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Die rote Wolke

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Der Tag am Baggersee sollte die Veränderung in Julians Leben einläuten. Doch der 14jährige Achtklässler ahnte noch nichts, als er sich bei tropischen Temperaturen mit seinen Freunden am Baggersee vergnügte.

Am späten Nachmittag zogen sich die meisten Jungs nach Hause zurück. Nur Julian blieb noch im Schatten eines Busches liegen und genoss die Ruhe.

Plötzlich schreckte er hoch, als er eine Hand spürte, die zaghaft seine nackte Schulter berührte. Durch die zusammengekniffenen Augen erkannte er das schwarzhaarige Mädchen aus der 9. Klasse.

„Hannah, hast du mich erschreckt. Was machst du hier?"

„Och ... nichts, nur Zufall. Hast du Lust mit mir Eis essen zu gehen?"

Julian nahm Hannah den angeblichen Zufall nicht ab, trotzdem sagte er: „Ja, ok, können wir machen." Er zog seine Jeans, T-Shirt und K-Swiss an. Hannah beobachtete ihn dabei genau. Julian bemerkte es und fühlte sich unwohl, sagte aber nichts. Dieses ungute Gefühl wurde auch in der Eisdiele nicht besser. Er spürte deutlich, dass es Hannah nicht nur aufs Eis essen ankam. Aber das kam ihm so fremd und unwirklich vor. Als sie sich von einander verabschiedeten, ging er in sich versunken nach Hause. Tausende Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf. Da gab es ein Mädchen, das seine Nähe suchte. Keine kleine Göre, die ihn anhimmelte, nein, ein selbstbewusstes Mädchen, das mehr als ein Jahr älter war als er. Und es gab keinen Zweifel, dass eben war eine knallharte Anmache.

Eigentlich sollte er sich freuen, stolz auf sich sein. Stattdessen war ihm die Situation zuwider. Je länger er darüber nachdachte, desto verwirrter wurde er. Warum sprang er nicht auf Hannah an? Er wusste genau, dass einige Jungs von der Schule hinter Hannah her waren und bei ihr abblitzten. Und er? Er konnte bei ihr landen, einfach so, ohne große Anstrengung. Weil sie ihn wollte. Wovor also hatte er Angst? .....Angst? Nach der halben durchwachten und vergrübelten Nacht, war er sich sicher: nein es war keine Angst, sondern irgendetwas anderes hielt ihn davon ab, auf Hannah einzugehen. Lag es an Hannah? Nee, er musste sich eingestehen, dass er überhaupt kein Mädchen attraktiv und anziehend fand. Es gab einige, die er mochte. Ja, mochte, so wie viele andere Menschen. Bis auf..... Moment mal.... Einige Jungs fand er anziehend, sehr sogar. Mein Gott, war er etwa..... neee natürlich nicht, das wäre ja lächerlich. Sicher war das nur so eine komische Phase der Pubertät. Er war ja vernünftig genug einzusehen, dass die Pubertät „Randerscheinungen" hatte, die auch er ja schon genossen hatte, aber sicher nicht so ernst nehmen musste..... Oder nicht ernst nehmen wollte?

Hannah ging er soweit wie möglich aus dem Weg.

Die Monate verstrichen. Ein neues Mädchen kam in seine Klasse: Sophie. Sie war so anders als die anderen Mädchen. Sie hatte so ein offenes, kumpelhaftes Wesen.

In der Schule saßen sie nebeneinander und schnell freundeten sie sich an. Oft vergaß er, dass Sophie ein Mädchen war, das spielte einfach keine Rolle. Er genoss die körperlichen Kontakte, die Umarmungen, die Unbefangenheit, die er in ihrer Gegenwart verspürte. Längst unternahmen sie einiges miteinander.

Eines Tages fragte Sophie, ob sie ihren Zwillingsbruder zum Kinobesuch mitbringen dürfte. Julian hatte noch nie ein Zwillingspaar kennengelernt und war schon ganz gespannt darauf, wie das denn sein würde. Das musste doch bestimmt lustig werden. Julian ging absichtlich etwas früher, um die beiden abzuholen.

Sophie machte die Tür auf und ließ Julian herein. „Geh schon mal rein, ich bin gleich fertig.", sagte sie. Im Wohnzimmer auf der Couch saß ein hübscher blonder Junge mit tiefblauen Augen. Er reichte Julian die Hand. „Hallo ich bin Philipp".

Julian erwiderte den Händedruck. „Hey, ich bin Julian."

„Ja, ich weiß, der Freund meiner Schwester", grinste er Julian an.

„Ähm...jaa, so ungefähr", mehr brachte Julian nicht heraus.

In den nächsten Wochen verbrachten die drei viel Zeit miteinander. Philipp und Julian wurden gute Freunde. Julian allerdings begann schnell eine Zuneigung zu Philipp zu spüren, die immer stärker wurde. Das machte ihm Angst, große Angst, denn er erinnerte sich auch an die Sache mit Hannah. An die Verwirrung der Gefühle, die er so lange verdrängt hatte. Was war los mit ihm? Er war inzwischen 16 Jahre alt. Diese Scheiss-Pubertät müsste man doch längst im Griff haben. War er etwa wirklich schwul, was ihm schon öfter mal durch den Kopf ging? Nein das konnte nicht sein, never! Immer wieder hatte er diesen Gedanken verdrängt.

Tage- und nächtelang grübelte Julian über seinem Problem. Bis Sophie ihn ansprach

„Hey Juli, was ist los mit dir?"

„Och nix."

„Lüg mich nicht an, ich merke doch, dass es dir schlecht geht. Was ist los?"

Gerne hätte Julian sich bei Sophie ausgeheult, aber er erging sich in Ausflüchten. Volle zwei Wochen vergingen, bis er sich endlich einen Ruck gab. Er erzählte Sophie alles, was er empfand, er beschrieb ihr seine Verwirrungen. Nur seine Gefühle zu Philipp erwähnte er nicht.

Als er geendet hatte, atmete Sophie tief durch.

„Juli, weißt du, ich habe schon lange gemerkt, dass du irgendwie anders tickst. Ich habe auch schon mal daran gedacht, dass du vielleicht schwul sein könntest."

„Was, wie hast du das gemerkt? Ich bin doch keine Tunte oder so."

„Nein, natürlich nicht. Aber dein Verhalten Mädchen gegenüber ist schon verräterisch.“

„Mann ich habe doch versucht, das nicht so auffallen zu lassen.“

„Klar, das wird auch nur jemand bemerken, der dich so gut kennt wie ich.“

„Scheisse, ich will das doch gar nicht......“

„Juli, akzeptier es doch, du machst dich sonst nur selbst verrückt. Was ist schlimmes daran, schwul zu sein? Du bist mein bester Freund und das bleibst du auch."

„Du ja, aber was ist mit den anderen, die werden mich zum Teufel jagen."

„Keiner wird dich zum Teufel jagen, aber du musst den Mut haben es dir selbst einzugestehen. Das ist jetzt das wichtigste."

Sophie fasste Julian an den Schultern und schüttelte ihn leicht.

„Hey glaub an dich! Ich tu es auch.". Sie küsste Julian auf die Wange. Er sah sie mit feuchten Augen an und sagte leise „Ja, danke, das mache ich."

Die nächsten Tage verbrachte Julian damit, seine Gedanken zu ordnen. Langsam reifte die Erkenntnis, dass es keinen Sinn macht sich selbst zu belügen. Er beschloss noch eine Person hinzuzuziehen, der er blind vertrauen kann: seinen Bruder. Kevin war 7 Jahre älter und der beste Bruder der Welt.

Er wartete bis zum Abendessen.

„Hey Kev, ich hab n paar neue CDs."

„Ja cool, lass uns die gleich mal hören".

Nach dem Essen in Julians Zimmer:

„Los zeig mal die CDs."

„Ähm.. also... ich habe gar keine neuen CDs, aber muss mal mit dir reden."

„Mann wenn du so guckst, dann haste was ausgefressen. Also was ist los? Haste beim Vögeln das Gummi vergessen und jetzt ist die Alte schwanger, oder was?"

„Neee, äh, na geht aber schon in die Richtung."

Kevin legte seinen Arm um Julians Schultern.

„Ok, also es geht um ein Mädel, dann schieß mal los."

Julian druckste rum.

„Nee es geht nich um ein Mädchen, eher das Gegenteil. Ich .. ähm, ich glaub, also ich bin ziemlich sicher..... ich bin... schwul."

Dabei vermied Julian den Blickkontakt. Kevin schaute seinen Bruder lange an, bevor er antwortete.

„Mensch Brüderchen, bist du dir wirklich sicher?“

„Ja, ich glaub schon.“

„Ok, wenn das so ist. Was glaubst du wie egal mir das ist. Du bist mein Bruder und ich bin immer für dich da. Sag mal, hast du Angst?“

„Ja“

„Du, ich kann dir deine Angst nicht nehmen. Das musst du selbst tun. Steh dazu. Sei ehrlich zu dir selbst, ansonsten versaust du dir nur dein Leben. Verstehst du was ich sagen will?"

„Ja schon, aber das so einfach gesagt."

„Das weiß ich, Kleiner. Ich helfe dir, wann immer ich kann. Wenn du reden willst, dann bin ich immer für dich da, das weißt du hoffentlich. Aber du musst selbst den ersten Schritt tun. Verstehst du?“

„Hm ja, du hast ja Recht.“

Julian senkte den Blick. Kevin zerwuselte Julians langes Haar.

„Aber sag mal, gibts da schon jemanden?"

Kevin grinste Julian mit seinem gewinnenden Lächeln an.

„Ja, Philipp, den Bruder von Sophie."

„Super ey, dann hau rein."

„Mann das sagst du so einfach. Was ist, wenn er nicht will und dann rumposaunt, dass ich mich an ihn rangemacht habe? Mensch, wenn die anderen das erfahren, kann ich mir nen Strick nehmen."

„Kleiner, du hast doch keine Wahl. Du musst das riskieren, sonst bleibst du dein Leben lang allein. Aber die Leute sind heute tolerant genug und deine Freunde sind doch keine Freaks. Das klappt schon."

Kevin verpasste seinem Bruder einen freundschaftlichen Klaps und grinste. Julian schaute Kevin an. „Danke, Alter, ich pack das schon …. irgendwie.“

Die halbe Nacht lag er wach und dachte über Kevins Worte nach und darüber, wie er Philipp klarmachen konnte, was er für ihn empfand.

Zu einem Ergebnis kam er allerdings nicht.

In den nächsten Tagen hielt er sich von Sophie und Philipp fern, um Abstand zu gewinnen und Zeit zum Nachdenken zu haben.

Die ganze Woche schlich ereignislos dahin.

Bis Freitag am frühen Abend das Handy klingelte. Sophie war dran.

„Hey Juli, was ist los mit dir, bist du krank oder sowas?"

„Hi, Sophie, nee, nicht krank, nur irgendwie bissl depri."

„Ok, da weiß ich was, Phil und ich gehen ins Kino, kommst du mit?"

„Hm, naja.."

„Menno, red nicht drum rum und komm her."

Der Gedanke, Philipp wieder zu sehen, beflügelte ihn, er freute sich auf ihn.

„Ok, bin gleich da."

Schnell verabschiedete er sich von seiner Mutter und rannte los. Sophie und Philipp warteten schon auf ihn und sie zogen los.

Nach dem Film standen die drei noch etwas unschlüssig vor dem Kino herum. Während sie noch überlegten, was sie noch unternehmen wollten, kam ein Trupp Mädels schnurstracks auf sie zu.

„Huhu Söphchen!"

„Hi, was macht ihr denn hier, hab euch ja schon ewig nicht mehr gesehen."

Und schon ging ein lustiges Geschnatter los. Julian grinste Philipp an und flüsterte „...Weiber...“. Philipp grinste zurück.

„Komm lass uns abhauen"

„Hey Schwesterherz, wir gehen denn mal. Bye."

„Ok, ich zieh noch ‘n bisschen mit den Mädels durch die Gemeinde. Bye."

Philipp wandte sich an Julian:

„Lass uns zu mir gehen, meine Ellis sind weg, da können wir uns ein Bier genehmigen." „Säufer, aber ok, wenn du meinst".

Julians Herz fing an schneller zu schlagen. Er allein mit Philipp, hoffentlich würde er seine Nerven behalten.

Kurze Zeit später saßen sie zusammen in Philipps Zimmer.

„Willste ein Bier?"

„Na vielleicht später, erstmal n Wasser oder so."

Philipp holte Wasser und Chips und schaltete den Fernseher und DVD-Spieler an.

„Du, Juli, ich hab „Transformers 2" hier. Sollen wir uns den ansehen?"

„Ja ok mach mal. Den hab ich noch nicht gesehen."

Sie saßen nebeneinander auf dem Sofa, sahen sich den Film an und mampften Chips. Wobei Julian sich nicht so richtig auf den Film konzentrieren konnte. Er überlegte die ganze Zeit, ob er einen Vorstoß wagen sollte. Was wäre, wenn Philipp ihm die Freundschaft kündigen würde. Er musste an die Worte seines Bruders denken.

„Du musst das riskieren, sonst bleibst du dein Leben lang allein", hatte Kevin gesagt. Julian wurde unruhig, vielleicht, vielleicht sollte er doch.... Er fühlte sich hin- und hergerissen. Schließlich setzte er alles auf eine Karte. Er räkelte sich auf dem Sofa zurecht, legte langsam, zaghaft seinen Arm um Philipps Schultern und erwartete, dass Philipp aufspringen und ihn anbrüllen würde. Aber nichts geschah. Philipp reagiert nicht. Zumindest hatte es den Anschein. Julian fasste sich ein Herz, rückte näher an Philipp heran und verstärkte den Druck seines Armes. Da endlich drehte Philipp seinen Kopf und sah ihn an.

„Juli, was... machst du?" fragte er.

„Ich .. ähm… magst du das nicht?"

„Doch aber..."

Julian wusste jetzt was er zu tun hatte.

„Du Philipp, ich muss dir was sagen. Also.. ich … ich bin schwul und …. hab … hab mich in dich verliebt. Bitte sei mir nicht böse."

Philipp sah Julian an. Dem kam es vor, als würden Stunden vergehen, bis Philipp endlich antwortete.

„Nein, ich bin dir nicht böse, aber ich habe das nicht erwartet. Ich hab nie was gemerkt bei dir."

„Maaaann, es sollte ja auch keiner merken. Außerdem hatte ich Angst, du könntest mir die Freundschaft kündigen."

„Nein, Mensch ich bin doch froh dich zum Freund zu haben, aber … aber das hier ist völlig neu für mich, verstehst du?"

„Ja schon klar, du hast bestimmt noch nie was mit ‘nem Kerl gehabt und nur mit Mädchen rumgemacht."

Philipp lächelte Julian verlegen an. „Mädchen? Nee auch nicht."

Die beiden schauten sich lange an. Julian beugte seinen Kopf näher zu Philipp. Nach kurzem Zögern kam er ihm entgegen. Ihre Lippen berührten sich erst zaghaft, dann formten sie sich zu einem langen, leidenschaftlichen Kuss.

Es war schon tief in der Nacht. Die beiden lagen eng umschlungen in Philipps Bett, als sie durch ein Geräusch geweckt wurden. Sophie war nach Hause gekommen. Sie hörten wie sie ihn ihr Zimmer ging.

Julian flüsterte

„Scheisse, wir sind eingepennt. Ich hau ab, Sophie darf nix merken."

„Ok, aber leise."

Julian stieg hastig in seine Klamotten. Philipp zog seine Boxer und sein T-Shirt an, schaute nach, ob die Luft rein war und ließ Julian hinaus.

Am nächsten Tag klingelte Julians Handy. Eine SMS von Philipp „Komm um 4 zum Spielplatz. Dringend. Phil." Die Nachricht beunruhigte Julian sehr. Mit klopfendem Herzen ging er zum verabredeten Treffpunkt.

Philipp war schon da.

„Hey was ist los?"

„Du Juli, ich muss unbedingt mit dir reden."

„Ok schieß los."

Philipp druckste rum, es fiel im schwer zu reden. „Weißt du, was da heute Nacht passiert ist, war wunderschön. Aber …. das darf nie wieder passieren."

Julian sah Philipp entsetzt an.

„Aber warum denn nicht, du sagst doch selbst es war wunderschön."

„Ja schon, aber irgendwie war ich das nicht selbst. Ich habe das Gefühl, dass ich letzte Nacht ein Anderer war. Juli, ich bin nicht schwul, ich will nichts von Männern, verstehst du?"

„Hm, ja, aber... wir bleiben Freunde, ja?"

Voller Angst sah er Philipp an.

„Ja, klar. Aber das von letzter Nacht darf niemand erfahren, ok?"

„Sicher, keiner erfährt was."

Beide gingen nach Hause zurück. Julian fühlte sich ausgelaugt. So schnell konnte ein Traum zu Ende gehen. Den Rest des Tages verbrachte er mit nutzlosen Tätigkeiten. Auch der Sonntag zog sich öde in die Länge.

Bis sein Handy klingelte. Philipp war dran.

„Hey Juli, hast du heute Abend Zeit?"

„Ja sicher. Warum, was ist los?"

„Och nix besonderes, mir ist nur langweilig."

„Ok, dann bis später."

Ein zwiespältiges Gefühl befiel Julian. Einerseits freute er sich, dass Philipp ihn einlud, denn er sehnte sich nach seiner Nähe. Andererseits war ihm klar, dass es zwischen ihm und Philipp nie mehr zu Zärtlichkeiten kommen würde. Er nahm sich vor, das Beste daraus zu machen und stiefelte los.

Bei Philipp angekommen ging alles sehr schnell. Philipp warf die Haustür zu, fiel Julian um den Hals und gab ihm einen langen, tiefen Kuss. Julian war zunächst völlig überrascht, fing sich aber schnell und erwiderte den Kuss. Ohne voneinander zu lassen gingen sie in Philipps Zimmer.

Einige Minuten später:

„Mensch Phil, was ..". Philipp hielt Julian den Mund zu. „Bitte sag nichts, lass mich erklären." Julian sah ihn an und nickte stumm.

„Ich weiß, was ich noch vorgestern gesagt habe, dass so was nie mehr passieren dürfte. Aber ich war da völlig durcheinander, weißt du, es war ja mein erstes Mal. Ich hatte einfach Panik etwas Falsches getan zu haben. Jetzt weiß ich, dass so etwas Schönes wie mit dir nicht falsch sein kann."

Philipp gab Julian einen Kuss auf die Wange.

„Ich möchte auch gerne wieder Sex mit dir haben, aber....", Seine Miene wurde ernst und er sah Julian mit verkniffenen Lippen an, „... aber eine echte Beziehung mit einem Kerl kann ich mir nicht vorstellen. Sorry, aber es ist so..... Kannst du das akzeptieren?"

Julian hatte das Gefühl, dass ihm ein Kloß im Hals steckte. Er wusste nicht was er empfinden sollte. Sex mit Philipp ohne das Gefühl einer Beziehung, die er sich so wünschte? Wäre so etwas überhaupt auf die Dauer belastbar? Oder war der Spatz in der Hand besser als die Taube auf dem Dach? Und er sollte sich jetzt, in dieser Sekunde entscheiden und Philipp eine Antwort geben? Er brauchte Zeit zum Nachdenken.

Aber Philipp sah ihn erwartungsvoll an. Also jetzt keinen Fehler machen. „Ja, sicher, das kann ich." sagte Julian. Er versuchte möglichst natürlich zu grinsen, strich Philipp durchs Haar und küsste ihn. Wohl war ihm nicht dabei, denn er wusste genau, dass er nur auf Zeit spielte und ein großes Risiko einging, wenn Philipp merken würde, dass er gerade gelogen hatte.

Julian riss sich zusammen und so wurde es noch ein leidenschaftlicher Abend.

Die kommende Woche war hektisch. Julian hatte viel für die Schule zu tun. Auch das Tischtennistraining forderte ihn. So blieb nur Zeit für ein paar Telefonate und Chats mit Philipp. Das Thema Sex klammerte Julian strikt aus. Er wusste immer noch nicht, wie er sich Philipp gegenüber verhalten sollte. Ihm standen auch nicht die Sinne danach zu einer Lösung zu kommen.

Und wieder war es Philipp, der die Initiative ergriff, als er Julian am Freitagnachmittag anrief.

„Hey Juli, haste heute Abend Zeit? Ich hab `nen coolen Film besorgt."

„Klar hab ich Zeit, welchen Film haste denn?"

„Sag ich nicht, lass dich überraschen."

„Nee sag doch."

Philipp lachte. „Nööö, ich lass dich jetzt mal zappeln."

„Menno.... na gut du Sadist. Bis nachher."

Als Julian bei Philipp eintraf, hatte der schon alles für einen DVD-Abend vorbereitet.

Chips und Getränke standen bereit.

„Da, hau dich hin. Geht gleich los"

„Bin mal gespannt worum du so ein Geschiss machst."

Philipp grinste wie ein Honigkuchenpferd.

„Wirst schon sehen."

Philipp startete den DVD-Player. Der Film lief an. Eine Inderin brüllte ein paar Fußballspielende Jungs an, die einen von ihnen verarschten. Philipp sah Julian erwartungsvoll an. „Kennste den?"

„Nö."

„Ok, dann lass dich überraschen."

Philipp musste wieder breit grinsen. Der Film spielte in einer hässlichen englischen Vorstadt, und hieß „Beautiful Thing". Er handelte von zwei sich ineinander verliebenden Jungen. Julian und Philipp schauten den Film schweigend bis fast zu Ende an. Als die beiden Jungs im Film anfingen eng umschlungen miteinander zu tanzen, stand Philipp auf, hielt Julian seine Hand hin. Julian sah Philipp fragend an. Der flüsterte: „Hey komm schon."

Julian erhob sich. Die beiden nahmen sich in die Arme und tanzten im leichten Wiegeschritt, genau wie die beiden Jungs im Film.

Etliche Minuten später: Der Film war längst zu Ende, als sie immer noch tanzten und Philipp Julian leise in Ohr flüsterte: „Juli... ich war so ein Idiot, aber ich war völlig überfordert, verstehst du?"

Er blieb stehen, löste sich aus der Umarmung und sah Julian mit festem Ausdruck an. „Bitte entschuldige, wenn ich dir irgendwie wehgetan habe, aber ich wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Aber Sophie hat mir einiges klar gemacht. Ich weiß jetzt endlich, wer und was ich bin und was ich will. Juli... ich liebe dich und ich will mit dir zusammen sein."

Julian fühlte, wie sich seine Augen mit Tränen füllten, aber er schämte sich nicht und ließ sie laufen. Mit brüchiger Stimme sagte er „Mein Gott Phil, du hast gar keine Ahnung, wie sehr ich dich liebe, aber ich bin es der sich entschuldigen muss. Mir ist klar geworden, dass ich dich überfordert habe und ich wünsche mir so sehr, mit dir zusammen zu sein."

Sie umarmten sich, sanken eng umschlungen auf das Sofa zurück und küssten sich lange und zärtlich.

Es war, als ob eine rote Wolke der Gefühle sie umschloss.


Diese Geschichte hat sich so ereignet, nur die Namen sind frei erfunden.

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