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Leben

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Leben

„Du hast keine Ahnung...“, hauche ich. Ich höre selber wie erstickt meine Stimme klingt. Doch du scheinst es nicht zu hören. Oder willst du es nicht hören? Genervt verdrehst du die Augen, du bist diese Diskussion leid, genauso wie ich.

Warum bist du dann noch hier? Warum bist du nicht längst geflüchtet?

Ich beobachte dich, dich, den ich irgendwann mal so geliebt habe. Wann ist es zerbrochen? Wann bin ich dir egal geworden?

Warme Tränen laufen mir die Wangen hinab, ich muss unterdrückt schluchzen.

„Heulst du schon wieder?“ Deine Stimme klingt genervt, du kommst auf mich zu, greifst nach mir... an mir vorbei. Die Zigarettenpackung auf der Kommode war dein Ziel gewesen. Desinteressiert beobachtest du mich, ich kann den Blick deiner grünen Augen auf mir spüren, die Augen, in denen ich mich früher mühelos verlieren konnte.

Früher... Wann war dieses ‚früher’? Und wann ist es zu dieser grauen Realität gewechselt?

Der dunkle Raum wird kurz von einem kleinen Feuer erhellt, du bemerkst die Tränen in meinen Augen, die Nässe meiner Wangen. Erfreust du dich daran? Bestimmt...

Bläulicher Rauch verbreitet sich wasserähnlich in der Luft, ich schenke dir einen hasserfüllten Blick. Du weißt, ich kann Zigaretten nicht leiden. Hast es schon immer gewusst.

Doch du beachtest mich nicht. Desinteressiert ziehst du an deiner Zigarette, die Glut glimmt kurz auf.

Der Rauch brennt in meiner Lunge, bringt mich zum qualvollen Husten, zum Würgen.

„Ich gehe.“ Ich greife zu meinem Mantel, schaue noch einmal kurz zu dir zurück, doch ich sehe nur deinen Rücken.

Nachdem ich die Tür ins Schloss geknallt und unsere Wohnung hinter mir gelassen habe, gehe ich in eine unbesuchte Seitenstraße und breche dort weinend zusammen. Ich rutsche an der Wand hinab, Kälte dringt durch meine Kleidung.

Wann habe ich dich verloren? Wann ist unsere Leidenschaft und Liebe zerbrochen? Ist es meine Schuld?

Langsam beruhige ich mich, meine Tränen sind versiegt, doch die Leere in mir breitet sich immer weiter aus.

Ich weiß nicht wie lange ich durch die Gegend gewandert bin, doch es ist auch irrelevant. Ich nehme meine Umgebung schon lange nicht mehr wahr. Alles rauscht bedeutungslos an mir vorbei.

Meine Finger sind taub, es bereitet mir Schwierigkeiten den Schlüssel ins Schloss einzuführen. Dann sehe ich dich, dich, den ich so geliebt habe.

Du stehst mit dem Rücken zu mir, obwohl du mich gehört haben musst. Langsam fällt die Tür ins Schloss, ich beobachte dich weiter.

„Hallo...“

Du reagierst immer noch nicht.

Warum bin ich nur zurückgekommen? Bin ich so sehr von dir abhängig, wie du immer sagst?

Meine Schritte sind kaum zu hören, als ich auf dich zugehe und schließlich hinter dir stehen bleibe. Ich traue mich nicht dich anzusehen. Deine Augen machen mir Angst, wenn sie mich erfassen, wirken sie... tot. Du zeigst keine Emotionen mehr, wenn du mich erblickst...

Damals glänzte dein Grün vor Freude und Liebe zu mir.

Wann hat dieses Funkeln der Leere Platz gemacht? Wann ist deine Liebe zu mir erloschen?

„Du bist ja schon wieder zurückgekommen...“

Ha! Wo hätte ich sonst hin sollen? Du hast diese Frage nur gestellt, um mich zu verletzen. Glückwunsch, es ist dir gelungen. Mal wieder...

Ich spare mir die Antwort, beobachte dich stattdessen, wie du aufs Fenster zugehst, es öffnest und das Treiben unten beobachtest. Das hast du schon immer getan. Dieses belanglose Leben beobachten. Wie die Autos vorbeifahren, fremde Menschen ihren Aufgaben nachgehen, jeden Tag das gleiche... Ein belangloses Treiben. Ermüdet es dich nicht?

Wieder steckst du dir eine Zigarette an, du greifst immer öfter nach ihnen. Bist du nervös, oder hast du nur nichts zu tun?

„Ich werde nächste Woche abhauen...“ Deine Worte erschrecken mich, obwohl ich über diese Lösung schon so oft nachgedacht habe. Doch jetzt, wo du sie ausgesprochen hast, flammt die Angst in mir hoch.

Du willst mich alleine lassen? Nach all den Jahren?

„Aha...“

Ich zeige mich desinteressiert, doch dass du mich alleine lässt, das macht mir Angst. Plötzliche Panik, obwohl ich diesen Gedanken schon so oft durchdacht habe.

Doch mehr waren es auch nicht, Gedanken... Jetzt in der Realität, tut es weh... Plötzlich wird mir klar, auch wenn du mich nicht beachtest, du bist da, bist um mich herum...

„Wo willst du hin?“ Eine plötzliche Windböe spielt mit deinen schwarzen Haaren, zerren an ihnen.

„Das kann dir doch egal sein...“ Du drehst dich um, greifst nach deinem Jackett und verschwindest. Ich bleibe allein zurück... Alleine in diesem Zimmer, wo wir uns so oft die Liebe gestanden, sie uns bewiesen haben.

Ich gehe zum Fenster, spiele kurz mit dem Gedanken mich einfach fallen zu lassen, ein Sturz aus dem neunten Stock wäre bestimmt tödlich, doch mir fehlt schlicht und einfach der Mut.

Seufzend wende ich mich schließlich vom Fenster ab, das Treiben da unten ermüdet mich.

Ich habe vergessen meine Schuhe auszuziehen. Jeder Schritt verursacht Geräusche, jeder Schritt hallt durch das fast leere Zimmer.

Nur eine Kommode, ein Doppelbett und ein Fernseher. Noch nicht mal Bilder haben wir nach all den Jahren aufgehängt.

Das Bett knarrt leise, als ich mich darauf sinken lasse, meine Hand wandert zur Fernbedienung, kurz darauf wird der Raum von ständig wechselnden Farben erhellt. Doch ich schenke weder den Bildern noch den Ton Beachtung.

Wann du wohl diesmal zurückkommst? Wahrscheinlich wirst du wieder total besoffen sein und fremde Düfte werden an dir haften. Wie oft bist du mir schon fremdgegangen?

Du kommst um drei Uhr zurück, ich hatte Recht:

Dein Gang ist unsicher, es bereitet dir Probleme auf den Beinen zu bleiben.

„Bist du immer noch wach?“ Dein Atem stinkt nach Alkohol, du redest undeutlich. Das Meiste deines Satzes muss ich mir zusammenreimen. Aber das bereitet mir keine Probleme. Das sagst du immer, immer wenn ich auf deine Wiederkehr warte. Nervt es dich?

„Ist ja auch egal... Ich lege mich hin...“

Egal? Bin ich dir egal? Kurz flammen in mir wieder meine Selbstmordgedanken hoch, verschwinden aber wieder.

Du lässt dich auf das Bett fallen, es federt kurz nach, ich beobachte dich... Noch immer erhellen monotone Bilder den Raum, der Fernseher gibt ein stetiges Piepsen von sich.

Deine schwarzen Haare fallen dir wirr ins Gesicht, verdecken dieses, als du dich runterbeugst und versuchst deine Schuhe zu öffnen. Du scheiterst... scheinst ziemlich viel getrunken zu haben, wenn du noch nicht einmal das hinbekommst. Ein unterdrückter Fluch ist zu hören.

Seufzend stehe ich auf, gehe vor dir wieder auf die Knie und öffne deine Schuhe.

„Was musst du auch so viel trinken?“ Meine Stimme sollte eigentlich vorwurfsvoll klingen, aber in ihr konnte man nichts dergleichen raushören, es war eher eine rhetorische Frage... ich glaub ich stelle sie immer, wenn du mal wieder besoffen nach Hause kommst.

Du seufzt nur schwer, dein Atem geht schnell und flach. Ist dir übel? Ich wende mich deinem Hemd zu, nachdem ich dein Jackett in die nächste Ecke befördert habe.

Der Stoff fühlt sich klamm in meinen Finger an, deine Haut ist feucht.

„Warum machst du das? Warum kümmerst du dich um mich? Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?“

Du versuchst dich meinen Fingern zu entziehen, die gerade die Knöpfe öffnen, kippst aber nach hinten und bleibst liegen. Deine Atmung hat sich zu Keuchen gewandelt.

„Halt still!“, zische ich, setze mich auf deine Hüfte, greife nach einem Kopfkissen und stopfe es dir in den Nacken.

Noch immer fluten bunte Bilder die Szene. Verleihen dem sonst dunklen Zimmer etwas Unheimliches. Schatten tanzen über dein Gesicht, ab und zu spiegelt sich das Licht in deinen Augen, die mich verschleiert anstarren.

Ein fremder Geruch steigt mir in die Nase, als ich dein Hemd zurückschlage. Hat dir dein Seitensprung Spaß gemacht?

Ich spüre Hitze, die sich langsam in meinen Lenden breit macht, als ich deine schwarze Jeans öffne.

Vorsichtig streichle ich deine warme Haut, zeichne die Konturen der Bauchmuskeln nach.

Langsam versenke ich eine Hand in den Boxershorts, spüre deine steigende Erregung.

Dennoch schubst du mich auf einmal von dir runter, ich lande mit einem lauten Poltern auf den Boden. Schmerzen durchzucken meinen rechten Arm, ziehen sich bis zur Schulter hoch. Ich bin auf meinen Ellenbogen gelandet.

„Hör auf damit! Ich liebe dich nicht mehr, sieh es endlich ein!“

Keuchend richtest du dich auf, ich beobachte dich vom Boden aus. Eine Beule hat sich in deiner Hose gebildet, aber du hast kein Interesse an mir.

„Gott, wie ich das hasse...“ Wahrscheinlich redest du mehr mit dir, diese Worte waren für dich bestimmt, doch ich höre sie.

Wieder fangen meine Augen an zu brennen, kurze Zeit später perlen neue Tränen meine Wangen hinab.

Du blickst auf mich hinab, gibst einen abfälligen Laut von dir, und fällst zurück ins Bett.

„Gott sei Dank, bin ich dich bald los...“

Kurze Zeit später kann ich deinen gleichmäßigen Atem hören.

Deine Worte waren nur geflüstert, ich habe keine Ahnung, ob du die Worte nur im Rausch gesprochen hast, oder ob du mir wirklich überdrüssig bist.

Doch wahrscheinlich ist es dein Ernst...

Wir haben uns auseinander gelebt... wie viele Paare. Aber dass die eigene Beziehung zum Scheitern verurteilt ist, das merkt man erst, wenn es zu spät ist.

Wieder drängt sich der Sturz aus dem Fenster in meinen Kopf und diesmal lässt er sich nicht vertreiben.

Meine Angst ist verschwunden...

Ich gehe zum Fenster, öffne es, betrachte noch einmal die stille Nacht, genieße die kalte Luft und lasse mich schließlich fallen.

Mit geschlossenen Augen erwarte ich den Aufprall...

Ende

© by Hien-chan

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