

"Angeber!", kommentiert Erc Trenton's Geständnis.

Dieser rutscht unruhig auf seinem Sitz hin und her. Ob Erc seine Aufregung teilt? Geil, wenn's so wäre! "Okaaay...? Ja aber, wie...? Ich meine,... so ein Zuchthengst muss ja wohl abspritzen, damit man an seine Brühe kommt. Steht da der Arzt mit 'nem Eimer hinter ihm und wartet drauf, dass der dann irgendwann mal kommt? Kann ich mir nicht vorstellen. Ich meine... bleibt so ein Viech denn ruhig, wenn man sein "bestes Stück" bearbeitet? Mein Onkel hat mal von einer Stute einen Huftritt verpasst bekommen; da hatte er fast ein Jahr dran zu knabbern gehabt."

"Nee nee, vor den Hengst wird eine paarungsbereite Stute gestellt. Der Hengst darf auch aufsteigen, aber kurz bevor er sein Glied in die Stute rammen kann, hält man ihm so ‘ne Art künstliche Vagina hin. Da herrscht ein Unterdruck, und das Glied wird zusätzlich elektrisch stimuliert. Das geht ein paar Mal hin und her, und irgendwann spritzt er ins Rohr, an dessen Ende der Auffangbehälter sitzt, fast wie bei einer Melkmaschine. Dann wird das Sperma meist gleich tiefgefroren und fertig."

"Hmm..." Trenton lässt sich die Vorstellung dieser Prozedur durch den Kopf gehen und zieht Vergleiche. Hört sich nicht gerade sehr romantisch an, das Ganze. Sie passieren gerade die südliche Brücke nach Pahurehure. "Okay. Krass! Du kennst dich da wohl schon sehr gut aus, scheint mir." Er grinst wieder.

Erc zuckt mit den Schultern. "Mein Vater hat viel in der Pferdezucht zu tun, du weißt schon, Rennpferde und so. Da bekommt man einiges mit! Habe selbst schon mal so ein Teil ausprobiert… Ähm, ich meine ich durfte auch schon mal ran… Nein, ich meine natürlich, dass ich das auch schon mal halten durfte oder besser musste.“ Erc´s Gesicht hat soeben einen zart rosafarbenen Ton angenommen.

Trenton grinst verwegen. "Was, das hast du selbst schon miterlebt?! Boah... Heftig!“ Kurze Zeit gehen ihm nicht ganz jugendfreie Gedanken durch den Kopf. „Okay, das war das Hengst-Melken. Und wie geht das bei den Stuten?" Die Abfahrt nach Papakura zieht vorbei.

Erc gähnt müde und winkt ab. "Sei mir nicht böse, aber wäre es in Ordnung wenn ich kurz mal die Augen zumache? Ich bin echt fertig, evtl. kann ich ein paar Minuten dösen. Wenn es dich wirklich interessiert kann ich dir das später gerne erzählen!? Ist das ok?"

"Ja klar, sorry, hab völlig vergessen, wie lange du schon auf den Beinen bist. Kannst die Rückenlehne gerne flacher einstellen, der Knopf ist vorne links am Sitz." Erc findet den Knopf und stellt sich den Sitz und die Nackenstütze bequem ein. In einem Display blinkt eine gelbe LED auf, und Trenton drückt auf eine Taste am Lenkrad. "Erc", sagt er, und die gelbe Leuchte erlischt.

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