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Alles beginnt mit der SehnSucht

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* Nichts lebt ewig. Vielleicht sollten wir uns schon jetzt auf den Tod vorbereiten? Dann wäre es nicht mehr so überraschend, schmerzvoll. Zu verlieren.

Ich streiche über seine blasse Haut, weiß jetzt, in diesem Moment schon, dass es irgendwann vorbei sein wird. Vorbei sein muss, weil nichts ewig hält. Währt.

Lebt.

Spätestens, wenn er stirbt, werde ich ihn verlieren.

Deshalb. Muss ich mich jetzt schon darauf vorbereiten. Seelisch.

Er blinzelt, zieht die Nase kraus und schiebt meine Hand weg. Wie ein Blitz zuckt seine Bewegung durch meine. Wie ein Donner, ein Blitz und ein Gewitter. Ein Sturm, so plötzlich, da, in meinem Herz, dass es. Weh tut.

Here he is.

Ich halte seine Hand fest, seine warme Hand. Die irgendwann kalt sein wird. Und warte, bis er mich ansieht. Aus Augen, hell wie Kieselsteine.

Ich küsse ihn. Seine Wangen, seine Nase, seine Finger, seine Brust, seinen Hals. Alles, alles, alles.

Alles.

Nur den Mund nicht. Noch nicht.

Sein Part. Sein Teil der Abmachung. Sozusagen.

Er lächelt, hält die Augen geschlossenen, tastet in seiner Finsternis nach meinem Gesicht, fährt darüber, mit Fingern, zart wie Regentropfen.

Dann küsst er mich.

Here I am.

Ich sehne mich schon nach ihm, da berühren seine Lippen noch meine.

Sehnsucht.

Süchtig nach dem Sehnen.

Nach ihm. Nach alles.

Nach ihm.

Fast tut es weh. Dieses Glück.

* Warm ist er. Und ich höre sein Herz schlagen, als schlage es nur für mich. Wie es lebt. Nur für mich.

Ganz allein.

In diesem Moment lebe ich so sehr, dass es mich fast zerreißt. Weil ich weiß, dass es nicht ewig so sein wird. Wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Wer weiß schon, ob ich morgen noch lebe?

Oder ihn. Noch so sehr liebe.

Wer weiß das schon?

Seine Küsse sind unsicher, zaghaft. Verschüchtert.

Aber wenn er so ist. Wie muss ich dann erst sein?

Niemals hätte ich gedacht. Oder geträumt, dass… ich ihn treffe. Finde. Und mit dem ersten Blick. Oder vielleicht war es auch erst der dritte, vierte. Fünfte.

So begehre.

Wer denkt das schon.

Ich nicht. Ich hätte es nie gedacht.

Wer denkt das schon.

Er sicher nicht.

Er ist doch so. Der Frauenheld. Charmant. Sieht gut aus. Mit den Feuerhaaren und den braunen Augen. Mit den nicht ganz trainierten Armen, den langen Beinen.

Wer denkt sich das schon?

Er sicher nicht. Er hat es sicher nicht erwartet.

Hat mich nicht erwartet.

Na ja… ich hab mich auch nicht erwartet.

Er ist unsicher.

Er traut sich nicht. Meinen Mund zu küssen. Weil da der Geruch nach Mann an mir klebt. Wie. Gift? Weil meine Lippen nicht voll sind, sondern schmal und gerade, weil ich mich mal wieder rasieren sollte.

Er ist da.

Ich bin da.

Wir sind da.

Und wir. Sind beide.

Männer.

Here we are.

Flyer denkt sich nichts dabei, als er sich zu dem jungen Mann an die Bar setzt. Er müsste in seinem Alter sein. Vor sich ein Glas, nur noch gefüllt mit glasigen Eiswürfeln. Am Boden ein Tropfen braune Flüssigkeit.

Schimmernd.

Flyer denkt sich nichts dabei, weil er selten nachdenkt, wenn er betrunken ist. Deshalb trinkt er doch. Um sich ein paar Augenblicke lang nicht fragen zu müssen Warum? Wieso? Weshalb? , nur ganz kurz.

Er hört den Leuten um sich herum zu, hört, wie die Musik aus den Lautsprechern stolpert und wie seine Stimme ein Bier bestellt. Ganz automatisch. Dabei wollte er doch nur noch Wasser trinken.

Seine Gedanken gehorchen ihm nicht. Wie immer, wenn er betrunken ist.

Flyer ist nicht oft betrunken.

Angesäuselt, beschwippst, ja. Vielleicht. Aber betrunken?

Heute aber, heute muss er betrunken sein, denn heute heiratet Daffodil. Seine angeblich beste Freundin. Die ihn liebt, hat sie das nicht selbst gesagt?

Hat sie, hat sie.

Ich liebe dich, hat sie gesagt. Und jemand anderen geheiratet.

I love you, Flyer.

Und Flyer kippt sein Bier runter und quatscht den Mann neben sich an, gedankenlos wie immer. Wenn er betrunken ist.

Weil Flyer nicht denken will.

Der Mann zeigt seine Zähne und es dauert kurz, bis er es als ein Lächeln identifiziert.

Es dauert länger, bis er auch etwas sagt.

Der Mann ist auch betrunken. Nicht ganz so betrunken. Angeheitert vielleicht. Aber sein Blick ist trotzdem verschleiert. Ein Blick, der an Steine erinnert. An Steine in einem Fluss.

Sicher kommt er gut bei den Frauen an. Sicher.

Warum er allein hier sitzt, fragt Flyer.

Mit Kollegen ist er hier, die tanzen. Aber ihm kommt das wie Verrat vor, wenn er mit anderen Frauen tanzt. Zu Hause ist seine Verlobte.

Sagt der Mann.

Flyer grinst. Verlobt. Das Wort macht ihm nichts aus, nur ein bisschen Angst macht es ihm, weil. In letzter Zeit zu viel verlobt und geheiratet wurde, für seinen Geschmack.

Why all of them have to be so damn happy?

Schon als er sich zu Blaze setzt, weht die Fahne ihm ins Gesicht. Es stört ihn, dabei weiß er doch, dass er selbst nicht besser riecht. Oder alle anderen hier.

Blaze beachtet den Mann nicht weiter, er sieht nur, wie er ein Bier vor die Nase gestellt bekommt und denkt, dass er doch eigentlich schon genug intus hat. Dann betrachtet er das leere Glas vor sich und seufzt still in sich hinein.

Er selbst. Ist nicht besser.

Er weiß, dass Source ihn beschimpfen wird, wenn er stinkend und spät nach Hause kommt. So spät, dass die Sterne schon verblassen und ihre Augen vor müder Wut Wellen schlagen.

Aber er weiß auch, dass sie ihn küssen wird, heiß und heißer. Weil er getrunken hat.

Und sonst nichts.

Er sieht keiner Frau nach.

Er tanzt mit keiner Frau.

Und er geht erst recht nicht mit einer Frau ins Bett.

Warum auch?

Er. Hat doch Source.

Der Mann neben ihm spricht ihn plötzlich an. Fragt, warum er allein hier sitzt.

Blaze nickt zu einigen jungen Männern. Die kennt er von der Arbeit und wie jeden Freitag schleppen sie ihn mit in ihre Bars, nur um ihn dann sitzen zu lassen.

Soll er sich doch mal selbst bemühen, der Blaze.

Aber Blaze bemüht sich nicht. Das sagt er natürlich nicht. Manche Sachen sagt man Fremden nicht, selbst wenn das Glas vor ihm schon leer ist. Selbst wenn der andere das Gespräch morgen schon wieder vergessen haben wird.

Es gibt Sachen, die sagt man, die fragt man nicht.

Aber Blaze erzählt von Source. Dem Engel.

Verlobt.

Der Fremde sieht mit einem Mal melancholisch drein, bestellt sich noch ein Bier und schüttelt den Kopf, als Blaze fragt. Ob er etwas Falsches gesagt hat.

Und dann vergehen einige Minuten schweigend. Eine Stunde.

Bis der Fremde sich noch ein Bier bestellen will.

Blaze denkt, dass er genug hat.

Er zieht ihn aus der Bar, weiß selber nicht, wieso, aber er tut es. Weil er in den Augen des Fremden nichts entdeckt hat. Und weil vielleicht gerade das das Schlimme ist.

Der Fremde wehrt sich nicht. Lächelt nur.

Bring mich nach Hause, sagt er.

Es verwirrt ihn, das zu sagen. Er zittert.

Und dann. Tanzt er.

Das rote Haar flattert, wie Flammen. Auf und ab.

Ob es heiß ist, dieses Haar?

Der Fremde tanzt durch die Straßen, an Blaze' Arm, über die Bordsteinkante. Und der Fremde bekommt einen Namen. Bekommt plötzlich eine Identität, einen Charakter. Ist plötzlich nicht mehr fremd.

Ich bin Flyer, sagt Flyer.

Ich bin Blaze, sagt Blaze.

I am Flyer.

I am Blaze.

Die Nacht, kalt und klar und ohne Sterne. Sie kühlt seinen Kopf.

Flyer fühlt die Hand, die sich um seinen Arm klammert. Die ängstlich scheint. Ihn loszulassen.

Er torkelt am Straßenrand entlang, nach einem Rhythmus in seinem Kopf, den die Welt nicht kennt. Aber vielleicht hört Blaze ihn, irgendwie, irgendwo. Vielleicht versteht er ihn, denn er läuft im selben Takt.

Aber sicherer.

Weil er noch nicht so viel getrunken hat.

Blaze.

Die Nacht. Erfüllt seine Augen.

Warum tut er das? Warum bringt er den versoffenen, stinkenden Flyer nach Hause?

Er ist einfach zu gut. Ja, er ist einfach zu gut.

Oder?

Auf dem Weg begegnen sie einigen Frauen, eine Gruppe. Sie sind schön und lachen und werfen ihnen Kusshände zu. Und lachen und. Winken.

Sie sind matt geschminkt.

Sie gefallen Flyer. Aber er ist zu benommen. Von allem. Er kann ihnen nicht folgen, auch wenn er sich sehnt.

Nach der Verschmelzung.

Nach der Einigkeit.

Nach Hitze und Kälte und Stille und Lärm.

Nach Liebe. Machen.

Er sehnt sich danach, aber er ist ausgelaugt. Sieht den Frauen nach, doch torkelt, tanzt weiter. Hält sich an Blaze fest und grinst ihn an.

Er sieht stur geradeaus.

Blaze ist, wie Blaze ist. Und im Moment. Ist er bei Flyer, sorgt dafür, dass er nicht vor ein Auto rennt. Sorgt dafür, dass die eiskalte Nachtluft ihm den Kopf klar wischt.

Er spürt, wie Gedanken in einsame Gegenden abdriften. Zu Daffodil. Und ihren Augen, ein Mix aus Blau und Grün und Grau. Er will denken, dass sie nie die Schönste war.

Aber er denkt daran, wie schön sie aussah. In diesem weißen Kleid. Das Haar gehüllt in Tüll und Schleier. Mit den Lippen eines anderen auf den ihren.

Schön.

Schönste Daffodil.

Ich liebe sie, sagt Flyer plötzlich. Schreit es den Sternen zu. Ich liebe sie!

Von der Seite her sieht Blaze ihn an. Sein Blick fragt nach.

Ich liebe sie, wiederholt Flyer und lässt zu, dass er weint. Nur ganz kurz, bevor er wieder stark ist. Ich liebe sie und sie liebt mich. Warum heiratet sie dann ihn?

Blaze zieht ihn weiter, schweigt. Weil Blaze das so macht, wenn er keine Antwort weiß. Er tut so, als würde er Flyers Tränen nicht sehen und Flyer achtet ihn dafür. Es tut gut, weinen zu dürfen. Ganz kurz nur. Als wäre man allein auf der Welt.

Und nicht hilflos.

Am Arm eines Mannes, den er erst kennen gelernt hat.

I don't wanna cry.

Sie stehen vor Flyers Haus und sehen sich nicht an. Es ist ein peinlicher Moment, peinlich berührt vom tränenschweren Himmel.

Irgendwann hebt Flyer den Blick, er atmet schwer und versucht ein klägliches Lächeln. Auch Blaze lächelt jetzt, seine Augen, hell wie Kieselsteine, blitzen auf. Im Fluss. Schlagen Wellen, wo sie ankommen in Flyer.

Hilflos. Aber gerettet.

Am Leben.

Ist doch sowieso alles egal.

Flyer will hochgehen, sich aufhängen an den Gedanken von Daffodil, und stark sein, wenn er eigentlich schwach ist.

Weil er auch nur ein Mann ist.

Der Alkohol ist fast nicht mehr in seinem Kopf.

Er dreht sich um, steckt den Schlüssel ins Schloss und grummelt Tschüss.

Dann Blaze' Stimme.

Kann ich noch mit hochkommen?

Es erschreckt ihn, wie sicher er klingt. Er sieht ihn an und weiß, dass er das sein wird, was die Frauen im schwachen Licht der Straßenlaternen hätten sein sollen.

Und Flyer nickt.

Er weiß, dass es nicht gut ist.

Er weiß, dass es gut ist.

Er sehnt sich nach Liebe. Süchtig ist er danach.

Flyer nickt, weil er schon nicht mehr betrunken genug ist, um abzulehnen.

With you.

* Er küsst nie meinen Mund. Nie von sich aus.

Was ist so schwer daran, Flyer?

Wir haben uns geliebt, die ganze Nacht lang. Mit vernebelten Köpfen, aber jetzt sind wir wach. Ganz wach, und ich merke, wie ich zweigeteilt bin. Werde.

Du, Flyer.

Und Source.

Verstehst du?

Ich liebe Source. Und ich bin süchtig nach Flyer, nach seiner Art von Liebe. Still und leise manchmal und dann laut, manchmal schmerzhaft.

Liebt er mich? So wie ich ihn. Oder so wie ich Source?

Es ist schwierig.

Dabei war es doch nur eine Nacht. Und schon. Hasse ich mich. Und liebe Source. Und begehre einen Mann so sehr, dass ich mich hasse.

Sehnsucht.

Ich hab mich doch nur gesehnt. Nur einmal fallen lassen, nicht nachgedacht. Hat er nachgedacht?

Ich sehnte mich nach Sehnsucht. Denn damit beginnt doch.

Alles.

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