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Ein Unwetter spielt Schicksal

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Vorwort

An dieser Stelle möchte ich mich mal bei den zwei Menschen bedanken, die mit ihrer Geduld meine Geschichten immer wieder gelesen und die Rechtschreibung und Satzstellung wieder gerade gerückt haben. Ich kann sie förmlich vor ihrem Rechner sitzen sehen, wie sie kopfschüttelnd mein Geschriebenes versuchten zu verstehen. ;-)

Danke Michael und Clas.

 

Ich war auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, als schon ein leichtes Grummeln in der Luft lag. Vereinzelte Windböen kündigten das nahende Unwetter an. In den Nachrichten war davon die Rede gewesen, dass es zu orkanartigen Böen mit Starkregen kommen kann. Diese Wetterfuzzies drücken sich immer so schön schwammig aus, fast wie Politiker. Ich beeilte mich: Vor Blitz und Donner hatte ich ordentlich Respekt. Das Grummeln wurde lauter, die Abstände zwischen den Donnern bedenklich kürzer - lange konnte es nicht mehr dauern, bis es zum großen Showdown der Naturgewalten kommen würde.

An der nächsten Straßenecke bekam ich schon mal ordentlich Wind von vorn. Eine kräftige Böe hatte Sand und Dreck von der Straße aufgewirbelt und mir direkt um die Ohren gehauen. Blitzschnell schloss ich meine Augen und drehte mich schützend um. Trotzdem spürte ich den stechenden Schmerz der Sandkörner an Beinen und Nacken. Hätte ich bloß auf die kurze Hose heute früh verzichtet, aber es war früh am Morgen so warm gewesen. Mitten auf der Kreuzung wirbelte der Wind eine kleine Windhose über den Asphalt. Alles was so an Papier und sonstigem Müll herum lag, wurde in dieser Säule einige Meter in die Luft gewirbelt, immer wieder von Donnern und mittlerweile starken Blitzen begleitet. Mensch, hoffentlich würde ich meine Wohnung noch rechtzeitig erreichen.

Von Minute zu Minute verdunkelte sich der Himmel mehr. Autos hatten längst ihre Scheinwerfer eingeschaltet und versuchten wohl ebenfalls, schnell ans Ziel zu kommen. Die Szene wirkte fast wie in einem Katastrophenfilm. Die Sonne war hinter den schwarzen Wolken verschwunden und nur noch eine drückende, schwüle Luft erinnerte daran, dass vor wenigen Stunden noch ein schöner Sommertag gewesen war.

Langsam setzte jetzt auch er Regen ein. Einige Menschen versuchten, dem starken Wind Paroli zu bieten, und spannten mutig ihren Regenschirm auf. Aber das nützte wenig: Der Schirm benahm sich wie ein wilder Hund und zog mit dem Wind von dannen und das Herrchen wie von einem Magneten angezogen hinterher. Das Unwetter nahm seinen Lauf und braute sich über meinem Kopf immer schneller zusammen. Sogar die Straßenbeleuchtung schaltete sich so nach und nach ein. Schwarzer Himmel, Sturmböen und immer stärker einsetzender Regen machten meine Hoffnungen auf die rettende heimische Unterkunft zunichte. Hoffentlich verzieht sich das Gewitter schnell wieder. Ich hielt schon mal Ausschau nach geeigneten Unterstellmöglichkeiten.

Und Glück im Unglück: In meiner Nähe war ein nach innen gelegener Hauseingang. Da jetzt auch noch Hagel einsetzte, steuerte ich schon gut durchnässt diesen Hauseingang an. Die Rettung für den Augenblick, denn jetzt war das Unwetter direkt über mir. Man konnte durch den Starkregen die Straße nicht mehr erkennen. Blitz über Blitz schoss über den Himmel mit einem ohrenbetäubenden Donnerknallen. Ich zuckte bei jedem Grollen zusammen. Wie war das noch? Von dem Blitz bis zum Donner zählte man die Sekunden und teilte sie durch drei, dann wusste man so ungefähr wie weit das Gewitter noch entfernt war. Das hab ich vor vielen Jahren in der Schule gelernt. Aber welcher Blitz gehörte zu welchem Donnerschlag? Auf jeden Fall war für mich klar, dass ich mich mitten im Zentrum des Unwetters befand.

Das Wasser auf den Straßen und Gehwegen blieb wie ein großer See stehen. Fahrende Autos spritzten hohe Fontänen beim Vorbeifahren. Radfahrer schoben ihre Räder nur noch, Fußgänger hatten ihren Kampf mit den Schirmen längst verloren. Ich schaute ängstlich auf den vor mir in den Fluten versinkenden Gehweg, als plötzlich eine Gestalt mit Taschen bepackt auf mich zugerannt kam. In den grellen Blitzen nahm ich die Gestalt als bedrohlich wahr. Kurz vor mir, mitten im Blitzen und Donnern, entglitt dieser Person eine Tüte und viele Sachen verstreuten sich vor meinen Füßen: Ananas, Orangen, Äpfel und Bananen flogen wild durcheinander über den Weg.

"So ein Mist. Hätte dieses Unwetter nicht noch fünf Minuten warten können?" hörte ich die Gestalt fluchen.

Instinktiv griff ich in meine Umhängetasche und fischte einen Stoffbeutel hervor. Ich hatte immer ein paar davon für den spontanen Einkauf dabei, um nicht diese fürchterlichen Plastiktüten kaufen zu müssen. Ich stellte meine Umhängetasche in die hinterste Ecke meines provisorischen Unterstandes und stürzte mich mutig in die Fluten, um der Person beim Retten der Einkäufe zu helfen. Wir standen uns direkt gegenüber, als es wieder blitzte. Ich sah direkt sein Gesicht. Er war wohl in meinem Alter, trug eine Brille, durch die er allerdings bestimmt nichts mehr sah. Eine schöne weiche Gesichtsform konnte ich erkennen. Blonde Haare klebten wild in seinem Gesicht. Eine Frisur hatte er längst nicht mehr. Wie der sprichwörtliche begossene Pudel stand er vor mir.

"Warte, ich helfe dir schnell, deine Einkäufe vor dem Ertrinken zu retten."

"Oh, das wäre nett von dir. Diese blöden Papiertüten halten auch nichts mehr aus."

Schnell fingen wir an, alle Obstteile einzusammeln und in meinen Stoffbeutel zu bugsieren. Dabei berührten sich unsere Hände, als wir gleichzeitig nach derselben Orange griffen. Beide zuckten wir zurück. Ob es der Blitz mit gleichzeitigem Donner war oder ein zwischenmenschlicher Stromschlag, keine Ahnung. Ich spürte nur ein schönes, schon lange nicht mehr empfundenes Gefühl – in dem Moment fühlte es sich schön an. Obwohl es durch das Gewitter nahezu dunkel war, spürte ich ein Lächeln in seinem Gesicht. Der nächste Blitz bestätigte mein Gefühl. Er hatte seine Brille abgenommen, wohl um mich besser erkennen zu können. Und so standen wir uns im strömenden Regen gegenüber und schauten uns nur an.

Der nächste laute Donnerschlag riss uns aus der Starre. Ich hielt ihm den Beutel mit dem eingesammelten Obst hin.

"Hier, deine Einkäufe. Den Beutel schenke ich dir, habe genug davon."

"Danke, sehr lieb von dir. Wohnst du auch hier im Haus?"

"Nein, ich habe hier nur Schutz vor dem Gewitter gesucht. Ich habe noch ein ordentliches Stück zu laufen."

"Ich wohne erst seit kurzem hier, und da der Regen in den nächsten Minuten wohl nicht aufhören wird, würde ich dich gerne auf einen heißen Tee einladen, dann kannst du dich auch ein wenig trocknen."

"Danke, das ist lieb gemeint, aber nicht nötig. Ich düse jetzt schnell nach Hause und direkt unter die Dusche, damit ich mich nicht erkälte, bin ja sowieso total durchnässt.“

"Keine Widerrede, du kommst mit hoch. Und ich mache uns einen Tee. Du kannst dann ja, wenn der Regen nachlässt, einen Schirm von mir bekommen und dann weiter ziehen. Aber zuerst möchte ich mich für deine Hilfsbereitschaft bedanken. Also los."

Dabei schubste mich der junge Mann Richtung Hauseingang.

Beim nächsten Dauerblitzen konnte ich seine schönen Augen sehen. Das Lächeln haute mich einfach um. Nein, ich wurde nicht vom Blitz getroffen, oder doch? Aber dann war es sein Augenblitzen, das mein Herz in Flammen setzte. Ich war im Nu Wachs in seinen Armen. Und das, obwohl er mich noch nicht einmal berührt hatte. Die Schmetterlinge in meinem Bauch tanzten Walzer. Ich glaubte zu schweben. Ist das verliebt sein? Ich hatte schon mal einen Freund, aber solche Gefühle hatte ich mit ihm noch nie.

„Was ist los? Kommst du jetzt mit oder willst du hier draußen noch eine Runde `Singing in the Rain‘ tanzen?“

Dabei fing er an zu lachen. Ich glaube ich wurde jetzt gerade so richtig rot. Gott sei Dank war der Himmel noch mit dunklen Wolken behangen.

„Ich fress dich schon nicht auf. Ich möchte mich nur ein wenig bedanken und du sollst dich meinetwegen hier draußen nicht erkälten.“

Langsam ging er an mir vorbei, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Zum Glück konnte er in diesem Regen nicht meinen verwirrten Blick sehen. Bedächtig folgte ich ihm zur Haustür. Dort schnappte ich mir meine Tasche und trat hinter ihn in den noch dunklen Hausflur. Er blieb stehen, drehte sich zu mir um und griff an mir vorbei an den Lichtschalter. Hinter mir knallte es wieder und ich zuckte zusammen. Es war aber nur die Haustür, die ins Schloss fiel.

„Du bist ja ganz schön schreckhaft. Was treibt dich eigentlich bei solch fürchterlichem Wetter vor die Tür?“

„Ich komme von der Arbeit. Heute war ich ausnahmsweise nicht mit dem Auto unterwegs, das ist zur Inspektion. Und dann kamen auch noch Überstunden dazu.“

Er sah umwerfend aus, wie er so klatschnass vor mir stand. Das Regenwasser lief ihm von den Haaren übers Gesicht und bildete unter der Nase einen lustigen Tropfen. Blau, seine Augen hatten ein leuchtendes Blau. Und die Lippen waren sehr schön geformt. Immer wieder strich er leicht mit seiner Zunge darüber.

„Komm, sonst muss ich hier gleich noch das Treppenhaus wischen. Die Alte aus der ersten Etage meckert für ihr Leben gerne. Und sie weiß auch immer genau, wer wann nach Hause kommt. Ist bestimmt ganz praktisch, wenn mal die Polizei nach meinem Alibi fragt.“

In der 3.Etage blieben wir stehen, und er kramte in seiner Hosentasche nach dem Wohnungsschlüssel. Hier wohnte also mein Engel. Also, nicht dass ihr denkt, dass ich ihn schon mit Kosenamen überhäufe, aber Engel stand tatsächlich auf seinem Klingelschild. Und er sah auch wie einer aus.

Im Flur nahm mir mein Engel den Jutebeutel aus der Hand und ich schloss die Tür hinter mir.

„Kleinen Moment, ich bringe schnell den Einkauf in die Küche.“

Im nächsten Moment war er auch schon wieder zurück und lächelte mich an. Schweigend standen wir uns gegenüber und genossen scheinbar den Moment. Ich weiß nicht, wie lange wir so versunken waren, aber beim nächsten lauten Donnergrollen zuckte ich wieder zusammen.

„Oh, entschuldige. Hier links ist das Bad. Ich hol dir mal schnell ein Handtuch und ein paar Klamotten zum Wechseln. Du hast ja ungefähr meine Größe, da ist das ja praktisch.“

Er lächelte dabei, als er mich mit seinen tollen Augen abscannte. Ob er wohl auch ein wenig Interesse an mir hatte? Ich schaute mich ein wenig im Flur um, während er in einem Zimmer verschwand und erblickte ein großes gerahmtes Bild an der Wand: `La Cage aux Folles – Theater des Westens´ - na, wenn das nicht eindeutig ist, weiß ich's auch nicht.

„So, ein großes Handtuch, T-Shirt und Shorts. Hinter der Tür hängt ein Bademantel, den kannst du dir dann überziehen. Fühl dich wie zu Hause, ich mach uns dann schon mal einen Tee. Hast du einen besonderen Wunsch?“

Mein Engel öffnete während seiner Erklärungen die Badtür und machte das Licht an. Es war zwar klein, aber hübsch eingerichtet. Der Spiegel war von lauter kleinen Lämpchen umrahmt. Auf der Ablage stand lediglich ein Döschen Lippenbalsam. Über dem Klo baumelte ein lustiges Fischemobile. Ich entschloss mich, schnell unter die Dusche zu hüpfen. Das warme Wasser tat nach dem Regen und der aufkommenden Kälte sehr gut.

Als ich aus dem Bad kam, wickelte ich mich in den flauschigen weißen Bademantel. Aus dem anderen Ende der Wohnung erklang schöne Musik.

"Ich bin im Wohnzimmer!"

Ich folgte der Musik und stand in einem schön eingerichteten Zimmer. Es war mit vielen Pflanzen dekoriert. An der Wand stand eine überdimensionale Loriot-Couch in Weinrot. Die Wand dahinter war in einem warmen Gelbton. An der Wand gegenüber dem Fenster befand sich ein einziges, großes Bücherregal. Gegenüber der Couch war an der Wand ein bestimmt 50" großer Flachbildfernseher montiert, darunter ein kleines Regal mit einer Stereoanlage. Drumherum lagen viele CD's und DVD's verstreut. Das passte überhaupt nicht zu der sonst herrschenden Ordnung in dieser sehr geschmackvoll eingerichteten Wohnung.

Mein Engel stand mit dem Rücken zu mir und goss uns gerade einen heißen Tee ein. Auch dieser Anblick sagte mir sehr zu. Ich glaube, ich hatte mich wieder verliebt. In diesem Moment dreht er sich um und zuckte leicht zusammen. Schon im nächsten Augenblick fing er dann an zu lächeln. Ich konnte nicht anders als einfach nur zurück zu lächeln.

"In meinem weißen Bademantel, hast du was von Udo Jürgens."

"Merci, Cherie" platzte es ungewollt aber spontan aus meinem Mund und ich wurde wohl ziemlich rot dabei. Mein Gegenüber fing laut an zu lachen und musste die Teekanne auf dem Tisch abstellen, damit er von dem heißen Gebräu nichts auf dem hellen weichen Teppich kleckerte.

"Wie heißt du eigentlich? Wir hatten uns ja noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Levin", sagte mein hübscher Engel.

"Wickie, ähm, ich meinte Viktor. Meine Freunde nennen mich aber nur Wickie ."

"Schöner Name. Wickie und die starken Männer."

"Gibt keinen." plapperte ich unkontrolliert heraus.

Levin nahm die Teekanne und verließ, mir kurz zuzwinkernd, das Wohnzimmer.

"Ich ziehe mir mal schnell was Trockenes an. Setzt dich doch oder schau dich ein wenig um. Bin gleich wieder da. Sag mal, soll ich deine nassen Klamotten schnell mit in den Trockner werfen? Dann sind sie in zwei Stunden trocken."

"Das wäre nett, Levin.", lächelte ich ihn an. Levin nickte nur und verschwand im Flur.


Wir unterhielten uns über alles Mögliche. Nebenbei tranken wir unseren Tee. Ich hatte mich von seiner Auswahl überraschen lassen: es war einer mit leichtem Orangengeschmack.

"Du hast viele schöne Bildbände. Bist dort schon überall gewesen?"

Er fing an zu lachen. Wow, dieses Lachen zauberte mir eine wohlige Gänsehaut auf meinen Körper.

"Nein, soviel Urlaub habe ich gar nicht. Aber ich habe vor, in jedem Sommer eines dieser Länder zu besuchen. Hier zum Beispiel, im nächsten Jahr möchte ich das Tessin bereisen, zwei Wochen lang."

Seine Augen strahlten, als er das passende Buch zu seinen Ausführungen aus dem Regal nahm.

"Meine Eltern hatten vor fast 25 Jahren dort ihre Hochzeitsreise verbracht. Ich war von klein auf in die Bilder, die sie dort machten vernarrt, und hatte mir vorgenommen, eines Tages dort selbst einmal hin zu reisen."

Bei diesen Ausführungen wurde Levin ein wenig wehmütig und blätterte leicht verträumt durch diesen Bildband.

"Ich verbringe meinen Urlaub meist auf dem Bauernhof meiner Eltern. Dort kann ich sehr schön wieder Kraft tanken. Manchmal gehe ich sogar um vier Uhr morgens mit, die Kühe zu melken. Urlaub hatten wir früher schon kaum, da man einen Hof mit zwanzig Kühen nicht einfach mal für zwei Wochen schließen konnte. Jetzt überlegen meine Eltern, den Hof zu verkaufen, weil keiner ihrer Kinder sich diesen Stress antun will, zumal der Hof bei den Milchpreisen fast keinen Gewinn mehr abwirft."

"Da seid ihr ja wenigstens in der schönen Natur aufgewachsen. Ich war schon immer ein Stadtkind, das sich als Kind immer gerne in den Urwald geträumt hatte. Daher mein Faible für Urlaube in schönen Landschaften."

"Tja, als Landkind freut man sich dann, wenn man mal mehr als zehn Häuser auf einem Haufen sehen kann. Darum war ich nach der Schule für die Ausbildung in die Großstadt gezogen. Ich fand diesen Großstadtdschungel sehr aufregend, und es gab auch hier immer wieder was zu entdecken. Meine Eltern waren nur einmal hier und sind nach einem gestressten Wochenende wieder abgereist."

Spät am Abend verabschiedeten wir uns, und ich bemerkte, wie schnell die Zeit verflogen war.

Meine Sachen waren trocken, ich zog sie mir mit gemischten Gefühlen wieder an. Ich wollte, dass dieser Tag nie zu Ende gehen möge. Wenn ich jetzt gehe, gibt es dann ein Morgen? Stellt sich schnell die Ernüchterung ein und es bleibt bei diesem einen schönen Abend oder haben wir eine Zukunft? Es lag an mir, etwas zu tun, damit dieser Abend nicht das Ende, sondern der Anfang von etwas Großem wird.

Ich grübelte die ganze Zeit. Mittlerweile standen wir vor der Haustür. Das Unwetter hatte sich längst verzogen.

Wir schauten uns schweigend an, aber keiner wusste die Stille zu überbrücken. Beide dachten wir wohl, der andere sagt den erlösenden Satz. Aber er fiel nicht.

Ich bedankte mich für den schönen Abend. In Levins Augen sah ich eine gewisse Traurigkeit, aber auch mir kamen die richtigen Worte nicht über die Lippen.

So verließ ich Levins Wohnung nach einer eher freundschaftlichen Umarmung. Im Treppenhaus machte ich das Licht an, winkte ich ihm noch mal kurz zu und stieg langsam die Treppe hinunter. Levin sah mir noch nach, als ich mich nochmals umdrehte.

In der ersten Etage blieb ich stehen. Ich wusste genau, dass, wenn ich dieses Haus verließ, werde ich es wohl nie wieder betreten. Was hatte ich zu verlieren? Hatte ich überhaupt was zu verlieren? Konnte ich nicht eigentlich nur gewinnen?

Einfach die Treppe wieder hoch, Klingeln und dann die berühmten drei Worte. War es das, was ich wollte? Es waren die längsten Sekunden meines noch recht jungen Lebens, aber ich musste mich entscheiden. Ich wollte nicht den Rest meines Lebens an diese für mich schönsten Stunden zurück denken, um dann zu sagen 'Warum hast du dich nicht getraut, du Idiot!' Nein, ich musste es versuchen.

Klick!

Das war das Licht im Flur, es war zwischenzeitlich ausgegangen. Das rote Leuchten des Lichtschalters sprach zu mir: Drück dich nicht, sondern drück mich, dann und schnell wieder hoch und sag’s ihm, sag ihm, dass du dich verliebt hast. Er wartet auf dich!

Ich schloss kurz die Augen, atmete einmal tief durch, nickte wie in Trance. Dann haute ich mit der flachen Hand auf den Schalter. Dass er dabei nicht zerbrach, glich einem Wunder. Ich stürmte die Treppen, zwei Stufen auf einmal nehmend, nach oben und stand keuchend vor Levins Tür.

Ohne zu überlegen drückte ich die Klingel und ließ sie nicht mehr los. Schon im nächsten Moment wurde die Tür von der anderen Seite geöffnet. Dieser Blick, der in Sekunden von traurig in ein freudiges Lächeln umschlug war es wert, die Worte zu sagen.

"Levin, ich kann nicht anders, ich ..... ich habe mich in dich verknallt ...."

Im nächsten Moment fiel mir ein schluchzender, junger, hübscher Mann um den Hals, der nur noch jappste:

"Ich mich auch in dich, Wickie ."

Levin zog mich zurück in seine Wohnung und ich schaffte es gerade noch mit dem Fuß die Tür hinter mir zu zuschlagen. Levin zuckte kurz zusammen.

"Das war kein Donner, sondern nur die Tür"

"Dann solltest du jetzt mal erleben, wie es blitzt, wenn ich dich küsse."

Aus dem Wohnzimmer klangen gerade 'Snow Patrol' mit ihrem "Just say yes" zu uns auf den Flur:

I'm running out of ways to make you see

I want you to stay here beside me

I won't be okay and I won't pretend I am

So just tell me today and take my hand

Please take my hand

Please take my hand

Just say yes

Just say there's nothing holding you back

It's not a test, not a trick of the mind

Only love

Writer(s): Gary Lightbody, Tom Simpson, Garret Lee, Nathan Connolly, Jonathan Graham Quinn

Copyright: Universal Music

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