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Wahlschwabe

Teil 1

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Informationen

Vorwort

Ein kleines Vorwort :-)!

Nachdem ich nun fast alle von Euren Nickstories gelesen habe, will ich mich auch mal daran versuchen. Manche dieser Storys habe ich regelrecht verschlungen und langsam fing meine Fantasie an zu blühen. Ich hoffe, ich kann Eurem hohen Niveau gerecht werden und sehe Euren Verbesserungs- und objektiven Kritikanmerkungen mit Freude entgegen. Sendet diese bitte an meine Mailaddy jr2004@freenet.de.

Nun die allgemeinen Anmerkungen. Die Story enthält gewisse autobiografische Züge, also wenn sich einer beleidigt fühlen darf, dann bin ich es :-). Ansonsten ist der größte Teil der Handlung reine Fiktion und sollten sich Personen durch meine Geschichte angesprochen fühlen, dann danke ich Ihnen für die blühende Fantasie, nur gewollt war es von mir nicht :-). Des Weiteren werde ich nicht herumkommen, Abschnitte mit homoerotischen Inhalt zu versehen, in der Fantasie ist vieles möglich, nur brauch sie manchmal einen kleinen Anstoß. Wer sich dadurch unangenehm berührt sieht, sei daran erinnert, dass er nicht zum Lesen gezwungen wurde.

Da Einige von den Autoren recht großen Wert auf »Ihr« Copyright legen, möchte ich dazu auch noch ein paar Worte verlieren. Da ich fast alle Stories gelesen habe, blieben mir natürlich Stellen in Erinnerung, die mir sehr gefallen haben. Daraus entwickelten sich manchmal zwangläufig meine Gedanken. Natürlich habe ich keine wortwörtliche Wiedergabe eingearbeitet, sondern sie waren mir immer nur eine Inspiration. Wenn also Ähnlichkeiten zu entdecken sind, bitte ich das zu entschuldigen, anderseits will ich die deutsche Sprache nicht neu erfinden. Ich habe diese Story eigentlich für mich geschrieben, aber stelle sie gerne Nickstories.de exklusiv zur Verfügung. Wer von Euch Anregungen für eine eigene Storys aus meiner Geschichte ableitet, darf das gerne tun, aber bitte schreibt nicht plump ab :-).

So nun genug der vielen Vorworte und viel Spaß beim Lesen der ersten Kapitel, ich hoffe, meine Storie gefällt Euch.

Euer jR

 

Ein gleichmäßiges Rumpeln drang zu mir vor. Schläfrig öffnete ich meine Augen, da ich dieses Geräusch nicht zuordnen konnte. Mein Blick fiel auf eine schnell vorüberziehende Landschaft und schlagartig wurde mir klar, wo ich war. Ich saß in einem Zugabteil und war in Richtung Südwesten unterwegs. Das Zugrattern hatte mir wohl ein kleines Nickerchen aber vor allem Ruhe verschafft. Nun fingen meine Gedanken wieder an zu kreisen. Der Familienrat hatte beschlossen, dass meine Zukunft in den alten Bundesländern liegt. Zugegeben, ich habe mich nicht so sehr dagegen gesträubt, aber trotzdem ließ ich Teile meiner Familie und meine ganzen Freunde zurück. Aber bevor ich Euch hier weiter meine umwölkten Gedanken preisgebe, muss ich Euch wohl ein wenig aus der Vorgeschichte erzählen, damit Ihr mir nachher folgen könnt.

Meine Name ist Kevin Möller, bin 18 1/2 Jahre jung und wohnte bis vor kurzen in der »wunderschönen« Stadt Brandenburg. Es ist eine alte, dreckige Arbeiterstadt, aber immerhin meine Heimat bzw. sie war es :-(. Vor kurzem habe ich mein Abi gebaut, nicht mal so schlecht (2,3) zur Verwunderung meiner Eltern und bin auf dem Weg zu meiner zukünftigen Lehrstelle. Damit ihr euch eine bildliche Vorstellung von meiner Person machen könnt, noch dieses: Ich bin 185 cm groß, wiege 70 kg, habe dunkelblondes kurzes Haar und blaue Augen (wobei behauptet wird, aber nicht von mir :-), sie seien strahlend blau). Halte mich für recht sportlich, gebt mir einen Ball und ich bin glücklich, egal ob Fuß-, Hand- oder Basketball. Meine Eltern sind schon recht alt (Vater 60 und Mutter 56) und ich bin Einzelkind – schön wärs :-(, bin leider das so genannte Nesthäkchen, da ein ziemlicher Nachkömmling. Ich habe noch zwei Geschwister, einen Bruder, sein Name ist Rayk und er ist schon 36 (könnte eigentlich mein Vater sein) und eine Schwester mit Namen Aileen, die mit 30 auch nicht gerade mehr ein Teeny ist. Mein Bruder ist mit 18 von zu Hause fort, also etwa zu der Zeit, als ich auf die Welt kam und meine Schwester hatte mit 22 auch schon eine eigene Wohnung, somit konzentrierte sich die ganze Liebe meiner Eltern auf mich. So schön das am Anfang auch war, die letzten Jahre war es nur noch nervig, ‚Kevin mach das nicht‘ oder ‚um 22.00 Uhr, mein SOHN, bist du aber zu Hause‘ usw. usw. Mich wundert eigentlich immer noch, dass sie mich haben ziehen lassen. Das Ihr mich nicht falsch versteht, ich mag meine Eltern sehr, nur ihr gluckenhaftes Verhalten zum Schluss war doch ziemlich anstrengend. Anderseits tun sie mir echt leid, denn ich bin jetzt schon ihr drittes Kind, das sie dort zurücklässt.

Okay ich wollte es ja gar nicht, aber wer im Jahre 2003 im Osten Deutschlands eine Lehrstelle sucht, ist ein armes Schwein. Glaubt mir, ich spreche aus Erfahrung, rund 70 Bewerbungen habe ich geschrieben, sogar für Jobs, die ich nie machen wollte, und die beste Antwort war noch ‚Versuchen Sie es doch nächstes Jahr noch mal‘. Mein Vater hat alles versucht, aber seine Bemühungen waren umsonst. Vor 2 Monaten hat dann mein Bruder im sprichwörtlichen Sinne auf den Tisch gehauen, und Nägel mit Köpfen gemacht. ‚Wenn der Kleine hier nichts bekommt, dann bringe ich ihn halt bei uns unter‘ sprach's und keiner wehrte sich, nicht mal die Person um die es ging – nämlich meinereiner. Er ist so ein bisschen der heimliche Boss in der Familie, ihm gelingt fast alles, was er anfasst – der so genannte Mustersohn. Leider schlägt so was auch auf den Jüngsten (nennen wir ihn beim Namen – mich) durch und es hieß immer ‚Nimm Dir ein Beispiel an Deinem Bruder!‘. Wie Ihr eventuell schon gemerkt habt, hab ich im Gegensatz zu meiner Schwester ein eher zwiespältiges Verhältnis zu meinem »Großen« (ist eh fast 10 cm, ok ok eher 5 cm kleiner als ich :-)). Bis zum Alter von 12 Jahren liebte ich ihn einfach abgöttisch (wer hat nicht gerne einen starken großen Bruder), aber danach flaute das ziemlich ab, hängt wohl auch mit meiner persönlichen Entwicklung zusammen. Man muss aber fairerweise ihm gegenüber sagen, dass wir uns nur selten sehen, entweder wenn er nach Brandenburg kam oder bei meiner, oh unserer, Schwester. Mit ihr ist es ganz anders, sie war bis vor 3 Jahre immer für mich da, ob früher als Babysitter oder später als Ansprechpartner. Mit ihr kann ich mich über alles unterhalten, leider ist sie dann nach München gegangen und hat ihr Glück gefunden. Wir telefonieren zwar noch fast jede Woche, aber das ist nicht dasselbe. Ich war auch erst einmal vor Jahren bei meinem Bruder, irgendwie kaspelt er sich ein wenig ab, und wenn wir uns in den letzten Jahren sahen, war er zwar höflich, aber irgendwie reserviert. Tja und wo verschlägst mich nun hin, nach Stuttgart zu ihm, anstatt zu meiner Schwester nach München, so ungerecht ist die Welt :-(. So dies als kleiner Einstieg, ich hoffe, ich hab nix vergessen – oh doch halt, eins noch, ich bin schwul.

Tja da ist es, das ominöse Wort »schwul«. Seit Jahren kämpfe ich mit mir und so richtig eingestanden habe ich mir es wohl erst vor ca. zwei Jahren. Mein Problem ist nur, ich weiß es, ansonsten keiner. Auch wenn die Welt toleranter geworden ist, glaube ich, dass es für jeden ein ziemlicher Schock ist, wenn man seine Schlussfolgerungen daraus zieht, lieber einem knackigen Boy hinterzuschauen, als einer »blöden Tussi« auf den Busen :-). Ich darf gar nicht dran denken, wie meine Eltern reagieren, denn so lieb sie sind, da machen sie einen auf stockkonservativ. Auch deshalb bin ich über meinen Wohnsitzwechsel nicht so böse, ich hoffe auf einen Neuanfang – wäre nur noch der Aufpasser von Bruderherz.

»Hallo, junger Mann müssen Sie nicht in Stuttgart aussteigen????«

Ich schrecke hoch und schaue verwirrt um mich – man schon wieder eingeschlafen. Eine freundliche Schaffnerin steht in der Tür und lächelt mich an.

»Wir sind in 10 min da und halten nur kurz in Stuttgart.« flötet sie mir noch zu und ist schon verschwunden. Ich reib mir erst mal den Schlaf aus den Augen. Die Party gestern, mein Abschied, war doch anstrengender als gedacht :-). Also greife ich mir meine Taschen und schlendere zur Tür. Ein Ruck und wir stehen im Kopfbahnhof von Stuttgart. Auf dem Bahnsteig ist ziemlich viel Betrieb, somit steige ich als einer der Letzten aus. Mein Bruder ist weit und breit nicht zu sehen, tja was nun? Nach ca. 10 min stehe ich mutterseelenallein so herum und werde langsam sauer. Also schnappe ich mir meine Taschen und gehe langsam in Richtung Hauptausgang. Mein Handy kann ich nicht benutzen – Karte leer, so’n Scheiß. Da der Bahnhof aber mehrere Eingänge hat, kann ich mich nicht entscheiden. Ich suche mir eine Bank in der Nähe meines Bahnsteiges und setze mich erst mal.

‚Man der traut sich was‘ fluche ich so vor mich hin. Nicht, dass er mich vorher immer nur wie ein Anhängsel behandelte, jetzt ignoriert er mich auch noch. Ich frage mich langsam, was ich mal so toll an ihm fand. Mein Blick schweift von einem Eingang zum nächsten, einfach nix. Doch halt da kommt jemand, ne das kann er nicht sein, Sportkleidung, ohne Brille – einfach zu sportlich, also wandert mein Blick weiter.

Auf einmal erklingt hinter mir eine strenge Männerstimme: » Na Krümel haben wir uns denn verlaufen??«

Diese Stimme, ich schnappe nach Luft und fahre wütend zu ihn rum: »Was denkst Duuuu ….«. Der Rest bleibt mir im Halse stecken. Da stehe ich nun mit offenem Mund und starre meinen Bruder nur überrascht an. Der Sportler war doch er gewesen. Total verschwitzt, dreckige Sportklamotten und ein breites Grinsen im Gesicht.

»Nun steht unser Nesthäkchen hier in der grooooßen Stadt und bekommt den Mund nicht mehr zu!« Ein spöttisches Glitzern seiner Augen (wow, jetzt sehe ich zum ersten Mal, dass ich nicht der Einzige in der Familie mit strahlend blauen Augen bin) unterstreicht den Scherz, aber mir ist wahrlich nicht danach.

»Du hast es gerade nötig, ich warte hier schon ne halbe Stunde, DAAAS geht ja echt gut los!« fauche ich ihn giftig an. Das hat gesessen, sein Grinsen war wie weggeblasen und sein Blick wird traurig.

»Sorry, man sollte den Freitagsabendverkehr in Stuttgart nicht unterschätzen. Tut mir echt leid« seufzt er und schnappt sich meine Taschen. Upps, was war das denn, eine Entschuldigung von ihm, den Unfehlbaren??? Mir tun meine Worte jetzt schon leid. So gehen wir schweigend in Richtung Ausgang. Rayk humpelte ein wenig, ich musterte ihn verstohlen von der Seite. Man der Kerl sah ja echt attraktiv aus, das Haar stand ein wenig wirr (manche brauchen für so was ne ganze Tube Gel :-)), leicht gerötetes Gesicht und seine Bewegung waren trotz des Humpelns irgendwie geschmeidig. Nee, nicht falsch verstehen, immerhin war er ja fast doppelt so alt, das war nun wirklich nicht mein Fall, aber mir wurde wieder mal bewusst, wie wenig ich doch von ihm wusste.

»Musterung beendet?« hörte ich seine Stimme leise und bemerkte, dass sein Blick auf mir ruhte. Ich fühlte mich ertappt und errötete leicht.

»T'schuldigung« murmelte ich vor mir hin.

Mein Bruder schmunzelte und meinte: »Wenn das so weiter geht, gehen uns irgendwann die Entschuldigungen aus, oder Krüüümmmeeeeell!!!«

Er zog dieses Wort so richtig schön lang und ich schnappte schon wieder nach ihn: »Klar Quasimodo, so wie Du das Bein nachziehst, war der echte Glöckner nur ne Imitation!« Ich war noch nie auf den Mund gefallen, körperliche Auseinandersetzungen mied ich, aber für ein Wortgefecht war ich immer zu haben und kaum zu schlagen.

‚Na der war nicht schlecht, was Brüderchen‘, dachte ich mir noch so und stiefelte an ihm vorbei, da kam schon die Retourkutsche.

Dicht neben meinem linken Ohr hörte ich ihn flüstern: »Nur hatte Quasi nicht so einen niedlichen Bruder, der ziemlich unsicher ist und das mit seiner bekannten großen Klappe überspielen will!« Wums, der hatte gesessen, ich sah ihn sprachlos an. Seine Augen blickten ernst mit wieder diesem gewissen Glitzern in ihnen. Er ließ meine Tasche fallen und reichte mir seine Hand.

»Komm Bruderherz – Freunde?« Seine Stimme war ernst, kein Spott herauszuhören. Ich gab mir einen Ruck und schlug zaghaft ein.

»Gerne« flüsterte ich.

»Ich lass mal die fällige Umarmung, sonst stinkst Du noch genauso wie ich« sagte er mit einem schelmischen Grinsen, nahm die Tasche und ging weiter. Noch etwas, was ich mit ihm gleich hatte, seine Grübchen – sollte das wirklich mein Bruder sein? Ich trottete hinter ihm her, und ein Gedanke fuhr in meinem Hirn Karussell. Hatte er mich wirklich ‚niedlich‘ genannt?? Ich hielt mich immer für simplen Durchschnitt, ok sportlich schlanke Figur aber ein Allerweltsgesicht. So grübelnd kam ich beim Auto an.

Meine Stimmung stieg gleich um ein paar Stufen an, als ich sah, dass mein Bruder mit seinem Cabrio da war. Kurz zur Erklärung, er ist Steuerberater, Teilhaber einer kleineren Kanzlei und kann ganz gut mit Geld umgehen (Aktien und so), das finanzielle in unserer Familie regelt er, von allen – auch meins, da hat sich schon etwas auf meinem »Sparbuch« angesammelt. Wir sind nicht reich, aber auch nicht arm, der Ärmste war noch ich :-( und der Reichste unter uns er. Na ja, aber jetzt mit dem Cabrio bei dem geilen Wetter durch die Stadt zu fahren, nach knackigen Boys schauen, da war sämtliches Grübeln vergessen. Also Sachen verstaut, angeschnallt und ab ging's. Genüsslich ließ ich meine Augen schweifen und schlürfte an einer Coke, die mir Rayk in die Hand gedrückt hat.

»Na Kevin, jetzt noch zwei heiße Bräute aufgabeln und der Abend ist gerettet, was?« schallt es fröhlich vom Fahrersitz. Vor Schreck verschlucke ich mich an meiner Coke und bekomme ein Hustenanfall. Rayk klopft mir auf den Rücken und ich spüren seinen Blick auf mir ruhen. Ich lief rot an, hoffentlich schiebt er es auf meinen Husten.

Er schmunzelt: »So wie Du Dich jetzt bekleckert hast und ich hier rummüffle, bekommen wir eh keine mehr ab!« Zum Glück schweiften wir von diesem Thema ab und er wollte wissen, wie die Fahrt war, meine Party gestern und ob Mutti sehr traurig über meinen Abschied war. So quasselten wir locker vor uns hin und ich grübelte schon wieder, wer war das eigentlich neben mir? Ich kannte meinen Bruder kaum wieder, gut er machte zu Hause auch mal einen Scherz, aber meistens war er ruhig und hielt sich aus allen raus. Früher haben wir viel gespielt miteinander (eigentlich hat er in mir die Liebe zum Ball geweckt), aber in den letzten 5-6 Jahren wurde er immer reservierter. Jetzt war er wie ausgewechselt. Trotz unserer Anfangschwierigkeiten brachte er mich nun zum Lachen.

Ich necke ihn: »Findest den Weg überhaupt ohne Brille, Alter??«

Er blinzelt mich an und fragt erschrocken: »Wer sind Sie überhaupt, kennen wir uns??« Dabei ließ er gekonnt den Wagen schleudern, das meine Gesichtsfarbe eine paar Töne bleicher wurde.

Der Motor heult gequält auf, grienend funkelt er mich mit seinen blauen Augen an und berlinerte: »Keene Angst, meen Kleener, ick werde doch so'nen Prachtexemplar in eenem Stück heil nach Hause bekommen!« Da schon wieder, flirtet er etwa mit mir. Nun wandert meine Hautfarbe von weiß zu rot, und ich wende meinen Blick auf die Landschaft. Schweigend bringen wir das letzte Stück hinter uns. Mein Bruder wohnt in Wolfschlugen, einem kleinen Ort bei Stuttgart. Er war erst vor zwei Jahren dorthin gezogen und ich kannte seine neue Wohnung noch nicht. Vor einem Mehrfamilienhaus fuhren wir in einen Garage, Rayk schnappte meine Klamotten und ging vor. Die Wohnungstür schwang auf und schon waren wir in seinem Reich.

»Willkommen in Deinem neuem zu Hause« begrüßte er mich.

»Komm ich zeig Dir Deine Unterkunft« sagte er und zog mich zu einer Treppe. Wow, die Wohnung hatte zwei Etagen, wir gingen nach oben.

»Also hier oben sind zwei Zimmer, ein Wohn- und ein Schlafzimmer, sowie eine Toilette, das gehört Dir, wenn Du willst, solltest Du aber bei Deinem Bruderaufpasser nicht wohnen wollen, finden wir auch was anderes!«

Ich fiel ihm juchzend um den Hals: »Man das ist der Wahnsinn!!!!« Fast wäre ich innerhalb einer Stunde schon wieder sprachlos gewesen und das wäre Rekord. Im Schlafzimmer ein riesiges Bett und in jeden Zimmer ein TV. Das mein Bruder ein Technikfreak ist, wusste ich ja, aber so was geiles, einfach nur Wow. Die ganze Wohnung war ein Traum, die Küche und Bad waren eine Etage tiefer, ein riesiges Wohnzimmer und sein zweites Hobby ist überall präsent, Bücher wo man hinschaute. Der Hammer war aber sein Arbeitszimmer, da stand ein eigenes Netzwerk (4 Plätze) und das war neben dem Sport mein zweites Megahobby, ich zocke gerne, am liebsten mit Kumpels.

Hinter mir hörte ich ihn leise lachen: »Na Krümel willst die Nacht noch schlafen oder bekomme ich Dich hier überhaupt nicht mehr raus???« Krümel hat er mich früher immer genannt, nur passt das ja heut nicht mehr so sehr, aber bei diesem Anblick verzieh ich ihm sogar diesen Namen.

Ich drehte mich um und strahlte über das ganze Gesicht: »Das ist hier nicht Dein Ernst!« Seine Augen funkelten, aber seine Miene wurde ernst.

Er griff meine Hand und zog mich zum Tisch. »Komm setzt Dich mal Kevin!«

»Oh wird's jetzt doch ernst und Du hältst mir eine Standpauke« rutschte mir so raus. Mist, dachte ich, halt jetzt bloß die Klappe.

Er ging gar nicht darauf ein, setzte sich mir gegenüber und schaute mich an. »Weißt Du, ich kann mir in etwa vorstellen was in Dir vorgeht, kleiner, ähhh, jüngerer Bruder. Auch ich bin mit 18 von zu Hause weg, neues Umfeld, keine Freunde, keine Eltern – ganz allein. Das war nicht wirklich leicht am Anfang. Das will ich Dir ersparen und Dir den Einstieg so leicht wie möglich machen. Ich kann Dir Brandenburg nicht ersetzen, aber versuchen, Dir eine neue freundliche Heimat zu geben. Es wird nicht einfach – für uns beide nicht, aber Du bist mein Bruder und ich bin stolz, das Du den Weg hierher auf Dich genommen hast!« Ich bin eigentlich nicht so dicht am Wasser gebaut, aber da kamen mir doch ein wenig die Tränen, irgendwie fiel eine Last von mir.

Ich schlug die Augen nieder und hauchte ihm nur ein »Danke« entgegen.

Dann spürte ich seinen Daumen auf meiner Wange, sanft entfernte er meine Träne und sagte nur: »Ist ja gut, mein Kleiner, egal was ist, ich bin für Dich da, okay??!!« Ich konnte nicht anders, scheißegal das er immer noch seine Sportsachen anhatte, ich sprang auf und warf mich ihm schon wieder um den Hals.

»Vielen Dank« stammelte ich noch mal.

Nach einer Weile schob mich Rayk von sich, sah ich da auch ne Träne in seinen Augen?? und griente mich an: »Eh Männer weinen nicht!«

»Blödmann« sagte ich nur, aber verzog meinen Mund zu einem Lächeln. Der Rest des Abends ist schnell erzählt, ich war so hundemüde, dass mich nicht mal ein Essen beim Griechen aus dem Haus locken konnte und verschwand ziemlich schnell in mein neues Reich.


Sonnenstrahlen kitzelten mich und die Vögel zwitscherten. Langsam öffnete ich meine Augen. Verblüfft sah ich mich um ‚Wo war ich…??‘ Dann fiel mir wieder alles ein, beschissener Anfang am gestrigen Tag aber ein wundervolles Ende. Mein Bruder hatte mir das Gefühl gegeben, das ich ihm willkommen war. Irgendwie wurde ich aus dem Kerl nicht schlau, wie konnte ein Mensch solche zwei Seiten haben – ich muss mit meiner Schwester drüber reden, kam mir in den Sinn.

Nur mit meiner Short bekleidet, machte ich mich auf ins Bad. Duschen, Zähne putzen, rasieren blieb mir zum Glück noch erspart, denn mein Bartwuchs war sehr spärlich. Außer auf dem Kopf, Achseln und Schambereich war ich eh unbehaart. Ich bog um die Ecke und blieb wie angewurzelt stehen. Mein Bruder kam mir nackt entgegen. Muskulöser Oberkörper, behaart – nicht mein Ding, stramme Schenkel und ein beschnittener Schwanz schwang zwischen seinen Beinen. Meiner reagierte sofort, obwohl er nun wirklich nicht mein Typ war, aber so am frühen Morgen solch ein Anblick – da drehen meine Hormone durch. Rayk bemerkte mich ein bisschen später, rief nur »Scheiße« und lief rot an. Schnell nahm er sein Handtuch von den Schultern und schlang es sich um seine Hüften.

»Guten Morgen« flötete ich und griente ihn frech an.

Er hatte sich wohl gefangen, sein Blick wanderte an mir runter und nun grinste er. »Na wenigstens schien einem die Szene hier zu gefallen und das sehe ich sogar ohne Brille.«

Nun war es an der Zeit, dass ich rot wurde – puterrot. Mein bestes Stück stand wie eine Eins.

Ich schluckte und drückte mich mit einem »Trottel, hab ne Morgenlatte« an ihm vorbei.

Lachend rief er mir noch hinterher »Pinkeln ist in den Zustand aber nicht möglich!« Oh man war das peinlich, dachte ich mir, als ich im Bad war. Schaute so an mir runter und murmelte zu meinem Steifen gewandt ‚Wenn das so weitergeht, kann ich mir gleich »Schwul« auf die Stirn tätowieren!‘. Ich zog mir die Short runter und überlegte kurz, da die Voraussetzungen ja schon geschaffen waren, meinen besten »Freund« aus den einsamen Stunden eine Freude zu machen :-).

‚Ne Dir zeig ich es – mich so bloßzustellen vor meinem Bruder‘ dachte ich mir und sprang unter die eiskalte Dusche. Tja, das Resultat war schlagartig da, nun stand er nicht mehr so vorwitzig herum, aber ich juchzte vor Schreck auf, denn das kalte Wasser vertrieb sofort jede Bettwärme und ich war putzmunter.

10 min später setzte ich mich an den Frühstückstisch. Vor mir stand ein großer Becher Tee und die Brötchen dampften noch im Brotkorb. Mein Bruder konnte es natürlich nicht lassen und schmunzelte: »Na Blutstau beseitigt, das ging aber fix. Hoffentlich bekommt die Putze am Montag nicht einen roten Kopf!«

»Mit einer helfenden Hand wäre es noch schneller gegangen« rutschte mir da raus und mir schoss durch den Kopf ‚Man was sag ich da bloß‘.

Rayk prustete schallend los: »Nicht schlecht, wirklich nicht schlecht Brüderchen, aber führ mich nicht in Versuchung«. Man schon wieder hatte er mich, und dabei dachte ich, ich wäre schlagfertig. Heute trug er eine Brille, aber mir war so, als würde ich dieses Glitzern in seinen Augen sehen. Da ich mächtig Kohldampf hatte, frühstückten wir erst mal schweigend. Die Stereoanlage spielte im Hintergrund und ich konnte mein Blick schweifen lassen. Eine tolle Wohnküche hatte er, der Küchentisch war wie eine Bartheke gehalten und man saß auf superbequemen Barhockern. Also wenn ich mich hier nicht wohl fühlte, war mir auch nicht zu helfen. Rayk stand auf und zeigte mir, wo ich was finden konnte. Er erzählte mir, dass zweimal in der Woche eine Art Haushaltshilfe kam, die saubermachte, die notwendigen Einkäufe für den Kühlschrank tätigte und sich um die Wäsche kümmerte. Wenn ich also spezielle Wünsche hätte, sollte ich es auf den Einkaufszettel neben dem Kühlschrank schreiben.

»Wenn Du Dich aber selbst um die Einkäufe kümmern willst und um die Sauberkeit in Deiner Etage, dann brauchst Du es nur zu sagen, und ich gebe es in Deine treuen Hände« hörte ich ihn zum Schluss. Da mein Mund voll war und ich kräftig am Kauen, schüttelte ich nur vehement den Kopf. ‚Bin ich denn jäck‘ dachte ich bei mir, hier wird man ja zudem noch richtig verwöhnt.

Rayk bemerkte nur süffisant: »Dacht ich es mir doch, dass das der allgemeinen faulen Ader der Möllermänner entgegenkommt!« Ich schaute ihn erstaunt an.

»Na was glaubst Du denn, warum ich solch eine Hilfe hier habe, in der Hinsicht bin ich stinkendfaul – nur einigermaßen aufgeräumt sollte es sein« grinste er mir entgegen. Da ich in Zwischenzeit nur noch an meinem Tee nippte, räumte er alles in den Kühlschrank bzw. Geschirrspülmaschine.

»So Krümmel, ich muss noch ein bisschen was erledigen. Mach Dich hier mal ein wenig vertraut, gegen Mittag bin ich wieder da.« Mein finsterer Gesichtsausdruck ließ ihn stutzen.

»Hm ich glaube, ich muss mir einen neuen Kosenamen für unseren Jüngsten suchen« lachte er auf. ‚Schau an, der Blitzmerker hat es mitbekommen. Na ja, dumm ist er nun wirklich nicht‘ dachte ich mir meinen Teil, aber blitzte ihn nur an.

»Ach übrigens bekommen wir heute Nachmittag Besuch, hätte ich ja beinahe vergessen« warf er mir beim rausgehen noch über die Schulter. Fix war ich von meinem Stuhl herunter und sprintete hinterher.

»WER??« rief ich ihm zu.

»Glaubst Du denn, ich bin der Einzige, der Dich im Süden Willkommen heißen will?« kam von ihm.

Ich grübelte und da kam der Geistesblitz aus den Tiefen meines Hirns »Aileen???« fragte ich erwartungsvoll.

Seufzend sagte er: »Ja, ja wie konnte man Euch nur damals trennen, ein Herz und eine Seele, wahre Geschwisterliebe in höchster Form« und warf mir einen prüfenden Blick zu.

Ich jubelte ihm zu: »Du wirst Dich über Deine Telefonrechnung nach München noch wundern!« Mit einem Knall fiel die Tür ins Schloss. ‚Upps hatte ich ihn mit irgendetwas verärgert‘ überlegte ich kurz, war mir aber gerade egal. Meine Schwester kam heute hierher, wir hatten uns schon seit 5 Monaten nicht mehr gesehen.

Mit einem Grinsen auf dem Gesicht durchstöberte ich die Wohnung. Je länger ich mir das Alles ansah, desto größer wurden meine Augen. Clever eingerichtet, ne Menge Technik und vor allen alles saubequem (Ihr seht, ich bin ein ziemlich Fauler :-)). Ich wurde wie magisch von seinem Arbeitszimmer angezogen. Mal schauen was da an Computern herumstand. Die großen Flachbildschirme gefielen mir und sitzen konnte man auch sehr angenehm. Ein Platz gefiel mir gleich, irgendwie zog es mich dahin – Ich hatte mein »Arbeitsplatz« gefunden :-). Da sah ich, dass ja noch mal ein Zimmer von hier abging. Ein kurzer Blick um die Ecke und mir fiel die Kinnlade runter. Ein riesiger Schreibtisch stand im hinteren Bereich, dahinter eine Schrankwand mit, ich schlenderte näher und verzog das Gesicht, Fachliteratur. Auch hier durfte der Computer nicht fehlen, vom Fernseher und Stereoanlage reden wir erst gar nicht. Ich konnte nicht anders und schwang mich in den Bürosessel und dachte mir so ‚Als Steuerberater lässt sich’s leben‘. Da fielen mir die fünf großen Bilder auf der einen Schreibtischseite auf. Fasziniert schaute ich sie mir an, eine Freundin?? Dazu muss man erklären, dass wir ihn in unserer Familie nur solo kennen und er kam noch nie zu meinen Eltern mit irgendeiner Begleitung. Verblüffung machte sich bei mir breit, auf einem waren wir Fünf abgebildet, auf einem war meine Schwester drauf, aber auf den anderen Drei fand ich mich wieder. Einmal im Alter von ca. 8-9 Jahren einmal mit 14 und ein ziemlich aktuelles, maximal ein paar Monate alt. Ich grübelte, wo er die Bilder nur herhatte, von mir jedenfalls nicht. Eins musste man meinem Bruder lassen, die Fotos waren echt gut, nicht so gestellt, richtig natürlich. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen, auf den Bildern kam ich sehr gut weg – bloß konnte ich das Problem der Herkunft nicht lösen. Nachdenklich verließ ich sein Zimmer, warum hatte er von mir gleich drei Fotos auf dem Schreibtisch. Ich kapierte den Kerl wirklich nicht, hatte ich irgendetwas nicht mitbekommen. Ohne eine Antwort kam mir mein Schwesterherz heute nicht davon, das schwor ich mir.

Oben angekommen, griff ich mir erst einmal meine Taschen und räumte den Schrank ein. Das war schnell erledigt, soviel hatte ich nicht mitgebracht. Dann schlenderte ich in mein »Wohnzimmer«, das hatte ich mir gestern noch gar nicht angeschaut. In der Anbauwand standen ein paar persönliche Sachen von mir (hatte Rayk schon vor Wochen mitgenommen) und mein Blick wanderte weiter zum Fenster. Moment, das war doch eine Tür nach draußen, oder? Neugierig ging ich näher – ne das war nicht wirklich. Vor mir lag eine große Dachterrasse, zum Viertel überdacht, einem großen Gartentisch mit 6 Stühlen, Sonnenschirme, Grill, Liegestühle, Pflanzen und auf der einen Seite stand sogar eine Tischtennisplatte. ‚Na wenn man hier nicht Partys bis zum Abwinken feiern kann‘ grinste ich vor mir hin. Zog mir eine Badeshorts über und legte mich bei dem herrlichen Wetter auf einen Liegestuhl in den Schatten. Eigentlich konnte man sagen, ich war sehr zufrieden über die Umstände hier. Mit dem Gedanken ‚Jetzt fehlst nur noch an einen schnuckeligen süßen Boy an meiner Seite‘ dämmerte ich weg.

Geräusche aus meiner unmittelbaren Umgebung weckten mich. Die Sonne stand ziemlich hoch, der Blick zur Uhr sagte mir, dass ich ca. 2 Stunden geruht hatte. Der Traum, den ich hatte, war nicht jugendfrei, sorry – aber Ihr kommt später noch zu Eurem Recht :-). ‚Na hoffentlich sieht mich so keiner‘ fuhr es mir durch den Kopf. Mein Schwanz stand stocksteif in der Badeshorts und baute ein mächtiges Zelt. Tja zwei Tage ohne »Druckabbau« tun einem 18jährigen nicht wirklich gut.

‚Ach was soll’s‘ grummelte ich, verzog mich ins Schlafzimmer und befreite mich von meiner Hose. Hm welcher Kerl findet sein bestes Stück nicht aufregend, aber ich fand, dass ich mein schönstes Körperteil viel zu oft »verstecken« musste :-). Der Junge aus meiner Träumen, ein schlanker 18jähriger sportlicher Boy, braune Haare (halblang) und niedliche Nase, kleinen Schmollmund und verträumt blickende dunkelbraune Augen unter langen Wimpern. So nun kennt ihr meinen Traumboy, und kaum stellte ich mir vor, wie er sich zu mir runterbeugt – da war es schon passiert. ‚Upps, das ging heute aber schnell und wenig war es auch nicht gerade‘ stellte ich zufrieden fest, angenehme Wärme durchströmte mich. Mit meiner Badeshort entfernte ich das Resultat meiner Bemühungen und ging auf die Toilette, um mich gründlicher zu reinigen. Die Shorts flog gewaschen auf die Terrasse, nen kühlen Kopf muss man danach schon behalten :-).

Von unten hörte ich Stimmen, Moment zwei Stimmen. ‚Meine Schwester‘ fuhr mir durch den Kopf und sprintete zur Treppe. Upps ich war ja noch nackt, so konnte ich ihr nicht unter die Augen treten. Rasch zog ich mir was über und ging zur Treppe.

»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee war« hörte ich meinen Bruder zögernd zu ihr sagen.

»Blödsinn« brubbelte meine Schwester ihn an. »Das ist das Beste was Dir passieren, ne Euch beiden passieren konnte. Ihr braucht Euch gegenseitig, Ihr wisst es nur noch nicht!!« flötete sie triumphierend.

Langsam ging ich die Treppe hinunter. Reden meine Geschwister etwa über mich?

»Wenn Du …« brach mein Bruder mitten im Satz ab und starrte mich an. Irgendwie ziemlich traurig, glaubte ich zu erkennen. Meine Schwester fing sich als Erste von den Beiden und sprang auf. Mit einem Satz war sie bei mir und warf sich an meinen Hals.

»Na da ist ja mein Lieblingsbruder« rief sie und drückte mir einen dicken Kuss auf die Wange. Mein Bruder verdrehte die Augen, aber wirklich fröhlich schaute er nicht aus der Wäsche. ‚Die haben definitiv über mich geredet‘ war ich mir jetzt sicher, aber aus ihnen war nix herauszubekommen, das wusste ich.

Meine Schwester schob mich eine Armlänge von sich und trompete »Mein süßer Fratz sieht ja noch schnuckeliger aus, als ich ihn in Erinnerung hatte!!« Jetzt war es an mir, die Augen zu verdrehen und sie prustete laut los. Ich weiß nicht, ob Ihr das kennt, aber es gibt Menschen, den kann man einfach nicht böse sein. Meine Schwester war solche eine Person, sie betuttelte mich, seit ich denken kann, aber wenn ich mal ein ernstes Problem hatte, war sie schlagartig aufmerksam und half mir, wo es ging, somit ließ ich ihr so Einiges durchgehen.

Prompt grummelte mein Bruder: »Na da hab ich doch den neuen Kosenamen, machen wir aus Krümel nun süßer Fratz, oder hmm … lieber schnuckeliger Fratz!«

»Untersteh Dich, oder…« fauchte ich ihn an.

»Oder waaaaassss« kam lang gezogen von ihm.

»Ich übernehme die Einkaufsliste, dann gibst jeden Tag Salat!« grinste ich ihn an.

»Oh« verzog er sein Gesicht. ‚Karnickelfutter‘ nannte er jegliches Grünzeug zum Essen, ohne ein Stück Fleisch war für ihn jedes Essen Verschwendung – also hatte die Drohung einen sehr ernsten Hintergrund :-).

Meine Schwester strahlte uns an und meinte: »Tja Rayk, da haste wohl eine gleichwertige Lästerschnauze gefunden!«

»Wir werden sehen« lachte mein Bruder. Meine Schwester quetschte mich dann über die letzten Wochen aus und den gestrigen Tag. Komischerweise haute ich Rayk nicht in die Pfanne und ließ nix über seine Verspätung fallen. Er sah mich erstaunt an und ich griente ihn an. Irgendwie war es mir nicht wichtig. Dann schwärmte ich über diese Wohnung und sie lachte mich aus.

»Da kennst Du Deinen Bruder wohl nicht richtig, wenn Dich das erstaunt« sagte sie. ‚Wie Recht Du hast, aber das werden wir heute ändern‘ schwor ich mir. Der Nachmittag plätscherte so dahin mit Kaffee auf der Terrasse. Gegen Abend gingen wir Essen. Wir sind ausgemachte Griechenfans und Aileen schwärmte über Rayk's Stammgriechen. Obwohl ich heute einen gesunden Appetit hatte, schaffte ich nicht alles und es schmeckte himmlisch. Der Abend war viel zu schnell um. Meine Geschwister frotzelten ständig herum, und ich musste mich ziemlich anstrengen, um Paroli zu bieten. So ein Abend hatte ich noch nicht erlebt, aber ich merkte, dass sie sich viel besser verstanden, als ich bisher angenommen hatte. Nur mein Bruder – einfach nur ein Rätsel.

Gegen 23.00 Uhr waren wir dann wieder zu Hause, schauten noch ein wenig fern und verschwanden dann nach und nach auf unseren Zimmern. Meine Schwester schlief bei mir oben, weil das eigentlich der Gästebereich war. Sie im Schlafzimmer und ich auf der Couch im Wohnzimmer. Mein Entschluss kam ins Wanken, sollte ich sie wirklich fragen. Auf einmal klopfte es an der Tür.

Nach meinem ‚Ja‘, kam sie fragend ins Zimmer: »Schläfst Du schon?«

»Nein«

»Was ist los mein Großer« eröffnete sie und schaute mir in die Augen. Tja sie kennt mich fast besser, als ich mich selbst :-). Aber so leicht wollte ich es ihr nicht machen.

»Warum, war doch alles wunderbar«

»Ach komm, mir machst Du nichts vor, ich kenn diesen zweifelnden grüblerischen Blick von Dir ganz gut – nur wieso schaust Du Rayk so an?« Seufzend resignierte ich.

»Er ist wie ausgewechselt« brach es aus mir heraus. »In Brandenburg behandelt er mich immer so kühl und reserviert, die letzten Jahre hatten wir immer weniger Kontakt. Früher hat er wer weiß was mit mir angestellt, aber seit 5 Jahren kennt er mich fast nicht mehr!« Ich holte kurz Luft und sprudelte weiter »Hier bereitet er mir einen echt warmen Empfang, das Haus ist der Hammer und die Krönung, auf seinem Schreibtisch stehen drei Bilder von mir, die er 100% nicht von mir hat – tut mir leid, ich versteh den Kerl einfach nicht!«

Meine Schwester schaute mich ernst an, irgendwie konnte ich das spöttische Glitzern in ihren Augen nicht übersehen. »Tja mein Kleiner – Du hast echt keine Ahnung, wer oder wie Dein Bruder ist, was? Hast Du mal dran gedacht, das ein großer Teil seiner Reserviertheit auf Deine Kappe gehen könnte?« Jetzt war ich baff, ich hatte mit allen gerechnet, aber nicht damit.

Erschrocken sah ich sie mit großen Augen an: »Auf meine Kappe??«

Sie nickte leicht: »Seit Du 14 bist, hast Du ihn ein paar Mal ganz schön abgebürstet, so das ihm schnell klar wurde, dass Eure Interessen doch nicht so dicht zusammen lagen und Du langsam erwachsen wurdest. Natürlich ist er 18 Jahre älter als Du, aber wie Du ihm das manchmal gezeigt hast, war nicht fein. Da ist mein großer Bruder aus alter Erfahrung sehr sensibel und hat sich ausgeklinkt.«

Ich hatte auf einmal einen total trockenen Hals und wollte gar nicht mehr wissen.

»Mehr Worte will ich darüber gar nicht verlieren, das müsst Ihr unter Euch klären. Eine Lanze will ich aber für meinen, hm unseren älteren Bruder brechen, einen besseren Freund als ihn, WENN Du seine Freundschaft gewinnst, kannst Du nicht finden. Ich kenne ihn da genausogut wie Dich. Und übrigens hat er wie ein Löwe gekämpft, dass Du hierher kommst, denn die Eltern wollten Dich unter keinen Umständen gehen lassen. Es gab mächtig Stunk zu Hause.« Sie sah mich an und bemerkte, wie es in mir arbeitete und das ich alleine sein wollte.

Im Hinausgehen warf sie mir noch zu: »Die Bilder hat er übrigens von mir. Ein schöneres Geschenk, da bin ich mir sicher, hab ich ihm noch nie gemacht!«

Da saß ich nun allein und mir schwirrte mein Kopf. Das lief ja nicht mal annähernd so, wie ich es mir gedacht hatte. ‚Lag der schwarze Peter wirklich bei mir‘ grübelte ich. Meine Schwester ist ja total lieb, aber wenn sie einen Standpunkt hatte, dann flunkerte sie nicht rum, sondern vertrat den auch und auf ihre Beobachtungsgabe konnte ich mich bis jetzt immer verlassen. Ich wälzte meine Gedanken in meinem müden Hirn hin und her, aber zu einem Ergebnis kam ich nicht. Noch angezogen warf ich mich auf die Couch, nur der Schlaf wollte mich nicht übermannen. So nach und nach fielen mir ein paar kleinere Geschichten ein, wo ich nicht auf seine Vorschläge eingegangen bin bzw. ihn nicht beachtet habe. Aber warum hat er dann so darum gekämpft, dass ich zu ihm nach Stuttgart komme. So problematisch hatte ich meinen »Umzug« gar nicht gesehen, nun war mir jedoch klar, warum mein Bruder vor 3 Wochen ziemlich kurz angebunden war und sehr wütend von meinen Eltern wieder losfuhr. ‚Zum Glück hab ich mich nicht auch noch dagegen mit Händen und Füssen gewehrt‘ ging mir noch durch den Kopf, denn wenn uns was nicht passt, dann haben wir Möller's einen richtigen Dickkopf, aber das werdet Ihr noch merken :-). Mit diesen Gedanken dämmerte ich doch ein wenig erleichtert ein, denn mir gefiel es hier schon nach nur 1 ½ Tagen recht gut, und so wie mir mein Bruder jetzt gegenübertrat, konnte ich ihn echt wieder lieb gewinnen.


Meine Nacht verlief nicht wirklich ruhig, meine Gedanken kreisten immer noch. Ich warf mich auf der Couch hin und her, vielleicht war ja auch das gestrige Fressgelage daran schuld :-). Jedenfalls ging dann um 7.30 Uhr gar nichts mehr und ich schwang mich aus dem Bett (ohje und das am Sonntag). Ich hangelte mich mehr oder weniger ins Bad, mein Spiegelbild wollte ich wirklich nicht sehen – so sprang ich gleich unter die Dusche. Na ja so 15 min Duschen mit warmen Wasser bewirken Wunder und ich verließ die Duschekabine recht munter. Nur mit einer frischen Shorts bekleidet, in meinen Klamotten hatte ich ja großzügiger Weise geschlafen :-( und wanderten sofort in die Wäsche, schlenderte ich in die Küche. Da saß schon mein Bruder und schaute überrascht von einer Zeitung hoch.

»Na schon munter« schmunzelte er.

»Nicht so richtig, aber irgendwie war das eine unruhige Nacht!« brummelte ich.

»Ging mir nicht anders, nach diesen Abendessen mit unserer Schwester, macht mein Magen immer Purzelbäume« erklärte er mir und etwas leise, fast geflüstert kam hinterher: »Außerdem musste ich über jemanden nachdenken«. Ich hätte es fast nicht gehört, so leise sagte er dies, aber ich bin mir sicher, dass ich es nicht nur geträumt habe.

»Tja Teewasser hab ich nun noch nicht heiß gemacht, da ich nicht mit dem süßen, schnuckeligen Fratz um diese Zeit gerechnet habe« grinste er mich an.

Sofort war ich hellwach und stichelte meinerseits: »Welchen Saaaaalat hätte der Heeeerr gerne???«

»Fleischsalat!!« kam es prompt von ihm. ‚Also meinem Bruderherz war wirklich schwer beizukommen‘ dachte ich so bei mir, aber wir waren erst gerade dabei, uns gegenseitig auszuloten.

Ich nickte zu seinem großen Pott dampfenden Kaffee und meinte »So ein Wachmacher wäre mir jetzt lieber!«

»Hm, da werd ich mal den großen warmherzigen und spendablen Bruder spielen und Dir meine zweite Tasse anbieten« kam es von ihm und sein Kopf deutete nach hinten zur Kaffeemaschine.

»Mit dem Frühstück warten wir wohl noch auf den Langschläfer der Familie, vor 11.00 Uhr wird sie aber nicht auftauchen« schlug er vor.

»Okay«, an Essen konnte ich überhaupt noch nicht denken. Schweigend tranken wir unseren Kaffee, ich griff mir einen Teil der Zeitung und stöberte nach dem Sportteil. Na einer Weile störte mich irgendetwas, ah jetzt hatte ich es, es war auf einmal so ruhig, zu ruhig. Rayk raschelte nicht mehr mit seiner Zeitung. Ich schaute auf und sah meinen Bruder zurückgelehnt auf dem Stuhl, mich intensiv musternd. Wow diese Augen - wenn ein Blick ausziehen könnte, so wäre es dieser – nur war ich schon nackt, bis auf meine Short.

‚Na warte, Großer, Dir zeig ich es‘ dachte ich mir, stand grinsend vom Hocker auf, drehte mich einmal um die Achse und fragte: »Bin ich so akzeptiert, oder muss ich Dir mein geheimes Tattoo auch noch zeigen??« Upps, das war wohl zu heftig, mein Bruder lief dunkelrot an, sein Blick wurde, ne das glaub ich einfach nicht, unsicher und seine Tasse knallte auf den Tisch. ‚Oh scheiße, wieder voll ins Fettnäpfchen getreten‘ verfluchte ich mich, ich fand einfach keinen richtigen Zugang zu ihm.

Ich murmelte nur »Ich werf mir mal kurz was über« und verließ fluchtartig die Küche. ‚Mist, Mist‘ ärgerte ich mich, warum machte ich ihm gegenüber eigentlich fast alles falsch, was sollte das nur werden, wenn wir ein paar Wochen zusammen waren.

Anständig bekleidet, suchte ich nach ihm. In seinem Arbeitszimmer fand ich ihn dann über den Computer gebeugt.

Er schaute kurz hoch und meinte ziemlich förmlich: »Setz Dich bitte mal, bin gleich soweit«. Ich ließ mein Blick wandern und stockte. Da standen nur noch zwei Bilder, wo gestern fünf waren – ohne sie von vorne zu sehen, wusste ich gleich, welche fehlten. ‚Tja Kev, das haste Dir wohl selbst zu zuschreiben‘ seufzte ich leise vor mir hin.

»Bitte?« hörte ich leicht irritiert seine Stimme.

»War nix – soll ich warten, möchtest Du etwas von mir« flüsterte ich.

»Gleich« kam es ziemlich trocken von ihm. Dann richtete sich mein Bruder auf und schob mir zwei Umschläge über den Tisch. Sein Blick streifte mich nur, wich mir eigentlich aus und suchte einen Punkt in meinem Hintergrund.

»Ein paar Sachen müssen wir trotz allen klären. Du bist über 18, kannst also machen, was Du willst. Da ich mich aber für Dich verantwortlich fühle und Du in meiner Wohnung wohnst, möchte ich Dir ein paar Regeln vorschlagen, die vielleicht diskussionswürdig sind, aber kaum verhandelbar« erklärte er mir verdammt nüchtern.

» 1. Ich akzeptiere keine Lügen, wenn wir nicht ehrlich zueinander sind, können wir es gleich lassen. 2. Deine Ausbildung hat erste Priorität, Ausrutscher sind nicht auszuschließen, ein Abschluss ist Pflicht – nach Deinen bisherigen schulischen Leistungen erwarte ich sogar mind. eine Drei. 3. Du kannst in dieser Wohnung machen, was Du willst, aber mein Arbeitszimmer ist tabu, sowie Partys sind mit mir vorher abzuklären. 4. Das Netzwerk im anderen Zimmer steht Dir zur Verfügung, ins Internet kommst von da auch. 5. Sollte es sich ergeben, dass Du über 22.00 Uhr von zu Hause fortbleibst, möchte ich wissen, wo Du bist und das bitte vor 22.00 Uhr. 6. Freunde von Dir würde ich gerne erst vorher kennen lernen, bevor sie hier durch die Wohnung streifen und 7. Jegliche Art von Drogen ist in diesen vier Wänden tabu.« Sprach er sehr geschäftsmäßig, fast kalt.

Dann wies er auf die Umschläge und meinte abschließend: »In dem einen findest Du die Haustürschlüssel, in den anderen habe ich Dir eine Telefonkarte für Dein Handy reingelegt, damit Du auch anrufen oder eine SMS schicken kannst, außerdem habe ich Dir etwas Taschengeld hineingetan, damit Du die nächsten Wochen über die Runden kommst!« Sein Blick streifte mich noch kurz, wenn er bemerkte, wie geschockt ich war, zeigte er es nicht, stand auf und ging raus.

Ich saß da wie so ein Häufchen Unglück, meine Finger hatten sich ineinander verkrampft. Nicht dass ich die Regeln nicht akzeptieren konnte, da war ja nix Schlimmes dran. Aber die Art und Weise seines Vortrages war echt der Hammer.

‚Verdammt, jetzt war ich wohl erst richtig angekommen‘ fuhr es mir durch den Kopf und nun wollte ich bloß wieder weg. Wie konnte ein Mensch nur so unterschiedliche Seiten haben. Da waren seine brüderlichen Züge in den letzten zwei Tagen, wofür ich ihm so dankbar war und jetzt das wieder, Brandenburg hatte mich schneller ein, als mir lieb war. Ich riss die Umschläge auf, nahm meinen Schlüssel raus sowie die Telefonkarte. In dem Umschlag lagen noch 500 EUR, aber die ließ ich drin und schrieb mit einen Stift nur rauf ‚Ich akzeptiere Deine Regeln, aber … KAUFEN LASSE ICH MICH NICHT!‘ Mein Schock verwandelte sich langsam in Wut. Sollte er doch seine Launen an anderen rauslassen. Etwas zitternd stand ich auf, und fasste ein Entschluss. Ich wollte mich durchbeißen, aber bestimmt nicht rumschubsen lassen. So stiefelte ich etwas gefasster zur Wohnungstür. Mein Bruder saß im Wohnzimmer, sah kurz auf und las dann weiter.

»Wohin« hörte ich ihn.

»Nur noch raus« fuhr ich ihn an.

Er sah erstaunt auf, sah mich an und runzelte die Stirn »Was ist mit D….«

»Lass es einfach, Du blickst es eh nicht« unterbrach ich ihn und schmiss die Tür hinter mir zu.

Ich hatte gestern ein Fahrrad in der Garage gesehen, schnappte es mir und strampelte mir die Wut aus dem Leib. ‚So ein Arsch‘ dachte ich bei mir und wurde immer wütender. Führte sich auf wie ein Idiot, und meine Schwester meint ernsthaft, dass ich seine Freundschaft erobern sollte. Wer versetzt mir denn hier immer einen Dämpfer und sie meinte auch noch, die Ursache läge bei mir. Von wegen, ich hatte mir heute Nacht wirklich vorgenommen, einen Neuanfang zu wagen und dann diese kalte Stimme. Nach einer halben Stunde körperlicher Schwerstarbeit auf dem Rad und ständigen Rumbrubbelns, fühlte ich mich viel besser. Irgendwie kam mir der Gedanke ‚Worüber regst Du Dich eigentlich auf, war ja sein bekanntes Auftreten – wenn da nur nicht sein Verhalten der letzten Tage wäre‘.

Man, wo war ich nur, die Gegend total unbekannt, links und rechts nur Wald. Ich fuhr ein Stück zurück, sah eine kleine Anhöhe mit einer Bank unter Bäumen. Darauf hielt ich zu, stellte das Rad an einen Baum und setzte mich.

‚Wow, was für eine Aussicht‘ staunte ich. Vor mir breitete sich ein Tal aus, ein Fluss floss durch das Städtchen. Ich bin ja ein Flachländer und meine Welt ist das Wasser, aber diese Hügel waren schön anzusehen. So genoss ich nur die Aussicht und dachte einfach mal über nichts nach. Unter mir kam jemand mit einem Auto den Hügel hochgefahren. Ich runzelte die Stirn ‚Münchener Nummerschild‘. ‚My Sister, verdammt die findet mich immer wieder‘.

Sie stieg aus und kam den Rest hoch geschlendert. Setzte sich einfach neben mich und schwieg. Ich schaute sie an, aber ihr Blick schweifte über das Tal. ‚Kaum verändert und doch immer wieder ein wunderschöner Anblick‘ seufzte sie auf.

Ich sah sie erstaunt an: »Du kennst diesen Ort?«

Mit traurigen ernsten Augen sah sie mich an. »Wenn Du nur wüsstest, wie ähnlich ihr Euch seid!«

»Wie BITTE« kam es etwas laut von mir.

Ohne darauf einzugehen, vertraute sie mir an: »Ich hab ihn ‚Grübelhügel‘ getauft, denn hier hab ich ihn immer gefunden, wenn er etwas überdenken musste!«

Ich glaubte nicht, was ich da hörte. »Weißt Du was ER gemacht hat« fuhr ich auf.

»Ich hab Deinen schriftlichen Kommentar gelesen und den Rest Rayk aus der Nase gezogen, den Kopf hab ich IHM schon gewaschen, aber mein KLEINER BRUDER jetzt bist Du dran!« sagte sie ziemlich sauer. »Ich hab Dich gestern Abend gebeten, dass Du seine Freundschaft erringen sollst. Das war MIR sehr ernst«

»Aber er will doch gar nicht« flüsterte ich ziemlich kleinlaut.

»Nur mit Deiner großen Klappe und Deinen dummen Bemerkungen wird Dir das auch nicht gelingen« sagte sie sehr zornig und fügte etwas besänftigt dazu »Ich weiß sehr gut, dass Du anders kannst – ihm brauchst Du nix beweisen!«

»Das ist nicht fair, ich wollte es wirklich versuchen« gab ich trotzig zurück.

»Nur Versuchen reicht nicht, mein Großer« kam es von ihr. Dann drehte sie sich weg und flüsterte: »Ihr müsst Euch zusammenraufen, wenn Ihr Euch auch noch bekämpft, sitze ich zwischen allen Stühlen«

Meine Wut war wie weggeblasen, denn ich hörte die Tränen aus ihrer Stimme raus.

Ich nahm ihre Hand und sie schaute mich an: »Versprich mir, dass Du es wenigstens ernsthaft versuchst, mein kleiner großer Bruder« beschwor sie mich mit Tränen in den Augen.

»Ja ich verspreche es Dir hier und jetzt auf diesen Grübelhügel und wenn ich dazu ein Problem hab, frage ich Dich, bevor ich wieder mit den Kopf durch die Wand will« gelobte ich ihr feierlich. Ein kleines Lächeln streifte ihr Gesicht. So saßen wir noch eine Weile und genossen die Aussicht. Auf einmal knurrte mein Magen. ‚Oh nein‘ dachte ich.

Aileen grinste mich an und meinte: »Na unsere Familienraupe hat Hunger, los lass uns zurückfahren«. Wir verstauten das Fahrrad im Auto und fuhren zurück. Ein wenig Bammel bekam ich schon auf dem Rückweg, wie wird Rayk reagieren.

Ich schaute wohl ziemlich bedrückt drein, meine Schwester drückte meine Hand »Keine Bange, ich beschütze Dich« Da musste ich doch schmunzeln.

Zu Hause erwartete uns schon ein phänomenales Frühstück, nur mein Bruder war nicht zu sehen. Ich sah meine Schwester fragend an, aber sie zuckte auch nur mit der Schulter. Da sah ich, dass nur für zwei Personen gedeckt war. Auf dem einen Frühstücksbrett stand eine Rose, meine Schwester setzte sich an diesen Platz. Sie zog laut hörbar die Luft ein. Über ihre Schulter schauend, las ich ‚Danke, ohne Dich wären Deine Brüder nur die Hälfte wert!‘.

Da sah ich auf meinem Platz auch einen Zettel. ‚Mein Krümel ist für mich UNBEZAHLBAR‘ stand das in großen Buchstaben geschrieben, wobei das Wort Krümel mehrmals nachgemalt war, dies entlockte mir nun einen erstaunten Ausruf und meine Schwester kam rüber.

»Upps« kam es von ihr, das schien sie auch zu überraschen. Jedenfalls hoben diese Worte meine Stimmung unmerklich – ‚Vielleicht war es doch nicht so schwer‘ seufzte ich.

Der Hunger übermannte uns und wir griffen ordentlich zu. ‚Wo war nur mein Bruder‘ ging es mir durch den Kopf. Fast gleichzeitig mit meinem Gedanken, sprang die Wohnungstür auf und mein Bruder trat total verschwitzt in die Küche.

»Das hab ich gebraucht – Sport macht den Kopf frei« grinste er uns an. Meinem Blick wich er aber immer noch aus. ‚War ihm etwa genauso unwohl wie mir‘ dachte ich ziemlich erstaunt. Er drückte unserer Schwester einen Kuss auf die Wange und ich hörte ihn leise flüstern: »Danke, meine Kleine«. Dann straffte er sich und kam auf mich zu.

»Du, Rayk …« versuchte ich zaghaft.

»Moment« unterbrach mich mein Bruder sanft. »Ich möchte mich bei Dir entschuldigen, ich bin manchmal ein riesengroßer Trottel«. Diesmal wich mir sein Blick nicht mehr aus.

»Ich erwarte von Dir ziemlich viel, dass ist mir klar, aber wenn ich mich nächstes Mal so bescheuert benehme, möchte ich, dass DU mir in den Ar… trittst und wir das gleich klären, okay??« schaute er mir traurig fragend in die Augen. ‚Man der Typ macht mich wahnsinnig, wie konnte ein Mensch so gut auf meinen Gefühlen hoch und runter spielen‘ dachte ich mir. Ich konnte nur nicken, meine Stimme hätte wohl nicht so sicher geklungen.

»So meine lieben anstrengenden Brüderchen, so einträchtig, friedlich und niedlich will ich Euch immer sehen, herzallerliebst« flötete der weibliche Teil des Geschwisterdreierlei's. Wir grienten uns beide unsicher an und stürzten uns auf sie, um sie durchzukitzeln. Völlig außer Atem prustete sie nach ein paar Minuten »Habt Erbarmen«.

»Ich geh mich frischmachen« sagte mein Bruder und verschwand.

Aileen sah mich an und meinte »Wird schon«.

»Ich wünsch es mir ja auch, ehrlich, aber ich werde aus ihm nicht schlau!« antwortete ich ihr.

»Ist ganz einfach, so wie Du nur doppelt so alt« grinste sie mich an, »warum glaubt ihr denn, hab ich Euch beide so in Griff, bei Euch wirken die gleichen Tricks.«

»Tricks also« hakte ich nach.

»Dummkopf, ihr seit beide eigentlich sehr pflegeleicht, man sollte nur wissen, wie man Euch nehmen muss!«

»Dann verrat mir Deine Triiiicks« forderte ich sie auf.

»Ne, ne, mein Bruderherz, die musst Du alleine rausfinden. Aber einen Tipp gebe ich Dir. Versuch um Himmelswillen ihn nie anzulügen, so was nimmt er sehr persönlich« sagte sie zum Abschluss noch ziemlich ernst. Aus ihrer Stimme hörte ich, dass das Thema damit für sie erledigt war.

So saß ich wieder mal grübelnd herum. Mein Bruder sollte so sein wie ich. Kaum zu glauben, irgendwie konnte ich mir ihn nicht jung und jugendlich vorstellen, nicht übermütig, rotzfrech oder auch bestimmt nicht … schwul. Oh man das war er 100% nicht, stell Dir einen ‚Muster-Hetero‘ vor, dann ist das mein Bruderherz, oder? NEIN, dies konnte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen.

Den Vormittag verbrachten wir dann auf der Terrasse. Rayk und ich waren ziemlich ruhig, wir beschnupperten uns wohl doch intensiver, als die letzten Tage. Meine Schwester schien das nicht zu stören und führte die Unterhaltung ganz gut alleine.

»Weißt Du eigentlich, wo ich unseren Jüngsten gefunden habe???« fragte sie meinen Bruder.

Rayk sah sie prüfend an und meinte lapidar: »Ganz klar auf Deinen so genannten Grübelhügel«

Meine Schwester sah mich triumphierend an und mir viel die Klappe runter: »Wie konntest Du das wissen?« fragte ich ihn.

»Junior, wir haben dieselben Gene, außerdem wenn der Familienpsychloge mich so provozierend fragt.« Machte er einen auf wegwerfend, wenn seine Augen nicht so belustigt geglitzert hätten, hätte ich ihm die Teilnahmslosigkeit glatt abgenommen.

»So Ihr beiden Hübschen, lasst Eure Schwester noch ein zwei Stunden in der Sonne ruhen, damit ich nachher fit für die Rückfahrt bin« sprachs und schob ihren Stuhl in den Schatten.

»Und was machen wir« fragte Rayk leicht vorwurfsvoll. Mein Blick wanderte sehnsüchtig in Richtung Wohnung, ich hörte die Computer förmlich rufen. Mein Bruder sah den Blick und grinste breit.

»Komm Kevin, nun haste schon zwei Tage stillgehalten, musst ja Entzugserscheinungen haben vom Compu.« Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und stürmte los.

Ich eroberte meinen favorisierten Platz und schaltete alles an. Mein Bruder erschien und murmelte: »Das war ja klar«. Die Zeit verging wie im Fluge. Ich spiele gerne Strategiespiele und Ego-shooter, mein Bruder Strategiespiele und Wirtschaftsimulationen. Mein Bruder spielte die Strategiespiele lieber im Kooperationsmodus, ich dagegen eher gegeneinander. Bei den Ego-shootern sah er keine Sonne, obwohl ich sehr wohl mitbekam, dass er nur mir zuliebe versuchte, halbwegs Paroli zu bieten. Bei den Strategiespielen war das was ganz anderes, ziemlich eng, aber ich musste zum Schluss anerkennen, dass er ein Tick besser war.

Ich schaute doch wohl ein wenig depri drein. Da hörte ich ihn sagen: »Kopf hoch Krümel, ich hab auch 18 Jahre Vorsprung.«

Von der Tür kam lachend: »Nenn ihn nicht immer Krümel, sonst bin ich hier öfter zum Schlichten als mir lieb ist.«

»Obwohl wenn ich das hier sehe, lieber Kevin, dann haste aber einen riesen Stein bei Deinem Bruder im Brett!!!« Ich sah sie sehr erstaunt an.

Rayk wusste wohl gleich Bescheid und mit etwas dunklerer Gesichtsfarbe rief er noch: »Aileen, bitte nicht!« Aber zu spät.

Sie baute sich vor ihm auf, wandte sich zu mir und trompetete: »Auf diesen Platz darf ich nicht mal sitzen, das ist sein absoluter Lieblingssessel mit entsprechend eingerichteten Computer, da ist er EIGENTLICH ziemlich rigoros!!!!«

Mein Bruder stand auf und sagte mit strenger Stimme: »Lass das bitte!« Meine Schwester zog eine Grimasse, worauf er zu mir kam und eine Hand auf meine Schulter legte.

»Oh, ich fand diesen Platz nur einfach geil und saubequem« bemerkte ich doch nun etwas schüchtern.

»Geschenkt, ich überlass Dir diesen Platz gerne, aber gib damit nicht an« lachte er. Einen Moment später beugte er sich zu mir runter und flüsterte in mein Ohr: »Aber nur wenn Du mir mal Dein Tattoo zeigst, Brüderchen!«

Ich wurde knallrot und stotterte: »Waaasss??« Mein Bruder griente, seine Augen blitzen auf und mit der Hand fuhr er mir durch die Haare.

Aileen schaute ziemlich verständnislos in die Runde und brummte: » Ich will gar nicht wissen, was er Dir zugeflüstert hat, Kevin!«, obwohl ihre Augen etwas anderes verhießen.

»Kommt lasst uns noch Kaffee trinken, dann muss ich zurück nach München« sagte sie und verschwand in Richtung Küche.

Ich wollte alles ausmachen, da meine Rayk nur »Lass an, wir brauchen doch nachher auch noch Beschäftigung!«

»Hast Du dem Kleinen eigentlich schon gesagt, was ihn nächste Woche erwartet?« eröffnete meine Schwester uns in der Küche.

»Oh, das hab ich fast vergessen« antwortete mein Bruder. ‚Was hecken die Beiden jetzt schon wieder aus????‘ überlegte ich und mein Blick wanderte von einem zum anderen.

»Also, da Du nächste Woche eh nur hier herumgammeln würdest, haben wir gedacht, Dir etwas Beschäftigung zu verschaffen!!« griente mein Bruder mich an. ‚Oh nein, bitte keine Ferienarbeit, lasst mir doch meine letzten Schulferien‘ seufzte ich gequält. Nicht das ich das Geld nicht gebrauchen könnte, aber ich bin relativ sparsam und kam mit meinem Taschengeld sehr gut aus. Außerdem hatte ich ja noch zwei ältere Geschwister, die mir ziemlich oft mal was zusteckten :-).

»Keine Bange mein Fratz« lachte meine Schwester »etwas, was Dir wohl Spaß machen könnte und auch ganz nützlich ist!« Mein Gesicht war wohl ein einziges Fragezeichen. Aileen sah meinen Bruder auffordernd an.

Er blockte gleich ab: »Bin ich bescheuert, das verklickere ihm mal schön selbst, ich muss mit seinen Launen dann lange genug leben!« ‚Du hast es nötig über Launen zu referieren‘ fuhr es mir durch den Kopf.

»Okay, wir haben uns entschlossen, dass Du endlich Deinen Führerschein beendest!« erklärte meine Schwester. Ich hatte ja mit vielen gerechnet, aber damit nicht. Kurz vor meinem 18. Geburtstag hatte ich meine schriftliche Prüfung erfolgreich abgelegt und danach auf Grund eines Armbruches nicht die nötigen Fahrstunden samt Prüfung ablegen können. Dann kamen die Abiprüfungen, so dass alles liegen geblieben war.

»Hm, und wenn ich gar keine rechte Lust habe« meinte ich halbherzig.

»Papperlapapp, Du machst ihn und basta« kam ziemlich ernst von meinem Bruder. ‚Oh nein, nicht schon wieder diese Stimme‘ dachte ich und sah ihn erschrocken an. Er musste sich das Lachen ganz schön verkneifen und seine Augen blitzten spöttisch.

Auch meine Schwester war zu ihm herumgefahren, sah sein unterdrücktes Lachen und schimpfte mit ihm: »Wenn Du so den Firmenboss heraushängen lässt, kann einem Himmel Angst und Bange werden, heb Dir das für die Firma auf!!« ‚Ah war ich also nicht der Einzige, dem dieser Rayk nicht geheuer war und überhaupt nicht behagte‘.

»Ist ja schon gut, Ihr Beiden« redete mein Bruder beruhigend auf uns ein.

»Wir haben uns das so gedacht, Du ziehst das in der einen Woche durch, Deine Fahrprüfung ist am Samstag. Ich habe alles mit der Fahrschule besprochen, und Du fährst jeden Tag ein paar Stunden – wenn Du natürlich immer nur auf dem Beifahrersitz des Cabrios sitzen willst, dann blas ich das morgen früh gleich ab!!« kam neckisch von ihm.

»Bin ich denn blöd, natürlich mach ich es« grinste ich sie an.

»Und wenn Du brav bist und alles ordentlich hinter Dich bringst, darfst Du diesen Umschlag öffnen« flötete meine Schwester und gab mir einen dünnen Briefumschlag. Hatte ich schon erwähnt, dass ich sehr neugierig bin und nun brannte der Umschlag wie Feuer in meinen Händen. ‚Man was haben sie sich denn da wieder ausgedacht, diese Beiden machen mich noch irre, wäre ich doch nur ein Einzelkind!!‘ grinste ich vor mir hin.

Somit war die Sache abgemacht, genaueres erklärte mir mein Bruder im Anschluss und wir genossen zusammen noch die letzten Minuten. Dann musste meine Schwester leider zurück nach München. Jetzt wurde mir doch ein wenig mulmig zumute, was sollte werden, wenn wir beide alleine waren – bis jetzt war sie immer so ein wenig der Katalysator zwischen uns. Sie verabschiedete sich von meinem Bruder.

Mütterlich ernst meinte sie zu ihm: »Wehe Du ärgerst meinen süßen Fratz über die Maßen, ich bekomm es eh raus!!!« und besänftigend flüsterte sie noch »Denk bitte dran, er ist um einiges jünger als Du.« Schief grinsend gab er ihr einen Abschiedkuss. Dann kam sie zu mir.

»Ruf mich an, wenn er zu sehr den Erzieher raushängen lässt, dann bin ich ruck zuck hier« mit diesen Worten umarmte sie mich, drückte mir einen Schmatzer auf die Wange und flüsterte mir ins Ohr: »Wird schon mein Kleiner, keine Bange!«

Dann waren wir allein. Wir musterten uns ein wenig unsicher, aber Rayk legte mir seinen Arm um die Schulter und meinte: »Komm lass uns zocken gehen, ich muss Dir noch die eine oder andere Abreibung verpassen!«

»Na klar, wovon träumst Du nachts« warf ich ihn an Kopf. Im Wohnzimmer stellte ich den Brief auf den Kaminsims und guckte ihn schmachtend an.

»Na Krümel, kannst Du Deine familienbekannte Neugier eine Woche lang bezähmen???« lachte er mich an.

»Rayk, bitte lass das Krümel, da komme ich mir so kleinkindmäßig vor« bat ich ihn.

»Eigentlich find ich den Spitznamen verdammt süüüsss, richtig passend zu dem Kerl, der dahinter steckt« neckte er mich, besänftigend fügte er hinzu: »leider habe ich noch nix anderes gefunden, verzeih mir, wenn ich mich manchmal nicht zurückhalten kann!« Seine Hand fuhr mir spielerisch durch das Haar und seine Augen funkelten belustigt. Ich seufzte resignierend, musste aber doch lächeln.

»Na geht doch, außerdem steht Dir ein Lächeln 100-mal besser, als der wütende Blick auf Deinen total überforderten Bruder in Vaterrolle« ‚Da war mehr als Bruder – Bruder, er flirtet mit mir doch ganz offensichtlich, aber warum nur???‘ ging mir durch den Kopf.

Der Abend verflog wie im Fluge, ich ging bei Spielerei voll auf. Ihm zuliebe verzichtete ich sogar auf die Ego-shooter, dafür merkte ich, dass er mich bei den anderen Spielen gewinnen ließ. Er machte es zwar sehr geschickt, aber Bruderherz – so dumm bin ich auch nicht. Kurz vor 23.00 Uhr war Feierabend. Rayk erklärte mir noch, dass der Fahrlehrer um 10.00 Uhr vor der Haustür war, und er die Woche, da ich wohl beschäftigt wäre, zur Arbeit gehen würde. Danach hat er dann 2 Wochen frei genommen und würde anschließend meist zu Hause arbeiten. So wollte er mir den Einstand erleichtern. Ich zeigte es zwar nicht, aber ich war schon überrascht und mir fiel ein Stein von Herzen.


Oh man, ich kann Euch flüstern, die Woche war voll der Hammer. Der Fahrlehrer triezte mich jeden Tag 4 – 5 Stunden. Im Nachhinein habe ich mitbekommen, dass mein »herzallerliebster« Bruder daran Schuld war :-(. Er hatte extra Fahrstunden bezahlt, so dass mich immer und immer wieder verzwickte und schwierige Situationen erwarteten. Die Prüfung war dann voll der Klacks. Die Mühen lohnten die Aufregung gar nicht, okay jetzt nachdem ich den Schein habe, kann ich locker drüber referieren :-). Die Krönung war aber mein Bruderherz, als ich vor der Fahrschule freudestrahlend den Glückwunsch des Fahrlehrers entgegen nahm, stand er grinsend am Cabrio gelehnt.

Er drückte mir die Autoschlüssel in die Hand und meinte: »Komm Junior zeig mal was Du gelernt hast!« Juchzend fiel ich ihm um Hals und würgte beim Losfahren natürlich prompt den Motor ab. Ich lief knallrot an, man war mir das peinlich.

Rayk lachte nur aufmunternd auf: »Kleiner, immer mit der Ruhe, wir haben den ganzen Tag Zeit!«

War das ein geiler Nachmittag. Mein Bruder ließ mich gewähren und genoss nach einer kleinen Eingewöhnungsphase einfach alles. Zur Erklärung, mein Bruder hat ein Volvo-Cabrio mit ordentlichem Bums unter der Haube (über 200 PS) und allen Schikanen, also genau das richtige Fahrzeug für einen 18jährigen :-). Manchmal bremste er ziemlich stark mit, aber ansonsten blieb er relativ locker angesichts meiner Fahrkünste, vor allen mischte er sich nicht ein oder wunderte rum. Gegen Abend lotste er mich nach Hause (viel zu schnell meiner Ansicht nach).

Dort angekommen, fiel mir schlagartig der Umschlag wieder ein. Ich stürmte an meinem Bruder vorbei in die Wohnung und riss den Umschlag auf. Als er ein paar Minuten hinter mir herkam, saß ich nur mit offenem Mund auf einen Stuhl und schluckte mit sehr trockener Kehle.

»Da glaub ich nicht, seid Ihr wahnsinnig« krächzte ich.

»Möchtest Du etwa nicht?« fragte mein Bruder zögernd. Das war jetzt einfach zuviel, ich nickte nur und fiel ihn um den Hals.

Schluchzend flüsterte ich »Danke, vielen Dank«.

Seine Hand strich mir durch die Haare und ich hörte ihn: »Ist schon okay, kein Problem, mein Kleiner, für Dich immer wieder!«

Langsam löste ich mich von ihm und schaute ihn in seine Augen: »Wie habt Ihr das angestellt, ich hatte mich mit der Unmöglichkeit abgefunden!«

Ein Schatten flog über sein Gesicht und er murmelte etwas von: »Frag mich bloß nicht, aber entscheidend ist das Resultat, oder??!!«

»Ich muss Aileen anrufen« schnappte ich mir das Telefon. Ihr werdet jetzt fragen, was ist denn überhaupt los. Ganz einfach meine Geschwister hatten mir zur bestandenen Fahrprüfung einen Motorradführerscheinkurs einschließlich Motorrad geschenkt. Auf Grund zweier tödlicher Unfälle in unserem Bekanntenkreis mit Motorrädern kurz vor meinem 16. Geburtstag hatten mir meine Eltern rigoros alles untersagt, was damit zu tun hatte. Das ging soweit, dass mein Vater mir sogar einmal fast eine gescheuert hätte, bloß weil ich beim Kumpel mitgefahren war. Ich hab immer von einer 80er geträumt (zudem war man in meiner ehemaligen Clique ohne zwei motorisierte Räder wohl der Arsch) und wollte später eine große Maschine haben, aber das hatte ich mir ab diesem Ereignis voll kommen abgeschminkt – und nun das!!

Meine Schwester stimmte in meine Begeisterung ein, meinte aber nur: »Das hast Du fast nur Deinem Bruder zu verdanken – hast Du eigentlich die Maschine schon gesehen??«

»Was sie ist hier« rief ich total entgeistert. So schnell hatte ich wohl ein Telefongespräch mit ihr noch nie beendet :-) und stürzte mich auf meine Bruder.

»Na komm mit, sonst platzt Du mir hier noch an Ort und Stelle« lachte er mir zu und zog mich zu Garage.

Dort stand, schwarz wie die Nacht, eine Bandit 600 S. Mein Bruder kommentierte meinen Aufschrei nur mit: »Na da haben wir wohl den richtigen Geschmack getroffen??!«

Ich war noch immer baff und wollte die Maschine gar nicht mehr loslassen. »Warum macht ihr das??« stotterte ich.

»Weil ich nicht gerne alleine fahre!« kam es prompt zurück. Ich sah ihn erstaunt an.

Mit einer Geste, die nach hinten gerichtet war, sagte er nur: »Meinst Du denn, die steht da nur zum Abstauben??«

»Waaaaas, Du hast eine Maschine« rief ich und drehte mich um. Da stand ein Traum von Motorrad, wie meine pechschwarz, aber doppelt soviel Hubraum :-). Jedenfalls lief ich das ganze Wochenende mit einem breiten Grinsen im Gesicht herum. Ich bekam von meinem Großen sogar am Sonntag ein paar Fahrstunden. Da mein Bruder kein Freund von langen Wartezeiten ist, könnt ihr euch vorstellen, wie die nächste Woche verlief. Er verschob seinen Urlaub noch um eine Woche und ich war mit meinen Prüfungen beschäftigt. Am Mittwoch teilte er mir noch kurz mit, dass wir Samstag zu einer Fete eingeladen waren.

Dann war Wochenende und ich brachte auch diese Fahrprüfung unter Dach und Fach, war ja halt schon ein erfahrener Profi :-). Ich war einfach nur Happy, war am Samstag nicht mehr von meiner Maschine runter zubekommen bis mein Bruder mir unmißvertändlich klarmachte, dass wir beide eingeladen waren.

Okay kurz unter die Dusche, stylen und ab ging's. Als ich etwas aufgepeppt zu ihm ins Auto stieg, kam nur ein kurzer Pfiff und er brummte: »So wie mein Krümel aussieht, wundert’s mich schon, wo meine Schwägerin bleibt??!!«

Ich lief rot an und stotterte: »Blödmann«.

Mit einen Knuff in die Seite grient er mich an: »Sonst so ne große Klappe, aber da wird mein Bruder echt schüchtern!!«

Das war mir zuviel und fauchte zurück: »Wie sieht denn Deine Familienplanung aus, von einer Schwägerin kann ICH ja nur träumen??!!«

»Uff das hat gesessen, Bruderherz!« schluckte er.

Wir fuhren nicht lange und kamen an einem Einfamilienhaus an. Im Garten war schon eine Menge los, alles Leute in meinem Bruder's Alter, also nix für mich :-(. Kaum angekommen, stürzte sich eine der jüngeren Frauen auf uns.

Sie musterte mich fragend und boxte meinen Bruder mit einem: »Weeer ist das denn??!!« sehr neugierig in die Seite.

»Och nur mein Lover!« sagte mein Bruder ziemlich ernst. Ich wurde knallrot, sie käseweiß und mein Bruder krümmte sich vor Lachen. Mir war, verständlicherweise, überhaupt nicht zum Lachen und funkelte meinen Bruder bitterböse an. Langsam fiel wohl auch der Groschen bei der Dame.

»Ich hasse diesen Kerl, so was Freches und Selbstbewusstes hab ich noch nicht erlebt. Du glaubst doch wohl nicht, dass Du bei so was Süßen eine Chance hast« gab sie ihm Paroli – mit dem Ergebnis, dass mein »lieber« Bruder sich endgültig verschluckte und ich meine rote Gesichtsfarbe noch steigerte.

Sie nahm mein Arm und meinte: »Komm ich bring Dich von diesem grässlichen Kerl fort und wir klären das wie vernünftige Menschen!«

Sie stellte mich den meisten Menschen vor und war ziemlich begeistert, dass der blöde »Brubbelkopf«, so nannte sie meinen Bruder (und ich musste mir ein Grinsen verkneifen), einen so netten (okay sie meinte süßen) Bruder hätte. Sie selbst war eine Arbeitskollegin und arbeitete schon Jahre mit Rayk zusammen, somit kannte sie ihn bestimmt besser als ich und ihr Name war Sabine. Mit der Zeit bekam ich mit, dass das so eine Art Clique von meinem Bruder war, Kollegen, Mandanten, Sportsfreunde und sonstige Bekannte. Eins schnallte ich sehr schnell, obwohl Sabine über Rayk »herzog« schwang immer eine Portion Respekt vor ihm mit, manchmal sogar Bewunderung, und das nicht nur bei ihr. ‚Man, wann wird mich dieser Kerl mal nicht mehr überraschen‘ grübelte ich, ein Buch mit sieben Siegeln ist nen Scheißdreck dagegen.

Dann blieb ich bei einer kleinen Gruppe hängen, die über Computer talkten. Zwei schienen richtig Ahnung zu haben, mehr als ich, und ich fummle gern am PC's herum. Der Dritte aber war echt ne Flasche. Er redete nur Stuss, aber das schien die Anderen nicht zu stören. So versuchte ich etwas lehrerhaft der Pfeife ab und zu mal auf die Sprünge zu helfen, die beiden anderen schauten ab und zu so komisch, aber ich wollte halt nett sein.

Als er mal wieder ein richtiges dummes Gesicht machte, entfuhr es mir gereizt: »Hast Du überhaupt einen Blassen von PC's?«

Ich hörte meinen Bruder hinter mir leise lachend sagen: »Oh je Kevin, jetzt bist Du aber voll ins Fettnäpfchen getreten!«

Ich fuhr herum, sah Rayk genervt an: »Ist doch wahr!«

Mein Bruder legte mir den Arm um die Schulter und wandte sich an die »Flasche«: »Na Frank, hat er sein Einstellungsgespräch bestanden??«

Mich durchfuhr ein Schock ‚Man da hat mir meine Klappe ja wieder was Schönes eingebrockt!‘ und schaute etwas blasser zu Frank. Der grinste über das ganze Gesicht und machte gar nicht mehr so einen dummen Eindruck. Alle lachten ausgelassen, nur ich fühlte mich sehr unwohl und wäre am liebsten im Erdboden verschwunden, die Hand meines Bruders drückte mich aufmunternd.

»Rayk, ich hab Dir schon vorher gesagt, Deinen Bruder nehme ich blind, aber dieses Prachtexemplar werde ich mir bestimmt nicht entgehen lassen!« antwortete Frank. Wie mir nun unter großem Gejohle erklärt wurde, stand mir mein zukünftiger Chef mit seinen beiden Angestellten gegenüber, und das sie geplant hatten, mir mal auf den Zahn zu fühlen. Er hatte eine kleine EDV-Firma und sich auf Netzwerke und Software für Steuerberater spezialisiert. Ich sollte bei ihm eine 3jährige Lehre zum IT- Techniker machen.

Schmunzelnd streckte er mir seine Hand entgegen: »Ich hoffe, Du nimmst mir den Scherz nicht zu krumm und fängst bei mir an!«

Ich stotterte nur: »Gerne, Herr …?«

»Oh nein nenn mich Frank« sagte er und an meinen Bruder gewandt: »Er scheint ja einiges von Dir zu haben, diese Höflichkeit aber garantiert nicht!« Das brachte ihm einen Rippenstoß von meinem Bruder ein und wir lachten gemeinsam.

Dann ließ Rayk durchsickern, wie erfolgreich ich die letzten zwei Wochen gewesen bin. Man machte der ein stolzes Gesicht, da wurde ich schon wieder rot. Frank nahm das dann in die Hand, und ich musste einige Gläschen Sekt trinken, das wurde noch ein echt lustiger Abend. Gegen 2.00 Uhr sackte mich mein Bruder dann ein. Ich hatte echt einen an der Bimmel, bin das Sekttrinken nicht so gewöhnt. Zu Hause angekommen, verschwand ich erst mal auf Klo und Rayk in sein Schlafzimmer. Der Alkohol machte mich wohl etwas mutiger und ich fasste einen Entschluss. Ich klopfte an seine Tür und nach einem ‚Ja‘ trat ich ein. Er saß auf seinem Bett und sah mich fragend an.

»Du Rayk« ‚oh man wie fang ich bloß an‘ dachte ich bei mir.

Er sah wohl mein Zwiespalt und meinte: »Komm Brüderchen, setze Dich mal zu mir und erzähle was Dich bedrückt!«

Ich gab mir einen Ruck: »Erst einmal nochmals recht vielen Dank für einfach alles in den letzten 14 Tagen!« Er schwieg, als ahnte er, das wäre nicht alles.

Mein Blick wanderte zu Boden und ich druckste rum: »Ähh ich würde …« ‚Verflucht, was mache ich hier eigentlich‘ fuhr mir durch den Kopf. Ich spürte seine Hand unter meinem Kinn und er hob meinen Kopf an, so dass sich unsere Augen trafen.

‚Man waren die Augen blau‘ überkam es mich, aber ich riss mich zusammen und stotterte: »Waaar..rrum bist Du so lie…. ähh anders zu mir??« Jetzt war's raus. Seine Augen funkelten auf (liebevoll??).

»Vielleicht, weil ich mir genau solch einen Bruder wie Dich immer gewünscht habe!?« ‚War das eine Frage oder eine Aussage‘ grübelte ich.

»Würdest Du das auch immer noch sagen, wenn ich …« ‚HALT, Kevin was machst Du hier‘ schrie es in mir. Ich war gerade dabei, alles zu sagen. Schnell riss ich mich los, rannte aus seinem Zimmer. Sprintete hoch und warf mich auf mein Bett.

Kaum einen Augenblick später hörte ich Rayk in meiner Tür: »Krümel, was ist los.«

Ein wenig später flüsterte er: »Bitte, sag wenn ich einen Fehler gemacht habe« Ich schwieg einfach und nach einer Weile ging er und schloss die Tür hinter sich. Mir kamen die Tränen. Schluchzend redete ich mit meinem Kissen. ‚Was bin ich bloß für ein Idiot. Warum sag ich es ihm nicht.‘ Eine Stimme in mir sagte aber auch ‚Bist Du wahnsinnig, willst Du jetzt alles aufs Spiel setzen??‘ Ich habe mich noch nicht so oft in den Schlaf geheult, aber jetzt passierte es. Die Nacht war echt unruhig, ein Albtraum löste den nächsten ab.

Am Morgen fühlte ich mich wie ausgekotzt. Mein Kopf schmerzte, aber vielleicht war ja auch der ungewohnte Sekt dran Schuld. Ich lag noch eine ganze Weile wach, denn ich traute mich nicht meinem Bruder unter die Augen. Von meinem heroischen Mut heute Nacht war rein gar nichts mehr zu spüren, von einem offenen Gespräch mit ihm war ich weiter entfernt als je zu vor. Es half aber alles nichts, irgendwann musste ich ihn gegenübertreten. Mein Spiegelbild sah zum Kotzen aus, rote Augen und verquollenes Gesicht. Oh man sah ich aus, somit hielt ich meinen Kopf ein paar Minuten unter kaltes Wasser. Das Resultat war nicht berauschend, aber besser als vorhin. Ich riss mich zusammen und ging runter.

Aus der Küche hörte ich Musik, also war mein Bruder schon auf. Er saß mit dem Rücken zur Tür und hatte mich wohl kommen gehört.

Ich hörte ein lockeres: »Guten Morgen, Kleiner«, was mich etwas aufatmen ließ.

Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und flüsterte ziemlich heiser: »Du, Rayk, ich glaub ich war gestern ein wenig angetrunken und hab ein bisschen Blödsinn gequasselt!«

»Nein das glaube ich nicht!« kam es trocken von ihm zurück.

Stotternd frage ich: »Wiiieee biiittttee???« Er drehte sich zu mir um, und ich bekam einen Schreck. Mein Bruder hatte definitiv auch nicht viel geschlafen.

Seine Augen blickten ziemlich traurig und sanft sagte er: »Kevin, bitte verkaufe mich jetzt nicht für blöd. Du wolltest mir gestern etwas sagen, nur … Na ja entweder habe ich etwas falsches gesagt bzw. gemacht oder Dich hat der Mut verlassen. Du kannst es aber jederzeit nachholen. Ansonsten lass uns nicht weiter darüber den Kopf zerbrechen – sehen beide beschissen genug aus« Ein kleines Lächeln stahl sich in seine Augen.

Ich nahm ihm gegenüber Platz. »Danke, Rayk« murmelte ich. Mit seiner lässigen Art arbeitete er mit mir den gestrigen Abend noch mal auf und so nach und nach besserte sich meine Stimmung.

Ich räumte den Tisch ab und fragte ihn: »Und was machen wir heute!«

»Hm, ich wollte mit unserer Azubine ins Freibad« grinste er mich an.

»Wenn ich da oben ohne rumlaufen kann, kein Problem« konterte ich. Wir lachten uns beide befreit an.

Gegen 13.00 Uhr trafen wir da ein und konnten uns gute Plätze sichern. Es war noch nicht so viel los. Mein Bruder nahm das Sonnenöl und griente mich an. ‚Was heckt er denn jetzt wieder aus‘ fuhr mir durch den Kopf. Und schon kam es.

»Haste schon ein hübsches Girl gesehen, die diesen Job übernehmen will, oder gehste das Risiko ein, hier vor allen Leuten von einem alten lüsternen Knacker eingecremt zu werden« trompete er nicht sehr leise.

‚Oh, man ist der peinlich‘ dachte ich, konnte mir aber nicht verkneifen zu antworten: »So lange Du Deine Hände im Zaum hältst!« So legte ich mich auf den Bauch und harrte der Dinge, die kommen sollten – und wieder eine Überraschung. Mein Bruder hatte echt sanfte Hände und massierte das Sonnenöl in meinen Rücken ein. Ich schlummerte fast ein und meine Gedanken glitten ab. Das Resultat dürfte jedem klar sein, innerhalb von Sekunden hatte ich einen Steifen. Mit einem Klapps auf meinen Allerwertesten forderte er mich auf, gleiches mit gleichem zu vergelten. ‚Oje, das ging nicht‘ und stellte mich schlafend.

»Mist, jetzt ist er mir doch glatt weggepennt und ich kann zusehen, wie ich klarkomme« hörte ich ihn grummeln oder musste er sich das Lachen verkneifen – Mist, konnte ja nicht hoch schauen. Auf einmal ergoss sich eiskaltes Wasser über mich und ich sprang auf.

»Reicht das als Abkühlung« lachte mein Bruder mich aus. ‚Na warte, Freundchen‘ und stürzte mich auf ihn. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Chance, aber mein Bruder musste sich so das Lachen verkneifen, dass ich ihn schön in Schwitzkasten bekam und er nach einer Weile um Erbarmen bettelte.

Die Rache folgte dann später im Wasser. Ich befand mich mehr unter Wasser als darüber und schluckte eine Unmenge von Chlorwasser. Natürlich hatte Rayk einen Ball dabei und ruckzuck hatten sich zwei Mannschaften gebildet, die locker ein Spielchen machten. Auch wenn ich mich wiederhole – er überraschte mich. Der spielte echt gut Fußball, nur bei der Schnelligkeit hatte ich wohl Vorteile (obwohl nicht mal da war ich mir sicher), aber ansonsten konnte ich in sämtlichen Bereichen noch was lernen. Ich fing wirklich langsam an, ihn anzuhimmeln.

Der Nachmittag war viel zu schnell vorbei, aber ich nahm das ganz locker, denn ab Montag hatte Rayk ja Urlaub und war gespannt, was da noch alles kommen würde :-).


Mein Bruder ließ sich wirklich ständig etwas einfallen. Von Montag auf Dienstag machten wir eine Motorradtour und heute, Mittwoch, wollten wir shoppen gehen. Jeden Abend phonte ich mit meiner Schwester und schwärmte ihr wohl die Ohren voll.

Sie lachte nur und meinte: »Na fängst Du an, deinen Bruder in einem anderen Licht zu sehen??!!« ‚Wie recht sie hatte‘ dachte ich so bei mir.

Am Frühstückstisch klingelte auf einmal das Telefon und Rayk ging ran. Er lauschte eine Weile und sein Gesicht verfinsterte sich zunehmend. ‚Ade Schopping‘ schoss mir durch den Kopf.

Rayk legte auf und meinte: »Sorry, ich muss sofort in die Firma. Ist was Schiefgelaufen und das kann ich nur vor Ort klären!«

»Ok, kein Problem, dann zock ich halt ne Runde« griente ich ihn an und dachte mir noch so ‚Na in der Haut des Schuldigen möchte ich nicht stecken‘ so sauer wie mein Bruder aussah.

Rayk überlegte kurz und sagte: »Ne geh doch shoppen, fährst mich vorher zur Firma und dann holst mich später dort ab. Ich bin eh nicht so ein Einkauffreak wie Du!« Somit war das auch geklärt.

Gegen 15.00 Uhr war ich fertig und bis oben beladen – hatte ja die Kreditkarte von meinem Bruder dabei :-). Nun wollte ich mal schauen, wie mein Großer so schuftete.

An der Tür wurde ich von einer jungen Frau empfangen: »Junger Herr, Sie wünschen?«

»Ich möchte zu Herrn Möller« antwortete ich ihr.

»Und in welcher Angelegenheit darf ich Sie melden?«

Bevor ich reagieren konnte, flötete von hinten: »Clara, den jungen Mann können Sie ruhig mir überlassen«.

Uns kam Sabine entgegen, hakte mich unter und sagte: »Ich werd Dir mal alles zeigen. Dein Bruder ist gerade beschäftigt!«

Sie sah mein genervtes Gesicht und meinte: »Glaub mir, dabei willst Du ihn bestimmt nicht stören!!« So führte sie mich herum. Kein schlechtes Büro, nur die Tür zum Zimmer meines Bruders war zu.

»So jetzt ist genug« sagte ich nach einer dreiviertel Stunde und ging zu seinem Büro.

Sabine rief noch: »Kevin, bitte nicht«, aber dazu war es schon zu spät. Ich klopfte und hörte ein genervtes »Jetzt nicht«. Das störte mich aber nicht weiter und ich öffnete einfach die Tür.

Mir war, als liefe ich gegen eine Wand. Mein Bruder schaute nicht mal zur Tür, sondern musterte sehr grimmig jemanden. Und genau dieser Jemand ließ meinen Verstand für einen Moment aussetzen. Da stand er einfach so herum, mein absoluter Traum, wie oft hatte er mich in diesen Träumen begleitet. Ich hatte nur noch ein Gedanke: ‚Es gab ihn wirklich!!‘ Eine schlaksige Gestalt, ca. mein Alter, etwas kleiner, seine dunklen halblangen Haare waren hinten zu einen kleinen Zopf zusammen gebunden. Das Gesicht konnte ich nicht richtig sehen, im linken Ohr funkelte ein Ohrring. Er stand mit gesenktem Kopf vor meinem Herrn Bruder und machte eine ziemlich unglückliche Figur.

»Simon, ich warte immer noch auf eine Antwort« knurrte mein Bruder. ‚Oh Gott, diese Stimme kannte ich sehr gut‘ da lief mir sogar ein Schauer über den Rücken.

»Herr Möller, aber ich wollte d…« flüsterte er und dann versagte die Stimme. Diese Stimme wiederum stellte mir die Nackenhaare auf, sie ging mir durch und durch.

»Sie sind fast im dritten Lehrjahr und dann so etwas. Haben Sie denn gar nichts gelernt!« sagte Rayk zwar ruhiger, dafür war die Tonlage um einiges kälter. Ich wäre am liebsten zu meinem Traum gelaufen und hätte mich schützend vor ihn gestellt. Hilfe kam aber von hinter mir. Sabine drängte sich an mir vorbei, ging zu Simon und schob ihn vor sich her.

»Ich bin noch nicht fer…« fing mein Bruder wieder an, doch Sabine warf ihm nur ein giftigen Blick zu, er sah mich in der Tür stehen (na ja von Stehen kann keine Rede mehr sein, ich schmachtete Simon entgegen) und er brach seinen Satz ab.

»In Ordnung, ER soll sich die nächsten zwei Wochen um die Ablage im Keller kümmern und wenn ich wieder da bin, REDEN WIR NOCH EINMAL!!« Simon zuckte zusammen und schaute kurz auf (ich glaub bis heute, dass er mich nicht gesehen hat). Es reichte aber für mich, einmal kurz sein Gesicht zu sehen. Er war zwar sehr blass um die Nase, aber die war klein und gerade. Dunkelbraune Augen schauten sehr traurig unter langen Wimpern hervor. Und auf die schmalen zugegebenermaßen zusammengepressten Lippen hätte ich am liebsten einen Kuss gedrückt.

Ich hörte Sabine flüstern: »Simon, geh in Dein Zimmer. Ich rede mal mit dem Chef« Er hauchte ihr ein Danke zu und verschwand.

Dann wandte sie sich an mich, gab mir einen kleinen Stoß und meinte: »Kümmere Dich um ihn und bring ihn auf andere Gedanken. Ich muss mit Deinem Bruder alleine reden, ok!!«

Träumte ich, hatte sie das wirklich gesagt – ich sollte mit ihm reden, man ich würde kein Wort rausbekommen. Jedenfalls stand ich nun alleine auf dem Flur. Ich schlenderte Simon nach und klopfte dann an seine Tür. War da ein kleines »Ja« zu hören. Egal, ich drückte die Klinke runter und da saß er am Schreibtisch, den Kopf in die Arme gedrückt.

»Hey« kam es schüchtern von meinen Lippen und schon war der Kloß in meinem Hals. Er schaute auf und Tränen glitzerten in seinen Augen. Verschämt versuchte er diese abzuwischen, denn er hatte ja mit keinem Fremden gerechnet.

»Hallo, wer bist Du denn« kam es von ihm.

Diese Augen und diese Stimme, ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und stotterte: »Kee vvii nn« ‚Man reiß Dich zusammen, Möller‘ schrie alles in mir.

»Ich bin der gute Teil, von guter Cop böser Cop« machte ich einen neuen Versuch. In seinem Gesicht waren nur Fragezeichen, aber so langsam machte er wohl irgendeine Entdeckung.

»Du siehst jemanden ähnlich« sagte Simon.

»Ich hoffe nur äußerlich« lachte ich ihn an. Ein kleines Lächeln stahl sich in sein Gesicht, man der Kerl wurde immer süßer.

»Bist Du verwandt mit meinem Chef« fragte er mich.

»Yeb, ich bin der kleinere Bruder. Mein Name ist Kevin Möller« sagte ich und reichte ihm die Hand.

»Ich bin der Simon, Simon Friedrich« und schlug in meine Hand ein. Diese Berührung elektrisierte mich.

»Ich hoffe mal, ich bin nicht gleich bei Dir unten durch, weil ich sein Bruder bin« ‚oh man, was sagte ich da bloß. Ich bin ja total bescheuert‘ durchfuhr es mich.

Erstaunt fragte er: »Nein, wieso?«

»Na nachdem, was ich eben erlebt habe, bin ich mir da nicht so sicher« Ein Schatten flog wieder über sein Gesicht.

»Oh nein, ich habe wirklich Mist gebaut – richtigen Mist. Nur so sauer hab ich ihn noch nie erlebt und zurzeit bin ich nicht so auf der Höhe, da trifft mich so etwas viel mehr!« Traurig sah er mich an, ich hätte ihn am liebsten in meine Arme geschlossen.

»Willst Du drüber reden?« fragte ich ihn.

»Ne lass man, geht scho wieder!« hörte ich seine Antwort.

»Wo ist denn der Chefeinkäufer der Familie M.« rief mein Bruder draußen über den Flur.

»Der weiß gar nicht, wie Recht er hat. Habe heute seine Kreditkarte geplündert und das nicht zu knapp« grinste ich Simon entgegen. Da schon wieder flog ein Lächeln über sein Gesicht. Dann sprang die Tür auf und Rayk stand vor uns.

»Können wir los, Großer« wandte er sich an mich. Als er Simon sah, verdunkelte ein Schatten sein Face, aber da war nicht nur Ärger zu sehen vielmehr Enttäuschung und noch irgendetwas.

»Was suchen Sie noch hier. Die Aufgabe war doch klar??!!« kam sehr ernst und kühl von ihm. Ich hatte mein Bruder ja schon ein paar Mal so kennen gelernt, aber jedes Mal zuckte ich auf Neuem innerlich zusammen. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Simon zusammenzuckte, jedes Lächeln von seinem Gesicht war verschwunden und er sackte wieder in sich zusammen.

Das war mir zuviel. »Lass das« fauchte ich ihn an. Da geschahen mehrere Sachen auf einmal. Simon schrumpfte noch mehr. Sabine, die hinter meinem Bruder aufgetaucht war, schaute mich mit großen Augen an und schüttelte vehement den Kopf.

Rayk sagte leise und warnend: »Kevin!!«

»Ist doch wahr. Mal muss auch gut sein«

»Und das entscheidest Du jetzt??« fragte mein Bruder mit leisen aber nicht zu überhörenden grollendem Unterton. Wir standen uns beide gegenüber und funkelten uns an. Dabei sah ich wieder dieses Glitzern in seinen Augen und war mir gar nicht mehr so sicher, ob mein Bruder mich nicht nur testete.

»Außerdem hast Du gesagt, ich soll Dich darauf hinweisen« setzte ich leise hinzu. Rayk's Augen wurden sanft und er warf einen prüfenden langen Blick auf die zusammengesunkene Gestalt: »Okay!« Ein Aufatmen ging durch den Raum.

»Na besser hättet ihr Euch gar nicht als Brüder vorstellen können. Diese Ähnlichkeit ist unglaublich, nur möchte ich nicht sehen, wenn ihr euch mal beide einig seid und zusammen über jemanden herfallt!!« hörte ich Sabine sagen.

»Glaub mir, das willst Du auch nicht kennen lernen« schmunzelte mein Bruder.

Dann wandte er sich an Simon: »Gehen Sie am Besten für heute nach Hause!«, dieser schaute erstaunt hoch, aber Rayk war noch nicht fertig: »Den Rest besprechen wir morgen«.

‚Was morgen, aber wir wollten doch …‘ fuhr es mir durch den Kopf und weiter ‚MOMENT, Kevin, das ist Deine Chance!!‘

»Ähhh, dann komm ich morgen mit und schau mal, ob mir Ablage gefällt??!!« kam ziemlich selbstbewusst von mir. Alle drei schauten mich erstaunt an, aber sehr unterschiedlich. Sabine war sehr überrascht. Simon sein Blick war mehr bittend und erfreut, allein dafür hätte ich ihn küssen können. Tja und mein Bruder, sein Blick wanderte zwischen mir und Simon hin und her und seine Augen funkelten amüsiert.

»Du und Literatur, ich weiiiisss nicht???« stöhnte er auf.

Simon reagierte augenblicklich: »Herr Möller, das kann ich ihm doch zeigen!«

»Klar, da kann ich ja gleich den Bock zum Gärtner machen« brubbelte mein Bruderherz. Simon's Kopf fuhr herum. ‚Sah ich da seine Augen aufblitzen??‘ dachte ich mir noch so. Als er aber sah, dass mein Bruder uns beide breit angrinste, schluckte er und errötete. ‚Oh Gott, wie gerne würde ich diesen Jungen in meine Arme schließen‘ schrie alles in mir.

Rayk legte den Arm um mich und lächelte: »Na Großer, das haste Dir ja ein ganz schönes Eigentor geschossen. Widerspricht das eigentlich nicht Deiner faulen Grundeinstellung, aber so kannste wenigstens das Loch, welches Du heute auf meiner Kreditkarte hinterlassen hast, etwas schließen!!« Nun errötete ich etwas, dachte mir aber nur so

‚Wie sehr sich mein Bruder doch irren kann. Ich sah IHN morgen wieder!!!‘ und antwortete frech: »Über die Bezahlung haben wir noch gar nicht verhandelt!«

»Tja, Krümel, dumm gelaufen. Deine Verhandlungsbasis ist denkbar schlecht und ich denke, Du wirst Deine Arbeitskraft umsonst zur Verfügung stellen!« kam es prompt von ihm.

Jetzt lief ich richtig rot an ‚Man jetzt nannte er mich Krümel und das vor Simon‘ und blitzte ihn an »Rayk, lass das«

»Oh« entfuhr es ihm »also ist das geklärt. Ich mach noch schnell ein Telefonat und dann hauen wir ab, ok?«

Ich nickte kurz und antwortete ihm: »Komme gleich nach« Mein Bruder verschwand mit einer breit grinsenden Sabine im Schlepptau. Hinter mir hörte ich ein gehauchtes ‚Danke‘. Ich drehte mich mit weichen Knien um. Er saß zwar nicht mehr wie ein Häufchen Unglück am Tisch, aber so richtig froh schien er nicht.

»Wofür?« fragte ich ihn.

»Das Du mich vor Herrn Möl…, äh Deinem Bruder, in Schutz genommen hast und mir auch noch helfen willst morgen« druckste er rum.

»Kein Problem, man muss nur wissen, wie man diesen Bruuuuubbelkopf richtig nehmen muss« lachte ich ihn an. ‚Ja klar, Kevin, und das weißt Du ja auch soooo genau‘ ging es mir durch den Kopf.

»Also ich muss jetzt, Simon. Wir sehen uns dann morgen, ok??« schwang da jetzt nicht zuviel Hoffnung in meiner Stimme?

Er schaute mich an (nein diese Augen!!) und meinte: »Ja gerne. Freue mich schon«. Ein Lächeln umspielte seine Lippen und ein leises »Krümel« schickte er noch hinterher.

»Nicht auch noch Du« flehte ich ihn an.

»Ne sorry, den Namen haste jetzt weg« griente er und weiter: »Kommt nur drauf an, wann und wo ich ihn benutze!« Seine Augen blitzten auf – flirtete er mit mir?

»O..ka..y, dann bis morgen« stammelte ich und verließ ziemlich fluchtartig den Raum.

‚Man was war das denn jetzt, so komisch war mir ja noch nie gewesen‘ grübelte ich auf dem Weg zu Rayk. ‚Egal, morgen sehe ich ihn wieder‘ und mein Herz hüpfte. Im Auto schwirrten meine Gedanken nur um meinen Traumboy.

»He, hörst Du mir überhaupt zu« rief mein Bruder leicht genervt.

»Oh sorry, was war denn?« sah ich ihn entschuldigend an.

»Ich wollte nur wissen, ob wir nun bankrott sind oder nur unsere Schwester anpumpen müssen, nach der Menge der Tüten zu schließen!« grinste er mich an.

»Nein so schlimm ist das nicht, aber ich werd wohl nicht nur einen Tag bei Dir arbeiten müssen, um das abzudienen?!« sagte ich ganz beiläufig und versuchte sämtliche Hoffnung aus meiner Stimme zu halten. Mein Bruder musterte mich. Ich sah ihn nicht in die Augen, aus Angst mich zu verraten.

»Hab ich hier irgendetwas verpasst, dass Du Deine heißgeliebten letzten Ferien so ohne weiteres opferst??« fragte er mich spöttisch. Ich schluckte ‚War ich so leicht zu durchschauen‘.

»Aber mein Kleiner, Du hast ja recht. Musstest ja bis jetzt nur alte Leute ertragen und Simon ist der Erste in Deinem Alter.« Kam von ihm und weiter gings: »Nur weiß ich nicht, ob Du da viel Freude zur Zeit mit ihm hast. Er ist seit ca. einem halben Jahr ziemlich von der Rolle. Am Anfang schien ihm der Job Spaß zu machen, aber mittlerweile frage ich mich, ob es das richtige war, in ihn Zeit zu investieren.« Seine Stirn umwölkte sich wieder. Gerne hätte ich mehr aus ihm über »meinen Boy« rausgepresst, aber das war wohl wirklich nicht der richtige Augenblick.

»In Ordnung, wir gehen morgen und am Freitag ins Geschäft, aber dann fahren wir zur Aileen. Wie es in 14 Tagen aussieht, bereden wir später – einverstanden?« Ich biss mir auf die Lippe, um nicht laut loszujubeln – zwei Tage mit ihm.

»Also Krümel, so wie Du mich anstrahlst, habe ich definitiv was verpasst, ja ja lass Deinen alten Bruder ruhig im Ungewissen« grummelte er. Ich knuffte ihn in die Seite, was mir wiederum eine Kopfnuss einbrachte.

Am Abend war mit mir nicht mehr so viel anzufangen. Beim Zocken ging ich sang und klanglos unter, nicht mal die sehr offensichtlichen Hilfsversuche meines Bruders fruchteten. Er brach denn ab, da er noch was tun musste – wobei mir klar war, dass er sah, mit mir war nicht soviel los. Ich verzog mich auf mein Zimmer und legte mich auf mein Bett. Meine Gedanken überschlugen sich. ‚Könnte das mein Boyfriend werden?? Wie wahrscheinlich ist es schon, das gerade er schwul ist??‘ Ich durchdachte die ganzen erlebten Minuten noch einmal. Waren da irgendwelche Gesten oder Blicke, die mich hoffen ließen. ‚Man was bildest Du Dir denn bloß ein‘ durchfuhr es mir. ‚Du kennst ihn doch gar nicht, wer weiß was alles in ihm steckt!‘ Aber konnten diese Augen jemand wehtun. Sein Gesicht stand mir ständig vor Augen, wie gerne hätte ich meine Lippen auf seine gepresst und … . Mit einem zufriedenen Lächeln schlief ich ein.

Gegen 6.30 Uhr war ich wach und ausgeschlafen. Eigentlich bin ich ein kleiner Morgenmuffel, aber die Aussicht auf diesen Tag vertrieb jede Müdigkeit. Fix ins Bad, ein wenig Morgentoilette und nur nicht so sehr stylen, wir gingen ja arbeiten :-). Mein Bruder schien noch nicht auf, so machte ich mal Frühstück. Der Kaffeeduft trieb ihn wohl aus dem Bett, denn ein paar Minuten später kam er in die Küche.

Gähnend sprach er: »Was ist denn mit Dir los?«

Ich grinste ihn an: »Morgenstund hat Gold im Mund!«

»Und das sagt mir der Familienmorgenmuffel!« lachte er.

»Och komm, so schlimm bin ich nicht«

»Ich werd Dich zu gegebener Zeit dran erinnern« mit diesen Worten verschwand er ins Bad. Nach dem Frühstück ging er sich anziehen und ich räumte alles weg.

»So Bruderherz, dann wollen wir Dich mal der geregelten kostenlosen Arbeit zuführen« kam es von der Tür und ich drehte mich zu ihm um.

»Wow« entfuhr es mir und mein Gesicht musste ein einziges Fragezeichen sein.

»Passt irgendetwas nicht zusammen« fragte er zögernd.

»Nein, Nein ich wusste bloß nicht, das mein Bruder auch ein Dressmann ist. Das steht Dir wirklich, nur hab ich Dich halt noch nie im Anzug gesehen« grinste ich ihn an, aber ich konnte es nicht lassen und fügte noch hinzu: »Darf ich mich denn überhaupt so underdresst neben Dir sehen lassen??«

»Brüderchen Du würdest sogar noch nackt eine bessere Figur machen, obwohl so morgens ist nackt bei Dir und Deinen Hormonen wohl nicht so eine gute Idee« konterte er. Ich musste schlucken, boxte ihm aber in die Seite.

Im Auto wurde ich immer hippliger, konnte es kaum noch erwarten. Ich spürte öfter Rayk's Blick auf mir ruhen und musste mich ganz schön zusammenreißen, um einen gelangweilten Eindruck zu machen.

»Na doll begeistert schaust Du ja nicht aus der Wäsche, bereust Deinen Hilfsvorschlag von gestern schon« neckte er mich.

»Nein überhaupt nicht« rutschte mir raus und meine Augen mussten strahlen ‚Oje Kevin reiß Dich bloß zusammen, sonst fall ich Simon ja gleich um den Hals‘.

Mein Bruder lachte laut und murmelte: »Freu Dich nicht zu früh. Er ist noch ein größerer Morgenmuffel als Du und wird erst gegen Mittag warm mit seinen Mitmenschen!« Ich sah ihn erstaunt an.

Rayk schmunzelte: »So verkalkt bin ich noch nicht, um zu sehen, dass Du nicht wegen mir mit in die Firma kommst!«

Bei diesen Worten lief ich rot an und stotterte: »Iicc..h ha..abb doch gar nichts gesagt!«

»Hey Krümel, ist doch in Ordnung, würde mich echt freuen, wenn Du hier schnell ein paar neue Freunde findest« kam es lässig von ihm. ‚Lieber wäre mir noch ein Boyfriend‘ fügte ich in Gedanken dazu.

Gegen 7.30 Uhr trafen wir ein. ‚Tja und nun‘ ging es mir durch den Kopf. Aber mein Bruder ließ erst gar keine Langeweile aufkommen und sagte zu mir: »Du weißt, wo Simon sein Zimmer hat. Hol ihn mal bitte, ich will Euch noch was sagen«.

Schon war ich auf dem Weg, die Tür war diesmal offen. Im Zimmer war nur keiner, da hörte ich hinter mir: »Na Krümel, gut geschlafen!« Ich fuhr rum und war wie erschlagen. Da stand Simon und grinste mich breit an. Seine dunklen Augen blitzten und er war bester Stimmung. ‚Wow ist der süß, 100mal besser als ich ihn von gestern in Erinnerung hatte und wie ein Morgenmuffel sah das hier wirklich nicht aus‘ jubelte ich, natürlich nur innerlich :-).

Er gab mir die Hand und begrüßte mich mit einem munteren: »Guten Morgen«.

»Meinen unpaaasssenden Spitznamen haste wohl nicht vergessen« grummelte ich ihn an, aber böse konnte ich diesem Schnuckel nicht sein.

»Wart mal, war das nicht Dein richtiger Name. Ah nein aber war das nicht auch was mit K k k …??«

»Danke Simoneeee, niedliches Zöpfchen hast Du da« flachste ich zurück, worauf ich mir einen Knuff einfing.

Lachend sahen wir uns an und Simon legte seinen Arm um mich – OH, MANN meine Knie wollten nachgeben - und meinte: »Komm gehen wir in den dunklen finsteren Keller!«

»Sorry, wir müssen noch kurz zu meinen Bruder. Er will uns noch was sagen« antwortete ich ihm und ein kurzer Schatten flog über sein Gesicht.

»Los komm« aufmunternd zog ich ihn hinter mir her. Jetzt sah er gar nicht mehr so begeistert aus. Mein Bruder erwartete uns schon.

Simon murmelte echt schüchtern: »Guten Morgen Herr Möller«. Ich dachte mir ‚Oh je hatte der einen Bammel vor meinen Bruder‘ und drückte aufmunternd seine Schulter. Mein Bruder überraschte mich mal wieder.

»Guten Morgen Simon. Keine Bange, ich reiß Ihnen schon nicht den Kopf ab – nur ein wenig waschen werd ich Ihnen den«

Weiter gings: »So Jungs, ich erwarte, dass Ihr auch was im Keller wegschafft. Der Chef da unten ist Simon, verstanden Bruderherz??«

Ich verdrehte die Augen. »Kevin, das ist mir ernst, denn er weiß, was ich verlange« kam es eisig von Rayk. Ich sah ihn erschrocken an, aber seine Augen lachten mich aus.

Ich streckte ihm die Zunge raus und hörte: »Führ mich nicht in Versuchung, Krü… oh Kevin!« Aus den Augenwinkeln sah ich ein kleines Grinsen in Simon's Gesicht.

»So Großer, lass uns mal Beide alleine. Ich möchte mit Simon noch ein zwei Sätze unter vier Augen.«

Simon neben mir zuckte unmerklich zusammen und ich sah Rayk flehend an: »Rayk, bitte!«

Mein Bruder schüttelte amüsiert den Kopf und meinte zu seinem Azubi: »Wo haben Sie denn diesen Fürsprecher ausgegraben?? Aber Kevin, das geht Dich nun wirklich nichts an. Er wird's schon überstehen – und raus jetzt!!«

Ich knuffte Simon noch mal kurz, flüsterte ihm zu: »Bis gleich« und trollte mich. Nach ca. 10 min kam er dann heraus und schaute recht glücklich aus der Wäsche.

Er grinste mich an: »Dein Bruder ist einfach unglaublich. Ich werd einfach nicht schlau aus ihm??« ‚Oh, mein Schatz, glaubst Du denn mir geht es anderes und ich bin sein Bruder‘ dachte ich so bei mir – ‚Man »mein Schatz« hört sich soooo gut an‘.

»Was lachst Du denn?« hörte ich ihn fragen.

Ich flüsterte: »Da bist Du nicht der Einzige!« Er schaute mich erstaunt an.

»Na los, lass uns was schaffen gehen. Dein Bruder hat gemeint, wenn Du nicht spurst, kann ich Dich übers Knie legen« spottete er und seine Augen blitzten.

Ich zog im neckisch am Zopf und meinte: »Klar Zöpfchen, da musste aber noch ein bisschen wachsen!«, was mir einen Rippenstoß einbrachte.

Der Tag verflog viel zu schnell. Wir quatschten über Gott und die Welt und schafften sogar was weg. Bloß die Ehre dafür gebührte Simon, denn er sorgte sich darum, dass wir immer was zu tun hatten. Ich hätte am liebsten die ganze Zeit rumgesessen und ihn beobachtet. Man musste ich mich zusammen reißen, sonst himmelte ich ihn offen an – es war so schon ziemlich offensichtlich. Er war einfach perfekt, es passte nicht nur äußerlich, nein auch so verstanden wir uns blendend. Ich war über beide Ohren hoffnungslos verliebt. Simon war locker drauf, sehr lustig – einfach unglaublich. Ab und zu erwischte ich ihn, wie sein Blick auf mir ruhte, leider konnte ich diesen Blick nicht deuten. Kurz um, es passte :-).

Gegen 17.00 Uhr stand mein Bruder in der Tür und meinte: »Feierabend, Jungs« Und einen Augenblick später »Wow, das hab ich nicht erwartet. Respekt Ihr habt einen Menge geschafft« sprach er anerkennend.

»Tja, Dein Azubi ist ein blendender Antreiber, sonst wäre bei mir die faule Ader hervorgetreten!« frotzelte ich.

Simon errötete leicht und sagte: »Quatsch, die Zeit verging so schnell und außerdem hat es einen Heidenspaß gemacht«

»Okay Junior wir packen es, Schönen Abend noch Simon« kam von meinem Bruder und weg war er.

Ich sah Simon an: »So ich muss dann!«

»Schade« hörte ich ihn flüstern.

Ich gab mir einen Ruck: »Hast Du Lust, dass wir das morgen wiederholen?«

Er schaute mich überrascht an: »Du willst morgen wiederkommen??« Na die Hoffnung in der Stimme war nicht zu überhören.

»Klar, alleine schaffst Du ja nichts weg, Azubine« grinste ich ihn an.

»Stark. Dann sehen wir uns morgen. Schlaf gut Kevin« und seine Augen strahlten. Ich drehte mich schnell um und verließ fast fluchtartig das Zimmer, sonst wäre ich vor seinen Augen dahin geschmolzen.

Mein Bruder empfing mich schon am Auto, warf mir die Schlüssel zu und stieg ein. ‚Oh man, mit den zittrigen Knien sollte ich jetzt Auto fahren??‘ grübelte ich. Also riss ich mich halbwegs zusammen und versuchte mich auf den Verkehr zu konzentrieren. Das war auch gut so, denn Rayk's Blick ruhte die meiste Zeit auf mich.

»Wächst mir irgendetwas aus dem Gesicht« fragte ich ihn neckisch.

»Yeb« hörte ich nur und leise hinterher »nur Dein Glück, mein Kleiner!«

Ich verriss fast das Lenkrad »Waaaas??«

»Du hast schon richtig gehört« kam es von ihm und grinsend fügte er hinzu: »Ich wusste gar nicht, dass unser Keller und die langweilige Ablage dort jemand soviel Spaß bereiten kann!«

»Ok, es war eher die sehr kurzweilige Unterhaltung mit Simon« man ich bekam seinen Namen ohne Stottern raus. »Scheint ganz in Ordnung zu sein, Dein Azubi« (was für eine Untertreibung!!)

Ein Schatten flog über Rayk's Gesicht: »Zur Zeit eher nicht, aber vielleicht bekommt er ja wieder die Kurve!«

»Na so schlimm wird ja schon nicht sein, Großer??« fragte ich ihn lockend, ich wollte einfach so viel als möglich über ihn herausbekommen.

»Oh doch Kevin, da muss ich Dir leider Dein gutes Bild, was Du Dir wohl gemacht hast, etwas ankratzen. Er hat uns gestern echt Geld gekostet – der ganze Schaden ist noch gar nicht richtig abzuschätzen.« antwortete mir mein Bruder und er war sauer, richtig sauer.

»Oh« murmelte ich »aber er ist doch nur Lehrling?«

Das Gesicht von Rayk verfinsterte sich noch mehr: »Tja und da liegt mein Fehler. Hier hat mich meine ‚vielgerühmte Menschenkenntnis (das sagte er sehr sarkastisch)‘ wohl in Stich gelassen. Die ersten 1 ½ Jahre war er echt gut und mein Vertrauen war, trotz aller Widerstände, gerechtfertigt, aber dann … .«

»Was war dann??????« fragte ich.

»Ich weiß es nicht, wirklich nicht. Auf dieses Geld kommt es mir ja gar nicht an, das habe ich gestern schon ersetzt, aber … Nun egal was passiert ist, ich werde es Dir nicht sagen, sorry. Das muss Dir Simon schon selbst erzählen.« Hörte ich noch und mein Brüder verfiel ins Grübeln.

Tja da saß ich nun. Ich wollte eigentlich mehr wissen über ihn und nun hatte ich noch mehr Fragen. Was hatte mein Traumboy angestellt? Wie hatte er sich verändert? Warum hatte mein Bruder das Geld bezahlt? Zu Hause angekommen, war nicht mehr viel los und ich verschwand auf mein Zimmer. Ich ließ mir noch mal alles durch den Kopf gehen. Simon sah einfach hyperscharf aus. Ein echt süßes Gesicht mit abgrundtiefen dunklen Augen. Eine schlanke sportliche Gestalt, die ich gerne mal von ihrer Kleidung entblättert hätte :-). Lange Beine, schlanke Hände und einen süßen Knackarsch (jedenfalls was ich sehen konnte). Aber zu dieser äußeren entzückenden Erscheinung kam noch ein faszinierender Charakter - eigentlich verstanden wir uns blendend, wenn man das nach einem Tag sagen kann. Blieb nur noch eine Frage – war er schwul? …

Nachwort

... Fortsetzung folgt

So Leute, das war der erste Teil meiner Eröffnungsstory bei Nickstories. Ich hoffe, sie ist nicht zu langatmig und Ihr findet Gefallen an Ihr. Ich möchte Euren Tatendrang aber gleich etwas bremsen, falls Ihr mich mit Ideen und Meinungen zu meiner Story »beeinflussen« wollt – ich muss Euch leider mitteilen, der größte Teil der Geschichte steht schon :-).

Das heißt nun aber nicht, dass ich kein Feedback von Euch haben will, wer freut sich nicht über Mails.

Also der zweite Teil folgt bestimmt. Bis dahin verbleibe ich Euer

jR

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